Zum Paragone: Malerei, Skulptur und Dichtung in der Rangstreitkultur des Quattrocento 9783050094991, 9783050061009

Die Paragonefrage, erstmals ausgiebig von Leonardo diskutiert, besitzt im gesamten Quattrocento eine rege Vorgeschichte,

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Zum Paragone: Malerei, Skulptur und Dichtung in der Rangstreitkultur des Quattrocento
 9783050094991, 9783050061009

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
ERSTER TEIL
I. Einleitung
1. Zum paragone: die Frage nach den Anfängen
2. Versäumnisse und revisionsbedürftiges
3. Argumente und werte
4. Der Paragone in der Kunst: »Jede sache hat zwei Seiten«
5. Der Paragone als ›Identitätsgenerator‹
6. Zur Vorgehensweise
II. Begriffsgeschichtliches zum Paragone-Disput
1. Begriffswelten und Sinnhorizonte
2. »Paragone« in der Kunstliteratur
3. »Lis«, »lite« – Horaz, Petrarcas Allstreit und ›schwebender Streit‹ im Paragone
4. »Cimento«, »esperienzia«: Leonardo, Cusanus, die Wahrheitsfindung und Probierbücher
5. Vom instrument des Gorgias zur Rhetorik und Dialektik
6. Ausblick: Statuen im Güte-Wettstreit in Lukians Iupiter tragoedus und die Folgen
III. Der Paragone in der Literatur
1. Die Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca
2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento
2.1. Fehler des Malers und des Arztes – ein Beispiel für die figurativen Künste im Rangstreit der Wissenschaften
2.2. Petrarcas De remediis in Volgare (1427) und das Beispiel des Blinden
2.3. Der Bildhauer als Verlierer gegenüber der ›Disciplina‹: Lukians Traum in der Übersetzung von Lapo da Castiglionchio (ca. 1434)
2.4. Ficinos Icastes und die sophistischen Künste
2.5. Die editio princeps von Apuleius’ Apologia (1469): Der Spiegel im Wettstreit mit den defizitären Künsten
2.6. »caelum«, »caelare«: Der gemeißelte Himmel. Ein Beispiel für die Bedeutung der humanistischen Lexikografie für den Paragone
IV. Vom Künstlerwettbewerb zum paragone
1. Agon – Paragone: Grundsätzliche Berührungspunkte
1.1. Frühneuzeitliche Wettbewerbskultur und die Vermittlung von Werten
1.2. Streittypen: ›Guter Neid‹, die Wette,Wettstreit und Paragone
1.3. Reale oder fiktive Künstlerwettbewerbe: Die Frage nach der Historizität
1.4. Konkurrenten oder Künste im Leistungsvergleich
2. Antike Künsteragone im Spiegel der Literatur des Quattrocento
2.1. Die Dioskuren: Zwillingswerke und Vergleichsbedingungen
2.2. Die Amazonenstatuen zu Ephesos: Für sich selbst stimmen – Subjektivität
2.3. Das Mausoleum zu Halikarnassos: Superlativisches im Wettstreit
3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit
3.1. Übertrumpfen der Vorgänger: Lesarten des Commedia-Motives (Cimabue–Giotto)
3.2. Der »duello« am Mailänder Hof
3.3. Der Bildhauerwettbewerb um die Florentiner Baptisteriumstüren, 1401
3.4. Konsequenzen für die Paragone
V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone
1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertungen durch die Kunstliteratur
2. Chiastische Signaturen: Verweise auf das alter ego (Pisanello, il Vecchietta, il Neroccio, il Francia)
ZWEITER TEIL
VI. Pieros Montefeltro-Diptychon
1. Alte und neue Fragen zum ›Porträt der Porträts‹
2. Piero und die Ansichtsfrage
2.1. Die beste Ansicht – in den Spuren von Apelles
2.2. Das Abbild im Medaillon
2.3. Das Panorama
3. Memoria und eternità
3.1. Monumente im Wettstreit gegen den »zweiten Tod«
3.2. Piero als dispensator famae: ›Fliegende Worte‹ durch Malerei statt portable Büsten
4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana
4.1. Belebung und Polychromie
4.2. Sprache, posthum – im Bildnis und im Gedicht
4.3. Vom ›Bevorzugungstopos‹ zum gattungsübergreifenden Wettstreit
5. Pieros Triumphe
5.1. Pieros Rezeption von Petrarcas Trionfi
5.2. Piero und Dionigi da Borgo San Sepolcro
6. Der Buchgedanke
6.1. Buchmalerei – Malerei statt Buch?
6.2. Zwischen poesie und Gesta – eine Parallelbiografie für den homo litteratus
6.3. Taten, wie von Petrarca erzählt: Piero und der ›Alexander-Achill-Topos‹
7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von Pieros Diptychon
7.1. Bücherwelten des Scheins. Pieros Diptychon und das urbinatische Studiolo
7.2. Vom ›hohen Geister‹ und ›Büchergespräch‹ zum Gespräch mit Bildnissen
Farbtafeln
VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci
1. Zugänge zu einer beidseitig bemalten Einzeltafel
2. Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo
2.1. Eine Devise und ihr geistes- und kulturgeschichtlicher Ort: ›giostra‹, De amore und drei Dichter
2.2. Ein Wacholderreis zwischen Lorbeer und Palme: Eine ikonologische Annäherung
3. Die Rückseitenbemalung
3.1. Das Motto: Die neuplatonische und eine andere Lesart
3.2. Zwischen Heraldik und Baumagon
3.3. Zur Materialikonografie und Imitation des Porphyrs im Quattrocento
3.4. Plinus: Bilder der Seele statt Pomp
4. Hälften zur Kompettierung
4.1. Lukians ›Panthea‹ und das Ideal des zweiteiligen Frauenbildnisses aus den verschiedenen Kunstgattungen
4.2. Zwei Hälften eines Gemäldes, der Skulptur und Entzweite in Liebe bei Landino
5. Zweiseitigkeit und varietas
5.1. Ginevra als ›neue Laura‹
5.2. »CONVERSIO · VARIETAS · MUTATIO«: In der Tradition von Verwandlungsmythen
5.3. Leonardo Ginevra, Pietro Tomàis ›Iuniper‹ und die ars memorativa im Paragone
6. Ginevra de’ Benci und die Dichtkunst
6.1. Stilfragen: Ein ›capoverso‹ von Ginevra und die Frau mit Steinproprietäten
6.2. Bembos Sappho-Verehrung und die Schönheit des Geistes
6.3. Nachhall eines concetto? das Dante-Grabmal in Ravenna
VIII. Schlussbetrachtungen
1. Zur Entwicklung des Paragone im Quattrocento
2. Epilog: Überlegungen zur Geltung von Topoi in der Renaissance
APPENDICES
I. Belege und Texte
I/A Okkurenzliste von »paragone« (bzw. »paragonare«) in Leonardos Libro di Pittura
I/B Lapo da Castiglionchio d. J., Luciani liber de somnio in Latino conversus ad Eugenio summum Pontificem
I/C Apuleius, Apologia (o. a. Pro se magia): Die Verteidigung des Apuleius gegen den Besitz eines Spiegels
I/D Martino Filetico, Iocundissimae disputationes: Phidias und die Ruhmessucht
I/E Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo
II. Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten
II/A Die Amzonenstatuen für das Artemision von Ephesos
II/B Das Mausoleum zu Halikarnassos
II/C Die Dioskuren: Phidias – Praxiteles
II/D Apelles – Protogenes
II/E Zeuxis – Parrhasios
II/F Wettstreitmotive aus Dantes Commedia
II/G Zum Wettstreit in der Bildniskunst: Episoden in der Kunstliteratur des Quattrocento und des Cinquecento
II/H Bildhauerwettbewerbe
II/I Giorgiones sogenannter Hl. Georg
II/J Das Beispiel des Blinden im Kunsturteil
II/K 1498: Streit der Fakultäten – »duello« – am Sforza-Hof von Mailand
II/L Wettstreit Maler – Schneider
II/M Wettstreit Maler – Dichter
II/N Dichterwettbewerbe
II/O Malerwettstreit
II/P Antike Bildhauerwettbewerbe
II/Q Wettstreitkultur im Norden Europas (ein Beispiel)
III. Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit
III/A Petrarcas Gegenüberstellungen von Malerei mit Skulptur, von Malern mit Bildhauern
III/B Malerei und Skulptur im Quattrocento
III/C Malerei oder/und Skulptur im Vergleich mit Buch/Dichtung
III/D Skulptur – Dichtung
IV. Bildzeugnisse
IV/A Katalog zu Illustrationen der Anfangsverse von Horaz, Ars poetica
IV/B Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento
V. Schemata
Schema 1: Die Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca
Schema 2A: Der beste antike Maler nach der Bewertung im Trecento und im Quattrocento
Schema 2B: Der beste antike Bildhauer nach der Bewertung im Trecento und Quattrocento
Schema 3: Themengleiche Werke in verschiedenen Kunstgattungen (Auswahl)
Schema 4: Pieros Rekurs auf Petrarcas Trionfi im Montefeltro-Diptychon
Bibliographie
1. Abkürzungen
2. Archivalien
3. Gedruckte Quellen und Hilfsmittel
4. Darstellungen und Abhandlungen
INDEX nominum
INDEX rerum
Verzeichnis der Abbildungen

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Zum paragone: Malerei, skulptur und dichtung in der rangstreitkultur des Quattrocento

christiane J. hessler

Zum paragone: Malerei, skulptur und dichtung in der rangstreitkultur des Quattrocento

Gedruckt mit Unterstützung der Geschwister Boehringer ingelheim stiftung für Geisteswissenschaften

isBn 978­3­05­006100­9

Bibliografische information der deutschen nationalbibliothek die deutsche nationalbibliothek verzeichnet diese publikation in der deutschen nationalbibliografie; detaillierte bibliografische daten sind im internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A cip catalog record for this book has been applied for at the library of congress. dieses werk ist urheberrechtlich geschützt. die dadurch begründeten rechte, insbesondere die der Übersetzung, des nachdrucks, des Vortrags, der entnahme von Abbildungen und tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen wegen und der speicherung in datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. eine Vervielfältigung dieses werkes oder von teilen dieses werkes ist auch im einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den strafbestimmungen des Urheberrechts.

© 2014 Akademie Verlag, Berlin ein Unternehmen von de Gruyter

titelbild: (rekonstruktion: studio decouard) das panorama v. piero della Francesca, Montefeltro­diptychon (Uffizien) einband: Kerstin protz, pro:design, Berlin satz: petra Florath, Berlin druck und Bindung: Beltz, Bad langensalza printed in Germany dieses papier ist alterungsbeständig nach din/isO 9706.

»[…] venustatem picturarum, decorem statuarum admirantium et inter se comparantium.« lorenzo Valla, De voluptate, ii, 36, 8

»er ist schon was! Aber er ist nicht wer!« Musil über thomas Mann

Meinen eltern und anderen athletae amicitiae der letzten Jahre in tiefer dankbarkeit, allen voran Markus heidemann und Jane McAdam Freud

inhalt

Vorwort

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erster teil i.

einleitung 1. Zum paragone: die Frage nach den Anfängen

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2. Versäumnisse und revisionsbedürftiges 3. Argumente und werte

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4. der paragone in der Kunst: »Jede sache hat zwei seiten« 5. der paragone als ›identitätsgenerator‹ 6. Zur Vorgehensweise

ii. Begriffsgeschichtliches zum paragone­disput 1. Begriffswelten und sinnhorizonte 2. »paragone« in der Kunstliteratur

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3. »lis«, »lite« – horaz, petrarcas Allstreit und ›schwebender streit‹ im paragone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. »cimento«, »esperienzia«: leonardo, cusanus, die wahrheitsfindung und probierbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Vom instrument des Gorgias zur rhetorik und dialektik

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6. Ausblick: statuen im Güte­wettstreit in lukians Iupiter tragoedus und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

iii. der paragone in der literatur 1. die sprecherkonfigurationen in der dialogliteratur über den paragone seit petrarca . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Argumentative impulse aus dem Quattrocento . . . . . . . . . . . . 2.1. Fehler des Malers und des Arztes – ein Beispiel für die figurativen Künste im rangstreit der wissenschaften 2.2. petrarcas De remediis in Volgare (1427) und das Beispiel des Blinden 2.3. der Bildhauer als Verlierer gegenüber der ›Disciplina‹: lukians Traum in der Übersetzung von lapo da castiglionchio (ca. 1434) 2.4. Ficinos Icastes und die sophistischen Künste 2.5. die editio princeps von Apuleius’ Apologia (1469): der spiegel im wettstreit mit den defizitären Künsten 2.6. »caelum«, »caelare«: der gemeißelte himmel. ein Beispiel für die Bedeutung der humanistischen lexikografie für den paragone

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79 99 99 108 117 132 138 144

iV. Vom Künstlerwettbewerb zum paragone 1. Agon – paragone: Grundsätzliche Berührungspunkte . . . . . . . 1.1. Frühneuzeitliche wettbewerbskultur und die Vermittlung von werten 1.2. streittypen: ›Guter neid‹, die wette, wettstreit und paragone 1.3. reale oder fiktive Künstlerwettbewerbe: die Frage nach der historizität 1.4. Konkurrenten oder Künste im leistungsvergleich 2. Antike Künsteragone im spiegel der literatur des Quattrocento . 2.1. die dioskuren: Zwillingswerke und Vergleichsbedingungen 2.2. die Amazonenstatuen zu ephesos: Für sich selbst stimmen – subjektivität 2.3. das Mausoleum zu halikarnassos: superlativisches im wettstreit

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155 155 162 166 172

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175 175 179 182

Inhaltsverzeichnis

3. Künstlerwettbewerbe und rangstreitmotive der Frühen neuzeit . . 3.1. Übertrumpfen der Vorgänger: lesarten des Commedia­Motives (cimabue – Giotto) 3.2. der »duello« am Mailänder hof 3.3. der Bildhauerwettbewerb um die Florentiner Baptisteriumstüren, 1401 3.4. Konsequenzen für die paragone

V.

.

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Universalität und Grenzüberschreitungen im paragone 1. doppelbegabungen: ihre Bewertungen durch die Kunstliteratur

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2. chiastische signaturen: Verweise auf das alter ego (pisanello, il Vecchietta, il neroccio, il Francia) .

Zweiter teil Vi. pieros Montefeltro-Diptychon 1. Alte und neue Fragen zum ›porträt der porträts‹

2. piero und die Ansichtsfrage . . . . . . . . . . . . . . 2.1. die beste Ansicht – in den spuren von Apelles 2.2. das Abbild im Medaillon 2.3. das panorama

. . . . . . . . . . .

3. Memoria und eternità . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Monumente im wettstreit gegen den »zweiten tod« 3.2. piero als dispensator famae: ›Fliegende worte‹ durch Malerei statt portable Büsten 4. porträts im wettstreit: piero versus laurana . . . . . . . . . . . 4.1. Belebung und polychromie 4.2. sprache, posthum – im Bildnis und im Gedicht 4.3. Vom ›Bevorzugungstopos‹ zum gattungsübergreifenden wettstreit 5. pieros triumphe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. pieros rezeption von petrarcas Trionfi 5.2. piero und dionigi da Borgo san sepolcro

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Inhaltsverzeichnis

6. der Buchgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Buchmalerei – Malerei statt Buch? 6.2. Zwischen poesie und Gesta – eine parallelbiografie für den homo litteratus 6.3. taten, wie von petrarca erzählt: piero und der ›Alexander­Achill­topos‹ 7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von pieros diptychon . 7.1. Bücherwelten des scheins. pieros diptychon und das urbinatische studiolo 7.2. Vom ›hohen Geister­‹ und ›Büchergespräch‹ zum Gespräch mit Bildnissen

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426 426 436 454

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459 459 467

Farbtafeln Vii. leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci 1. Zugänge zu einer beidseitig bemalten einzeltafel

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2. Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo . . . . . . . . . . . . . . 2.1. eine devise und ihr geistes­ und kulturgeschichtlicher Ort: ›giostra‹, De amore und drei dichter 2.2. ein wacholderreis zwischen lorbeer und palme: eine ikonologische Annäherung 3. die rückseitenbemalung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. das Motto: die neuplatonische und eine andere lesart 3.2. Zwischen heraldik und Baumagon 3.3. Zur Materialikonografie und imitation des porphyrs im Quattrocento 3.4. plinus: Bilder der seele statt pomp

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486 486 495

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4. hälften zur Kompettierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. lukians ›panthea‹ und das ideal des zweiteiligen Frauenbildnisses aus den verschiedenen Kunstgattungen 4.2. Zwei hälften eines Gemäldes, der skulptur und entzweite in liebe bei landino

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499 500 504 508 518

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5. Zweiseitigkeit und varietas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Ginevra als ›neue laura‹ 5.2. »cOnVersiO ∙ VArietAs ∙ MUtAtiO«: in der tradition von Verwandlungsmythen

520 520 527

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547 547 556

Inhaltsverzeichnis

5.3. leonardo Ginevra, pietro tomàis ›iuniper‹ und die ars memorativa im paragone

578

6. Ginevra de’ Benci und die dichtkunst . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. stilfragen: ein ›capoverso‹ von Ginevra und die Frau mit steinproprietäten 6.2. Bembos sappho­Verehrung und die schönheit des Geistes 6.3. nachhall eines concetto? das dante­Grabmal in ravenna

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593 593 605 616

Viii. schlussbetrachtungen 1. Zur entwicklung des paragone im Quattrocento

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2. epilog: Überlegungen zur Geltung von topoi in der renaissance

627

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Appendices i.

Belege und texte i/A Okkurenzliste von »paragone« (bzw. »paragonare«) in leonardos Libro di pittura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i/B lapo da castiglionchio d. J., Luciani liber de somnio in Latino conversus ad Eugenio summum Pontificem . . . . . . . . . . . . . . . i/c Apuleius, Apologia (o. a. Pro se magia): die Verteidigung des Apuleius gegen den Besitz eines spiegels . . . . . . . . . .

i/d Martino Filetico, Iocundissimae disputationes: phidias und die ruhmessucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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i/e Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo

ii. Künstlerwettbewerbe und ­rivalitäten ii/A die Amzonenstatuen für das Artemision von ephesos ii/B das Mausoleum zu halikarnassos ii/c die dioskuren: phidias – praxiteles ii/d Apelles – protogenes

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Inhaltsverzeichnis

ii/e Zeuxis – parrhasios

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ii/F wettstreitmotive aus dantes Commedia

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ii/G Zum wettstreit in der Bildniskunst: episoden in der Kunstliteratur des Quattrocento und des cinquecento . . ii/h Bildhauerwettbewerbe

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ii/i Giorgiones sogenannter Hl. Georg

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ii/J das Beispiel des Blinden im Kunsturteil

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ii/K 1498: streit der Fakultäten – »duello« – am sforza­hof von Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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ii/l wettstreit Maler – schneider ii/M wettstreit Maler – dichter ii/n dichterwettbewerbe ii/O Malerwettstreit

693

ii/p Antike Bildhauerwettbewerbe

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ii/Q wettstreitkultur im norden europas (ein Beispiel)

. . . . . . . . .

733 733

iii. Quellen zum paragone in der literatur der Frühen neuzeit iii/A petrarcas Gegenüberstellungen von Malerei mit skulptur, von Malern mit Bildhauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iii/B Malerei und skulptur im Quattrocento

. . . . .

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iii/c Malerei oder/und skulptur im Vergleich mit Buch/dichtung iii/d skulptur – dichtung

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iV. Bildzeugnisse iV/A Katalog zu illustrationen der Anfangsverse von horaz, Ars poetica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iV/B Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento

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Inhaltsverzeichnis

V.

schemata schema 1: die sprecherkonfigurationen in der dialogliteratur über den paragone seit petrarca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . schema 2A: der beste antike Maler nach der Bewertung im trecento und im Quattrocento . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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schema 2B: der beste antike Bildhauer nach der Bewertung im trecento und Quattrocento . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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schema 3: themengleiche werke in verschiedenen Kunstgattungen (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . schema 4: pieros rekurs auf petrarcas Trionfi im Montefeltro-Diptychon . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bibliographie 1. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . 2. Archivalien . . . . . . . . . . . . . . 3. Gedruckte Quellen und hilfsmittel 4. darstellungen und Abhandlungen indeX nominum . . . . . indeX rerum . . . . . . . . Verzeichnis der Abbildungen

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Vorwort

Am Anfang steht mit vollem recht der dank. die ermutigung zur vorliegenden studie über den paragone – es handelt sich um die aktualisierte Fassung meiner 2010 an der Freien Universität Berlin eingereichten dissertation in Kunstgeschichte – ver­ danke ich meinem doktorvater prof. dr. Matthias winner. Von dessen dialog­ fähigkeit, rückgrat, sachlichkeit und Verbindlichkeit konnten meine langjährigen Forschungen nur profitieren. Großen dank schulde ich auch prof. dr. horst Brede­ kamp, der, als ich ihn fragte, trotz vieler Verpflichtungen auf der stelle das Zweitgut­ achten übernahm. prof. dr. rudolf preimesberger stand über die Betreuung meiner Magisterarbeit hinaus für einige Gespräche bereit und hat mir einen seiner Aufsätze in statu nascendi überlassen. sehr erleichtert wurden mir meine recherchen, speziell der Zugang zu den rarissimi, durch die hilfsbereitschaft der Mitarbeiter vieler in­ ternationaler Forschungsinstitute, Bibliotheken und Archive. es beschämt mich, nur die institutionen – und selbst diese nur in Auswahl – nennen zu können: die Biblio­ theca hertziana und Biblioteca Apostolica Vaticana, das warburg institute und die British library, die Biblioteca nazionale centrale und riccardiana, die Biblioteca Ambrosiana und Marciana, die Biblioteca nacional zu Madrid, die Fine Arts libra­ ry der harvard University in cambridge Mass., the Getty research institute, die new York public library, die wissenschaftliche Bibliothek (Amploniana) von er­ furt und nicht zuletzt die Kunst­ und die staatsbibliothek zu Berlin. Freunde, Gianna Mazzara Bologna und Marcella chioino, haben manche dun­ kelheiten regionaler idiome des renaissance­italienischs für mich aufhellen können. Bereitwillig suchte mir dott.ssa Giovanna lazzi, die direktorin der Biblioteca ric­ cardiana, gewünschte detailinformationen zu einer lukian­handschrift heraus. Mein grundsätzlicher dank gilt allen, die Zeit und Mühe aufgebracht haben, teile meines Manuskriptes im laufe seiner entstehung zu lesen, zu kommentieren und nicht zuletzt zu kritisieren, häufig dezidierter, als ich es erwarten durfte, auch allen, die durch Zuspruch, hinweise oder diskussion bereichernd einwirkten, wie daniel Arasse, david cast, August Buck, luba Freedman, Ulrich pfisterer, Giuseppe Ger­ mano, Ulrike Müller hofstede, J.­B. trapp, Kristine patz, lucia tanganelli, Klaus Bergdolt, Kurt Flasch, Maria Moog­Grünewald, Michael cole, ernst tugendhat,

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Vorwort

harald Zielske, wendy wallis, Amy stafford und Georg Kauffmann. Uwe Kai Jacobs hat mich vor semantischen Unklarheiten bewahrt. ein generelles wort des dankes richtet sich auch an all jene, die mir bei der Foto­Beschaffung behilflich waren, unter ihnen penelope shefton, hans­Ulrich Kessler und Octavia hackemann. Megan holmes stellte mir eigene Aufnahmen zum wappen der Benci­Familie zur Ver­ fügung und scheute keinen Aufwand, mir behilflich zu sein. Besondere dankbarkeit empfinde ich gegenüber denjenigen, die mir zu Zeiten, als der überbordende erkenntniszuwachs meine eigenen Kräfte zu überfordern schien, das Gefühl gaben, in meinem Beruf zuhause zu sein: Matthias winner, leatrice Mendelsohn, henning ritter, ekkehard Mai, christa lichtenstern, wilfried wie­ gand und studenten der humboldt­Universität. dankbar denke ich an die lebendi­ gen diskussionen im rahmen eines von mir geleiteten paragone­seminars an dieser Berliner Universität zurück, wo ich jahrelang Kunstgeschichte unterrichten durfte. ekkehard Mai gab mir die chance, neue erkenntnisse zum paragone in die erste themenbezogene Ausstellung, »wettstreit der Künste«, einfließen zu lassen. Mit nachdruck danke ich leatrice Mendelsohn. nicht nur, dass sie sich mit unermüdli­ chem elan kompetent jeder diskussion stellte; ihrem einsatz für mich und der da­ raus hervorgegangenen einladung durch die ›Association for textual scholarship in Art history‹ zum amerikanischen Kunsthistorikerkongress 2004 (›college Art Asso­ ciation 92nd Annual conference‹) nach seattle verdanke ich, dass ich Aspekte meiner Forschungen, die in dieser Arbeit unberücksichtigt bleiben, in der sektion »the Ago­ nistic Arts: redefining the ›paragone‹ within and without italy« zum Besten geben konnte und 2010 erneut beim Jahrestreffen der ›renaissance society of America‹ in Venedig. den herausgebern von Ars et Scientia, Bénédicte savoy, Michael thimann und Gregor wedekind, danke ich für die Aufnahme meines Buches in diese reihe. Beim Akademie Verlag geht mein dank an Martin steinbrück wegen seines umsich­ tigen lektorats; ohne das Mitdenken und das Geschick von petra Florath besäße die fertige Buchgestalt nicht die gewünschte Klarheit der Form. Meine dissertation und mein Forschungsaufenthalt in rom, am Max­planck­ institut für Kunstgeschichte, wurden auf großzügige weise finanziell gefördert durch ein Graduiertenstipendium der Konrad­Adenauer­stiftung. die professoren, die sich gutachterlich für mich einsetzten, sollen an dieser stelle nicht unerwähnt bleiben: Matthias winner, thomas Gaethgens, harald Zielske, Brian Benjamin shefton, rudolf preimesberger und wolf­dieter heilmeyer. pfarrer walter deutsch sei für sein persönlichkeitsgutachten gedankt. die drucklegung meines Buches ermöglich­ te die Geschwister Boehringer ingelheim stiftung für Geisteswissenschaften. Geför­ dert wurde meine Arbeit nicht zuletzt durch meine eltern. ihrer stets großherzigen, ideell­moralischen Unterstützung wie auch ihrem humor verdanke ich mehr, als in wenigen worten gesagt werden kann. ihnen sei deshalb mein Buch gewidmet, auch zwei weiteren Mitgliedern der ›loyalitätsmafia‹: meinem unendlich geduldigen Mann

Vorwort

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Markus heidemann und meiner römischen wohnungsgenossin, längst »sister of choice«, Jane McAdam Freud. rolfo hegmann, Gerrit stein, Jannis Arampatzis und sergio Assabbi haben mich mit ihrem charme unterstützt, mein Bruderherz mit witz und wissenschaftlicher Verve. Jeder hat auf seine weise dazu beigetragen, dass es trotz meiner saumseligkeit gelungen ist, ein fertiges Buch vorzulegen. Berlin, im Januar 2014 christiane hessler

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erster teil »come, give us a taste of your quality.« Shakespeare

i. einleitung

1. Zum paragone: die Frage nach den Anfängen in einem Moment des stillen pathos durchbrach der Maler piero della Francesca den ansonsten eher spröden ton seines euklidisch angehauchten Alterswerkes Libellus de quinque corporibus regularibus. in seiner ehrengalerie gefeierter Künstler fallen seite an seite die namen Apelles und lysipp »unter den antiken Malern und Bildhauern«, »die Vortrefflichkeit auf Grund ihrer Kunst erreicht haben«.1 sublim zu nennen ist diese Künstler­Konfrontation, sublim und kennerhaft. denn tatsächlich, sooft antike Kory­ phäen der figurativen Künste zu Gebote standen, gerieten Autoren für Generationen, nicht allein piero, ins Fahrwasser der allzu schönen, nie wirklich vergessenen episode um die beiden hoffnungsträger Alexanders des Großen. cicero, plinius der Ältere und andere kolportierten sie leicht variiert, die vom edikt, das der Makedonenkönig erlassen habe: niemand außer Apelles dürfe ihn malen und niemand mit Ausnahme von lysipp ihn in erz gießen.2 diese sequenz, die dem ›höhenkamm‹ der gattungsspezifisch besten Virtuosen Flügel verlieh, war zu pieros lebzeiten längst zum locus classicus für den Ver­ gleich zwischen themengleichen Meisterwerken der Malerei mit denen der skulptur ge­ reift. Keiner der beiden kaiserzeitlichen Autoren schickte sich an, die leistungen der beiden porträtierenden gegeneinander abzuwägen. es blieb die schwelle zwischen den Kunstgattungen. Aber der ›Bevorzugungstopos‹ – so möchten wir die episode künftig nennen – bereitete allein mit dieser gattungsübergreifenden Konfrontation mithin den Boden für den späteren paragone­disput. es ist die debatte, die in der Frühen neuzeit

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diese sequenz entstammt dem widmungsbrief pieros an Guidobaldo da Montefeltro (ca. 1482–1492); piero della Francesca, Libellus (s. App. ii/G­a, nr. 20); das Buch wurde 1509 erstmals gedruckt. Vgl. cicero, Epistulae ad familiares, V, 12, 7; plinius, NH, Vii, 125; s. App. ii/G­a. – Unklar bleibt, auf welche Quelle piero rekurrierte, auch wie umfassend seine Bildung war. wie vermutet wird, dürfte der Libellus­traktat – er ist nur in einem einzigen lateinischen exemplar auf uns gekommen (BAV, Ms. Vat. Urb. lat. 632) – auf seiner eigenen Ursprungsfassung in Volgare beruhen; vgl. The Cambridge Companion to Piero della Francesca, hrsg. v. Jeryldene M. wood, cambridge, 2002, s. 153–154.

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I. Einleitung

aufkam und Generationen in Atem hielt: die um die relative wertigkeit der Künste. neben anderen Autoren des Altertums schwebte auch horaz eine dem ›Bevorzugungs­ topos‹ verwandte idee vor: eine heldengestalt oder ein Götterbild vom Bildhauer skopas oder vom Maler parrhasius, von dem einen aus stein, vom anderen mit Farben angefer­ tigt.3 Früh sind die Malkunst und die skulptur mit Gattungsbegriffen belegt worden.4 Und so mag es, obgleich eine beachtliche Vorgeschichte nicht zu leugnen ist, verwun­ 3

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horaz, Carmina, iV, 8, vv. 5–7, s. 192/193 (Üs: hans Färber): »[…] divite me scilicet artium, 5 quas aut parrhasius protulit aut scopas, hic saxo, liquidis ille coloribus«. ([…] hätt’ ich ein Meisterwerk, / wie parrhasius’ hand, wie es ein skopas schuf, – / eine helden­ gestalt oder ein Götterbild – / der in farbigem schmelz, dieser in Marmorstein). Ambivalent bleibt der sinn des plinius­passus über die Laokoon-Gruppe im hause des Kaisers titus, ein »werk, das allen [themengleichen?] werken sowohl der Malerei als auch der Bildhauerkunst vorge­ zogen werden« müsse; plinius, NH, XXXVi, 37, s. 36/37: »sicut in laocoonte, qui est in titi impera­ toris domo, opus omnibus et picturae et statuariae artis praeferendum«; nicht berücksichtigt im plini­ us­Kommentar von ermolao Barbaro, Castigationes Plinianae. – die klare differenzierung zwischen den verschiedenen tätigkeiten des Bildhauers und des Malers (auch des dichters) in Ovid, Fasti, iii, vv. 831–833, s. 144/145 (Üs: niklas holzberg): »quique moves caelum, tabulamque coloribus uris, quisque facis docta mollia saxa manu. mille dea est operum: certe dea carminis illa est;« (du, der den stichel du führst, und du, der du Farben in tafeln / einbrennst, und du, dessen hand kunstvoll die steine behaut! / schutzgöttin ist sie [Minerva] von tausend Künsten, auch Göttin der dichtkunst). die gattungsorientierte terminologie für Künstler – Maler und Bildhauer – bedarf hier keiner aberma­ ligen erörterung; nur einige zentrale sequenzen seien genannt: Über die nachahmung heißt es in philostratos, Imagines, i, 294, s. 85: »[…] es erfanden sie aber weise Männer und nannten sie teils Ma­ lerei, teils plastik. […]. die Bildhauerei nun hat viele Arten […]. die Malerei aber arbeitet mit Farben […].« Vgl. dion von prusa, Olympische Rede, 44. die differenzierung zwischen pictura und plasticen in plinius, NH, XXXV, 151, s. 108; vgl. 1497 in Barbaro, Castigationes Plinianae, s. 1143. in grundlegen­ der Orientierung an der einteilung der Naturalis historia (XXXiV–XXXVii) von plinius d. Ä. unter­ scheidet Alberti zwischen drei typen von Bildhauern: die Material hinzufügenden fictores arbeiten mit wachs oder ton, sculptores legen Figuren mit dem Meißel aus dem stein frei und die mit dem hammer formenden Metallbearbeiter, die er trotz des Farbauftrages ausdrücklich von den Malern (pictores) un­ terscheidet, die es »[…] mit einer ganz eigenen, einer anderen und besonderen Fertigkeit zu tun haben«, nämlich »die Umrisse und die licht­schatten­Verhältnisse von Körpern gemäß dem Blickwinkel ihrer Betrachtung« nachzuahmen; s. Alberti, De statua, 2, s. 142f. (Üs: Bätschmann/schäublin): »[…] suo quodam alio et proprio artificio eniti, ut quae sub aspectu posita intueantur corporum lineamenta et lumina imitentur« Vgl. perotti, Cornucopiae, s. 574, z. 50f.: »et sculpo, quod Graeci dicunt γλ´νφω, a quo sculptor, sculptrix. et sculptile, quod sculptum est. item insculpo, et exculpo composita.« siehe auch s. v. »pittore«, »plastica«, »scultura, scoltura«, »statuaria«, in Dizionario della critica d’arte, hrsg. v. luigi Grassi et alt., 2 Bde., turin, 1978, Bd. ii, s. 406–407, s. 412–413, s. 516, s. 563–564.

1. Zum Paragone: Die Frage nach den Anfängen

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dern, dass deren grundlegenden, seit jeher vorhandenen Gattungsdifferenzen erst im sogenannten paragone ganz umfassend zu denkmaßstäben avancierten, ja ins Zentrum der wahrnehmung rückten: ›paragone‹ (ital.: »Vergleich«), benannt nach der Überschrift, die in den ersten dezennien des 19. Jahrhunderts für jene berühmte rangstreitdiskus­ sion gewählt wurde, in der leonardo da Vinci nichts unversucht ließ, um in sophistischer Abwägung der Qualitäten von Malerei, Bildhauerkunst, dichtung und Musik den Vor­ rang der Malkunst zu erweisen.5 Bekanntlich umfasst der Behelfsbegriff paragone seit­ her, über leonardos Beitrag hinaus, themengleiche diskussionen. dabei gehört, wie von Mendelsohn erstmals dezidiert betont wurde, zu einer ganzheitlichen, gleichmäßig durchgeformten darstellung des Kunstrangstreits immer auch die Frage, wie er sich in Gemälden, skulpturen oder dichtwerken in Form von anschaulichen stellungnahmen materialisierte, kurz: mit welchen künstlerischen Mitteln die Virtuosen ihren rivalen in ihrem eigentlichen Medium die Grenzen absteckten.6 was verspricht uns eine studie zum status nascendi und zur frühen Genese des pa­ ragone in italien? was kann im idealfall der Gewinn sein, sollte man in erfahrung bringen, welche wege der rangstreit der Künste im Vorfeld zu dem genommen hat, was gemeinhin als sein höhepunkt gilt: sei es die Parte prima von leonardo (sie ist uns nur in der posthumen Kompiliation des Codex Urbinas 1270 überliefert), sei es das recht modern anmutende Unternehmen, das der Florentiner historiker Benedetto Varchi bald fünfzig Jahre nach leonardos Vorstoß primär für das Forum der Academia Fiorentina in die wege geleitet hat? panofsky bezeichnete es so treffend als »die vielleicht erste Mei­ nungsumfrage über Kunst«.7 Gemeint ist das schmale Briefcorpus, das acht stellungnah­ men stadtbekannter Maler­ und Bildhauerpersönlichkeiten zum paragone enthält; Var­ chi gab es, begleitet von zwei eigenen Vorträgen zum thema, 1550 bei torrentino in druck.8 die Konzentration auf das werden, auf die Formierung des paragone, auf den 5

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terminologiebildend hat Manzis wortwahl »paragone« für die Parte prima von leonardos Libro di pittura gewirkt; s. Guglielmo Manzi, Trattato della pittura, di Lionardo da Vinci, tratto da un codice della Biblioteca Vaticana, rom, 1817; näheres dazu in cap. ii. Auf der Grundlage der weit älteren erkenntnis, dass der paragone auch seinen bildhaften Ausdruck fand, stellte Mendelsohn in ihrer bedeutenden Monografie erstmals ausgiebige reflexionen über das Verhältnis von theorie und praxis des paragone an; s. leatrice Mendelsohn, ›Paragoni‹. Benedetto Varchi’s ›Due Lezzioni‹ and Cinquecento Art Theory (studies in the Fine Arts. Art theory 6), Ann Ar­ bor, 1982, s. XV–XXV; vgl. auch Ulrich pfisterer, s. v. »paragone«, in: HWR, Bd. Vi, tübingen, 2003, sp. 528–546, sp. 529. Vgl. erwin panofsky, Galileo as a Critic of the Arts, the hague, 1954, s. 3: »[…] perhaps the earliest public opinion poll […].« Varchi hielt seine lektionen 1547; Antwortbriefe zur paragone­Frage reichten ein: der universale Michel­ angelo, die Maler Vasari, Bronzino und pontormo und die Bildhauer Battista tasso, Francesco da sangallo, tribolo und cellini. – die vierte dekade des 16. Jahrhunderts als »period of the ›paragone’s‹ greatest popularity« in Mendelsohn, 1982, s. XiV; vgl. auch die Monografie Benedetto Varchi – Der Rangstreit der Künste, hrsg. v. Oskar Bätschmann et alt., darmstadt, 2013. – Als einer der Faktoren, der

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I. Einleitung

prozess, in dessen Verlauf die debatte seit dem primo Quattrocento allmählich ihre Kon­ turen gewann, im Buchtitel angedeutet mit »zum paragone« (ital.: »al paragone«), ver­ heißt spannendes gerade deshalb, weil ein solches Unterfangen mehr licht in jene mo­ nografisch nie ernsthaft beleuchtete phase zu bringen vermag, bevor der Kunstrangstreit, und das tat er, sich zu einer zunehmend konventionalisierten Form verfestigt hat. heute, da der paragone zwischen den figurativen Künsten des 15. Jahrhunderts, gemessen am Anstieg von detailuntersuchungen,9 aber auch an knappen historischen Abrissen jen­ seits der leonardo­Forschung, kein peripheres Forschungsfeld mehr darstellt – unter den letzteren vorzuziehen die Beiträge von pfisterer [2003a] und Ames­lewis [2000] –,10 muss das zu Unrecht mit »paragone« überschriebene Buch von lepper [1987] erst recht für das skizzierte Forschungsdesiderat sensibilisieren. Faktisch enthält es nur eine prä­ sentation altvertrauter, meist seit schlosser [1924] bekannter und zudem recht beliebiger sequenzen zur skulptur oder zur Malerei aus der Kunstliteratur.11 Obgleich der Fokus Varchis Meinungsumfrage begünstigt hat, ist mittlerweile die seit petrarca populäre humanistische epistolografie zu erkennen, eine unmittelbare Fortsetzung der ars dictaminis; zu dieser Mode nancy s. struever, Theory as Practice. Ethical Inquiry in the Renaissance, chicago und london, 1992; siehe auch Ciceronian Controversies (the i tatti renaissance library), hrsg. v. Joann dellaneva, cambridge Mass., 2007. 9 so ist der paragone am rande, um einige Beispiele herauszugreifen, ein Untersuchungsgegenstand in sabine Blumenröder, Andrea Mantegna – die Grisaillen: Malerei, Geschichte und antike Kunst im Paragone des Quattrocento, (diss. 1999) Berlin, 2008; dem Miteinander der figurativen Künste im Kirchen­ raum, unter Berücksichtigung polychromer skulpturen vor flach gemaltem Grund, widmet sich iris wenderholm, Bild und Berührung. Skulptur und Malerei auf dem Altar der italienischen Frührenaissance, München, 2006; es geht um Fragen der rezeptionslenkung mit hilfe bewusst inszenierter Gattungs­ qualitäten. 10 pfisterer, 2003a, sp. 528–532; vgl. zur frühen Beschäftigung mit dem Aspektkriterium Ulrich pfisterer, Donatello und die Entdeckung der Stile 1430–1445 (römische studien der Bibliotheca hertziana 17), München, 2002, s. 388f. einen knappen Überblick über den paragone im 15. Jahrhundert bietet, unter Berücksichtigung von theorie und praxis (unter Berufung auf längst bekannte Quellen), Frances Ames­lewis, The Intellectual Life of the Early Renaissance Artist, new haven und london, 2000, cap. 6, s. 141–161; mitunter über den frühen paragone Marco collareta, »›l’arti sorelle‹. theoria e pratica del ›paragone‹«, in: La pittura in Italia. Il Cinquecento, hrsg. v. Giuliano Briganti, 2 Bde., Mailand, 1988, Bd. ii, s. 569–580, s. 569–572 und simonetta la Barbera, Il paragone delle arti nella teoria artistica del Cinquecento, s. i., 1997, s. 7–32; in einem knappen Überblick zum paragone von petrarca bis Gauricus versucht sich Blumenröder, 2008, s. 225–230; ähnlich in der studie über doppelbegabungen eva hanke, Malerbildhauer der italienischen Renaissance. Von Brunelleschi bis Michelangelo, petersberg, 2009, s. 11. 11 Katharina B. lepper, Der ›Paragone‹. Studien zu den Bewertungsnormen der bildenden Künste im frühen Humanismus. 1350–1480, (zugl. diss. Bonn, 1987) Bonn, 1987. Abgesehen davon, dass leppers Buch längst überholt und bezeichnenderweise ohne Kenntnisnahme von Mendelsohns wichtiger Monografie (von 1982) verfasst ist, besitzt es bezüglich des paragone einen sehr begrenzten wert. nahezu immer bleibt die Autorin einer erklärung schuldig, weshalb bestimmte sequenzen, die sich obendrein nur auf einzelne Kunstgattungen beziehen, für die Genese des paragone wichtig sein sollen. so bleibt auch die

1. Zum Paragone: Die Frage nach den Anfängen

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unserer studie auf dem Quattrocento (d. h. auch auf leonardo) liegt, sind für uns dieje­ nigen erkenntnisse nicht unerheblich, die bereits zum paragone des cinquecento ge­ wonnen worden sind. Ohne die grundlegenden recherchen von schlosser, Barocchi und Mendelsohn, ohne die aufbauenden studien von summers, pedretti, Farago, Goffen und hendler, wäre eine Vertiefung in die entstehungsgeschichte im Quattrocento nicht oder nur schwer möglich.12 Für uns heißt dies, das weitläufige terrain des paragone, seine leitmotive und seine entstehungsbedingungen in der Frühen neuzeit auf der Grundlage der erschließung eines möglichst reichen Fundus an Quellen in den Blick zu nehmen. das schließt Äuße­ rungen der frühen italienischen humanisten, d. h. von Vertretern der studia humanitatis, zur paragone­Frage ebenso ein wie die von theoretisierenden Maler­ und Bild­ hauerpersönlichkeiten, die mit ihren Kunsttraktaten dem universalen dilettanten leon Battista Alberti nacheiferten: Ghiberti, Filarete, Francesco di Giorgio Martini, piero della Francesca, Giovanni santi, luca pacioli und leonardo da Vinci, um die bekann­ testen zu nennen. die ursprünglich geplante Beschränkung der Untersuchung auf die rivalität zwischen den figurativen Künsten verlor in dem Augenblick ihre Berechti­ gung, als deutlich wurde, dass die dichtkunst im Quattrocento – übrigens anders als die sichtung der angekündigten »Bewertungsnormen der bildenden Künste« dem leser überlassen. ent­ täuschend ist besonders der Quellenanhang des Buches (ebenda, s. 149ff.), der kein einziges Zeugnis zum paragone im untersuchten Zeitraum enthält. – speziell zum paragone Julius von schlosser, Die Kunstliteratur, hrsg. v. Otto Kurz, [wien, 1924] wien, 1985, s. 139, s. 154ff., s. 200ff. 12 siehe Barocchis einleitenden worte zum paragone­Band der Scritti d’arte del Cinquecento, hrsg. v. pao­ la Barocchi, 3 Bde., Mailand und neapel, 1970–1977, s. 465–474; Mendelsohn, 1982; vgl. Benedetto Varchi, 2013; s. carlo pedrettis [1995] einführung von leonardo da Vinci, Libro di pittura. edizione in facsimile del codice Urbinate lat. 1270, hrsg. v. carlo pedretti, trascrizione critica v. carlo Vecce, Florenz, 1995, s. 11ff.; instruktiv, über den paragone zu leonardos lebzeiten, claire Farago, Leonardos da Vinci’s ›Paragone‹. A Critical Interpretation with a New Edition of the Text in the Codex Urbinas, lei­ den, new York, Kopenhagen und Köln, 1992, s. 32–36; zum paragone nicht allein im Œuvre Miche­ langelos david summers, Michelangelo and the Language of Art, princeton n. J., 1981, bes. s. 269ff.; über bedeutende Künstlerrivalitäten im cinquecento, allerdings wenig systematisch, rona Goffen, Renaissance Rivals. Michelangelo, Leonardo, Raphael, Titian, new haven und london, 2002, bes. s. 59– 66 und mit dem hauptakzent auf dem 16. Jahrhundert der Überblick von sefy hendler, La guerre des arts. Le paragone peinture-sculpture en Italie XVe–XVIIe siècle, rom, 2013; knapp panofsky, 1954, s. 1–4; mit petrarca beginnend s. v. »paragone«, in: Dizionario della critica d’arte, 1978, Bd. ii, s. 387– 391; s. auch die paragone­Kapitel zur ersten themenbezogenen Ausstellung Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, Ausstellungskatalog (München, haus der Kunst, 01.02.– 05.05.2002; Köln, wallraf­richartz­Museum – Fondation corboud, 25.05.–25.08.2002), hrsg. v. ekkehard Mai et alt., wolfratshausen, 2002, s. 286f.; zum phänomen der Künstlerkonkurrenz auch die Beiträge von Im Agon der Künste. Paragonales Denken, ästhetische Praxis und die Diversität der Sinne, internationaler Kongress 2001, hrsg. v. hannah Baader et alt., München, 2007; und renate prochno, Konkurrenz und ihre Gesichter in der Kunst. Wettbewerb, Kreativität und ihre Wirkungen, Berlin, 2006, s. 97–112.

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I. Einleitung

Musik –13 selbst in den bildhaften reflexionen eine nicht wegzudenkende Größe war, an der sich die Geltungsansprüche der bildenden Künstler wetteifernd rieben. Vor diesem hintergrund wäre die fehlende Berücksichtigung der poesie in einer Überblicksdarstel­ lung zum paragone des Quattrocento mehr als nur ein Manko. sie müsste drastischer als Verkennung seines entscheidenden Grundzuges in dieser konstitutiven phase betrachtet werden – einer phase nämlich, in der Auslegungen der traditionsreichen parallelset­ zungen von Malerei und dichtung, vereinzelt mit wertgefälle, überhandnahmen: vom wirkungsmächtigen Ut pictura poesis-theorem, dem eng verwandten wort des simoni­ des14 über die in der renaissance gerne illustrierte horazische Vorstellung von vergleich­ 13 Andererseits war die rolle der Musik nicht unerheblich. sie kann in dieser Untersuchung jedoch nur am rande Berücksichtigung finden. nicht ohne Grund: trotz der frühen Anerkennung der Musik als teil der artes liberales reichte ihre Bedeutung in den schriftquellen zum paragone mit den figurativen Künsten nie an die der poesie heran. leonardo begriff die ›harmonie­erzeugerin‹ Musik als rivalin der Malerei. die Kritik an ihr richtete sich stereotyp gegen die verklingenden, eben nicht dauerhaften töne, das heißt ähnlich wie in der Konkurrenz mit der poesie gegen die dissoziation der eindrücke; vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 29–31 (vgl. zur poesie: i, 15); instruktiv zu den prätentionen der Musiker und Musiktheoretiker im Quattrocento wolf­dietrich löhr, »höfische stimmung. Künstler­ konkurrenz und Fürstenrepräsentation auf einer Medaillenserie Giovanni Boldùs von 1457«, in: Die Renaissance-Medaille in Italien und Deutschland (tholos. Kunsthistorische studien 1), hrsg v. Georg satzinger, Münster, 2004, s. 9–54; weitere Musik­Paragoni, die im 16. Jahrhundert populärer wurden, in den Scritti d’arte, 1970–1977, s. 270ff.; eine einführung in die traktatschriften Franchino Gaffuri­ os, des namhaftesten Musiktheoretikers des Quattrocento, in cristle collins Judd, Reading Renaissance Music Theory. Hearing with the Eyes (cambridge studies in Music theory and Analysis 14), cam­ bridge, 2000, s. 17ff.; zur rolle der ars musica im humanismus noch immer paul O. Kristeller, »das moderne system der Künste«, in: derselbe, Humanismus und Renaissance (humanistische Bibliothek, reihe 1, 21), hrsg. v. eckhard Keßler, 2 Bde., München, 1974–1976, Bd. i, s. 164–206, passim. 14 horaz, Ars poetica, v. 361; dazu rensselaer w. lee, »Ut pictura poesis. the humanistic theory of painting«, in: ArtBull, 22, 1940, s. 197–257, Ulrich pfisterer, »Künstlerische ›potestas audendi‹ und ›licentia‹ im Quattrocento. Benozzo Gozzoli, Andrea Mantegna, Bertoldo di Giovanni«, in: RömJb, 31, 1996, s. 107–148 sowie die Beiträge in Ut pictura poësis. Per una storia delle arti visive, Atti del primo congresso internazionale, rom, Accademia di danimarca, Venosa, castello Aragonese, 20.–23.09.2010, hrsg. v. rocco sinisgalli, poggio a caiano, 2012. Zum diktum des simonides, dass die Malerei eine stumme dichtung und die dichtung eine sprechende Malerei sei (vgl. plutarch, Moralia, 346f–347a), zuletzt leonard Barkan, Mute Poetry, Speaking Pictures, princeton n. J., 2013; zur antiken Quellenlage Gabriele sprigath, »das dictum des simonides. der Vergleich von dichtung und Malerei«, in: Poetica, 36, 2004, s. 243–280; auch pfisterer, 1996, s. 113f.; mehr zu simonides Frances A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Mnemonik von Aristoteles bis Shakespeare, [engl. orig. london, 1966] Berlin, 31994. die Gegenüberstellung der lieder Vergils mit Gemälden simone Martinis begegnet in einem distichon unter dessen berühmter Vergil­Miniatur. sie ziert das Frontispiz der Vergil­handschrift aus petrarcas Besitz: »Mantua Virgilium qui talia carmine finxit / sena tulit symonem digito qui talia pinxit«; in der Authentizität – petrarca oder nicht – bleiben die Zeilen jedoch umstritten; dazu zuletzt wolf­dietrich löhr, Lesezeichen. Francesco Petrarca und das Bild des Dichters bis zum Beginn der Frühen Neuzeit, Ber­ lin, 2010, s. 187; allgemein zum wettstreit zwischen dichtung und Malerei lina Bolzoni, Poesia e ritratto nel Rinascimento, rom, 2008, s. 20ff.

1. Zum Paragone: Die Frage nach den Anfängen

1. Jacopo di Antonio Giallo (zugeschrieben), illustration zu den Anfangsversen von horaz, Ars poetica, aus: horaz, Opere, Venedig: Aldo romanum, 1501, fol. k1r (BMl, d’elci 516)

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I. Einleitung

baren künstlerischen Freiheiten des Malers und des dichters (Abb. 1)15 bis zu der viel­ beachteten dante­Metapher vom visibile parlare.16 dem Genre der ekphrasis, die als literarische Visualisierungsstrategie im Zuge der vermehrten lukian­rezeption ihren Aufwind erlebte, war die Konkurrenz zu werken der bildenden Kunst ohnehin inhä­ rent.17 in einer situation, da sich die renaissanceforschung zunehmend schwerer tut, die spezifische eigenheit ihres ressorts zu definieren, indem sie es nicht allein mehr bei der Berufung auf das epochentypische hochgefühl der kulturellen erneuerung belässt, mag dieser nachtrag eines Kapitels wissensgeschichte das geistige porträt eines säkulums zu vervollständigen helfen, dem zumindest der auf Bachtin fußende Zweig des in sich zer­ strittenen Forschungsbereichs nachsagt, es zeichne sich durch den Versuch des wieder­ aufbaus des antiken Modells der diskurse aus, mit der Folge, die pluralisierung der auctoritates wie der Meinungen vorangetrieben zu haben.18 wann aber begann der paragone in italien? wie nova 2003 mit recht monierte, herrscht in der Kunstwissenschaft heute ein nahezu inflationärer Gebrauch des termi­ nus ›paragone‹ vor: er wird zuhauf begrifflich bemüht für die rivalisierende Abwägung 15 horaz, Ars poetica, vv. 1–10; vgl. Quintilian, Institutio oratoria, Viii, 3, 60; lukian, Verteidigung der Bilder, 18, Bd. iV, s. 318/319; die horaz­illustration von 1501 wird Jacopo di Antonio Giallo zuge­ schrieben; enthalten in: horaz, Opere, Venedig: Aldo romanum, 1501, fol. k1r (BMl, d’elci 516); andere illustrationen des horaz­passus oder reflexionen auf ihn in App. iV/A; allgemein zur horaz­ rezeption im Quattrocento Antonio iurilli, Orazio nella letteratura italiana, Manziana, 2004, s. 17ff. 16 diese Metapher für die sprachähnliche Ausdruckskraft, die wir aus werken der bildenden Künste zu vernehmen meinen, in dante, Purgatorio, X, v. 95; dazu statt vieler Andreas Kablitz, »Jenseitige Kunst oder Gott als Bildhauer. die reliefs in dantes purgatorio (purg. X–Xii)«, in: Mimesis und Simulation, hrsg. v. Andreas Kablitz et alt., Freiburg, 1998, s. 309–356, Giovanni lombardo, »dante et ›l’ekphrasis‹ sublime. Quelques remarques sur le ›visibile parlare‹ (purg. 10.95)«, in: Les arts – quand ils rencontrent, hrsg. v. Jackie pigeaud, rennes, 2009, s. 99–119 und Visibile parlare (pubblicazioni dell’Università degli studi di cassino. sezione atti, convegni, miscellanee 8), hrsg. v. claudio ciocciola, cassino, 1992. 17 Zu der besonders von philostrat und lukian gepflegten, auf synästhetische erfahrung drängenden ekphrasis norman e. land, The Viewer as Poet. The Renaissance Response to Art, University park penn­ sylvania, 1994; sehr fundiert Barbara e. Borg, »Bilder zum hören – Bilder zum sehen. lukians ek­ phraseis und die rekonstruktion antiker Bildwerke«, in: Millenium, 1, 2004, s. 25–57; ferner Giorgio patrizi, Narrare l’ immagine. La tradizione degli scrittori d’arte, rom, 2000, s. 31ff. Bekanntlich liegen die Anfänge des Genres in der schildbeschreibung homers; weitere literatur in s. cap. iii.1. 18 es ist hier nicht der Ort, die komplexe diskussion um das wesen der renaissance zu referieren. die in der nachfolge von Michael Bachtin (o. a. Mickhail Bakhtine) auch von hempfer vertretene position zum ›dialogischen Zeitalter‹, der die angelsächsische literatur nicht beizupflichten gewillt ist, ist immer wieder Gegenstand im Aufsatzband Renaissance – Episteme und Agon, für Klaus w. hempfer anlässlich seines 60. Geburtstages, hrsg. v. Andreas Kablitz et alt., heidelberg, 2006, s. 7ff.; der these vom un­ dialogischen Mittelalter widerspricht heftigst der Mediävist peter von Moos, Rhetorik, Kommunikation und Medialität. Gesammelte Studien zum Mittelalter (Geschichte, Forschung und wissenschaft 15), Berlin, 2006, s. 3ff.

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von Gegenständen jedweder Art, selbst für gattungsinterne Fehden, bemüht zudem für selbst in der neuzeit sich abzeichnende spannungsverhältnisse zwischen den Kunstgat­ tungen, womit uns in problematischer weise suggeriert wird, der disput habe nicht wirklich mit dem von Vasari vertretenen, die drei bildenden Künste versöhnenden Disegno­Begriff allmählich sein ende gefunden. in einer solchen Zeit sind seriöse Versuche, den tatsächlichen zeitlichen rahmen des phänomens abzustecken, mehr denn je ange­ sagt. das gilt nicht allein für die Bestimmung des zeitlichen endpunktes der schon im ausgehenden cinquecento ausgezehrten, zusehends zur Farce verkommenden diskus­ sion. das soll keineswegs heißen, dass ihr nicht ab und an, nicht immer so prominent wie mit lessings Laokoon, neue Aufgüsse beschert wurden.19 Auch ist dem thema grundsätzlich eine persistente Aktualität nicht abzusprechen. reicht dieses skizzierte Bild aber, um der Fortdauer des paragone bis in die neuzeit das wort zu reden? dies darf einjeder bezweifeln, der in Anbetracht der topik, die den paragone seit jeher durch­ zieht, an die Gültigkeit von Kosellecks Unterscheidung glaubt: die zwischen der bloßen Verwendung langlebiger Gemeinplätze und der ihrer Geltungskraft, das heißt ihrer praktischen, in irgendeiner Beziehung zur geschichtlichen realität stehenden wirksam­ keit.20 Jedenfalls verleugnen die Zeugnisse aus der Anfangszeit des paragone großteils eben nicht die zuletzt genannten eigenheiten, öffneten sie sich doch unzweifelhaft dem individuellen erfahrungsraum des jeweiligen Autors. Zu welchem Zeitpunkt und wa­ rum setzte dieser prozess ein? so sehr der schriftlich fixierte paragone als einheit eigenen wesens zu betrachten ist, so offenkundig ist, dass sein Aufkommen mit dem erstehen 19 die terminologische Unschärfe der Forschung im Gebrauch von »paragone« beklagt Alessandro nova, »›paragone‹­debatte und gemalte theorie in der Zeit cellinis«, in: Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert, hrsg. v. Alessandro nova et alt., Köln, 2003, s. 183–203. – Zu lessing Laokoon (1766) Kristeller, 1974–1976, Bd. ii, s. 198f. – Zu dem 1550 von Vasari herbeigeführten ›patt‹ der Künste durch die integrativ verstandene Gattung des Disegno, s. Vasari, Le vite, ›proemio di tutto l’opera‹, Bd. i, s. 103ff.; näheres dazu wolfgang Kemp, »disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607«, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 19, 1974, s. 219–240, s. 224ff. und Karin­edis Barzmann, The Florentine Academy and the Early Modern State. The Discipline of Disegno, cambridge, 2000, passim. wir haben uns Vasaris Disegno­Begriff und seine Folgen freilich nicht als eine Zäsur vorzustellen, die den paragone gleichsam unter sich begrub. Auch gibt es vereinzelt spu­ ren des paragone unter dem eindruck der Gegenreformation. M. e. haben diese reminiszenzen jedoch nichts mit der Fortdauer des paragone zu tun. wäre dies so, dann ließe sich mit ähnlicher Argumenta­ tion leicht der nachweis des Fortbestehens der romantik erbringen. – die these von der Kontinuität der paragone­debatte verficht, mitunter unter Berufung auf den »paragone der Aufklärung«, hans Körner, »paragone der sinne. der Vergleich von Malerei und skulptur im Zeitalter der Aufklärung«, in: ›Mehr Licht‹. Europa um 1770. Die bildende Kunst der Aufklärung, Ausstellungskatalog (Frankfurt, städelsches Kunstinstitut und städtische Galerie, 22.08.1999–09.01.2000), hrsg. v. herbert Beck et alt., München, 1999, s. 365–378, s. 366. 20 Vgl. reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M., 1989, s. 39, der ausdrücklich zwischen phasen der Geltungskraft von topoi und denen ihrer desavou­ ierung zu Blindformeln unterscheidet.

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der humanistischen Kunstliteratur einherging und folgerichtig vom gleichen impetus der kulturellen renovatio wie diese getragen worden sein dürfte. einer der Bürgen für die richtigkeit dieser these ist Alberti. der kunstsinnige denker avancierte mit seinem Malereitraktat, dem ersten der Frühen neuzeit, zugleich zum Kunsttheoretiker des pa­ ragone der ersten stunde. es wäre jedoch naiv zu glauben, der prozess der Meinungs­ bildung, als Fundament von Albertis glühendem plädoyer für die würde der Malerei, habe ohne die reibung an positionen anderer vonstatten gehen können. seit Baxandalls bahnbrechendem Buch Giotto and the Orators [1971], dessen Bedeutung keineswegs erst die nachrufe auf den 2009 verstorbenen Gelehrten realisierten, mehren sich indessen die indizien, dass, sollte es einen inaugurator und Vordenker des paragone geben, dies kaum ein Anderer als der vielfach als ›Vater des humanismus‹ gewürdigte Francesco petrarca gewesen sein dürfte, dessen neue, zunehmend schule machende haltung ge­ genüber dem Altertum mit einschneidenden innovatorischen weichenstellungenden den mittelalterlichen Zugang zur Kunst zu überstrahlen begann.21 dass petrarcas Argu­ mentation im Felde der Kunst nicht immer gradlinig verlief, ja mit seinen argen Vor­ behalten gegenüber den eitlen Künsten durchaus retardierende Momente enthielt, steht auf einem anderen Blatt. die rolle petrarcas blieb auch dem Autor der Due Lezzioni, Benedetto Varchi, nicht verborgen, selbst wenn er sich in seinem philosophisch­historio­ grafischen Versuch, des paragones kraft der systematisierung des argumentativen erbes habhaft zu werden,22 zu zwei anderen historischen wegbereitern bekannte. Unter ihnen ist der eine, der Begründer der hofmann­traktatistik, Baldassar castiglione, als Autor des cinquecento für unsere Fragestellung unerheblich, wiewohl sein status als mitunter stärkster schrittmacher der internationalen Verbreitung des paragone eine erwähnung

21 Zu petrarcas Bedeutung für den paragone ausgiebig in cap. iii.2.2.; grundlegend Michael Baxandall, Giotto and the Orators. Humanist Observers of Painting in Italy and the Discovery of Pictorial Composition 1350–1450, Oxford, 1971 (unter Anknüpfung an Quellen, die Venturi einst vorgestellt hatte, ohne die Bedeutung für den paragone zu erkennen; s. lionello Venturi, »la critica d’arte e Francesco petrarca«, in: L’Arte, 25, 1922, s. 238–244, s. 239ff.), sekundiert von collareta, 1988, Bd. ii, s. 569–580, s. 569 und pfisterer, 2002, s. 261f. – Grassi erklärte die Zeit seit der zweiten hälfte des trecento sehr richtig als teil der Formierungsphase des paragone; s. luigi Grassi, s. v. »paragone«, in: Dizionario della critica d’arte, 1978, Bd. ii, s. 387–391, s. 387. 22 petrarca wird mehrfach in den paragone­lektionen erwähnt; s. Varchi, Due Lezzioni, nr. 1, in: Trattati d’arte del Cinquecento. Fra manierismo e controriforma, hrsg. v. paola Barocchi, 3 Bde., Bari, 1960–1962, s. 14, s. 19, mit einem Zitat ohne nennung von ihm als Autor s. 26; ebenda, nr. 2, s. 40 (mehrfach), s. 46, s. 51. die Aufzählung der Argumente der Maler ebenda, nr. 2, s. 35ff.; die durchnummerierten Gegenargumente der Bildhauer s. 45ff. Meine these zu den durch robortelli inspirierten historiogra­ fischen Ambitionen Varchis in christiane J. hessler, »Maler und Bildhauer im sophistischen tauzie­ hen. der paragone in der italienischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts«, in: Wettstreit der Künste, 2002, s. 82–97, s. 86ff.

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verdient.23 der andere Vorreiter, keineswegs leonardo, war für ihn Alberti mit seinem Malereitraktat.24 dieses opusculum, in der lateinischen Fassung zeitlich so früh wie 1435 anzusetzen und im Gegensatz zur Volgare­Fassung handschriftlich in beachtlicher streu­ ung verbreitet,25 ist getreu der Bewertung des nachgeborenen in der tat durchpulst von der rhetorik des paragone, so wenig sich die Forschung ganz von der Unterstellung ge­ löst hat, der Gegenstand sei primär der Gedankenwelt leonardos entsprungen.26 Un­ geachtet der zahllosen, sich vereinzelt ins superlativische steigernden lobeshymnen auf die Malerei – sie ist bei Alberti die insinuiert überlegene Kunst –, werden die beiden fi­ gurativen Künste in De pictura mehrfach direkt in dem für den paragone typischen, auf superatio bedachten Vergleichsverfahren verhandelt. so heißt es beispielsweise infolge ihrer erkannten tiefen inneren Verwandtschaft: »was freilich meine person betrifft, so werde ich die Begabung des Malers stets höher [als die des Bildhauers] einstufen, weil sie

23 Zur Verbreitung des Cortegiano im Ausland peter Burke, ›Die Geschicke des Hofmann‹. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten, [engl. orig. cambridge, 1995] Berlin, 1996, s. 73ff. und s. 203f.: 1534 erschien die erste spanische Ausgabe, 1537 die französische, 1561 die englische und lateinische edition. 24 die editio princeps war 1540 erschienen; s. Alberti, De pictura, s. 373f.; Varchi, Due Lezzioni, nr. 1, in: Trattati d’arte, 1960–1962, s. 35: »e quanto all’autorità, diciamo prima che ’l conte Baldassare da cas­ tiglione mosse questa disputa presso la fine del primo libro del suo dottissimo e giudiziosissimo corte­ giano […], conchiuse finalmente che la pittura fusse più nobile. Medesimamente M. leone Batista Alberti […] tiene, nel libro ch’ egli scrisse della pittura, che ella sia più degna e più nobile della scul­ tura.« die Berufung auf die Autorität castigliones im paragone auch 1564 im Manuskript von Vincen­ zio Borghini, Selva di notizie, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 620. – Albertis präferenz der Malerei ist freilich oft indirekt aus seinem traktat zu erschließen, beispielsweise aus Albertis Klarstellung seines sprecherstandpunktes als »pictorem« (Alberti, De pictura, i, 1, s. 194 und i, 9, s. 210), aus der Bewer­ tung der Malerei als die ehrenvollste (ii, 27, s. 240: »[…] picturam sibi honestissimas partes vendicasse […]«) oder würdigste Kunst (ii, 28). Zur Bedeutung Albertis für den paragone Ames­lewis, 2000, s. 141f., s. 144; collareta, 1988, s. 569; eric Achermann, »das prinzip des Vorranges. Zur Bedeutung des ›paragone delle arti‹ für die entwicklung der Künstler«, in: Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, hrsg. v. herbert Jaumann, Berlin und new York, 2011, s. 179–209, s. 180; daniel Arasse, Leonardo da Vinci, [franz. orig. paris, 1997] Köln, 2002, s. 261: leonardo habe den paragone allerdings umfassender und »eigenwilliger« formuliert; vgl. hendler, 2013, s. 38; Bätschmann (Alberti, De pictura, s. 87) unterschätzt Albertis Bedeutung, als es heißt, dieser habe in De pictura das »problem des ›paragone‹« zwar aufgenommen, »beließ es aber bei einer kurzen Behandlung des Ver­ gleichs der Künste und ihrer gesellschaftlichen wertung.« 25 Zusammengefasst in pfisterer, 2002, s. 287, Anm. 18. 26 paola Barocchi (Scritti d’arte, 1971–1977, s. 524–711) lässt den dokumentationsbefund zum paragone der figurativen Künste im cinquecento mit leonardo beginnen, nicht ohne Alberti in der einführung unerwähnt zu lassen (ebenda, s. 465); wenderholm, 2006, s. 50 meint noch 2006, den »paragone vor 1500?«, so eine Kapitelüberschrift, als Frage formulieren zu müssen. Man sollte jedoch im Auge behal­ ten, dass allein schon ein Großteil von leonardos paragone in die neunziger Jahre des Quattrocento fällt.

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sich am weitaus schwierigsten Gegenstand bewähren muss.«27 im Kontext des paragone verdient es, dezidiert hervorgehoben zu werden, dass in der person Albertis der für sein Jahrhundert einzigartige Fall vorliegt, als Verfasser von je einem traktat über alle drei bildende Künste hervorgetreten zu sein. Bei näherem hinsehen offenbart sich jedoch Überraschendes: dass der paragone dort, wo sich Alberti der Bildhauerei annahm, in der Abhandlung De statua, gänzlich ausbleibt, und die Malerei in seinem Architektur­ traktat – in denkbar schärfsten Kontrast zu De pictura – übel beleumndet wird, wirft exemplarisch die beileibe nicht einfach zu beantwortende Frage nach der Authentizität oder auch lauterkeit der werturteile auf, die in der rangstreitdebatte gefällt wurden.28 Fraglos haben Faktoren unterschiedlichster couleur die rangstreitkultur im Quat­ trocento stark befördern müssen: politisch: die polyzentralität italiens mit seinen pros­ perierenden und untereinander wetteifernden Fürstenhöfen, gleichsam ein sog für ex­ quisite Künstlergrößen, – philosophisch­anthropologisch: das Aufkommen eines neuen Menschenbildes, das, programmatisch dargelegt in picos traktat De dignitate hominis, das gestaltend­mündige individuum als Zentrum des Kosmos vorsah;29 so konnte auch der Künstlerkult als nuance der hochgehaltenen excellentia hominis ins leben treten; technologisch hinzu kam die von Gutenberg ausgelöste Medienrevolution des Buch­ druckes, wobei die schiere Allgegenwart der vervielfältigten schriften und die blinde Buchstabengläubigkeit im paragone kritische reaktionen auf sich zogen;30 ein soziologi­ scher Faktor waren die anstelle von restriktiven Zunftnormen tretenden größeren Frei­ heiten, die Malern wie Bildhauern vergönnt waren; und schließlich ist mentalitäts­ geschichtlich nicht zu unterschätzen: das vom antiken virtus­Begriff beflügelte, an die 27 Alberti, De pictura, ii, 27 (s. App. iii/B, nr. 4b). es existieren nur vier weitere textstellen, die einen direkten Vergleich vornehmen. die Behauptungen sind folgende: 1. Alle handwerker und Bildhauer stützen sich auf die Kunst des Malers (ii, 26, s. 236: »pictoris enim regula et arte lapicida, sculptor, omnesque fabrorum officinae omnesque fabriles artes diriguntur«); 2. die nachahmung gemalter Ge­ genstände sei leichter als die der in stein gehauenen (ii, 31); 3. allerdings sei die nachahmung von mittelmäßigen skulpturen leichter als die von hervorragenden Gemälden, denn von skulpierten Gegen­ ständen könne man Kenntnis durch licht und schatten erwerben; auch ließen sich wölbungen leichter beim plastischen Bilden aufspüren; 4. es gäbe mehr mittelmäßige Bildhauer als unfähige Maler (iii, 58). – Außerdem begegnen wiederholt wertneutrale Gegenüberstellungen beider figurativer Künste (eben­ da, i, 21; i, 25; ii, 27; ii, 40 und iii, 61). 28 siehe Alberti, De statua und derselbe, De re aedificatoria (s. App. iii/B, nr. 8). 29 dazu eugenio Garins einleitung zu Giovanni pico della Mirandola, De dignitate hominis, s. 7ff. und die entscheidende sequenz im traktat auf s. 29. 30 so hob leonardo in seiner Kritik an der unendlich kopierbaren Zahl der »libri stampati« die einmalig­ keit der Malerei hervor; s. leonardo, Libro di pittura, i, 8, s. 135; Zweifel an der Allgemeinverständ­ lichkeit der worte im Gegensatz zu der von Bildern v. a. ebenda, i, 19; zu leonardos position, dass die auratische Malerei im Gegensatz zum Buchdruck (und zur Gusstechnik) einmalig sei, s. Gerhard wolf, Schleier und Spiegel. Traditionen des Christusbildes und die Bildkonzepte der Renaissance, München, 2002, s. 339ff.

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selbstbehauptungskraft des einzelnen Virtuosen appellierende ruhmesstreben, dessen Voraussetzung, nicht nur nach einschätzung des Florentiner staatstheoretikers leonar­ do Bruni, die Aussicht auf ehrerweisungen im staate waren. einzig deshalb, so sprach Bruni mit einigem pathos aus, seien die ingenien imstande, sich zu erheben und empor­ zusteigen.31 die ingenien erhoben sich auch andernorts. Mehr als fünfzig Jahre sind vergangen seit panofskys these vom paragone avant lettre in der frühen niederländischen Malerei, und seit den nachgelegten erkenntnissen von preimesberger über den denkbaren, ja wahrscheinlichen plinius­rekurs im Bornemisza-Diptychon Jan van eycks ist sie wieder ein Moment der neueren diskussion über die topografie der Anfänge des paragone in der Frühen neuzeit. dass Maler wie der Meister von Flémalle oder Jan van eyck (man möchte ergänzen: exquisite illuminatoren an den höfen des nordens) mit ihren Grisail­ ledarstellungen identitätsbezeugend der idee Geltung verschafften, malend mindestens ebenso gute oder gar die besseren skulpturen hervorzubringen und so ihrerseits, allerdings ›stumm‹, Öl in das Feuer des paragone­Zwistes gossen, ist keine leicht von der hand zu weisende these.32 darüber täuscht auch nicht die schale polemik von schwarz [2002] 31 leonardo Bruni, Laudatio clarissimi viri Iohannis Stoz[z]e« (1427), zitiert nach susanne daub, Leonardo Brunis Rede auf Nanni Strozzi. Einleitung, Edition und Kommentar (Beiträge zur Altertumskunde 84), stuttgart, 1996, s. 280–302, s. 285: »spes vero honoris adipiscendi ac se attollendi omnibus par, modo industria adsit, modo ingenium et vivendi ratio quedam probata et gravis; virtutem enim probi­ tatemque in cive suo civitas nostra requirit.« Auch der dichter Fiano beredete die glühende sehnsucht nach lob und ruhm unter den Menschen; s. Francesco Fiano, Contra ridiculos oblocutores, s. 159: »[…] in cupiditatem gloriae quodam […] humanitatis unco pertrahimur, credo quamdoque ardenti laudis et humani preconii desiderio caluisse.« pontano sah das ruhmesstreben allein den schriftstellern vorbe­ halten; s. pontano, Actius, Vi, 2c. sehr instruktiv zu dieser Vorstellung noch immer hans Baron, Bürgersinn und Humanismus im Florenz der Renaissance, [engl. orig. princeton, 1988] Berlin, 1992, s. 11ff. und speziell im Kontext des Künstlertums Die Virtus des Künstlers in der italienischen Renaissance, hrsg. v. Joachim poeschke et alt., Münster, 2006. 32 panofsky, 1954, s. 3; gefolgt von reflexionen über die hintergründe des koloritgeschichtlichen wan­ dels in der Malerei Jan van eycks: rudolf preimesberger, »Zu Jan van eycks diptychon der sammlung thyssen­Bornemisza«, in: ZfK, 60, 1991, s. 459–489; preimesberger erkennt in van eycks Œuvre ge­ wichtige hinweise auf die bewusste revitalisierung antiker Künstlertopoi; neben Geschmacksvorlie­ ben müsste deren Voraussetzung allerdings ein entsprechender Verständnishorizont der Adressaten gewesen sein. die berühmte, 1457 durch Bartolomeo Facio vorgenommene charakterisierung des Bil­ dungsstandes von Jan van eyck, »nonnihil doctus [est]«, bleibt letztlich nur die Aussage eines fernen italieners und, wie unterstellt werden darf, eine topisch aufgeladene projektion; s. Facio, De viris illustribus, s. 165. Bedeutender erscheint mir das dokument von ca. 1425, das Jan van eycks ernennung zum varlet de chambre mit »seiner Gewandtheit in der Malkunst« begründet; s. James weale, Hubert and Jan van Eyck. Their Life and Work, london und new York, 1908, dok. 6. Mit recht hat Gludovatz darauf hingewiesen, dass die angebliche ›stummheit‹ der niederländischen Maler, gemeint ist das Feh­ len von theoretisierenden schriften, insofern zu relativieren sei, als sehr aussagekräftige Künstlersigna­ turen – am Bildrahmen – erhalten sind, die viel von ihrem selbstverständnis preisgeben; man könne

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hinweg.33 die besagte these muss sich dennoch heutigentags, nach den einblicken in die frühen Vorstoße, die petrarca (freilich: ein europäer) im paragone unternahm, eine reihe kritischer einwände gefallen lassen, zuvörderst den, weshalb ein in italien zeitlich weit früher aufscheinendes phänomen, das mit Giottos Tugend-und-Laster­Fres­ ken in der Arena­Kapelle prominent vertreten ist (Abb. 2), einer erklärung auf dem Umweg über die nordländer bedarf.34 Vor allem setzt der paragone (und dies traf in italien zu) immer auch die Konkurrenz zu einer adäquat ambitionierten Bildhauerkunst voraus.35 Kurzum: interdisziplinäre Grundlagenforschung von der Verve eines Johan huizinga wäre nötig, um fundiert zu ergründen, inwiefern der norden ohne federfüh­ rende Kunsttheoretiker ein nebenschauplatz des paragone war,36 ob die skizzierten Um­

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daher die präsenz der Maler an ihren werken nicht leugnen; s. Karin Gludovatz, »der name am rah­ men, der Maler im Bild. Künstlerselbstverständnis und produktionskommentar in den signaturen Jan van eycks«, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 54, 2005, s. 115–175. die Kritik von schwarz, die unter der devise »Kunst versus Frömmigkeit« zu subsumieren ist, unter­ stellt, dass der vermeintliche reflex auf den paragone, von dem ablenkt, was wir unter dem »wesentli­ chen eines religiösen Bildes« zu verstehen geneigt sind; s. Michael Viktor schwarz, Visuelle Medien im christlichen Kult. Fallstudien aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, wien, Köln und weimar, 2002, s. 110– 114. der Autor bleibt nicht nur eine erklärung schuldig, weshalb diese beiden Bedeutungsschichten unvereinbar sein sollen; seine einschätzung der paragone­diskussion dokumentiert die fehlende Ver­ trautheit mit dem erkenntniszuwachs der letzten dekaden. so ist der paragone, ihm zufolge, nicht vor leonardo anzusetzen (ebenda, s. 110–111), allenfalls Filarete könne der erfinder der problemstellung sein. diese Bewertung hält er deshalb für gesichert, da der Kunstdiskurs italiens seines erachtens »wohl so gut wie lückenlos« schriftlich dokumentiert sei (ebenda, s. 110). Zu den sieben Grisailledarstellungen Giottos in padua, den ersten der abendländischen Malerei, s. dagmar r. täube, Monochrome gemalte Plastik. Entwicklung – Verbreitung und Bedeutung eines Phänomens niederländischer Malerei der Gotik, (diss. Bonn, 1991) essen, 1991, s. 25ff. und Blumenröder, 2008, s. 143ff. im Banne überholter erkenntnisse verliert Blumenröder (ebenda, s. 196) wider eigenen wis­ sens den Anteil petrarcas und Albertis am paragone wieder aus den Augen, als sie – beim referieren der position von preimesberger – für ein werk von ca. 1440 (d. i. Jan van eycks diptychon in der sammlung Bornemisza) unglücklich behauptet, seine entstehung falle in »Jahrzehnte bevor sich« die paragone­ diskussion »in italien geschrieben niederschlagen« habe. – Für die paneuropäische petrarca­rezeption sorgte mitunter petrarcas früher disput mit charles V. über sein De remediis­projekt, vor allem aber die hohe Verbreitung von petrarcas schriften; relevant in diesem Zusammenhang nicholas Mann, »the Manuscripts of petrarch’s ›de remediis‹. A checklist«, in: IMU, 14, 1971, s. 57–90. hinsichtlich des kulturellen Glanzes war das Verhältnis zwischen den nordeuropäischen ländern und italien nicht frei von spannungen, wie der mit einer invektive petrarcas (Invectiva contra eum qui maledixit Italie) eröffnete rangstreit um den Vorrang italischer sprache und Kultur vor jener der Gallier und Franzosen zeigt; s. dario cecchetti, Petrarca, Pietramala e Clamanges. Storia di una ›querelle‹ inventata, paris, 1982, s. 15ff. Zu den Bildhauern dieser Ära hans Belting und christiane Kruse, Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei, München, 1994, s. 62. Mittlerweile spart die historische Forschung allerdings nicht an Kritik an dem mentalitätsgeschichtli­ chen Ansatz, den sich huizinga zu eigen machte; s. Bernd carqué, Stil und Erinnerung. Französische Hofkunst im Jahrhundert Karls V. und im Zeitalter ihrer Deutung (Veröffentlichungen des Max­planck­

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wälzungen in der frühen nieder­ ländischen Malerei als das ergebnis eines intellektuellen Akkulturati­ onsprozesses des nordens oder als Vorstufe zum Zwist in italien zu bewerten sind und vor allem, wel­ che eigenen mentalitäts­, bildungs­ und kulturgeschichtlichen Grund­ lagen dem die stoßrichtung gaben, ganz unabhängig von der erwie­ senen paneuropäischen rezeption petrarcas. die Gefahr jedenfalls, die anschauliche hinterlassen­ schaft aus dem norden, abseits der herkunftsidentität, künstlich in eine linie mit den strömungen in italien zu zwingen, ist groß. Unse­ re schwerpunktsetzung, nament­ lich zuallererst die Frühphase des paragone in italien, ist eine ent­ scheidung, die, wie jede entschei­ dung, ihren preis hat, so sehr mit ihr nicht zuletzt intendiert wird, ein solideres Fundament für jed­ 2. Giotto, Iustitia, ab 1304, Fresko, padua, Arena­Kapelle, südwand wede reflexion über das Verhält­ nis zum norden bereitzustellen. Aber mehr als den seitenblick auf dieses weitläufige Gebiet ist in diesem rahmen nicht möglich.37 in italien konnte sich der paragone­diskurs auf verschiedene Gegenstände richten: auf Künstlerutensilien (pinsel, Meißel oder Feder stehen dabei als pars pro toto für die jeweilige Kunstgattung),38 auf die Materialien, die zum einsatz kamen (plinius der Ältere instituts für Geschichte 192), Göttingen, 2004, s. 204ff.; vgl. Johan huizinga, Herbst des Mittelalters, [niederl. orig. haarlem, 1919] stuttgart, 1987. 37 eine fundierte Abhandlung über die textquellen, die pate für bestimmte typenprägungen in Jan van eycks Bilderwelten gestanden haben dürften und die das geistige Klima, aus dem sie hervorgingen, erhellen, bleibt ein Forschungsdesiderat. 38 entscheidendes zur Betonung der Bedeutung der werkzeuge tat plinius d. Ältere, indem er eigens den erfinder des Meißels (sc. theodoros aus samos) nannte (vgl. plinius, NH, Vii, 198). das Versagen aller drei werkzeuge (»penna«, »pennello e lo scarpello«) gegenüber der natur, genauer, gegenüber der schönheit der helena, der Künstler schwerlich gerecht werden können, bereits in Boccaccio, Esposizio-

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wusste von gattungsinternen Konkurrenzen dieses schlags),39 aber am weitaus häufigs­ ten lagen die Berufsarten selbst (d. h. der Maler, Bildhauer oder der dichter schlechthin mit seinen jeweiligen wertigkeiten) im streit. Auch namhafte historische oder mytholo­ gische Künstlerpersönlichkeiten wurden miteinander verglichen, zum teil unter rekurs auf das typologische Modell antiqui – moderni. nachdem ein prozess der identitätsbil­ dung vonstatten gegangen war, fehlte es im cinquecento nicht mehr an projektionen der beiden Fronten auf herangereifte personifikationen verschiedener Kunstgattungen; sie stellten gewissermaßen inkarnationen ihrer eigenheiten dar.40 dieses phänomen der sich befehdenden Malerei­ und Skulptur-personifikationen kennt der frühe paragone nicht. was aber haben wir uns unter diesem vor der epochengrenze um 1500, abwei­ chend von der nachfolgenden Ära, vorzustellen? die Forschung hält sich mit Antworten recht bedeckt, ursprünglich, weil die ältere Kunstwissenschaft den paragone vor leonardo – im Banne des Geniekultes – als Quantité négligeable abtat,41 oder ihn generell still­ ni sopra la comedia, zu V, vv. 104–105, Bd. Vi, s. 305. Begünstigend für den Vergleich der Utensilien war der topos der gelehrten hand; s. elena Vaiani, »il ›topos‹ della ›dotta mano‹ dagli autori classici alla letteratura artistica attraverso le sottiscrizioni medievali«, in: L’artista medievale, Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa. Classe di Lettere e Filosofia, ser. 4, Quaderni 4, 2003, hrsg. v. Maria Monica donato, pisa, 2008, s. 345–364; s. auch den auf 1479 datierten, originellen Brief des Bildhauers Ber­ toldo di Giovanni an lorenzo de’ Medici, in dem er nicht ohne Bitterkeit seine Bildhauer­Utensilien (Meißel, stichel, Zirkel und winkelmaß) mit denjenigen der Kochkunst vergleicht; die stehe mehr in Geltung als seine Kunst; s. Künstlerbriefe der Renaissance, hrsg. v. ernst Guhl, Berlin, 1913, s. 8–10, nr. 4. 39 Von einem »wetteifern auch im hinblick des Materials« spricht plinius wegen der unterschiedlichen Bronzesorten, die Myron und polyklet bevorzugt haben; s. plinius, NH, XXXiV, 10, s. 18/19: »sic aemulatio et in materia fuit«. 40 siehe zum Beispiel das Gedicht »convenienza de la pittura, & de la scoltura« in lomazzo, Grotteschi, ii, s. 127; mehr über die personifikationen s. cap. iii.1. – Generell zum Vergleichsmodell antiqui – moderni August Buck, Die ›Querelle des Anciens‹ et des Modernes im italienischen Selbstverständnis der Renaissance und des Barocks, sitzungsberichte der wissenschaftlichen Gesellschaft der Johann wolfgang Goethe­Universität Frankfurt a. M., 11, 2, wiesbaden, 1973, Maria Monica donato, »›Veteres‹ e ›novi‹, ›externi‹ e ›nostri‹. Gli artisti di petrarca – per una rilettura«, in: Medioevo, hrsg. v. Arturo c. Quinta­ valle, Mailand, 2003, s. 433–455 und charles trinkaus, »›Antiquitas‹ versus ›Modernitas‹. An italian humanist polemic and its resonance«, in: JHI, 48, 1987, s. 11–21. 41 tendenziell selbst bei Julius von schlosser, [1924] 1985, s. 154: »er [sc. leonardo] hat als erster in wei­ tem Umfang das […] thema des paragone […] aufgenommen […]«; an anderer stelle (ebenda, s. 139) spricht er jedoch von »ersten spuren« bei Alberti und Filarete; Gleiches macht er für cennini geltend (ebenda, s. 80). leonardos paragone ist für Farago, 1992, s. 3: »[…] the first important contribution to the renaissance debates on the preeminence of the visual arts.« Barocchi hielt die paragone­nomenkla­ tur bei leonardo sehr richtig bereits für voll ausgebildet. dies inspirierte die Forschung jedoch nicht zu Fragen nach seinen Vorgängern. im Gegenteil: Unbeabsichtigt ging von Barocchis Beschränkung ihrer textedition auf das cinquecento (Scritti d’arte del Cinquecento) die größere wirkung aus: der parago­ ne­Band beginnt mit leonardo, und daran hat sich ein Großteil der Forscher bei Überblicksdarstellun­ gen zu diesem phänomen orientiert; s. Scritti d’arte, 1971–1977, s. 465, der paragone­Band (Bd. iii: »pittura e scultura«) von s. 465–711.

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schweigend als gleichbleibendes phänomen hinstellte. erst Mendelsohn [1982] konnte dank ihrer profunden Untersuchung von Varchis enquête mit der sehr wichtigen er­ kenntnis aufwarten, dass sich bei Varchi – nach einer langen, mehr oder minder deutli­ chen phase der Bevorzugung der Malkunst – erstmals eine tendenz zu Gunsten der Bildhauerei abzeichnete. repräsentativ für die Mitte des cinquecento ist dies wohl­ bemerkt nicht. Aber Mendelsohns Beobachtung, mit der sie Julius von schlosser kor­ rigierte, ist zweifellos richtig: kein paragone­disput des Quattrocento habe je eine den Due Lezzioni vergleichbare philosophisch­analytische durchdringung des Gegenstandes geleistet.42 Bemerkenswert ist in jedem Fall, wie lange die Gepflogenheit vorherrschte, die Frührenaissance vorbehaltlos zu übergehen, obwohl sie als die transitorische phase anzusehen ist, in der sich der paragone formierte. Ganz von ungefähr kommt dies nicht. denn wir sind bei seinem Aufspüren zum teil auf Ex­post­Konstruktionen angewiesen, die von der historischen wissenschaft mit recht beargwöhnt werden. tatsächlich ber­ gen sie die Gefahr in sich, die Unausweichlichkeit einer entwicklung zu suggerieren. wer den paragone des cinquecento, nach welchem qualitativen Anspruch auch immer, als den ›eigentlichen‹ paragone bewertet, der läuft Gefahr, bei der Beschreibung seines Auftretens im Quattrocento in stereotype Floskeln zu verfallen, genauer: in die phraseo­ logie des ›noch­nicht‹. Vielleicht erschöpfte sich die Frage nach den Anfängen des pa­ ragone mitunter deshalb im rekapitulieren der immer gleichen, offenbar als bedeu­ tungsvoller eingestuften antiken, mitunter auch mittelalterlichen leitbilder des paragone. Fraglos ist seine Vorgeschichte seit dem Altertum nicht unerheblich: von den repräsentanten der sophistik und satire zu den unterschiedlichsten sparten der eristik und rangstreitliteratur (agon logon, tenzoni).43 trotz des paradigmenwechsels, den Bax­ andall 1971 mit der publikation der beiden petrarca­dialoge aus De remediis utriusque fortunae über die figurativen Künste herbeiführte, trotz seiner korrekten einschätzung von ihnen als den Grundpfeilern jedes humanistischen diskurses über die Malerei und Bildhauerei, zeugt seine Vermeidung des paragone­Begriffs selbst da, wo das charakte­ ristische spannungsverhältnis in topischer weise durchscheint, davon, wie immun sich

42 Vgl. Mendelsohn, 1982, s. XXiii und s. 143f. demgegenüber hatte einst Julius von schlosser undiffe­ renziert behauptet, die Gedanken Varchis blieben »völlig im alten Geleise«; s. schlosser, [1924] 1985, s. 200. – Faktisch bot Varchi mit seinen Lezzioni (außerhalb von traktatschriften von Bildhauern) den präzedenzfall für die weitreichende, nicht nur lapidar geäußerte Bevorzugung der skulptur, so dezent dies auch durchscheint. An ihn knüpften Autoren wie cellini an. es mangelte gleichwohl weiterhin nicht an paragoni altbewährten Musters, die entweder neutral gehalten waren oder die Favorisierung der Malkunst erkennen ließen; s. die Quellen in den Trattati d’arte, 1960–1962. 43 Mit Verweis auf die volkstümliche tenzonen­ und Kontrastliteratur des Mittelalters schlosser, [1924] 1985, s. 154; die antike und mittelalterliche Vorgeschichte wird konzise referiert von pfisterer, 2003a, sp. 530–532.

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althergebrachte denkmuster gegen tatsachenbefunde erweisen können.44 das tut seiner leistung keinen Abbruch. die Zeiten, da die kunsthistorische Forschung geflissentlich, in »grenzpolizeilicher Befangenheit« (warburg) an erträgen der philologie vorbeisah, dürfte seit den fulminanten Beiträgen Ulrich pfisterers überwunden sein, der – 1996 beginnend – wie kein Zweiter immer neue Bausteine zur erfassung des frühen paragone legte, mit resultaten jedoch, die mehr oder minder beiläufig im rahmen anders gelager­ ter Forschungsinteressen gewonnen wurden.45 wenn am ende, bei aller Brillanz, noch immer keine Aufarbeitung oder synopsis des paragone im Quattrocento steht, dann deshalb, weil für den paragone, wie für jeden Untersuchungsgegenstand, gilt, nur das, was recherchiert wird, kann ergebnisse zeitigen. das heißt im konkreten Fall: die für das 15. Jahrhundert vorgenommene sichtung der Auslegungen des Dictum Horatii und der reflexe auf den »exegi monumentum«­topos können allenfalls die einsicht bestäti­ gen, der humanismusforscher wie Buck und Garin zum durchbruch verholfen haben,46 dass die poesie – platon heißt sie ›göttlich‹ (Ion, 530b) –, ihrer traditionellen Vorrang­ stellung wegen, bei den ersten, durch comparatio unternommenen nobilitierungsver­ suchen der figurativen Künste schier unabkömmlich war47 und, nebenbei bemerkt, mit dem gleichen Ziel in den dienst genommen wurde wie die vielen Künstler­Ahnherren von rang, d. h. künstlerisch dilettierende antike Machthaber und Geistesgrößen.48 Bemer­ kenswert ist indessen der mit hilfe eines beachtlichen Quantums an Quellen erbrachte nachweis pfisterers, dass den besagten topoi eine beispiellose Konjunktur in der neu­ lateinischen literatur beschert war. darüber, in welcher relation diese Belege zur frühen fortune anderer paragone­Argumente und ­quellen stehen, herrscht weiterhin Unklar­ 44 der Abdruck der beiden petrarca­dialoge in Baxandall, 1971, auf s. 140–141, s. 141–143; Baxandalls Besprechung von ihnen auf s. 51–66; auf s. 53 die Feststellung: »[…] petrarch’s longest statement about art and indeed the longest discussion of art one has from the humanist trecento.« 45 Bedeutend sind vor allem: pfisterer, 1996, s. 107–148; derselbe, »phidias und polyklet von dante bis Vasari«, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 26, 1999, s. 61–97 und derselbe, 2002. 46 La disputa delle arti nel Quattrocento, hrsg. v. eugenio Garin, [Florenz, 1947] rom, 1982; August Buck, Humanismus. Seine europäische Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen (Orbis Academicus 1, 16), Freiburg i. Brsg. und München, 1987, s. 202ff., s. 212ff. und Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, hrsg. v. herbert Jaumann, Berlin und new York, 2011, s. 179–209. 47 diese Vergleichsstrategie, den lobenswerten Gegensstand nicht mit seinesgleichen oder gar mit einem geringeren zu vergleichen, sondern ihn einem höheren Gegenstand so nahe wie möglich zu bringen, empfiehlt im Kontext der Künste lukian, Verteidigung der Bilder, 13, s. 310/311; 26, s. 332/333. Zum Maler­dichter­Vergleich aus horaz, Ars poetica, v. 10, s. pfisterer, 1996, s. 107–148, s. 114ff.; zur ho­ raz­Ode (»exegi monumentum […]«; horaz, Carmina, iii, 30, s. 170), die den dichter auf Kosten der skulptur und der Baukunst als dispensator gloriae feiert, pfisterer, 1996, s. 128ff. und derselbe, 2002, s. 264ff.; über den frühen paragone zwischen literatur und Kunst auch ebenda, s. 259ff.; derselbe, 2003a, sp. 533. 48 dazu Ulrich Middeldorf, »On the dilettante sculptor«, in: Apollo, 107, 1978, s. 310–322 und Martin warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln, 1985, s. 58f.

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3. Andrea Mantegna, detail aus: Madonna della Vittoria: ›die erschaffung des Adam‹ und ›sündenfall‹, 1495–1496, paris, Musée du louvre

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4. Andrea del Verrocchio, Christus und der ungläubige Thomas, 1483, Florenz, Orsanmichele

heit. so ist beispielsweise der einfluss des satirikers lukian auf die frühe Kunstliteratur zur Gänze ausgeblendet, auch wenn studien von Marsh [1998] und Grafton [2002] weg­ weisende impulse für den paragone erwarten lassen. deren relevanz dürfte sich nicht allein im Calumnia­thema erschöpfen, mit dem Apelles zur identifikationsfigur für angefeindete (Mal­)Virtuosen aufsteigen sollte.49 in einer Zeit, als Mantegna, nicht ohne ironie, einen Bildhauer­Gott zur erschaffung des Menschen den spatel am gemalten 49 Grundsätzlich ist das thema der Verleumdung des Apelles auch für die phase der Frührenaissance sehr gut recherchiert; s. david cast, The Calumny of Apelles. A Study in the Humanist Tradition (Yale publi­ cations in the history of Art 28), new haven und london, 1981. paragone­studien erschöpfen sich bislang jedoch in der Auslotung des Verhältnisses der Calumnia­Gemälde zur dichterischen Vorlage, wie beispielsweise im hinblick auf die inventio (s. die einleitung zu Alberti, De pictura, s. 82). die Frage der gattungsspezifischen identifizierung mit Apelles interessierte nicht. Jedenfalls ist das desin­ teresse des Bildhauers Ghibertis an dieser episode in seinem extensiven Apelles­passus offenkundig; Ghiberti, I commentarii, s. 72–75. weitere literaturangaben zur Calumnia im cap. iii.1. – Zur Bedeu­ tung lukians david Marsh, Lucian and the Latins, Ann Arbor, 1998 und Anthony Grafton, Leon Battista Alberti. Baumeister der Renaissance, [engl. orig. new York, 2000] Berlin, 2002, s. 87f., 194ff., 214, 299, 436f.

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Adam anlegen ließ (Abb. 3),50 – sollte in einer solchen Zeit der rangstreitdisput über Gottes wirken als erster Maler oder als erster Bildhauer nicht längst im Gange gewesen sein? Vergleichbares ist mutatis mutandis für den sinnenparagone zu unterstellen. Man denke an Verrocchios Bronzegruppe für Orsanmichele, Christus und der ungläubige Thomas (Abb. 4), an der wolf allein schon im Kontext der eucharistischen dimension ein genaues Kalkül mit der sinnenfrage beobachtet hat.51 wie wurde die Figurengruppe von zeitgenössischen Künstlern und Kunstinteressierten wahrgenommen? sahen passanten in der tastenden hand, die sich der seitenwunde des Auferstandenen nähert, wirklich nur die Vergewisserung des ›nicht sehenden‹ im religiösem sinne, oder wurde die hapti­ sche wahrnehmung ästhetisch angereichert mit dem ganz und gar irdischen Glauben an die tasterfahrung, der sich die skulpturen eben nicht verschließen?52 die vordringlichste Aufgabe, licht in die größeren Zusammenhänge zu bringen, damit sich einzelaspekte zu einem möglichst dichten Gesamtbild fügen und logische Vernetzungen augenfällig zu werden beginnen, ist nur unter Berücksichtigung eines breiteren spektrums an Quellen und Faktoren zu leisten. sofern eine Forschungsper­ spektive virulent ist, die Fragen der agonalen Mechanismen und strukturen nicht außer Acht lässt, vermag sich beispielsweise eine nicht unwichtige einsicht einzustellen: Ab­ weichend vom rigiden Überbietungsprinzip (superatio), das im paragone zwischen den figurativen Künsten waltete, bescheidete sich die Konkurrenz mit der dichtung vor leonardo weitestgehend auf den erweis der ebenbürtigkeit (aemulatio) einer Kunst­ 50 erstmals erkannt hat dieses detail am postament des thrones der Madonna della Vittoria (von 1496) rodolfo signorini, »the creation of Adam. A detail in Mantegna’s ›Madonna della Vittoria‹«, in: JWCI, 59, 1996, s. 303–304; diese Bildidee ist offensichtlich abhängig von kleinfigurigen Adam­ und Eva­darstellungen der frühen niederländischen Malerei; s. zum Beispiel die flankierenden Bronzesta­ tuetten im Gemälde von petrus christus, Madonna mit Kind (Budapest, szépmüvészeti Múzeum) von ca. 1450; s. Petrus Christus. Renaissance Master of Bruges, hrsg. v. Maryan w. Ainsworth, Ausstellungs­ katalog (new York, the Metropolitan Museum of Art: 14.04.–31.07.1994), new York, 1994, Kat.­ nr. 11, Abb. auf s. 127. 51 Unter rekurs auf eigene ältere erkenntnisse wolf, 2002, s. 282ff.; zu Verrocchios werk Andrew But­ terfield, The Sculptures of Andrea del Verrocchio, new haven und london, 1997, Kat.­nr. 8. 52 es fehlte nicht an inspirationen für die paragone­Frage: die Legenda Aurea redet von einem Zwiespalt, da thomas seinen Glauben – anders als die anderen – nicht allein dem Gesichtssinn verdanke, sondern dem sehen und dem Greifen (Jacobus de Voragine, Legenda Aurea, cap. 5, s. 32: »dicitur geminus eo, quod resurrectionem christi quasi geminate et in duplum quam alii cognovit. nam illi cognoverunt videndo, iste videndo et palpando«); und christus stellte sich thomas (laut Joh 14, 6) als »die wahr­ heit« vor. die inschrift auf dem Gewandsaum von Verrocchios Christus zitiert die synästhesie von Joh 20, 29: »QViA Vidisti Me thOMA credidisti. BeAti QVi nOn ViderVnt et credi­ derVnt« (weil du mich gesehen [sc. ertastet] hast, glaubst du. selig sind die, die nicht sehen und doch glauben). Über den tastsinn im Kontext des religiösen, ohne Berücksichtigung der thomas­ ikonografie, zuletzt wenderholm, 2006, s. 112ff.; dazu auch david Freedberg, The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response, chicago und london, 1989, s. 358ff. Zum sinnenparago­ ne in unserem Buch s. cap. iii.2.2.

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gattung mit ihr. in Ausnahmefällen mochte die poesie als Bezugsgröße überflügelt wer­ den;53 zu einer anfechtbaren Größe mit Makeln geriet sie am Vorabend von leonardos paragone nicht, jedenfalls nicht im duell mit den Bildkünsten, so wenig es andernorts an reflexen auf platons Verunglimpfung von ihr als lügenkunst fehlte.54 ein paragone ist bei diesem ›Klimmzug‹ des schwächeren zum stärkeren durchaus im spiel. das neue, das enorme Gewicht, das die humanisten der sprache, der sprachlichkeit und sprach­ reflexivität in ihrer Bildungsbewegung beimaßen – sprache als Angelpunkt jedweden weltbezugs –, brachte, wie hinreichend ergründet, den Aufstieg der rhetorik mit sich, der durch bedeutende antike textfunde im primo Quattrocento angestoßen wurde: von der Rhetorica ad Herennium, den rhetorischen schriften ciceros bis zu dem von poggio zutage beförderten handbuch Quintilians. die fortan einzug haltende Übertragung des Bildungsideals des rhetors auf Maler und Bildhauer, die Assimilierung bewährter rhetorischer stilwerte und Beurteilungskriterien für die Künste, spielten fraglos in den paragone­disput hinein, ob sie sich nun als hypothek erwiesen oder nicht. wer jedoch den frühen Vergleichen zwischen der rhetorik, der poesie und den Bildkünsten eine auf Überbietung abzielende stoßkraft unterstellt, muss sich – dies sei hier vorweggenom­ men – eines Besseren belehren lassen. Vorzugsweise wurden rein formal­ästhetische Brü­ ckenschläge illustrativen charakters unternommen. deren stimulus für den paragone darf angesichts späterer lesarten jedoch nicht unterschätzt werden.55 53 so stellte leonardo dati den Künstler pisanello in einem Gedicht von ca. 1447–1448 über alle Maler und dichter. die Absicht dieser enkomiastik liegt wohlgemerkt aber nicht in der degradierung der dichtkunst, sondern in der suggestion, dass diese durch pisanellos Kunst vereinnahmt werde: »inter pictores nostri statuere poetae / pisano palmam qui fingens omnia ad unguem / naturam ingenio et mira exequaverit arte. / […]«; s. Documenti e Fonti su Pisanello, hrsg. v. dominique cordellier, Verona, 1995, s. 149, nr. 66 (›in laudem pisani pictoris‹), vv. 1–3. Und trotz seiner Bemühungen um den guten ruf der skulptur musste Gaurico eingestehen: im Altertum hätten die besten Autoren höhere wert­ schätzung genossen als die besten Bildhauer; s. Gaurico, De sculptura, s. 43: »Quei vis optimi scriptores fuisse inveniantur, quam optimi sculptores […]?« 54 platons ontologische Vorbehalte gegen die nachahmenden Künste in platon, Staat, 597aff. Zu der an platon geschulten Kritik an der dichtung als ›lügenkunst‹ und zu den Verteidigungsstrategien in dichtungslehren seit Albertino Mussato – zu ihr zählte v. a. das Bild des »poeta theologus« – August Buck, Italienische Dichtungslehren vom Mittelalter bis zum Ausgang der Renaissance (Beihefte zur Zeit­ schrift für romanische philologie 94), tübingen, 1952, s. 67ff. und Giorgio ronconi, Le origini delle dispute umanistiche sulla poesia (Musato e Petrarca) (strumenti di ricerca 11), rom, 1975; vgl. stanley Meltzoff, Botticelli, Signorelli and Savonarola. Theologia Poetica and Painting from Boccaccio to Poliziano (Biblioteca di ›lettere italiane‹. studi e testi 33), Florenz, 1987. die Ausgrenzung des dichters aus dem Kreis der Gelehrten und seine Abwertung als handwerker verficht im beginnenden Quattrocento ›Niccoli‹ in leonardo Bruni, Ad Petrum Paulum Histrum, ii, nr. 68, s. 265. 55 nach erkenntnissen der jüngeren philologie ist ein literarisches werk mitnichten statisch, sondern empfängt allein schon durch den lektüreakt die unterschiedlichsten impulse; zusammenfassend peter­ André Alt, Die Verheißungen der Philologie, Göttingen, 2007. – ein illustrativer Brückenschlag seitens der rhetorik beispielsweise bei Guarino Veronese: er behauptete 1429 im Brief an den sekretär von

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eines der maßgeblichen regularien der hierarchiebildung, denen die Bildkünste während der tonangebenden nobilitierungswelle der Frühzeit – im Gegensatz zur hoch­ phase – unterlagen, war die dem mittelalterlichen lehrwesen entlehnte, kategoriale tren­ nung zwischen den freien und den niederen mechanischen Künsten (artes liberales – artes mechanicae). die Malerei und die Bildhauerei hat man einst günstigenfalls zu den letzteren gesellt.56 dieses regularium wirkte nicht als unverrückbares erbe, sondern mit neuer note weiter. soziale Antinomien zwischen Malern und Bildhauern führten bald dazu, dass diese jeweils allein um die eingliederung ihrer Kunst in die artes liberales bemüht waren, mit der Konsequenz, dass sich dieser disput bevorzugt auf die referen­ tiellen pole Kultiviertheit – Unkultivierheit einpendelte. Aber: Kultiviertheit – was be­ deutete sie für die italienischen Maler oder Bildhauer des Quattrocento, deren Bildungs­

niccolò d’este, Jacopo Ziliolo, als literat »nach Art der Bildhauer« zu verfahren, welche anfangs den Marmor bilden, damit die Gestalt eines pferdes, löwen oder Menschen freigelegt werden könne und den Glanz und die Farben noch aussparen; s. Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 71, nr. 561: »hactenus enim more sculptorum feci, qui principio ita marmora erudiunt, ut equi aut leonis aut hominis adhuc in forma detegant imaginem, nondum splendor adiectus extremusque color […].« Ähnlich de­ cembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 11, s. 428: »Quod si ›pictoribus atque poetis / quodlibet auden­ di semper fuit aequa potestas‹, ita tamen audendum effingendumque docet horatius, ut quam aptissime alia aliis respondentia non rerum vel fabularum ordinem excedant.« – poggio Bracciolini stieß 1416 auf eine unversehrte handschrift von Quintilians Institutio oratoria; und Gerardo landriani wurde 1421 fündig mit der entdeckung eines codex mit den vollständigen Fassungen von ciceros De oratore, dem Orator und dem Brutus sowie dem Kompendium Rhetorica ad Herennium; es galt bis 1491 unwider­ sprochen als schrift ciceros. Vgl. Michael winterbottom, »Fifteenth­century Manuscripts of Quintil­ ian«, in: The Classical Quarterly, n. s., 17, 2, 1967, s. 339–369, s. 340f. und remigio sabbadini, Le scoperte dei codici latini e greci nei secoli XIV e XV, 2 Bde., Florenz, 1905–1914, Bd. i, s. 77f. und s. 100, Bd. ii, s. 192; und carl Joachim classen, Antike Rhetorik im Zeitalter des Humanismus (Beiträge zur Altertumskunde 182), München, 2003, s. 166ff.; oder Marc Fumaroli, L’Âge de l’ éloquence: rhétorique et ›res literariae‹ de la Renaissance au seuil de l’ époque classique, Genf, 1980, s. 35ff. (über cicero), s. 77ff. (über petrarca bis Bembo). – das Verhältnis zu den Bildkünsten beleuchten John r. spencer, »›Ut rheto­ rica pictura‹. A study in Quattrocento theory of painting«, in: JWCI, 20, 1957, s. 26–44; Baxandall, 1971 und derselbe, Die Wirklichkeit der Bilder, [engl. orig. Oxford, 1972] Frankfurt a. M., 1984, s. 145ff.; über die rhetorisierung der Malerei Klaus irle, Der Ruhm der Bienen. Das Nachahmungsprinzip der italienischen Malerei von Raffael bis Rubens, Münster, new York, München und Berlin, 1997, s. 82ff.; die Angabe sämtlicher textstellen aus den einflussreichsten rhetorik­schriften des Altertums mit Bezügen zu den figurativen Künsten in pfisterer, 2002, s. 405, Anm. 204; vgl. s. 223f.; und roland G. Austin, »Quintilian on painting and statuary«, in: The Classical Quarterly, 38, 1944, s. 17–26; zu dem für den pictor oder sculptor doctus pate stehenden Bildungsideal des redners, s. cicero, Orator, i, 4. 56 eingehend zu den Avancen in der renaissance, den rang der Malerei oder Bildhauerei als freie Kunst geltend zu machen, s. cap. iii.2.3. – im Didascalion des hugo von st. Victor gehören die Malerei und Bildhauerei zu einer der Untergruppen der artes mechanicae: zu den armatura; so Kristeller, 1974–1976, Bd. i, s. 173; vgl. Artes im Mittelalter. Wissenschaft, Kunst, Kommunikation, hrsg. v. Ursula schaeffer, Berlin, 1999.

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horizont individuell höchst unterschiedlich ausfiel? Bedeutete sie Gelehrtheit, Belesenheit? Bedeutete sie weit mehr als das? Und noch ein wichtiger punkt: Zu allen Zeiten haben die Autoren in ihren Mei­ nungskundgaben zum paragone der Materie ihren persönlichen stempel aufgedrückt. Albertis paragone öffnete sich mehr dem werkstattflair, in dem von leonardo behaup­ tete sich neben einem gewissen lehrmeisterlichen pathos und einem hang zur natur­ beobachtung der wunsch, die rangstreitfrage kraft eines experimentum crucis zu klären. Obgleich kein präzendenzfall, erweist sich dieses Anliegen als prominenter Vorbote der späteren Mode, sich seines Urteils über die Künste durch ein episodisch­narratives Ge­ dankenexperiment zu versichern.57 Bei all dem müssen wir uns vor Zerrbildern hüten, davor, aus der individuellen note eines Autors eilfertig auf das zeittypische Gepräge des paragone zu schließen.58 diskrepanzen zu dem des cinquecento gab es gleichwohl: Zeigten sich die frühen Autoren mehr generell an den Kunstgattungen und deren ei­ genschaften orientiert, so spielte wegen des wachsenden Künstlerkultes, spätestens seit 1548, mit dem Aufkommen der venezianischen Kunstliteratur, eine neue Akzentgebung hinein. selten kam der Kunstrangstreit nun ohne zeitgenössische Virtuosen aus. sie wurden in diskursen als exempla gattungsspezifischer stärken allgegenwärtig.59 dies ereignete sich sehr lange nachdem erstmals einige zeitgenössische Maler, so geschehen in Filippo Villanis Florentiner stadtchronik, einzug in die Biografiensammlungen von uomini illustri gehalten hatten; und nicht im Gleichzug, nein, erst rund ein halbes Jahr­ hundert danach, stellte der humanist Bartolomeo Facio diesen erstmals Bildhauerper­ sönlichkeiten von rang zur seite. Quantitativ reichte deren präsenz im Künstlerpan­

57 Belege zur zunehmenden Beliebtheit dieser episoden in der zweiten hälfte des cinquecento in App. ii/G­b; ii/G­d–i. – leonardo illustriert die Überlegenheit des Malers gegenüber dem dichter durch eine episode, wonach beide ein Bildnis der Geliebten von König Matthias anfertigen, und dieser schlägt enttäuscht das Buch des dichters zu; s. leonardo, Libro di pittura, i, 27, s. App. ii/G­d. der Ablauf der Geschichte ähnelt der Anekdote um die Geliebte Alexanders des Großen, Kampaspe (o. a. pankaspe). Am ende erhält das porträt dieser Frau den Vorzug (vor der Frau selbst); vgl. plinius, NH, XXXV, 86. 58 so könnten beispielsweise Meinungsäußerungen des Florentiner philologen Vincenzio Borghini oder des lombardischen Kunsttheoretikers lomazzo zum Glauben verleiten, der paragone habe im cinque­ cento mehr ironie, schärfe, doppelbödigkeit, ja sophistische raffinesse entfaltet, denn vergleichbare Volten aus dem 15. Jahrhundert sind nicht bekannt – ein trugschluss, wie wir auf der Grundlage neuer sequenzen zeigen werden. Gemeint sind vor allem Maffeo Vegios dialog von 1452, Disceptatio inter terram solem et aurum, s. cap. iii.1 und der von pandolfo collenuccio, Misopenes (von ca. 1490), s. App. iii/B, nr. 17. 59 den Auftakt der venezianischen Kunstliteratur bildete 1548 paolo pinos Dialogo di pittura; zu diesem themenkreis Mark w. roskill, Dolce’s ›Artetino‹ and Venetian Art Theory of the Cinquecento, new York, 1968. Alberti kam in De pictura gänzlich ohne Maler seiner Zeit aus; Giotto, der einzige erwähnte nachantike Maler (Alberti, De pictura, ii, 42), war länger als ein Jahrhundert tot.

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I. Einleitung

theon des Quattrocento jedoch seltenst an die der Maler heran.60 Möglicherweise wurde Malern eine größere Affinität zu den führenden Köpfen des Geisteslebens unterstellt. hinzu kam ein anderer Faktor: die größere Fortschrittlichkeit der Malerei im trecento. sie verhinderte für lange Zeit die synkrisis mit zeitgenössischen Bildhauern. die besag­ ten progressiven Vorstöße in der Malkunst zeichneten sich zunächst mit dem Vorreiter Giotto ab, während Bildhauer, die imstande waren, ihm auf Augenhöhe zu begegnen, auf sich warten ließen – so übrigens auch die wahrnehmung petrarcas, die er brieflich festhielt: »[…] denn in dieser Gattung [sc. der skulptur] liegt unsere Zeit vollends im rückstand«, notierte er.61 Auch vor diesem hintergrund nimmt es nicht wunder, wenn

60 Bekanntlich handelt es sich bei den fünf Malern unter den Florentiner famosis civibus um cimabue, Giotto, Maso di Banco, den Meister ›stefano‹ und taddeo Gaddi, s. Villani, De origine, XlVii, 5–16, s. 153–156; dazu Baxandall, 1971, s. 71 (Giotto rangierte bereits in Boccaccio, Amorosa visione, iV, v. 16 unter den uomini famosi). in Facios werk, das nicht lokalgeschichtlich orientiert ist, gilt – anknüp­ fend an eine von petrarca (De remediis) inaugurierte tradition – je ein Kapitel den figurativen Künsten: »de pictoribus« mit vier Malern (Gentile da Fabriano, Jan van eyck, pisanello, rogier van der weyden) und »de sculptoribus« mit drei Bildhauern (lorenzo Ghiberti, sein sohn Vittorio und donatello); s. Facio, De viris illustribus, s. 163–168. die quantitative Überlegenheit der Maler spitzt sich 1473 zu im Künstlerpantheon des Übersetzers Alamanno rinuccini mit sieben Malern gegenüber drei Bildhauern; s. das dedikationsschreiben seiner philostrat­Übersetzung (Vita Apollonii Tyanei) in Vito r. Giustinia­ ni, Alamanno Rinuccini 1426 – 1499. Materialien und Forschungen zur Geschichte des florentinischen Humanismus (studi italiani 5), Köln und Graz, 1965, s. 198ff. und ernst h. Gombrich, »der Fort­ schrittsgedanke im Kunstleben der renaissance«, in: derselbe, Norm und Form, [engl. orig. Oxford, 1966] stuttgart, 1985, s. 11–23, s. 174–178, s. 12, s. 177; unter insgesamt nur vierzehn historischen persönlichkeiten figurieren in der vulgärsprachlichen schrift Hūōi singularii iFirenze dal MCCCC° īnanzi, die vielleicht aus der Feder Antonio Manettis stammt, immerhin je vier Maler und Bildhauer; s. Huomini singularii, s. 335–336 (und der Kommentar von Murray auf s. 330ff.); 1481 rangieren in landinos Kapitel über »fiorentini excellenti in pictura et sculptura« elf Maler, aber nur sechs Bildhauer; s. landino, Comento, ›proemio‹, cap. 6, Bd. i, s. 240–242. die klare differenzierung zwischen aufgeli­ steten Malern und Bildhauern werden spätestens seit Giovanni santis reimchronik (santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 358–405, Bd. ii, s. 673–676) und Ugolino Verinos De illustratione urbis Florentiae (ii, s. 351–353) wegen der vielen doppelbegabungen schwerer; vgl. auch die Auflistung unter »de pictoribus et sculptoribus florentinis qui priscis graecis equiperari possunt« in Verino, Epigrammatum libri septem, nr. 23, s. 324–329 und in Verino, Flametta, ii, 45, vv. 99–106, wo elf Maler fünf Bildhau­ ern gegenüberstehen. 61 petrarca sprach gegen Mitte des trecento von diesem rückstand der Bildhauer im Vergleich zu Giotto und simone Martini; s. petrarca, Familiarum rerum libri, Bd. ii, s. 39, V, nr. 17 (s. App. iii/A­a, nr. 4). Bezeichnenderweise neigte Giannozzo Manetti noch 1452 zu einem Anachronismus: Giotto und Ghiberti stehen in De dignitate et excellentia hominis als jeweils beste repräsentanten ihrer Zunft ne­ beneinander. Giotto figuriert als bester Maler seiner Zeit, Ghiberti als der überragende Bildhauer der Gegenwart. Unklar bleiben die Gründe für den Verzicht auf die nennung eines besten Malers der Gegenwart; s. Manetti, De dignitate hominis, ii, 39, s. 59–60: »[…] iotto nostro, optimo suorum tem­ porum pictore […]«; und ebenda, ii, 40, s. 60: »[…] laurentio, peregrinatio nostri temporis staturario […].«

1. Zum Paragone: Die Frage nach den Anfängen

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in der gesamten renaissancezeit gattungsinterne Konkurrenzen (und literarische refle­ xe auf sie) gegenüber gattungsübergreifenden rivalitäten dominierten. in italien ging nach der dantezeit in wort und tat dennoch eine entwicklung vonstatten, die es mit sich brachte, dass Maler und Bildhauer sich bald nicht länger nur als primus inter pares zu erweisen suchten, sondern vermehrt als primus inter impares. Anders gesagt: der wett­ streit der individualstile (und nichts anderes ist ein gattungsinterner wettstreit) wurde durch einen anderen Gepräges ergänzt: durch den, der sich zwischen den Kunstgattun­ gen auftat. die logik der nachzeitigkeit will es, dass der paragone in dem seit Varchi sich breit machenden historisierungsbestreben immer schon ein über ältere Muster vermittelter disput war. dies führte erwartungsgemäß zur Verkomplizierung der diskurse, sie wur­ den facetten­ und voltenreicher, es machte sich verstärkt ein pluralismus der wertungen breit, und andererseits ist eine neigung zu Abstraktionen nicht zu verkennen. so wäre es niemand zur Generation Albertis eingefallen, das Verhältnis der skulptur zur Malerei, wie dies gegen Mitte des cinquecento gebräuchlich wurde, ohne Umschweife auf abs­ trakte Gegensatzpaare zu projizieren, wie auf wahrheit und lüge (tribolo) oder auf den Gegenstand selbst und seinen schatten (cellini).62 die letztgenannte Antithese charak­ terisierte einst bei leonardo das Verhältnis zwischen der Malerei (»corpo«) und der dichtung (»ombra«). dieser Befund dürfte symptomatisch für die richtung vieler die­ ser Übertragungen im laufe der historischen entwicklung sein.63 Aber das Gebot der ersten stunde in diesem künstlerischen emanzipationsvorgang lag, wie leicht zu erwei­ sen ist, nicht im Finden von Abstraktionen. es lag viel vorsichtiger darin, sich überhaupt ein Bewusstsein und eine sprache für die relativen Qualitäten der figurativen Künste zu erarbeiten.

62 Vgl. das Urteil des Bildhauers tribolo im Brief an Varchi, in Scritti d’arte, 1971–1977, s. 518: »[…] a me mi pare la scultura sia la cosa prop[r]io, e la pittura sia la bugia«; und (ebenfalls an Varchi) cellini, ebenda, s. 522: »la differenza […] è tanta quanto è dalla ombra e la cosa che fa l’ombra.« diese Apo­ strophierung der Malerei als schatten war durch zwei richtungen vorgeprägt: einerseits durch den Ursprungsmythos der Malerei (plinius, NH, XXXV, 151), andererseits durch Albertis Vorstellung von narziss als erstem Maler; Alberti, Libro di pictura, ii, 26, s. 236; zum Ursprungsmythos Victor i. stoichita, Eine kurze Geschichte des Schattens, München, 1999, s. 7ff. 63 leonardo, Libro di pittura, i, 15, s. 139: »[…] pittura alla poesia, qual è dal corpo alla sua ombra de­ rivativa […].«

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I. Einleitung

2. Versäumnisse und revisionsbedürftiges wir werden heute nicht mehr mit gleicher selbstverständlichkeit wie sigmund Freud annehmen, dass leonardos paragone »seine heitere Genußfähigkeit« belege.64 eine reihe ernst zu nehmender texteditionen hat seither das Bild vom Künstler, der sich guter dinge seinen einfällen überließ, gründlich zu revidieren vermocht. leonardos parago­ ne, der ungeachtet der vielen textkritischen Vorstöße – die bedeutendsten von richter, pedretti/Vecce und Farago – 65 bis heute keineswegs so tiefschürfend durchleuchtet und kommentiert wurde, dass nicht viele Fragen offen blieben, hätte im Fall der sofortigen drucklegung – im sinne eines fundierenden traditum – der paragone­text schlechthin werden können. Faktisch wurde sein Libro aber erst 1651 gedruckt.66 was aber heißt es, wenn Abschriften seiner reflexionen, die offenbar in botteghe kursierten, erst in der Generation cellinis für uns dokumentierbar sind? heißt dies, sich der meinungsführen­ den Auffassung anschließen zu müssen, leonardos paragone habe erst spät seine wir­ kung entfaltet?67 weshalb sollten seine worte nicht schon von den Köpfen jener Virtuosen Besitz ergriffen haben, die ihn in Mailand umgaben? diese Frage tangiert ein grund­ sätzliches problem, auf das wir immer wieder stoßen werden: das klärungsbedürftige Verhältnis zwischen Mündlich­ und schriftlichkeit im paragone. handelt es sich bei leo­ nardos Parte prima um einen ›verschriftlichten‹ disput, d. h. um das resümee einer realen höfischen debatte oder um die Vorlage für eine solche? war, wie dionisotti [1962] früh zu bedenken gab, das Movens für die niederschrift dieser Zeilen selbst schon die 64 sigmund Freud, »Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci« [1909/1910], nach derselbe, Gesammelte Werke, 19 Bde., Frankfurt a. M., 1999, Bd. Viii, s. 128–211, s. 130: »in einer für seine heitere Genußfähigkeit bedeutsamen stelle des traktats über Malerei hat er die Malerei mit ihren schwester­ künsten verglichen und die Beschwerden der Arbeit des Bildhauers geschildert.« 65 siehe den erstmals 1939 publizierten Beitrag von irma A. richter, »paragone. A comparison of the Arts by leonardo da Vinci«, in: The Literary Works of Leonardo da Vinci, hrsg. v. Jean p. richter et alt., 2 Bde., london, new York und toronto, 1939; leonardo da Vinci, Libro di pittura. Edizione in facsimile del Codice Urbinate lat. 1270, hrsg. v. carlo pedretti, trascrizione critica v. carlo Vecce, Florenz, 1995, Fara­ go, 1992. 66 Re-reading Leonardo. The Treatise on Painting across Europe, 1550–1900, hrsg. v. claire J. Farago, Farn­ ham, 2009; details zur editio princeps des Trattato della pittura di Leonardo da Vinci (paris: raffaelle du Fresne), 1651, bei carlo Vecce, »il paragone di leonardo. Appunti su due recenti edizioni«, in: GSLI, 171, 1994, s. 435–449, s. 436 mit weiterführender literatur. eine Abschrift von leonardos schrift besaßen Guido reni, cellini und lomazzo; vgl. schlosser, [1924] 1985, s. 143; und detaillierter pe­ dretti 1995 im Vowort von leonardo, Libro di pittura, s. 26ff. 67 dass leonardos Aufzeichnungen wenige Jahre nach seinem tod aus dem Blickfeld verschwanden, be­ hauptet angesichts des Codex Urbinas v. a. richter in: The Literary Works of Leonardo, [1939] 1949, s. 6: »[…] there is no record of its previous history […]«; übernommen von pfisterer, 2003a, sp. 533. wir wissen durch seine selbstaussage, dass cellini vor 1542 eine Abschrift von leonardos schrift gekauft hatte; s. cellini, Della architettura (cellini, Opere, s. 813): »[…] era un libro scritto in penna, copiato da uno del gran lionardo da Vinci […] sopra le tre grandi arti, scultura, pittura e architettura.«

2. Versäumnisse und Revisionsbedürftiges

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wappnung des pictor doctus gegen die herablassung der hofdichter? 68 Auch würde man die Parte prima gerne vor der Folie von leonardos doppelbegabung behandelt wissen, obgleich Malerbildhauer im italien des 15. Jahrhunderts beileibe kein ungewöhnliches phänomen darstellten. dies hat das Buch von hanke, namentlich die just erschienene erste Monografie über Malerbildhauer einmal mehr deutlich machen können.69 Bemer­ kenswert ist jedoch: leonardo, der im paragone seine Versiertheit in beiden Gattungen unterstrich,70 führte in seinem rhetorischen ringen um die Überlegenheit der Malerei auf Kosten der skulptur einen Kampf mit seinem anderen selbst. er wurde in der eige­ nen Brust ausgetragen. Jahrzehntelang galt cennino cenninis Libro dell’arte, auch in lexika, als repräsenta­ tiv für die position eines Malers in der Zeit um 1400. wenn die datierung dieses Manuale neuerdings erheblich ins wanken geraten ist, wenn der vermisst geglaubte Bronzeguss­ traktat des neapolitanischen humanisten porcellio, De arte fuxoria, nach seiner wieder­ entdeckung neuerdings ediert vorliegt, wenn eines der lukianischen totengespräche aus lomazzos Libro dei sogni, genauer, der wortwechsel über den paragone zwischen ›Leonardo‹ und ›Phidias‹, 2002 erstmals gebührend Beachtung fand,71 dann sind dies bedeu­ tende Anzeichen für die Verschiebung so mancher Koordinaten zur Kunstliteratur der renaissance im Zuge des fortschreitenden erkenntniszuwachses. inwiefern dies zudem die revisionsbedürftigkeit von Urteilen über den frühen paragone impliziert, oder diese überhaupt erst möglich macht, müssen wir an der betreffenden stelle prüfen. leistungen aus den letzten dekaden, darunter neue kritische texteditionen einzelner Kunsttraktate, beispielsweise die von Alberti, erleichtern die Vertiefung in den frühen paragone ebenso wie die unter der Ägide des Klassischen philologen Zintzen erstellten alphabethischen 68 Vgl. carlo dionisotti, »leonardo, uomo di lettere«, in: IMU, 5, 1962, s. 183–216, s. 208f. 69 hanke, 2009. 70 die schlüsselstelle lautet: »AdOperAndOMi iO non meno in scultura che in pittura, et essercitan­ do l’una e l’altra in un medesimo grado […]«; leonardo, Libro di pittura, i, 38, s. 161. 71 Für die spätdatierung von cenninis Libro dell’arte in die Zeit um 1420/1425 plädiert – im wider­ spruch zu einer datierung, die letztlich nur auf einer Äußerung Vincenzio Borghinis fußt – Ulrich pfisterer, »cennino cennini und die idee des Kunstliebhabers«, in: Grammatik der Kunstgeschichte. Sprachproblem und Regelwerk im ›Bild-Diskurs‹, Oskar Bätschmann zum 65. Geburtstag, hrsg. v. hu­ bert lochner et alt., Zürich, 2008, s. 95–117, s. 97f. Vor allem cenninis passagen über die idee des Kunstliebhabers (an drei stellen seines Buches) seien geistesgeschichtlich nicht mit dem Vorstellungs­ gut um 1400 vereinbar, da die liebe zur Kunst noch negativ konnotiert gewesen sei. – die von pfisterer aufgefundene, 2002 publizierte handschrift von porcellio, De arte fuxoria, s. 121ff. – Zum originellen paragone in dem nahezu vergessenen dialog von lomazzo hessler, 2002, s. 82–97; zudem wurde un­ längst eines der beiden Disegno­traktate Bandinellis von waldman aufgefunden (BMF, palagi 359, insert 2); s. den Anhang von louis A. waldman, Baccio Bandinelli and the Art at the Medici Court. A Corpus of Early Modern Sources, philadelphia, 2004, s. 895–909; seine edition des Memoriale (BncF, palatino Bandinelli 12), der Biografie des Bildhauers, die aus der Feder eines nachfahren im frühen seicento verfasst wurde, steht noch aus.

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I. Einleitung

indices zur lateinischen literatur der renaissance. Bislang allein für so bedeutende Geis­ tesgrößen wie cristoforo landino, coluccio salutati und Marsilio Ficino erstellt,72 er­ möglichen sie den raschen Zugriff auf das relevante ästhetische Vokabular wie auf Künstlernamen. das feit leider nicht gegen die Gefahr, zwischen den Zeilen vernehm­ bare referenzen an den paragone zu übersehen. Gegen deduktive schieflagen ist im Übrigen nicht gewappnet, wer bei der Materialsichtung nicht auch die indifferenten Äußerungen gegenüber dem paragone dort aufzeigt, wo sie wider erwarten zum Vor­ schein kommen. wie sonst, wenn nicht abgrenzend von parteiischen stellungnahmen zur rangstreitfrage, lässt sich die kulturhistorische tragweite des Gegenstandes ermessen?73 wie ist die Genese des frühen paragone transparent zu machen? Greifen wir als markantes Beispiel das berühmte, von plutarch kolportierte und, wie man meinen wür­ de, erschöpfend besprochene simonides­diktum heraus, die chiastische wendung: Ma­ lerei sei stumme dichtung – die dichtung sprechende Malerei.74 Faktisch existiert bis heute kein Forschungsbeitrag, der uns belehrt, wessen Kommentierung des diktums erstmals den Analogieschluss zugunsten einer Gattungshierarchie modifizierte. eine schande ist dies, sind es doch solche einschnitte, in diesem Fall ein agonaler Bedeu­ tungszuwachs, aus denen die Geschichte des paragone ersteht. Aber gerade in diesen nachzutragenden eckdaten für die Zeit vor der epochenschwelle zum cinquecento steckt ein indirekter Appell an die Kulturwissenschaften, aus ihrer jeweiligen warte Fermente für ein Orientierungswissen beizusteuern, das aufklärt, auf welchen Bahnen bestimmte Vorstellungsinhalte, die mit den einzelnen Kunstgattungen verwoben waren, ihre polarisierenden einfärbungen erhielten, sei es nun in einem schleichenden oder ei­ nem raschen prozess, sei es moderat, sei es kämpferisch. polarisierungen – sie bauten wohlbemerkt nicht selten auf eigenschaften auf, die sich mehr auf subjektive Zuweisun­ gen als auf vermeintlich objektive Gegebenheiten stützten. denn: wie nie vergessen werden darf, war unter den mächtigen Anleihen des paragone an der rhetorik keine so groß, keine so einheitsstiftend, wie die an dem rhetorisch wirkungsvollen regulativ der epideixis. dessen Konzentration auf das Für und wider, nämlich lob und tadel, 72 den Auftakt der reihe der ›indices zur lateinischen literatur der renaissance‹ (illr) bildete Salutati: Indices, hrsg. v. clemens Zintzen, tübingen, 1992; der Band über landino folgte 1998, der über Ficino 2003. – erwähnenswert unter den kunsthistorischen neueditionen Alberti, De statua und derselbe, De pictura; vorzüglich die 2004 erschienene edition der Antiquarie prospetiche romane. 73 Ohne jegliches Gattungsbewusstsein scherte beispielsweise Benvenuto da imola im letzten drittel des trecento die figurativen Künste über einen Kamm, als er auf einen Maler, Giotto, zu sprechen kam: »ista ars pingendi et sculpendi habuit olim mirabiliores artifices apud graecos et latinos, ut patet per plinium in naturali historia« (wie durch plinius in der naturgeschichte offenbar wird, hatte diese Mal­ und Bildhauerkunst bei den Griechen und römern einst noch erstaunlichere Künstler); s. Benevenuto de rambaldis de imola, Comentum super Dantis, Bd. iii, s. 313; vgl. plinius, NH, XXXV, 54. 74 plutarch, Moralia, 346f–347a; andere Fragestellungen verfolgen lee, 1940, s. 197–257; pfisterer, 1996, s. 113; Barkan, 2013.

2. Versäumnisse und Revisionsbedürftiges

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tugend und laster, trieb das im paragone vorherrschende schwarzweißdenken zur steuerung von Meinungen oder Gefühlen voran.75 es bot die handhabe schlechthin, als sich Kunsttheoretiker und eine Vielzahl anderer Autoren anschickten, es bei unter­ schiedlichen eigenschaften zweier Kunstgattungen nicht einfach zu belassen, sondern sie zu krassen Gegensätzen zurechtzuformen, oft so überzeugend, dass man leichtens über so manchen Anachronismus hinwegliest. wir müssen in kritischer distanz zu die­ ser sophistik, die sich eben nicht zufällig einschlich, den rat des römischen humanisten lorenzo Valla beherzigen: »Bemerkt und wägt bitte, wie ungleich hier der Vergleich abläuft«! 76 Um ein Beispiel herauszugreifen: Ungeachtet der seit dem 12. Jahrhundert im monastischen Bereich sich anbahnenden, im Quattrocento längst vollzogenen Zurück­ drängung des lauten zugunsten des leisen lesens – nach saengers [1997] Untersuchung eine entwicklung im Zeichen des gesteigerten wunsches nach privatheit –, wird der für den Genuss der poesie nötige lektüreakt im sinnenparagone der renaissancezeit stereo­ typ in der Ausrichtung auf das Gehör vorgestellt. es handelt sich um ein Konstrukt. es zielte darauf ab, das lesen als Gegenpol zu jenem, vom Gesichtssinn gesteuerten rezep­ tionsvorgang aufzubauen, der sich auf die werke der bildenden Kunst richtete.77 Maler und Bildhauer legten der Konkurrenzgattung fraglos liebend gerne das Korsett von Kriterien und wahrnehmungsschemata an, die allein für ihre eigene Kunst angemessen (und selbstverständlich vorteilhaft) waren. nach eben diesem Grundsatz, nach dem Ziehen subjektiver scheidelinien, kam es im paragone denn auch zur Ausbildung binä­ rer Gegensätze zwischen den figurativen Künsten, um die sich die Argumente drehen. wer vorhat, die Funktionsweisen und die Mechanismen, auf denen der paragone beruht, einsichtig zu machen, darf nicht bei der Bandbreite zwischen aemulatio (gleich­ kommen) und superatio (überbieten) stehen bleiben. Vielmehr wird man sich, nicht zu­

75 Zu recht erkannt von Mendelsohn, 1982, s. 40, s. 47. Zur epideixis Aristoteles, Rhetorik, 1358bff.; vgl. auch Brian Vickers, In Defense of Rhetoric, Oxford, 1988, s. 340f. (bes. s. 343f.: cap. 7: »rhetoric and the sister arts«). Zu diesem Genre in der renaissancezeit John w. O’Malley, Praise and Blame in Renaissance Rome. Rhetoric, Doctrine, and Reform in the Sacred Orators of the Papal Court, c. 1450–1521, durham n. c., 1979; unter Betonung der kohärenten tradition: Osborne B. hardison, Jr., The Enduring Monument. A Study of the Idea of Praise in Renaissance Literary Theory and Practice, chapel hill, 1962, s. 29f. und s. 42. 76 Valla (Valla, De voluptate, i, 4, 3, s. 18/19 mit Üs von peter schenkel): wandte sich gegen diejenigen Autoren, die einzelnen tugenden nicht nur je zwei, sondern mehrere Gegensätze zuweisen, die von Gegensätzen sprechen statt von Unterschieden; in diesem Kontext warnt er: »Quod quam inique com­ paratum est animadvertite, queso, atque estimate.« 77 Zu den hintergründen der herausbildung des leisen lesens paul henry saenger, Space between Words. The Origins of Silent Reading, stanford calif., 1997, s. 382.

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I. Einleitung

letzt wegen der kulturfördernden Kraft des neides78 und wegen der Motorik der selbst­ bestätigung, zudem der phänomenologie und typologie des Künstlerwettstreites im öffentlichen leben mitsamt seinen psychologischen und kulturhistorischen implikatio­ nen annähern müssen, um das wesen des notorischen Gegenstandes gelehrter streitig­ keiten zu begreifen.

3. Argumente und werte »cautissimum itaque oportet esse te ac versutissimum quotiens in eorum aliquem incideris.« pontano, Charon, iii, 7, s. 72 (über die sophisten)

Bekanntlich hat der Grundantagonismus zwischen den figurativen Künsten, das ist die dreidimensionalität des skulpturalen im Gegensatz zur Zweidimensionalität von Ge­ mälden, im paragone immer wieder zur Übertreibung der wesensmäßigen Verschieden­ heit eingeladen, die zwischen der Bildhauerei und der Malkunst herrscht. wie früh durch petrarca wurde hauptsächlich geltend gemacht, dass die raumgreifenden, nötigen­ falls selbst durch Betasten zu erschließenden statuen wegen ihrer bestechenden Über­ einstimmung mit den naturgegenständen mehr dem ›wahren‹ verpflichtet seien, wo­ hingegen Malwerke – sie erzielen wirklichkeitsnähe allenfalls (jedoch überragend) durch die Farben – auf dem schein gründen, zeigen sie auf planen Bildträgern doch nur Flächenprojektionen des in der natur Gesehenen.79 im paragone schieden sich die Geis­ ter, ob dieser wesenszug der Malerei (abschätzig und moralisch zu diskreditieren) als 78 Über den neid Friedhelm decher, Das gelbe Monster. Neid als philosophisches Problem, springe, 2005. Abweichend vom stoischen rationalismus petrarcas pflegte die Generation leonardo Brunis die offene Verteidigung der gerechten Zornesleidenschaft als Movens der tapferkeit und der ruhmesgier; s. bei­ spielsweise Bruni, Isagogicon morali discipinae (1421–1424), s. 34: »neque sane verum est, quod dixisti: nihil esse omnium, quod non absque ira melius fiat. iuvant enim interdum et certe decent stimuli quidam et motus animi vehementiores, pro indignitate flagitii non immerito suscepti, qui nos ad pieta­ tem fortitudinemque impellunt.« 79 petrarca, De remediis, i, cap. 41 (»de statuis«), s. Baxandall, 1971, s. 141: »›Ratio‹: »Accedunt haec quidem ad naturam propius quam picturae, illae enim videntur tantum, hae autem et tanguntur, inte­ grumque ac solidum, eoque perennius corpus habent […]« (›Vernunft‹: ›Gewiss kommen diese [sta­ tuen] mehr als Gemälde der natur nahe. denn diese geben nur den schein wieder, jene lassen sich betasten und haben einen vollständigen, festen und dauerhaften Körper […]‹); der illusionismus der Malerei, die auf »ebenen Flächen« (»in planisque […]«) manches »zurücktretend«, manches »hervortre­ tend« (»alia abscedentia, alia prominentia«) erscheinen lasse, ist v. a. thematisiert in Vitruv, De architectura, Vii, 158f., s. 308/309; vgl. Augustinus, Soliloquia, ii, 9, 4; in ii, 18, 2 die hierarchie zwischen den Kunstgattungen, die mit Absicht täuschen (d. i. Malerei und skulptur) und der dichtung, deren last allein die Unfähigkeit sei, wahr zu sein.

3. Argumente und Werte

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Augentrug zu betrachten sei, oder positiv (wie aus der perspektive der parteigänger der Malkunst) als besondere intellektuelle, vom Bildhauer nie eingeforderte leistung. die­ sem gebe die natur alles vor. rufen wir uns die topischen, von Gegebenheiten abhängigen themenkomplexe des paragone, wie sie seit der Parte prima von leonardo immer wieder Paragoni prägten, in erinnerung. Abgesehen von ihrer indienstnahme für sophistische Beweisführungen waren sie nicht neu. im Gegenteil, in sie wanderten viele tradierte Überlegungen aus der Antike ein. Mindestens drei argumentative Grundmuster wurden zur nobilitierung (dignità, nobilità) der jeweiligen Kunstgattung in den dienst genommen: (1.) die divinisierung, (2.) insinuierte Genealogien und (3.) die intellektualisierung. Angesichts der unterstellten Künstlerschaft Gottes (als schöpfer des Menschen wie der welt) erwuchs die streitfrage, ob Gott als erster Maler oder als erster Bildhauer wirkte (dio pittore – dio scultore). Ähnlich, wie bei den rekursen auf idealisierte antike exempla der Mal­ oder der Bildhauerkunst, ging es dezidiert um die inanspruchnahme eines erbes, das der gattungsspezifischen no­ bilitierung Vorschub leisten konnte. das gilt denn auch für die Frage, wer mehr göttlich­ geniale inspiration, Begabung wie phantasie besitzt, oder welche Kunstgattung wegen ih­ rer wissenschaftlichen Konnotationen (scientia) eher den status einer ›freien Kunst‹, fern des handwerkertums, behaupten dürfe. Vor diesem hintergrund erhält folgende diffe­ renzierung ihr Gewicht: die zwischen den geistigen oder den nur körperlichen Mühen, die beim werkprozess für den Maler oder Bildhauer erforderlich sind (fatica di mente – fatica di corpo). dieses Argument involviert immer auch die Frage nach dem schwierigkeitsgrad (difficoltà) des Arbeitsprozesses oder der Materialbehandlung, in seltenen Fällen zudem die nach der Korrigierbarkeit begangener Fehler. die weitaus facettenreichsten Argumente erwachsen aus dem jeweiligen Grad der lebensnähe eines Kunstwerks.80 dabei ist die größtmögliche Universalität (universalità) des Virtuosen die regulative idee. in der dras­ tischsten Form schwingt dabei der Anspruch auf die Beseelung und Verlebendigung des Kunstwerkes mit. dem spielten einige tradierte Künstlermythen und ­legenden seit je­ her zu, später auch manche Umerzählung.81 Besonders leonardo beschäftigte sich (in den spuren von Aristoteles) auch mit der Frage der Kongruenz von signa (bzw. verba) und res, mit der hierarchie von Bildern im Verhältnis zu lautbildern.82 wie erwähnt, 80 in Ausnahmefällen konnte die ›lebensnähe‹ als Gradmesser im paragone keine Geltung besitzen. so wird beispielsweise topisch die schönheit des weißen Marmors bei Büsten oder statuen betont, obwohl das Fehlen der farblichen differenzierung gemessen am naturvorbild ein Manko wäre; s. beispielswei­ se in der Hypnerotomachia Poliphili, fols. m4r, r3r. 81 das prominenteste Beispiel aus den Bildhauermythen ist pygmalion; s. ernst Kris und Otto Kurz, Die Legende vom Künstler, [wien, 1934] Frankfurt a. M., 1980, s. 97, 100, 149; zu legendären Kräften, die einem Kunstwerk innewohnen, s. Freedberg, 1989. 82 Vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 19 und 25. dass worte nur signifikanten seien, ist in De interpretatione von Aristoteles zu lesen. Über das phänomen der synonymie im Kontext der Kunst sinnierte auch dion von prusa, Olympische Rede, § 65, s. 93.

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I. Einleitung

äußert sich das Mimesis­postulat im paragone wesentlich in der projektion des span­ nungsverhältnisses zwischen den figurativen Künsten auf die folgende ontologische Anti­ these: schein versus sein oder lüge versus wahrheit (bugia – verità). Überraschend mutet dabei die recht einseitige Verurteilung allein der Malerei als lügenkunst an. wie leicht hätten die Maler kontern können! Man denke an die trügerische Bronzekuh Myrons oder an das Trojanische Pferd.83 Ganz offensichtlich zeitigten im Verzicht auf manche Argumente auch Konventionen ihre wirkung. nicht wenige paragone­Argumente unterliegen dem rezeptionskriterium. Zu die­ sem gehört neben der versuchten Klärung der priorität der sinne (Gesichts­, tastsinn oder Gehör) bei der wahrnehmung des fertigen Kunstwerkes auch die der Qualität/ Quantität seiner Ansichtsseiten (vedute) und damit verbunden der streitpunkt, ob die sukzessive oder die simultane perzeption vorzuziehen sei. Vom poetologischen leitbild abgeleitet, konkret, von horazens Annahme der doppelten wirkungspotenz der dich­ tung, verbindet sich mit dem paragone­Kriterium des nutzens (utilità) zudem der Ge­ fallen (diletto).84 Aber die weitaus größte Kontroverse löste die haltbarkeit und die dauerhaftigkeit (duratà, memoria, eternità) des Mediums in der utilità­debatte aus; das Kunstwerk sollte sich ausdrücklich als ruhmesträger und –künder behaupten. Auf diese weise vermochte der bildende Künstler, dem eigenen Anspruch nach, potenziell zu einem dem dichter vergleichbaren dispensator gloriae aufzurücken.85 die spitzfindigkeit und die sophistik des paragone, die, anders als uns white [1967] glauben lassen will, nicht mit leerem schein zu verwechseln ist,86 sollten ebenso wie die 83 Außerhalb der paragone­diskussion mangelte es im 15. Jahrhundert keineswegs an einer Kritik an der täuschungskraft, die von skulpturalen werken ausgeht, da sie allein nur Abbilder der äußeren erschei­ nung böten; s. zum Beispiel – mit besonderer drastik – callimachus experiente, Carmina in App. ii/c, nr. 21. – Über den trug durch Myrons Kuh, s. AP, iX, nr. 713–716, 718ff.; oder zum Trojanischen Pferd, s. Vergil, Aeneis, ii, vv. 720–732. 84 die entscheidende sequenz lautet (horaz, Ars poetica, v. 333, s. 562): »aut prodesse volunt aut delecta­ re poetae«. Vgl. auch die rhetorische wirkungskonzeption der persuasio und ihrer wirkungstrias prodesse, movere, delectare (Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 59), s. heinrich lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, stuttgart, [1960] 31990, s. 140ff., § 257. 85 Zuletzt über den medialen status der Kunstgattungen Gedächtnisparagone – Intermediale Konstellationen (Formen der erinnerung 42), hrsg. v. sabine heiser et alt., Göttingen, 2010, bes. s. 7ff.; über die rolle der Medien bei der repräsentation von Gedächtnis­ oder erinnerungsbildern Vittoria Borsò, »Materialität und Medialität von schrift und Bild. Francesco petrarca und die Genealogie von erinne­ rungskulturen der italienischen renaissance«, in: Medien der Erinnerung in Mittelalter und Renaissance (studia humaniora 42), hrsg. v. Andrea von hülsen­esch, düsseldorf, 2009, s. 113–140. 86 Viele Forscher konstatierten, dass die Urteile im paragone durch stereotype wiederholung hie und da schal klingen, besonders drastisch John white, »›paragone‹. Aspects of the relationship between sculp­ ture and painting«, in: Art, Science, and History in the Renaissance, hrsg. v. charles singleton, Baltimore, 1967, s. 43–110, s. 43: es gäbe für nicht­Betroffene »nothing duller« als eine bestimmte Art von akade­ mischen streit und den paragone; dieser müsse als »academic argument par excellence« bewertet werden.

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häufig anzutreffende plattheit der Argumentationsführung nicht vergessen machen, wo­ rum es sich handelt: um eine wertediskussion – wert, verstanden als eine wesenheit, die nicht einer objektiven eigenschaft einer sache geschuldet ist, sondern – nach kultur­ spezifischen wahrnehmungsmustern – der Fähigkeit des wertens.87 wahrheit, dauer­ haftigkeit, nützlichkeit – wertkriterien dieser Art, jedes für sich genommen, sind die Bezugsgrößen, an denen sich unsere Untersuchung zu orientieren hat. denn: wer sagt uns, dass die rhetorisch geprägten paragone­Argumente, die im Quattrocento virulent waren, denen des cinquecento genau entsprachen? nehmen wir einmal an, dem wäre nicht so, können wir, abseits von leonardos Argumenten­reservoir, überhaupt von pa­ ragone­Argumenten sprechen? subversive Umwertungen ursprünglich anders gelagerter Argumente sind nie auszuschließen. was uns heuristisch den Zugang zu den ausgebilde­ ten ›paragonalen‹ denkmustern bahnen kann, sind gegenstandsbezogen einzig die wer­ te selbst, die freilich auch vor ihrer polaren Zuordung existierten, bevor sie – wie auch luhmann [1994] erkannte – im paragone epistomologisch teil eines systemgefüges wurden.88 Mit ihnen erfuhr vermutlich zunächst eine Kunstgattung ihre Aufwertung, bis widersacher und neider aus dem vermeintlich respektablen Angriffsflächen heraus­ schälten. Vorweg im cinquecento erwiesen sich die denkräume stiftenden paragone­Argu­ mente einerseits als stereotyp, andererseits waren sie, aller topik zum trotz, in Ver­ änderungen begriffen. wie man, mit heraklit gesagt, nie in denselben Fluss steigt, so trieb fast jeder Autor, der sich auf die Materie einließ, Gedanken weiter, selten jedoch mit einer über das detail hinausreichenden Originalität, geschweige denn mit großem Bedeutungszuwachs. was uns dennoch zu beschäftigen hat, ist die Frage nach der dif­ ferenz oder Konvergenz von Argumenten, bevor sie sich, vor allem durch die Breiten­ wirkung des ›Bestsellers‹ Libro del cortegiano, bald auch international zu jenen schlag­ worten verfestigten, deren nennung genügt haben muss, um den auf Urbanität bedachten Gebildeten zu einer topischen paragone­Konversation anzuhalten, bei der ein neuer, ein gemäßigt­höfischer, nicht selten blutleerer plauderton einzug hielt.89

87 speziell zum wertkriterium in der Kunst ernst h. Gombrich, Die Krise der Kulturgeschichte: Gedanken zum Wertproblem in den Geisteswissenschaften, stuttgart, 1983; dass allein schon die Farben im Quat­ trocento vielfach werthierarchien unterlagen, betonte Baxandall, [1972] 1984, s. 108ff. 88 das erklärt das interesse des Mitbegründers der systemtheorie an Varchis Due lezzioni; s. niklas luh­ mann, Die Ausdifferenzierung des Kunstsystems, wabern­Bern, 1994, s. 14 und s. 56, Anm. 11. 89 Grundlegend Burke, [1995] 1996.

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4. der paragone in der Kunst: »Jede sache hat zwei seiten« der geradezu explosive innovationsschub, den die errungenschaft der Ölmalerei und die erfindung der perspektive nach sich zogen und der das Bild des 15. Jahrhunderts nicht allein im Gedächtnis der nachwelt geformt hat, eröffnete besonders der Malkunst, nicht selten explorativ­experimentell, neuartige Möglichkeiten ihrer Vervollkommnung. davon legten nicht zuletzt die gemalten illusionistischen ›demonstrationsstücke‹ Zeug­ nis ab, mit denen Brunelleschi und leon Battista Alberti schaulustige im Florenz der Frührenaissance, zumindest nach den erhaltenen Beschreibungen geurteilt, in den Bann zogen. selbst wenn kein expliziter Bezug auf die nachbarkunst skulptur gegeben war, bereitete die aus den rückblickenden Berichten zu erschließende Absicht, den Betrachter mit dreidimensionalem schein zu verblüffen,90 etwas vor, das in bildhaften reflexionen zum paragone bald zur vollen entfaltung kommen sollte: das spiel mit sehgewohnhei­ ten, mit Gattungserwartungen. Freilich: primatsansprüche unter Künstlern erwuchsen immer auch wegen des stark umkämpften terrains der Auftragsvergaben, für die manchmal alternativ Maler oder Bildhauer in Frage kamen.91 Für diese soziale realität, die auch in Form von emanzipationsbestrebungen der Künstler in den paragone hinein­ spielte, haben uns vor allem die studien von rossi und warnke den Blick geschärft, nicht immer, ohne Gefahr zu laufen, ein vereinseitigendes widerspiegelungsmodell zu bemühen.92 das Bestreben im bildhaften paragone, überkommene Grenzbestimmun­ gen zwischen den Kunstgattungen anschaulich zu unterlaufen, war vor allem einem neuartigen denken geschuldet, das infolge einer normativen Krise einzug hielt, die die besagten Fortschritte in der Kunst ausgelöst hatten. in einer epoche, in der der Florentiner Gelehrte Matteo palmieri die mangels ehr­ geiz ausgelöste stagnation in der Malerei drastisch als ihren tod (»la pictura morta«)

90 nach Antonio Manetti malte Brunelleschi zwei tafelbilder: eine Ansicht des Baptisteriums und eine des palazzo Vecchio. in ihnen wurde mittels konvergierender linien der eindruck der dreidimensio­ nalität erzeugt; s. Manetti, Vita di Filippo Brunelleschi, s. 57ff., s. 59: »[…] pareva che si vedessi ’l propio vero […]«; mehr dazu Grafton, [2000] 2002, s. 136f. Alberti beschreibt in seiner Autobiografie einige, wie er sie nennt, ›demonstrationen‹ der Malerei, v. a. bestehend aus einem Kästchen mit einer kleinen Öffnung, einem Guckkasten, in dem man die gewaltige natur – Meer und Berge – bewundern konnte. diese waren so, »[…] dass experten wie laien behaupteten, sie sähen nicht gemalte dinge, sondern reale naturerscheinungen«; s. Alberti, Vita anonyma, s. 73: »[…] ut periti imperitique non pictas, sed veras ipsas res naturae intueri decertarent«; die evokation der dreidimensionalität als Ziel vermutet v. a. Grafton, [2000] 2002, s. 126f., s. 131. 91 dazu zuletzt hanke, 2009. 92 warnke, 1985, s. 234ff.; sergio rossi, Dalle botteghe alle Accademie. Realtà sociale e teorie artistiche a Firenze dal XIV, al XVI secolo, Mailand, 1980, s. 82ff.

4. Der Paragone in der Kunst: »Jede Sache hat zwei Seiten«

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beschrieb,93 zielten die auf Überbietung angelegten, für den Betrachter durch einen vi­ suellen code vernehmbaren bildhaften reflexionen über den paragone tendenziell auf höchstleistungen, auf Bahnbrechendes, nie dagewesenes, eben auf Bilderfindungen. Aus diesen innovatorischen präzedenzfällen ergibt sich nicht selten für Kunsthistoriker das problem, dass sie in erster linie allein aus ihrer wirkungsgeschichte heraus begreif­ bar werden. selten stoßen wir jedoch auf schriftbelege, die eindeutig eine resonanz auf eine konkrete herausforderung eines rivalen dokumentieren. wenn wir diesen ganz entscheidenden, nicht wegzudenkenden kommunikativen Aspekt des anschaulichen pa­ ragone hervorheben, dann soll wohlbemerkt nicht der wohlfeile Mythos bedient werden, Maler oder Bildhauer hätten bei Auftragswerken freie hand gehabt. Aber ihre, wer sie so nennen will, ›Meinungskundgaben‹ flossen ganz selbstverständlich in die unter­ schiedlichsten themenkreise ein. während manche paragone­werke bis zu einem ge­ wissen Grad dank ihrer selbstevidenz noch heute eine ungebrochene wirkung auf den Betrachter ausüben – man denke an gemalte Figuren von skulpturaler härte, an das rilievo schiacchiato,94 an Grisaille­ oder Trompe-l’œil­darstellungen –, müssen wir durch­ aus mit Artefakten anderen Zuschnitts rechnen, mit komplizierten ikonografischen schöpfungen, mit Bedeutungszusammenhängen, denen mit der von wölfflin prakti­ zierten geschichtsblinden Methode nicht beizukommen ist. Freilich, der paragone in der Kunst hat viele Gesichter. Für diese haben nicht zuletzt jene studien den Blick vermehrt frei gegeben, die sich dem lange vernachlässigten Aspekt der Materialikonografie an­

93 palmieri sah den Grund für den niedergang der Kunst in der Zufriedenheit mit dem, was die Väter konnten und den fehlenden Ambitionen, die Kunst zu verbessern; s. palmieri, Della vita civile, i, s. 43–44: »Quinci si vede le nobili et bene intese arti da i nostri antichi per più età in modo mancate che sia ver­ gogna a dire che honore o che frutto apparisca d’esse; poi o per gratia o per industria o per elevato et migliore ingegno o per continuata diligentia nascere chi l’arte perduta rilieva; poi, facto maestro inseg­ na et fa discepoli i quali, non perché da loro cerchino, ma perché da optimo maestro imparano, riescono optimi, come, inanzi il rilevare dell’arti, chi da tristi imparava riuscia pessimo. di quinci veggiano inanzi a Giotto la pictura morta […], da lui rilevata et da suoi discepoli mantenuta, et ad altri data, essere divenuta et essere in molti quanto più può dignissima.« der dante­Kommentator Benvenuto da imola bediente sich gegen 1380 der denkfigur mehrerer Vergile, um ex negativo die einmaligkeit von dessen leistung als Garant dauerhaften ruhmes zu erweisen; s. Benevenuto de rambaldis de imola, Comentum super Dantis, Bd. iii, s. 312: »si fuissent plures tempore Virgilii, qui scripsissent de eadem materia vel simili eo, vel aeque bene, fama eius non durasset jam per tota secula in alto apice.« 94 Grundlegend luba Freedman, »›rilievo‹ as an Artistic term in renaissance Art theory«, in: Rinascimento, 29, 1989, s. 217–247. dem relief sagte schon Burckhardt ein denkbares Konkurrenzverhältnis zur Malerei nach; s. Jacob Burckhardt, Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens, stuttgart, [1856] 1986, s. 554: »das relief aber mußte dem realismus bleibend zum Opfer fallen. sollte es in darstellung der Breite des lebens mit der Malerei konkurrieren, so war kein anderer Aus­ weg: es würde zum Gemälde in stein und erz.«

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nahmen.95 im rahmen dieser studie kann der Fokus nicht auf alle diese Ausfächerun­ gen gerichtet sein. so vermessen ist der Anspruch dieses streiflichtes nicht, das allerdings sehr wohl exemplarisch grundlegende paragone­Aspekte auch in der Kunst des Quat­ trocento auszuleuchten sucht. wer in diesem Buch eine Katalogisierung von Kunstwerken erwartet, die den para­ gone­disput reflektieren, wird enttäuscht werden. eine solche Faktenhuberei wurde bewusst vermieden, und nichts anderes wäre ein solches Unterfangen im hinblick auf eine epoche, die so massiv von agonalem Geist durchdrungen war, dass die Grenzen dessen kaum absehbar wären.96 der schwerpunkt im zweiten teil unseres Buches liegt vielmehr auf einer Auswahl signifikanter Bildbeispiele. es sind zwei hauptwerke des paragone. es geht an hand ihrer geistesgeschichtlichen Verortung darum, im konkreten einzelfall die entstehungsbedingungen deutlich werden zu lassen. Fragen der Material­ ästhetik, konkurrierende themengleiche werke kommen bei anschaulichen paragone­ reflexionen ebenso ins spiel wie Bildformen, denen eine zweiteilige struktur einverleibt ist. das will erläutert sein: Mit dieser dichotomie ist die grundsätzliche disposition zur inszenierung dessen vorhanden, was dem paragone wesenseigen ist: seine Ambivalenz, die sich im disput in einem Kräftespiel zwischen kontroversen positionen zeigt, im Kunstwerk in einem zwischen gattungsspezifischen Konventionen. es ist eben dieses charakteristikum, das der florentische dichter Anton Francesco doni 1549 in seinem dialog Disegno durchschaute, als er dem Bildhauer ›Silvio‹ eine vom stoischen schulphi­ losophen epiktet abhängige sentenz in den Mund legte, mit der dieser den Kunstrang­ streit resümiert: »Ogni ritto [sc. diritto] ha il suo rovescio«, sinngemäß: »Jede sache hat zwei seiten«.97

95 Allgemein zur Materialikonografie thomas raff, Die Sprache der Materialien. Anleitung zu einer Ikonologie der Werkstoffe (Kunstwissenschaftliche studien 61), München, 1994; noberto Gramaccini, »iko­ nologie der Bronze im Mittelalter«, in: Städel-Jahrbuch, n. F., 11, 1987, s. 147–170; zur Bronze, unter Betonung ihrer Farbigkeit – sie kann daher mit Malerei konkurrieren – edgar lein, Ars aeraria. Die Kunst des Bronzegießens und die Bedeutung von Bronze in der florentinischen Renaissance, Mainz, 2004, s. 51ff und – unter dem Aspekt der ›Verlebendigung‹ durch den Guss – Michael cole, »cellini’s Blood«, in: ArtBull, 81, 1999, s. 215–235; über porphyr suzanne B. Butters, The Triumph of Vulcan. Sculptors’ Tools, Porphyry, and the Prince in Ducal Florenze (Villa i tatti. the harvard University center for ital­ ian renaissance studies 14), 2 Bde., Florenz, 1996. 96 die Abgrenzung von Forschern, die den ›paragone im Bild‹ nur als eine bestimmte lesart von werken betrachten, ist beabsichtigt. 97 doni, Disegno, cap. 2, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 577; eine Variante des diktums wenige Jahre später in doni, La Zucca, s. 17: »Ogni dritto al suo rovescio«; vgl. auch sinngemäß Francesco da sangal­ lo im paragone­Brief an Varchi, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 509: »[…] ogni cosa ha in sé due con­ trari […]«; und zeitlich früher petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 58 (»della mala ricolta dell’anno«), Bd. ii, s. 209: »Ogni cosa si conosce per comparazione del suo contrario.« in epik­ tets Vorgabe begegnet die mehr metaphorische wendung, dass eine jede sache zwei henkel habe; vgl.

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Mehr noch als bei der maßgeblich von pisanello auf den weg gebrachten, von hand zu hand gehenden neuen Kunst­ form der Medaille, die sich erst infolge von schers Monografie nachhaltig im Blick­ feld tiefergehender Forschungsinteressen behaupten sollte,98 geben sich, so wie auf einer rückseitenbemalung von Jacometto Veneziano (Abb. 5), auf einer stattlichen Anzahl recht kleinformatiger, doppelsei­ tig bemalter porträttafeln der renaissance verschiedene Kunstgattungen: Malerei, skulptur und wortkunst, ein ›stelldich­ ein‹,99 eben diejenigen artes, die im para­ gone bevorzugt verhandelt wurden. dül­ berg prägte für diese doppelseitigen Bildnistafeln den Begriff ›privatporträts‹, um ihrer Bestimmung für die rein private sphäre referenz zu erweisen.100 Mit dem pinsel entworfene Marmor­ oder Metall­ imitationen, Gedichtzeilen, Aphorismen 5. Jacometto Veneziano, rückseite von: Bildnis des Alvise Contarini (?): Rehbock, ca. 1490, new York, Metropolitan und Motti, die eine Gemäldetafel schmü­ Museum of Art cken, – solche ›Übergriffe‹ auf die nach­ barkünste durchkreuzten freilich die Am­ bitionen von Bildhauern und dichtern, die meinten, Besitzansprüche auf ihre Kunstart anmelden zu können. Augenscheinlich umweht diese Malwerke das Flair einer altra scultura oder auch altra poesia. willkürlich ist eine solche Betrachtungsweise doppelsei­ tig bemalter Bildtafeln schon deshalb nicht, weil sie an ältere erkenntnisse anknüpfen kann. Vor allem die Beobachtung, die holderbaum 1956 in einem vielzitierten Aufsatz traf, hat nichts an ihrer Bedeutung verloren. wenn der Maler Bronzino, kaum war sein epiktet, Handbuch der Moral, 43. der humanist poliziano übersetzte epiktets Buch, dessen editio princeps 1497 in Bologna erschien (Epitecti Stoici Enchiridion), ins lateinische. 98 The Currency of Fame. Portrait Medals of the Renaissance, hrsg. v. stephen K. scher, new York, 1994; daran anknüpfend, auch zur Forschungsgeschichte, Ulrich pfisterer, Lysippus und seine Freunde. Liebesgaben und Gedächtnis im Rom der Renaissance oder: Das erste Jahrhundert der Medaille, Berlin, 2008. 99 Angelica dülberg, Privatporträts. Geschichte und Ikonologie einer Gattung im 15. und 16. Jahrhundert, Berlin, 1990, Kat.­nr. 183, Abb. 75–78; die eingehende Analyse der porträt­rückseite, die Jacometto im ausgehenden Quattrocento bemalte, in cap. Vii.3.3. 100 ebenda, grundlegend für das Genre; wichtig dazu auch lina Bolzoni, Il cuore di cristallo. Ragionamenti d’amore, poesia e ritratto nel Rinascimento, turin, 2010, s. 232ff.

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6a. Agnolo Bronzino, Der Zwerg Morgante, vor 1553, Florenz, Galleria degli Uffizi

6b. Agnolo Bronzino, rückseite von: Der Zwerg Morgante, vor 1553, Florenz, Galleria degli Uffizi

paragone­Brief an Varchi verfasst, zwei Ansichten, die Vorder­ und die rückenansicht, von Morgante, dem hofzwerg der Medici (Abb. 6a und b), auf zwei seiten einer lein­ wand verteilte, dann sicherlich, um die leistungsfähigkeit seiner Malerei im Verhältnis zu einer umschreitbaren statue zu erproben. schließlich hat Morgante auch einigen Bildhauern seiner Zeit, genauer Valerio cioli und Giovanni Bologna, Modell gestanden; letzterer übte sich in seinen statuen zudem im manieristischen ideal der figura serpentinata.101 ein berühmter Zeitzeuge, Giorgio Vasari, bestätigt bezüglich einer beidseitig 101 James holderbaum, »A Bronze by Giovanni da Bologna and a painting by Bronzino«, BurlMag, 98, 1956, s. 439–445; mehr zu Bronzinos Morgante mit weiterführender literatur in cap. Vii.4.2; zu Bronzinos Brief an Varchi – in ihm hat er das Argument der Bildhauer über den Vorzug der rundan­ sichtigkeit ihrer werke referiert, s. Scritti d’arte, 1971–1977, s. 499–503, s. 500f.: »[…] dovendo farsi dagli scultori quasi sempre le statue tonde […], bisogna aver sommo riguardo che stiano bene per tutte le vedute […].« M. e. reagierte Bronzino auf die Malerei­Kritik des Bildhauers Francesco da sangallo. dieser führte das Beispiel eines von vorn gemalten nackten an, über dessen rückenansicht (»di dirieto«) ein Maler nicht nachdenken müsse; s. Scritti d’arte, 1971–1977, s. 510: »[…] quello

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7a–b. Bartolommeo Meliori, Medaille der Chiara Gonzaga, ca. 1496, washington, national Gallery of Art

bemalten schiefertafel von daniele da Volterra die direkte Verflechtung mit der parago­ ne­Frage. sie zeigt den Kampf von David gegen Goliath aus zwei Blickwinkeln. der Auf­ traggeber habe den paragone in der Konfrontation mit einem Vergleichsstück aus der plastik zu klären gehofft.102 sollte ein Genre der Malkunst den beiden genannten Kurio­ sa eine Grundlage geschaffen haben, dann sind es die im 15. Jahrhundert populären pittore che fa il suo ignudo li verrà bene fare in faccia, e così non ha mai a pensare alle parte […] di dirieto.« den Zusammenhang zwischen dem paragone und dem manieristischen Figurenideal der figura serpentinata, das durch die extrem spiralförmige Körperwindung viele befriedigende Ansichten schafft, verdeutlichte maßgeblich summers, 1981, s. 80–83, s. 411–414 und passim; dass die position von summers, Michelangelo sei ihr erfinder gewesen, heute umstritten ist, schmälert nicht den in­ struktiven wert seiner darlegungen. 102 Als der Kleriker und dichter Giovanni della casa gegen 1550 den plan eines Malereitraktates mit der erörterung der paragone­Frage fasste, habe er – so Vasari – von daniele da Volterra eine darstellung des David­Goliath­themas in zwei Medien gewünscht: in einer tonplastik und in einem Gemälde; s. Vasari, Le vite, cap. ›daniele da Volterra‹, Bd. Vii, s. 61: »Avendo monsignor messer Giovanni della casa, fiorentino ed uomo dottissimo […] cominciato a scrivere un trattato delle cose di pittura, e volendo chiarirsi d’alcune minuzie e particolari dagli uomini della professione, fece fare a daniello, con tutta quella diligenza che fu possibile, il modello d’un davit di terra finito; e dopo gli fece dipig­ nere, o vero ritrarre in un quadro, il medesimo davit, che è bellissimo, da tutte due le dande, cioè il dinanzi ed il di dietro, che fu cosa capricciosa […]«; das Gemälde, heute im louvre, ist erhalten; s. lars O. larsson, Von allen Seiten gleich schön. Studien zum Begriff der Vielansichtigkeit in der europäischen Plastik von der Renaissance bis zum Klassizismus, stockholm, 1974, s. 57, Abb. 63–64; vgl. hendler, 2013, s. 176f.; als paragone­Bild früh erkannt von schlosser, [1924] 1985, s. 203–204.

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I. Einleitung

rückseitenbemalungen der ›privatporträts‹, die als neue spielweise des autonomen por­ träts ihren reiz durch ein Mehr an charakterisierung eines individuums entfalteten. wie bereits pope­hennessy hellsichtig erahnte, lieferten dem wiederum die Medailleure des 15. Jahrhunderts oder gar antike Münzmeister die Grundlagen.103 leicht transparent werden diese Zusammenhänge am Beispiel von Bartolommeo Melioris Medaille der Chiara Gonzaga (Abb. 7a und b). Umrahmt von einem wappen oder von Goldschmie­ dezeichen, zeigt deren revers eine Art schematisierten bozzetto einer Frauenbüste. es ist augenscheinlich der Umriss der person, deren spiegelverkehrtes Konterfei umseitig prä­ zise ausgearbeitet worden ist. Keine Frage: vorliegend ist ein durch Mehransicht ermög­ lichtes spiel mit der varietas.104 Um so erstaunlicher ist es, wenn dülberg in ihrer über­ aus verdienstvollen sichtung der ›privatporträts‹ meint, die erwähnung von Bronzinos Morgante als exkurs entschuldigen zu müssen, der »nicht in den Kontext der Arbeit« gehöre. diese Behauptung entbehrt zwar einerseits wegen der abweichenden Größendi­ mension und des ostentativen charakters der tafel nicht einer Grundlage.105 Anderer­ seits wird die Möglichkeit von vergleichbaren wirkungsintentionen der doppelseitigkeit überhaupt nicht erwogen – meines erachtens in gründlicher Verkennung des agonalen Grundzuges einer Vielzahl an ›privatporträts‹, die kaum versehentlich dort, wo sie in­ schriften oder kleinfigurige szenen aufweisen, die nahbetrachtung wie bei einem Buch verlangen. die Frage nach dem sinn und Zweck der rückseitenbemalungen hat bis heute keine befriedigende Beantwortung erfahren. weder überzeugt die in der älteren literatur vereinzelt vertretene these, rückseitenmarmorierungen hätten vordringlich als schutzmaßnahme für die Bildtafeln gedient, ganz unabhängig von der ikonogra­ fischen nähe dieser Zierden zu den sogenannten coperti, den schiebe­ oder Klapp­ deckeln, zur Abdeckung von porträts (aber auch zu ihrer substanziellen Bereicherung);106

103 leider hat pope­hennessy diese these nicht weiter entfaltet; s. John pope­hennessy, The Portrait in the Renaissance (the A. w. Mellon lectures in the Fine Arts 12), london und new York, 1966, s. 209. 104 (washington, national Gallery of Art, samuel h. Kress collection, inv.­nr. 1957.14.662); die origi­ nelle Medaille wurde zu Unrecht im Kontext des paragone nicht beachtet; nähere Angaben zu ihr John Graham pollard, Renaissance Medals. The Collections of the National Gallery of Art Systematic Catalogue, 2 Bde., washington, 2007, Bd. i, s. 127, nr. 108; George F. hill, A Corpus of the Italian Medals of the Renaissance before Cellini, 2 Bde., london, 1930, nr. 197. 105 Vgl. dülberg, 1990, s. 166. Mit 150 x 100 cm ist das Gemälde recht groß; auch die leinwand als Bildträger verträgt sind nicht mit der tradition der ›privatporträts‹. 106 Vgl. ebenda, s. 14, s. 25. Mit recht hat dülberg die porträtdeckel in ihrer studie gemeinsam mit den rückseitenbemalungen katalogisiert; s. ebenda, s. 45ff. (auch zu ihrer schützenden Funktion). Ohne eine Grundlage ist die Unterstellung, coperti würden originär als schutzvorkehrung dienen, nicht. so zeigt sich der Bildhauer als Unterredner in donis Disegno­dialog belustigt über diese Vorkehrungen, mit denen die Maler ihre werke vergebens gegen den Zahn der Zeit zu wappnen suchten: »Ancor con brevità si spegne la pittura, sia di che sorte si voglia, o a tempera o a olio. prima il legname, e sia stag­ ionato a sua posta, in poche età divien polvere. il gesso e la mastice data con composti, per molti ac­

4. Der Paragone in der Kunst: »Jede Sache hat zwei Seiten«

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noch hilft eine Behauptung weiter, die der niederländische Kunstschriftsteller Karel Van Mander 1604 von sich gab. ihr tautologischer Zug ist nicht verleugnen, wenn er die beidseitige Ausgestaltung der Gemälde Joos van cleefs wie folgt erklärt: »damit man«, wie dieser Maler gesagt habe, »auch etwas sehen könne, wenn sie umgekehrt ständen«.107 was unterscheidet den paragone, wie er sich in schriftzeugnissen ausnimmt, grund­ sätzlich von demjenigen in Bildzeugnissen? Gäbe es – bei aller pauschalisierung – die Möglichkeit, das unterschiedliche erscheinungsbild schlagwortartig auf den punkt zu bringen, so hieße die Quintessenz: Abgrenzung versus Angleichung. tatsächlich gehört es zu den paradoxien des bildhaften paragone, dass die Gegensätze zwischen den Kunst­ gattungen, wo sie im werk reflektiert werden, statt in deutlicher Verschärfung, meist gemildert zutage treten. die Ursache dieses phänomens liegt im ehrgeiz der Virtuosen, möglichst umfassend die Qualitäten ihrer Bezugsgröße, d. h. der Konkurrenz­Gattung, im eigenen werk aufgehen zu lassen, kurz: sie mit dünkeln für sich selbst zu erobern.108 es bedarf keiner weiteren erläuterung, dass im Gegensatz dazu die paragone­diskurse der Kunstliteratur auf das herausstellen divergierender, ja polarisierender wertigkeiten aus waren.

cidenti si variano e spengonsi. se tu gli tieni rinchiusi e coperti, la sottil polvere, che penetra per tutto, et i fumi gli spengono; [...]«, s. doni, Disegno, iii, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 582. 107 Karel Van Mander, Schilder-Boeck, iii, Bd. i, s. 210: »hy beschilderde zjjn penneelen van achter, op datmen (seyde hy) alsse omgekeert stonden, ebenwel wat sien soude.« – Aus der Antike gibt es sowohl Zeugnisse für die Bedeutung der rückenansicht als auch für deren Bedeutungslosigkeit. letztere behauptet staton (AP, Xii, nr. 223, Bd. iii, s. 174, Üs: dietrich ebener): »wenn mir ein Junge be­ gegnet, genügt mir sein reizendes Antlitz; / ging er vorüber an mir, schaue ich nicht hinterher. / derart betrachten von vorn wir die Götterbilder und tempel, / widmen der hinteren Front keinerlei spähenden Blick.« 108 Vor diesem hintergrund erweist sich eine these, die pope­hennessy einst geäußert hat, als nicht haltbar, so anregend sie auch ist: Angesichts der vielen Grenzüberschreitungen zwischen der Malerei und der skulptur im Quattrocento, woraus Mixturen von Gattungen entstanden, für die der Autor die Bezeichnung gattungsmäßiges »niemandsland« bereithält, behauptete er Folgendes: es sei »histo­ rically, absolutely wrong«, dass Maler und Bildhauer überhaupt interesse an der Abgrenzung ihrer Medien voneinander gehabt hätten. dieses erklärungsmuster rühre allein von der Unsicherheit der Forschung. entsprechend zynisch fällt daher kein Kommentar aus: »to scholars the existence of this no­man’s­land is just a little bit embarrassing. the really heavy­weight scholars have a solution for it; they simply leave it out. works which lack a third dimension, they say to themselves, are paintings, and works which are recessive are sculptures; and if in some unaccountable fashion the two categories merge in something which looks extremely like a painting but must logically be a sculpture, the best thing is to shut one’s eyes and pretend that the horrible phenomenon has not occurred«; s. John pope­ hennessy, »the interaction of painting and sculpture in Florence in the Fifteenth century«, in: Journal of the Royal Society for the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce, 117, nr. 5154, 1969, s. 406–424, s. 406.

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I. Einleitung

5. der paragone als ›identitätsgenerator‹ »[…] emulorum iurgiis respondendum […]« petrarca, De sui ipsius et multorum ignorantia, i

»sic sum sic non sum.« Vitalis von Blois, Geta, v. 409

Mehr als ein Jahrhundert, bevor Varchi der deutungshoheit von Malern und Bildhau­ ern in der sache zu gesteigerter offizieller Aufmerksamkeit mit seiner enquête verhalf, erhielt der paragone seine Zuspitzung in dem Augenblick, da diese, somit artifices docti, selbst zur Feder griffen, um argumentativ die würde ihrer Kunst zu erstreiten. Gerüchte über theoretisierende antike Maler­ und Bildhauer­Koryphäen ermunterten sie dazu nachhaltig.109 Bei all dem bleibt es trotz gemeinsamer Anliegen bezeichnend, dass es zwischen Malern und Bildhauern eben nicht zu einem schulterschluss kam, sondern zu 109 Große Aufmerksamkeit fanden beispielsweise nachrichten über polyklet und seinen ›Kanon‹. so sprach der humanist Giovanni Gherardi aus prato, ein dozent am Studio Fiorentino, im ersten drit­ tel des Quattrocento vom »dotto policreto« (Gherardi da prato, Il Paradiso degli Alberti, i, 103, s. 23; vgl. pfisterer, 2002, s. 569, nr. 25); zu den sachlichen Grundlagen des ›Kanon‹ hanna philipp, Tektonon Daidala. Der bildende Künsler und sein Werk im vorplatonischen Schrifttum (Quellen und schrif­ ten zur bildenden Kunst 2), Berlin, 1968, s. 45f. und Frank Zöllner, »›policretior manu‹ – zum poly­ kletbild der frühen neuzeit«, in: Polyklet. Der Bildhauer der griechischen Klassik, Ausstellungskatalog (Frankfurt a. M., liebieghaus, 17.10.1990–20.01.1991), Frankfurt a. M., 1990, s. 450–472; vgl. pfi­ sterer, 2002, s. 561ff., passim. – plinius (NH, XXXV, 111) schürte nicht ohne echo das Gerücht über einen traktat des Apelles: s. Filarete, Trattato, XiX, Bd. ii, s. 582: »Appelle ancora dice che lui scrisse a pelleo di pittura« und raffaele Maffei, Commentariorum, s. 300: »Apelles cous pictor olymp. cXii. facile omnes superavit: voluminibus editis, quae doctrinam eam contineret.« – dem irrtum aufsit­ zend, dass phidias der Verfasser kunsttheoretischer Kommentare sei, betrachtete Ghiberti ihn als inspirator für seine eigenen; s. Ghiberti, I commentarii, i, 2.9., s. 49: »Fidias, d’ingegno mirabile, edificò in Grecia magnificamente la casa di palas, e nobilemente ornata fu d’istorie […], e dice che esso ne fece ne suoi comentarii memoria e di molti altri edificii che per lui furono edificati […]«; vgl. Bergdolt über die Commentarii­tradition in Ghiberti, I commentarii, III, s. XXiiiff.; die Konsequen­ zen für Ghibertis selbstbild in christiane J. hessler, »›concurrunt clipeis‹. Ghibertis spätes selbst­ bildnis und Brunelleschis Grabmemoria im Florentiner dom. ein nachtrag zu den erzrivalen des Quattrocento«, in: Im Agon der Künste, 2007, s. 50–114, s. 89ff. – M. e. unterschätzt sind die Anre­ gungen des Vitenschreibers diogenes laertius. er besaß im 15. Jahrhundert eine schlüsselrolle in der Vermittlung theoretisierender leitbilder. dank ihm konnten sich federführende Künstler in den spu­ ren weltbekannter philosophen wähnen. duris, theophanes und der Maler Melanthios, ein Zeitge­ nosse des Apelles, wurden als Verfasser je einer schrift Über Malerei präsentiert (diogenes laertius, Leben, cap. ›thales‹, i, 38, s. 52; cap. ›Aristipp‹, ii, 104, s. 104; cap. ›polemon‹, iV, 18, s. 196); auch platon (ebenda, cap. ›platon‹, iii, 5) habe sich mit der Malerei beschäftigt, heißt es; theophrast (cap. ›theophrast‹, V, 43) gilt als Autor von Abhandlungen über Bilder, über Farben und Fleisch, wie auch über Gerinnungs­ und schmelzprozesse (V, 45), Kleanthes als Verfasser eines Buches Über Bronze wie Über die Giganten (ebenda, cap. ›Zenon‹, Vii, 14, s. 302; cap. ›Kleanthes‹, Vii, 175, s. 360); unter

5. Der Paragone als ›Identitätsgenerator‹

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einem wetteifernden, die ›demarkationslinien‹ zwischen den Künsten aufzeigenden Gegeneinander. es gehört zu den nicht wenigen Merkwürdigkeiten der bisherigen For­ schungsbeiträge zum paragone, dass der so eng mit dem ringen um Anerkennung des beruflichen selbst verwobene Begriff identität in ihnen nicht fällt oder, zeitweilig ver­ drängt durch das in den 70er Jahren aufkommende paradigma der kollektiven struktu­ ren, den Anschein einer Beiläufigkeit zugespielt bekommt, ganz abseits der Burckhardt­ schen Vorstellung vom renaissance­individuum. dabei erwies sich der Kunstrangstreit, dem wie jedem anderen streit trennendes zwischen verschiedenen parteien zugrunde lag, für bildende Künstler der postmittelalterlichen Zeit als ›identitätsgenerator‹, nach­ dem das selbstverständnis des Künstlers als devoter Übermittler christlicher Glaubens­ wahrheiten seine Geltung zunehmend zugunsten des Bewusstseins vom erfolg des eigenen individuellen tuns eingebüßt hatte. im paragone kam die tatsache zur vollen entfaltung, dass sich niemand frei, sondern gegen etwas erfindet, gegen etwas, dessen präsenz sich als mächtig genug darstellt, sonst gäbe es zu dieser erfindung wenig Anlass. die frühen humanisten mit ihren invektiven, die das Contra meist im titel führten,110 befleißigten sich dieser unverzichtbaren strategie der identitätsfindung ebenso wie bil­ dende Künstler, die durch Kritik am Gegenüber immer auch, ja ganz vordringlich, sich selbst entwarfen. nach zentralen erkenntnissen der sozialpsychologie vermag sich der Kritisierte wiederum nicht gänzlich der – wie sie es treffend nennt – ›definitionsmacht‹ des Anderen bei der Formierung seines selbst zu entziehen.111 Bloom sprach im ver­ gleichbaren Zusammenhang des nie wirklich autarken, aber um Abgrenzung bemühten

den werken von Aristipp (cap. ›Aristipp‹, ii, 84, s. 125) wird der titel Über die Statue genannt und unter denen von Kriton (cap. ›Kriton‹, ii, 121, s. 140) Über die Künste. 110 Zur Gattung der invectio, die ihre literarische weihe von petrarca (v. a. durch seine Invective contra medicum) erhalten hatte, zählen im Quattrocento beispielsweise Fiano, Contra ridiculos oblocutores (indirekt eine Verteidigung der poesie), cino rinuccini, Contro calumniatori di Dante, Petrarca, Boccaccio (Ms. laur. 90, sup. 63 u. 135) und besonders einige provokative Gedichte von leonardos Freund, dem dichter Giovanni Bellincioni; s. Bellincioni, Le rime, Bd. i, s. 45, nr. 17; s. 51, nr. 24; s. 55, nr. 27 (»cOntrO A MAl dicitOri«); s. 131, nr. 90; s. 133, nr. 92 (»cOntrO QUel­ li che hAnnO BUOne pArOle e in eFFettO sOnO AltriMenti«); s. 134, nr. 93 (»cOntrO A’ siMUlAtOri«); s. 136, nr. 94 (»cOntrO Gl’ inVidi e MAldicenti«); s. 186, nr. 135 (»cOntrO UnO pOetA di FArse che BiAsiMAVA i sOnetti del BellinciOne«); s. 190, nr. 138 (»cOntrA Un MAldicente«). 111 Vgl. erwin Goffman, Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation, [engl. orig. new York, 1967] Frankfurt a. M., 1986, s. 93ff. und passim. Goffman beschreibt dies als prozess der Ver­ vollständigung des selbst; zur ›definitionsmacht‹ bezüglich abträglicher sozialer definitionen heinz Abels, Identität, wiesbaden, 2006, s. 352–356 und peter von Moos, »persönliche identität und iden­ tifikation vor der Moderne. Zum wechselspiel von sozialer Zuschreibung und selbstbeschreibung«, in: Unverwechselbarkeit. Persönliche Identität und Identifikation in der vormodernen Gesellschaft, hrsg. v. peter von Moos, weimar und wien, 2004, s. 1–42.

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Kunstschaffenden von ›einflussangst‹.112 Vor diesem hintergrund nimmt es nicht wun­ der, wenn der paragone vor allem in der phase seines erstehens im Gegensatz zu den meisten wortgefechten nicht zwingend auf die Überredung des Gegners abzielt – und das ist ein wichtiger punkt –, sondern zwecks hierarchiebildung auf die Mitteilung selbstbehauptender prätentionen, die auf Kosten des Gegenübers formuliert werden. Für die Bedeutung der identitätsfrage ist nicht zuletzt der Fall leonardo erhellend. wir meinen zu wissen, was sein paragone ist, und doch tritt in bewusster distanz zu ihm etwas nicht selbstverständliches zutage: seine nachweislich perfektionistisch betriebene Malkunst, sie bedeutete ihm viel, in jedes einzelne werk hat er seine ganze Kraft hinein­ gelegt,113 und doch zog leonardo in der Parte prima gegen die nachbarkünste nicht etwa unter Berufung auf seine eigenen Gemälde oder seine persönliche Virtuosität als Maler ins Feld. es waren vielmehr die Qualitäten der Malerei an sich, die er weidlich, mit eloquenz, herauszustellen bemüht war. Anders formuliert: es ist – und damit wider­ spreche ich lee dezidiert – die größere sphäre als die rein individuelle, die im paragone verhandelt wird.114 Und nichts verrät uns, warum dies so ist. nun aber die Frage: sollte leonardo im paragone einer nur von außen auferlegten rollenzuweisung, einer sozialen Zuschreibung, entsprochen haben, mit der er die summe der von Malern generell erwar­ teten haltungen wiedergab? wieso mied er weitestgehend seine ganz persönliche per­ spektive und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, den expliziten rekurs auf seine eigenen erfahrungen? Zweifellos überlagerte die themenspezifische topik die intellektuelle Auto­ nomie leonardos, und augenscheinlich differenzierte er zwischen Kunsttheorie und ­praxis. Aber niemand wird ernsthaft behaupten wollen, leonardos selbstbild und iden­ tität schlüge sich nicht in seinem paragone nieder. wie näheres hinsehen zeigt, beruhen die skizzierten irritationen primär auf einer Verwechslung: auf der von personaler mit beruflich­sozialer identität; und letztere ist es, die zum tragen kam, die ein wir­Gefühl deshalb entstehen ließ, weil sich der einzelne als träger berufsspezifischer Konventionen 112 harold Bloom, Einflußangst. Eine Theorie der Dichtung, [engl. orig. Oxford, 1973] Frankfurt a. M., 1995. 113 Zahlreich sind die zeitgenössischen Quellen zu leonardos pedanterie und perfektionismus bei der Ausführung seiner Gemälde; s. zum Beispiel den Brief des Florentiners pietro de nuvolaria vom 4. April 1501 an isabella d’este (AsM), in dem das topische profil des allzu akribisch malenden proto­ genes auf leonardo gemünzt wird: »insumma li suoi esperimenti matematici l’hanno distratto tanto dal dipingere che non può patire il pennello«; zitiert nach luca Beltrami, Documenti e memorie riguardanti la vita e le opere di Leonardo da Vinci [...], Mailand, 1919, s. 66, nr. 108. 114 leichtfertig die Behauptung von lee, 1940, s. 250: »[…] in the ›paragone‹ he [leonardo] appears […] as the sincere and ardent champion of the art of painting.« der Bezug auf die größere ebene wiederholt sich in lomazzos Libro dei sogni, in dem leonardo als einer der sprechfiguren agiert: in den meisten passagen über die Künste beruft sich ›Leonardo‹ auf eigene werke, in jenen über den paragone hingegen allein auf den allgemeinen standpunkt der Maler oder der Bildhauer; s. lomazzo, Libro dei sogni, cap. 5, s. 94–95; eingehender zu diesem paragone­Abschnitt hessler, 2002, s. 82–97, s. 82ff.

5. Der Paragone als ›Identitätsgenerator‹

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begriff. das zeigt sich in hohem Maße in der Kunsttheorie: Alberti und Ghiberti unter­ strichen mit ihrem sprecherstandpunkt mehr als nur ihre sachkompetenz: Alberti mit dem Bekenntnis in De pictura, dass er »als Maler« spreche; und mutatis mutandis mach­ te auch Ghiberti in seiner Autobiografie – es ist die erste überlieferte eines bildenden Künstlers (!) –, keinen hehl aus dem, was die Grundlage seines auktorialen Blickes bil­ det, sein dasein als Bildhauer. Zwischen den Zeilen konnte genauer noch vernommen werden, dass er speziell den standpunkt als Bronzebildner einnahm. tatsächlich verging ein Jahrhundert, bis sich mit Baccio Bandinelli erstmals ein Marmorbildner der Frühen neuzeit als traktatschreiber über die Künste betätigte.115 im Genre der Ricordi, in denen manche bildende Künstler im Quattrocento Buch führten über ihre Aufträge und Aus­ gaben, begegnet dieses gattungsorientierte Bewusstsein nicht minder. so ergriff der Florentiner neri di Bicci in seinen Ricordanze (sie erfassen die phase von 1453 bis 1475) jede Gelegenheit, um sich selbst als »dipintore« auszuweisen; seine worte waren auf seine Kunstart gemünzt.116 Unterschriften, die Maler und Bildhauer unter ihre Briefe setzten, dürften Vergleichbares spiegeln, so wenig sich ihnen je eine sichtende studie angenom­ men hat; Künstlerinschriften und ­signaturen war seit jeher ein vielfaches Mehr an Auf­

115 Zu Bandinelli als traktatschreiber waldman, 2004, s. 895f.; ein eindeutiges Bekenntnis zu seinem standpunkt als Maler in Alberti, De pictura, i, 1, s. 194: »[...] sed veluti pictorem hisce de rebus lo­ qui.« Anders in dem an leonello d’ este adressierten Vorwort von Alberti, De equo animante, 1981, s. 42, wo Alberti sich als Genießer unterschiedslos zu seinem Vergnügen an beiden figurativen Kün­ sten bekennt: »me, quod pingendo fingendoque nonnihil delecter«. Ghiberti, I commentarii, i, 8.11., s. 73: »[…] parlo come scultore […].« Unklar bleibt, ob solche Bekenntnisse auch in dem heute ver­ lorenen Malereitraktat des oberitalienischen Malers Vincenzio Foppa enthalten waren, von dem lo­ mazzo mehrfach berichtet (s. lomazzo, Idea, cap. 3, Bd. i, s. 258: »Vincezo Foppa, che scrisse delle quadrature de’ membri del corpo umano e del cavallo […]«); vgl. derselbe, Trattato, iii, cap. 22, Bd. ii, s. 240. 116 neri di Bicci, Ricordanze, s. 1: »Questo libro è di neri di Bicci di lorenzo Bicci dipintore [...]«; und »[...] in sul quale farò richordo d’ogni lavoro della mia arte«; und s. 5: »[...] io neri di Bicci dipintore«. – Ricordi hinterließen auch die Maler Alessio Baldovinetti, domenico Ghirlandaio und Mantegnas lehrer Francesco squarcione, nicht zu vergessen Bildhauer wie lorenzo und Vittorio Ghiberti. Bal­ dovinetti verzichtete in seinen Aufzeichnungen (v. 1449–1473) auf die Betonung seiner Berufsbe­ zeichnung; s. Baldivinetti, I ricordi, s. 7; squarciones erinnerungen sind heute verloren, aber der pa­ duaner historiker Bernardo scardeone gab in der stadtgeschichte paduas, De antiquitate urbis Patavii [Basel, 1560], einblicke in squarciones »libretto«, in dem dieser, wie es heißt, Vergnügen zeigte, an die nachwelt erkenntnisse in der Kunstart weiterzugeben, »in cui era esperto«; s. scardeone, De antiquitate urbis Patavii Pictorum gymnasiasiarcha singularis, s. 370; das Ausgabenbuch von lorenzo Ghi­ berti, 1441 begonnen, wurde nach seinem tod von seinem sohn Vittorio fortgesetzt; s. Ghiberti, Libro di ricordanze; der Goldschmied Maso di Bartolommeo beginnt sein werk (prato, Biblioteca roncioniana, codex 388, r­V­14) – es fällt in die Jahre 1447–1455 – mit den worten: »Questo libro è di Maso di Bartolommeo intagliatore«; s. Maso di Bartolommeo, Ricordi, s. 49–88.

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I. Einleitung

merksamkeit vergönnt, von selbstbildnissen der Virtuosen zunächst einmal ganz zu schweigen.117 die Besinnung auf die identität zog Blockbildungen von Malern und Bildhauern nach sich, und in beiden ›lagern‹ trieb der Blick auf das jeweilige Gegenüber zu re­ aktionen, deren Gestalt aus dem willen zur prononcierten Abgrenzung voneinander verständlich wird. das ergebnis waren geradezu symmetrische Züge des paragone­Kon­ fliktes: Maler und Bildhauer präsentierten sich oft in erstaunlich spiegelbildlicher weise. dabei zeigt sich ein Auseinanderklaffen von beruflichen selbst­ und Fremdbezeichnun­ gen. Koselleck, der allgemein in dieser diskrepanz nicht nur den indikator, sondern auch einen Faktor sozialer Gruppen erkannte, sprach von »asymmetrischen Gegenbe­ griffen«.118 so mochten sich dichter angesprochen fühlen, als leonardo sie wegen der Universalität ihrer stoffe als Zusammenflicker verschiedener Künste ohne eigenen Be­ reich (»ragunatore de mercanzie fatte da diversi artigiani«) abtat, aber ihrem selbstbild entsprach dies zweifellos nicht.119 Aber darum ging es: um die Frage des eigenen residu­ ums. Mit der Auslotung dessen, was die Malerei, die Bildhauerkunst, die dichtung und die Musik verbindet und was sie trennt, bot der paragone nicht alleine aber maßgeblich das Fundament für die moderne Ästhetik. eine Geschichtsträchtigkeit ist den siegreich aus der debatte hervorgegangenen werten indes nicht abzusprechen. Um es mit darwi­ nischer terminologie zu sagen: Man muss die tragweite des ins historische gewendeten Mechanismus des survival of the fittest, Geschichte macht zuvörderst die persönlichkeit mit der größten durchsetzungskraft, für Künstler, für die Kunstgattung, die sie betrie­ ben, für ihre einzelnen werke und werte erkennen, da auf dieser Grundlage ihre posi­ tionierung in der Geschichte der Künste, die sie lebendig ›mitschrieben‹, stattfand. Auf umgekehrten wege gibt der paragone der kunsthistorischen Forschung daher auch ei­ nen theoretischen rückhalt. er gibt uns wertkriterien an die hand, dank derer erzielte erfolge bis zu einem gewissen Grad nachvollzogen werden können. denn erfolg, wie das wort nicht allein im deutschen insinuiert, erfolgt nach etwas, nach einer mit An­ erkennung gekrönten leistung.

117 Kaum repräsentativ Künstlerbriefe der Renaissance, 1913. Zu Maler­ und Bildhauersignaturen, in de­ nen ein Künstler, der Ansprüche erhebt, territorien seiner Kompetenz absteckt, s. mit weiterführen­ der literatur cap. iV. 118 Fundamental zur entstehung von Klassifikationspaaren Koselleck, 1989, s. 211ff. 119 leonardo, Libro di pittura, i, 21, s. 148: »[…] e che in effetto la poesia non ha propria sedia […]«; vgl. i, 32, s. 156: »[…] tu troverai non esser altro che uno adunatore de cose rubate a diverse scienzie […].«

6. Zur Vorgehensweise

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6. Zur Vorgehensweise da, um es mit einem berühmten wort zu sagen, »Anschauung ohne Begriffe« »blind« sind, was nicht weniger heißt, als dass ohne Begriff kein innerer Zusammenhang ge­ währt sein kann, ist die Bedeutung der terminologischen seite des paragone nicht von der hand zu weisen (s. cap. ii), ausgehend von der Frage: Kannte das Quattrocento oder das cinquecento einen Begriff für diesen disput, eine Art terminus technicus? Kein Ge­ sichtspunkt, darin ist Batkin beizupflichen, kann als so repräsentativ für den Geist der renaissance gelten, wie das prinzip des dialogischen.120 es durchwaltet den paragone in jeder seiner erscheinungsform, am eindringlichsten freilich jene dialogliteratur, in der sich paragone­diskussionen seit petrarca zunächst formieren und fortan immer neu ent­ spinnen. da – nicht allein nach der Beobachtung von Kablitz und regn – die agonale pluralisierung ihre markanteste Ausprägung »im streit der Autoritäten« fand,121 ver­ spricht der Blick auf etwas ausnehmend Artifizielles Gewinn: die ersonnenen sprecher­ konfigurationen in dialogen über den paragone (s. cap. iii.1). es ist jener personale Behelf, der es den literaten erlaubte, position und Gegenposition spielerisch aus verschie­ denen warten in widerstreit zu bringen. welche eigenheiten besitzen diese Unterredner im paragone­dialog? dienen sie als Angelpunkte von wissensordnungen? inwiefern befruchtete die mitunter erst durch handschriftenfunde im Quattrocento zugänglich gewordene antike dialogliteratur oder die mittelalterliche rangstreitliteratur die wahl der sprecher und den agonalen oder synkritischen einschlag dieser schriften? inwiefern dienten sie als referenzmodelle? der paragone, wie er sich in zahllosen schriftzeugnissen der renaissancezeit dartut, steht und fällt mit Argumenten, an denen sich konkrete werte ablesen lassen. es wäre unerquicklich und auf dem gegenwärtigen Forschungsstand nicht angesagt, die Genese jedes einzelnen, aus dem cinquecento bekannten paragone­Argumentes zeitlich zurück­ zuverfolgen, so, als könnten wir von einem statischen, quer durch die Zeiten gültigen Argumenten­stamm ausgehen, der allenfalls innerhalb dieser festgesteckten Grenzen entwicklungen durchlaufen hätte. das wissen wir aber nicht. Als ein auf tönernen Füßen stehendes Konstrukt entpuppt sich diese gedankliche engführung allein schon deshalb, weil es, entgegen mancher Behauptung, zu keiner Zeit je eine feste Anzahl von paragone­ Argumenten gegeben hat. im Gegenteil, sie griffen in komplexen Vernetzungen ineinan­ der, sie waren eng miteinander verzahnt. es können allenfalls themenkreise umrissen

120 leonid Batkin, Die italienische Renaissance. Versuch einer Charakterisierung eines Kulturtyps, dresden, 1979, s. 265ff. 121 Vgl. Andreas Kablitz und Gerhard regn im Vorwort von Renaissance – Episteme und Agon, 2006, s. 8.

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I. Einleitung

werden.122 in Befolgung der für die frühen humanisten leitenden parole, ad fontes, kon­ zentrieren wir uns deshalb vielmehr auf die geistesgeschichtliche erschließung bedeu­ tender literarischer impulse aus dem Quattrocento, das heißt auf ausgewählte, bislang unbeachtet gebliebene Manuskripte, auf neueditionen (das heißt in diesem Fall neue lesarten antiker texte), auf lexikalisches, kurzum: durchweg auf schriften, die den paragone und seine leitmotive, wie wir sehen werden, argumentativ auf das stärkste beeinflusst haben (s. cap. iii.2). im Bemühen, die Untersuchung auf eine breitere Basis zu stellen, umreißen die nachfolgenden Abschnitte in themenschwerpunkten zwei im Kontext des paragone nicht selbstverständliche, ja unterschätzte Aspekte, die als Faktoren bei seiner heraus­ bildung und entwicklung nicht unerheblich gewesen sein können. den ersten rahmen bildet der erfahrungsraum des öffentlichen lebens: im Kapitel über ein integrales Mo­ ment der rangstreitkultur, Künstlerwettbewerbe (s. cap. iV), versuche ich nachzuwei­ sen, dass sie, in der vollen Bandbreite zwischen ihrer Ausrichtung und rezeption, in der Zusammenführung von Gruppen, deren sozialer Zuschreibung und selbstbeschreibung, zu den kulturellen transaktionen zählten, die den paragone auf den weg brachten: als Umschlagplatz von ästhetischen, ja gattungsspezifischen werten, die sich vor dem Fo­ rum einer Jury und Öffentlichkeit bewähren mussten. Man wird dabei die exemplarität berühmter Künstleragone des Altertums im Auge behalten müssen. die Frage ist: inwie­ fern haben nachrichten über diese Agone die interpreten im 15. Jahrhundert dazu ein­ geladen, ihre eigenen agonalen denkmuster preiszugeben? Und wie sahen diese aus? es bedarf keiner näheren Begründung, dass sich der paragone in nichts tiefer ver­ ankert zeigte, als in der Gruppenzugehörigkeit der Künstler. der interessante sonderfall, der auf einem wechselspiel zwischen ehrgeizigen künstlerischen neigungen und realen erfordernissen beruht, verheißt tiefergehende erkenntnisse, nämlich die unter dem ein­ druck des Menschenideals des uomo universale überhandnehmenden künstlerischen doppel­ oder Mehrfachbegabungen (s. cap. V). was bedeutete es nun konkret für den paragone, wenn Maler­Bildhauer, Maler­dichter oder ihresgleichen dem immer lauter werdenden postulat nach Universalität in personalunion zu genügen suchten? inwiefern entstand ein, wie es die soziologie nennt, ›interrollenkonflikt‹, der verschiedene identi­ täten oder Facetten der künstlerischen identität in Kollision miteinander brachte? wurde

122 Zutreffend ist allein, dass sich Varchi zum durchnummerieren der Argumente nach subjektiven Ge­ sichtspunkten entschlossen hat. die punkte, die die Malerei, ausgehend von ihrer antiken wertschät­ zung, begünstigen, sind für ihn: (1.) die dignità (fatica d’ ingegno), (2.) die onori (nobilità), (3.) die universalità, (4.) die difficultà, (5.) die magnificenza und (6.) der ornato, die commodità des Malens und dessen utilità, (7.) die vaghezza (der Farben) und der daraus entstehende diletto; und als Argu­ mente zu Gunsten der skulptur gelten: (1.) die nobilità, (2.) die duratà und (3.) verità (d. i. Vielan­ sicht und paragone der sinne); s. Varchi, Due Lezzioni, nr. 2, s. 35ff.

6. Zur Vorgehensweise

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die soziale identität im paragone plötzlich verhandelbar? wurden neue Konflikte, neue wertegemeinschaften geboren? dient der erste teil dieses Buches in erstrebter Breite dem Überblick über die Fak­ toren, denen der paragone seine Formierung, nicht minder aber auch seine rezeptions­ schicksale verdankt, so verschafft der zweite teil, wie ich hoffe, der tiefe Geltung, in­ dem beispielhaft für bildkünstlerische Auseinandersetzungen mit dem paragone und exemplarisch für das traditionell außerordentlich massiv rangstreitdebatten auf sich ziehende Genre der Bildniskunst, zwei Meisterwerke in Augenschein genommen wer­ den. es sind nicht zufällig piero della Francescas Montefeltro­Diptychon und leonardo da Vincis Porträt der Ginevra de’ Benci. Unabhängig von dem Glücksfall zweier sich auch theoretisch – in Kunstraktaten – mitteilender Maler, für die weder die würde noch die wissenschaftlichkeit der Malerei ein leeres wort waren, verleugnen die beiden in rede stehenden Malwerke durch ›Übergriffe‹ in residuen anderer Kunstgattungen nicht Konzessionen an so bedeutsame paragone­Kategorien wie die Universalität und die Viel­ ansichtigkeit. Man beachte die poetisch angehauchten inschriften und die steinimi­ tationen. Vor allem ist es die doppelseitige Bildbemalung, die den empfindlich einge­ schränkten ›raum‹ des tafelbildes, kurz: die Malfläche, um mindestens eine weitere Ansicht erweitert, als ginge es um die Konkurrenz mit einer vielansichtigen statue. dass dieses spiel mit Ansichtsseiten nicht jenseits der Bildkonzeption gelegen haben kann, wissen wir im Fall des Montefeltro­Dipychons seit der entdeckung des verklausulierten, auf vier Bildseiten verteilten panoramas (Rekonstruktion 1, s. 267).123 trotz des Be­ wusstseins, es mit einem der originellsten ›weltentwürfe‹ zu tun haben, mit dem sich je ein renaissancemaler als gottgleicher schöpfer gerierte, blieb 1992 bei der publikation dieser entdeckung ein Unbehagen zurück. Allenfalls war es gelungen, fragend, sich ein stück weit vortastend, einer spezies von landschaftskonzeption anzunähern. die Be­ wandtnis dieser landschaft für die Figurenszenen und die porträts, hinter denen dieser prospekt ›rundum‹ verläuft, blieb im dunkeln. Genau nach diesem Zusammenhang werden wir nun zu fragen haben. die fortwährende inanspruchnahme der topik, die sich sowohl in den frühen ver­ balen als auch den visuellen reflexionen über den paragone zeigt und uns, infolge einer summe von einzelbeobachtungen, mit Fragen der grundsätzlichen Art zurücklässt, macht die rolle der topik in der postmittelalterlichen Zeit zur abschließenden Kardi­ nalfrage (s. cap. Viii.2) – leider ein Versäumnis der Kunstgeschichte.124 wenn der hohe stilisierungsgrad von Ghibertis autobiografischer rückschau auf den Florentiner Baptis­ teriumstürenwettbewerb von 1401 prochno jüngst zur schlussfolgerung verleitet hat, 123 dazu christiane J. hessler, »piero della Francescas panorama«, in: ZfK, 55, 1992, s. 161–179. 124 die studie Visuelle Topoi. Erfindung und tradiertes Wissen in den Künsten der italienischen Renaissance, hrsg. v. Ulrich pfisterer et alt., München und Berlin, 2003 hat den weg aus dem dilemma glänzend eröffnet, jedoch ohne generell der Funktionsweise der topik nachzugehen.

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I. Einleitung

der wettbewerb sei womöglich nur eine Fiktion Ghibertis gewesen – und das, obwohl die dokumentenlage dem geradezu ins Gesicht schlägt –,125 so hat dieses Fehlurteil dennoch gute chancen auf ertüchtigung der Forschung insofern, als in seltener plausi­ bilität begreifbar wird, welch beträchtliches stück weges wir in der Bloßlegung der Mechanismen des topologischen noch zu beschreiten haben. Auch wenn ich wegen der vorgefundenen Fülle relevanten Materials von meinem ursprünglichen Vorhaben abrü­ cken musste, einen, um es mit nietzsche zu sagen, »kleinen netten Band zum Anbeißen« vorzulegen, so hoffe ich doch, den leser mit einer bemüht systematischen präsentation versöhnen zu können. es steht zu hoffen, dass die Appendices ihren teil zu einem hilf­ reichen Buch beitragen mögen.

125 so spricht prochno, 2006, s. 40 von der »angeblichen Ausschreibung«, den »angeblichen fünf Mit­ bewerber[n]«, und sie begründet ihre Vorbehalte erstens mit den nur zwei erhaltenen Konkurrenzre­ liefs, zweitens dem Fehlen von dokumenten, die einen wettbewerb erkennen ließen. dem wider­ spricht aufs deutlichste der wortlaut der Zunftakte von ca. 1402–1403 (AsF, strozz., li, 1, fol. 80v): »dosassi il compasso della storia d’Abramo del testam.o vecchio per fare prova di diversi Maestri e pigliare che meglio facesse«; zitiert nach richard Krautheimer (unter Mitarbeit von trude Kraut­ heimer­hess), Lorenzo Ghiberti, princeton n. J., [1956] 1982, dok. 33.

ii. Begriffsgeschichtliches zum paragone­disput

1. Begriffswelten und sinnhorizonte* »O bella prova di uno artefice!« ›Phidias‹ zu ›Leonardo‹ in lomazzos Libro dei sogni, cap. 6, s. 161

Bald zwei Jahrhunderte ist es her, als Guglielmo Manzi leonardos Parte prima mit dem Behelfsbegriff ›paragone‹ versah. die Forschung verschloss sich lange Zeit gegenüber der begriffsgeschichtlichen seite des Kunstrangstreites. doch ist die Frage nicht ganz uner­ heblich, ob es in der renaissancezeit einen festen terminus gab, der den Gegenstand auffing und dessen nennung genügte, um sein Gegenüber zu einer diskussion über dieses thema einzuladen.126 interesse an diesem Aspekt zeigte sich erst in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts. während Farago erstmals nicht nur en passant der Frage nachging, welche Bedeutung das wort paragone (ital. »Vergleich«) im frühneuzeitlichen italien besaß – ihre etymologische herleitung von »agon« entbehrt allerdings jeder Grund­ lage –,127 vertiefte sich preimesberger im Kontext der Bilderfindungen Jan van eycks fast zeitgleich, angeregt durch lexikalia, der zweiten hauptbedeutung von paragone, einem

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Alle kursiv gedruckten, mit einem Asteriscus (*) versehenen Begriffe sind eine hervorhebung der Ver­ fasserin. 126 siehe Manzi, 1817. 127 Vgl. Farago, 1992, s. 8ff. laut freundlicher Auskunft von prof. dr. widu­wolfgang ehlers ist die Abhängigkeit von ›Agon‹ philologisch nicht haltbar. »paragóne« ist abgeleitet vom griechischen prädi­ kat »παρακονάω« (reiben gegen, schärfen). diese Verbform ist seit dem Altertum nachweisbar, nicht , so eine substantivische prägung. die Antike kannte nur »ακóνη« (schleifstein), ohne den präfix »para«. paragone war ein neologismus des mittelalterlichen italien. – Zur begriffsgeschichtlichen seite des Agon hingegen thomas F. scanlon, »the Vocabulary of competition. ›Agón‹ and ›Aethlos‹, Greek terms for contest, in: Arete, 1, 1983, s. 147–162. – Angeregt durch Farago zitierten auch ande­ re Autoren ›paragone‹­sequenzen aus der Kunstliteratur; s. Goffen, 2004, s. 31ff., s. 41; zusammen­ fassend pfisterer, 2003a, sp. 529; vgl. The Literary Works of Leonardo, [1949] 1977, s. V; vgl. Vecce, 1994, s. 437 und s. 439; Mendelsohn, 1982, s. 212, Anm. 1: »neither the noun nor verb form appears in connection with the debate until the late sixteenth century.«

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II. Begriffsgeschichtliches zum Paragone-Disput

schwarzen Kieselschiefer dieses namens (pietra di paragone); plinius der Ältere kennt jenen stein, der im polierten Zustand seit alters her zur Goldprobe diente, unter den Bezeichnungen »coticula«, heraklischer und lydischer stein,128 wobei streichproben an­ hand des Farbvergleiches die Güte des Goldes ermittelten. eine von diesem Vorgehen abhängige Metaphorik machte preimesberger für den schwarzen ›steinhintergrund‹ in Jan van eycks Bornemisza-Diptychon geltend, der, nahezu eine spiegelfläche, die als sta­ tuetten gemalte Verkündigungsgruppe ›prüfe‹.129 nach dem probierstein wurden der schwärze wegen in italien zudem eine fein geschliffene Marmorart (»paragone di prato«) benannt. Bereits die Hypnerotomachia Poliphili sagt diesem typus von stein spiegel­ effekte nach.130 Unabhängig davon, dass die in Jahrhunderten italienischen sprachgebrauchs immer wieder vollzogene Kontamination von Goldprüfung und Vergleich folglich kein Zufall sein kann, muss man sich im hinblick auf den paragone­disput freilich fragen, worauf eine Begriffsgeschichte, die sich auf einen nachträglich (von Manzi) applizierten termi­ nus konzentriert, überhaupt abzielt. die einzig relevante Frage scheint doch zu sein: welcher Begriff oder welche Begriffe fielen gegebenenfalls in der renaissance zur Bezeich­ nung des besagten disputes? Oder: Mit welchen wendungen wurde er paraphrasiert? Faktisch erweist sich die Bandbreite als nicht eben gering: comparazione, contesa, disputà, esperienza, lite, paragone.131 selbst in Varchis enquête, ein fraglos höchst ambitioniertes 128 plinius, NH, XXXiii, 126, s. 88: »Auri argentique mentionem comitatur lapis, quem coticulam appellant, quondam non solitus inveniri nisi in flumine tmolo, ut auctor est theophrastus, nunc vero passim. alii heraclium, alii lydium vocant. sunt autem modici, quaternas uncias longitudinis binas­ que latitudinis non excedentes. quod a sole fuit in his, melius quam quod a terra. his coticulis periti cum e vena ut lima rapuerunt experimentum, protinus dicunt, quantum auri sit in ea, quantum argenti vel aeris, scripulari differentia, mirabili ratione non fallente«; wiederholt s. v. »coticula« in perotti, Cornucopiae, s. 589, z. 45; beachtlich die Verwebung des wetzsteins mit dem Agonalen in pindar, Isthmien, Vi, vv. 72f., wo ein Athlet als erzbezwingender wetzstein bezeichnet wird (vgl. auch derselbe, Olympien, X, 21). 129 im Kontext mit dem paragone des nordens preimesberger, 1991, s. 486–487 mit Abb. 1; vgl. s. v. »paragone«, in: Dizionario della critica d’arte, 1978, Bd. ii, s. 378ff., la Barbera, 1997, s. 7 und Benedetto Varchi, 2013, s. 9f.; vgl. Vasari, Le vite, Bd. i, s. 117: »[…] cavasi del medesimo egitto, e di alcuni luoghi di Grecia ancora, certa sorte di pietra nera detta paragone*; la quale ha questo nome perché, volendo saggiar l’oro, s’arruota su quella pietra, e si conosce il colore.« 130 dazu ebenda, s. 96 und früher die Hypnerotomachia Poliphili, i, Bd. i., s. 311 [fol. U2v]: »[…] di nigerrima petra dura et speculare che di cusì facta nigritudine coticula […]«; vgl. lodovico dolce, Delle gemme, Venezia: Giovan Battista, Marchio sessa et fratelli, 1565, s. 59: »Paragonio*, cioè paragone*, è di due sorti, nero e di color d’oro.« 131 in Ghibertis wettstreit­Vokabular herrscht ein martialischer Zug vor; »conbattimento« fällt für den Künstlerwettbewerb (Ghiberti, I commentarii, ii, 6.1., s. 93). luca pacioli greift diese note auf mit »duello« für ein wortgefecht – kein paragone – im Beisein leonardos am Mailänder hof; s. pacioli, De divina proportione, ii, s. 32; dazu ausgiebig cap. iV.4.3.; vom leben als dem zweifachem duell mit Fortuna (»duplex enim nobis duellum cum Fortuna«) spricht petrarca, De remediis/Keßler, s. 50. –

2. »Paragone« in der Kunstliteratur

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projekt, bleibt die Begrifflichkeit diffus: »contesa«, die »disputà« der »maggioranza fra la pittura e la scultura« und »esperienza«. Mit anderen worten: Zur Mitte des cinquecento existierte noch immer kein terminus, der die Materie – abgrenzend von anderen rang­ streitdebatten – eindeutig kennzeichnete.132 weshalb also ein Blick auf die semantik? Obgleich die in rede stehenden Begriffe auch auf andere streit­sujets bezogen wurden, geben sie, wie wir sehen werden, bei näherem hinschauen signifikante, teils eristische oder sophistische, teils vom Flair der Künstlerwerkstätte angehauchte traditionen preis, die den paragone­diskurs nicht allein semantisch durchwalteten. die folgenden Aus­ führungen sehen sich dem Gedanken von hans Blumenberg verpflichtet, der zur legiti­ mierung der Metaphorologie betonte, dass Begriffe nicht erst im ›endzustand‹ von Be­ deutung seien; vielmehr gäbe die welt der »Bilder und Gebilde«, der »Konjekturen und projektionen«, eben das, wofür die Metapher oder die Umschreibung einspringt, eine Anschauung, eine substruktur des denkens preis.133

2. »paragone« in der Kunstliteratur Bekanntlich fällt »paragone« in leonardos Parte prima nicht, vielmehr das synonym »comparazione«, auch »differenza«.134 im Codex Madrid II benannte leonardo die allge­ meine wissenschaft des Vergleichens mit »scientia de equiparantia«.135 eine Okkurenz­ liste von paragone und paragonare für den gesamten Libro di pittura (s. App. i/A) zeugt mit vierundzwanzig Belegen davon, dass leonardo ein gewisses Faible für diesen Aus­ druck hegte. er verwendete ihn sowohl im sinne von »Vergleich«, als auch im Kontext starker licht­/schattenwirkungen. dies bestätigt sein gegen 1481 verfasstes Bewer­ bungsschreiben für den Mailänder hof eindringlich, das er an den herzog ludovico il Moro richtete: »ich kann [Kunst] in Marmor, Bronze und in ton Bildhauerei ausführen, ebenso in der Malerei, was immer getan werden kann, in rivalität [al paragone* di] mit

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nachweisbar ist die Vorstellung vom rangstreit als einem geistigen duell bereits in der ersten tetra­ logie des attischen rhetors Antiphon (ca. 480–411 v. chr.); s. walter Johannes Froleyks, Der ΑΓΩΝ ΛΟΓΩΝ in der antiken Literatur, diss. Bonn, 1973, s. 270. einen »paragon* de l’arme« besingt Ariost, Orlando furioso, i, 16, v. 8, Bd. i, s. 90. Varchi verwendet esperienza in der ersten Lezzione über die Künste (»[…] non è altro che una sperienza«) unter Berufung auf Manilius: »per varios usus artem experientia fecit«; Varchi, Lezzione, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 14, s. 34. hans Blumenberg, »paradigmen zu einer Metaphorologie«, in: Theorie der Metapher, hrsg. v. Anselm haverkamp, darmstadt, [1960] 1996, s. 285–315, s. 286. »comparazione« in leonardo, Libro di pittura, i, 40, Bd. i, s. 164; weit häufiger fällt »differenza«: ebenda i, 2, 21, 22, 32, Bd. i, s. 132, 145, 146, 155; und speziell auf die figurativen Künste bezogen ebenda, i, 36, s. 158: »tra la pittura e la scultura non si trovo altra differenzia, se non che: […].« derselbe, Codex Madrid II, fol. 112r, s. 233.

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II. Begriffsgeschichtliches zum Paragone-Disput

jedem und sei es, was es will.«136 der dichter Gasparo Visconti schlug, gegen einen Kritiker seiner Verse opponierend, vor, dass er sich freiwillig dem Vergleich (paragon) mit den elaboraten seines rivalen stelle, damit einjeder in die lage versetzt werde, ein Urteil zu fällen: »biasmando i versi mei come imperfetti, / caccia i tuoi fora e al parangon* te metti, / aciò ch’ognun ce possa iudicare:«.137 in der Kunstliteratur der renaissancezeit mangelt es nicht an Beispielen, in denen paragone kaum mehr als Vergleich bedeutet.138 selbst als raffaels Vater, Giovanni santi, in einem substanziell für den paragone­disput überaus beachtenswerten passus – er ist in seiner panegyrischen reimchronik enthalten – zwischen vertù visiva, künstlerischer scienza und difficultà (Zentralbegriffen der Kunst­ theorie) zweifach mit paragone abwägend die Vorzüge der Malerei besingt, meint er allenfalls den künstlerischen Ansporn, der natur mimetisch nachzueifern139 – so auch andere Autoren.140 seit der Mitte des cinquecento häufen sich – mitunter bei doni, Vasari, dolce bis Zuccari – Verwendungen von paragone im Kontext dessen, was wir heute als paragone verstehen. dabei ist zu differenzieren zwischen seinem Gebrauch im sinne von »inbe­ griff« oder »Ausgeburt von« (so ist für Zuccari der Maler pordenone der Ausbund an

136 derselbe, CA, fol. 391r (zitiert nach luca Beltrami, Documenti e memorie riguardanti la vita e le opere di Leonardo da Vinci […], Mailand, 1919, s. 11, nr. 10): »item conducerò in sculptura di marmore, di bronzo, e di terra, similiter in pictura, ciò che si possa fare a paragone* de omni altro e sia che vole; dazu statt vieler Goffen, 2002, s. 40f.; leonardo, Libro di pittura, i, 40, s. 164 und 42, s. 165; i, 22, s. 146; 23, s. 16, 36, s. 158. 137 Visconti, I canzonieri, s. 67, nr. 88 (›contra un certo ignorantaccio […]‹), vv. 4–6. 138 so heißt es beispielsweise 1584 über den vielfach begabten Michelangelo bei raffaele Borghini, Il Riposo, iV, s. 510: »[…] e da non potere in alcun modo paragonarle*.« 139 santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 346–354, Bd. ii, s. 673: »el paragon* se trova ove ogni cosa / vinta riman, né si può caüsare / al paragone* sufficiente chiosa. / insuma, ciò che fa, cerca inganare / a l’ochio la pictura, e quel che è piano, / tucto rilievo al senso dimostrare, / e ciò che la natura per lonta­ no / o da presso dimostra cum chiar stile, / fingere e dimostrare al senso humano:« (der wetteifer begegnet, / wo alles siegreiche übrig bleibt / und wo man dem wetteifer nichts Ausreichendes [mehr] / entgegensetzen kann. / Aber versuchen will die Malerei in allem, was / sie tut, das Auge zu täuschen, / und was da plan ist, dem sinn erhaben zu zeigen, / und was die natur von Ferne / oder aus der nähe mit klarem stil zeigt, / nachzuahmen und dem Menschenblick darzubieten); zu santis schrift lise Bek, »Giovanni santi’s ›disputa de la pictura‹ – A polemical treatise«, in: Analecta Romana Instituta Danici, 5, 1969, s. 75–102. 140 so bekannte beispielsweise der Bildhauer tullio lombardo am 18. Juli 1526 in einem skulptur­ Malerei­paragone angesichts eines projektierten Altarwerks: »[…] rispondo che sara una bella opera finita, et sara una memoria sempiterna, come vostra nobelta poi giudicare perche la pictura e cosa caduca et instabele, la scoltura è molto piu senza comparatione, et non da paragonarsi* con pictura per niun modo: perchè degli antichi se ritrova fina alli nostri tempi delle sue scolture, et picture veramente nulla si poi vedere«; zitiert nach Alison luchs, Tullio Lombardo and Ideal Portrait Sculpture in Renaissance Venice, 1490–1530, cambridge und new York, 1995, s. 157, Anm. 94.

2. »Paragone« in der Kunstliteratur

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Kühnheit; »[…] che ne l’ardir non ebbe parangone* […]«),141 den Vergleichen zwischen dem gegensätzlichen künstlerischen naturell zweier Künstler (man denke an dolces »paragone* di raffaello e di Michelagnolo«);142 gelegentlich, keine seltenheit in Vasaris Vite, steht paragone synonym für die aemulatio,143 und paragone kann in direktem Kon­ text mit dem rangstreit zwischen der Malerei und skulptur auftreten, wie beispielsweise 1549 in Anton Francesco donis dialog Disegno: infolge des erkannten strebens der Maler, sich in der perspektive hervorzutun, fordert ›Arte‹ höchstpersönlich, den parago­ ne mit der skulptur ein, um zu »sehen, welche Kunst von beiden vorzüglicher ist.«144 diese wendung, so prägnant sie ist, ist jedoch keineswegs als terminus für die gattungs­ übergreifende rivalität zwischen den Künsten anzusehen. das trifft mitnichten zu auf den paragone zwischen der Malerei und der poesie in lomazzos Malereitraktat.145 lomaz­ zo, dessen diktion als guter Kenner von leonardos Manuskripten besonderes Gewicht verdient, beschwor in einem Gedichttitel – es ist teil seiner 1587 gedruckten Grotteschi – einen »Paragon* de la pittura con la scoltura«.146 Faktisch widmen sich die zwischen

141 Zuccari, Lamento [1605], in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 1032: »V’era anco il mio terribil pordenone, / discepol vero e proprio di natura, / che ne l’ardir non ebbe parangone*.« – dolce zufolge gebührt dem Musiktheoretiker silvestro Ganassi lob wegen seiner ausgezeichneten Figurenmalerei: »[…] il quale disegna e dipinge lodevolmente e ci fa toccar con mano che le figure dipinte da buoni maestri parlano, quasi a paragon* delle vive«; dolce, Dialogo della pittura, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 291. 142 ebenda, s. 795: »Ma di questi errori, che appartengono alla convenevolezza della invenzione, ne toc­ cherò forse alcuno, quando verrò al paragone* di rafaello e di Michelagnolo.« ›Fabrini‹ wendet sich gegen eine solche sicht: »Mi par ciò una gran disuguaglianza di paragone*«; ebenda, s. 817. 143 Über die aemulatio luca signorellis gegenüber seinem einstigen lehrer piero della Francesca heißt es: »[…] per potere non solo paragonarlo*, ma di gran lunga passarlo«; Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 520–521. Vgl. die aemulatio des sohnes raffaello gegenüber dem Vater Baccio da Montelupo: »lasciò Baccio alla morte sua fra gli altri figliuoli raffaello che attese alla scultura, e non pure paragonò* suo padre, ma lo passò di gran lunga« (ebenda, Bd. ii, s. 237); paragone* in der Bedeutung als wetteifernder Gegenpart zur Antike in lodovico dolce, Sacripante, X, vv. 3ff. [Venedig, 1535] (zitiert nach ronnie h. terpening, Lodovico Dolce, Renaissance Man of Letters, toronto, Buffalo und london, 1997, s. 41): »in italia d’antichi a paragone* / pontano, il sannazaro, et altri degni: / […] e chi con vero / normar si puote il Ferrarese homero [Ariosto].« 144 doni, Disegno, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 569: »il pittore si gloria della prospettiva. Ora è neces­ sario darle l’incontro e paragone* conveniente alla scoltura e vedere quale di loro sia più eccellente.« der luogotenente der Accademia del disegno, Vincenzio Borghini, verwendet paragone bezugneh­ mend auf die wertfrage der figurativen Künste: »donde voglio conchiudere ch’ il prezzo non è la vera regola né il vero paragone* della eccellenzia e bontà de l’arte«; Borghini, Selva di Notizie, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 635. Paragone bedeutet hier jedoch kaum mehr als »Vergleichsmaßstab«. 145 lomazzo, Trattato, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 348: »imperoché per questa parte peculiarmente la pittura si paragona* alla poesia.« 146 lomazzo, Grotteschi, Mailand, 1587, ii, s. 125:

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II. Begriffsgeschichtliches zum Paragone-Disput

der populären Junktur penna – pennello angesiedelten reime aber nie eindeutig der skulptur. in den Bann gezogen ist der Autor einzig vom Verhältnis der Malerei zur Vers­ kunst. immerhin scheint paragone für ihn der angesagte Vergleichsbegriff im agonalen wertbereich der Künste zu sein. Man beachte sein Gedicht, in das der name leonardos einfloss, »Paragon* del scrivere co’l dipignere« sowie den »Paragon* de gl’instromenti pitto­ reschi«.147 wie bislang übersehen wurde, unterbreitete lomazzo 1590 in seinem Idea­ traktat erhellend eine Begriffsdefinition: »der ›paragone‹ ist genau die prüfung und das experiment, mit dem sich einjeder im tun vergewissern kann und das in keiner sache ambivalent bleibt. denn es ist einzig das prüfen, das den Maler gewiss und sicher in der Ausführung macht, sowohl in der Anordnung wie im glücklichen Ausführen seines entwurfes.«148 wir werden die Quellen dieser definition noch zu klären haben. wenden wir uns zunächst einem synonymbegriff zu.

»Paragon* de la pittura con la scoltura.« »Quel che rappresentar ponno(?) i pennelli, 1 ch’è tutto ciò che qui contempla e mira. l’ occhio mortal, la penna poi sospira, che formar non lo puote al par di quelli. la poesia e suoi versi ornati belli 5 se senton soli, & l’altra à veder gira. si come à principal, onde con ira Van contro lei tutti i poeti snelli. non è di pareggiar il dir al fare. perche è come ombra al corpo, il qual si vede 10 pur c’huomo sappi l’invention trovare. e ciò che pinge sà co’l dir spiegare. A questo ognun la gloria e’l vanto cede.« Zuerst im begriffsgeschichtlichen Zusammenhang aufgeführt von pfisterer, 2003a, sp. 529. 147 lomazzo, Grotteschi, ii, s. 125, s. 127. 148 derselbe, Idea, i, cap. 18, Bd. i, s. 295: »il paragone* è proprio quello prova et esperienza con la qual ciascuno si assicura nel’operare e non sta in alcuna cosa ambiguo. imperochè la prova solamente è quella che rende il pittor certo e sicuro quando opera, così in disponere come in condurre felicemente il suo disegno; […].«

3. »Lis«, »lite« – Horaz, Petrarcas Allstreit und ›schwebender Streit‹ im Paragone

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3. »lis«, »lite« – horaz, petrarcas Allstreit und ›schwebender streit‹ im paragone in seinem paragone­enquête­Brief an Benedetto Varchi wählte der Maler Giorgio Vasari für den Kunstrangstreit den Begriff »lite« (streit).149 dies kam nicht von ungefähr; die kurz zuvor, 1546, in druck gegangenen Ricordi des in Mailand gebürtigen Gelehrten sabba da castiglione legen es nahe. eingedenk der Querelen um die anhaltende, kontro­ vers diskutierte paragone­Frage, ob der universale Michelangelo exquisiter in der Mal­ oder der Bildhauerkunst agiere, stöhnte castiglione: »der streit« (»la lite«) sei noch immer im Gange. diese unverkennbare Belebung des geflügelten wortes aus horazens Ars poetica – es galt originär der ungelösten streitfrage nach dem erfinder elegischer Verse: »adhuc sub iudice lis« (immer noch [herrscht] schwebender streit)150 – knüpfte zugleich an petrarca an. Kein zweiter humanist nämlich verhalf diesem diktum in der frühneuzeitlichen rangstreitkultur so vehement zum Auftrieb wie er. petrarca integrier­ te es zusammen mit einer heraklit­sentenz, die im lateinischen ebenfalls den Begriff »lis« enthielt, in die zweite Praefatio seines moralphilosophischen Buches De remediis. dieser passus kreiste in immer neuen Aufgüssen um den streit. wohlbemerkt waren es die wirkungsmächtigsten Ausführungen eines humanisten zu diesem thema.151 Mit dem für ihn typischen pessimismus ließ petrarca seiner phantasie über den Allstreit frei­ en lauf, ähnlich, wie es ein florentinischer Kupferstecher (lange vor dem ›petrarca­Meis­ ter‹) tat. das tumultartige durcheinander von tieren und Menschen im Zweikampf (Abb. 8) mag seine inspiration durch De remediis erfahren haben.152 drastisch schildert petrarca das wüten und Kämpfen aller Gegensätze. er weiß es mit einer Unzahl ver­ schiedener Gegensatz­Metaphern und Kontrahenten zu belegen: »[…] kein lebewesen ist vom Krieg ausgenommen«, lesen wir, »wildgetier, Vögel, schlangen, Menschen. eine 149 nach der erwähnung der Malerei heißt es bei Vasari (im Brief an Varchi, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 494): »Ma della scoltura non vi prometto voler parlarne, atteso che s’appiccherebbe una lite* che durarebbe quanto quella […]«; und auf s. 493: »la maggioranza e difcultà della scultura e pittura«; nicht anders zur »lite« doni, Disegno, in: ebenda, s. 565. 150 horaz, Ars poetica, hrsg. v. 78, s. 544; sabba da castiglione, Ricordi, s. 160: »[…] Michelangelo, gloria della età nostra della scoltura e pittura in qual di esse più eccellente sia, la lite ancora prende*.« 151 schottlaenders Kritik [1988] besteht zu recht, dass diese Vorrede »[…] unverdient vergessen scheint […]«, obwohl sie »[…] früher außerordentlich gewirkt hat […]«; s. petrarca, De remediis/Keßler, s. 31; die zweite Praefatio auf den s. 154–185. 152 The Illustrated Bartsch, hrsg. v. Mark Zucker et alt., new York, 164 Bde., 1971–2000, Bd. XXiV, 1, nr. 113. Mit dem liebesbrunnen tangiert die szene den themenkreis der discordia concors; allgemein zu dieser ikonografie edgar wind, Heidnische Mysterien in der Renaissance, [engl. orig. london, 1958] Frankfurt a. M., 1987, s. 95ff. Man vergleiche petrarcas Beschreibung des Allstreits, in dem jede tierart und jeder Mensch dem anderen arg zusetzt; petrarca, De remediis/Keßler, ›in librum secundum praefatio‹, besonders s. 154–162; vgl. auch die zweiteilige illustration dieser szene, die der ›petrarca­Meister‹ vornahm (ebenda, s. 152–153).

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8 Anonymer florentinischer Meister, Allegorie mit Szenen der Zwietracht, ca. 1460, Kupferstich, paris, BnF

tierart hetzt die andere. Keinem Menschen ist ruhe gegönnt.«153 Als legitimation des­ sen dient petrarca, wie er mehrfach wiederholt, die bündige heraklitische Maxime: »Alles geschieht gemäß dem streit« (»omnia secundum litem* fieri«). in superlative ver­ fallend, behauptete petrarca, dass diese sich ihm von allem je Gelesenen oder Gehörten wie »kaum etwas so tief eingeprägt« habe.154 das besagte horaz­diktum entfaltete jedoch die wirkung von größerem nachhalt auf den paragone, denn petrarca bezog dieses auf eine disputà delle arti; er meinte allein die wissenschaften: nicht nur in der philosophie, auch »unter den schriftgelehrten«, sinnierte er, herrsche »bis heute ein ›immer noch schwebender streit‹! wie befehden sich die rhetoren! was für wortgefechte 153 ebenda, s. 156 (auch in den folgenden Zitaten die dtsche. Üs nach rudolf schottlaender): »Quid quod nullum animal bellis vacat: […] ferae, volucres, serpentes, homines. Una species aliam exagitat. nulli hominum quies data.« 154 ebenda, s. 155 (und s. 161, s. 173): »ex omnibus, quae vel mihi lecta placuerint vel audita, nihil paene vel insedit altius vel tenacius inhaesit vel crebrius ad memoriam rediit quam illud heracliti: ›Omnia secundum litem fieri.‹ sic est enim et sic esse propemodo universa testantur.« petrarca rekur­ rierte vermutlich auf die wendung aus Origines, Contra Celsum, Vi, 42; s. VS, Bd. i, 12 B 80; in der Volgare­Version von petrarcas Buch heißt es 1427: »ogni cosa si fa in questo mondo con lite* e quistioni«, s. petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, s. 19.

3. »Lis«, »lite« – Horaz, Petrarcas Allstreit und ›schwebender Streit‹ im Paragone

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führen die dialektiker! Überhaupt, was für Zwistigkeiten in allen Künsten [artium omnium discordiae]!«155 schließlich finden wir einen widerhall von petrarcas streit­passus in leonardos diktion im paragone. er übersetzte das lateinische »lis« sehr getreu mit dem italienischen Analogon »lettigio«, statt das im Volgare gebräuchlichere »discorso« zu verwenden, und in seiner Behandlung der streitfrage, welche wissenschaft mechanisch sei und welche nicht, las er das horaz­diktum gegen den strich: »[…] wo man Geschrei macht, da ist kein wahres wissen. denn die wahrheit hat nur einen einzigen Abschluss und ist dieser kundgegeben, so bleibt der streit [letti­ gio] für alle ewigkeit getilgt. wenn hingegen der streit wieder aufersteht, so ist da lügnerische und verworrene wissenschaft und nicht wiedererstandene Gewissheit. das wahre wissen ist dasjenige, das die erfahrung [sperientia] kraft der sinne ein­ dringen ließ und der Zunge der streitenden [litiganti] schweigen auferlegt«.156 der Beweis für leonardos Kenntnis des geflügelten wortes ergibt sich aus einer elfzeili­ gen Allegorie der wahrheitsfindung, aus einem tribut an die Feuerprobe. Auf dem heu­ te in windsor befindlichen Blatt, dessen datierung nicht ganz eindeutig ist, huldigt leonardo dem Feuer, da es jedwede sophistik und täuschung tilge. so komme die wahrheit trotz der Maske der lüge ans licht, und die täuschung sei, so leonardos nicht ganz korrekte Übersetzung: »avanti a ta[n]to giudice«.157 dass sich diese phrase auf 155 petrarca, De remediis/Keßler, ›in librum secundum praefatio‹, s. 176f.: »nec vero aliorum doctrina tranquillor. Quae grammaticorum ›adhuc sub iudice lis‹ existens, qui conflictus rhetorum, quae dia­ lecticorum altercationes, quae denique artium omnium discordiae!« Vgl. petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, s. 32. lohnenswert wäre vermutlich der Blick auf Auslegungen dieses horaz­ diktums in Ars poetica­Kommentaren der renaissance (v. a. von landino, Gaurico); eine Auflistung in Bernard weinberg, A History of Literary Criticism in the Italian Renaissance, 2 Bde., chicago, 1974, Bd. i, s. 71ff. 156 »[…] dove si grida non è vera scienzia, perchè la verità ha un sol termine, il quale essendo pubblicato, il letigio* resta in etterno distrutto, e s’esso letigio* resurge, la bùgara è confusa scienzia, e non certezza rinata. Ma le vere scienzie son quelle che la sperienzia* ha fatto penetrare per li sensi, e posto silenzio alle lingue de’ litiganti […]«; leonardo, Libro di pittura, i, 33, Bd. i, s. 156–157. leonardos gedank­ liche Anlehnung an petrarca geht besonders aus folgendem satz (ebenda, i, 33, s. 157) hervor: »[…] e che non pasce di sogno li suoi investigatori, ma sempre sopra li primi veri e noti principii procede succes­ sivamente e con vere sequenzie insino al fine […].« petrarcas Vorgabe lautete: »haec est enim vera phi­ losophia, non quae fallacibus alis attollitur et sterilium disputationum ventosa iactantia per inane circumvolvitur, sed quae certis et modestis gradibus compendio ad salutem pergit.« (das ist ja die wahre philosophie! – keine, die sich auf trügerischen Flügeln emporschwingt und sich im windigen Groß­ tun unfruchtbarer streitgespräche herumtreibt, sondern eine, die mit sicheren und abgemessenen schritten geradewegs auf das heil zugeht); petrarca, De remediis/Keßler, s. 48/49 (Üs: schottlaender). 157 das Blatt, heute in der royal library, gehörte zu denen von leonis sammlung; es wird auf etwa 1489–1516 datiert; s. The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 388f.

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das horaz­diktum bezieht, ergibt sich aus der Folgezeit. ein Zeugnis, das den streit (»lis«) direkt mit der paragone­diskussion verwob, begegnet schließlich in Vincenzo dantis Trattato delle perfette proporzioni. dantis Bruder egnazio übernahm 1577 Abschnit­ te davon in sein werk Scienze matematiche ridotte in tavole. Unter der rubrik »scVltVrA«, auf »tavola XXXXiiii«, ist am äußersten linken rand zu lesen, dass zwischen skulptur und Malerei ein schwesterliches Verhältnis bestehe; aber welche der beiden Künste edler sei, habe stets im Zweifel gestanden, und noch läge streit in der luft, »[…] & ancora la lite* è avanti il giudice […].«158 wie es sich darstellt, zog die rezeption von petrarcas streit­passus allmählich die Übertragung des geflügelten wortes auf den paragone nach sich. die Gründe, warum die disputanten es so willkommen hießen, erfahren wir aus einem weiteren Zeugnis, aus Vincenzio Borghinis Versuch, die weit zurückreichenden traditionslinien der paragone­debatte zu ergründen. in Anspielung auf die Kapitel über die Künste im Libro del Cortegiano beteuerte der Florentiner, dass die debatte nicht erst mit dem Grafen castiglione in Gang gekommen sei. Unter rekurs auf den ›schweben­ den streit‹ ließ Borghini ironisch erkennen, wie wenig die paragone­Frage auf eine defi­ nitive Beantwortung abziele. denn, lesen wir, »wenn sie entschieden sein würde, könnte man sagen, dass sie schlecht geurteilt hätten.«159 Kurzum: der Anwendung des horaz­ diktums auf den paragone lag nicht mehr, aber auch nicht weniger als die einsicht in den rein rhetorischen charakter des diskurses zugrunde. diese erkenntnis wurde 1564

»il f[u]oco destrug[g]ie ogni soffistico cioè lo i[n]gano, e so ma[n]tiene la verità cioè l’oro. la verità al fine no[n] si cela; no[n] val simulatione; (simulatio è frustrata avanti a ta[n]to giudice.*) la bugia mette masc[h]era; nulla occulta sotto il sole. il f[u]oco è messo per la verità, perchè destrugge ogni soffistico e bugia, e la maschera per la falsità e bugia, – occultatrice del vero.« 158 »la scultura e sorella della pittura, che quando con essa si ritrova in uno istesso subbietto la fa molto più perfetta si come anco essa dalla pittura riceve grandissimo lume. Ma quale di queste sia più nobile è sempre stato in dubio, e ancora la lite è avanti il giudice*, che al parer mio ciascuna di esse, secondo diversi rispetti, sopravanza la compagna di gran lunga.« Zitiert nach der abfotografierten originalen Buchseite in Margaret daly davis, »Beyond the ›primo libro‹ of Vincenzo danti’s ›trattato delle per­ fette proporzioni‹«, in: Mitt. Florenz, 36, 1982, s. 63–84, Abb. i. 159 Borghini, Selva di notizie [1564], in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 621: »e non disse il conte cosa che non avessin detta prima omini e periti ne l’arte et ornati di dottrina, e che non dichino oggi il medesi­ mo; ›et adhuc sub iudice lis est*‹, la quale quando sarà decisa si potrà dire che gl’abbia mal giudicato […].«

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niedergeschrieben. selbst bei Borghini, der sich so gerne als der große skeptiker gerierte, stellte sie sich erst nach einer langen, in ihrem ende noch immer nicht absehbaren topi­ schen diskussion ein.

4. »cimento«, »esperienzia«: leonardo, cusanus, die wahrheitsfindung und probierbücher »imperoché ogni contrario si purga col suo contrario.« landino, Comento, Bd. iii, s. 1202

im institut de France ist uns leonardos skizze eines ovalen probiersteins überliefert, den er mit der Beischrift »al paragone*« versah (Abb. 9), wörtlich übersetzt: »zur Goldpro­ be«.160 nach der präposition »al« geurteilt, könnte ein prädikat zu ergänzen sein, viel­ leicht dem tenor gemäß, den dantes Zeitgenosse Jacopone da todi in seiner Laude­ dichtung einschlug: »che farai, pier da Morrone? / ei [sei] venuto al paragone*«.161 eine zweite skizze, die sich auf dem gleichen Blatt befindet, belehrt uns jedoch eines Bes­ seren, denn neben Utensilien der Feuerprobe – einem Blasebalg, der auf eine schale mit einem glühenden Gegenstand ausgerichtet ist (Abb. 10) – ersetzt ein synonymbegriff das wort paragone und kann einzig den modalen sinn ergeben: »durch die probe erkennt man das Gold« (»al cime[n]to* si conosce il oro«).162 der Grund, warum diese fahrigen, mehr als simplen skizzen ins Gewicht fallen, ist, dass »cimento« (läuterung) zudem in leonardos paragone einfloss, konkret in den Zwist der traditionellen schwesterkünste Malerei und dichtung. im Versuch, eine Klärung der rangstreitfrage herbeizuführen, steht cimento für die probe von besonderer exaktheit: »Gewiss, die eigene Überprüfung

160 paris, institut de France, Ms. h3, fol. 100r; erwähnt von pedretti, in: The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 391, 681; das Blatt wird in die Jahre 1493–1494 datiert. 161 iacopone da todi, Laude, nr. 74, vv. 1–2, s. 218. 162 pedretti, in: The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 391, 681; eine vergleichbare Konstellation von flacher glühender schale und Blasebalg, nun zum thema »Von Fälscherei und Beschiß«, ziert einen der holzschnitte der editio princeps [Basel, 1494] von sebastian Brant, Das Narrenschyff, straß­ burg: trübner, 1494, nr. 102. Auf seinem Brief vom 2. dezember 1498 an Francesco Gonzaga liefer­ te der waffenschmied Federico calandra die skizze eines Brennofens, aus dem lodernde Flammen kommen und erläutert, er habe »il cimento* per devisa« gefertigt und zwar »un cimenta* in uno fornel­ lo«; s. Mantua, Archivio di stato, Archivio Gonzaga, b. 2451, fols. 11–13; die Abbildung innerhalb des Briefes in A casa di Andrea Mantegna. Cultura artistica a Mantova nel Quattrocento, Ausstellungs­ katalog (Mantua, casa del Mantegna, 26.02.–04.06.2006), hrsg. v. rodolfo signorini, Mailand, 2006, s. 396, Abb. 49 und Kat.­nr. 49; vom Vorgang des »cimentare* l’oro« oder der »isperientia« spricht bezüglich der Goldprobe Biringuccio, De la pirotechnia, iV, cap. 7, s. 72 und s. 53.

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9 leonardo, Probierstein mit der Beischrift »al paragone«, 1493–1494, paris, Bibliothèque de l’institut de France, Ms. h. 2179, fol. 43

10 leonardo, [Utensilien der Feuerprobe] Blasebalg und Schale mit glühendem Gegenstand, 1493–1494, paris, Bibliothèque de l’institut de France, Ms. h. 2179, fol. 43

[il cimento] der dinge sollte die erfahrung [alla sperienzia] zum Urteil bewegen«.163 die Frage ist, ob der terminus sperienzia an dieser stelle wirklich »erfahrung« bedeutet oder alternativ (wie es durch den Gewährsmann plinius zu belegen wäre) seinerseits »probe«, das hieße (wie beispielsweise in savonarolas apologetischer schrift Prova del fuoco [1498]) dem Begriffsreservoir der Goldläuterung entstammt.164 diese Frage führt uns zurück in die schwellenzeit, in der unser moderner experiment­Begriff aufkam, hin zu einem damals neuartigen experimentierbuch, das durchdrungen war vom streben nach einer quantifiziernden erkenntnis der natur – mitinbegriffen des geläuterten Goldes. es ist das Idiota de staticis experimentis betitelte werk von nicolaus cusanus. der zwischen einem laien (›Idiota‹) und einem gelehrten rhetor (›Orator‹) geführte dialog entstand um 1450, während des Aufenthaltes von cusanus im Kloster Val de castro, unweit von Fabriano.165 in der tradition von roger Bacons werk Scientia ponderum angesiedelt, in 163 leonardo, Libro di pittura, i, 19, s. 143: »certo, il cimento* delle cose doverebbe lasciare dar la senten­ zia alla sperienzia*.« 164 der Begriff »experimento« häufte sich in savonarolas mutiger Verlautbarung des Ganges ins Feuer zur ertestung des wahrheitswertes seiner predigten: »[…] per andare nel fuoco ad probazione della verità che io predico«; savonarola sprach von »[…] questo esperimento* a probazione della verità […]«; s. savonarola, Prova del fuoco, s. 309–325, s. 310 und auf s. 313: »[…] circa lo esperimento* dello ent­ rare nel fuoco per la verità da lui predicata.« das prozedere der Goldprüfung heißt bei plinius »expe­ rimentum«; s. plinius, NH, XXXiii, 126, s. 88; vgl. doni, La Zucca, s. 7: »[…] l’Oro si esperimenta* col fuoco«. der probierstein reift schließlich zum Attribut der ›esperienza‹ in ripa, Iconologia, padua: pietro paolo tozzi, 1618, iii, hrsg. v. piero Buscaroli, turin, 1992, s. 504 (mit Abbildung). 165 cusanus, Idiota de staticis experimentis, Bd. V, s. 221; über das geläuterte Gold (»aurum obrison«) und Münzen ebenda, V, s. 277; die editio princeps erschien 1488 in straßburg. die neuartigkeit des Buches

4. »Cimento«, »esperienzia«: Leonardo, Cusanus, die Wahrheitsfindung und Probierbücher

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dem die von instrumenten und Vorrichtungen abhängige erfahrung erstmals Gegen­ stand war, griff cusanus – er pflegte Kontakt mit dem Florentiner naturwissenschaftler paolo da pozzo toscanelli –166 weiter aus als das scholastische Vorbild; er beanspruchte den erkenntnismäßigen nutzen des wägens selbst für die freien Künste: für Musik, Geometrie und Astronomie.167 Über leonardos Kenntnis von cusanus’ Buch kann nur gemutmaßt werden. Fest steht: leonardo, der, wie der Codex Trivulzio beweist, reges interesse an der wissenschaft des wägens bekundete,168 berücksichtigte im paragone die von cusanus aufgeführten wägbaren Künste aus dem Quadrivium (Geometrie, Astro­ nomie und Musik). wahre wissenschaft, beteuerte leonardo in ihm, bedürfe des weges über die mathematische darlegung (»dimostrationi«) sowie über die »esperienzia«; deren Bedeutung schien tatsächlich zwischen erfahrung und erprobung zu changieren.169 leonardo, als »discepolo dell’esperienza«, vertiefte sich in der Parte prima in sie. er kürte sie zur »madre di ogni certezza«.170 Zwei persönlichkeiten, mit denen er im laufe seines lebens in Berührung kam, der Florentiner humanist cristoforo landino und der Kunsttheoretiker luca pacioli, wollten von einem sprichwort wissen, das die Goldprobe mit einem metaphorischen sinn auflud. landino verglich in seiner Übersetzung der

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bestand im Versuch, die naturwissenschaften querschnittartig, alleine nach dem Aspekt des wägens, zu erfassen; s. die sehr instruktive einführung von hildegund Menzel­rogner in ihrer edition von Der Laie über Versuche mit der Waage. Idiota de staticis experimentis (schriften des nikolaus von cues im Auftrag der heidelberger Akademie der wissenschaften 5), leipzig, 1942, s. 3. cusanus lobte toscanellis mathematische Begabung; s. eugenio Garin, »ritratto di paolo dal pozzo toscanelli«, in: La cultura filosofica del Rinascimento italiano, hrsg. v. Mario Alcaro, Florenz, 1979, s. 313–334, s. 326. der einfluss der schriften des cusanus’ auf die italienischen Gelehrten ist noch immer unzureichend erfasst; dazu Kurt Flasch, Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, Frankfurt a. M., 1998, s. 218ff. und wind, [1958] 1987, s. 274f. cusanus, Idiota de staticis experimentis, Bd. V, s. 239f. [fols. 97v–98v]. Mit roger Bacon kam der Vorstoß zu einer größeren differenzierung zwischen erfahrung und experiment; s. lynn thorndike, A History of Magic and Experimental Sciences, new York und london, 1923, s. 1–8. Mailand, Biblioteca trivulziana, Ms. n 2162; vgl. auch die auf 1495–1497 datierbare Zeichnung in Venedig, Gallerie dell’Accademia, inv.­nr. 238; diesem Aspekt im Œuvre leonardos hatte sich bereits duhem gewidmet, im cap. »la scientia de ponderibus et léonard de Vinci« von pierre Mauri­ ce duhem, Léonard de Vinci. Ceux qu’ il a lus et ceux qui l’ont lu, 3 Bde., paris, 1906, Bd. i, s. 257ff. »nissuna umana investigazione si pò dimandare vera scienzia, se essa non passa per le matematiche dimostrazioni. […] e prima, che in tali discorsi mentali non accade esperienzia*, sanza la quale nulla dà di sé certezza«; leonardo, Libro di pittura, i, 1, s. 132; über die Geometrie (i, 1; i, 17; i, 23), Astrono­ mie (i, 6; i, 17) und Musik (i, 29–32) s. ebenda, s. 131, s. 142, s. 148; s. 134, s. 142; s. 153–156. ebenda, i, 33, s. 156; vgl. die definition von petrarca, Familiarum rerum libri, XXii, 14, 59, Bd. Xi, s. 78: »experimentia* mater est artium« und »[…] experientiam* que certissima magistra rerum est« (ebenda, Vi, 4, 4, Bd. Xi, s. 78); leonardo, Codex Atlanticus, fol. 191r.a., vgl. fol. 119v.a: »io essere omo sanza lettere«; zu diesem Aspekt Giuseppina Fumagalli, Leonardo omo sanza lettere, Florenz, 1939; leonardos Bücherliste in Leonardo da Vinci. Scritti letterari, hrsg. v. Augusto Marinoni, Mai­ land, [1952] 1974, s. 239–256.

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II. Begriffsgeschichtliches zum Paragone-Disput

Naturalis historia – sie befand sich in leonardos Besitz – das prozedere im läuterungs­ ofen mit der erprobung der tugend zu Zeiten der Bedrängnis;171 und dem stand der Verfasser von De divina proportione nicht nach. wie Gold im Feuer, so werde das inge­ nium des Mathematikers durch die eigenen disziplinen erprobt.172 der dichter luigi pulci hatte demnach genügend Anlass, im epos Morgante alle proben, so verschieden sie sein mochten, in einem Atemzug zu nennen: »Al fuoco, al paraone*, a tutta pruova«173, hieß es im neunzehnten Gesang. tatsächlich mangelt es nicht an indizien für leonardos Auseinandersetzung mit den technischen Kniffen des probierverfahrens (von dem Abschnitt De ponderibus im Ms. A über sequenzen aus dem Codex Atlanticus bis zur profunden Abhandlung über den Metallguss, enthalten im Codex Madrid II). diesen setzte leonardo die Aufforderung hinzu: »poi fa prova e conparatione* delle cose […].«174 diese Begrifflichkeit ist kein Ver­ sehen. ein Liber comparitionum artificum tituliertes Buch erfasste in den Jahren 1376 bis 1578 die Goldschmiede von lucca.175 deutlicher denn je wird nun, dass in lomazzos paragone­definition die Konnotationen des probierverfahrens hineinspielen. wir haben nach diesen Beobachtungen allen Grund, leonardos diktion, vorweg diejenige für die wahrheitsermittlung in der Parte prima, erstmals im lichte eines typus von lehrbüchern zu sehen, die, hervorgegangen aus mittelalterlichen rezeptbüchern nach Art der berühmten Schedula diversarum artium, zwar erst im Verlauf des 16. Jahr­ hunderts, infolge der ersten druckausgaben aus der Feder von Metallurgen wie Agricola, Alessio piemontese und Biringuccio, hohe Verbreitung fanden,176 deren Konsultation 171 landino 1476 im ›proemio‹ an Ferdinando i. von neapel; s. landino, Scritti, Bd. i, s. 86: »Ma videsi per esperienzia* quello che è da molti savi in luogo di proverbio usurpato, che come nella fornace s’approca e s’affinisce l’oro così ne’sinistri e infelici tempi ogni virtù più splendida apparisce […].« Mit gleichem sinngehalt savonarola, Prediche sopra Giobbe [1494–1495], s. 42: »s’esperimenta* l’amico nelle avversità meglio che nelle prosperità.« 172 pacioli, De divina proportione, i, s. 39: »Onde fra li savi per comun proverbio magestralmente se cos­ tumato adire. Aurum probatur igni et ingenium mathematicis cioe la bonta de loro demostra el fuoco e la peregrineza del ingegno le mathematici discipline.« 173 pulci, Morgante, XiX, 99, vv. 1–4, Bd. i, s. 659–660: »hai tu per cosa nuova / ch’io sia cattivo con tutti i peccati, / Al fuoco, al paraone*, a tutta pruova / Uno oro più che fine di carati?« 174 leonardo, Codex Madrid II, fol. 50v, s. 99; vgl. fol. 33r, s. 79: »ricordati di sperimentare* in questo caso il peso d’ogni qualità di metallo […].« im Codex Atlanticus (151a und 449a; The Literary Works of Leonardo, 1977, § 1153: »la sperientia* non falla mai, man sol fallano i vostri giuditi, promettendosi di quella efetti tali che ne’vostri esperimenti causati non sono«; über die »pruova« im Ms. A, fol. 47r. 175 (Archivio di stato von lucca, für das Jahr 1480 z. B. Ms. Fondo 1021) der für die Curia del Fondaco in lucca; s. Antonella capitanio, Orafi e marchi Lucchesi dal XIV al XIX secolo (Maestri e marchi dell’oreficeria italiana 1), Florenz, 1986, s. 260f. 176 Alessio piemonteses [alias Girolamo ruscelli] Secreti (Venedig: sigismondo Bordogna, 1555) fand in italien enorme Verbreitung, weniger das werk von Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia [1540], der übrigens leonardo als ausgezeichneten Bildhauer erwähnt (Vii, cap. 1, fol. 103r); speziell über die Goldprobe ebenda, ii, cap. 13, fol. 39r; ii, cap. 7, fol. 55r; iV, cap. 7, fol. 55r; iV, cap. 7, fol. 72v; V,

4. »Cimento«, »esperienzia«: Leonardo, Cusanus, die Wahrheitsfindung und Probierbücher

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aber für jede Goldschmiedewerkstatt des Quattrocento unverzichtbar war, zweifellos nicht minder für die von Verrocchio, leonardos lehrer; in dieser hatte leonardo, den zeittypischen Gepflogenheiten gemäß, eine Ausbildung als Goldschmied durchlaufen: es sind die sogenannten probierbücher. in einem dieser opuscula, dem 1362 verfassten Breve dell’arte degli orafi, lesen wir zur streichprobe: »di fare le tócche all’arte per li parragini*«.177 es besitzt hohe wahrscheinlichkeit, dass in so manche titelgebung dieser Manualen Begriffe wie cimento oder paragone einflossen. entscheidend in unserem Zu­ sammenhang ist vor allem, dass sich primär durch leonardos Zutun – mit cimento, esperienzia, paragone, comparazione, dimostrazione – ein aus diesem schrifttum geschöpf­ tes und in diesem tief verwurzeltes Begriffsrepertoire in diejenige ars colloquendi ein­ bürgerte, die auf den rang und wert der Künste ausgerichtet war. diese terminologie, die im leser oder im hörer Vorerwartungen abgerufen haben muss, ist weder in den paragone­passagen Albertis noch in denen von Filarete vertreten.178 Offenkundig einge­ färbt durch den werkstattjargon, trat bei leonardo das probier­Vokabular in ein neues Beziehungsnetz ein, das künftighin nachhaltig die rhetorik des paragone bestimmte.

cap. 2, fol. 73v. das erste gedruckte probierbuch hieß Nützlicher Bergbüchlein, 1518, gefolgt vom Probierbüchlein und mehreren werken Agricolas, der sich seit 1524 für zwei Jahre in italien aufhielt; s. eine erste sichtung der probierbücher (mit Bibliografie) in ernst darmstädter, Berg-, Probir- und Kunstbüchlein (Münchener Beiträge zu Geschichte und literatur der naturwissenschaften und Medi­ zin 2–3), München, 1926, s. 62ff. Über theophilus’ Schedula diversarum artium (über die Goldprü­ fung iii, cap. 58) schlosser, [1924] 1985, s. 22f. 177 Breve dell’arte degli orafi; zitiert nach Gaetano Milanesi, Documenti per la storia dell’arte senese, siena, 1954, Bd. i, s. 57–135, s. 91, cap. 78; die fast identische wendung in den Statuti, ordini, et privilegi dell’Arte, et Universita de gl’orefici della Città, e Ducato di Milano sotto la scuola, e protettione del Beato Santo Eligio, Mailand, o. J., s. 20ff.; Statuti degli orafi senesi, Xci­i­36: »di fare le tocche all’arte per li parragoni*«; in der 1488 in Mailand (bei Antonio Zaroto) gedruckten Letologica (»lithologie«) lesen wir: »Fabri d’argento et d’oro cum soi toc[c]hi / cum ben conoscier la bontà del tut[t]o / et cum saper partir l’util dal brut[t]o«; zitiert in Francesco Malaguzzi­Valeri, La corte di Lodovico il Moro, 4 Bde., Mailand, 1913–1923, Bd. iii, s. 272. 178 siehe App. iii/B, nr. 4–6, nr. 8, nr. 13. in Albertis Malereitraktat war allerdings zu lesen, dass der spiegel selbst schon als »guter richter« (»buono giudice«) fungieren könne (Alberti, Della pittura, ii, s. 142). direkt vor einem passus über die Goldprobe bezeichnet das Alte testament das herz als den spiegel des Menschen; s. Spr 27, 19–21; vgl. auch dante, Paradiso, XiX, vv. 28ff.

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5. Vom instrument des Gorgias zur rhetorik und dialektik was die auf die disputierpraxis angewandte Metaphorik der prozessualen wahrheits­ findung betrifft, so ging ein nicht geringes Quantum an wirkung von platons dialog Gorgias aus. diesen las man laut hankins im Quattrocento bevorzugt in leonardo Bru­ nis lateinischer Übersetzung (1409), durch die sich eine rezeption größeren Umfangs entfaltete.179 ›Sokrates‹ erwägt im Gorgias, eine seele aus Gold zu haben. Gerne würde er dieser vergleichend den trefflichsten jener steine entgegenhalten, mit der sie das Gold prüfen (486d). doch im weiteren Gesprächsverlauf rückt er davon ab. sein dialogischer Austausch mit ›Kallikles‹, den er als dieses Kleinod (sc. als probierstein) erkennt (486e), erübrige jede andere probe: »[…] wenn du mit mir über etwas in unseren reden übereinkommst, das wird als­ dann hinlänglich erprobt sein durch mich und dich, und es wird nicht nötig sein, es noch auf eine andere probe zu bringen.«180 diese sequenz verknüpft im wesentlichen zwei Gemeinplätze: den Vergleich zwischen der erprobung des Goldes mit der des Menschen, genauer, seiner seele oder treue, eine ungemein populäre Metapher, die mindestens so alt ist wie eine elegie des theognis von Megara, die noch Bessarion zitiert,181 und die infolge ihrer reichen entfaltung in der Bibel, im werk lukians und Ovids182 in der renaissance – von Alberti bis Aretino – 179 siehe leonardo Bruni Aretino, Humanistisch-Philosophische Schriften, hrsg. v. hans Baron, leipzig und Berlin, 1928, s. 161, 163, 172–174 und Platonis Gorgias Leonardo Aretino interprete, hrsg. v. Mat­ teo Venier, Florenz, 2011. Über Brunis Gorgias­Übersetzung als eine seiner ambitioniertesten Über­ setzungsarbeiten James hankins, Plato in the Renaissance (columbia studies in the classical traditi­ on 17, 1–2), 2 Bde., leiden, new York, Kopenhagen und Köln, 1990, Bd. ii, s. 379, s. 382, 394–396. 180 platon, Gorgias, 487e, Bd. i, s. 242 (Üs: schleiermacher); charles trinkaus, The Scope of Renaissance Humanism, Ann Arbor Mich., [1911] 1983, s. 169ff.: »humanist and Greek sophism: protagoras in the renaissance« und s. 427ff.: »the Question of truth in renaissance rhetoric and Anthropology«. 181 Als einer der ersten erklärte sich theognis selbst zum probierstein. Man erkenne ihn selbst in jeder Facette auf diesem wie geläutertes Gold in seiner redlichkeit; s. theognis von Megara, Elegien, s. 83; vgl. Bessarion, In calumniatorem Platonis, fols. 42vff. Bessarion zitiert theognis, dann die wahrheits­ findung im Gorgias­dialog; vgl. auch euripides, Medea, vv. 516ff.; chiaro davanzati, Rime, hrsg. v. Aldo Menichetti, Bologna, 1965, XXX­7: »or sono al paragone*: / che s’amor per ragione […].« Bekannt blieb chilons lied (v. 6. Jh. v. chr.) aus dem Gastmahl der Sieben Weisen durch die wiedergabe in diogenes laertius, Leben, cap. ›chilon‹, i, 71, s. 66 (Üs: Fritz Jürs): »Am probierstein wird das Gold geprüft, / er liefert deutlichen Beweis; / Am Gold jedoch / Beweist sich ja der Männer sinn, ob gut oder böse.« 182 so heißt es beispielsweise in der Bibel (Spr 17, 3): »der schmelztiegel ist für silber da, der Ofen für Gold, die herzen aber prüft der herr.« Zur erprobung des Menschen Spr 26, 2; Ps 66, 10; Spr 27, 21; Sir 2, 5; Mal 3, 3. – lukian, Der Parasit, Bd. i, s. 139: lukian setzt die Klangprobe von guten und schlechten töpfen in parallele zur probe der wissenschaften (Grammatik, Arithmetik, Mechanik); mit diesen will die ›parasitik‹ – nach der Art der Münzprobe von wechslern – in gleichem rang bei der Menschenprobe stehen. Vgl. Augustinus, De civitate Dei, i, 8 und Ovid, Tristia, i, 5, vv. 25–26.

5. Vom Instrument des Gorgias zur Rhetorik und Dialektik

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11 Golddukat von Francesco II. Gonzaga, nach 1484, Mantua, Museo numismatico

nichts an Bedeutung eingebüßt hatte.183 nicht allein der 1441 in Florenz ausgetragene dichterwettbewerb (Certame coronario) über die Freundschaft bediente weidlich diesen topos,184 selbst bildkünstlerische werke, zumal jene aus Gold, wie bespielsweise ein Dukat des Francesco II. Gonzaga (Abb. 11), spielen mit ihm. nach der legende, die um ein rutenbündel im lodernden Feuer herumgeführt ist, ist der umseitig figurierende herrscher von Mantua, erprobt und erkannt worden (»d[omine] prOBAsti Me [e]t cOGnOVisti Me«) – man möchte ergänzen: wie das Gold, aus dem die Münze gefertigt ist.185 der andere Gedanke, die weisheit der dialogpartner als bester Garant der wahrheitsfindung (487a), korrespondiert mit dem humanistischen eloquenz­ideal der unteilbaren Zusammengehörigkeit von Mensch und rede, indem die rede die wah­ re untrügliche preisgabe des Menschen sei.186 nicht zuletzt plinius’ Bericht über ein 183 Alberti zitiert Ovid (s. o.): wie man den Goldglanz erst sehe, wenn es im Feuer gebrannt sei, so werde die treue erst ganz sichtbar, wenn das schicksal uns schlage (Alberti, Anuli, in: Alberti, Opera inedita, s. 225: »ut fulvum spectatur ignibus aurum, tempore sic duro est inspicienda virtus?«). pietro Aretino spielte in der dedikation der Astolfeida mit dem Bild des liebhabers des wahren: »Voi soli vorreste morire per il vero, ma il vero vi tien vivi perché siate il paragon* de’ bugiardi«, in: pietro Are­ tino, Poemi Cavallereschi, hrsg. v. danilo romei, rom, 1995, s. 239. 184 dazu eingehend cap. iV.3.3. 185 (O herr, du hast mich erprobt und erkannt); vgl. Ps 139, 1 (Mantua, Museo numismatico, Fondazio­ ne Banca Agricola Mantovana); zuletzt in A casa di Andrea Mantegna, 2006, s. 402, nr. 62; vgl. s. 100; dem sinn nach versteht sich die Münze wie die worte von petrarca/Giovanni di san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 84, Bd. i, s. 314: »l’oro si suole provare col fuoco, e l’animo con l’oro e colla pecunia.« 186 die Berufung auf sokrates auch bei ioannes siceliota Ad Hermogenem: »Auch sokrates pflegte zu sagen, wie das leben ist, so ist auch die rede, wie die rede, so auch die taten.« der griechische Ori­ ginaltext bei christianus walz, Rhetores Graeci, Vi, stuttgart und tübingen, 1834, s. 56, nr. 504. im

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standbild mit vergoldeter Zunge – es würdigte einen weisen sterndeuter – beflügelte anschauliche Gleichsetzungen der redeweisheit mit Gold.187 dass sich ausgerechnet Gorgias als berühmter rhetor in delphi sein eigenes standbild aus Gold gesetzt haben soll, begünstigte diesen Vergleichssprung.188 in seinem Buch Ad Petrum Paulum Histrum, nach Batkins mit recht geäußerter erkenntnis nahezu eine programmschrift über das glorreiche frühneuzeitliche wieder­ aufleben der rhetorik, feierte leonardo Bruni zu Beginn des Quattrocento das von cicero aus Griechenland importierte »aureo illo eloquentiae flumine irrigata«; Ficino sprach vom empfang des weisheitsgoldes, und savonarola legte 1494 in predigten nach: die weisen der welt seien wie Gold, weil das Gold die weisheit bedeute; andere, mitunter die redner und die dichter, klassifizierte er hierarchisch nach Metallsorten ab.189 schließ­ lich hielt cristoforo landino einen etymologischen schlüssel für die Verknüpfung der läuterung mit der rhetorik bereit: »putare« bedeute »reinigen«; deshalb, so fährt er fort, sprechen wir vom lauteren, vom gereinigten Gold (»aurum purum«), aber auch von dis-

Zusammenhang mit dem vir-bonus­ideal vgl. auch cicero, Tusculanae disputationes, V, 16, 47. Für Menander ist der Ausspruch überliefert: »des redners wesen kann man aus der rede erkennen«; s. Menanders Denksprüche. Die griechischen und lateinischen Texte, neu hrsg. v. richard walther, Mün­ chen, 1967, s. 10, nr. 26. Bei den römern kursierte das sprichwort: »sermo ánimi imagost: út vir, sic oratio.« 187 Vgl. plinius, NH, Vii, 123, s. 88: »astrologia Berosus, cui ob divinas praedictionis Athenienses pub­ lice in gymnasio statuam inaurata lingua statuere; […].« Zur ikonologie des Goldes im Quattrocento Baxandall, [1972] 1984, s. 28–29, s. 110f. seine glänzende rednergabe hat dem dion von prusa nach seinem tod den Beinamen »chrysostomos« (Goldmund) eingetragen; s. synesios, Dion, 1, 2. Vgl. Spr 30, 5: »Jede rede Gottes ist im Feuer geläutert.« 188 Vgl. plinius, NH, XXXiii, 83, s. 64: »hominum primus et auream statuam et solidam lXX circiter olympiade Gorgias leontinus delphis in templo posuit sibi.« pausanias, Beschreibung Griechenlands, X, 18, 7 hatte es noch mit eigenen Augen gesehen; cicero, De oratore, iii, 129, s. 526 hielt es für einmalig: »cui tantus honos habitus est a Graecia, soli ut ex omnibus delphis non inaurata statua, sed aurea statueretur«. 189 weiter führt savonarola aus: das silber stehe für die redner und bedeute Beredsamkeit, die tönenden Metalle für die dichter, wegen des Klanges ihrer Verse, das eisen für die Grammatiker, die wenig Klang besäßen, das holz für diejenigen, die dumme und unsinnige dinge ohne Verstand schreiben würden; s. savonarola, Prediche sopra Aggeo, Xi, s. 182: »per lo oro qui si può pigliare li sapienti del mondo, che sono da costoro laudati, perchè l’oro significa la sapienzia: l’argento, la eloquenzia, che sono gli oratori: el metalli, che è sonante, significa e’ poeti, che non hanno altro ch’el suono de’ loro versi: el ferro, per li grammatici che hanno puoco suono: el legno, per quelli che scrivano cose sciocche e sanza ragione e insensate.« Bruni, Ad Petrum Paulum Histrum, i, cap. 18, s. 243; dazu Batkin, 1979, s. 265. in Ficinos Brief an Bessarion heißt es: »[…] quam sapientiam, et aurum appellavit pretiosissi­ mum, postulavit, aurum hoc platoni a deo tributum, platonico in sinu ut potè mundissimo fulgebat clarissime.« Ficino, Epistolarum, i, in: Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 616f.; und nach der nennung der platon­Kommentatoren: »[…] officinam aurum illud iniectum. […] velut igne aurum purgarentur.«

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putare, sofern eine redetechnik auf Klarheit abziele.190 nicht zuletzt der einfluss der dialektik, in deren etymologie mit der Medialform dialégein (sondernd auslesen) ein gewisser mechanischer Zug anklang,191 schürte eine Metaphorik der wahrheitsfindung, die sich beim Abwägen der Gegenstände, wie 1439 in lorenzo Vallas Dialecticae disputationes, zunehmend der Übergriffe in das werkstoff­Arsenal der bildenden Künstler bediente. Jenes Abwägen (»probationis speciem«) sei vonnöten, um Materialqualitäten zu erkennen, ob sie steinern, aus Marmor, Blei, eisen, silbern oder golden seien.192 tatsäch­ lich mangelt es nicht an Querverweisen auf die figurativen Künste.193 lange bevor Benedetto Varchi einen »paragone* de’ filosofi« zur prüfung aller dinge der welt guthieß194 und lange bevor der Florentiner Anton Francesco doni in seinem werk über Zahlenmystik, I numeri (1562), mit dem Bild eines läuterungshauses, »cAsA di pArAGOne« (Abb. 12), sich dem traum von Klarheit über die geheime Verbindung von Buchstaben und Zahlen überließ,195 ertönte aus einem der vielen, agonal inszenier­ ten spettacoli des Quattrocento ein echo auf die Verschränkung der Goldprobe mit der 190 landino, Disputationes Camaldolenses, i, s. 20: »putare enim purgare est: […] inde aurum putum, id est purgatum; inde disputare, cum id orationis genus adhibemus, in quo, ne quid confusum obscura­ tumque reddatur, pura et quae dilucida sint ponuntur verba.« 191 Manfred lossau, s. v. »dialektik«: in: HWdRh, hrsg. v. Gert Ueding, Bd. ii, tübingen, 1994, sp. 560–567, sp. 560; zur rolle der dialektik von Valla peter Mack, Renaissance Argument. Valla and Agricola in the Traditions of Rhetoric and Dialectic (Brill’s studies in intellectual history 43), leiden, Boston und Köln, 1993, s. 22ff.; eugenio Garin, »la dialettica dal secolo Xii al principio dell’età moderna«, in: Studi sulla dialettica, hrsg. v. nicola Abbagnano et alt., turin, [1958] 1969, s. 122–137. 192 Valla, Dialecticae disputationes, i, in: Valla, Opera omnia, Bd. i, s. 694: »[…] lapidea, marmorea, plumbea, ferrea […] argenteum, aureum«; vgl. i, s. 650. Zu den Abhandlungen des 15. Jahrhunderts über die dialektik John Monfasani, Georg of Trebizond. A Biography and a Study of his Rhetoric and Logic (columbia studies in the classical tradition i), leiden, 1976, s. 37ff. der gegen 1420 nach italien ausgewanderte Georg von trapezunt, ein schüler Vittorino da Feltres, brachte zwischen 1439 und Mitte 1440 eine besonders in Florenz vielbeachtete dialektik zu papier, Isagoge dialectica; Gio­ vanni tortelli verfasste Anfang der vierziger Jahre des Quattrocento, heute verloren, die Commentaria de ratione disserendi et artis dialecticae praecepta; der in pavia und Ferrara ausgebildete rudolf Agrico­ la schrieb 1476/79 De inventione dialectica. Zur Bedeutung der dialektik platon, Politeia, 6, 511a3– d5; 7.533b1–d4; 7.533d4–e2; die dialektik als disziplin der disziplinen für Augustinus, De ordine, ii, 38; vgl. derselbe, De dialectica (PL, Bd. XXXii, sp. 1409ff.). 193 so führt Valla das Beispiel des Malers Aurelius priscis an, der die Gunst der Frauen gewann, indem er sie als Göttinnen darstellte; s. Valla, Dialecticae disputationes, iii, in: Valla, Opera omnia, Bd. i, s. 739; und ebenda, iii, cap. 14, s. 750: »[…] quod est discipulo sit praeceptor, non autem statua, sed statua sit ex aere […].« 194 Varchi, Storia Fiorentina, 5 Bde., Mailand, 1803–1804, Bd. i, s. liiif.: »[…] che si dovea, risponderei nondimeno, se colla bilancia delle leggi o pur col paragone* de’ filosofi pesassono e cimentassero le cose del mondo, […].« 195 die herleitung der illustration von probieröfen­darstellungen ist offensichtlich; das aus tor und Fenster sich herauswindende schriftband (»cAsA di pArAGOne«) erinnert an rauchschwaden. donis Allegorie suggerierte trotz der Anwendung auf die esoterik die Vorstellung von empirie; s.

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ars disputandi. im Beisein des Monsignore della torre, von ludovico il Moro und dem herzog ercole d’este kam es in pavia zu einem performativen rangstreit der sieben freien Künste. nach der 1493 gedruckten schilderung, die auf leonardos Freund, den Florentiner dichter Bernardo Bellincioni, zurückging, wartete die ›Grammatik‹ mit dem Vokabular der Goldprobe auf, und sie beschloss ihre versifizierte selbstbehaup­ tung mit einem paragone­Motiv. sie insis­ tierte auf dem wert der literarischen Zeug­ nisse (»lettere«) als den besseren, sprich: den ewigen Gemälden (»pitture eterne«): »come nel foco più s’affina l’oro, / così di tempo in tempo un fo felice, / se bene un muor, di vita lo ristoro:« (vv. 1–3).196 die ›Logica‹ lenkte daraufhin ein, unter Betonung des nutzens ihrer Argumente für die Künstler (v. 9): »logica sono io, e son colei / che ’l 12 »Casa di paragone«, illustration aus: Anton Francesco doni, I numeri, 1562, wien, ver fo parer falso, e ’l falso vero;« (vv. 1–2). Österreichische nationalbibliothek, Ms. dass die antike agonale tradition auch im Vindobonensis palatinus 10.982, fol. 14r cinquecento nicht überlesen wurde, zeigt ein widerhall im druckerzeichen des in Udine und Venedig bezeugten typographen Giovanni Battista natolini (1551–ca. 1606). natolinis druckerimprese, in einigen Varianten überliefert, bestand aus dem Kartuschenbild einer Frau bei der streichprobe.197 sie sitzt mitunter am tisch vor aus­

doni, I numeri, fol. 14r, s. 50 (Abbildung 627) und s. 49: »hor’ veniano alla chiarezza: Qua bisogna la prova con più brevità di parole, come mostrano le lettere poste nella casa del Paragone* del numero 627, […].« 196 die sog. Rappresentazione, in der auch ›Merkur‹ und ›Juno‹ auftraten, erschien in Mailand bei Filippo Mantegazi; s. Bellincioni, Rime, Bd. ii, s. 243; Bellincionis Gedichte bezeugen seine Zusammenar­ beit mit leonardo 1490 in Mailand, anlässlich einer »Festa del paradiso«; s. ebenda, ii, s. 208ff. 197 natolini wurde 1551 in colloredo di Monte Albano geboren. die als Quellenfundus bildlich­literärer Umsetzungen viel zu wenig beachteten druckermarken sind, leider ohne Angabe der Büchertitel, die sie zierten, für das cinquecento zusammengestellt bei Giuseppina Zappella, Le marche dei tipografi e degli editori italiani del Cinquecento. Repertorio di figure, simboli e soggetti e dei relativi motti, 2 Bde., Mailand, 1986, Bd. i, s. 163–164, die Abbildungen Bd. ii, nr. 500–502.

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13 Die Probe der Sterblichen, druckermarke des Giovanni Battista natolini (1551–ca. 1606)

gebreiteten Münzen (Abb. 13).198 das stets beibehaltene griechische Motto »probe der sterblichen« (»ΒΡΟΤΩΝ ΕΛΕΓΧΟΣ«) enthüllt uns wegen des offenkundigen rekurses auf pindars vierte olympische Ode den dezidiert agonalen Bezug: der wegen seines hohen Alters unerwartete wettlaufsieg des Argonauten erginos war für pindar der Beweis, dass erst die erprobung – in diesem Fall das ergebnis des Agons – den wert und die leistung der Menschen zu erkennen gebe: »nicht mit lüge benetzen werd’ ich / das wort«, heißt es in den Oden, »[die] probe der sterblichen ist Bewährung«.199 durch den originären Bezug auf das wort sah sich natolini als typograf offenbar zur Aneignung des Mottos in eigener sache inspiriert. dass natolini durch seine Autorschaft an einem Discorso intorno all’arte della stampa profil gewann und mit dieser diskussion um den wert der »libri stampati« in die Fußstapfen leonardos trat, verwundert nicht.200 die 198 ebenda, Bd. ii, Abb. 502; eine stehende Frau in peplosartigener Gewandung vor einer Fernlandschaft ebenda, Bd. ii, Abb. 501; vgl. auch Abb. 500. 199 pindar, Olympische Oden, nr. 4, vv. 17–18, s. 33 (Üs: dieter Bremer). 200 natolinis Discorso intorno all’arte della stampa erschien 1606; vgl. leonardos Äußerungen zu den »libri stampati« im paragone: leonardo, Libro di pittura, i, 8, Bd. i, s. 135; vgl. carlo pedretti, Studi Vinciani, Genf, 1957, s. 109–117, bes. s. 111–112.

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tribute an das wort, zuvörderst das gesprochene wort, dessen wert in einem prozedere geprüft werden kann, machte die läuterungsmetaphorik einmal mehr attraktiv. Bei all dem schwang stets die Vorstellung mit, dass sich letztendlich, mit dem Vokabular der rhetorik gesprochen, in einer »evidens probatio«, einer ins Auge stechenden Beweisfüh­ rung, etwas erweisen wird. wenn Quintilian die Anschaulichkeit dieser mit dem Ver­ weis auf geometrische Zeichnungen plausibel macht,201 dann lässt sich erahnen, dass der Gedanke zum Greifen nahe lag, sie auch in den Bildkünsten materialisiert und vorgeführt zu sehen.

6. Ausblick: statuen im Güte­wettstreit in lukians Iupiter tragoedus und die Folgen die Valorisierung von Kunstwerken ist ein altes, nicht erst im paragone akutes thema. sie kanalisierte sich insbesondere durch leonardos denken in der streitfrage, ob eher der bloße Materialwert oder, davon unabhängig, der rein künstlerische wert ins Gewicht falle. in den letzten dekaden widmeten sich studien sehr ersprießlich dem lange stief­ kindlich behandelten thema der Materialästhetik und –ikonografie.202 die wurzeln dieser im paragone diskutierten Antithese erhellten sie nicht. näher besehen ging die weitaus größte stoßkraft für dieses paragone­Argument von einer satire lukians aus, dem Iupiter tragoedus, im wesentlichen einem erhitzten rangstreit um die Göttersitze, der aus Anlass einer Götterversammlung entfacht. der nicht geringe reiz dieses Zwistes für die Kunstliteratur der renaissance lag hauptsächlich darin, dass nicht die Götter mit­ einander in streit gerieten, nein, deren standbilder unterschiedlichen Materials, nach­ dem Zeus sie um ihre Aufstellung gemäß ihrer jeweiligen Materialgüte gebeten hatte.203 die dergestalt abgerufene hierarchie suggerierte den ersten platz für die statuen aus Gold, gefolgt von denen aus silber, aus elfenbein, im Anschluss die aus Bronze oder stein; unter den letzteren wird differenziert zwischen den Meisterwerken gefeierter Bildhauer­ persönlichkeiten (v. phidias, Alkamenes, Myron, euphranor) und den eher bescheide­ nen elaboraten.204 Unter den heftig aufgebrachten, kaum zu bändigenden standbildern 201 Quintilian, Institutio oratoria, V, 10, 7, Bd. i, s. 550: » άπóδειξις est evidens probatio, ideoque apud geometras γραμμιxα`ι άποδείξεις dicuntur.« Vgl. zur »evidens probatio« Valla, Dialecticae disputationes, ii, in: Valla, Opera omnia, Bd. i, s. 722. der hinweis auf die wurzeln der experientia im apódeixisBegriff in Uwe walter, s. v. »experientia«, in: HWdRh, Bd. iii, tübingen, 1996, sp. 142–144, sp. 143. 202 siehe mitunter raff, 1994; Gramaccini, 1987, s. 147–170; weiterführende literatur zum porphyr s. cap. Vii.3. 203 lukian, Iupiter tragoedus, 7, Bd. ii, s. 101, s. 90ff. – die Materialhierarchie nach Zeitaltern in Ovid, Metamorphosen, i, vv. 114–115, s. 12: »[…] subiit argentea proles, / auro deterior, fulvo pretiosior aere.« 204 dieser passus aus lukians Buch inspirierte die bereits leicht vom paragone beseelte Material­diskus­ sion von Alberti, Della pittura, ii, 25, s. 102, wo es mitunter heißt, dass das Material »durch die hand

6. Ausblick: Statuen im Güte-Wettstreit in Lukians Iupiter tragoedus und die Folgen

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ist jedes, aber auch jedes von ihnen, nur zu geneigt, sich selbst in den Vordergrund zu spielen, und so nehmen die Argumente der Benachteiligten in diesem kühnen Auf­ begehren gegen die Ordnung diejenigen des paragone­disputs vorweg: eine Göttersta­ tue aus Gold stünde ungeachtet ihrer miserablen Ausführung vor echten Bronzekunst­ werken etwa eines Myron oder polyklet. sollte nicht eher die künstlerische Qualität den Vorzug bekommen? der bronzene ›Poseidon‹ lysipps zumal führt die priorität des Mate­ rialwertes ad absurdum. warum solle er, immerhin poseidon, den platz hinter dem hun­ degesichtigen ägyptischen Gott Anubis aus Gold beziehen? nicht minder vor den Kopf gestoßen zeigt sich die ›Knidische Aphrodite‹ des praxiteles. Zunächst beflügelt vom homer­diktum der ›goldenen Aphrodite‹, wird sie nachgerade an ihre Konsistenz aus nur weißem Marmor erinnert.205 lukians disput von vollendet karikierender Meisterschaft war im Quattrocento – nach Auskunft von david Marsh – augenscheinlich allein nur im griechischen Original­ text zu konsultieren.206 das muss Alberti insofern getan haben, als wir in De pictura lesen, dass eine von phidias oder praxiteles gefertigte statue aus dem billigsten aller Metalle, sprich: Blei, dennoch wertvoller als unbearbeitetes, (dem Materialwert nach) eigentlich kostbareres silber sei. ein paragone lag insofern in der luft, als nun dem Maler die gleichen Gaben unterstellt wurden: das Gold, das der Maler im Gemälde verarbeite, übertreffe eine gewaltige Menge pures Gold.207 plinius der Ältere hatte diese Vorstellung in die welt gesetzt, dass ein Gemälde »mit Gold aufgewogen« werden könne.208 nach weiteren, eher leisen referenzen an den Iupiter tragoedus in Albertis Buch Momus, das mehrfach den Zwist unter Göttern beredete und nach sehr deutlichen spuren in einem dialog, der an späterer stelle zu besprechen sein wird, Maffeo Vegios Disceptatio inter terram solem et aurum (1452),209 übertrug leonardo die von lukian, sehr früh aber auch in petrarcas De statuis­dialog vorgezeichnete Antinomie von Material­ oder Kunstwert schließlich auf die Bildhauerei und die Malkunst, wobei der Malerei, ausgestattet mit dem rüstzeug des mehr ideellen und ingeniösen, deshalb die Aura des künstlerisch

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des Malers noch kostbarer« (»[…] per mano del pittore […] più preziose«) werde, um dann zum Mate­ rialwert in der Bildhauerei zu kommen. Vgl. homer, Odyssee, v. 337; zur Knidischen Aphrodite Berthold hinz, Aphrodite. Geschichte einer abendländischen Passion, München und wien, 1998, s. 17ff. Vgl. auch Jürgen coenen, Lukian. Zeus tragoedos. Überlieferungsgeschichte. Text und Kommentar (Bei­ träge zur klassischen philologie 88), Meisenheim am Glan, 1977. Alberti, De pictura, ii, 25, s. 234–236: »Aurum quoque ipsum picturae arte elaboratum longe pluri­ mo auro penditur. Quin vel plumbum, metallorum vilissimum, si phidiae aut praxitelis manu in simulacrum aliquod deductum sit, argento rudi atque inelaborato esse pretiosius fortassis videbitur.« es war ein Gemälde von Bularchos; s. plinius, NH, XXXV, 55, s. 48/49: »[…] repensam auro«; vgl. auch ebenda, 93, die Goldmünzen, die Apelles für ein Gemälde erzielte; und ebenda, 62: Zeuxis habe seine Gemälde verschenkt, weil sie nicht angemessen bezahlt werden konnten. Zu Vegios dialog s. cap. iii.1.; Alberti, Momus, i, s. 16/17; s. 28/29; vgl. auch derselbe, De re aedificatoria, Vii, cap. 17.

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II. Begriffsgeschichtliches zum Paragone-Disput

höherwertigen beiwohnt. leonardos Argumentation zehrte maßgeblich von lukians räsonnement, als er die größere haltbarkeit der statuen mit dem bündigen, stereotyp wiederholten einwand entkräftete, dies sei nur eine Qualität des Materials und nicht der Kunst, kein Verdienst des Künstlers.210 im paragone des cinquecento trat das echo des Iupiter tragoedus in aller deutlich­ keit zutage. so ersann Anton Francesco doni 1552 einen disput zwischen ›Momus‹ und ›Jupiter‹, in dem statuen unterschiedlichen Materials die Bühne betraten: eine statue der Diana Pellenea (sc. pellene) aus spiegel oder Glas, eine Fortuna aus Gold, ein schwarzer Memnon von der Güte des »pietra d’etiopia«.211 im architektonischen Künstlerpantheon, den lomazzo in seiner schrift Idea del tempio entwarf, kreuzte sich die verdiesseitigte lukian­rezeption mit alchemistischem Vorstellungsgut, dessen ergebnis ein aus sieben regenten der Malerei errichteter tempel war: mit Michelangelo aus Blei, Gaudenzio Ferrari aus Zinn, caravaggio aus eisen, raffael aus Messing, Mantegna aus Quecksil­ ber, tizian aus silber, und leonardo aus Gold.212 das gegen Mitte des cinquecento sich breit machende, im paragone oft diskutierte Gerücht von einst in rom erspähten anti­ ken personifikationen einer silbernen Malerei und einer goldenen Skulptur war nurmehr wasser auf die Mühlen einer rangstreitdiskussion, die der griechische satiriker, nicht unbeeindruckt vom Austarieren der Metallgüte, losgetreten hatte.213

210 leonardo, Libro di pittura, i, 37, s. 160: »questa tal cosa non fa più dignità nello scultore, perché tal permanenza nasce dalla materia, e non dall’artefice«; i, 38, s. 162: »virtù della materia, e non dallo artefice«; vgl. i, 43; wenig überzeugend der hinweis von Farago, 1992, s. 395 auf die Abhängigkeit des Gedankens von dion von prusa (Olympische Rede, 69). dion thematisiert allein die schwierigkeit des Bildhauers bei der Bearbeitung seines Materials, mehr nicht. Ganz ähnlich wie lukian verfährt jedoch petrarca: ›Ratio‹ wirft seinem Unterredner vor, er wisse bei skulpturen allein den wert des Materials und nicht den der Kunst zu würdigen; eine statue aus Gold von bescheidenem Kunstwert bedeute diesem mehr als eine aus Kupfer oder Marmor. Aber diese liebe gelte dem Gold, nicht der statue; s. petrarca, De remediis, i, cap. 41, s. 141. 211 doni, I mondi, s. 174ff. 212 lomazzo, Idea, cap. 9, Bd. i, s. 279ff. 213 die höherwertigkeit des Goldes erschien Bildhauern wie eine Bürgschaft für die höherwertigkeit ihrer Kunst; als paragone­Argument in Varchi, Lezzioni, in: Scritti d’arti, 1971–1977, s. 532; tribolo im Brief an Varchi, in: ebenda, s. 519; doni, Disegno, in: ebenda, s. 561. worauf dieses Gerücht beruhte, bleibt unklar. ein kontinuierliches Ausspielen des dualismus von Gold – silber, der im lob­ preis der Glanzleistung des hephaistos kulminiert, enthält die berühmte palast­Beschreibung von homer, Odyssee, Vii, vv. 82–100.

6. Ausblick: Statuen im Güte-Wettstreit in Lukians Iupiter tragoedus und die Folgen

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Obgleich der Kunstrangstreit im Verlauf des Quattro­ und des cinquecento de facto nie in den einen feststehenden terminus eingegangen ist, der diese Bedeutung bündelte, ließ sich jedoch zeigen, dass das zunächst neutral erscheinende Begriffsfeld für den wahrheitsfindungsprozess, der grundsätzlich zur Auslotung jeder werthierarchie von­ statten geht, schon in der Antike – ausgehend von einer primär rhetorischen tradition – durch Vergleichssprünge zum handwerkertum und zur Materialität der Künste gekennzeichnet war. er hatte längst eine entsprechende Metaphernbildung freigesetzt, die mitunter in probierbüchern weiterlebte. indem leonardo da Vinci erstmals dieses semantische Feld auf die Auslotung der Unterschiede zwischen den Kunstgattungen übertrug, wuchsen dem durchaus neue Valenzen zu, derer sich lomazzo in seiner nach­ folge bediente. eine große Folgewirkung im paragone­disput hatten sie nicht. schwer zu beantworten bleibt die Frage, ob leonardos Konsolidierung des probier­Vokabulars, ohne jeden hintersinn, nur seinem Künstlerjargon entsprach, oder ob ihm dieses als rhetorisches rüstzeug dazu angetan schien, sich und andere Künstler als die allein pro­ bate, autoritative instanz auszuweisen, wenn diese themenbezogene Art des dis-putare glanzvoll entfaltet wurde. Unser Befund, dass selbst das paragone­Argument der Güte der Künste aus diesen sinnhorizonten erwuchs, ist mit einer gewissen skepsis nicht überzubewerten. die Materialhierarchie war wie andere hierarchien wie eine Klaviatur prädestiniert, um den rang der Künste metaphorisch zur sprache zu bringen. Und doch sollte uns dieser Bezug für die äußerst komplexen wurzeln der debatte sensibilisieren.

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iii. der paragone in der literatur

1. die sprecherkonfigurationen in der dialogliteratur über den paragone seit petrarca nach diogenes laertius, einem der meistgelesenen antiken Biografen im Quattrocento, taten sich zwei namhafte griechische philosophen als dialogautoren über die Künste hervor: Aristipp aus Kyrene mit einem dialog Über die Statue und der sokrates­Freund Kriton mit einer schrift Über die Künste. diogenes laertius ließ den leser im Unklaren, welche sprechfiguren die explizit als dialoge gekennzeichneten werke besessen haben sollen.214 dass den sprechfiguren in der Antike schon eine besondere tragweite in der dialogkonzeption zukam, lässt sich aus der tatsache ermessen, dass eigens ein Begriff für deren erfindung existierte. Quintilian und das rhetorik­Buch Ad Herennium über­ liefern ihn, die Prosopopoiie, im lateinischen fictio personae, für nichtpersonenhafte sprech­ figuren – im Gegensatz zum terminus für reale personen in dieser Funktion, genannt Ethopoiie, lateinisch sermocinatio. humanisten wie beispielsweise Angelo camillo de­ cembrio waren selbstverständlich mit diesen definitionen vertraut.215 seit petrarca stellten sich dialog­Verfasser über den paragone mit ihrer wahl der sprechfiguren bewusst oder unbewusst in traditionen. An welche prototypen wurde bevorzugt angeknüpft? was erfahren wir daraus? Generell, wie auch außerhalb der Kunst­ literatur, lässt sich der eindruck der antiken Modelldialoge von platon, cicero und lukian nicht verleugnen.216 Bestimmte, sich wiederholende Grundmuster der dialog­ 214 diogenes laertius, Leben, ii, 84 und ii, 121. – Von hippias von elis ist überliefert, dass er auch über Malerei und Bildhauerei disputiert habe; s. VS, 86 A 2. 215 siehe v. »prosopopeia« in decembrio, De politia litteraria, Vii, cap. 80, 12, s. 482; vgl. Quintilian, Institutio oratoria, iX, 2, 29ff., Bd. ii, s. 280f. und Ad Herennium, iV, 52, 65; vgl. auch lausberg, [1960] 31990, § 820–829, s. 407ff. 216 Über die im Quattrocento rezipierten antiken dialogautoren stefano prandi, Scritture al crocevia. Il dialogo letterario nei secc. XV e XVI, Vercelli, 1999, s. 17ff.; über die ciceronische dialogtradition david Marsh, The Quattrocento Dialogue, cambridge Mass., 1980, s. 1ff. – Zum einfluss der schule von Guarino auf die Kultur der »controversiae« Anthony Grafton und lisa Jardine, From Humanism to the Humanities. Education and the Liberal Arts in Fifteenth- and Sixteenth-Century Europe, cam­

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III. Der Paragone in der Literatur

figuren treten im 15. und 16. Jahrhundert offen zutage. Zuweilen herrschen fließende Übergänge zwischen dem einfluss der klassischen dialogtradition, dem eindruck dia­ logloser reden (Soliloquia) und von diffusen antiken Quellen über die schlagfertigkeit einzelner Bildhauer oder Maler. in bemühter schematisierung lassen sich die sprecher in den dialogen über den paragone – es sind übrigens nie monothematische dialoge über ihn – wie folgt unterscheiden: nach debattierenden personifikationen, nach den vom campanilismo beseelten rivalen unterschiedlicher provenienz (das heißt im paragone meist – stellvertretend für die lokalen stilpräferenzen – disegno versus colore: ein Floren­ tiner gegen einen Venezianer); es gibt Paragoni zwischen individuell charakterisierten zeitgenössischen Adligen, Gelehrten, dilettanten, historischen Künstlerpersönlichkeiten, mythologischen Gestalten, unter Beteiligung sprechender Kunstwerke, und es fehlt nicht an solchen, die durch die einbeziehung längst verstorbener Geistesgrößen und Berühmtheiten ihren reiz aus einer höchst artifiziellen, die Grenzen von raum und Zeit durchbrechenden sprecherkonfiguration beziehen. Bekanntlich war der bedeutendste frühhumanistische Vorbote zum paragone petrar­ cas handbuch De remediis utriusque fortunae. Bereits in diesem dialogwerk ist der typus der diskutierenden personifikationen über die Künste, wohlbemerkt im Banne der mit­ teltalterlichen rangstreitliteratur,217 markant und, wie sich erweist, wirkungsmächtig ausgebildet, selbst wenn eine der beiden dialogfiguren, die ›Freude‹ (›Gaudium‹), kaum mehr ist, als der stichwortgeber des Antipoden, der ›Vernunft‹ (›Ratio‹). erst widmen sie sich den statuen (»de stAtUis«), dann der Malerei (»de tABUlis pictis«), wäh­ rend in den handschriften des Florentiner volgarizzamento von 1427 explizit ›Gaudio‹ und ›Ragione‹ mit einem deutlichen Mehr an lebendigkeit diskutieren.218 wir werden diese Volgare­Fassung noch eingehend besprechen. Unbeachtet im Kontext des paragone blieb bislang der wortstreit des wahl­römers und pädagogen Maffeo Vegio, die Dis-

bridge Mass., 1986, s. 8ff.; zum trivium an der wende zum Quattrocento Mack, 1993, s. 9ff.; über den dialog als dem – neben der epistel – lieblingsgenre der humanisten Batkin, 1979, s. 265ff. 217 Zur rangstreitliteratur des Mittelalters Moritz steinschneider, »rangstreit­literatur«, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, Philosophisch-Historische Klasse, 155, 4, 1908, s. 1–87; hans walther, Das Streitgedicht in der lateinischen Literatur des Mittelalters (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen philologie des Mittelalters V, 2), [München, 1920] hildesheim, Zürich und new York, 1984 s. 34ff. die Varianten der dialogfiguren waren zahlreich, beispielsweise ›Körper‹ – ›Seele‹, ›Glück‹ – ›Philosophie‹, ›Fleisch‹ – ›Geist‹; zu den einflussreichen dialogautoren des Mittelalters zählten Augustinus, Martianus capella und Boethius; vgl. panofsky, 1954, s. 2. 218 Baxandall, 1971, s. 53ff.; zu den vulgärsprachlichen Versionen christiane J. hessler, »Allegrezza ver­ sus ragione. petrarcas ›de remediis‹ in Volgare – 1549 – und die Kunstliteratur bei Giolito«, in: Ars natura adiuvans. Festschrift für Matthias Winner zum 11. März 1996, hrsg. v. Victoria von Flemming et alt., Mainz, 1996, s. 100–116. siehe auch cap. iii.2.2; laut prandi, 1999, s. 93 ist der Auftritt von »›locutori‹ più che ›interlocutori‹« wie in petrarcas De remediis utriusque fortunae typisch für die dia­ loge aus dem trecento.

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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ceptatio inter terram solem et aurum, 1452 gedruckt. einige passagen dieser kleinen schrift fallen in die Kategorie des zwischen personifikationen ausgetragenen rangstreits der Künste, wenn auch nicht im engeren sinne. ein gattungsübergreifender paragone zwischen Malerei und skulptur liegt nicht vor. Aber ›Terra‹, ›Aurum‹ und ›Sol‹ formulie­ ren rigide ihre rivalisierenden Geltungsansprüche hinsichtlich der skulptur. An dieser glaubt jeder disputant auf seine weise einen kreativen Anteil zu besitzen, sei es wegen der schönheit des statuen­Körpers – ›Terra‹ fühlt sich als deren schöpfer –, oder wegen des lichtes der sonneneinstrahlung.219 letztlich erweist sich denn auch die ›Sonne‹ (›Sol‹) als primus inter pares, da ohne sie eine dunkelheit wie bei Blinden herrsche (»[…] ut cecis visum«). nur durch ihr Zutun sei die skulptur überhaupt zu sehen, heißt es.220 eine denkbare Quelle für Vegios Auswahl der sprecher bot dion von prusas Olympische Rede. in ihr werden nacheinander die sonne (§ 27), die Mutter erde (§ 30) und Gold (§ 49) im Kontext der Gottesvorstellung aufgeführt. wenn Giovanni pontano, einer der bedeutendsten dialogautoren der renaissance, gegen 1490 ebenfalls einem unbeseelten Gegenstand sprache verleiht – im Asinus­dialog meldet sich ein ›Brief‹ (›Epistola‹) zu wort –, dann offenbart sich zugleich ein subtiler reflex auf polizianos Brief­definition: der Brief als der »gleichwie andere teil des dialoges« (»velut pars altera dialogi«).221 ›Epistola‹ verballhornt eine der hauptqualitäten der skulptur, ihre Vielansichtigkeit. denn

219 trotz der dialogform wirken die langen Beiträge der einzelnen sprechfiguren nahezu monologisch; Vegio, Disceptatio inter terram solem et aurum, fol. 2r: ›Terra‹ spricht: »non vererer cuiusque calumni­ am laudes meas maiore fortasse studio et efficatia quam modestiae ratio postulare videatque attige­ rem. nam quicquid de me pulchrum eximium admirationeque dignum pertulerim, totum id tibi magis cuius inenarrabili sapientia atque potentia talis ac tanta evaserim quam mihi: que nihil prorsus ante fuerim adiudicabit. non aliter ac si elegans quis polycleti vel phidiae manibus fabrecatum simu­ lachrum intueatque: non operis magis ipsius elegantiam quam opificis ingenium et solertiam admire­ tur« (ich würde mich nicht scheuen und dessen Verleumdung als meine Verdienste mit vielleicht größerem eifer und nachdruck darstellen, als es das prinzip der Bescheidenheit zu fordern scheint. denn was auch immer ich überaus schönes und Bewundernswürdiges aus mir hervorgebracht habe, das habe ich wegen dessen unsagbarer weisheit und sehr großer Kraft vielmehr für dich hervorkom­ men lassen als für mich; kurz vorher bin ich nichts gewesen. das wird man anerkennen. nicht anders würde, wer eine von den händen des polyklet oder des phidias gefertigte statue betrachtet, zumal wenn er kunstverständig [ist], [viel] mehr die Feinheit und eleganz des werkes selbst, als das talent und die Geschicklichkeit des Künstlers bewundern); ebenda, fol. 2v: »inde tot intueantur varias regiones et climata, tot necessarios frequenteque vicos et opida: excelsas arces: permunitas urbes: tot magnifice extructa templa fora theatra palacia scenas circhos thermas domos aulas praetoria«; und auf fol. 5v heißt es über die schönheit des menschlichen Körpers: »›Sol‹: ›[…] etiam laudavit ubi tunc metalla gemme lapilli«; auf fol. 7 spricht ›Aurum‹: »›[…] ductum inani ea maxime mei estimatione quidem sim come ornamentum statuari templorum vestium zonarum spiteri armillari.‹« 220 ebenda, fol. 15v. 221 poliziano, Commento alle Selve di Stazio (BnF, Ms. Magliab., Vii, 973, fol. 4v); zitiert nach carla Forno, Il libro animato. Theoria e scrittura del dialogo nel Cinquecento, turin, 1992, s. 252.

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III. Der Paragone in der Literatur

sie fordert: »[…] schicke mir einen vergoldeten Kamm, der aus elfenbein ist, von praxi­ teles entworfen und der beim striegeln und wenn er auf dem rücken hin und herstreicht, mich kitzelt«.222 süffisant alludiert diese sequenz an den sprichwörtlichen reiz der sagen­ umwobenen Knidischen Aphrodite des praxiteles, deren stimulierende rückenansicht laut pseudo­lukian die Besucher zu sexuellen Übergriffen animierte. diese ungeheuer­ lichen Vorkommnisse befand domizio calderini 1475 der Aufnahme in seinen statius­ Kommentar für wert. seine Begründung der Attraktion rückt das Aspektkriterium der skulptur, ihre rundansicht, ins rechte licht: »ex omni parte admiratio signum«.223 dis­ kutierende personifikationen wurden trotz der einbußen an Beliebtheit im paragone des cinquecento keineswegs obsolet. dies belegen die rangstreitdebatten zwischen ›Natur‹ und ›Kunst‹ in Anton Francesco donis dialog Disegno (1549). hinsichtlich der sprecher wurden Anleihen an einer populären mittelalterlichen tradition genommen.224 der schritt von mehr oder minder beliebigen personifikationen, die sich im streit über die Künste ergehen, zur ›Malerei‹ und ›Skulptur‹ als disputanten lag in der luft. den pro­ totyp hierfür schuf der samosatrische satiriker lukian in seinem autobiografisch gefärb­ ten Traum mit dem Auftritt der ›Skulptur‹ und der ›Bildung‹. es war leonardo, der die eignung des profils der lukianischen ›Bildung‹ zur Übertragung auf die Malerei erkannte. 222 pontano, Asinus, s. 624/625 (Üs: hermann Kiefer): »[…] pectinem mihi auratum emito, qui sit eburneus, praxitelicus, qui dum stringitur, dum dorso agitur, tinniat mihi, […].« – Auf einen streit zwischen Zimmermannswerkzeugen verweist steinschneider, 1908, s. 27, nr. 15. 223 pseudo­lukian, Erotes, nr. 4. eine Zusammenstellung der antiken Quellen zur Knidia in hinz, 1998, s. 35ff. domizio calderini, In sylvas Statii Papinii (zu iV, 6, 27) berichtet über ihre bewundernswerte Vielansichtigkeit und ihre erotische Ausstrahlung: »praxiteles marmoris gloria etiam semet vicit: duas Veneres vendidit magnae admirationis. […]: alteram: quae reliqua erat emerunt Gnydii: ad quam spectandam multi navigabant nicomedes rex eam voluit emere repromittens se dissoluturum totum aes alienum gnidiorum: illi recusarunt tota aedicula aperiebatur ut spectaretur: par erat ex omni parte admiratio signum contaminatum est macula: quam contraxit cum iuvenis amore eius captus clam noctu ei cohesisset: […].« 224 natur und Kunst sind auch Antipoden im dritten teil von In calumniatorem Platonis, fol. 83vff. aus der Feder des Kardinals Basilius Bessarion; s. ›de natura et arte contra eundem trapezuntium‹ (s. die auf 1455–1458 zu datierende handschrift in Venedig, BM, Ms. gr. 198 = 744); vgl. Bessarione e l’umanesimo, Ausstellungskatalog (Venedig, Biblioteca nazionale Marciana, 27.04.–31.05.1994), hrsg. v. Gianfranco Fiaccadori, neapel, 1994, s. 462, nr. 75. ein Gedicht Bernardo Bellincionis über leonardos Porträt von Cecilia Gallerani besteht aus einem Gespräch zwischen dem dichter und der natur; dazu Beltrami, 1919, s. 207, nr. 2. im Zusammenhang mit der streitfrage, ob in der liebe mehr arte oder natura ins Gewicht falle, auch Bargagli, I trattenimenti, i, Giuoco di quistioni d ’amore, ii, s. 132. die personifizierte ›Natur‹ als sprecherin erfreute sich vor allem im Mittelalter einer beson­ deren popularität; man denke an Alain de lilles Anticlaudian, wo ›Prudentia‹ die Mittlerin zwischen ›Natura‹ und ›Artes‹ ist, an Bernardus silvestris Cosmographia und den Roman de la Rose und an die ›Natur‹ in Alanus ab insulis De planctu naturae (um 1170); dazu Mechthild Modersohn, Natura als Göttin im Mittelalter. Ikonographische Studien zu Darstellungen der personifizierten Natur, Berlin, 1997, s. 47, s. 95, passim.

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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in der Parte prima sticht vor allem das vergeistigte tun der Malerei und ihre virtus den noch immer pejorativ besetzten Bildhauerberuf aus. Bezeichnenderweise besitzt die Bildhauerei, wie leonardo sie charakterisiert, Makel lukianischen Zuschnitts. das heißt: die implikationen des rein handwerklichen: der physische Kraftaufwand, die schmutzarbeit, sie mindern den gattungsspezifischen rang des Bildhauermetiers. Ob­ gleich leonardos paragone nicht dem dialoggenre angehört, entbehrt er in der Kom­ piliation des Codex Urbinas nicht der dialogischen Grundzüge. so klingen die Geltungs­ ansprüche der Bildhauer wie eine regieanweisung: »escusazione dello scultore. dice lO scUltOre, che […].«225 die kontroversen paragone­positionen erfahren eine dra­ matische inszenierung in wechselreden. Zu Beginn des cinquecento, 1509, meldet sich eine ›Malerei‹ in Francesco lancilottis Trattato di pittura zu wort. sie macht ihrem Ärger über ihren Ausschluss aus den sieben Freien Künsten luft, als sei sie das sprach­ rohr der Malerzunft.226 die wurzeln der paragone­debatte im Genos der epideiktischen rede, deren teilziel die herabsetzung des Gegners ist, erklärt die Beliebtheit des personifizierten tadels als sprechfigur im paragone. er tritt in Gestalt des mythischen ›Momus‹ in erscheinung. die inspiration durch lukians dialoge liegt auf der hand; ›Momus‹ agiert in lukians Jupiter tragoedus und in der Götterversammlung als einer der disputanten. nachdem Albertis dialog Momus seu del principe gegen Mitte des Quattrocento zur popularisie­ rung des perfiden tadlers beigetragen hatte, diskutieren ›Momus‹ und ›Andrea Mantegna‹ 1515 über eine gemalte Justitia in De iusticia pingenda. es handelt sich um einen hexametrischen dialog aus der Feder Battista Fieras (ca. 1465–1538), eines Arztes und humanisten, der Beziehungen zum Gonzaga­hof in Mantua pflegte. der angefeindete Mantegna, oder, wie er bei Fiera latinisiert heißt, ›Mantynias‹, erhält durch seine selbst­ behauptung in lateinischer sprache das Flair eines pictor doctus. die gattungsorientierte legitimation des Künstlers macht die inhaltliche Zugehörigkeit des dialoges zum para­ gone offenkundig. ›Mantynias‹ beruft sich auf seine Malerei, auch auf sein Berufsethos als Maler. er fürchte die entweihung seines pinsels, raunt er: »pictor ego sum, Mome, nec […] temere ausim supra peniculum«.227 die wendung, unverkennbar eine paraphrase des Apelles­diktums »ne supra crepidam sutor!«,228 macht den sprecher Mantegna nicht

225 leonardo, Libro di pittura, i, 43, s. 166. 226 wie bereits aus den ersten worten hervorgeht, nähert sich lancilottis werk entgegen dem titel eher einem narrativen dialog in reimform; dazu Fausto lincio, »il ›trattato di pictura‹ di Francesco lan­ cilotti e una nuova edizione romana di Giovanni Antonio caneto«, in: La bibliofilia, 101, 1999, s. 18–30. die ›Malerei‹ spricht auch in Zuccaris Idea (Scritti d’arte, 1971–1977, s. 701). 227 siehe Battista Fiera, De iusticia pingenda, s. 422–434, s. 429; mehr zur person in rodolfo signorini, »epigrafi di Battista Fiera«, in: Scritti per Chiara Tellini Perina, hrsg. v. daniela Ferrari et alt., Man­ tua, 2011, s. 57–76, s. 355–358. 228 plinius, NH, XXXV, 85, s. 66.

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III. Der Paragone in der Literatur

allein seiner Kunst wegen, nein, dem wort nach, zum Apelles redivivus. Zudem ist Fieras Zwiegespräch substanziell ein verhaltenes tribut an die ebenfalls durch lukian verbürg­ te Verleumdung des Apelles. in ihr figuriert der ›Neid‹ als widerpart zum diffamierten Künstler. Fieras werk, ein konklusiver dialog, endet mit der ›Bekehrung‹ des tadlers, der mit seiner Anerkennung von Mantegna als »filosofo grandissimo« nicht hinter dem Berg hält. Auch dieser Gesprächsverlauf, nach dem schema diffamierung – reue – ent­ hüllte wahrheit, verhehlt nicht das tradierte Muster der Verleumdung; Mantegna ist folglich ein Apelles in nuce.229 Gegen Mitte des cinquecento debattiert ›Momus‹ mit ›Jupiter‹ in Anton Francesco donis werk I mondi; und ›Momus‹ fehlt es nicht an zug­ kräftigen Argumenten, die Vorschläge des höchsten Gottes zur Berufswahl zurück­ zuweisen, sei es zur Betätigung als Maler, als Bildhauer, dichter oder als Architekt.230 229 tatsächlich ist der Vergleich zwischen Mantegna und Apelles bereits im Quattrocento nachweisbar, beispielsweise 1458 bei dem ungarischen humanisten Jannus pannonius (1434–1472); s. pannonius, Elegantiarum liber, 100 und in einem 1460 verfassten sonett von Filippo nuvoloni (1441–1478), in dem Mantegnas Überlegenheit gegenüber Apelles und parrhasios betont wird; s. rodolfo signorini, »due sonetti di Filippo nuvolini ad Andrea Mantegna«, in: Studi in onore di Raffaele Spongano, hrsg. v. emilio pasquini, Bologna, 1980, s. 165–172, s. 171: »sì che tu, fonte d’ogni inzegno altiero, / in cui natura ben quell’ arte puose / sopra gli ambi roman parasi e Apelle, / a te mie rime drizano […]«; und Mantenga selbst hat die Verleumdung von Apelles in einer Federzeichnung dargestellt. Zur Bild­ und texttradition der Verleumdung des Apelles cast, 1981 und Wettstreit der Künste, 2002, Kat.­nr. 16, 19–21; zur Verleumdung ausgiebig Alberti, De pictura, iii, s. 294. die schlagfertigkeit Mantegnas gegenüber papst innozenz Viii. ist 1510 auch eine episode im handbuch für Kardinäle, in cortesi, De Cardinalatu, ii, fol. 87v: Gefragt nach der Bedeutung einer bestimmten personifikation, erklärt der auf seine Besoldung wartende Mantegna, dass es die Undankbarkeit sei. – der ›Neid‹ behauptet sich auch rhetorisch gegen das ›Lob‹ und einen ›Redner‹ in leon Battista Albertis Intercoenales, iV, cap. ›corolle‹. Zu diesem dialogtypus im intervall zwischen diffamierung und wahrheit zählt auch Maffeo Vegios Philalethes, o. s., ein Gespräch zwischen ›Aletheia‹ (wahrheit) und ›Philalethes‹ (Freund der wahrheit); darin geht es auch um die täuschung durch die poesie, durch die Malerei und ihre Farben; erwähnt sind auch »simulachris« und »metallorum materias«. – steinschneider, 1908, s. 31, nr. 29 nennt einen mittelalterlichen disput zwischen ›Ruhm‹ und ›Neid‹; zur bildkünstleri­ schen darstellung des personifizierten neides auch Andor pigler, Barockthemen, 2 Bde., Budapest, 2 1977, Bd. i, s. 215ff. – Zum epideiktischen Genos Vinzenz Buchheit, Untersuchungen zur Theorie des Genos ›Epideiktikon‹ von Gorgias bis Aristoteles, München, 1960, s. 15ff.; O’Malley, 1979, s. 36ff. – der Maler lorenzo costa hat den Autor Battista Fiera porträtiert; s. die Abbildungen in A casa di Andrea Mantegna, 2006, s. 260, s. 261 und Biografisches in Kat.­nr. 96. 230 die Anbetung der Götter wird wegen der täuschung abgelehnt, die literarische Betätigung aufgrund der schlechten Besoldung, die in der Malerei und skulptur wegen der existenz zu vieler Virtuosen, die als Architekt, da anstelle eines pantheons und Kolosseums nur noch Fabriken mit dem Aussehen von wespennestern errichtet werden würden: »›Gio.‹: ›servire agli idoli.‹ ›Mo.‹: ›inganno sì manifesto non mi va.‹ ›Gio.‹: ›imparar lettere.‹ ›Mo.‹: ›che, per morirmi di fame come gli altri dotti?‹

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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das postulat der verisimilitudo sowie das des aptum führte zum Auftritt renommier­ ter Maler und Bildhauer in paragone­disputen der renaissanceliteratur. Auf diese weise wurde ein dialogtypus kreiert, der entscheidend von zwei antiken Quellen zehrte: Xeno­ phons Memorabilien und dion von prusas Olympische Rede. in den Memorabilien ist es kein Geringerer als ›Sokrates‹, der mit der ihm eigenen maieutischen Gesprächsführung nacheinander drei Künstlerpersönlichkeiten bezüglich ihrer Kunst ausfragt: den Maler ›Parrhasios‹, den Bildhauer ›Kleiton‹ und den panzerschmied ›Pistias‹. im Gegensatz zum historisch durch viele Quellen verbürgten Maler parrhasios, der mit Zeuxis wetteiferte, bleibt hinsichtlich von Xenophons Athletenbildner ›Kleiton‹ bis heute die Frage strittig, ob er dessen namen als hypokoristikum für polyklet verstanden wissen wollte. soweit überschaubar, lässt sich kein indiz für eine solche lesart im Quattrocento erbringen.231 ein impuls für künftige dialogschreiber über die Künste ging vermutlich von Albertis De pictura aus. Bezugnehmend auf den Xenophontischen ›Parrhasios‹, heißt es bei Alberti (und Filarete paraphrasiert dies): »[…] parrhasius […], jener Maler, dessen Unterhaltung

›Gio.‹: ›scultore e dipintore?‹ ›Mo.‹: ›Ve ne son troppi de buoni, non avrei fatto nulla.‹ ›Gio.‹: ›Architettore.‹ ›Mo.‹: ›non si fa più panteoni, culisei, terme o templi di diane, ma certe fabriche che paiono vespai.‹« siehe doni, I mondi, s. 106; nur diese Gespräche von ›Momus‹ mit ›Jupiter‹ tangieren den paragone. ›Momus‹ ist auch einer der sprecher in Giordano Brunos Spaccio de la bestia trionfante. in Äsop, Fabeln, 6 begegnet Momus als richter im wettstreit zwischen ›Zeus‹, ›Prometheus‹ und der Architektin ›Athene‹. 231 das muss nicht heißen, dass ein solcher Zusammenhang nicht vermutet wurde; decembrio, De politia litteraria, Vii, cap. 81, 51, s. 493 scheute beispielsweise nicht vor etymologischen erklärungen antiker Künstlernamen zurück. so schreibt er s. v. »protogenes«: »proprium nomen significans ›primi generis‹ vel ›primogenitum‹« (der name bedeutet ausschließlich ›von erster Geburt‹ oder ›erstgebo­ ren‹); und »pyrgoteles« erklärt er als Kompositum aus »Feuer« (»igne«) und »fine« (Vii, cap. 81, 106, s. 498). Über die Bedeutung des namens ›polyklet‹ reflektiert landino, Comento, zu Purgatorio, X, v. 32, Bd. iii, s. 1202–1203: »il perché hebbe nome conveniente ad sé. perché ›polycleto‹ in greco signi­ fica ›huomo di molta fama‹.« in der renaissance war es nicht ungewöhnlich, dass bekannte persön­ lichkeiten unter pseudonymen als dialogfiguren auftraten; dazu hans honnacker, Der literarische Dialog des primo Cinquecento. Inszenierungsstrategien und ›Spielraum‹ (saecula spiritualia 40), Baden­ Baden, 2002, s. 25. – die Gespräche mit Parrhasius, Kleiton und Pistias in Xenophon, Memorabilien, iii, 10, 1–9, s. 213–221; der dialog mit ›Parrhasios‹ in iii, 10, 1f., der mit ›Kleiton‹ iii, 10, 6ff. und der mit ›Pistias‹ iii, 10, 9; über die Bedeutung der schrift Felix preisshofen, »sokrates im Gespräch mit parrhasios und Kleiton«, in: Studia Platonica. Festschrift Hermann Gundert, hrsg. v. Klaus döring et alt., Amsterdam, 1974, s. 21–40. Viele der Memorabilien­Abschriften im Quattrocento stammten vom Kopisten petros creticos. er war für Vittorino da Feltre gegen 1422 in Mantua tätig; dazu Michele Bandini, »i ›Memorabili‹ di senofonte in età umanistica«, in: Studi classici e orientali, 38, 1988, s. 271–292 und dennis e. rhodes, »the First collected latin edition of Xenophon«, in: Gutenberg-Jahrbuch, 56, 1981, s. 151–153.

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III. Der Paragone in der Literatur

mit sokrates bei Xenophon nachzulesen ist«.232 diese Bemerkung konnte kaum anders gelesen werden, denn als information, dass namhafte Virtuosen der figurativen Künste im Altertum als würdige, einem philosophen ebenbürtige disputanten galten. Alberti ist es auch, der im Momus­dialog einen nicht näher konkretisierten Maler zitiert. des­ sen worte gehören insofern in den Kontext des paragone, als sie die Materialfrage bei der erschaffung des Menschen reflektieren.233 wenn nach der sichtung der paragone­dis­ pute der gesamten renaissance die Bevorzugung der Bildhauer und nicht etwa der Maler als sprechfiguren erkennbar ist, dann mit hoher wahrscheinlichkeit wegen des zitierten zweiten traditionsstranges: es ist dion von prusas zwölfte, die Olympische Rede. in die­ ser scheint das Gedankengut der kaiserzeitlichen stoa auf. lange vor der drucklegung der reden dions (um 1551) hatte die Olympische Rede im Quattrocento eine enorme wirkung entfaltet.234 Von besonderem einfluss auf den paragone war, dass dion einem illustren antiken Bildhauer, ›Phidias‹ (»[…], der ja nicht auf den Mund gefallen war«), rhetorisches ingenium bescheinigte,235 um ihn mit einer Verteidigungsrede angesichts einer rein fiktiven Anklage brillieren zu lassen. phidias, so die unterstellte Anmaßung, trachte mit seinem Zeus von Olympia – und dies mit allein menschlicher Kunst – nach der darstellung des Göttlichen, so, als erkühne er sich, der dichtung von homer paroli zu bieten. die Verteidigung des ›Phidias‹ entwickelt sich daher zum Agon mit homer. dieser Aspekt der rede dions zeitigt im paragone die wohl nachhaltigste wirkung. Francesco Maturanzio, der perugino im Collegio del Cambio als dichter zur seite stand und später Gaurico zitieren exakt die für phidias’ Zeusdarstellung vorbildgebenden Ilias­ Verse. nicht von ungefähr würdigte poliziano die kolossalische Götterstatue des Athener Bildhauers in seinem homer­Kommentar, der Oratio in expositione Homeri.236 schließ­ lich markiert in der renaissance lomazzos entscheidung für ›Phidias‹ als sprecher im 232 Alberti, De pictura, ii, s. 246 (Üs: Bätschmann/schäublin): »[…] parrhasium pictorem […], cum quo est apud Xenophontem socratis sermo […]«; vgl. Filarete, Trattato, XiX, Bd. ii, s. 584: »[…] parrisio, il quale dice Zenofonte a socrate […].« diese information übermittelt auch Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 4, Bd. ii, s. 754: »[…] nam cum parrhasio sermo socratis apud Xenophon­ tem invenitur […].« – die schlagfertigkeit des parrhasios angesichts eines wettstreits mit einem geringeren Maler – eine Aias­darstellung steht im Zentrum – ist auch in einem noch im Mittelalter populären antiken dialog thematisiert, in Athenaios, Das Gelehrtenmahl, Xii, 62e. 233 Alberti, Momus, iV, s. 354. 234 dions reden erschienen gegen 1551 in Venedig bei Aldo Manutio; dazu silvio Ferri, »il discorso di Fidia in dione crisostomo – saggio sul alcuni concetti artistici del V secolo«, in: Annali di Scuola Normale Superiore di Pisa, 2, 1936, s. 237–265, s. 237ff. – eine kohärente theorie der skulptur ist bei dion nicht belegbar; dazu Alain Billault, »dion chrysostome avait­il une théorie de la sculpture?«, in: BAGB, 1999, s. 211–229. – Über den einfluss von dion chrysostomos auf Michelangelos paragone­ Brief an Varchi summers, 1981, s. 273. 235 dion von prusa, Olympische Rede, § 55, s. 87. 236 die Verteidigungsrede des phidias ebenda, § 55–83, s. 86–104; die Anklage gegen ihn § 49–54; die homer­Verse zitiert in § 26, s. 60; vgl. homer, Ilias, i, vv. 528–530. Vor dem homer­Zitat heißt es vor

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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Libro dei sogni ohne Zweifel den höhepunkt der kunsttheoretischen rezeption von dions zwölfter rede. Vordem hatten debattierende Bildhauer in literarischen paragone­ disputen zunehmend popularität erlangt – eine entwicklung, die nicht zuletzt durch eine Anekdote des antiken philosophen themistios über die schlagfertigkeit des phidias begünstigt wurde,237 wie auch durch epigramme des dichters Ausonius. in diesen führt ein namhafter Bildhauer Zwiegespräche, in einem Fall ›Praxiteles‹ mit ›Venus‹ über seine Knidische Aphrodite.238 die Facezienliteratur, nicht minder das sogenannte Tagebuch Polizians, taten ein Übriges, um Künstlerpersönlichkeiten, meist in Form eines fingierten Aktes der selbstbehauptung, ›zum sprechen zu bringen‹. in sacchettis Trecentonovelle ist es bevorzugt Giotto; in lodovico carbones Facezie profilieren sich mehrere Maler.239 die wiederholte rhetorische inszenierung des Bildhauers donatello in der zweiten hälfte des Quattrocento fällt in den Bereich der eristik, wenn, wie im Tagebuch Polizians, die 1480 bei Maturanzio, Orationes, i, s. 138: »socrates apud platonem homeri versus crebro sententiae suae testes adducit, et pictores excellentissimi, quorum operibus nihil clarius, nihil insignius, ex versi­ bus homeri aliqua se expressisse gloriati sunt. nam phidias, in Olympio iove fingendo interrogatus de quo exemplo divinam mutuaretur effigiem, archetypum se iovis in his homeri carminibus invenis­ se respondit: […]«; vgl. Gaurico, De sculptura, cap. 1, s. 67; in Anm. 99 der irreführende Verweis auf cicero als Quelle für Gaurico; nur dion von prusa und strabon, Geographie, Viii, 3 zitieren die iden­ tischen homer­Verse in diesem Kontext; vgl. poliziano, Oratio in expositione Homeri, in: poliziano, Opera, Bd. i, s. 481. 237 phidias behauptete sich verbal gegenüber Zweiflern; s. themistios, Orationes, 25 (309d–311a), s. 840: »Obwohl er sehr geschickt im schaffen göttlicher oder menschlicher Figuren in Gold und elfenbein war, brauchte phidias dennoch Zeit und ruhe zum Arbeiten. Man erzählt, dass ihm bei der schaf­ fung der Athena­statue selbst für den sockel der Göttin zu wenig Zeit und Arbeit geblieben waren. was hätte er also getan, wenn ihm aufgetragen worden wäre, plötzlich eine Kostprobe seiner Kunst zu geben? wie hätte er die Ordnung eingehalten? erwäge also, ob seine Antwort gegenüber diesem Bewunderer treffend war: ›Verehrter Bewunderer meiner werke, wenn du nicht bereit bist, mir die Zeit zu lassen, etwas neues und Originelles zu schaffen, besuche unterdessen die statue der Athena in ihrer stadt oder die des Zeus in Olympia und sie werden dir genügen, um phidias zu bewundern!‹« – der venezianische patrizier ermolao Barbaro übersetzte 1481 themistios ins lateinische; die erwäh­ nung von phidias erfolgt in Barbaro, Prologus, s. 2: »[…] ac si phidiae Minervam reformare de integro universam instituas, ut aut amentum soleis, aut ansulam crepidis, aut ligulam baseis […]«. in einem epigramm aus dem 1. Jahrhundert n. chr. – es stammt von philippos – wird phidias wegen seiner Zeusstatue direkt angesprochen; vgl. AP, XVi, nr. 81. 238 Ausonius, Epigramme, nr. 67, Bd. ii, s. 194; davon beeinflusst ist Alberti, Apologi centum, s. 94, nr. 68; zur rezeption von Ausonius im 15. Jahrhundert sabbadini, 1905–1914, Bd. ii, s. 204. 239 sacchetti, Il Trecentonovelle, nr. 63: Giotto bemalt einen schild; nr. 75: zwei Antworten Giottos; nr. 161: Buffalmacco; nr. 170: der Blinde als Gutachter mit Bezug auf den Maler Bartolo Gioggi (1387 dokumentiert); weitere Anekdoten zur rhetorischen Gewandtheit Giottos in enid t. Falaschi, »Giotto. the literary legend«, in: Italian Studies, 27, 1972, s. 1–26 und in Michael Victor schwarz/ pia theis, Giottus pictor, Bd. i: Giottos Leben, wien, 2004, s. 285ff. lodovico carbone erwähnt ca. 1466–1471 in seinem Buch Facezie – das werk trägt die widmung an Borso d’este – einige Geschich­ ten mit Malern und Kunstwerken; s. carbone Facezie, nr. 28, 60, 61, 68, 82.

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Verunglimpfung seines rivalen Ghiberti das Ziel ist.240 ›Donatello‹ agiert in den sechzi­ ger Jahren des 15. Jahrhunderts als sprecher in Nabucodonosor, Re di Babilonia, einer gereimten, vom Buch daniels (3, 1ff.) inspirierten sacra rappresentazione. in ihr geht donatello im Gespräch mit dem König von Babylon (›El Rè‹) als der optimale schöpfer einer gigantischen statue hervor. Mit anderen worten: die alttestamentliche schil­ derung der errichtung einer goldenen Kolossalstatue auf Geheiß des Königs nebukad­ nezar gab, dem Anachronismus zum trotz, den Anlass, die Möglichkeit von donatello als deren schöpfer zu durchdenken.241 diese sprechrolle von donatello ist eine wichtige Vorstufe für den debattierenden Bildhauer in dialogischen Paragoni. Als der erste Bild­ hauer im dialogpersonal über den paragone gilt der in rom gebürtige ›Gian Cristoforo Romano‹ (1470–1512).242 in Baldassar castigliones Libro del Cortegiano ist er im höfi­ schen Meinungsspiel, als widerpart zum ›Grafen Canossa‹, kaum mehr als ein typisierter rollenträger. im konzilianten ton sind ihm die bereits topisch gewordenen Argumente der Bildhauer in den Mund gelegt. nicht allein romanos argumentative Unterlegenheit gegenüber dem adligen Fürsprecher, der die Malkunst hochhält, auch die Beschränkung seines Auftritts auf den paragone­passus zeugt von keiner paritätischen, sondern einer hierarchischen sprecherkonfiguration, als besitze die Meinung eines Künstlers nur in 240 Detti piacevoli, s. 27, nr. 42, nr. 43; ein wortspiel von sandro Botticelli auf s. 168, nr. 168; dessen schlagfertigkeit auf s. 183, nr. 360. die schlagferigkeit donatellos gegenüber einem Bittsteller in einer Anekdote von pontano, De liberalitate, cap. 23, s. 39; die schlagfertigkeit eines Malers auch in Macrobius, Saturnalia, ii, 2, 10 und in lukian, Zeuxis. 241 der relevante textteil abgedruckt in pfisterer, 2002, s. 496–498. Boccaccio, Trattatello in laude di Dante, Bd. iii, s. 143 sprach bewundernd von nebukadnezars’ »statua di più metalli abbattuta da una pietra convertita in monte«; ebenso Francesco Filelfo, Convivia, o. s.: »nebrod [nebukadnezar] ille primus gigas ex quo reliqui gigantes geniti sunt aedificaret turrim quam memorans in gentem illam seu una quae piam fuerit eminentior sive tota ipsa turrita Babylon perisse universam hominum lin­ guam, factasque ex una tam multas.« Zu dieser schrift von Filelfo: rinaldo rinaldi, »il sogno ped­ agogico del Filarete e i ›convivia mediolanensis‹ di Francesco Filelfo«, in: Critica letteraria, 27, 2000, s. 3–48, s. 3ff. nebrod ist erwähnt in lilius tifernas zwischen 1473–1474 verfassten prolog seiner lateinischen Übersetzung von philon von Alexandrias De gigantibus und 1482 auch in tifernas Epistola de spiritu dei ex doctrina Philonis; s. Ursula Jaitner­hahner, Humanismus in Umbrien und Rom. Lilius Tifernas, Kanzler und Gelehrter des Quattrocento (saecula spiritualia 25/26), 2 Bde., Baden­ Baden, 1993, Bd. ii, s. 477, s. 514: »[…] vicinus est nembrod turri confusionique linguarum […]«; vgl. landino, Comento, ›proemio‹, cap. 14, s. 276; aus geisteswissenschaftlicher perspektive wenig ergiebig der Beitrag von Max wegner, »das nabuchodonosor­Bild. das Bild im Bild«, in: Pietas, Festschrift für Bernhard Kötting, Jahrbuch für Antike und Christentum, ergänzungsband, 8, 1980, hrsg. v. ernst dassmann et alt., Münster, 1980, s. 528–538. – Zur rolle der lebensnahen plastik in den sacrae rappresentationes Johannes tripps, Das handelnde Bildwerk in der Gotik, Berlin, 1998, s. 67ff. und speziell für das Quattrocento philine helas, Lebende Bilder in der italienischen Festkultur des 15. Jahrhunderts, Berlin, 1999, s. 179ff. 242 Mendelsohn, 1982, s. 58, Anm. 158 sieht im Auftritt romanos primär den Beweis für die involvie­ rung von Bildhauern in die literatur.

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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der sphäre der Kunst ihre Geltung. trotz maßgeblicher tribute castigliones an die ciceronische dialogkonzeption im Allgemeinen prägte sich im speziellen der einfluss Xenophons auf, zum einen, indem der Libro del Cortegiano die rückbesinnung auf einen dialog der Vergangenheit ist,243 zum anderen wegen der teilnahme eines zeitgenössi­ schen Bildhauers am disput. Zieht man mythische Bildhauer hinzu – man denke an ›Vulkan‹ im streit mit ›Prometheus‹ bei lukian –,244 so haben wir einen weiteren Aspekt, der die Bevorzugung debat­ tierender Bildhauer forcierte. in castigliones Libro del Cortegiano figuriert der besagte ›Romano‹, ›Michelangelo‹ ist es 1548 in holandas schrift Da pintura antiga, in raffaele Borghinis Il Riposo der florentinische Bildhauer ›Ridolfo Sirigatti‹ (ca. 1537– ca. 1588). noch bevor in Borghinis dialogwerk die diskussion mit stadtbekannten edelmännern (›Bernardo Vecchietti‹, ›Girolamo Michelozzo‹ und ›Baccio Valori‹) über den paragone ent­ facht, wird sirigatti ausdrücklich als der schöpfer einer Venusstatue eingeführt. nicht minder bedeutsam ist die rolle seines Gegenübers, die von ›Baccio Valori‹, der die Gegen­ argumente der Maler gegen die größere haltbarkeit der skulptur ausspielt. Zu diesen gehört die erwägung härterer Bildträger wie beispielsweise aus stein. die tatsache, dass eine schieferplatte mehr als fünfzig Jahre vor der drucklegung von Il Riposo als Bild­ grund eines porträts von Valoris namensvetter diente, legt nahe, dass Valoris sprecher­ funktion in diesem Zusammenhang kein Zufall ist. Gemeint ist sebastiano del piombos berühmtes Porträt von Baccio Valori il Vecchio (1477–1537) auf schiefer.245 ein indiz mehr für die verisimilitudo hinsichtlich der Auswahl der sprecher ist ›Tribolo‹ in der Gesprächsrunde von donis I marmi. tribolo war einer der Bildhauer, der seine Kompetenz 243 castiglione, Cortegiano, i, cap. 49–52, s. 106–114; über die sprecherkonfiguration in castigliones werk honnacker, 2002, s. 55f. castigliones Libro del Cortegiano gibt vor, auf ein Anfang März 1507 in Urbino stattgefundenes Gespräch Bezug zu nehmen; castigliones text lag 1524 druckfertig vor und wurde 1528 in Venedig gedruckt. der Verweis auf die Authentizität des Gespräches steht in der tradition von cicero, De oratore, iii, 16. 244 Gemeint ist lukians dialog Prometheus, s. lukian, Werke, 22–25; eingehendere informationen von reinhard steiner, Prometheus. Ikonologische und anthropologische Aspekte der bildenden Kunst vom 14. bis zum 17. Jahrhundert (Forschungen 2), München, 1991, s. 108 und Alfonso de petris, Prometeo, un mito (la colombaria. serie studi 209), Florenz, 2003, s. 63ff. in phädrus, Fabeln, A5, s. 168 begeg­ nen sich Wahrheit und Lüge in prometheus’ werkstatt; eine von prometheus und eine von einem lügner gefertigte Wahrheit kommen in den Ofen; nur das werk des prometheus ist in der lage, weg­ zulaufen; die personifizierte ›Veritas‹ spricht im prohemium von petrarcas Secretum meum. 245 die Abbildung von sebastiano del piombos Bildnis des Baccio Valori (Florenz, palazzo pitti), das gegen 1531 entstand, in Michael hirst, Sebastiano del Piombo, Oxford, 1981, s. 111–113; zu Valori als disputant über den paragone in Borghinis Il Riposo s. christiane J. hessler, »the Man on slate: seba­ stiano del piombo’s portrait of Baccio Valori and Valori the Younger’s speech in Borghini’s ›il ripo­ so‹«, in: Source, 25, nr. 2, 2006, s. 18–22. Über den laienkunstbetrachter thomas Frangenberg, Der Betrachter. Studien zur florentinischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts, Berlin, 1990, s. 77ff. – Aktuelle Angaben zu den mutmaßlichen lebensdaten sirigattis verdanke ich hans­Ulrich Kessler.

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in der paragone­Frage durch sein Antwortschreiben auf Varchis Meinungsumfrage bewiesen hatte.246 Ähnlich verhält es sich 1549 in Disegno, einem zeitlich vorangehenden dialogwerk von doni, falls es sich – und dafür spricht einiges – bei einem der dis­ putanten, dem Maler ›Pino‹, tatsächlich um den venezianischen Kunstschriftsteller und Maler paolo pino handeln sollte. doni, der pinos Dialogo di pittura von 1548 gekannt haben muss, inszenierte eine diskussion, in der ›Pino‹ einem Bildhauer namens ›Silvio‹ paroli bietet. Ob es sich, wie Julius von schlosser einst vermutet hat, um den toska­ nischen Bildhauer silvio cosini (ende 15. Jh. – ca. 1549) handelt,247 mag dahingestellt sein; aber es ist mit hoher wahrscheinlichkeit derselbe ›SILVIO scultore‹, der in donis I marmi erneut als sprechfigur seinen Auftritt hat.248 wie erwähnt, ist der bedeutendste nachhall auf dions Olympische Rede die pro­ minente sprecherkonfiguration in lomazzos fünften und sechsten Buch des Libro dei sogni. wie in dions rede ergreift ›Phidias‹ das wort, und der Auftritt von ›Leonardo da Vinci‹ als sein Gegenüber macht diesen paragone­dialog zugleich zu einem Gedanken­ austausch zwischen antiqui und moderni.249 erwartungsgemäß gebührt ›Phidias‹ in »dilla scultura« die rolle als princeps sermonis, wie zuvor ›Leonardo‹ die im Malerei­dia­ log. in der Frühen neuzeit sind längst verstorbene persönlichkeiten als dialogfiguren keine seltenheit; man denke an petrarcas Soliloquia.250 Verstorbene Künstler bildeten 246 ›Tribolos‹ dialogpartner sind ›Moschino‹ und ›Ridolfo del Grillandaio‹; doni, I marmi, i, cap. 4, Bd. i, s. 51–58; die passagen über den paragone auf s. 53. ›Ridolfo‹ sagt: »›Questa è una bella invenzione‹, ›Tribolo‹: ›la scoltura questa volta fa conoscer che la fa assottigliare i cervelli‹« (dieses Mal lässt die skulptur wissen, was sie dazu bringt, die Gehirne zu schärfen); der Vergleich mit der Malerei auf s. 54: »›Moschino‹: ›Orsú, quella è un’arte che aguzza l’intelletto, e la pittura fa il simile ancóra; noi altri musici ce n’andiamo più alla buona, […].‹« – tribolos Antwortbrief an Varchi in Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 518–519. eine Anekdote zur schlagfertigkeit von tribolo auch in doni, Umori e sentenze, s. 143f. ein schlagfertiger Bildhauer in Äsop, Fabeln, 86 und 92. 247 schlosser, [1924] 1985, s. 216. 248 doni, Disegno, in: ebenda, Bd. i, s. 563–591; vgl. doni, I marmi, i, cap. 7, Bd. i, s. 147ff.; pino, Dialogo di pittura, in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 577, Anm. 3. 249 lomazzo, Libro dei sogni, cap. 5 und cap. 6; überdies figuriert ›Leonardo‹ an der seite von Paolo Giovio im ersten dialog des Libro dei sogni, cap. 1. Über die Bedeutung des Libro dei sogni im paragone erst­ mals hessler, 2002, s. 83ff.; und über die Abhängigkeit von dions Olympischer Rede christiane J. hessler, »die Macht des scheins gegen die dauer. steinchen im Mosaik der rangstreitkultur. ein dialog zwischen leonardo da Vinci und phidias«, in: FAZ, Geisteswissenschaften, 3. september 2003, nr. 204 / seite n 3. Zur hierarchie antiqui – moderni trinkaus, 1987, s. 11–21 und robert Black, »Ancients and Moderns in the renaissance. rhetoric and history in Accolti’s dialogue on the preeminence of Men of his own time«, in: JHI, 43, 1982, s. 3–32. 250 im Secretum wählte petrarca das Zwiegespräch mit dem von ihm hochverehrten Augustinus; dazu carol everhart Quillen, Rereading the Renaissance. Petrarch, Augustine and the Language of Humanism, Ann Arbor, 1998, s. 182ff.; bei Marsh, 1980, s. 9 mit der Bewertung als Beginn der erneuerung des ciceronischen dialoges; ein ›Augustinus‹ – es ist der Autor selbst – ist 1493 auch eine dialogfigur im Buch von Agostino Moravio, Dialogus in defensionem poetices, s. 15ff.

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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keine Ausnahme, wie das erwähnte Beispiel von ›Mantegna‹ († 1506) bei Battista Fiera dokumentiert, und Baccio Bandinelli wird von einem nachfahren ein dialog nach­ gesagt, in dem vielleicht Baccio selbst mit Giotto Konversation betreibt. Mehr erfahren wir leider nicht.251 nach dem Fundus der zwischen 1400 und 1550 gewählten dialogfi­ guren zu urteilen, kommen historische Maler­ oder Bildhauerpersönlichkeiten tatsäch­ lich erst post mortem zur ehre literarischer präsenz, als sei eine säkularisierte Form des hagiografischen nachrufdialoges im spiel.252 im satirischen werk des Andrea Guarna da salerno prägt – anders als in Fieras Buch – das Ableben eines Künstlers mithin den Ge­ sprächsinhalt. ›Bramante‹, drei Jahre vor der publikation von Simia verstorben und vor der paradiespforte stehend, verteidigt sich gegenüber dem ›Hl. Petrus‹ als vir facetus gegen den Vorwurf der demolierung von sankt peter. er entspricht trotz karikaturesker Züge dem typus des verleumdeten Künstlers.253 in lomazzos Libro dei sogni bildet die reflexion des verstorbenen Künstlers über das eigene, nun jenseitige dasein – gemäß der Totengespräche lukians – einen wesenszug des dialoges, ganz ohne Anleihen am makab­ ren einschlag des literarischen prototyps. der hades als Aufenthaltsort von »sedici spi­ riti […] di questa vita passati, tutti ignudi«,254 unter ihnen, beeinflusst durch lukians Hetärengespräche, neben einer Kurtisane auch eine Kupplerin, beherbergt ›Phidias‹; er lehnt seinen Arm an einen stein, als ›Leonardo‹ über die würde der Malerei zu plaudern beginnt.255 trotz einiger teilübersetzungen von lukians Totengesprächen seit dem frühen

251 die vor 1552 entstandene schrift benennt Baccio Bandinelli d. J. im Memoriale wie folgt: »dialoghi con Giotto sopra la scultura e disegno«; s. Arduino colasanti, »il memoriale di Baccio Bandinelli«, in: RepKw, 28, 1905, s. 406–443, s. 430. 252 Man denke an die spätantiken nachrufdialoge des sulpicius severus. – der Auftritt von ›Leon Battista Alberti‹ († 1472) in landinos Disputationes Camaldulenses (1472) ist keine Ausnahme, denn Alber­ ti ist nicht als (dilettierender) Künster gekennzeichnet. 253 der name von Apelles fällt kaum zufällig in dem 1517 in Mailand gedruckten werk von Guarna, Simia, s. 108: »Apellis opus erit nunc, qui fortunam sedentem pingat«; und auf s. 96 heißt es: »›Petrus‹: ›Qui Bramantes?‹ ›Alexander‹: ›Architectus noster.‹ ›Petrus‹: ›templi eversor mei?‹« 254 nach der präsentation sämtlicher protagonisten in lomazzo, Libro dei sogni, Al lettOre, Bd. i, s. 3f. treten sie je zu zweit in dialogen zusammen (nur der vierte raggionamento ist ein Monolog); diese erzähltechnik der Intermezzi hat ihr Vorbild in platons Symposion. – Über das Genos des toten­ gespräches Marsh, 1998, s. 42–75. im Quattrocento gab es lukianeske totengespräche, wie zum Beispiel Albertis Cynicus und Somnium in den Intercoenales oder Giovanni pontanos Charon und Actius. der Ausflug in die Unterwelt zum Gespräch mit historischen persönlichkeiten begegnet auch in dem gegen 1494 verfassten Buch von Jacopo caviceo, Peregrino; zuvor hatte sich peregrino, ver­ steckt im innern einer statue der Hl. Katharina, in das haus seiner Geliebten Ginevra tragen lassen. 255 Am ende des vierten dialoges erfolgt die Ankündigung des Gespräches über die würde der Malerei: »non tardarono molto, doppo che esso di cantar gli sonetti ebbe finito, a levarsi in piedi, tra gli altri diversi atti facevano, secondo il lor umore, leonardo Vinci e Fidia, pittori e scultori, che a tutti disse­

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Quattrocento (sie stammen von rinuccio da castiglione und Giovanni Aurispa) und trotz ihres beachtlichen einflusses auf die dialogliteratur der renaissance bildet dieses Genos im paragone die Ausnahme, abgesehen von Ansätzen, die bei Guarna begegnen. der sonderstatus des Libro dei sogni ist deshalb hervorzuheben. das gilt umso mehr auf­ grund der erlesenen sprecherkonfiguration, die eine historisierend­analytische durch­ dringung der Materie erreicht. wie anders sollte diese Konfrontation zu bewerten sein: die von ›Phidias‹ als (dions) Fürsprecher für die Bildhauerei mit ›Leonardo‹, dem Ver­ fasser der Parte prima?256 Gleichwohl rekurrierte lomazzo auf Ansätzen des Quattrocen­ to. ein anderer dichter, der Mailänder pietro Antonio (»piattino«) piatti, hatte leonar­ do 1489 in einem Gedicht über sich selbst reden lassen (»de se parce loquitur«). leonardo konzedierte darin, keiner der namhaften antiken Virtuosen zu sein, jedoch ein »Bewun­ derer der Alten« (»Mirator veterum«). wie nach ihm lomazzo stellte piattino der leser­ schaft leonardo als exemplum der doppelbegabung vor, als Maler und als Bildhauer.257 Früh haben lokale stilpräferenzen die paragone­diskussion markant geprägt, so sehr die Forschung diese richtung primär in cinquecento­dialogen vertreten sieht, bei­ spielsweise in paolo pinos Dialogo di pittura, einem streitgespräch zwischen dem Floren­ tiner namens ›Fabio‹ und dem Venezianer ›Lauro‹, 1557 gefolgt von lodovico dolces Dialogo di pittura. in ihm liefert sich der dichter pietro ›Aretino‹, der mächtige reprä­ sentant der venezianischen Kultur, mit dem Florentiner ›Giovan Francesco Fabrini‹ ein wortgefecht über den Vorrang von tizian oder Michelangelo.258 diskurse dieser Art, mit neuer nuance eine wiederbelebung des tradierten, nie aus der Mode gekommenen städteagons, dessen berühmtester, wie auch cristoforo landino wusste, der zwischen den sieben städten um den Geburtsort homers war,259 wurden im italien des 15. Jahr­ hunderts durch das vorherrschende politische system konkurrierender stadtstaaten pro­ voziert, das den campanilismo auch in Kunstfragen schürte. wie sehr die dialogkultur

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ro che il quinto ragionamento tra lor fare volevano sopra la dignità dilla pittura; onde, per dargli principio, cosí leonardo a dir verso Fidia incominciò, che ad un sasso con un braccio poggiato era, con la vecchia sanese ruffiana«; lomazzo, Libro dei sogni, cap. 4, Bd. i, s. 84. lukians Hetärengespräche prägten besonders pietro Aretinos Sei giornate und Ragionamento. sie stammen von 1415–1423 und 1425; vgl. die Angaben von Marsh, 1998, s. xi. es handelt sich um das Gedicht »leonardus Vincia Florentinus statuarius pictorque noblissimus de se parce loquitur«; piatti, Epistolae Platini, s. 26. pino, Dialogo di pittura, in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 548ff; dolce, Dialogo di pittura [1557]; der paragone zwischen Michelangelo und tizian in der edition von roskill, 1968, s. 92ff., s. 108, s. 184 (und auf s. 90, s. 172f. der paragone zwischen Michelangelo und raffael); terpening, 1997, s. 156ff. Vgl. AP, XVi, nr. 297–298; cicero, Pro Archia poeta, 19, 25–30 und Gellius, Noctes Atticae, 3, 11; landino, Comento, Xii, Bd. i, s. 263: »septe città contesono in Grecia d’homero ciaschuna affer­ mando quello essere suo ciptadino […].« – Über die Gleichsetzung des städtelobs mit dem lob des Menschen Quintilian, Institutio oratoria, iii, 7, 26.

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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des Quattrocento davon erfasst wurde, belegt als Beispiel unter vielen ein Kapitel aus poggio Bracciolinis possenliteratur Facezie (1470), der »disceptAtiO inter FlO­ rentinUM et VenetiUM«. es ist der Austausch zweier Menschen unterschiedli­ cher provenienz über ihren Begriff von Freiheit.260 lodovico carbones Dialogo von 1471 über den Vorrang von Ferrara oder Bologna zählt zum gleichen Genre, wie auch ein enkomion des humanisten pier candido decembrio. er trägt die widmung an den Fürs­ ten Galeazzo Maria sforza und erwägt die Voraussetzungen des optimalen Gemäldes: De laudibus Mediolansem urbis in comparationem Florentie panegyricus.261 Kaum etwas vermag das Artifizielle des literarischen dialoges – die schriftliche inszenierung einer mündlichen Kommunikationssituation – so sehr zu enthüllen wie die dialoge unter dem eindruck von philostrats Imagines (160–245), dem prototyp des 260 poggio Bracciolini, Facezie, nr. 81, s. 200. Zur rivalität zwischen Florenz und Venedig im paragone Maurice poirier, »the disegno­colore controversy reconsidered«, in: Explorations in Renaissance Culture, 13, 1987, s. 52–86. Zu dieser lokalpatriotisch gefärbten richtung der literatur gehört ferner lauro Quirinis Verteidigung des Adels der Venezianer (dazu Kristeller, 1974–1976, Bd. ii, s. 252, s. 316) und Antonio loschis Invectiva in Florentinos von 1397. Anklänge an einen städteagon auch in pontano, Antonius, Viiff., s. 215ff. Zu dem für die romanische Konversationsliteratur typischen Mit­ einander in »conventus dissimilium« s. Klaus conermann, »der stil des hofmanns. Zur Genese sprachlicher und literarischer Formen aus der höfisch­politischen Verhaltenskunst«, in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, hrsg. v. August Buck et alt., 3 Bde., hamburg, 1981, Bd. i, s. 45–56 und emilio Bonfatti, »Vir Aulicus, Vir eruditus«, in: Respublica Litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit (wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 14), hrsg. v. sebastian neumeister et alt., wiesbaden, 1987, teil i, s. 176–191. 261 eine erste Version des werkes von decembrio entstand 1436; der hier zitierte text stammt von ca. 1473 und wendet auf die Malerei an, was lilius tifernas 1459 in der widmung seines dialoges De pedestribus certaminibus, fol. 1r der Bildhauerei nachsagte; decembrio, De laudibus Mediolanensem urbis, s. 1016: »An ut pictores solent? […] pictores itaque, cum celeberrimas imagines effingere stu­ dent, primum ydeam quampiam excellentem ac venustam mente concipiunt, quod convenientissi­ mum facto opus sit, cogitantes deinde stilo manus applicant, ac prius verticem, et, ut ita dicam, vul­ tum coloribus liniunt, subinde notas in reliqua membra distinguunt« (Oder wie es die Maler gewohnt sind? […] daher entwerfen die Maler, wenn sie höchst gefeierte Bilder zu schaffen trachten, zuerst irgendeine hervorragende und reizende idee im Geiste, dann verknüpfen sie, während sie bedenken, was für das werk am harmonischsten nötig sei, die hände mit dem stift. Und sie streichen vorher mit Farben den scheitel und, um es so zu sagen, das Gesicht hin, gleich darauf unterscheiden sie die Merkmale in den übrigen Gliedern); dazu Manfred lentzen, »die rivalität zwischen Mailand und Florenz in der ersten hälfte des 15. Jahrhunderts. Zu pier candido decembrios ›de laudibus Medio­ lanensem urbis in comparationem Florentie panegyricus‹«, in: Italienische Studien, 9, 1986, s. 5–17. lodovico carbones Dialogo […] dove se introduce a parlare Ferrara e Bologna dela partita sua et dasse materia de vari ragionamenti ist nur handschriftlich überliefert (perugia, Biblioteca comunale, Ms. 6). – das iranische Alexanderbuch Eskandarname, gegen 1200 in doppelversen von Mohammad nizamî verfasst, enthält einen wettstreit zwischen einem römischen und einem chinesischen Maler im Beisein eines Königs; nach einer debatte treten beide mit je einem werk zum wettstreit an; s. nizami, Alexanderbuch, s. 288ff.

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III. Der Paragone in der Literatur

kunstbezogenen epideiktischen lehrvortrages. er wird anlässlich des Flanierens durch eine Gemäldegalerie gehalten, wie es heißt, vor dem sohn des Gastfreundes. eine dia­ logform liegt diesem werk, das zahlreiche paragone­Motive antizipiert,262 jedoch nicht zugrunde. nach dem import der Imagines aus Konstantinopel durch Francesco Filelfo kursierten in der zweiten hälfte des Quattrocento – vor der editio princeps 1503 bei Manu­ tio – drei lateinische Fassungen,263 bis werke wie lodovico carbones (1430–1482) De amoenitate, utilitate, magnificentia Herculei Barchi die Kontextsituierung der Imagines für die dialogform assimilierten.264 inhaltlich ist carbones rangstreitdiskussion über die schwesterkünste poesie und Malerei ebenfalls durch die Besichtigung einer musealen stätte geprägt, in diesem Fall durch Borso d’estes Studiolo mitsamt seiner Gemäldeaus­ stattung. Untermalt wird der Anstrich des Authentischen als ergebnis der Beschreibung identifizierbarer lokalitäten durch den Gesprächspartner von ›Agostino Bonfrancheschi da Rimini‹: es ist der Autor (›Lodovicus‹) carbone selbst, ein schüler von Guarino da Verona, der zum Mittel rhetorischer selbstinszenierung greift. dieser Kunstgriff, abge­ schaut von werken wie Augustins De magistro oder Contra academicos, genoss Beliebt­ heit in der Kunstliteratur der renaissance. Auch pomponio Gaurico und Francisco holanda griffen auf ihn zurück. der einfluss der Imagines waltet auch in Giorgio Vasaris

262 siehe philostratos, Imagines, i, 10, 4, s. 115, wo es zu einem Gemälde des musizierenden Amphion heißt: »Auch die andere hand spielt mit gerade gestreckten Fingern, ein Motiv, von dem ich früher meinte, nur die plastik wage es darzustellen«; die größte wirkung im paragone erlebte philostrats Äußerung über die wertschätzung der Malerei ebenda, i, 1–3, s. 85: »wer die Malerei nicht schätzt, verschmäht die wahrheit […]«; vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 9, s. 136: »chi biasima la pittura, biasima la natura, perché l’opere del pittore rapresentano le opere d’essa natura […]«; und mit explizi­ tem rekurs auf philostrat Gaurico, De sculptura, cap. i, s. 47: »Quam qui non amat, Quam qui non complectitur, ut philostrati verbis utar, Veritatem non amat […].« 263 einen ausgezeichneten literaturüberblick über die wirkungsgeschichte der Imagines in der renais­ sance bietet niccolò Zorzi, »demetrio Mosco e Mario equicola. Un volgarizzamento delle ›imagines‹ di Filostrato per isabella d’este«, in: GSLI, 174, 1997, s. 522–572, besonders s. 531ff. eine der latei­ nischen Übersetzungen der Imagines aus dem Quattrocento stammt von pietro da Montagnana, eine andere ist anonym und eine dritte geht auf Antonio Bonfini zurück. die erste gedruckte lateinische Ausgabe von 1521 besorgte stefano negri. demetrio Mosco fertigte eine Volgare­Fassung für isabella d’este; s. auch Johannes von Gaza, Paulus Silentarius und Prokopios von Gaza. Kunstbeschreibungen justinianischer Zeit, hrsg. v. paul Friedländer, [leipzig und Berlin, 1912] hildesheim und new York, 1969, s. 52ff., s. 88ff. und land, 1994, s. 27ff. – Zum gleichen Genre wie die Imagines gehört auch lukians Lobrede auf einen schönen Saal. 264 der dialog entstand gegen 1475–1476; lodovico carbone, De amoenitate, utilitate, magnificentia Herculei Barchi; dazu Giuseppe Zippel, »Artisti alla corte estense nel Quattrocento«, in: L’Arte, 5, 1990, s. 405–407; die relevante textpassage auch zitiert in pfisterer, 2002, s. 278–279; vgl. Le muse e il principe. Arte di corte nel Rinascimento padano, Ausstellungskatalog (Mailand, Museo poldi pezzoli, 20.09.–01.12.1991), hrsg. v. Andrea di lorenzo, 2 Bde. Modena, 1991, Bd. ii, s. 328–331.

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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I ragionamenti, dessen plaudereien zwischen dem ›Fürsten‹ und ›Vasari‹ mit dem durch­ schreiten verschiedener räume des palazzo Vecchio einhergehen.265 das dialogpersonal im paragone rekrutierte sich ebenso häufig aus adligen hofrun­ den wie aus Gelehrtenzirkeln, wobei – nach dem Vorbild von ciceros De oratore, dem Laelius und De re publica – zeitgenössische persönlichkeiten figurieren. im höfischen dialog des Quattrocento, bei carbone wie decembrio, beschränkt sich der paragone­ disput weitestgehend auf die hierarchie zwischen Malern und dichtern. Ausgehend vom horaz­diktum über die den beiden – Malern und dichtern – gleichermaßen ver­ liehene Kühnheit der erfindungskraft, unterliegt der rang der Künste in De politia litteraria kontroversen Beurteilungen, sei es durch den herzog von Ferrara ›Leonello d’Este‹, durch den humanisten ›Guarino Veronese‹, ›Tommaso Reatino‹ oder die höflinge ›Niccolo Strozzi‹ und ›Feltrino Boiardo‹.266 Meist sind es namhafte Vertreter einer konkreten kulturellen elite, aus denen sich die paragoni im Gelehrtenmilieu konstituieren. so unter­ halten sich in Gauricos De sculptura profilierte intellektuelle repräsentanten paduas: der latinist ›Regius‹, der erste dozent für die griechischen Aristoteles­texte an der Univer­ sität von padua, ›Niccolò Leonico Tomeo‹ (1456–1531) – er betätigte sich auch als Kunst­ sammler und verfasste seinerseits dialoge – und ›Gaurico‹ selbst.267 Und in Francisco de holandas Da pintura antiga sind es neben dem Autor und ›Lattanzio Tolomei‹, die dich­ terin ›Vittoria Colonna‹ und ›Michelangelo‹.268 im Gelehrtenmilieu verhaftet bleibt tor­ quato tassos Il Forno overo della nobilità, ein dialog zwischen dem lektor für Medizin ›Agostino Bucci‹ und ›Antonio Forni‹; der Abschnitt über den paragone beschränkt sich auf den propagandistischen wert der drei bildenden Künste und der dichtung hinsicht­ lich der Glorifizierung der städte.269

265 Vasari, I ragionamenti, Bd. Viii. das 1557 verfasste werk ging 1588 in druck. 266 decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 11, s. 428ff. und der Kommentar von witten auf s. 107– 109; s. vor allem Michael Baxandall, »A dialogue on Art from the court of leonello d’este. Angelo decembrio’s ›de politia litterarum pars lXViii‹«, in: JWCI, 26, 1963, s. 304–326. 267 leonico besaß ein Gemälde von Jan van eyck und, gemalt von Giacomo und Giovanni Bellini, por­ träts seines Vaters und von sich selbst; dazu Andrew Gregory und Jonathan woolfson, »Aspects of collecting in renaissance padua. A Bust of socrates for niccolò leonico tomeo«, in: JWCI, 58, 1995, s. 252–265 mit weiterführender literatur. 268 der relevante Abschnitt über den paragone in Scritti d’arte, 1971–1977, s. 545–547. 269 torquato tasso, Il Forno, s. 102ff. nach dem lob der Kolosse als Zierde der städte heißt es über die Malerei und die poesie: »[…] onde coloro che sono eccellenti in cosa che non è giovevole alla cittadi­ nanza, qual è la poesia e la pittura, son più gloriosi che onorati […]«; und auf s. 103: »Questo ch’ora avete detto, che la pittura e la poesia renda l’uomo glorioso, non mi pare irragionevole, rammentan­ domi d’avere udito dire ch’Aristotele afferma che la suprema eccellenza nell’arte si può nomar sapi­ enza: onde saggi a ragione Fidia e prassitele furon nominati; sì che non dee parere strano ch’a questi artefici s’attribuisca la gloria, a’quale si concede la sapienza.«

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III. Der Paragone in der Literatur

da sich der rangstreit zwischen Malerei und skulptur traditionell oft über den Grad der lebensnähe von Kunstwerken entscheidet, implizieren sprechende Kunstwerke,270 oder, konkreter gesagt, Gemälde oder skulpturen als sprechfiguren in paragone­dia­ logen, bereits eine wertung. der bedeutendste dialog des Altertums, in dem Kunstwerke im streit liegen, stammt aus der Feder lukians. es ist der bereits erwähnte Jupiter tragoedus, in dem sich zwei Meisterwerke der Bildhauerei, die ›Knidische Aphrodite‹ des praxi­ teles und der ›Koloss von Rhodos‹ einen schlagabtausch liefern, bestehend aus Argumen­ ten für ihren jeweils höheren rang.271 soweit bekannt, kennt der paragone­dialog des Quattrocento diese Art der sprechfiguren nicht. Aber die humanisten fanden früh Gefallen an einzelnen dicta, die sie Kunstwerken in den Mund legten, wie beispiels­ weise leon Battista Alberti, der ein »simulacrum« des Zeuxis voll Anmaßung sagen lässt: »Mich hat der beste Maler hervorgebracht.« das Kunstwerk liefert das wortzeug­ nis. ein beliebter Gedichttypus, v. a. kultiviert von dichtern wie campano, Ferabos und porcellio, war der, in dem bestimmte Gemälde oder skulpturen passioniert Ansprachen an den Betrachter oder ihren Besitzer richteten.272 die popularität des pasquills im cin­ quecento – gemeint sind die Gelegenheitsgedichte, die an den torso des Pasquino gehef­ tet wurden – begünstigte den einsatz von Kunstwerken als dialogfiguren, ebenso die sogenannten Coryciana.273 Fast ein Jahrhundert sollte nach donatellos tod vergehen, und eine von ihm geschaffene Marmortatue (»lA stAtUA di MArMO di MAnO di dOnAtellO pArlA«) fungiert als sprecherin in donis Buch I marmi. An ande­ rer stelle meldet sich Michelangelos ›Aurora‹ zu wort und regt ›Peregrino‹ und einen 270 die Fähigkeit des sprechens und Atmens wird oft gleichzeitig beschworen, wie in Verino, Carlias, Viii, vv. 248–250, s. 282: »[…] phidias cedat, polycletus et ipsa / Artifici natura! loqui et spirare putabis / Marmora, […].« 271 lukian, Jupiter tragoedus; dazu coenen, 1977, s. 61; s. auch Froleyks, 1973, s. 258ff. mit der Bewer­ tung als liebesagon. die explizite Berufung auf lukian im paragone in doni, Disegno, in: Scritti d ’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 564. – eine inschrift zur naxischen Kolossalstatue auf delos: »Aus ein und demselben stein bin ich, die statue und die Basis«; zitiert nach philipp, 1968, s. 24, s. 118. 272 Alberti, Apologi centum, s. 80, nr. 32: »simulacrum Zeusis dicebat emptori: ›Optimus me pictor gen­ uit‹.« die Bewertung von Zeuxis als »sommo / pictore« auch in palmieri, Della vita civile, ii, 168, s. 94. – in einem Gedicht von campano spricht Antonio rizzos ›Fides‹­statue den dichter an; s. piero cecchini, Giannantonio Campano. Studi sulla poetica, Urbino, 1995, s. 59, nr. 60; im Gedicht von Ferabos (BAV, Ms. Urb. lat. 1193, fol. 114v) heißt es: »Vivo igitur. loquor et scio per me posse moveri«. porcellio schrieb viele Gedichte dieses typus’, v. a. wendet sich ein antikes Frauenporträt der portia gegen 1463 an seinen Besitzer, den Kardinal Francesco Gonzaga; zitiert in den erläuterungen zu porcellio, De arte fuxoria, s. 145, Anm. 22. 273 Zum einfluss des pasquills im 16. Jahrhundert Pasquinate romane del Cinquecento, hrsg. v. Valerio Marucci et alt., rom, 1983; ein vergleichbares phänomen sind die sogenannten Coryciana, jene Gedichte, die die poeten roms unter leo X. am st. Annentag in der Kapelle mit sansovinos statuen­ gruppe niederlegten; s. ingrid d. rowland, The Culture of the High Renaissance. Ancients and Moderns in Sixteenth-Century Rome, cambridge, 2000, s. 189f., s. 322, Anm. 146–147.

1. Sprecherkonfigurationen in der Dialogliteratur über den Paragone seit Petrarca

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Florentiner (›Fiorentino‹) zu einer diskussion über ehrengrabmäler von Florentiner Malern und Bildhauern an.274 ein redundanter Zug ist nicht zu übersehen. Kein zweiter dialog der renaissance enthält so extensive reflexionen über die sprachfähigkeit von statuen. sie wird angesichts der dialogfiguren aus stein mitreflektiert. Umgekehrt fühlt sich ein Mensch wie ›Fiorentino‹, der verharrend zuhört, nicht frei von ironie, wie eine Marmorstatue: »io sono stato ascoltarvi come s’io fossi stato una statua di marmo.«275 nicht ohne wirkung blieben Gedichte mit sprechenden Kunstwerken, wie zwei epi­ gramme des dichters Ausonius, in der sich eine von phidias geschaffene Figur der ›Occasio‹ (Gelegenheit) mit der ›Paenitentia‹ (reue) austauscht. nachweislich fand dies nicht nur ein echo in einem Grisaille­Fresko der Mantegna­werkstatt (Abb. 14), das, ›stei­ nern‹ wie es ist, als paragone mit der skulptur, wenn nicht zudem mit der dichtung zu werten ist, sondern – nach einem reflex bei poliziano – auch in Versen von niccolò Machiavelli für Filippo de’nerli: ›dell’occasione‹ (Über Gelegenheit). es ist ein Zwie­ gespräch zwischen jener allegorischen statue und dem dichter.276 Gemessen an der häu­ figkeit des rekurses auf die dialoge lukians und ciceros ist – wie das Schema 1 (s. s. 768ff.) verdeutlicht – der auf das platonische referenzmodell im paragone vergleichs­ weise gering. es ist allenfalls latent im spiel, als sich lorenzo Valla 1442 als figura auctoris (›Laurentius‹) in De professione religiosorum mit einem ›Frater‹ sophistisch über die Ver­ gleichbarkeit von Malerei und Architektur austauscht,277 oder als ›Chrysius‹ (›der Goldene‹),

274 doni, I marmi, iii, Bd. ii, s. 9ff.; s. 10; ebenda, iii, Bd. ii, s. 20–24. der schauplatz des dialoges ist die Accademia peregrina; Peregrinos ist der kynische wunderprediger im gleichnamigen pamphlet von lukian (Peregrinos). 275 ebenda, cap. 3, Bd. ii, s. 23; vgl. auch leonardo, Libro di pittura, iii, 368, s. 288 über schlechte redner, die wie holzstatuen am pult stehen; und ein Mensch als »lebende statue« in Juvenal, Satiren, Viii, v. 56. 276 Ausonius’ epigramm stellt die lateinische Bearbeitung eines in der AP, XVi, nr. 275 überlieferten Gedichtes von poseidippos dar, in dem lysipp anstelle von phidias spricht; Ausonius, Epigramme, nr. 33, Bd. ii, s. 174: »cuius opus? phidiae: qui signum pallados, eius / quique iovem fecit; tertia palma ego sum. / sum dea quae rara et paucis OccAsiO nota. / […].« (›wessen werk bist du?‹ ›das von phidias, der das Pallas­standbild, der den Jupiter schuf; sein drittes Meisterwerk bin ich. ich bin eine Göttin, die selten und wenigen bekannt ist, ›Occasio‹ […]‹); (Ausonius lässt auch die Bronzekuh des Myron sprechen; s. ebenda, nr. 68, Bd. ii, s. 194f.); vgl. Machiavelli, Opere, Bd. iV, s. 354–355; eine Beschreibung der beiden personifikationen nach Ausonius auch in poliziano, Miscellanae (poli­ ziano, Opera omnia, Bd. i, s. 265). – das gegen 1500 entstandene Kaminfresko der Mantegna­werk­ statt mit Fortuna/Occasio und Paenitentia befand sich einst im palazzo caviani von Mantua; das thema erkannte Aby warburg, Der Bilderatlas Mnemosyne, hrsg. v. Martin warnke et alt., Berlin, 3 2008, Bd. i, tafel 48, nr. 28; unerwähnt in Blumenröder, 2008. 277 die Argumentation antizipiert mutatis mutandis Varchis vermittelnde haltung im paragone: die entsprechung der Verschiedenheit zweier weltanschaulicher positionen mit einem guten Maler im Verhältnis zu einem guten Architekten führt zur einsicht, dass sich der Vergleich wegen der perfektion

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III. Der Paragone in der Literatur

14 werkstatt des Mantegna, Occasio und Paenitentia, um 1500, Mantua, Museo della città di palazzo san sebastiano

›Misopenes‹ und ›Sophia‹ gegen 1490 im Misopenes­dialog von pandolfo collenuccio einen sinnen­paragone zwischen den figurativen Künsten und der dichtung erörtern.278 Folgende Beobachtungen sind festzuhalten: das dialogpersonal im paragone ent­ hüllt in auffallender weise den bevorzugten Zugriff auf griechisch­antike Modelldialoge beider verbiete; daraufhin besinnt sich der sprecher wieder auf die Verschiedenheit der standpunkte; Valla, De professione religiosorum, i (Valla, Opera omnia, Bd. ii, s. 107): »›LAURENTIUS‹: ›[…] ita aliae tuae actiones, aliae meae, aliae tuae virtutes, aliae meae erunt, neutro communionem habente cum altero, quasi tu bonus pictor sis, ego bonus architectus, in quos non cadit comparatio, ac stultissimum sit alterum alteri praeferre, maxime si uterque est in suo genere perfectus.‹ ›FRATER‹: ›cetera paria sint, in his tantum differamus.‹ ›LAURENTIUS‹: ›Atque istue est dare vobis, ut sic dicam, laudem etiam architectandi, nobis non dare laudem etiam pingendi.‹« Vgl. Varchi, Due Lezzioni, nr. 1 (Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 31). 278 pandolfo collenuccio, Misopenes, s. 33; der relevante passus zitiert in App. iii/B, nr. 17; ›Sophia‹ tritt vor allem nach dem paragone in erscheinung.

2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento

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und prunkreden. die Ursache dieses rezeptionsverhaltens sind die tiefen einblicke der italienischen Kunstschriftsteller des 15. und 16. Jahrhunderts in den genuin agonalen oder auch sophistischen wesenszug dieser Vorlagen: Xenophon, dion von prusa, philostrat und bevorzugt der virtuose dialogautor und sophist lukian boten das Arsenal, aus denen viele sprecher im paragone ebenso herausgefiltert wurden wie paragone­Argumente. Zumindest in der Ethopoiie kann die Funktion der Gesprächsführenden als potenzielle identifikationsfiguren für den leser wohlkalkuliert sein. dieses Kalkül offenbart sich 1501 in pontanos Begleitschreiben zu seinem Aegidius­dialog an pietro summonte: »empfange also […] das Geschenk deines pontanus«, heißt es, »und betrachte dich als einer der dialogpartner gleichsam in dessen spiegel.«279 trotz der höchst artifiziellen Gesprächssituation des renaissance­dialoges ist die identitätsstiftende wirkung rheto­ risch brillierender Maler und Bildhauer nicht zu unterschätzen. sie mochte auch als Anregung zur synkrisis betrachtet werden.

2. Argumentative impulse aus dem Quattrocento 2.1. Fehler des Malers und des Arztes – ein Beispiel für die figurativen Künste im rangstreit der wissenschaften wie die Quellenedition, die Garin 1947 vorlegte, eindringlich dokumentiert, haben be­ sonders die frühen humanisten die »disputà delle arti« zwischen den wissenschaften gepflegt, einen streit, dessen nährboden laut Kristeller mitunter das Konkurrenzver­ hältnis zwischen den universitären Fakultäten italiens gewesen sein dürfte.280 welchen stellenwert besaßen die Malerei und die skulptur in diesen ›fachfremden‹ diskursen? Zweifellos waren sie zunächst vom nimbus der wissenschaftlichkeit weit entfernt. die Auffächerungen sämtlicher Facetten dieses phänomens ist im rahmen dieses Kapitels nicht möglich. ein markantes Beispiel muss zur Andeutung der dimension dieses Fak­ tors für die Genese des paragone genügen. Festzustellen ist: Vereinzelt traten rivalitäten zwischen der Juristerei und der Mal­ kunst in der »disputà delle arti« in erscheinung. Bereits die Anthologia Palatina, deren Manuskript etwa 1420 aus Konstantinopel nach italien gelangt ist, kennt einen Agon zwischen einem Anwalt und einem Maler;281 und, was die studia humanistatis betrifft, so 279 pontano, Aegidius, s. 522/523 (Üs: hermann Kiefer): »Accipe igitur […] pontani tui munus et te ipsum in illius quasi speculo dicentem intuere; […].« 280 Kristeller, 1974–1976, Bd. i, s. 233, Anm. 27. 281 ein Advokat siegt über den Maler in den lukillios zugeschriebenen Zeilen aus der AP, Xi, nr. 233, Bd. iii, s. 63 (Üs: dietrich ebener); denn er verzichtet auf das professionelle prozedere der Malpraxis und sticht den Maler allein durch schnelligkeit aus:

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III. Der Paragone in der Literatur

spielten schriften zur Verteidigung der poesie – aus der Feder von petrarca über Francesco Fiano bis Battista spagnoli – erkanntermaßen eine rolle in der Vermittlung von kunst­ bezogenen rangstreitmotiven.282 in diesem Kontext besticht vor allem aber die kultur­ geschichtliche rolle einer naturwissenschaftlichen disziplin, der Medizin. deren Berüh­ rungspunkte mit den figurativen Künsten liegen in Anbetracht der auch für den Maler und Bildhauer ratsamen einblicke in die menschliche physiognomie und Anatomie auf der hand.283 der pergamenische Arzt Galen hatte in erkennnis dieser Gemeinsamkeit eine rivalität gesehen. warum, fragt er, werde den Bildhauern, die doch bloß nach­ ahmer der natur seien, so großes lob zuteil, wenn deren Marmorwerke es doch niemals mit der Außenseite wie mit den inneren teilen des Menschen aufnehmen könnten. Äußerungen Galens wie diese waren in der renaissance dank niccolò da reggio im lateinischen greifbar, zum teil auch durch Giorgio Valla. sie haben offenbar leonardo zu paragone­reflexionen anlässlich von anatomischen sektionen des Menschen inspi­

»rechtsanwalt phaidros und Maler rufus gerieten ins streiten, 1 wer wohl schneller, zugleich ähnlicher schüfe ein Bild. rufus begann die Farben zu reiben. phaidros indessen hatte naturgetreu schon dargestellt – einen revers.« ein Bezug der Malerei zur Juristerei auch durch den spitznamen des parrhasios; er wurde wegen der exakten Umrisse seiner Kunst – laut Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 5, Bd. ii, s. 756 – »der Gesetzgeber« (»legum latorem«) genannt. 282 petrarcas plädoyer für die poesie in den Invective, iii; das 14. und das 15. Buch von Boccaccios Genealogia deorum gentilium gelten der Verteidigung der poesie; Francesco Fiano, Contra ridiculos oblocutores, s. 124–162; dazu Antonio lanza, Polemiche e berte letterarie nella Firenze del primo Rinascimento (1375–1449), rom, 1989, s. 82ff.; eine Abrechnung mit lasziven dichtern bot Battista spagnoli, Contra poetas impudice loquentes opusculum perelegans, Bologna: Francesco plato de Benedictis, 1489; zum Genre gehört ferner savonarolas Apologeticus de ratione poeticae artis (1492). – teils übernehmen lobeshymnen auf die poesie die apologetische rolle. dies geschieht beispielsweise in Ugolino Verinos Gedicht in Flametta, ii: De laudibus Poetarum et de felicitate sui seculi (zitiert nach Verino, De illustratione urbis Florentiae, s. 400ff.); ferner Meltzoff, 1987, s. 13–21. 283 das an den Künstler gerichtete postulat, sich in der Medizin zu schulen, begegnet bei Vitruv, De architectura, i, 1.3 und Ghiberti, I commentarii, i, 2.1., s. 46 und i, 2.10., s. 50: »non bisognia esser medico come Ypocrate et Avicenna e Galieno, ma bene bisogna avere vedute l’opere di loro, avere veduto notomia, avere per numero tutte l’ossa che sono nel corpo dell’uomo, sapere i muscoli sono in esso, avere tutti i nervi e tutte le legature che sono nella statua virile; […].« das lob des Malers mit Qualitäten des Arztes in Filippo Villani, De origine, XlVii, 15, s. 155–156. Villani bescheinigt dem Maler ›stephano‹, dem »Affen der natur«, dass er bei Menschenkörpern Arterien, Venen und nerven so akurat wie ein Arzt anordnen könne: »stephanus, nature symia, tanta eius ymitatione valuit, ut etiam a physicis in figuratis per eum coloribus humanis arterie, vene, nervi et quam minutissima liniamenta proprie colliguntur […];« zum topos ›Affe der natur‹ ernst r. curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, [Bern, 1948] Bern und München, 101984, s. 522f.; vgl. die von plini­ us, NH, XXXiV, 59 gepriesene Gabe des Bildhauers pythagoras, erstmals sehnen und Adern gebildet zu haben.

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riert,284 und Benedetto Varchi bemühte Galens positionen mehrfach in den Due Lezzioni.285 wiewohl die florentinischen Maler und Ärzte seit dem trecento gemeinsam der Zunft der »Arti dei Medici e speziali« angehörten,286 wiewohl einige Ärzte, beispiels­ weise Brunelleschis Freund, paolo dal pozzo toscanelli, camillo leonardi oder Ambro­ gio leone, sich in der Kunsttheorie oder in tributen an die Kunst übten,287 nichts spie­ gelt so sehr das Bewusstsein von einer Affinität der Medizin zu den bildenden Künsten wie jene Fülle frühneuzeitlicher rangstreitliteratur, die um die Medizin kreist, ange­ fangen mit dem umfangreichen Buch des scholastikers pietro d’Abano, eines philoso­ phen und Arztes aus padua. es war der in der ersten trecento­dekade verfasste Conciliator controversiarum, quae inter philosophos et medicos versantur, in dem Bezüge zur bildenden Kunst nicht ausblieben, in der Frührenaissance gefolgt von petrarcas emotionsgelade­ nem pamphlet gegen die ärztliche heilkunde, den Invective contra medicum quendam.288

284 Galen, De usu partium corporis humani, iii, Bd. i, s. 189f. Zur Bedeutung von Galen in der renais­ sance thorndike, 1929, s. 18. niccolò da reggio fertigte seine Galen­Übersetzungen für robert von Anjou an; Giorgio Valla beteiligte sich mit einigen Übersetzungen an der 1498 in Venedig verlegten Galen­edition; dazu sabbadini, 1905–1914, Bd. i, s. 71. – Für leonardo ist seine anatomische skizze des herzens und der lunge in der royal library von windsor (rl, fol. 19071r) der Anlass zur refle­ xion über den paragone zwischen dem schreibenden und dem Zeichner: »O scrittore, con quali paro­ le descriverai l’intera figura con la perfezione con la quale lo fa qui il disegno? per la tua ignoranza tu scrivi confuso e lasci poca cognizione delle figure vere delle cose; […]«; zitiert nach Leonardo da Vinci. Disegni anatomici dalla Biblioteca Reale di Windsor, Ausstellungskatalog (Florenz, palazzo Vecchio, 05.–09.1979), hrsg. v. Kenneth Keele, Florenz, 1979, s. 123. die von Apelles gemalte Aphrodite von Kos als Beispiel für die bleibende diskrepanz des Kunstwerkes zum lebenden Körper bei cicero, De natura deorum, i, 75, s. 60: »dicemus igitur idem quod in Venere coa: corpus illud non est sed simile corporis, nec ille fusus et candore mixtus rubor sanguis est sed quaedam sanguinis similitudo; […].« Zur häufigen identifizierung des beim Bronzeguss einfließenden Metalls mit Blut in der Kunstlitera­ tur des cinquecento cole, 1999, s. 215ff. 285 Varchi, Due Lezzioni, i, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 17, s. 21, s. 33; über die Galen­rezep­ tion im paragone auch Farago, 1992, s. 79, 341, 365, 394, 375–380. 286 die statuten der Zunft von 1349 abgedruckt in Zygmunt wa´zbinski, ´ L’Accademia Medicea del disegno a Firenze nel Cinquecento, 2 Bde., Florenz, 1987, Bd. ii, s. 411ff.; s. auch Giancarlo Gentilini, I Della Robbia. La scultura invetriata nel Rinascimento, 2 Bde, Mailand, 1992, Bd. i, s. 18, 128. 287 Zu toscanelli (1397–1482), der in padua Medizin studiert hatte, s. den Kommentar von Bergdolt in Ghiberti, I commentarii, III, s. XXi; zu Ambrogio leone collareta, 1988, s. 572; der Arzt camillo leonardo publizierte 1502 in Venedig das Buch Speculum lapidum mit lobeshymnen auf zeitgenössi­ sche Künstler. 288 die vier gehässigen Kampfschriften stammen von 1352–1355. petrarca vertritt in ihnen die position, dass Ärzte den Menschen zugrunderichten; näheres zu den Invective in Klaus Bergdolt, Arzt, Krankheit und Therapie bei Petrarca. Die Kritik an Medizin und Naturwissenschaft im italienischen Frühhumanismus (Acta humaniora), weinheim, 1992, s. 33ff.; über die Medizin als ars mechanica s. 38ff.; über den niederen rang der Medizin bei den humanisten La disputa delle arti, [1947] 1982, s. 18, 46, 58, 88. – die erwähnung des Kanons von polyklet in pietro d’Abano, Conciliator controversiarum,

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der sichtung von thorndike (1929) gemäß waren petrarcas Invektive zahlreiche nach­ folgewerke beschert, unter anderem von coluccio salutati, Giovanni d’Arezzo, poggio Bracciolini und Filippo Beroaldo, um nur einige prominente namen herauszugreifen.289 Bergdolts Feststellung in ehren, dass petrarcas opusculum »im literarischen werk des dichters eine untergeordnete rolle« spielte,290 – sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Invective in der rangstreitliteratur über die bildenden Künste eine ansehnliche wirkungsgeschichte nach sich zogen. wie unschwer zu erkennen ist, findet in der Folge­ zeit, neben anderen traditionssträngen, die Assimilierung von einigen der Kritikpunkte petrarcas gegenüber der Medizin statt, teils für die Malerei, teils für die skulptur. Unter­ scheidet sich petrarcas Geißelung der Medizin als ars mechanica lohnabhängiger und ungebildeter handwerker von den hieben auf die Bildhauerei im paragone?291 erinnert petrarcas Apostrophierung der Medizin als lügenhandwerk und, unter Zitierung Vergils, als »stumme wissenschaft« nicht an die Vorwürfe gegenüber der ›stummen‹

differentia, 18, 2, fol. 25v; 3; auf fol. 26v; lib. i, 3 zu einer skulptur; pietro d’Abano ist einer der dis­ putanten in lomazzos Libro dei sogni, cap. 7. 289 Zu diesem Genre s. »Medicine versus law at Florence« in: thorndike, 1929, cap. 2, s. 24–58 und s. 261ff.; über den Beitrag der humanisten zur wissenschaft trinkaus, [1911] 1983, s. 140ff. Feind­ seligkeit gegenüber der Medizin bekunden poggio Bracciolinis Abhandlungen von circa 1450, die Oratio in laudem legum und (ohne Bezüge zu den Künsten) Disceptatio, utra artium, medicinae an iuris civilis, praestet (Bracciolini, Opera, Bd. i, s. 37–51) und Antonio Galateo de Ferrariis De dignitate disciplinarum ad Pancratium (1492) (s. Antonio Galateo de Ferrariis, Varii opuscoli, ii, s. 3–36). Als Verfechter der Medizin erwiesen sich 1415 der in Florenz lebende physiker Giovanni Baldi da Faenza mit seinem traktat An medicina sit legibus politicis praeferenda (abgedruckt in La disputa delle arti, [1947] 1982, s. 3–4), domenico Bianchelli 1430 mit der Disputatio de praestantia philosophi et iurisconsulti (dazu Giulio F. pagallo, »nuovi testi per la disputa delle arti nel Quattrocento: la ›Quaestio‹ di Bernardo da Firenze e la ›disputatio‹ di domenico Bianchelli«, in: IMU, 2, 1959, s. 467–481), 1466 Giovanni d’Arezzo im dialog De medicinae et legum praestantia (La disputa delle arti, [1947] 1982, s. 35–65) und nicoletto Vernia 1482 mit der Quaestio est an medicina nobilior atque praestantior sit iure civili, in der die Medizin als eine von Gott eingesetzte Kunst gefeiert wird (La disputa delle arti, [1947] 1982, s. 91–101); über eine vergoldete statue heißt es auf s. 115: »Antonius Musa divo Augusto thyrso lactucae sanato, statua aurea donatus est; policretus, sanato phalaride tyranno, incredibili auri quantitate ab ipso donatus est.« 290 Vgl. Bergdolt, 1992, s. 33. 291 die Zuordnung ergibt sich durch petrarcas plädoyer für die Malerei als freie Kunst; s. petrarca, Invective, iii, s. 896: »nunquid ibi non dico medicinam, que alibi habitat et inter mechanicas sexta est […]?« die einordnung der Medizin unter die artes mechanicae geht zurück auf hugo von st. Victor, Didascalicon, iii, cap. 20; vgl. Kristeller, 1974–1976, Bd. ii, s. 173. ein Vorbild für die Kritik am Arzt bot im Buch über die Metallurgie plinius, NH, XXXiV, 108; Albertis diatribe über die Vorzüge und nachteile der literatur (von ca. 1428–1435) kritisiert die Medizin (Alberti, De commodis litterarum atque incommodis, 58, s. 87 und s. 61, s. 88); dazu Grafton, [2000] 2002, s. 49, s. 69ff.

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Malkunst?292 dass in erkenntnis solcher Zusammenhänge Versuche nicht ausblieben, auch den rang der Malkunst im spannungsverhältnis zur Medizin zu bestimmen, doku­ mentieren petrarcas Brückenschläge vom Arzt zum Maler in den Invective. die an den Arzt gerichtete empfehlung petrarcas, sich – anstellte von rhetorischem Großtun – auf sein handwerk zu bescheiden, folgt, wie ihm sehr wohl bewusst ist, dem Muster von Apelles’ Zurechtweisung eines schusters, »der seine Grenzen überschritt«; er solle bei seinem leisten bleiben: »Arzt, bleibe bei deinen Angelegenheiten!«, paraphrasiert petrar­ ca.293 eine Anekdote, die im ersten Buch der Invective um sokrates rankt, zeugt vom prioritätsstreit zwischen der Malerei und der Medizin. sie ist von unbekannter herkunft: sokrates war also im recht, als er, nachdem er von einem Maler, der Arzt geworden war, gehört hatte, sagte: ›er ist klug gewesen, eine Kunst, deren Fehler offenliegen, aufzugeben und die [Kunst] zu ergreifen, deren Fehler durch die erde bedeckt wer­ den.‹«294 petrarca hatte seine Invective Boccaccio persönlich übergeben. in den Esposizioni sopra la commedia gab dieser nicht minder den besagten Berufsagon zum Besten, der, nicht ohne makabrem einschlag, die vergleichsweise geringen Makel des Malers gegen die folgen­ reichen, die tödlich endenden Kunstfehler des Mediziners abwägt: »in Athen gab es einen jungen Maler, der ziemlich bekannt war, der plötzlich Arzt wurde. Als dies sokrates berichtet wurde, sagte er: ›dieser mag ein weiser sein, indem er die Kunst[art], deren Fehler den Menschen immer vor Augen stehen [die Male­ rei], aufgab und diejenige [Kunstart] wählte, deren Fehler die erde bedeckt.‹«295

292 petrarca, Invective, iii, 741, s. 938: »[…] muta debet esse, non loquax«; vgl. Vergil, Aeneis, Xii, vv. 396–397, s. 528: »[…] medendi / maluit et mutas agitare inglorius artis.« die Malerei als stumme Kunst in Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 3; Gleiches für die Bildhauerei behauptet cicero, De oratore, iii, 7. die Verunglimpfung der Medizin als trug und Gaukelei in salutati, De nobilitate, s. 24: »Quis non novit ab initio per vanas artis magice ludificationes medicinam constitisse carmini­ bus, cuius inventorem Apollinem tradiderunt?« 293 petrarca, Invective, iii, 620–626, s. 930: »prosequere igitur ludum tuum; ita, tamen, ut deinceps ethicam non molestes, sed memineris quid sutori ›terminos suos excedenti‹ respondit pictorum famo­ sissimus Apelles. Age res tuas ut medicus.« Vgl. plinius, NH, XXXV, 85. 294 petrarca, Invective, i, 159–162, s. 828: »iure igitur socrates, cum factum de pictore medicum audis­ set: ›caute;‹ inquit ›artem enim deseruit que defectus suos habet in aperto, eamque complexus est cuius error terra tegitur.« nicht bekannt ist diese episode Maurizio Bettini, »tra plinio e s. Agostino. Francesco petrarca sulle arti figurative«, in: Memoria dell’antico, hrsg. v. salvatore settis, 3 Bde., turin, 1984, Bd. i, s. 219–267. petrarcas Quelle gibt rätsel auf. Fest steht: Arzt­redner­Vergleiche durchziehen platons Gorgias (zum Beispiel 459a), vereinzelt wird der Arzt dem Maler gegenüberge­ stellt (448b–c); aber es lässt sich kein direktes Vorbild ausmachen. 295 Boccaccio, Esposizioni sopra la Commedia, zu canto iV, 264, Bd. Vi, s. 236: »era in Atene un giovane uomo dipintore, assai conosciuto, il quale subitamente divenne medico; il che essendo detto a socrate,

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Aus diesem sehr speziellen, ja strapazierten Blickwinkel erweist sich die Medizin gegen­ über der Malerei als die profession, die einen weit geringeren schwierigkeitsgrad besitzt. Verhinderte Autopsien der leichname, die schnellstmöglich bestattet werden, begüns­ tigen das Verhehlen medizinischer Fehlgriffe – anders die Malerei, deren Mängel scho­ nungslos den Blicken des Betrachters preisgegeben sind, ein phänomen, das zumal aus einer Apelles­legende spricht. plinius d. Ä. leitet mit dieser die schuster­episode ein: Apelles habe sich hinter seinen Gemälden versteckt, um dem Urteil von passanten über seine Fehler (»vitia«) zu lauschen.296 Angelo camillo decembrio alludierte an diese Gepflo­ genheit, nicht ohne auf den veränderten, nunmehr von gattungsmäßigen Zwistigkeiten geprägten Zeitgeist hinzuweisen. im Gegensatz zu früheren Zeiten, als Künstler – Maler und dichter – einander ihr werk gezeigt und es dann korrigiert hätten, sei ihr Verhältnis nun durch rivalitäten getrübt.297 der Florentiner staatskanzler coluccio salutati über­ nahm 1399 petrarcas Anekdote über den ins Arzt­Metier abgewanderten Maler in einem weiteren exponat der literarischen Fehden unter den wissenschaften, in seinem, einem Arzt aus Florenz, Bernardus, gewidmeten rangstreit um den Vorrang der Jurisprudenz und der Medizin, De nobilitate legum et medicinae. in seiner nacherzählung der Anekdo­ te konkretisiert salutati bezüglich der Ärztefehler, dass die erde »das schlecht wie das disse: – Questo può esser savio uomo d’aver lasciata l’arte i difetti della quale sempre stanno dinanzi agli occhi degli uomini, e presa quella li cui errori la terra ricuopre.« dieser passus blieb unbeachtet in den bislang wichtigsten Untersuchungen über Boccaccios Verhältnis zu den Künsten – sowohl bei Millard Meiss, Painting in Florence and Siena after the Black Death. The Arts, Religion and Society in the Mid-Fourteenth Century, princeton n. J. und new York, 1951, cap. 7, s. 157–165, als auch bei creighton Gilbert, »la devozione di Giovanni Boccaccio per gli artisti e l’arte«, in: Boccaccio visualizzato. Narrare per parole e per immagini fra Medioevo e Rinascimento, hrsg. v. Vittore Branca, turin, 1999, Bd. i, s. 145–153. Über das Genre der Berufsagone in der Antike Froleyks, 1973, s. 208ff.; auf s. 217 der Verweis auf den schlagabtausch zwischen einem Arzt, philosophen und redner in der 268. deklamation des pseudo­Quintilian. 296 Vgl. plinius, NH, XXXV, 84, s. 66 und dion von prusa, Vom Neid, 22–23; s. ferner palmieri, Della vita civile, ii, s. 95: »siano dunque in questo seguiti i buoni dipinctori, i quali l’opere che e’fanno sogliono lasciare considerare dal popolo, et poi corregere quello che fussi da molti ripreso, et forse alle volti preporre il iudicio all’arte, et fare et non fare secondo è iudicato da molti«; die gleiche episode ist auf Maler und Bildhauer bezogen in Antonio Galateo, De educatione, in: Galateo de Ferrariis, Varii opuscoli, Bd. i, s. 166, wo es heißt, man müsse sich das Beispiel jenes Malers in erinnerung rufen, der seine werke dem Urteil des Volkes überlassen habe, um zu erfahren, ob etwas schlecht ausgeführt sei. wenn der Maler hinsichtlich seines Gemäldes oder der Bildhauer hinsichtlich seiner statue die Urtei­ le der anderen erkunde, was müsse ein König bei so vielen Belangen erst tun: »[…] ut quid vulgus, quid opifices, quid mulierculae de se sentirent, ipsimet intelligerent, ausi meo judicio rem optimis principibus dignam; amicos plerumque emendare, corrigere, obliurgare dubitamus: quod in amicos vix licet, in reges licebit?« 297 decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 7, s. 427: »erat autem optima priscorum tempestate de pictoribus poetisque eadem fere laus et munificentia. ipsi vicissim artifices opera sua demonstrantes emendabant, quos nunc mutua novimus aemulatione lacessiri.«

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unredlich Gemachte« bedecke.298 was salutati eingedenk des gewünschten humanitä­ ren Anspruchs verteufelt, ist das fehlende Berufsethos der Mediziner, als beantworte er petrarcas rhetorische Frage: »cur autem, queso, medicinam ethice permisces?«299 in petrarcas nachfolge mangelt es salutati nicht an hermeneutischer phantasie, wenn er den Konflikt zwischen dem schuster und Apelles bedenkt, dessen name ungenannt bleibt: »recht bewundernswert litt es ja, wie Valerius Maximus erzählt, jene Künstler, ob er nun Maler oder Bildhauer war, daß ein schuster ihm bei seiner Arbeit ermahnungen erteilte, solange er von sandalen und Ösen sprach, denn das gehörte zu seiner Kunst; kaum aber hatte er begonnen, sich über die schienbeine auszulassen, verbot jener ihm, sich über die Fußsohlen zu erheben, denn er schweifte außerhalb seines Fachs ins höhere.«300 erneut, wie in den Invective, gerät das anmaßende lästern des schusters ins Kreuzfeuer der Kritik. die Kompetenz des Malers beziehungsweise Bildhauers soll unanfechtbar bleiben. An dieser stelle verdient folgendes Faktum Aufmerksamkeit: Beide episoden aus den Invective, die schuster­Geschichte und die mit dem Maler­Arzt kongruieren in ein und demselben thema: in den Fehlern der Malerei. in beiden Fällen erweist sich die Malkunst als die favorisierte disziplin. diese tendenz setzt sich nach der Mitte des Quattrocento bei Giovanni d’Arezzo fort, in der ersten rezeption des topos in einer dialogschrift, De medicinae et legum praestantia. sie trägt die dedikation an den jungen lorenzo de’ Medici. Kein Bauer oder stallknecht, heißt es, würde je einen Maler oder 298 salutati, De nobilitate, cap. 9, s. 66/67 (Üs: peter schenkel): »Ut non inepte Grecorum, teste deo, sapientissimus socrates dixerit in pictorem qui, relicta pingendi professione, se tradiderat medicine, callide, prudentissimeque fecisse, quod arten dimisisset cuius errores in prospectu cunctis forent, et illi se dediderit cuius tam male quam perfide facta tellus tegat.« (nicht unpassend sagte daher sokra­ tes, der weiseste der Griechen, wie der Gott bezeugte, zu dem Maler, der das Malen aufgab und sich der Medizin überließ, schlau und recht klug habe er gehandelt, dass er eine Kunst, in der Fehler jeder­ mann in die Augen stechen würden, aufgegeben habe, um eine andere zu ergreifen, in der das schlecht wie das unredlich Gemachte die erde decke). siehe zudem Apollos erklärung des sokrates zum wei­ sesten Mann in Valerius Maximus, Facta et dicta, iii, 4, 6, ext. 1. – salutati reagierte mit seiner schrift auf die des Arztes Bernardus, auf dessen Quaestio, quam nunquam ab aliquo determinatum vidi […] Quae scientiarum vel artium nobilitate praefulgeat an medicinae an legis. 299 (Aber warum, frage ich, verbindest du die Medizin mit ethik?); petrarca, Invective, iii, s. 930. 300 salutati, De nobilitate, cap. 16, s. 116/117: »Bene quidem atque mirifice, sicut Valerius inquit, artifex ille, sive pictor sive statuarius fuerit in opere suo, se moneri a sutore calciamentorum passus est, quam diu de crepidis et ansulis disputavit, quoniam ad artem suam spectarent; mox autem, cum de cruribus agere cepisset, supra plantam ascendere vetuit, quoniam extra suam facultatem altius vagaretur.« Vgl. Valerius Maximus, Facta et dicta, Viii, 12, ext. 3, Bd. ii, s. 546: »Mirifice et ille artifex, qui in opere suo moneri se a sutore de crepida et ansulis passus, de crure etiam disputare incipientem supra plan­ tam ascendere vetuit.«

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III. Der Paragone in der Literatur

Bildhauer nachzuahmen trachten, noch Fehler verbergen, wenn sich sein werk vor den Augen aller bewähren müsse. in die gleiche Kategorie wie die bildenden Künstler fallen überraschend die dichter, deren Unzulänglichkeiten beim Aufschlagen der Bücher offen zutage treten. nur, so argumentiert niccolò niccoli, »die Fehler der Ärzte, um nicht zu sagen, ihr Betrug und ihre lügen, verbergen, wie vorherbestimmt ist, der erdboden und der Grabstein«. Vielleicht ist es eine Anspielung auf das anatomische interesse, das Bild­ hauern und Ärzten gemein ist, wenn es heißt, dass einige die Medizin »in geheimnis­ vollen Büchlein« finden, von denen sie behaupten, sie im Grab des phidias gefunden zu haben, andere in der Gruft des Apollo; […]«, des mythischen Begründers der heilkun­ de.301 der in Bologna lehrende Filippo Beroaldo brachte 1498 in seinem Florilegium Heptalogos septem sapientiem neues und doch Vertrautes in die diskussion. er stellte dem wahlspruch des Apelles einen sinnverwandten horaz­Vers über die Medizin zur seite, als bildeten sie eine originäre einheit: »wie Apelles lehrte, soll der schuster bei seinem leisten bleiben; ›ärztliche leistung ist der Ärzte, handwerk der handwerker Beruf‹«.302 Beroaldos Kenntnis von petrarcas Invective darf angesichts seiner im Jahr zuvor publi­ zierten streitschrift, Declamatio an orator sit philosopho et medico anteponendus, als gesi­ chert gelten. in ihr hatte Beroaldo in gewohnter Manier gegen die Ärzte opponiert, um einen stab für die philosophie zu brechen.303 in der rangstreitliteratur kam es seit dem

301 Giovanni d’Arezzo, De medicinae et legum praestantia, s. 52–54: »hoc quod modo miraris, nicolae, medicinalis scientiae celsitudinem aperte patefacit. Quoniam in re sui natura profunda facile homines defraudantur; in ea vero quae levior est perraro vel numquam, quemadmodum de picturae aut sculp­ turae arte incumbit. nemo enim vel agricola vel equicustos se aut pictorem aut sculptorem umquam simularet, cum opus suum prae oculis omnium sit, nec eius error latibulis possit abscondi. Medicinae vero errores ab his illusoribus, vel subdolis, suis verbis vel terra teguntur. […] alii vero in suis arcanis libellis, quorum quidam suum invenisse ferunt in arca Fidiae, alii in sepulchro Apollinis,* [*o. a. »Appelis« laut prof. Germano: der Fehler könne gegebenenfalls aus einem Mißverständnis des sys­ tems tachygraphischer Abkürzungen zu erklären sein] […]. poesis etiam quaeque sua in codicibus notata reddit, ut si ex incerte sint poeta, sua inscitia ceteris non abscondita sit; medicorum vero errores, si non fraus vel mendacium, saltem lapis vel terra recondit, ut praedictum.« Vergleichbar argu­ mentiert pontano, Charon, s. 72/73: die Ärzte lebten freier, weil ihnen die ungestrafte tötung eines Menschen erlaubt sei. 302 Beroaldo, Heptalogos septem sapientiem, fol. A6: »sutor ne supra crepidas iudicet ut precepit apelles. Quod medicorum est promittant medici tractent fabrilia fabri.« Vgl. horaz, Epistulae, ii, vv. 115–116, s. 509. 303 Beroaldo, Declamatio, fols. s6v–t2r, s7r: »qui denique tanto est quia corporis medicus nobilior util­ iorque quanto animus corpore est preciosior« (der schließlich als Arzt des leibes um soviel edler und nützlicher ist, um wieviel der Geist wertvoller [ist] als der Körper); auf fol. 146r bürgt die goldene statue des sophisten Gorgias für die nobilität der rhetorik: »[…] et olim Gorgiae rhetori leoninno graecia delphis soli statua non inaurata sed aurea dedicata.«

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trecento immer wieder zum rekapitulieren der tribute petrarcas an die Malerei, obwohl kein zweiter Autor je sein polemisches Feuer erreichte. wir belassen es bei diesen wenigen Andeutungen der rolle der Malerei im frühhu­ manistischen Kampf der wissenschaften. Festzuhalten bleibt: einige paragone­Motive, die der Malerei zuspielen, bildeten sich in besonderer schärfe im spannungsverhältnis zur Medizin heraus. dies geschah nicht von ungefähr, da sich beide, Maler und Arzt, gemeinsam der perpetuierung des ›lebens‹ verpflichtet wussten. war die Aufwertung des Malers für petrarca und seine frühen Adepten originär kaum mehr als ein Vehikel zur standespolitischen degradierung des Arztes, so verfestigte sich die Grundlage dessen im paragone allmählich, in kaum merklichen Modifikationen, zu einem literarischen topos. es ist der von der generativen Macht des Malers, des, um mit leonardo zu spre­ chen, »signore e dio« über leben und tod – eine wendung, die an Giovanni Baldis Arzt­ definition denken lässt, die er 1415 in seiner streitschrift gab: an die definition als »dei minister, custos naturae, sanitatis conservator«.304 die Giuntina­edition von Vasaris Künstlerviten zitiert ein epigramm, dessen inhalt der Berufswechsel des venezianischen trecento­Malers Antonio in den Arzt­Beruf ist;305 und 1584 ertönt ein spätes echo auf das verwandte selbstverständnis von Arzt und Maler in einem paragone. es handelt sich um Alessandro lamos Discorso intorno alla scoltura e pittura. der streit kreist um das Kriterium ›dauerhaftigkeit‹, und beseelt vom berühmten diktum aus dem Corpus Hippocraticum, »vita brevis, ars longa«,306 triumphiert die Malerei als der, in der Fixierung auf die ehre, bessere Garant für das weiterleben einer persönlichkeit; hinter ihr fällt die Medizin als »täuschende Kunst« ab.307 die Geschichte vom Überläufer zur Medizin aus 304 leonardo, Libro di pittura, i, 13, s. 138; vgl. Baldi, An medicina sit legibus politicis praeferenda (zitiert nach La disputa delle arti, [1947] 1982, s. 4). die Forschungsliteratur zum ›leben‹, das der Maler im Bild erzeuge, ist kaum überschaubar; instruktiv das cap. »Abbild als Zauber« in Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 103ff.; hilfreich für den seitenblick auf das selbstverständnis des Arztes hiro hirai, Medical Humanism and Natural Philosophy. Renaissance Debates on Matter, Life and Soul, leiden, 2011. 305 Zitiert nach Vasari, Le vite, Bd. i, s. 667, Anm. 4; es handelt sich um ein elegisches distichon: »Annis qui fueram pictor juvenilibus artis 1 Me medicae reliquo | tempore cepit amor. natura invidit dum certo coloribus illi, Atque hominum multis | fata retardo medens. id pictus paries pisis testatur et illi 5 saepe quibus vitae | tempora restitui.« 306 es handelt sich um die Anfangsworte von hippokrates, Aphorismen, i, 1; vgl. seneca, De brevitate vitae, i, 1, Bd. ii, s. 176: »vitam brevem esse, longam artem.« petrarcas wertschätzung des hippokra­ tes ergibt sich aus petrarca, Invective, i, s. 834. 307 lamo, Discorso intorno alla scoltura e pittura, s. 10: »si mi potrebbe per questo argomenta e, che nobile non fosse la pittura? Altrettanto non si può dire, che la scoltura nobile non sia, […]«; und s. 13: »la onde chiaramente si vede, che tanto più della Medicina la pittura è stata giudicata signorile, ed utile, quanto è più della servitù la libertà nobile, e gentile. […] così la pittura, che conserva gli onori nostri

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III. Der Paragone in der Literatur

Athen, wie sie seit petrarca kolportiert wird, verhilft uns zu einsichten in die Genese des paragone. seit dem Quattrocento diskutiert die Kunstliteratur das Fehler­Kaschieren unter verändertem Vorzeichen. im paragone zwischen den figurativen Künsten ist es nicht mehr die Malerei, die der Medizin den platz als die schwierigere Kunstart streitig macht, sondern die Bildhauerkunst der Malerei, wobei leonardo die Begründung der Marmorbildner wiedergibt. im Fall eines versehentlichen wegschlagens von zuviel stein sei ihnen das nachträgliche Anstückeln des Marmors unmöglich. dem hält leonardo entgegen, dass Bildhauer, denen solche Fehler unterlaufen, als stümper (»guastatori«) zu bewerten seien.308

2.2. petrarcas De remediis in Volgare (1427) und das Beispiel des Blinden […] ai due miei sensi / Faceva dir l’un ›no‹, l’altro ›sì‹« dante, Purgatorio, X, vv. 59–60

der immense einfluss von petrarcas moralphilosophischem handbuch De remediis auf die frühneuzeitliche Kunsttheorie steht seit den Forschungsarbeiten von Baxandall und Bettini außer Frage. Als frühhumanistischer Vorbote zum paragone nehmen die beiden dialoge petrarcas über die figurativen Künste, noch gattungsspezifisch sondiert, einige der späteren paragone­Argumente vorweg.309 im beginnenden Quattrocento – so die Beobachtung nicholas Manns – hatte das interesse an De remediis einen tiefstand erreicht. es kam 1427 erneut in Gang, als die Volgare­Übersetzung, De’ rimedii dell’una e dell’altra immortali, ha da essere più da noi apprezzata, che la Medicina, la quale, oltre che è chiamata arte fal­ lace, per poco tempo ci può conservare in vita.« der paragone in lamos werk hat bislang keine Beachtung gefunden; die schrift war schlosser, [1924] 1985, s. 323f. bekannt. Verarbeitet von lamo ist die Feststellung von Alberti, De pictura, ii, 25, s. 234: »[…] verum etiam defunctos longa post saecula viventibus exhibeat, ut summa cum artificis admiratione […] cognoscantur.« 308 leonardo, Libro di pittura, i, 36, s. 159: »dice lo scultore che se lui leva di superchio, che non può agiongere, com’ il pittore.« die sichtung der kunsttheoretischen reflexionen über das wesen von Fehlern, die in den figurativen Künsten begangen werden, ist ein Forschungsdesiderat. – indirekt ist der schwierige Umgang mit dem Marmor aus dem »ex­uno­lapide«­ideal zu erschließen; dazu irving lavin, »ex uno lapide. the renaissance sculptor’s tour de force«, in: Il Cortile delle Statue, Akten des internationalen Kongresses zu ehren von richard Krautheimer, rom, 21.–23.10.1992, hrsg. v. Matt­ hias winner et alt., Mainz 1998, s. 191–210; Ansätze bietet auch ernst h. Gombrich, »die Kritik als triebfeder im Kunstleben der renaissance«, in: derselbe, Die Entdeckung des Sichtbaren. Zur Kunst der Renaissance, Bd. iii, stuttgart, 1987, s. 136–160. 309 petrarca, De remediis, über die Malerei (i, cap. 40) und die skulptur (i, cap. 42); vgl. Baxandall, 1971, s. 53ff.; ergänzend Bettini, 1984, Bd. i, s. 219–267; eine kluge Zusammenfassung bietet Marcello ciccuto, »petrarca e le arti: l’occhio della mente fra segni del mondo«, in: Quaderni d’Italia, 11, 2006, s. 203–221; pfisterer, 1999, s. 83, Anm. 31 kennt neun Äußerungen petrarcas über phidias; aus De remediis sind ihm zwei textstellen über phidias bekannt (aus i, cap. 41 und ii, cap. 88).

2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento

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fortuna, in Florenz zu kursieren begann. nachweislich zog diese Fassung aus der Feder des florentinischen Benediktinermönches Fra Giovanni da san Miniato (1360–1428), eines salutati­schülers aus dem Kloster santa Maria degli Angeli, im Quattrocento vorerst mehr Aufmerksamkeit als das lateinische Original auf sich.310 da eine kritische textedi­ tion der 254 De remediis­dialoge selbst im ›petrarca­Jahr‹ 2004 nicht in Aussicht stand, verwundert es nicht, dass ein schatz von immerhin vier bisher nicht bekannten paragone­ Urteilen, die petrarcas über die figurativen Künste fällte, gehoben werden kann. erinnern wir uns an die bekannte textstelle aus den Familiarum rerum libri – eine sequenz, die längst als locus classicus des paragone gilt: im Kontext der größeren haltbarkeit der sta­ tuen im Vergleich mit Gemälden erinnert sich petrarca an zwei höchst prominente anti­ ke exempla, die ruhmreich für je eine dieser beiden Kunstgattungen stehen, an phidias und Apelles. es heißt treffend: »deshalb, nach dem Verlauf von Jahrhunderten, lebt das glänzende ingenium dieser beiden Künstler so unterschiedlich fort, wie sich ihr Material unterscheidet. das werk des Bildhauers nämlich ist dauerhafter als das des Malers. deshalb ist es so, dass wir in Büchern etwas über Apelles erfahren, aber phidias noch in Marmor[wer­ ken] sehen können.«311 im De remediis­dialog über das unbekannte Vaterland, »de ignobili patria« (ii, cap. 4), konfrontierte petrarca diese beiden Virtuosen erneut. Apelles und phidias, diese, wie es in der Volgare­Fassung heißt, »principali maestri de’dipintori e de’scolpitori«, halten als Beweis dafür her, dass sich selbst ein bescheidener Geburtsort wie Kos als wiege bedeu­ tender persönlichkeiten erweisen könne. dass petrarca mit der insel Kos als gemein­ samen Geburtsort der genannten Künstler einem irrtum aufsaß, steht auf einem anderen Blatt. wir lesen: »Und Kos, was eine kleine insel im Ägäischen Meer ist, hat den philetas hervor­ gebracht, der ein ehrwürdiger dichter war und den hippokrates, welcher der stamm­ vater der Ärzte war und [auch] phidias und Apelles, welche die hauptmeister der Maler und der Bildhauer waren.«312

310 es handelt sich um das von stolfi edierte Ms. BMl, 90, inf. 9: De’ rimedii dell’una e dell’altra fortuna. es trägt das datum 2. August 1427. ein exemplar befand sich im Besitz der Familie portinari, ein anderes, von 1462, gehörte den Albizzi; der Architekt Antonio da sangallo besaß eine Abschrift von 1478 und papst leo X. verfügte über ein exemplar; vgl. Mann, 1971, s. 57–90, s. 58. Zur wirkung der Volgare­editionen von De remediis auf die Kunsttheorie der renaissance hessler, 1996, s. 100ff. 311 Vgl. petrarca, Familiarum rerum libri, V, 17, 5 (s. App. iii/A­a, nr. 4): »vivacior« (wörtlich übersetzt »lebendiger«) hat hier die Bedeutung von länger lebendig, d. i. »dauerhafter«. 312 im cap. »della patria vile« heißt es in petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 4, Bd. ii, s. 47: »e cous, che è una picciola isola del mare egeo, generóe Filite; il quale fu poeta egregio, e ipocrate, che fu padre de’medici, e Fidia e Apellen, che furon principali maestri de’ dipintori e de’

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III. Der Paragone in der Literatur

in der Originalfassung von petrarca ist phidias korrekt der skulptur und Apelles der Malkunst zugeordnet. die beiden zitierten passagen sind deshalb von geistes­ geschichtlicher tragweite, da sie zum einen nicht den geringsten Zweifel an petrarcas klarem Bewusstsein für die Gattungsunterschiede zwischen der Malerei und der skulptur lassen, zum anderen, weil sie möglicherweise licht darauf werfen, welche Virtuosen zu petrarcas lebzeiten als die berühmtesten antiken repräsentanten der figurativen Künste geschätzt wurden. Zumindest für petrarca ist es in der Malerei Apelles, in der Bildhauerkunst phidias. Vor diesem hintergrund gerät die von pfiste­ rer vertretene these, dass nicht phidias, sondern polyklet die unumstrittene künst­ lerische identifikationsfigur der Bildhauer im »14. und der ersten hälfte des 15. Jahr­ hunderts« gewesen sei, ins wanken. in der apodiktischen Formulierung ist seine Behauptung jedenfalls mit Vorsicht zu genießen, auch wenn sich, gemessen an dem von pfisterer präsentierten satzspiegel zu phidias, der eindruck aufdrängt, dass den oben zitierten worten aus »de ignobili patria« allenfalls eine bescheidene rezeption beschert war.313 eine direkte Konfrontation von Apelles mit phidias bieten gegen Mitte des 15. Jahrhunderts Giordano Orsini und Ognibene Bonisoli da lonigo, ein schüler des in Mantua aktiven pädagogen Vittorino da Feltre und im späten Quat­ trocento poliziano sowie niccolò da correggio;314 im trecento ist es, wie wir sehen werden, ein weiteres Mal petrarca.

scolpitori«. der Abdruck der substanziell identischen lateinischen Originalfassung in App. iii/A­a, nr. 6. plinius, NH, XXXV, 79, s. 62/63 sprach angesichts eines längeren Aufenthaltes des Malers auf der insel von ›Apelles aus Kos‹ (»Apelles cous«); faktisch war Kolophon der Geburtsort (vgl. Verino, Carlias, i, v. 319, s. 150: »choi successor Apellis«). was phidias betrifft, so bleibt die Basis für petrar­ cas Angabe zum Geburtsort ein rätsel. Keos als wiege von Geistesgrößen in plutarch, Demosthenes, 1; eine Verbindung von hippokrates aus Kos zur Malerei ist inhalt eines epigrammes von synesios scholastikos (s. AP, XVi, nr. 267). 313 es ging pfisterer, 1999, s. 75 um die Absicherung der hypothese, dass in Andrea pisanos (ca. 1340) campanile­relief, das Pictura zeigt, der Maler Apelles figuriert und im relief der Sculptura der (schier bekannteste antike) Bildhauer polyklet; der satzspiegel zu phidias ebenda, s. 91–97. tatsache ist, dass es infolge von dantes erwähnung von polyklet im Purgatorio, X, v. 32 einen wichtigen rezeptions­ strang für seine Bevorzugung gegeben hat. Aber dieser strang manifestiert sich primär in dante­ Kommentaren; s. unsere sichtung der Quellen aus dem Quattrocento zur hierarchie von Zeuxis/ Apelles und polyklet/phidias im Schema 2A–2B, s. s. 772–773; s. 774–776. 314 siehe pfisterer, 1999, s. 90, Anm. 112: iordanus Ursinus Venetus, Oratio ad sacrum Cardinalium Collegium edita pro successore [Callisti Tercii] eligendo, rom, 1457, in: BAV, Ms. Vat. lat. 4872, fol. 58v; in der rede von Ognibene da lonigo über Valerius Maximus heißt es: »[…] non in aere et marmore phidias nobis et Apelles […]« (s. Karl Müllner, Reden und Briefe italienischer Humanisten, [wien, 1899] München, 1970, s. 144); poliziano, Silvae, vv. 564–566, s. 155: »Quin et Apellaeos digitis ani­ mare colores / monstrat; Olympiaco quin is dedit ora tonanti / (nec faber ille negat) […]«; niccolò da correggio, Rime, nr. 254, v. 1, s. 233: »con qual arte o suo ingegno Apelle o Fidia« und nr. 286, vv. 1–3, s. 249: »non sia più chi sculpisca, pinga o scriva / umane forme né divine ancora; / copri pur,

2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento

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dieser zweite, der kunsthistorischen Forschung ebenfalls entgangene dialog aus petrarcas De remediis zeitigte eine größere und nachhaltige wirkung auf den paragone. es ist der diskurs zwischen ›Schmerz‹ und ›Vernunft‹ über die Blindheit, »de caecitate«; angegliedert an ihn ist ein Kapitel über die taubheit (»de auditu perdito«).315 Mit dem Verlust des sehvermögens wird ein thema tangiert, das im cinquecento in Varchis Mei­ nungsumfrage eine schlüsselrolle einnahm: die Frage nach der priorität der sinne bei der wahrnehmung von werken der Malerei oder skulptur. Bekanntlich brachte der Bild­ hauer tribolo 1546 das Beispiel eines Blinden ins spiel, der vor einem Gemälde resig­ nieren müsse, aber sein tastsinn erlaube ihm noch immer die erschließung einer skulp­ tur.316 wenn eine im trecento zu papier gebrachte Quelle die Blindheit nun bereits in relation zu den figurativen Künsten bringt, dann verdient der textlaut Beachtung, zumal erneut, ein drittes Mal im corpus der petrarca­schriften, die namen Apelles und phidias fallen. Zunächst klagt der erblindete ›Schmerz‹ über den Verlust seines Gesichts­

Fidia, Apollo e Apelle, Flora.« die Gegenüberstellung Apelles – phidias auch in statius, Silvae, i, 1, vv. 100–102, ii, 2, vv. 64–66. das vor 1431 entstandende kleine nachschlagewerk von Barzizza führt nur die namen von phidias und Apelles, nicht den polyklet, auf; s. Barzizza, Orthographia, s. v. »phi­ dias« (fol. 63r), s. v. »Apelles« (fol. 26v). 315 siehe petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 96 (»de essere cieco«), Bd. ii, s. 330– 335; in der lateinischen Originalversion heißt es zum nächsten Kapitel: »dell’udire perduto«, s. eben­ da, ii, cap. 97, Bd. ii, s. 335–338. 316 tribolos Brief in Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 518f. und Benedetto Varchi, 2013, s. 268f. dazu Jacques derrida, Mémoires d’aveugle. L’autoportrait et autres ruines, Ausstellungskatalog (paris, Musée national du louvre, 26.10.1990–21.01.1991), paris, 1990, s. 134ff.; Farago, 1992, s. 24 hielt eine gemeinsame Quelle der texte und Bilder zur Blinden­episode für möglich, in der ein paragone der figurativen Künste vorgegeben war. – tribolo bleibt unberücksichtigt in der Monografie von david summers, The Judgement of Sense. Renaissance Naturalism and the Rise of Aesthetics; cambridge Mass., 1987, aber auf s. 243 ciceros position zum tastsinn in De natura deorum, ii, 145f.; zur ikonografie des Blinden im paragone seit dem 16. Jahrhundert s. Wettstreit der Künste, 2002, s. 256ff. und mit dem hauptgewicht auf Gemälden des 17. Jahrhunderts, die Blinde beim Betasten von skulpturen zeigen, s. peter hecht, »the paragone debate. ten illustrations and a comment«, in: Simiolus, 14, 2, 1984, s. 125–136, s. 125ff. und Andrea Bolland, ›desiderio‹ and ›diletto‹ Vision, touch, and the poetics of Bernini’s ›Apollo and daphne‹, in: ArtBull, 82, 2, 2000, s. 309–330, 321f. nach Bolland rekurriert tribolos episode auf Künstleranekdoten von plinius, in denen der tastsinn involviert ist, wie in der Geschichte von Zeuxis und parrhasios. eine Übersicht zum Beispiel des Blinden in der Kunstliteratur seit petrarca (s. App. ii/J); cellini an Varchi, in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 601: »tal non discerne il ceco alcun colore, / e privo di splendore, […].« die Konsequenzen der Blindheit sind diskutiert in Bargagli, I trattenimenti, iii, Giuoco de’ciechi, (mit Vorrede) s. 415–461 und in einem dialog, der 1525 in Venedig erschien und zwei berühmte antike Bildhauer erwähnt, nämlich in Marsi, Dialogo dei tre cieci, i, s. 48: »[…] e la natura / ogni suo studio e cura qui sospinse / quando l’uno depinse […]«; und ebenda, i, s. 52f.: »com’in dolce armonia di canti […] nè s’assembra / a nullo de lor membra, la statura / con sì giusta misura fatta ell’era / vaga, leggiadr’altiera; e ciunque sia / giurate sempre avria pien d’ogni ’nvidia / l’opra avanzar di prassitele o Fidia.«

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III. Der Paragone in der Literatur

sinnes. er erntet die trostworte der ›Vernunft‹ über den Fortbestand der besseren Augen als jener der »occhi corporali«. es sind die ›Augen der seele‹, die disposition zur Gottes­ schau. die empfehlung, die der Blinde erhält, falls er sich im Felde der freien Künste zu betätigen wünsche, ist, dass er Maß an homer und demokrit nehmen solle. diese Kön­ ner wussten nämlich kompensatorisch ihre Blindheit in ihre stärke als dichter bzw. philosoph umzumünzen. im Gegensatz dazu weist die ›Vernunft‹ aber jede Möglichkeit zur profilierung des Blinden in den figurativen Künsten zurück: »Aber wenn du vielleicht lust gehabt hättest, die Kunst der Malerei und der skulptur des Apelles oder die feine Kunst des phidias auszuüben, dann werde ich dir ver­ sichern, dass du etwas eingebüßt hast, außer wenn du es als Gewinn erachten wür­ dest, mehr zu anderen dingen hingezogen zu sein, indem jene Kunst [wegen der Blindheit] nicht [mehr] ausgeübt werden kann.«317 halten wir fest: Anders als im vertrauten sinnen­paragone des cinquecento richten sich petrarcas reflexionen über den Zugang des Blinden zur Kunst nicht auf die Konsequen­ zen für die gattungsspezifische rezeption der Kunstwerke, sondern auf die Möglichkeit des praktizierens der jeweiligen Kunstgattung. Malerei und skulptur fallen unter­ schiedslos in eine Kategorie. Aber in Vorwegnahme von leonardos sinnen­paragone, spielt schon petrarca die Malerei gegen die übrigen disziplinen aus: gegen die poesie, die philosophie und die Geometrie nicht minder. selbst die Befähigung zu letzterer wird dem Blinden zugetraut, konkret die zum skizzieren geometrischer Figuren.318 Folglich liegen – nach petrarca – die figurativen Künste als die einzigen diszipline jenseits der Möglichkeiten des Blinden. diese Unterstellung petrarcas – sie ist gewagt – lieferte zwei­ fellos Zündstoff für rangstreitdebatten und für nachträgliche differenzierungsversuche zwischen Malerei und skulptur. das lamento des ›Schmerzes‹ nimmt leonardos position

317 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 96, Bd. ii, s. 333: »Ma, se tu volessi attendere allo studio dell’arti liberali, considera Omero e democrito; […].« das Volgare­Zitat zur Blindheit in App. ii/J, nr. 2; vgl. die lateinische Originalfassung in App. iii/A­a, nr. 7. – eine diskussion über die Blindheit homers auch in decembrio, De politia litteraria, i, cap. 8, 2–3, s. 167f. (vgl. V, cap. 61, 7), wo der Vergleich zu Gemälden hergestellt wird: »Vellem homeri poemata seu magis picturas intellige­ res […]«; vgl. zu homer als schöpfer eines ›Gemäldes‹ s. cicero, Tusculanae disputationes, V, 114; zu homer als Maler s. cap. V.2. 318 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 96, Bd. ii, s. 333: »[…] tu non crederesti, che si potessono fare senza occhi, cioè in fare segni e cose di geometria, faccendo, per mano altrui, menare e tirare le linee […].« die Quelle mit Bezug auf den blinden stoiker diodotos ist cicero, Tusculanae disputationes, V, 113. – leonardo behauptet im Libro di pittura die Überlegenheit der Malerei über die philosophie – das Auge täusche sich weniger als der Verstand (i, 10). die poesie gilt ihm als wissen­ schaft, die dergestalt auf den Blinden wirke wie die Malerei auf die tauben; aber die Malerei wirke auf das Gesicht als höchsten der sinne (i, 15); und ohne die Malerei sei die Kunst des Geometers blind (i, 17).

2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento

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vom primat des Auges als spiegel der natur und der ganzen welt vorweg, zu der der Blinde keinen Zugang hat: »ich werde nie die belaubten täler, die hohen Berge, die Felder voller Blüten, die beschatteten höhlen, die klaren Quellen, schweifenden Flüsse und grünen wiesen aus schönen Gräslein sehen, noch das Gesicht des Menschen, von dem sie sagen, dass es eine höchst schöne sache anzuschauen sei.«319 der in der Parte prima abgesteckte Gegenstandsbereich der Malerei lautet nahezu iden­ tisch: »[…] siti, piante, animali, erbe, fiori, le quali sono cinte d’ombra e lume.«320 dass dem Blinden der Zugang zur schönheit, vorweg zur schönheit der Frauen, verstellt bleibt – diese Feststellung petrarcas fand ebenfalls ihr echo bei leonardo, und sie drück­ te den sinnen­paragoni in pietro Bembos Gli Asolani und raffaele Borghinis Il Riposo ihren stempel auf.321 während in petrarcas handbuch drei der Fünfsinne je gesondert ein dialog ver­ gönnt ist – dem Gesichtssinn, dem Gehör und dem Geruch –, erfahren der tastsinn und der Geschmack nur eine Behandlung en passant, vermutlich wegen petrarcas Missach­ tung beider sinne als Mittler der fleischlichen, der niederen Bedürfnisse.322 Merkwürdig ist es durchaus, dass diese mittelalterlich­asketische Geisteshaltung selbst leonardos Verunglimpfung des tastsinnes die stoßrichtung gab, dessen eindringen durch die poren er als hemmnis für die wahre Vernunft bei der schau göttlicher schönheit begriff. Manetti hatte »die hände« zu diesem Zeitpunkt längst als »dienerinnen der Vernunft« 319 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 96, Bd. ii, s. 330: »non vedrai omai le valli frondose, gli alti monti e i ciglioni ed i cespugli pieni di fiori, le spilonche e’ ridotti sotto l’ombra, le fonti chiare, i fiumi discorrere, i prati verdi per le erbette belle, nolla faccia dell’uomo, che dicono, ch’è bellissima cosa a vedere.« – petrarca, De remediis, s. 684f.: »non videbis amodo frondosas valles, aereos montes, floreos cespites, umbrosos specus, lucidos fontes, vaga flumina, prata virentia, quodque pulcher­ rimum visu dicunt humani oris effigiem: […].« Vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 24, 28 und i, 15a. 320 leonardo, Libro di pittura, i, 12, s. 137; vgl. 7, s. 134f.; 13, s. 138; 27, s. 151. 321 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, Bd. ii, s. 331: »con questo hai tu perduto di non vedere le femine. dunque gódine; […]«; vgl. Bembo, Gli Asolani, iii, cap. 6, s. App. ii/J, nr. 4; leon­ ardo, Libro di pittura, i, 16, s. 141: »MAGGiOr dAnnO riceve gli animali per la perdita del vedere che de l’udire […] che per il vedere si comprende il bello delle cose create, massime delle cose che inducono a l’amore, nel quale il cieco nato non pò pigliare per lo audito […]«; und in Bezug auf schöne Frauen raffaele Borghini, Il Riposo, in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 682. 322 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 18 (»del vivere delicatamente«), Bd. i, s. 111: »[…] diletti carnali, i quali passano da’ sentimenti del corpo all’anima, quegli diletti sono bruttissimi, gli quali entrano nell’animo per lo senso del toccare e del gustare: perchè tali diletti massimamente sono a voi comuni colle bestie […].« – Behandelt werden der Gesichtssinn im dialog über die Blind­ heit, das Gehör mit drei weiteren dialogen, ein Gespräch dreht sich um die taubheit (ii, cap. 97), ein weiteres um den Verlust der sprache (ii, cap. 103), eines um den Gesang (i, cap. 23) und schließlich eines um den süßen Geruch (i, cap. 22).

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III. Der Paragone in der Literatur

gewürdigt. Auffallend ist zudem, dass leonardo, ganz in den spuren petrarcas, den Geschmacks­ und den tastsinn über einen Kamm schert.323 An diese motivischen Über­ schneidungen von »de caecitate« und der Parte prima reihen sich weitere an: der topos vom Auge als Fenster der seele, die bessere einprägung der durch die Augen (nicht die Ohren) empfangenen Botschaften ins Gedächtnis, das Beispiel des blinden philosophen demokrit, das Motiv des tauben als schlechter richter über den Gesang und die täu­ schungskraft der stimme.324 sollte leonardo seinen sinnen­paragone – und dafür spricht vieles – primär aus petrarcas dialogwerk herausgefiltert haben, dann wäre der hauptakzent in der Parte prima – das Ausspielen der Makel Blindheit gegen taubheit – ebenso verständlich wie die vergleichsweise marginale Beachtung des tastsinnes.

323 leonardo, Libro di pittura, i, 23, s. 147: »Mancali il tatto, il qual […] non impedisce la ragione del considerare la divina bellezza. […] il senso del tatto la vorrebbe penetrare per tutti li suoi meati […]«; und ebenda, i, 11, s. 137: »[…] ma il gusto et il tatto, che toccano l’obbietto, han solo notizia d’ esso tatto.« Vgl. Manetti, De dignitate, i, 24, s. 17; oder palmieri, Della vita civile, ii, 177, s. 96: »[…] le mani ragionono, disputano et finalmente s’accomodono a qualunche intentione dello intelletto nos­ tro.« Konträr zu leonardo behauptet lorenzo Valla in seinem hedonistisch gefärbten Buch De voluptate (i, 20, 3, s. 70), wer die [irdische] schönheit nicht schätze, verdiene weder die Gabe des sehens noch die des Berührens: »Qui pulchritudinem non laudat hic aut animo corpore caecus est et si oculos habet, illis orbandus, quos se habere non sentit.« 324 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 30 (»de’varii giuochi«), Bd. i, s. 157: »Molto male si mette per gli orecchi nell’anima, molto più per gli occhi; per essi, quasi per finestre patenti da due porte la morte entra nell’anima: però che niuna cosa più fortemente si ficca nella mente che quella che entra per lo vedere. Agevolmente le cose udite volano via, ma le imagine delle cose vedute si stanno più nella mente, eziandio non volendo l’uomo […].« (Vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 19, 23; und 16 zum Beispiel von demokrit); ausgiebig hatte Aulus Gellius, Noctes Atticae, X, 17 über die selbst gewählte Blindheit demokrits berichtet. der taube als schlechter richter über den Gesang s. petrar­ ca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, Bd. i, s. 132ff. (vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 15, 20). – die vielleicht größte wirkung für den sinnen­paragone zwischen Gesicht und Gehör ging vermut­ lich von einer dante­sequenz im Purgatorio aus; sie thematisiert das reliefbild mit der Bundeslade. Bei der wahrnehmung der begleitenden chöre melden die sinne widersprüchliches: »[…] ai due miei sensi / Faceva dir l’un ›no‹, l’altro ›sì‹, canta« (Gehör und Auge / in mir streiten mußten, ob sie sangen); dante, Purgatorio, X, vv. 52–60, bes. vv. 59–60, Bd. ii, s. 118/119 (Üs: Gmelin). Als sin­ nen­paragone erfasst von landino: »eron imagini che parean gente viva. et tutti questi eron partiti in septe chori. et eron sí ritracti al naturale, che de’due sensi, cioè dell’occhio et dell’orecchio, l’occhio giudicava a’gesti loro, che cantassino. Ma l’orecchio, che non sentia la boce, giudicava, che no; ›facea l’uno‹ cioè l’orecchio, ›dir no‹, cioè non canta, perché non udiva, ›l’altro‹, che è l’occhio, ›dire‹ ›sí canta‹. in somma erano e sacerdoti intagliati con tali gesti, che non gli mancava se non la boce a dir che can­ tassino«; s. landino, Comento, Bd. iii, s. 1206. ein nachspiel des dante­passus’, gegebenenfalls übertragen auf den tastsinn im Vergleich zum Gesicht, stellt vielleicht die inschrift auf Guercinos Zeichnung eines Blinden beim Kunsturteil dar; er betastet eine Büste, ohne ein Gemälde zur Kennt­ nis zu nehmen: »dellA scOltUrA sÌ, / dellA pittVrA nO« (louvre); s. Wettstreit der Künste, 2002, s. 260.

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welchen einfluss aber hatte petrarcas dialog über die Blindheit auf tribolos Beispiel des Blinden? es bleibt festzuhalten: tribolos Anekdote taucht nicht unvermittelt im cinquecento auf. sie bildete sich vielmehr seit petrarcas De remediis aus einer weitreichen­ den topologie der Unzulänglichkeit des Blindenurteils heraus, nicht zuletzt aus dem geflügelten, durch Aristoteles dokumentierten wort, wie ein Blinder über Farbe zu reden.325 der veränderte Klang dieser Metapher zu einer Zeit, als Urteile über den paragone eben­ so angesagt waren wie Bemühungen um die diskreditierung inkompetenter richter über die Künste, spricht aus einem Brief des humanisten poggio Bracciolini. Anlässlich der aristotelischen Metapher interpretiert poggio 1421 den sentenzhaften Apelles­Aus­ spruch »schuster bleib’ bei deinem leisten« in pointierter diktion: »non est hoc […] facultatis tue«.326 Als effekt der vermehrten diskreditierungsversuche im paragone wur­ den die Gegenstandsbereiche der Malerei zunehmend auch gegen den strich gelesen, vorzugsweise in Form von Auflistungen all dessen, was dem mit Blindheit Geschlagenen entgeht. einer solchen lesart spielten nicht wenige Bücher aus dem Quattrocento mit Abschnitten über die Fünfsinne zu. Man denke an Giannozzo Manettis De dignitate hominis: Gemälde und skulpturen gelten bei Manetti uneingeschränkt als Kunstarten, »deren Beurteilung sache der Augen ist«.327 hinzu kamen zwei Abhandlungen des pro­ filiertesten italienischen philologen der ersten hälfte des 15. Jahrhunderts, des römers lorenzo Valla: De voluptate und die Repastinatio dialectice et philosophie. in der zuletzt genannten schrift beließ es Valla in seiner Besinnung auf die Gegenstände des Gesichtes (»de obiecto ›visus‹«) nicht bei der »Farbe«; auch der Bezug auf gemalte Menschen und

325 Aristoteles, Physik, ii, 1, 193a; das diktum war petrarca bekannt; s. petrarca, Invective, i, s. 828: »sed quid colores ceco, quid surdo sonos ingero?« (was bringe ich einem Blinden Farben bei, einem tauben töne?). 326 poggio Bracciolini, Lettere, Bd. i, nr. 8, s. 26 schrieb am 30. november 1421 im Brief an niccolò niccoli: »tu ceco credis de coloribus iudicanti. […] scis olim Appelem, ut opinior, cum quidam cal­ ceos, quos in imagine pinxerat, reprehendisset, quesiisse ab illo, cuius artis esset opifex; cum ille se cerdonem dixisset, correxit Appelles calceos, quia existimavit illum peritum artis sue recte iudicasse quid in calceo esset emendandum. At homo, elatus quod tam nobilis pictor ad verbum suum imaginis partem correxisset, ulterius presumpsit, asserens et vestes male esse; at Appelles: ›non est hoc, inquit, facultatis tue.‹ Quid tu in his, que quodammodo sunt nobis peculiaria alteri magis credes quam mihi?« Vgl. plinius, NH, XXXV, 85. – eine konventionelle diskreditierung des Blinden auch in petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 120 (»delle molte speranze«), Bd. i, s. 425, wo es anlässlich des wunsches der Speranza auf ein prunkvolles Grab heißt: »tu disideri che il cieco abbi una casa dipinta.« die empfehlung, einen Maler und Bildhauer zur schärfung des Urteilsvermögens [über die Künste] zu frequentieren, findet sich bei palmieri, Della vita civile, i, 124, s. 39: »[…] impa­ rare da buoni maestri, andare a philosophi, imparare i loro precepti et secondo quegli operare, dipig­ nere, intagliare, sculpire, […] si essere giudice di tutte le cose humane et etiandio celeste […].« 327 Manetti, De dignitate, i, 10, s. 11: »primum enim oculi in his artibus quarum iudicium est oculorum, in pictis fictis celatisque formis […].«

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auf die porträtkunst blieben nicht aus.328 Unter der rubrik ›Gesichtssinn‹ führen die sinnen­Kapitel des Quattrocento entweder beide figurative Künste auf oder einzig die Malerei. Freilich gab es gegenläufige tendenzen, die zu Gunsten des tastsinnes verliefen wie einige Gedichtzeilen Franco sacchettis zu einem Bild des ungläubigen thomas im palazzo Vecchio. sie richten sich auf das haptische erschließen des wahren.329 wer konnte Ghiberti als Bildhauer verdenken, dass er sein Vertrauen ausschließlich auf seine hände setzte? Mit ihnen versuchte er den skulpturalen Feinheiten eines antiken herm­ aphroditen in rom herr zu werden.330 savonarola überließ sich gar einer synästhesie, als er schrieb: »[…] abbiamo sempre veduto e toccato con mano«.331 Bei näherem hinsehen hatte die Kunsttheorie des Quattrocento längst eine reiche Allegorik der Blindheit entfaltet: Filarete verpönte den Blinden als schlechten Führer (»mala guida«), und Alberti verglich den gehemmten Maler in De pictura mit einem Blinden, der den pinsel so halte wie einen Blindenstock.332 die dem zugrunde liegende 328 Valla, Repastinatio dialectice, i, 18–21, Bd. ii, s. 425–435, s. 429: »Unde ›lineamenta‹ vultus et corpo­ ris animati dicimus, quia que pinguntur hominum imagines, lineamentis constant.« Vgl. über die Fünfsinne und die Malerei und skulptur auch Valla, De voluptate, i, 21–28, s. 72–90 unter der Über­ schrift »de aliis ad aspectum et tactum pertinentibus«: »de his autem quem manibus hominum fiunt, quid commemorem, marmorata picturataque decora, opera magnifica, ludosque publicos«; und Manetti, De dignitate, i, 8ff., s. 9. Über die optimale Befähigung der Augen zum Urteil über Gemälde und statuen s. cicero, De natura deorum, ii, 145. 329 das Bild befand sich bis 1475 über der Sala dell’Udienza des palazzo Vecchio. Bei sacchetti, Rime, nr. 243, vv. 1–4, s. 374 heißt es: 1 »toccate il vero com’io, e crederete nella somma iustizia in tre persone, che sempre essalta ognun che fa ragione. la mano al vero e gli occhi al sommo cielo, […].« (Berührt’ das wahre wie ich und ihr werdet glauben / in die höchste Gerechtigkeit der trinität / die immer jeden erhöht, der recht spricht. // [richte] deine hand auf das wahre und deine Augen zum himmel; / […]). 330 Ghiberti, I commentarii, iii, 3.1., s. 107f.: »in questa era moltissime dolceze; nessuna cosa il viso scor­ geva, se non col tatto la mano la trovava.« – Über die Bedeutung der hand in der Kunsttheorie seit cennini Martin warnke, »der Kopf in der hand«, in: Zauber der Medusa. Europäische Manierismen, hrsg. v. werner hofmann, wien, 1987, s. 55–61. 331 savonarola, A una devota donna Bolognese (von ca. 1493), in: savonarola, Lettere, s. 38 nr. 15. ein plädoyer für die priorität des tastsinnes stammt von Bernardino telesio, De natura rerum iuxta propria principia (ca. 1565). extensive Ausführungen über die Unzulänglichkeiten sowohl des tastsinnes als auch des Gesichtssinnes in tertullian, De anima, 17. 332 Filarete, Trattato, i, Bd. i, s. 13: »[…] e come fanno quando molti ciechi sono guidati da uno che sia cieco, poi si ritruovano tutti nella fossa per la mala guida.« Bei petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, Bd. ii, s. 331 die Behauptung, dass die Augen die »male guide« seien; ähnlich Alberti, De pictura, iii, 59, s. App. ii/J, nr. 3. – Auf die notwendige nutzung der Finger zum Malen und zum

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prämisse, dass die Gabe des Malens einem Blinden nicht gegeben sei, deutet einmal mehr daraufhin, dass petrarcas Ansatz in ›de caecitate‹ nicht ohne echo blieb.

2.3. der Bildhauer als Verlierer gegenüber der ›Disciplina‹: lukians traum in der Übersetzung von lapo da castiglionchio (ca. 1434) erkanntermaßen hat keine zweite schriftquelle den Verfassern von paragoni ein solches Arsenal an topoi des minderwertigen Bildhauers bereitgestellt, ihn von beruflicher würde und erst recht vom Geniekult entfernt, wie lukians Traum. der dichter will die­ sen lehrhaft wirkenden traum als heranwachsender infolge einer unsanften, mit peit­ schenhieben untermauerten Unterweisung in die Bildhauerkunst erlebt haben.333 in ihm erscheinen dem lehrling lukian die konkurrierenden Allegorien ›Bildung‹ und ›Skulptur‹. Aus deren Anbiederungen erwächst das karikatureske Klischee des Bildhauers, dem alle implikationen von Grobheit, körperlicher Mühsal und Geringschätzung einverleibt sind, wie sie einem handwerker begegnen mögen: von der gebückten Körperhaltung, den schwieligen händen über das schmutzige, mit Kalk bestäubte Äußere in schäbiger Kleidung bis hin zum ausbleibenden ruhm. der ruhm werde allenfalls den werken, nie aber dem Bildhauer selbst zuteil. roberto Valturio, der als Militärtheoretiker in den diensten der herrscherfamilie Malatesta stand, sollte 1472 diese Quintessenz von luki­ ans Traum übernehmen: »selbst wenn er den Jupiter [von Olympia] berücksichtigt hat, möchte kein begabter heranwachsender selbst ein phidias oder polyklet werden, auch wenn er deren werke ungemein bewundern mag.«334

Meißeln verweist hingegen Manetti, De dignitate, i, 12, s. 12: »itaque ad pingendum, ad fingendum, ad sculpendum, ad verborum eliciendos sonos ac tibiarum apta manus est admotione digitorum.« 333 Vgl. Farago, 1992, s. 384 (vgl. s. 393): »leonardo openly imitates the ancient allegory of lucian’s ›dream‹ […].« schlosser, [1924] 1985, s. 156 hatte im hinblick auf leonardos paragone konstatiert: »[…] übrigens klingen hier immer Vorstellungen aus dem Altertum herüber, wie sie in lukians ele­ gant erzähltem traum von der schmutzigen Magd Bildnerei im Arbeitskittel zutage treten.« Zum text: lukian, Traum, 1–18, s. 6–21. die Bewertung von lukians Traum als indiz für die Konkurrenz zwischen lehrer und schüler in Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 155. ein denkbarer reflex auf die Unge­ schicklichkeit lukians, der bei der ersten instruktion in die Bildhauerei ein werk zerbricht, ist die Anekdote um den Bildhauer ›Mino‹ in den Detti piacevoli, s. 25. 334 Valturio, De re militari, fol. 28v: »Quom nec ullus unquam ingenuus adolescens quom ipse iovem sit intuitus: phidiam se fieri concupiverit neque polycletum: et si vehementer eorum opera sit admiratus.« Bei collenuccio, Filotimo, s. 85f. heißt es: »[…] quanti vili e bassi artefici […] hanno longa memoria de la successione de’ soi antenati, e nondimeno non sono chiamato nobili!« Vgl. lukian, Traum, 9. in Quintilian, Institutio oratoria, ii, 19, 2 die entgegengesetzte position über die priorität der hände eines Bildhauers (praxiteles) gegenüber dem gestalteten Material.

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Gemessen an der hartnäckigkeit, mit der die kunsthistorische Forschung die Volgare­ Fassung von Albertis De pictura unter immer neuen Blickwinkeln fokussiert und nicht müde wird, detailfragen zu dieser nachzugehen, obgleich handschriften dieser Version in der renaissance nur marginal verbreitet waren, mutet das desinteresse an der ersten lateinischen Übersetzung von lukians Traum befremdlich an. Gegen 1434 verfasst, trägt sie die widmung an papst eugen iV. sie stammt aus der Feder seines sekretäres, lapo da castiglionchio des Jüngeren (1406–1438). dieser kam ursprünglich aus Florenz. seinem Biografen Vespasiano da Bisticci zufolge tagte die päpstliche Kurie in der Arno­ stadt, als lapo seine lukian­Übersetzungen begann. Zwei dieser werke lukians, De sacrificiis und De tyranno, widmete lapo seinem engen Freund Alberti; Giannozzo Manetti erhielt De longevis.335 Als Autor eines prioritätsstreites zwischen den wertbereichen ›waf­ fen‹ und ›Bildung‹, der Comparatio inter militarem et studia litterarum, bewies lapo zudem alle Finessen der synkrisis und als Übersetzer von lukians Calumnia des Apelles zweifellos eine gewisse Affinität zur bildenden Kunst.336 Betrachtet man die De-somnio­ handschrift näher – sie wird in der laurenziana aufbewahrt –, so stellt man zunächst fest, dass lapos epistola dedicatoria an eugen iV. keine direkte wesensbestimmung des Bildhauerberufes beeinhaltet. nichtsdestotrotz offenbart sie Aufschlussreiches. was lapo interpretatorisch detailliert ausbreitet, ist die Kindheitserinnerung lukians als traurige Vorgeschichte eines sich zum Guten, das heißt dem literarischen schaffen und ruhm wendenden lebens. eingedenk dieses autobiografisch verbürgten erfolges und der Aus­ sicht, durch sozialen Aufstieg dem elend zu entkommen, müssten arme Männer wie er, lapo, in diesem schicksal eine ermutigung zur hinwendung an die literatur finden. lapo neigte indessen indirekt – durchaus in den spuren lukians – dazu, das Bildhauer­ 335 siehe den Artikel von riccardo Fubini, »castiglionchio, lapo da«, in: DBI, Bd. XXii, rom, 1979, s. 44–51 mit weiterführender literatur; s. auch die Biografie in Vespasiano da Bisticci, Vite, Bd. i, s. 581–583, s. 580, in der lapo ausdrücklich als lukian­Übersetzer charakterisiert wird: »essendo la corte di roma a Firenze, cominciò a tradurre opere di luciano et di plutarco«; und ebenda, s. 582: »Fu assai noto […] a meser Gianozo Manetti, al quale mandò una sua tradutione di luciano, de longevis. […].« Mehr über das intellektuelle profil des Übersetzers in Francesco paolo luiso, »studi su l’epistolario e le traduzioni di lapo da castiglionchio juniore«, in: Studi italiani di filologia classica, 7, 1899, s. 205–299; zu lapos einfluss auf Alberti Grafton, [2000] 2002, s. 87f. und s. 276ff.; über die lukian­rezeption im Quattrocento Marsh, 1998, cap. i und lorenzo Geri, A colloquio con Luciano di Samosata. Leon Battista Alberti, Giovanni Pontano ed Erasmo da Rotterdam, rom, 2011, s. 20ff. 336 Zu lapos 1436 verfasster Übersetzung der Calumnia cast, 1981, s. 21; das Vorwort an Giovanni reatinus abgedruckt auf s. 200–201. – Zu lapos Comparatio (comunale di como, Ms. 4.4.6), die ein Vorwort an den venezianischen humanisten Gregorio correr enthält, Fubini, 1979, s. 45; nicht zugänglich war mir die Untersuchung von e. rotondi, Lapo da Castiglionchio e il suo epistolario (Uni­ versità di Firenze, Facoltà di Magistero, anno accademico 1970–1971), die sich auf den s. 400–451 der Comparatio widmet; lapo übersetzte zudem werke von plutarch, Fabius Maximus, isokrates, theophrast und Xenophon und schrieb 1438 den Dialogus de Curiae commodis; s. Grafton, [2000], 2002, s. 74.

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Metier der niederen Abkunft gleichzusetzen. es unterliegt in diesem paragone den höhe­ ren weihen der literatur: »so wie sich lukian von niederen und armen Ursprüngen erhob, um sich literarischen studien zu widmen, so tat ich es«,337 gesteht der Übersetzer dem papst, dessen Gefallen an der Traum­lektüre ihm angesichts der liebe zu streb­ samen Menschen sicher erscheint. Von ihm erhoffte sich lapo, weit weniger begünstigt als der griechische dichter, materielle Unterstützung, wie zwischen den Zeilen zu ver­ nehmen ist. die Bildhauerkunst berührt – nach lapos sicht – demnach alle Verdrießlichkeiten, die das los der Armut mit sich bringt. diesen gilt es durch die hinwendung zu geistvol­ leren Künsten mit virtus zu entrinnen. platon hatte einst in seinem werk Menon in die gleiche Kerbe der fehlenden Anerkennung von Bildhauern geschlagen, als er feststellte, dass ein philosoph, protagoras, kraft seiner weisheit mehr Geld erworben habe als phi­ dias, »der doch so ausgezeichnet schöne werke verfertigte und noch zehn andere Bild­ hauer dazu«.338 lukians wertgefälle, das er zwischen den Allegorien der ›Skulptur‹ und der ›Bildung‹ entwarf, gerät durch die diktion des Übersetzers – die Ars statuaria gegen Disciplina – zur hyperbel. Bei ihr schwingt die mittelalterliche differenzierung zwi­ schen den artes mechanicae und den artes liberales mit.339 Virulent ist diese auch dann, wenn beispielsweise Angelo decembrio den Mechanicus als »wertlosen Künstler« (»vilis artifex«) abstempelt,340 oder wenn Bildhauer, nicht nur in plinius­illustrationen des Quattrocento (s. App. iV/B), tief über ihr werk gebeugt figurieren (Abb. 15), exakt nach

337 der vollständige wortlaut von lapos dedikationsbrief und seiner Übersetzung von lukians Traum ins lateinische (Ms. Br, ricc. 149, fols. 1r–7r) in App. i/B nach der transkription von carsten schmieder; dessen deutsche Übersetzung des widmungsschreibens lag mir vor. sie erleichterte mir die interpretation. – die besagte handschrift enthält weitere Übersetzungen lapos von opusculi lukians: De inferno, De calumnia, De longaevis, De patriae laudatione, De sacrificiis, De tiranno; über lapo als lukian­Übersetzer emilio Mattioli, »i traduttori umanistici di luciano«, in: Studi in onore di Raffaele Spongano, Bologna, 1980, s. 205–214, s. 208f. 338 platon, Menon, 91d, Bd. ii, s. 33 (Üs: schleiermacher); lysipp sei vor entbehrung umgekommen, heißt es bei petronius, Satyrica, 88, s. 180: »verum ut ad plastas convertar, lysippum statuae unius lineamentis inhaerentem inopia extinxit […]«. weit seltener sind spottkaskaden über die Armut des Malers wie zum Beispiel in Bramante, Sonetti, nr. 20, vv. 15ff. 339 die diskreditierung der Malerei – im Gegensatz zur rede – als handarbeit in platon, Politikos, 277c. phidias wird in »de statuis« in einem Atemzug mit mechanischen Arbeiten genannt; s. petrarca, De remediis, i, cap. 41 (zitiert nach Baxandall, 1971, s. 143): »neque hic tamen aurum, quamvis phydia­ sque convenerit […] laborque mechanici […].« eine Anspielung auf die Anfeindung gegenüber der Bildhauerei als pures handwerk in Gaurico, De sculptura, cap. 1, s. 65: »sed prorsus iam valeant, qui non censent oportere sculptores litteratos, hoc est ingeniosos esse« (Aber lassen wir diejenigen voll­ ends beiseite, die nicht finden, dass Bildhauern Bildung, das heißt ingenium, zukommt). 340 siehe v. »Mechanicus« in decembrio, De politia litteraria, Vii, cap. 93, 7, s. 534; über das schmäh­ wort »mechanicus« als Gegensatz zum philosophen auch petrarca, Invective contra medicum, ii. Über das Verhältnis der figurativen Künste zu den artes mechanicae Alessandro conti, »die entwicklung

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der degradierenden Körperhaltung, über die neben lukian auch Juvenal lästert.341 wie angedeutet in lapos widmungsbrief von De somnio, besaß eugen iV. noch eine weitere, ihm dedizierte Übersetzung von lapo da castiglionchio, genauer, die der Solon­Vita von plutarch. demnach kann lapo ein eindrucksvolles antikes pendant zu lukians allegori­ scher Antithese von Skulptur und Bildung, eine auf solon zurückgehende Unterschei­ dung, vertraut gewesen sein: die zwischen Künstlern in der tradition von Athena und hephaistos, die ihren lebensunterhalt mit ihrer hände Arbeit verdienen und anderen, die ihn durch die Musen belehrt im Verständnis der dichtkunst suchen. darin auf­ scheinend ist die Metapher von der dichtung als erzieherin.342 tatsächlich nahm lukian, was die ›Skulptur‹ betrifft, Anleihen am profil des mythischen Gottes hephaistos/Vulkan, des Künstlers«, in: Italienische Kunst. Eine neue Sicht auf ihre Geschichte, hrsg. v. Giovanni previtali et alt., 2 Bde., Berlin, 1991, Bd. i, s. 93–231, bes. s. 96ff. 341 es handelt sich um die initiale zu Buch XXXVi, aus: plinius/landino, Historia naturale, Venedig: nicolaus Jenson, 1476 (norfolk, holkham hall, the earl of leicester and the trusties of holkham hall, Ml c 52 Bn 1985); vgl. die Körperhaltung des Bildhauers, der an einer imago clipeata meißelt, in der initiale zu Buch XXXV, aus: ebenda (london, British library, ic 19662); s. The Painted Page. Italian Renaissance Book Illumination 1450–1550, Ausstellungskatalog (london, the royal Academy of Arts, 27.10.1994–22.01.1995), hrsg. v. Jonathan J. G. Alexander, München, 1994, s. 172, Abb. 84 und s. 36, Abb. 24b; s. unseren Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento in App. iV/B. dieser Katalog führt uns vor Augen, dass Bildhauer in dieser epoche nahezu immer in gebeugter haltung dargestellt sind. die Ausnahmen bilden erwartungsgemäß die selbstdarstellungen von Bild­ hauern, zuweilen auch die darstellungen mythischer Bildhauer (zahlreiche pygmalion­darstellungen in Victor i. stoichita, Der Pygmalion-Effekt. Trugbilder von Ovid bis Hitchcock, [französ. orig. Genf, 2008] München, 2011, passim). – Andrea pisanos relief der Skulptur am campanile rangiert unter den artes mechanicae; s. Joachim poeschke, Die Skulptur des Mittelalters in Italien, Bd. ii: Gotik, Mün­ chen, 2000, s. 168ff., Abb. 221 mit der datierung nach 1334. eine ähnliche haltung hat Vulkan im Gemälde Vulkan und Aeolus von piero di cosimo (s. sharon Fermor, Piero di Cosimo. Fiction, Invention and ›fantasia‹, london, 1993, Abb. 21); vgl. lukian, Traum, 13 und 9, s. 17, s. 13 (Üs: Karl Mras): »[…] ein knechtisches Äußeres annehmen […], abwärts zur Arbeit gebückt, am Boden und an der erde klebend […]; denn dein haupt würdest du nimmermehr aufwärts richten […]«; »[…] der jedes­ mal vor dem gerade Mächtigen sich duckt […]«; bei Juvenal, Satiren, iX, v. 145, s. 200 ist es der gekrümmte Ziseleur (»curvus caelator«); die haltung entspricht laut seneca, Epistolae, XiV, 90, 13 dem Klischee des handwerkers; die erfindung des hammers und von Zangen gingen auf einen Men­ schen von wachen aber nicht erhabenen Geist zurück, der mit gebeugtem Körper auf den Boden schaue (seneca, Schriften, Bd. iV, s. 348): »[…] quicquid aliud corpore incuruato et animo humum spectante […].« 342 Vgl. cicero, Tusculanae disputationes, iV, 69. die angedeutete Unterscheidung solons (plutarch, Solon, i, 49–52) verdichtet sich in seiner Musenelegie (elegie, 1, 7ff.); in dieser ist die rede von werken der Athena und den vielen Technai des hephaistos; dazu helmuth schneider, Das griechische Technikverständnis. Von den Epen Homers bis zu den Anfängen der technologischen Fachliteratur, darmstadt, 1989, s. 50ff.; zu lapos Solon­Übersetzung von 1434 s. Vito Giustiniani, »sulle traduzioni latine delle ›vite‹ di plutarco nel Quattrocento«, in: Rinascimento, 12, 1961, s. 3–61 s. 18. lapo übersetzte die Solon­ Vita auch für den römischen Kardinal Giordano Orsini.

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15 Meißelnder Bildhauer, initiale zu Buch XXXVi, aus: plinius/landino, Historia naturale, Venedig: nicolaus Jenson, 1476, norfolk, holkham hall, the earl of leicester and the trusties of holkham hall, Ml c 52 Bn 1985

der als »Grobschmied« bezeichnet wird, wie er es selbst in den Göttergesprächen despek­ tierlich umschreibt: »dein sauberer sohn Vulkan, […] so schmutzig und mit Kohlestaub bedeckt, wie er von seiner schmiedesse […] kommt«, oder: ›[…] Vulkan […], mit Koh­ lestaub überpudert und ein ekelhafter Anblick.«343 ›ekel‹, nach Menninghaus zu verste­ hen als »der heftig gesuchte Ausweg aus einer ›falschen Umarmung‹«, kennzeichnet auch 343 es handelt sich um ein Gespräch zwischen ›Jupiter‹ und ›Juno‹: lukian, Göttergespräche, V, Bd. i, s. 279 (Üs: c. M. wieland); vgl. auch im dialog nr. XV das Bild des rußigen, vor schweiß triefen­ den Vulkan (ebenda, s. 295). Giovanni campano qualifiziert Vulkan zum »prolem deformem« ab (cecchini, 1995, s. 87, nr. 22, v. 3); die schwielen an den händen besingt Burchiello, Sonetti, s. 36, nr. 38, v. 11: »e Vulcano ha le man piene di calli«; s. auch die Angaben zu Vulkan im mythografischen werk von leonardo Bruni, Aquila volante, s. Vi. im Mittelalter empfahl die v. a. unter dem pseud­ onym ›Albericus‹ greifbare mythologische Kompiliation (Albericus, De imaginibus deorum, Florenz: Bartolomeo de libri, nach 1487, fols. 45v–46r) den Künstlern folgendes Aussehen Vulkans: »de Vulcano: Vulcanus deus ignium pingebatur in similitudine fabri deformis et claudi malleum in manu tenentis.« hephaistos als der »armeskräftige Meister« in homer, Ilias, XViii, v. 391, s. 643 und v. 410, s. 643 die Bezeichnung als »schnaubendes Ungetüm«. Zur Karikatur des Bildhauers als ›faber‹ in Alberti, Momus, iV, s. 330; zur ikonologie des invaliden schmiedes Marie delcourt, Héphaistos ou la légende du magicien, paris, 1957, s. 110ff. und Butters, 1996, passim.

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die Traum­situation. es ist die eines gedemütigten lehrlings der Bildhauerei, der sich gegen die Bedrängungen der unansehnlichen und schmutzigen person, die ihm erscheint, selbst im Unbewussten zur wehr setzen muss.344 es handelt sich um eine Gegenreaktion auf längst vertraute lästereien über das äußere erscheinungsbild des Bildhauers, wenn Vespasiano da Bisticci dem Künstler donatello prachtgewänder andichtet, die im Somnium ein Kennzeichen der ›Disciplina‹ sind, in leonardos paragone zudem ein Vorzug des Malers.345 Zur niedrigkeit des Bildhauerberufes hatte kein Geringerer als petrarca – über bekannte passagen aus »de statuis« hinaus – ein zugkräftiges Argument in die diskussion gebracht, bezeichnenderweise integriert in einen dialog über die niedere herkunft, »de originis obscuritate«. während unter den erfolgreichen ›Aufsteigern‹ in lukians Traum (neben den Geistesgrößen demosthenes und Äschines) der einst »bei der [niederen] Bildhauerei« aufgewachsene philosoph sokrates figuriert, fällt petrarcas wahl auf den Vater des sokrates, ein Bildhauer. die schlussfolgerung von petrarca lautet, den nachkommen sei ein Aufstieg selbst dann möglich, wenn diese wie sokrates »einen Vater« hätten, »der [nur] den Marmor beherrschte« – so die bildhaft anmutende Formulie­ rung in De’ rimedii; und auch petrarca nennt demosthenes den sohn eines schmiedes,346 344 Vgl. winfried Menninghaus, Ekel. Theorie und Geschichte einer starken Empfindung, Frankfurt a. M., 1999, s. 8. lukian, Traum, 6 spricht von der rohen Gewalt, mit der sich die Bildhauerei dem Jüngling aufdrängt. er solle ihr Äußeres nicht verachten (ebenda, 8). 345 Vespasiano da Bisticci, Vite, Bd. ii, s. 194: »[…] cosimo [de’ Medici] gli [donatello] donò uno man­ tello rosato et uno capuccio, et fecegli una cappa sotto il mantello, et vestillo tutto di nuovo […]«; vgl. lukian, Traum, 11, s. 15; leonardo, Libro di pittura, i, 36, s. 159: »[…] et ornato di vestimenti […]«; in Athenaios, Gelehrtenmahl, Xii, 62, Bd. i, s. 146 trägt parrhasios prachtgewänder. es gab auch eine anders gelagerte Argumentation: die schäbige Kleidung ist Anlass zur Klage über die Ungerechtigkeit, die dem Künstlerstand widerfährt; s. den gereimten paragone zwischen dem dichter und dem Maler in Giovanni campano, De miseria poetarum, v. 40 (campano, Opera omnia, fol. ee5r; s. App. ii/c: Malerei­dichtung, nr. 13). campano klagt über den abgenutzen Kapuzenmantel des zu Unrecht armen dichters: »trita lacerna est«; abhängig von petronius, Satyrica, 83–84. – in lukians Traum unterstreicht die hässlichkeit der Skulptur ihre Minderwertigkeit. Vor allem seit petrarca wird die hässlichkeit zeitgenössischer Künstler (Giotto und simone Martini) wiederholt kontrastreich inter­ pretiert: unschöne Körper seien kein hindernis für die schaffung von schönem und Geistigen; s. petrarca, Familiarum rerum libri, V, 17, 6, Bd. ii, s. 39: »[…] duos ego novi pictores egregios, nec formosos: iottum, florentinum civem, cuius inter modernos fama ingens est, et simonem senensem«; zu diesem topos norman e. land, »Giotto as an Ugly Genius. A study in self­portrayal«, in: Explorations in Renaissance Culture, 23, 1997, s. 23–36 und Falaschi, 1972, s. 1–26, s. 9. 346 lukian, Traum, 12 (lukian, Hauptwerke, s. 17). Vgl. petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 5 (»della vile schiatta«), Bd. ii, s. 48–54, s. 49: »chi fu socrate, od euripide, o demostene? de’quali socrate ebbe il padre che governava marmo, […]«); im Original hingegen petrarca, De remediis, ii, cap. 5, s. 410: »Quid socrates, euripides, demosthenes, quorum primus marmorarium patrem habuit […].« Zum mittelalterlichen Begriff »marmorarius« siehe s. v. »marmorario« in: Dizionario della critica d’arte, 1978, Bd. ii, s. 306. die information über den Beruf von sokrates’ Vater sophroniskos u. a. in Valerius Maximus, Facta et dicta, iii, 4, ext. 1, Bd. i, s. 190: »socrates […]

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so, als habe er lukians schrift Traum gekannt.347 schließlich suggeriert lukians drittes exemplum, Äschines – er war der sohn einer (einfachen) paukenschlägerin –, mit dem Attribut des schlegels den störenden lärm, eine parallele zum Utensil von lukians ›Skulptur‹. leonardo wird uns daraufhin im paragone den Bildhauer vorführen, dessen hammergedröhn mehr als lästig ist.348 der evozierte lärm im Traum dient effektvoll als Abrundung der Bandbreite dessen, was den mechanischen Künsten alles angekreidet werden kann. nicht minder richteten die humanisten des Quattrocento stets aufs neue ihre Aufmerksamkeit auf den, um mit Boccaccio zu sprechen, »humili loco nati« des sokrates, das heißt auf das Milieu, in dem Bildhauer sozial angesiedelt wurden. so fällt coluccio salutati 1403 in einem Brief ein drastisches Urteil. sokrates gilt ihm als para­ debeispiel dafür, dass virtus ohne Ansehen der person jedem offenstehe, sogar einem skla­ ven.349 Giannozzo Manetti schuf einen ähnlichen Kontrast in der Vita Socratis. Obgleich sophronisco patre marmorario genitus ad clarissimum gloriae lumen excessit«; vgl. cicero, Tusculanae disputationes, V, 10 und diogenes laertius, Leben, ii, 18; übernommen von Ambrogio traversari, Diogenis Laertii De vita et moribus philosophorum libri X, lyon, seb. Gryphium, 1541, s. 70: »sokrates sophronisco patre lapidario […] fuit«; und Ficino, De amore, Vii, s. 312: »Quis nesciat socratem sculptoris […] filium […].« das Beispiel von demosthenes – sein Vater besaß eine waffenmanufak­ tur (vgl. plutarch, Demosthenes, 4, Bd. iV, s. 222, wo es ferner heißt, dass demosthenes »nicht die einem freigeborenen Knaben zukommende höhere Bildung erhielt«; und Valerius Maximus, Facta et dicta, iii, 4, ext. 2) – auch in salutati, De laboribus Herculis, i, cap. 12, Bd. i, s. 62: »etenim, ut de ceteris sileam et ad eloquentie cacumina veniamus, dicemusne demostenem virum bonum, qui cum eloquentie merito ignobilis et fabri filius, a follibus atque, igne tinctus, carbonibus fortuna, imo dei dispositione, faciente rhetorice traditus in forum et curiam tractus esset, glorioso solonis fuit additus Ariopago?«, wo die herkunft – mit dem Blasebalg und ruß des schmiedes – ebenfalls karikaturhaft skizziert wird. Gerolamo Aliotti spricht demosthenes und Äschines 1435 in De monarchis erudiendis die Gabe ab, als redner im Falle einer Betätigung in der Bildhauerei erfolgreich sein zu können: »aut ex oratoribus […] eschinem, demostenem si se sculpture figulineque dedissent: nequaquam summos ac perfectos in his artibus exstitisse« (BAV, Vat. lat. 1063, fol. 47v; zitiert nach pfisterer, 2002, s. 573). – nicht immer ist der soziale Aufstieg positiv bewertet worden. in einem Brief von ca. 1365 beklagt Boccaccio, dass leute »aus der werkstatt von steinmetzen« in hohe politische Ämter gelangt seien; s. Francesco corazzini, Le lettere edite e inedite di Messer Giovanni Boccaccio, Florenz, 1877, s. 74: »[…] venuti chi da capalle e quale da cilicciavole, e quale da sugame o da Viminiccio«. 347 Fest steht: es gibt keinen rekurs von petrarca auf lukians Traum in denjenigen passagen seines handbuches, welche träume thematisieren, wie zum Beispiel petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 87 (»della molestia de’sogni«), Bd. ii, s. 293ff. 348 Zum schlegel als Attribut des Bildhauers lukian, Traum, 13; der widrige Krach der hammerschmie­ de ist thematisiert in Valla, De voluptate, i, 22, 2, s. 74 und leonardo, Libro di pittura, i, 36, s. 159: »[…] strepito di martelli od altri rumori misto […].« 349 siehe den ca. 1495/1496 verfassten Brief an domenico Bandini in salutati, Epistolario, Bd. iii, s. 647, nr. 13: »patricius socrates non fuit; […] quibus omnibus certus esse potes, imo debes, nec plebeis nec etiam servis, mancipiis sive vernulis se non negare nobilitatem, que est ad virtutem bona a natura composito, nec se negare virtutem.« Boccaccios Äußerung über sokrates in Boccaccio, Esposizioni sopra la Commedia, Inferno, iV, 255, Bd. Vi, s. 233–234: »socrate originalmente si crede fosse ate­

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sokrates in seiner Kindheit, holz bearbeitet und an steinen gemeißt habe, sei er imstan­ de gewesen, in der dialektik Bildung zu erlangen.350 dass lapo da castiglionchio die ›Ars statuaria‹ als Kontrahentin zur – so seine wort­ wahl – ›Disciplina‹ vorführt (die ersten Zeilen von De somnio ergänzen das epitheton »dis­ cipinae liberales«; fol. 2r), unterstreicht sein Anliegen, die skulptur zum komplementären Gegenpart der artes mechanicae herabzuwürdigen.351 tatsächlich erfolgt im Zuge der frü­ hen Angliederungsversuche der figurativen Künste an die artes liberales oft die Ausgren­

niese, ma di bassissima condizione di parenti disceso, per ciò che, sì come scrive Valerio Massimo nel iii suo libro sotto la rubrica ›de patientia‹, il padre suo fu chiamato sofonisco, intagliator di marmi […]; ed esso medesimo, secondo che dice papia, alquanto tempo s’essercitò nell’arte del padre.« siehe auch den an Marco Antonio tolomei adressierten Brief »de distinctione humani generis et nobilitate« von Antonio de Ferrariis Galateo, Epistole, s. 104–116, s. 112, nr. 14: »quis demosthenem ex patre fabro ferrario? quis socratem, qui ex marmorario patre et matre obstetrice?« 350 Manetti, Vita Socratis, i, 1, s. 119: »socrates philosophus […] fuisse traditur: sophronisco lapidario vel, ut expressius dixerim, marmorario patre […];« und ebenda, i, 4, s. 120: »At vero ut prima illa puerilia litterarum studia transegit, quamvis secundum quosdam et ligna interdum ministraverit et lapides quandoque sculpserit, in dialecticis tamen egregie eruditus, […].« 351 der terminus »ars statuaria« ist nicht ungewöhnlich; vgl. mit Bezug auf die Laokoongruppe plinius, NH, XXXVi, 37, s. 36: »statuariae artis«. – lukian wählt für die Bildung den griechischen wert­ begriff ›paideia‹ (»παιδείαν«), dessen Bedeutung die Formung des heranwachsenden nach einem Bil­ dungsideal zu einem höheren Menschsein ist (vgl. zum Paideia­Begriff Buck, 1987, s. 14); s. die Paideia­definition von Filetico, Iocundissimae disputationes, i, 12, s. 92: »[…] verius eruditionem unde humantiatis, hoc est eruditionis, studia nuncupantur, quam ›την παιδείαν‹ Graeci vocitant.« das von lapo gewählte Äquivant »disciplina«, ein synonym von »ars«, impliziert allgemeiner die lehr­ und lernbarkeit eines Ausbildungsgegenstandes; s. den Artikel von Gandolf schrimpf, s. v. »disciplina«, in: HWR, [1972] Bd. ii, sp. 256–261; noch Andrea Biglia gebraucht 1430 in seiner Oratio de laudibus disciplinarum die disciplina und ars als Äquivalente (Müllner, [1899] 1970, s. 65): »disciplinarum atque artium«; zur traditionellen Verbindung zwischen der disciplina und dem Bedeutungsbereich der Kunst und der wissenschaft Otto Mauch, Der lateinische Begriff ›disciplina‹. Eine Wortuntersuchung, Fribourg, 1941, s. 22ff. seit Vitruv fallen in der Kunsttheorie oft die komplementären Begriffe »disci­ plina« (schulung, Bildung) und »ingenium« (Begabung). die vom Baumeister neben der Begabung geforderte »disciplina« in Vitruv, De architectura, i, 3, s. 24: »itaque eum etiam ingeniosum oportet esse et ad disciplinam docilem«; vgl. Ghiberti, I commentarii, i, 2.4., s. 47: »[…] llo ingegnio sanza disciplina, o la disciplina sanza ingegnio non può fare perfecto artefice«; zum humanistischen Gemeinplatz ars – ingenium s. Baxandall, 1971, s. 15ff.; gegen 1480 propagiert der paduaner rhetorik­ professor Andrea Brenta in seiner rede über die »disciplinas et bonas artes« die priorität der »disciplinae« gegenüber Baudenkmälern; s. Müllner, [1899] 1970, s. 71–85, s. 83f.; und Filelfo warnt gegen 1475 vor der Verwechslung des Fachwissens (»scientiam«) von Malern und Bildhauern mit wirklicher weisheit; Filelfo, De morali disciplina, ii, fol. 27: »nunc scio ex parte, tunc autem cognoscam, sicut et cognitus sum, huiusmodi scientiam atque cognitionem, non in agendo, sed in contemplando versari manifestum est; quemadmodum est contra illustres quoddam artifices, ut praxitelem, scopam, phidiam, Apellem, Apollodorum, parrhasium, euphranora, polycletum […] huiusmodi sapientes vocabat antiquitas.«

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zung der skulptur,352 und lange blieben die Konnotationen an ein dumpfes handwerk bestehen. sofern nicht in der tradition Galens die Aura des Geistigen für beide figura­ tiven Künste veranschlagt wird,353 oder beide, wie noch in platinas De laudibus bonarum

352 Ausnahmen gibt es: dion von prusa stellt die Fähigkeiten des Bildhauers auf die stufe mit denen des dichters; dion von prusa, Olympische Rede, 46, s. 79 (Üs: hans­J. Klauck): »[…] [die Bildhauer] wurden damit in gewisser weise für die poeten nebenbuhler und Berufskollegen auf dem Gebiet der Kunst.« ein früher Versuch der Verkettung der skulptur mit den studia humanitatis ist das Varro­ diktum aus der enzyklopädie der römischen Kultaltertümer (Varro, Antiquatum rerum humanarum libri, i, 1), dass praxiteles, der wegen seiner überragenden Kunstfertigkeit niemandem, der auch nur ein wenig ›humanus‹ sei, unbekannt sein könne; das Varro­Zitat fällt im auch Kontext einer diskus­ sion zur humanitas in Filetico, Iocundissimae disputationes, i, 13, s. 92: »›praxiteles qui propter artifici­ um egregium nemini est paulum modo humaniori ignotus‹. Quippe non aliud quam doctiorem eru­ ditioremque significare potest humanior, nisi velimus a sententia dissentire«. Allerdings ist die Kenntnis von praxiteles als teil der Bildung gemeint und nicht die Ausübung der Bildhauerei. 353 Galen (Mahnrede, prot., 14) hält den Anspruch der figurativen Künste auf die Zugehörigkeit zur Gruppe der geistigen und achtenswerten Künste für eine vertretbare position, da die Ausübung beider – im Unterschied zum eigentlichen handwerk – nicht die Kräfte eines Jünglings erfordern würden; dazu schlosser, [1924] 1985, s. 50. das postulat der Zugehörigkeit beider figurativen Künste zum Bildungskanon der artes liberales begegnet im 15. Jahrhundert bei lorenzo Valla, landino, poliziano und Ficino. Valla feiert die neue Blüte der Malerei, skulptur und Architektur, die er in die nähe der freien Künsten rückt, in Valla, Elegantiarum libri, ›praefatio‹ (Valla, Opera omnia, Bd. i, s. 4): »non magis quam cur illae artes, quae proximae ad liberales accedunt, pingendi, sculpendi, fingendi, archi­ tectandi, aut tamdiu tantoque opere degeneraverint, ac paene cum litteris ipsis demortuae fuerint, aut hoc tempore excitentur ac reviviscant, tantusque tum bonorum opificium, tum bene litteratorum proventus efflorescat;« und an anderer stelle des gleichen Buches (ebenda, iV, ›praefatio‹, Bd. i, s. 119) nennt Valla die Malerei, skulptur und die Ziselierkunst in einem Atemzug mit den freien Künsten: »hanc ego artem obfuturam putem? profecto non magis quam pingendi, fingendi, caelandi et, ut de liberalibus dicam, quam musices artem. et si ex his qui bene canunt, bene pingunt, bene fingunt, ceterisque ex artibus multum usus atque ornamenti divinis accedit rebus, ut prope ad hanc rem natae esse videantur, profecto multo plus accedet ex eloquentibus.« Vergleichbar ist Vallas position in De voluptate, ii, 32, 1. die Berufe des Malers und des Bildhauers sind laut landino, Disputationes Camaldulenses, s. 28 eines freien Mannes würdig: »Aderunt architecti, aderunt sculptores fictores pictores, aderunt ferri lignorumque fabri. et quoniam praeter has artes, quae ingenio atque industria compara­ tae libero sunt homine dignae […]«; poliziano, Panepistemon (poliziano, Opera omnia, fol. 2iiii) zählt die figurativen Künste 1492 zu Unterarten der auf geistigen Fähigkeiten beruhenden ›graphike‹: »Gra­ phice pictoribus, statuarijs, caelatoribus, scalptoribus, fictoribus, encaustisque communis est«; dazu ida Maïer, »Un inédit de politian. la classification des ›arts‹«, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance, 22, 1960, s. 338–355; summers, 1981, s. 250ff. und Meltzoff, 1986, s. 21–32, s. 29; Ficino feiert im Brief von 1492 an paul Middelburg (Ficino, Opera, Bd. i, s. 944.) die wiedergeburt der fast erloschenen freien Künste in Florenz, zu denen er auch die drei bildenden Künste zählt. – An der schwelle zum Quattrocento mahnt Filippo Villani, dass die figurativen Künste nicht geringer geschätzt werden sollten als die Meister der freien Künste: Filippo Villani, De origine, XlVii, s. 153: »[…] non sine nobilissimi ingenii singularisque memorie bono atque delicate manus docilitate tanta potuisse.«

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artium, ausgeklammert bleiben,354 wird allein für die Malkunst der Anspruch auf den status einer ars liberalis erhoben, so bei plinius dem Älteren, petrarca, vermutlich sacchet­ ti, Filippo Villani, Alberti oder carbone.355

354 die rede stammt von ca. 1462–1464; s. platina, De laudibus bonarum artium, s. 109–118, auf s. 115 nur die Kritik an den hinfälligen Abbildern der Malerei und skulptur gegenüber den schriften. Moralisch begründet seneca, Epistolae, Xi, nr. 88, 18 die Ausgrenzung der Maler, erzgießer und Bildhauer aus den freien Künsten; sie seien nur Gehilfen des luxus (seneca, Schriften, Bd. iV, s. 306): »non enim adducor, ut in numerum liberalium artium pictores recipiam, non magis quam statuarios aut marmorarios aut ceteros luxuriae ministros.« Auch Manetti, De dignitate, ii, 41, s. 60, paolo cor­ tesi und der Autor der Antiquarie prospetiche romane, s. 24 wollen nichts von einem gleichberechtigten status der figurativen Künste wissen. nach lobeshymnen über sie erfolgt bei Manetti die Ankündi­ gung, nun über die erhabeneren und edleren werke der freien Künste zu sprechen; cortesi, De hominis doctis, s. 136–137 grenzt die figurativen Künste, auch die Architektur und die Musik, von den »studia disciplinarum maximarum« ab, so sehr er ihnen ein Konzept zugesteht: »nam, ut omittam studia disciplinarum maximarum, omnium artium opifices habent sua praecepta: architectus ab his non discedit, musici etiam his erudiuntur quando vocum mutationes facere debeant, quando scilicet cantus aut inflexam aut gravem aut acutam vocem postulet. Alii in lineis, alii in mensuris, alii ad fin­ gendum, alii ad pingendum certis praeceptis utuntur: ex quo intelligitur nihil magnum fieri posse sine quadam artis ratione.« – piero de’ ricci resümiert die Funktion der sieben freien Künste in einem Gedicht über sie (Sette son ’arti liberali e prima; abgedruckt in Burchiello, Sonetti, s. 144–145): »sopra ogni creatura / sarebbe chi sapesse ciascuna arte, / ma contentar si può chi ne sa parte«; Varchi, Due Lezzioni, i (Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 15) zitiert Zeilen daraus im paragone. – Ähnlich gestaltet sich die situation der artes liberales in der bildenden Kunst des Quattocento: die Malerei und skulptur fehlen auch in pinturicchios darstellung der artes liberales im Appartamento Borgia und in den zehn personifikationen der artes liberales auf Antonio pollaiuolos Bronzegrabmal von papst sixtus iV. in rom; s. Alison wright, The Pollaiuolo Brothers. The Arts of Florence and Rome, new haven und london, 2005, s. 358ff., Abb. 293. 355 plinius der Ältere, petrarca, sacchetti, Villani, Alberti und carbone beanspruchten für die Malerei explizit den rang als ars liberalis. infolge der nachricht von plinius, NH, XXXV, 77 über die Malerei als freie Kunst bei den Griechen referiert petrarca, De remediis, i, cap. 40 (»de tabulis pictis«) (zitiert nach Baxandall, 1971, s. 141): »[…] apud Graios vero, siquid plinio creditis, in primo gradu liberali­ um haberetur«; sacchetti, Trecentonovelle, nr. 75, s. 221 betonte den status von Giotto als »Meister der sieben freien Künste: »[…] non che Giotto fusse gran maestro di dipingere, ma essere ancora maestro delle sette arti liberali.« die Bemerkung bleibt zwiespältig. Unklar ist, ob dem die Auffassung der Malerei als eine der freien Künste zugrundeliegt, oder ob Giotto neben seiner tätigkeit als Maler ein Meister der freien Künste war. Villani, De origine, XlVii, 9, s. 154: »[…] extimantibus multis, nec stulte quidem, pictores non inferioris ingenii his, quos liberales artes fecere magistros, cum illis artium precepta scripturis demandata studio atque doctrina percipiant, hii solum ab alto ingenio tenacique memoria, que in arte sentiant mutuentur.« (Viele glauben nicht ohne guten Grund, dass Maler hinsichtlich ihrer Begabung denen nicht unterlegen sind, denen der Grad eines Magisters der artes liberales verliehen wurde, da letztere die schriftlich niedergelegten Vorschriften ihrer Kunst durch das studium erlernen, während die ersteren das, was sie in ihrer Kunst vermögen, nur durch ihre hohe Begabung und ihr gutes Gedächtnis erhalten); Alberti, De pictura, i, 28, s. 242 (vgl. 53): »Qui mos optimus apud Graecos maxime observabatur, ut ingenui et libere educati adolescentes, una

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ein weiterer topos, den lukian paradigmatisch entfaltet, verdient im hinblick auf die Geschichte des paragone besondere Aufmerksamkeit. es ist der von der körperlichen ›Mühe‹ des Bildhauers, einer Bürde, die ihm auferlegt ist, indem sein wirken nicht geringen Kraftaufwand und physische stärke voraussetzt. die ›Mühe‹, die seit dem terminologischen pendant, »fatica corporale«, das leonardo kreiert hat, wie auch der Gegenbegriff, »fatica d’ingegno«, aus dem Begriffsrepertoire des paragone nicht mehr wegzudenken ist,356 würde im lateinischen synonyma wie industria, studium, virtus oder labor erwarten lassen. lapo da castiglionchio übersetzt lukians Formulierung »kör­ perlich plagen« mit »corpus assidue«. Auch hinsichtlich dieses themenkreises lohnt der Blick auf einen dialog aus De’ rimedii, »delle grave faccende« (Von schweren tätigkei­ ten). die ›Vernunft‹ versöhnt tröstend denjenigen, der unter den Bürden der »fatica« stöhnt, den ›Schmerz‹, indem sie an die notwendigen herkulischen Mühen zur erlangung des ruhmes erinnert, nicht ohne die Abgrenzung der denker von den bildenden Künstlern voranzutreiben:

cum […] pingendi quoque arte instruerentur«; gegen 1460 insistiert lodovico carbone (Oratione pro nepote Galeotti Assassini) auf der Abweichung der Malerei von den artes mechanicae: »pictura scilicet, quae nullo modo cum mechanicis artibus conumeranda, sed liberalibus potius disciplinis omnium doctorum iudicio coniugenda est«. – indirekt fordert freilich eine Vielzahl an Autoren des Quattro­ cento die Zugehörigkeit der Malerei zu den freien Künsten, so cennini, Libro dell’arte, cap. 1, s. 3–4 durch die definition der Malerei als Abkömmling der wissenschaft (»scienzia«), der Guarino­schüler Bartolomeo Facio, De viris illustribus, ›de pictoribus‹ (Baxandall, 1971, s. 164) mit der wortwahl »ratio pingendi«, enea silvio piccolomini 1452 im Brief an nikolaus von wyle (piccolomini, Opera, s. 646, nr. 119) durch die Betonung der wechselseitigen liebe von Malerei und redekunst (»Amant se artes hae [eloquentia et pictura] ad invicem«) – ganz zu schweigen von den vielen Berufungen auf das Ut-pictura-poesis-theorem; dazu lee, [1940] 1967 und pfisterer, 1996, s. 110. Über das Verhält­ nis der figurativen Künste zu den artes liberales der erstmals 1951 publizierte Beitrag über das system der Künste von Kristeller, 1974–1976, Bd. ii, s. 164–206; über Albertis Versuche der Annäherung der Malerei an die poesie carroll w. westfall, »painting and the liberal Arts: Alberti’s View«, in: JHI, 30, 1969, s. 487–506; erwin panofsky, Die Renaissancen der europäischen Kunst, [org. stockholm, 1960] Frankfurt a. M., 1990, s. 29ff.; warnke, 1985, s. 24, s. 60f. 356 in Bezug auf den dichter trifft cicero, Pro Archia poeta, Viii, 17, s. 46/47 die Unterscheidung zwi­ schen »corporis moto« (Körperbewegung) und »animorum […] motus« (Beweglichkeit des Geistes). die leonardo­Forschung hat keine erhellenden Analysen zur »fatica« angestellt – instruktiv zum all­ gemeinen themenfeld hingegen (wenn auch ohne Bezug auf den Traum noch auf leonardos idee der »fatica«) Kristina herrmann­Fiore, »il tema ›labor‹ nella creazione artistica del rinascimento«, in: Der Künstler über sich in seinem Werk (internationales symposium der Bibliotheca hertziana 1989), hrsg. v. Matthias winner, weinheim, 1989, s. 245–292 mit weiteren literaturangaben. Francesco di Giorgio unterscheidet zwischen Bildhauern wie Myron und phidias, die durch Kunst (»arte«) ruhm erwarben und solchen, die dies durch »Arbeitskraft« (»industria«) schafften (Francesco di Giorgio, Trattati, Bd. i, s. 70): »[…] Miron […], Fidia […] e li altri che per arte acquistato hanno grande laude. Alcuni altri nonper arte ma per sola industria […].«

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»[…] damit ich nicht von den philosophen und dichtern reden würde, deren leben nichts anderes als eine edle und vergnügliche Mühe [fatica] war. Oder, was werde ich von den Künstlern sagen, die, weißt du, mit soviel eifer versuchen, ein bisschen von dem ruhm zu bekommen, der von ihren Kunstwerken ausgeht?«357 dass den Kunstwerken eine höhere wertschätzung widerfährt als den Künstlern, die sie hervorbrachten, ist ein Gedanke, den petrarca mit lukian teilt. der florentinische huma­ nist Alamanno rinuccini reagierte 1473 auf originelle weise auf diese diskrepanz: Bild­ hauer wie luca della robbia und lorenzo Ghiberti würden wegen des ruhmes ihrer werke keine Verachtung verdienen.358 die erkenntnis von panofsky mag bezüglich des scheideweg­Motivs richtig sein, dass lukians Traum ein »offensichtlich der herculesfa­ bel nachgebildetes streitgespräch« sei, bezüglich der fatica trifft diese Abhängigkeit nicht zu.359 in keiner weise teilt lukians ›Skulptur‹ die Moral, die dem homo-in-bivio­schema zugrunde liegt und wie sie leonardos dichter­Freund Bellincioni in einer Canzonetta della fatica besang, dass nämlich dem strebsamen, der willens sei, Mühen auf sich zu nehmen, die Fama in Aussicht stehe. im Gegenteil, bei lukian dient die hervorhebung der physi­

357 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 56 (»delle grave faccende«), Bd. ii, s. 203– 206, s. 204: »Acciò ch’io non dica de’filosafi e de’poeti, la cui vita tutta non fu altro che una nobile e dilettevole fatica. Or che dirò io degli artefici, i quali, sai, con quanto studio eglino cercano d’avere quella poca della gloria che esce de’loro artificii?« der gleiche Gedanke in Bezug auf philosophen, dichter und auf phidias, der sein ›Gesicht‹ auf dem schild der Athena Parthenos angebracht habe, auch ebenda, ii, cap. 88 (»della troppa fama«), Bd. ii, s. 295 mit der Quintessenz: »ecco, costui [phidias] desideróe, per premio della sua fatica, d’essere conosciuto in quella statua.« die Quelle ist cicero, Tusculanae disputationes, i, 34. – Mit der diskrepanz zwischen dem geschätzten Kunstwerk und der Geringschätzung des schöpfers spielt auch der in der antiken literatur nicht seltene scherz, dass ein bestimmter Bildhauer, bei lukian (Der Lügenfreund, in: lukian, Werke, Bd. i, s. 99) deme­ trios von Alopeke, kein Göttermacher, sondern nur ein statuenmacher sei. es zeugt von der selbstge­ ringschätzung der Bildhauer, wenn phidias in lukian (Verteidigung der Bilder, in: ebenda, Bd. iii, s. 145ff.) das Urteil anderer über seinen Jupiter für bedeutsamer hält als sein eigenes. 358 »non contempnendos tamen fuisse luccam robiniensem, et laurentium bartolucii praeclara ab eis aedita opera testantur.« rinuccinis vollständiges widmungsschreiben von philostrats Vita Apollonii Tyanei an Federico da Montefeltro ist zitiert in Gombrich, [1966] 1985, s. 11–23, s. 174–178, s. 178. der hinweis auf die Anerkennung der Bildhauer auch in poggio Bracciolini, De vera nobilitate, 9, s. 8: »›et statuarios‹ inquit ›ac pictores, quos ars sua celebres insignes reddidit […]‹.« 359 erwin panofsky, Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst, Berlin, [1930] 1997, s. 38. Auch Frolekys, 1973, s. 149, der von einem »allegorischen Agon« spricht, vermutet als Quelle die prodikos­Fabel (und den traum der Atossa und der europa). die auf prodikos zurück­ gehende herkules­Fabel ist referiert in Xenophon, Memorabilien, ii, 1, 21ff. der wahlspruch »nur durch Mühe erringt man tugend« (»nulla nisi ardua virtus«) (vgl. Ovid, Ars amatoria, ii, v. 537) in Valla, De voluptate, iii, 6, 1, s. 292; vgl. salutati, De laboribus Herculis, iV, cap. 30, Bd. ii, s. 580 und passim.

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schen Mühsal der ›Skulptur‹ der Begründung ihrer Ächtung.360 Anders gesagt: nicht nur dem untüchtigen, nicht dem nur leidlich begabten Bildhauer bleibt die persönliche Aner­ kennung versagt, sondern selbst dem Virtuosen der Bildhauerkunst. Unter diesem spe­ ziellen Gesichtspunkt besiegelt lukians Traum den Bruch mit der von prodikos begrün­ deten tradition. Anstelle des lasters, vormals identisch mit Müßiggang, tritt bei lukian die körperliche Mühe – oder, um mit leonardo zu sprechen, die fatica corporale. diese unterliegt in der Parte prima der »Geisteskraft« (fatica d’ ingegno) des Malers und nicht länger, wie bei lukian, der ›Bildung‹, nachdem viele stimmen im Vorfeld, angefangen mit dem Giotto­Kult, die Malerei mit ingenium verknüpft und weit geschickter vom hand­ werkertum abgegrenzt haben als die skulptur. eine Anekdote in sacchettis Trecentonovelle belegt dies vortrefflich. in ihr weist Giotto einen »ungeschliffenen handwerker« (»un grossolano artefice«) mit dünkeln in seine Grenzen: ein Aufschneider, der von ihm ein wappen als schildbemalung wünscht, wird stattdessen mit den gemalten Utensilien seines (bescheidenen) Metallhandwerks brüskiert.361 Am ende des Traumes werden die widersprüche zum herkules­Mythos versöhnt. wie dem tugendhelden herkules kraft seiner taten als sterblicher der Aufstieg zu den Göttern vergönnt ist, so besteht für den Abtrünnigen von der Ars statuaria, nicht unbeeinflusst vom euhemerismus, eine ähn­ liche Aussicht: An der seite der ›Disciplina‹ fährt er auf einem mit Flügelrossen bespann­ ten wagen hoch in die lüfte.362 Fassen wir zusammen: in einer für das Quattrocento typischen sicht begriff lapo da castiglionchio den Traum, auf lukians polarisierung zweier wertbereiche fußend, als prozess der glorreichen erhebung des homo litterarius über eine ars mechanica, die ja auch traditionell nicht mit der sprache konnotiert wurde. im Gegenteil, nach platons Gorgias, 450c galt die Bildhauerei (wie auch die Malerei) per definitionem als eine Kunst, deren Ausübung schweigend – also ohne sprache – vonstatten gehe. im Somnium redet

360 es handelt sich um eine rappresentazione, in deren Zentrum eine personifizierte Fatica stand und mit lobeshymnen auf sie beginnt: »cara e dolce mia fatica, /[…]«; s. Bellincioni, Le rime, ii, s. 204–205; eine personifizierte Fatica tritt im dritten teil des zweiten Buches von Giordano Brunos Spaccio de la bestia trionfante in erscheinung. Zum postulat, eine Kanzone müsse »faticosa« sprechen, s. dante, Convivio, ii, 11, 7, Bd. ii, s. 62. 361 sacchetti, Il Trecentonovelle, nr. 63, s. 181–183, s. 181. dazu auch Falaschi, 1972, s. 13. die Anekdo­ te entspricht einem tradierten Muster. M. e. war sacchetti von einer vergleichbaren Anekdote inspi­ riert, welche die Überheblichkeit eines berühmten Malers – parrhasios – aufs Korn nahm. der prunk­ voll gekleidete parrhasios signierte ein werk mit: »einer, der glanzvoll gelebt (›habrodíaitos‹) und den Anstand gewahrt, schuf dies Bildnis«, woraufhin ein anderer die Korrektur mit despektierlichem Beiklang anbrachte: »einer, der vom Malerpinsel gelebt (›rhabdodíaitos‹); s. Athenaios, Das Gelehrtenmahl, Xii, 62, Bd. i, s. 146. – in lukians Traum, 13 (lukian, Hauptwerke, s. 17) werden die Utensilien der Skulptur genannt: »hebel, schabeisen, schlägel und Meißel«. in Jacopo sannazaro, Arcadia, Xi, s. 200 wird Mantegna als »ingegnosissimo« gefeiert. 362 lukian, Traum, 15.

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die ungebildete ›Ars statuaria‹ denn auch »mit sehr vielen Verstößen gegen den richtigen sprachgebrauch.« nach der rezeption im 15. Jahrhundert geurteilt, wurde die soziale distanzierung lukians (wie auch die des sokrates) von der Bildhauerei offenbar unter dem eindruck einer debatte gelesen, die seit dante währte, als parabel für die durch­ setzungskraft des Geistesadels trotz widriger herkunft. nach dem Jahr 1428, infolge von Buonaccorso da Montemagnos neubelebung des alten Zwistes um den Geistes­ oder Geburtsadel, der im De nobilitate tractatus nun dem homo­in­bivio­schema einver­ leibt ist – zwei römer unterschiedlicher Abkunft werben um eine Adlige –, entstand eine Fülle an Monografien zum nobilitätsdiskurs, unter anderem aus der Feder des hof­ historikers Bartolomeo Facio, gefolgt von poggio Bracciolini, Giannozzo Manetti, Bar­ tolomeo platina und landino. durch letzteren und dank eines Briefes, den lapo da castiglionchio 1435 verfaßte, wissen wir von lapos eigener Beschäftigung mit dieser Materie. sein Buch, das den titel De nobilitate trug, gilt heute als verschollen.363 der Blick auf poggio Bracciolinis Beitrag führt in wünschenswerter deutlichkeit vor Augen, wie sehr lapo die parabel lukians im gewandelten Kontext begriffen haben muss, näm­ lich im humanistischen lebensideal des leistungsadels. die Behauptung, die poggio um 1440 von sich gab, »sokrates war kein patrizier«, diente dem leser seiner reflexion über die wahre nobilität als Ansporn, um sich als niedrig Geborener durch das studium der wissenschaften empor zu bringen und zu adeln.364 Mehr ist die ›Ars statuaria‹ in diesen frühen humanistischen Auslegungen einer dichterischen Fiktion jedoch nicht. sie dient vorweg als projektionsfläche der Untugenden eines niederen Menschseins, und dessen Überwindung strebt der tüchtige – nach dem Vorstellungsgut des 15. Jahrhun­ derts – durch seine teilhabe an der humanistischen Bewegung an.

363 lapos Brief aus Bologna an roberto strozzi in Müllner, [1899] 1970, s. 249–259, nr. 6; landino, Comento, ›proemio‹, Bd. i, s. 238: »tolse immatura morte lapo da castiglionchi, el quale e in quello ›de nobilitate‹ […] mostrò ornato stile e copia giovenile forse alquanto lasciviente […].« – die debat­ te um den Geistes­ oder Geburtsadel, die antike wurzeln hat, entspinnt sich im vierten Buch von dantes Convivio zu Gunsten des tugendadels. infolge des populären werkes von Buonaccorso da Montemagno erscheinen Facios De excellentia ac praestantia hominis (1448), Manettis De dignitate et excellentia hominis, platinas De vera nobilitate (1475) und landinos De vera nobilitate (1487); zum stoff der Nobilitas­diskussion tilmann Jorde, Cristoforo Landinos ›De vera nobilitate‹. Ein Beitrag zur Nobilitas-Debatte im Quattrocento, stuttgart und leipzig, 1995, s. 46ff.; Kristeller, 1974–1976, Bd. ii, s. 61ff. und Buck, 1987, s. 112f. 364 poggio Bracciolini, De vera nobilitate, 73, s. 32: »patricius socrates non fuit«. es handelt sich um ein Zitat aus seneca, Epistolae, nr. 44, 3, das 1471 auch platina, De principe, i, s. 75 mit dem nachsatz zitiert: »non est profecto alius alio nobilior, si ad primam originem utpote ad deos revocemur, unde nati sumus, sed differre homines inter se faciunt virtutes et vitia, eum ex servis reges fieri plerunque ut ait plato videamus, ex regibus item servos. sola enim virtus est quae nobiles facit quaeque posteros in nobilitate retinet.«

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wie wir sahen, zeitigte lapos Traum­Übersetzung die größte wirkung in Florenz. sie fand eine leserschaft im Umfeld von papst eugen iV., bei einigen an der Kurie täti­ gen intellektuellen wie dem Antiquar Flavio Biondo, bei Antonio loschi und poggio Bracciolini. letzterer hat lukians Verballhorung der skulptur auch in seinem traktat De infelicitate principum übernommen. in nahezu wörtlicher Übertragung von lukians Gallus­dialog lästerte poggio über phidias’ und Myrons Kolossalstatuen. er tat dies inso­ fern, als er deren sakrosanktes Äußeres mit dem genagelten, von Mäusen und ratten angenagten Gerüst im innern konterkarierte.365 1434 hatte sich im Gefolge des aus rom geflohenen papstes auch Alberti in Florenz eingefunden. er verfasste De pictura, etwa zeitgleich zu lapos De somnio. trotz Albertis ausgeprägter Vorliebe für lukian, trotz seiner extensiven huldigung an lukians Calumnia in De pictura enthält Albertis Malerei­ traktat keinen erkennbaren reflex auf den Traum. da nach Graftons erkenntnis lapos Übersetzung der Thales­Biografie von diogenes laertius einen solch massiven eindruck auf Alberti machte, dass sie sowohl strukturell als auch inhaltlich seiner Autobiografie den weg wies, ist es unwahrscheinlich, dass ihm zum Zeitpunkt der Abfassung seines Malereitraktates eine Abschrift von De somnio vorlag.366 Anders verhält es sich wenig spä­ ter, in den Intercoenales. ist es bei lapo die ›Disciplina‹, die dem ruhmesanwärter ein Zusammenleben »mit den Besten« im Jenseits verheißt, an der seite von demosthenes und sokrates, so freut sich Virtus bei Alberti über ihre Zusammenkunft mit alten Freun­ den in elysischen Gefilden, mit sokrates, demosthenes, polyklet und praxiteles.367 erstaunlicherweise konzediert Alberti den beiden Virtuosen der Bildhauerei nun den gleichen rang wie den Geistesgrößen. diese strategie zur nobilitierung der Bildhauer­ kunst bewährte sich durch das Quattrocento hindurch. Mitunter beeinflusst durch das negativbild der ›Skulptur‹ im Traum, zielten diese nobilitierungsversuche auf eine wie auch immer gelagerte Angliederung der ›Ars statuaria‹ an die ›Disciplina‹. was Gaurico in De sculptura zur Begründung des wertes der Bildhauerei vollbrachte, bot sich an: er kolportierte das Gerücht von der identischen, wenn nicht höheren Achtung der »optimi sculptores« gegenüber den »optimi scriptores«, die zu allen Zeiten geherrscht habe. die eine Berufsgruppe operiere mit worten, die andere, die Bildhauerei, mit den Gegen­ ständen selbst (»illi quidem agunt verbis, At hi rebus […]«) – so ein ebenfalls auf lukians 365 poggio Bracciolini, De infelicitate principum, 68, s. 43f.: »Mei vero miserebar, qui essem similis mag­ nis illis colossis, quos phidias aut Miron sculpserat. hi enim iovem aut neptunum ex auro vel ebore sculpunt, fulmen aut tridentem in manibus tenentes. At si quis introspexerit, videbit informe corpus, vectibus ferreis, clavis, cuneis et luto piceo compactum, in quibus mures et mustele diversorium habent.« Vgl. lukian, Gallus, 24. 366 nach Grafton, [2000] 2002, s. 39f. stellte sich Alberti zum Beispiel wie thales als Autodidakt dar. 367 lukian, Traum, 12; vgl. Alberti, Intercoenales, ›Virtus‹ (Alberti, Opere indite, s. 133): »Aderam sane ornata apud elysios campos inter veteres illos amicos, platonem scilicet, socratem, demosthenem […], polycletum, praxitelem et huiusmodi viros doctos et peritos qui me dum vitam agebant piissime atque religiosissime coluere.«

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Traum rekurrierender Gedanke.368 der florentinische Buchhändler Vespasiano da Bis­ ticci feierte lapo da castiglionchio mit recht als wegbereiter der lukian­rezeption, dessen wirkung noch zu seiner eigenen Zeit zu spüren sei.369 leonardos paragone mar­ kiert ohne Zweifel den höhepunkt der Somnium­rezeption. es bleibt jedoch unklar, auf welche textversion er Zugriff hatte. das negativbild der lukianischen ›Skulptur‹ bestimmte maßgeblich die Bewertung der Bildhauerkunst in der Parte prima. seit dem cinquecento prägte lukians Ausformung der ›Ars statuaria‹ zudem die populären per­ sonifikationen der Skulptur.370 noch 1540 begegnet unter verändertem Vorzeichen ein nachhall von ihr in Form der karikaturesken Züge des Metallgießers in De la pirotechnia. was tut Biringuccio in diesem traktat? er kreidet dem edelmann kühn die Unfä­ higkeit zur Bewältigung von schweren Gussarbeiten an – vermutlich ein drastischer einzelfall. er zehrte jedoch von der zeittypischen Aufwertung der Bildhauerkunst.371

2.4. Ficinos Icastes und die sophistischen Künste eine der Auslegungen antiker Quellenschriften, die eine grundlegende wirkung auf den paragone­disput zeitigte, war eine pionierleistung des philosophen Marsilio Ficino: die erste lateinische Übersetzung von platons dialog Sophistes, womit nicht gesagt werden soll, dass der griechische Originaltext nicht seinerseits beträchtlich das selbstverständnis der Maler bestimmte. Keine eloge auf einen, im übertragenen sinne, ›Künstler‹ stand so sehr pate für die Universalität des Malers im paragone wie die Gabe des trickreichen sophisten, »durch eine Kunst alles zu machen« (234b).372 Ficinos platon­Übersetzung 368 Gaurico, De sculptura, cap. 1, s. 43: »[…] Quei vis optimi scriptores fuisse inveniantur, quam optimi sculptores.« der Gedanke ist impliziert in lukian, Traum, 8 (lukian, Hauptwerke, s. 11): »du wirst […] deinen ruhm nicht bloßen wörtern verdanken.« der gleiche Gedanke in leonardo, Libro di pittura, i, 2 mit Bezug auf die Malerei. 369 Vespasiano da Bisticci, Vite, Bd. i, s. 582: »compose et tradusse di molte opere, et di luciano et di plutarco et d’altri. Fu atissimo a questo exercicio, et aquistonne assai fama per tutto dove andarono l’opere sua, et ancora oggi dura.« 370 siehe s. v. »scoltura«, in: ripa, Iconologia, s. 445f.: »Giovane […] della testa semplice, & negligente […] tenghi varij istromenti necessarij per l’essercitio di quest’arte«; dazu hessler, 2002, s. 94ff. 371 Biringuccio, De la pirotechnia, Vi, fols. 75r–75v skizziert ein vertrautes profil: von einer beschwer­ lichen, schweißtreibenden Arbeit, die mit zahllosen Unannehmlichkeiten verbunden ist; den Gießer kennzeichnen eine gewisse rohheit, die Armut, das Aussehen eines rußigen schmutzigen schorn­ steinfegers, der von Kohlestaub bedeckt ist, die Kleidung halb verbrannt, die hände schmutzig; ›Fanatiker‹ würden sie genannt werden und als narren verächtet sein. 372 Zum Gegenstandsbereich des sophisten in platons Sophistes, 233dff. gehören in Anbetracht des rekla­ mierten Universalitätsanspruches alle tiere, pflanzen, das Meer, die erde, der himmel und die Göt­ ter. deshalb erfolgt in 233b die definition der sophistik als »die reichhaltigste Gattung«. es besteht eine verblüffende Analogie zu den amplifizierenden darlegungen der universalità der Malkunst im paragone; Universalität gilt bereits in philostratos’ Imagines, 294 als Qualität der Malerei, auch in

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mit dem titel Icastes entstand in den sechziger Jahren des Quattrocento. Obgleich Frag­ ment geblieben, ging sie 1496 in Florenz als teil von Ficinos Commentaria in Platonem in druck.373 Ausgerichtet auf die Kunst der Überredung, empfahl platons Sophistes den Vergleich als wichtiges Verfahren (218b5) – in Ficinos diktion die comparatio. Ficino definierte den sophisten – in seiner Übernahme der sechs definitionen platons – unter anderem als »artifex« in streitfragen in der Kunst des Gegensätzlichen (224e6), der durch läuterung (»purgatio«) das schlechte vom Guten scheide (226a6). Ficinos eigenständige Praefatio rückte den sophisten als nachahmer von trugbildern (»idolorum fictor«) in die nähe der figurativen Künste. dann folgt – in seiner Übersetzung von 244d3 – eine bemerkenswerte Abweichung von der Vorlage. Ficino gesellte zu dem von platon ange­ stellten Vergleich zwischen der täuschungskraft des sophisten und der des Malers den Bildhauer hinzu, als es heißt: »der sophist ist eine Art Gaukler und nachahmer, der in seinen reden bestimmte falsche Bilder von allem wahren schafft. so täuscht er die Ohren der Unerfahrenen fast so, wie der perfekte Maler und Bildhauer von weitem die Augen von Knaben täuscht, wenn er gewisse lebewesen nachahmt; erfahrene aber, wie solche, die aus der nähe betrachten, entdecken die täuschungen von beiden.« 374 Maler und Bildhauer operieren also gleichermaßen mit trugbildern. die durchschlags­ kraft des täuschungseffektes, wie er sich aus der Ferne einstellt, dem sich weder tiere, Kinder noch Unerfahrene entziehen können – Kris und Kurz nannten die Mimesis des­ halb »laien­ oder eindrucksästhetik« –, diese Art der Fiktion entwickelt sich in kunst­ theoretischen schriften der renaissance zu einem der populärsten Gemeinplätze, ja zum Gradmesser der künstlerischen perfektion. Je nach Gattungszugehörigkeit werden die Boccaccios Decamerone, 6, 5; zur universalità im paragone Mendelsohn, 1982, s. 119–122; zur Vor­ stellung des Gemäldes als Mikrokosmos Frank Fehrenbach, »leonardo da Vinci: ›Mikrokosmos‹ und ›Zweite natur‹. Krise einer naturphilosophischen Analogie«, in: NaturStücke, hrsg. v. hans werner ingensiep, Ostfildern, 1996, s. 42–68. 373 Commentaria in Platonem, Florenz, 1496, fols. 53r–59r und Ficino, Icastes, s. 217–277. der Anhalts­ punkt für die datierung ist Ficinos Bericht an Michele Mercati vom 1. April 1466, dass er bereits dreiundzwanzig platon­dialoge übersetzt habe; s. Michael J. B. Allen, Icastes. Marsilio Ficino’s Interpretation of Plato’s ›Sophist‹, Berkeley, Oxford und los Angeles, 1989, s. 16. näheres in hankins, 1990, Bd. i, s. 320ff. pier candido decembrios Behauptung, er stehe unmittelbar vor der Fertigstel­ lung eines Libellus de sophista ist laut hankins (ebenda, Bd. ii, s. 415–417) nicht auf platons Sophistes zu beziehen; viel wahrscheinlicher sei der Bezug auf ein werk des pietro parleone aus rimini. Ficinos Icastes fand in chastels wichtigem Buch über Ficinos Ästhetik keine Beachtung; es erörtert aber Fici­ nos Auffassung von Mimesis; s. André chastel, Marsile Ficin et l’art, Genf und lille, 1954, s. 65f. 374 Ficino, Icastes, cap. 14, s. 227: »sophista est praestigiator quidam et imitator, qui omnium verorum fallaces imagines quasdam sermonibus fingens ita ferme decepit imperitorum aures, sicut pictor aut sculptor summus animalia quaedam imitans eminus fallit oculos puerorum; periti vero, tanquam comminus inspicientes, fallacias utriusque deprehendunt.«

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Kunstwerke, in denen die Absicht der sinnestäuschung aufscheint, im paragone aus­ gewertet, wie üblich, in der positiven wie auch in der negativen spielweise.375 was Ficino unterstellt, dass der erfahrene, nicht naive Mensch gegen die täuschung gewappnet sei, kommt nicht an den platonischen Vorbehalten gegenüber den Bildkünsten vorbei, denen sich Ficino gerne überließ, wie die studien von chastel, tirinnanzi und Oehlig ein­ drucksvoll belegen.376 Man mag in Ficinos fehlender differenzierung zwischen der Malerei und der skulp­ tur im hinblick auf den paragone historisch ein retardierendes Moment erkennen, ver­ gleichbar mit lorenzo Vallas verwässernder subsumierung der beiden Bildkünste unter dem stichwort »Fingo, et effingo«.377 Aber diese sichweise darf den folgenreichen impuls 375 Vgl. Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 89. die Malerei als täuschung der Unwissenden auch in Boccaccio, Decamerone, 6, 5. deutliche Anklänge an platos Sophistes in Bocchi, Discorso sopra l’eccellenza dell’opere d’Andrea del Sarto, s. 128: »[…] si legge essersi trovata qualche pittura che così perfettamen­ te era stata fatta che i sensi humani o di animali non ragionevole da quella erano stati ingannati […]«. – im Folgenden seien einige Beispiele aus der Anekdotik der Verwechslung von sein und schein durch tiere genannt, zunächst auf die Malerei bezogen: ein hund wedelt mit dem schwanz, als er das porträtgemälde seiner herrin sieht (AP, iX, nr. 604), Vögel fliegen auf die von Zeuxis gemalten weintrauben zu (plinius, NH, XXXV, 65), Apelles malt ein pferd, das von anderen pferden angewie­ hert wird (ebenda, 95), ein hund hält das porträt seines herrn für diesen selbst (leonardo da Vinci, Libro di pittura, i, 14). – dem stehen v. a. folgende Beispiele aus der Bildhauerei gegenüber: daidalos’ Fertigung der hölzernen Kuh pasiphae, die von einem stier besprungen wird (philostratos, Imagines, i, 16; vgl. AP, iX, nr. 730 über Myrons Kuh), Myrons Kuh will zu ihrer herde zurück oder Myron sucht das Kuh­standbild unter Kühen, kann es aber schwerlich finden (AP, iX, nr. 713, nr. 725); ein Kälbchen wedelt beim Anblick von Myrons Kuh (AP, nr. 733); der Bildhauer pasiles schuf einen löwen in erhabener Arbeit, der einen panther in die Flucht treibt (plinius, NH, XXXVi, 40); der Anblick von phidias’ Zeus würde tiere aus der Fassung bringen; stiere zum freiwilligen Opferdienst anhalten; s. dion von prusa, Olympische Rede, 51, s. 83. 376 siehe – mit vielen Bezügen zur Musik – Ute Oehlig, Die platonische Begründung der Kunst bei Ficino (Beiträge zur Altertumskunde 23), stuttgart, 1992, s. 39ff., s. 51ff. und nicoletta tirinnanzi, Umbra naturae. L’ immaginazione da Ficino a Bruno, rom, 2000. in platons Phaidros, 275d, Bd. iV, s. 56 heißt es, die Malerei stelle »ihre Ausgeburten hin als lebend«, obgleich sie schweigen; platons position besprochen in christopher Janaway, Images of Excellence. Plato’s Critique of the Arts, Oxford, 1995, s. 106ff. – Abfällige Äußerungen über die täuschende Malerei waren im Quattrocento keine selten­ heit: »dichter­ und Malermärchen« – dieses geflügelte wort ciceros besaß bei lorenzo Valla, De voluptate, ii, 30, 2, s. 234 noch denselben despektierlichen ton wie in den Tusculanae disputationes; vgl. cicero, Tusculanae disputationes, i, 11, s. 16: »aut quid negotii est haec poetarum et pictorum portenta convincere?« der Gedanke, dass der Kundige sein und schein in der Kunst nicht verwech­ selt, auch im Brief von Manuel chrysoloras an demetrius chrysoloras; s. Baxandall, 1971, s. 82. 377 Valla, Elegantiae linguae latinae, V, cap. 43, in: Valla, Opera omnia, s. 178, s. v.: »›Fingo, et effingo‹: »Unde ductum est nomen effigies, figura ad vivam alterius similitudinem, vel ad veritatis imaginem facta, tam in picturis, quam in sculpturis« (›ich forme‹ und ›ich bilde nach‹: davon ist das wort ›Abbild‹ abgeleitet, was eine Gestalt ist, die nach der lebendigen Ähnlichkeit von etwas oder von einem ande­ ren gemacht ist, oder nach einem Bild der wahrheit, sowohl in Gemälden als auch in skulpturen).

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für paragone­diskussionen nicht vergessen machen. so sehr sich Ficinos Augenmerk neben der Malerei gleichermaßen auf die täuschungskraft der skulptur richtete (symp­ tomatisch ist auch seine Begeisterung für einen schöpfer mechanisch beweglicher tiere in der Theologia Platonica),378 sein einbezug der skulptur im Icastes hieß, wasser in das Feuer von Mimesis­Vergleichen zwischen den beiden figurativen Künsten zu gießen. sie bedeutete ferner, den im Opus Platonicum sehr häufigen Konfrontationen der Malerei mit der skulptur eine weitere anzureihen.379 Zündstoff für den paragone bereitete Ficinos Icastes um so mehr, als er zur popularisierung einer von platon getroffenen Unterschei­ dung zwischen zwei nachahmungsarten beitrug: der »trugbildnerischen« und der (wegen der Messbarkeit nach länge, Breite und tiefe) »ebenbildnerisch« genannten nach­ ahmung (Sophistes, 235aff.). noch Gregorio comanini wiederholt diese distinktion 1591 unter rekurs auf Ficinos Icastes in seinem stark gegenreformatorisch gefärbten Kunst­ traktat Il Figino und spricht von der ikastischen, das hieße, der täuschend echten, an der wirklichkeit orientierten Kunst und derjenigen Kunst, die nur phantasmata, schatten­ bilder und erscheinungen (»apparentia«), produziere. während die phantasmata von Ficino dem sophisten und, wie eingangs zitiert, dem Maler und Bildhauer unterstellt werden, erfolgt an anderer stelle (235a10), durchaus widersprüchlich, der Vergleich der ikastischen Kunst mit den schöpfungen des Malers.380 erkennbar stimulierte jede dieser 378 es handelt sich um die von Archytas gefertigten beweglichen hölzernen tauben; s. Ficino, Theologia Platonica, Xiii, cap. 3, in: Ficino, Opera, Bd. i/1, s. 295: »Archytas tarentinus columbam e ligno mathematica disciplina fecit, libravit, inflavit spiritu adeo ut volaret«. der Vergleich mit der Bildhaue­ rei und der Kunst des töpfers in ebenda, Xi, V, Bd. i/1, s. 257: »duo sunt artium genera. Aliae sunt quarum materia circa quam versantur nullum habet in se principium operis effectivum, sicut lutum aut saxum ita subesse videntur figulo et sculptori ut manum dumtaxat expectent artificis, ipsa vero suapte natura nihil momenti habeant ad opus efficiendum.« (es gibt zwei Arten der Künste. die einen wenden sich einer Materie zu, die in sich kein produktives prinzip des werkes enthält. so scheinen die tonerde und der stein derart dem töpfer oder Bildhauer zu unterliegen, dass sie bloß auf die hand des Künstlers warten, aber sie haben durch ihre eigene natur wirklich keinen einfluss auf die durch­ führung des werkes). 379 Zum Urteil über gute Malerei (z. B. eines polygnot) oder skulptur (z. B. von daidalos) platon, Ion, 532e–533b; Malerei und skulptur als schweigend zu verrichtende Künste in Gorgias, 450c; indirekt sind die figurativen Künste auch tangiert im Menon, 74bff., wo Gestalt als das runde im Gegensatz zur Farbe definiert wird; die ergötzung als gemeinsames Ziel von Malerei und Bildhauerei in platon, Hippias, 298a; über das konsultierte Urteil eines polyklet oder phidias Protagoras, 311cd; beider schönheit in Nomoi, 656e, 6683ff. 380 Ficino, Icastes, cap. 15, s. 229: »duae sunt imitationis species. Altera quidem rem veram spectans atque hanc ipsam velut exemplar sibi proponens similitudines efficit, ut pictor atque similes.« Vgl. comaninis Il Figino, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. iii, s. 256: »e l’imitazione sappiamo essere di due sorti: una chiamata da lui nel sofista rassomigliatrice overo icastica, e l’altra pur dal medesimo e nell’istesso dialogo detta fantastica. la prima è quella che imita le cose le quali sono, la seconda è quella che finge cose non esistenti; e di questa sì come di quella dice essere il proprio oggetto l’idolo, che simolacro è stato detto da Marsilio Ficino nella sua traslazione.«

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graduellen Unterscheidungen zwischen den mimetischen täuschungskräften den para­ gone, wie er in Benedetto Varchis Due Lezzioni resümiert ist: die Malerei sei im Gegen­ satz zur mehr wahren (sc. dreidimensionalen) skulptur »sofistica«, das heißt für Varchi eine trügerische, im schein verhaftete Kunst, so, als würde man Figuren im spiegel erblicken.381 Varchis spiegel­Vergleich rekurrierte möglicherweise auf den Icastes. spie­ gelbilder, sie sind für Ficino eine artifizielle Blickerweiterung a tergo, verknüpft er mit dem für die paragone­diskussionen so wichtigen Motiv der simultaneität: »Jedes dieser lichter erzeugt, wenn es eine spiegeloberfläche trifft, dort ein Bild. […] denn, abgesehen davon, dass du gewöhnlich mit geradem Blick den spiegel und das [bzw. dein] Bild simultan siehst, nimmst du auch simultan die dinge hinter deinem rücken wahr, wenn der [dein] sehstrahl nämlich direkt vom spiegel reflektiert wor­ den ist«.382 noch die erste gedruckte abendländische Monografie über die imagination, pico della Mirandolas De imaginatione von 1501, erinnert an platon als den Urheber der Benennung von phantasiebildern als »Malerei«.383 seit der Antike kursierten positive Auslegungen des topos von der scheinhaften, den Augentrug des Betrachters hervorrufenden Malerei. sie fanden in immer neuen Varianten ihr echo im paragone, bevorzugt in Gestalt von Künstleranekdoten. Bezeichnenderweise handelt das meistzitierte exemplum dieser Art von einem wettstreit unter Malern (Zeuxis und parrhasios) über die höchste täuschungs­ kraft ihrer Kunst, und dieser wettstreit involviert auch tiere. Aber, wie latent im Sophis-

381 Varchi, Due Lezzioni, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 41: »poi soggiungono che la pittura è, come noi diremmo, sofistica, cioè apparente e non vera, non altramente quasi che si veggono le figure negli specchi; conciossa che quelle cose che appariscono nella pittura, non vi sono in verità, il che non avviene nella scultura.« die Koppelung der Malerei an die täuschung und den schein hat eine lange tradition (v. a. Augustinus, Soliloquia, ii, 10, 4); zur rezeption dieser Quellen im cinquecento Anne­Marie lecoq, »›Finxit‹. le peintre comme ›fictor‹ au XVie siècle«, in: Bibliotèque d’Humanisme et Renaissance, 37, 1975, s. 225–243. 382 Ficino, Icastes, 265e8, s. 273: »Utrumque lumen in corpus speculare concurrens imaginem ibi con­ ficit. […] praeter enim id quod more consueto speculum recto quodam ictu et simul imaginem con­ tueris, prospicis simul quae a tergo tibi sunt, visuali videlicet radio ex speculo protinus repercusso.« Zur Ansicht a tergo bei skulpturen hinz, 1998, s. 35ff. 383 pico della Mirandola, De imaginatione, i, s. 50 (Üs: ed. Keßler): »ea ipsa a platone quandoque pic­ tura appellata est, idque propterea crediderim, quod in eius sensorio pingantur rerum species, affor­ menturque effigies variae proque voto fabricentur, non secus ac varias difformesque rerum formas pictores delineent.« (platon nannte sie mitunter ›Malerei‹, ich glaube deshalb, weil die Abbilder der äußeren dinge in ihr gleichsam gemalt und ihre verschiedenen erscheinungen geformt und nach wunsch gestaltet werden, genau so wie auch die Maler, die verschiedene, voneinander abweichende Formen der dinge abmalen). irrelevant in diesem Kontext die Monografie von Gasparino Barzizza, De imitatione (BM, Ms. Xi. 34 ss 4354); s. Baxandall, 1971, s. 34f.

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tes/Icastes, steht die Befähigung zur täuschung eines Kundigen in höherer Geltung.384 Malerei­definitionen ebenso wie Künstleranekdoten und elogen385 huldigen der verblüf­ fend echten plastizität. Unter diesen mögen einige paradebeispiele dieses stereotyps genü­ gen: Vitruvs definition der Malerei als nachbildung nicht nur dessen, was ist, sondern des potenziell Möglichen,386 die des Boccaccio als die Kunst, die »von sich glauben macht, dass sie etwas sei, was sie nicht ist«; das Bestreben der Malerei laut cennini ist, »das, was nicht ist, so zu zeigen, [als ob es] sei«; Bernardo Bellincionis tribut an den topos von der natur als Malerin lautet: »so hat die natur oft mit dem pinsel das Auge getäuscht bis du dich nicht [mehr] vergewisserst«; und leonardos Begründung für den exzellenten leumund der Malerei lautet: dass sie dasjenige erhaben wirken lasse, »was kein relief besitzt«.387 in all dem schwingt der Grundtenor von platons Malerei­definition im Sophistes mit. Keinem jedoch gelang eine größere Affinität zu dieser Bestimmung wie dem urbinatischen chronisten Giovanni santi. Übereinstimmend mit dem Sophistes und Icastes würdigt santi unter einbeziehung von Fernwirkungen den Augentrug der Malerei: »Aber versuchen will die Malerei in allem, was sie tut, das Auge zu täuschen, und was da plan ist, dem sinn erhaben zu zeigen, und was die natur von Ferne oder aus der nähe mit klarem stil zeigt, nachzuahmen und dem Menschenblick darzubieten«388

384 Vgl. plinius, NH, XXXV, 65; eine Zusammenfassung mit weiterführender literatur in Wettstreit der Künste, 2002, s. 206ff., irle, 1997, s. 8, passim und constanze peres, »nachahmung der natur. her­ kunft und implikationen eines topos«, in: Die Trauben des Zeuxis. Formen künstlerischer Wirklichkeitsaneignung, hrsg. v. hans Körner et alt., hildesheim, Zürich und new York, 1990, s. 1–39; vgl. die täuschend echt gemalten trauben in AP, iX, nr. 761; die Quellen zum wettstreit zwischen Zeuxis und parrhasios bis zum ende des Quattrocento (s. App. ii/e, nr. 1–20). 385 dem Maler nikias wird die Gabe zugeschrieben, mit licht­ und schattenwirkungen anzustreben, »daß die Bilder plastisch wirken«; vgl. plinius, NH, XXXV, 131, s. 94–96: »lumen et umbras custodi­ it atque, ut emineret e tabulis picturae, maxime curavit.« 386 Vitruv, De architectura, Vii, cap. 5, 172, s. 332: »namque pictura imago fit eius, quod est seu potest esse […].« 387 Boccaccio, Esposizioni sopra la Commedia, Bd. Vi, s. 554: »[…] facendo di sé credere che ella sia quello che ella non è […]«; cennini, Libro dell’arte, cap. 1, s. 4: »[…] si chiama dipignere […] dimostrare quello che non è, sia«; Bellincioni, Le rime, Bd. ii, s. 38: »così natura spesso col penello / l’occhio ha ingannato in sin che non ti accerti«; leonardo, Libro di pittura, ii, 59, s. 174: »[…] che la pittura è tenuta arte eccellente, cioè del fare rilevare quel ch’è nullo in rilievo; […]«. lecoq, 1975, s. 225–243. – eine Abhängigkeit von cenninis Malerei­definition von philostratos’ (Das Leben des Apollonios von Tyana, 6, 19) definition der phantasie, die dinge darstelle, die sie nicht sehe) sieht christiane Kruse, »Fleisch werden – Fleisch malen. Malerei als ›incarnazione‹. Mediale Verfahren des Bildwerdens im ›libro dell’Arte‹ von cennino cennini«, in: ZfK, 63, 2000, s. 305–325, s. 311. 388 santi, La vita, Xii, cap. 91, vv. 348–354, Bd. ii, s. 673.

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Ob santi Zugriff auf die frühe Abschrift des Icastes in der herzöglichen Bibliothek von Urbino hatte, muss offen bleiben.389 seit dem Icastes jedenfalls schien für die figurativen Künste erst recht zu gelten, was Alain de lille im Anticlaudianus einst der Malerei und der logik nachsagte: »so begehret ein jedes von beiden das wahre als Falsches«. im Anticlaudianus erwuchs aus dieser Gemeinsamkeit ein rangstreit, wobei die Malerei über die sophismen der logik triumphiert.390

2.5. die editio princeps von Apuleius’ Apologia (1469): der spiegel im wettstreit mit den defizitären Künsten der epideiktische charakter der paragone­diskussionen brachte im Gleichzug mit den Vorzügen der Künste defizitäres an ihnen zum Vorschein. indirekt lautete die Frage im paragone auch: woran mangelt es der jeweiligen Kunstgattung? eine der wegweisenden Quellen, die das herauskristallisieren augenfälliger Mängel der figurativen Künste zu einem thema erkor, war eine forensische rede des späten Altertums. sie genoss im Quattrocento hohe Verbreitung. die editio princeps – sie ging 1469 in rom in druck – hatte der vormalige sekretär des nikolaus cusanus besorgt, zudem ein enger Freund des leon Battista Alberti, Giovanni Andrea de’ Bussi. es ist die Apologia oder auch Pro se de magia genannte prozessrede des platonikers und sophisten Apuleius – die wahrschein­ lichste textgrundlage, aufgrund derer sicco polentone dem Apuleius in der ersten lite­ raturgeschichte der lateinischsprachig­antiken dichter Kühnheit attestiert.391 petrarca besaß ein reich adnotiertes Manuskript dieser rede.392 Apuleius, dessen Affinität zu den 389 es handelt sich um das Ms. Vat. lat. 1317, fols. 175–197 mit dem titel »sophista vel de ente«; dazu cosimo stornajolo, Codices Urbinates Latini Bibliothecae Vaticanae, 3 Bde., rom, 1902–1921, Bd. iii, s. 269. 390 Alain de lille, Anticlaudianus, i, 4, vv. 126–130 (PL, Bd. ccX, sp. 491): »sic logicae vires artis subtiliter hujus [von der Malerei] Argumenta premunt, logicaeque sophismata vincunt. haec probat, ista facit: haec disputat, impetrat ista Omne quod esse potest. sic utraque vera videri Falsa cupit, sed ad haec pictura fidelius instat.« 130 (Und bedrängt die Kraft dieser Kunst [der Malerei] mit feiner Methode / die Argumente der logik, und siegt über deren sophismen. / diese beweist, doch handelt das Bild; wenn die logik bestreitet, / setzet das Bild alles durch, wozu nur das sein sonst die Macht hat. / so begehret ein jedes von beiden, das wahre als Falsches / sich erweisen zu lassen. doch kämpfet das Bild hier getreuer; nach der Üs: wilhelm rath). 391 polentone, Liber scriptorum illustrium, i, s. 23: »Apulleio, antiquo sane ac perito viro«; über Apuleius ferner ebenda, XViii, s. 505. 392 die publikation der Apologia erfolgte 1469 zusammen mit anderen werken des Apuleius in der Offi­ zin von Konrad sweynheym und Adolf pannartz. – petrarcas Manuskript ist das Ms. Vat. lat. 2193, fols. 27r–40v; s. caterina tristano, »le postille del petrarca nel Vaticano lat. 2193 (Apuleio, Frontino,

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bildenden Künsten auch durch die nachricht bezeugt ist, ihm sei eine statue dank einer brillanten rede errichtet worden, beschäftigte sich in der Apologia, seiner Verteidigungs­ rede gegen die Anklage der Zauberei, mit den bildenden Künsten. es galt, sich gegen einen der obskuren Anklagepunkte zur wehr zu setzen: den Besitz des spiegels; denn dieser besaß das Odium des Magischen wie des dämonischen. petrarcas resümee dieses teiles der Apologia lautet: »Opiniones phylosophorum super representatione ymaginum in speculo.«393 Ausgehend von rein pragmatischen erwägungen – der nützlichkeit des spiegels nämlich, der, stets griffbereit, überall die schau des eigenen Abbildes (»imagi­ nem suam«) gewähre –, bietet Apuleius findige Argumente für die Überlegenheit des spiegels gegenüber der Bildniskunst. Zweifellos ist hier ein nachhall der ontologischen Vorbehalte platons gegenüber der Mimesis aus der Politeia im spiel.394 die Kriterien der Argumentation von Apuleius ähneln denjenigen im paragone. so rügt Apuleius die lebensferne statik der Kunstdenkmäler der Mal­ wie der Bildhauerkunst, er lobt statt­ dessen den transportablen spiegel mit all seinen Bildern, die nicht an einem einzigen Ort verankert seien. Bewunderung gebühre allein den mimetisch perfekten spiegelbildern, falls nicht prinzipiell vom Vorrang der Kunstfertigkeit gegenüber den darbringungen der natur auszugehen sei. spiegelbilder besitzen für Apuleius, nach der unausgesproche­ nen Geltung der Formel ars imitatur naturam, die größere leichtigkeit (»facilitas«) und Ähnlichkeit (»similitudo«); zur geringeren Ähnlichkeit künstlerisch gestalteter Bildnisse gesellt sich die langwierigkeit ihrer herstellung. diese ex negativo gewonnene charakteri­

Vegezio, palladio)«, in: IMU, 17, 1974, s. 365–468, bes. s. 413ff.; der Kardinal Bessarion besaß eine Abschrift aus dem 14. Jahrhundert (BnM, Ms. lat. 469 ss 1856, fols. 99–142v); dazu Bessarione e l’umanesimo, 1994, s. 498–499, nr. 110; zur rezeptionsgeschichte der Apologia raymond Klibansky und Frank regen, Die Handschriften der philosophischen Werke des Apuleius. Ein Beitrag zur Überlieferungsgeschichte (Abhandlungen der Akademie der wissenschaften in Göttingen 204), Göttingen, 1993, s. 29ff., s. 52ff.; weitere editionen der werke von Apuleius erschienen 1488 in Vicenza und 1493 in Venedig. 393 Apuleius, Apologia, cap. 13, 4 – 16, s. 36–41. der Abdruck der für den paragone relevanten textpassage aus der Apologia im App. i/c. – die information zur Apuleius­statue gibt Augustinus, Epistolae, 138, 19. petrarcas notiz in tristano, 1974, s. 415. – eine zweite Anschuldigung gegen Apuleius rückt die bildende Kunst im Zentrum: die wegen des Besitzes eines gespenstigen, von ihm als »König« ange­ sprochenen holzbildes aus ebenholz; es entpuppt sich als harmlose Merkurstatuette. dieser Abschnitt enthält bedeutende erörterungen zur Materialikonografie des holzes; s. Apuleius, Apologia, cap. 61–65. 394 das Beispiel des wendigen spiegels ist vorgegeben bei platon, Politeia, 595d–e, Bd. iii, s. 289 (Üs: schleiermacher): »Am schnellsten aber wirst du wohl, wenn du nur einen spiegel nehmen und den überall umhertragen willst, bald die sonne machen und was am himmel ist, bald die erde, bald auch dich selbst und die übrigen lebendigen wesen und Geräte und Gewächse, und alles, wovon soeben die rede war.« die Vorbehalte gegenüber dem Gemalten in platon, Kritias, 107c–d. Zur Mimesis hans Blumenberg, »›nachahmung der natur‹. Zur Vorgeschichte der idee des schöpferischen Menschen«, in: Studium Generale, 10, 1957, s. 266–283, s. 270ff.

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sierung der beiden figurativen Künste bestimmt bei Apuleius auch die Unterscheidung zwischen Malerei und skulptur. sie liest sich wie eine Zusammenfassung des paragone: »[…] dem ton fehlt die Frische, dem stein die Farbe, dem Gemälde das plastische und allen Materialien die Bewegung, die doch die Ähnlichkeit besonders treu wie­ dergibt, während man im spiegel das Bild wundersam wiederholt sieht, nicht nur ähnlich, sondern auch beweglich und jedem wink des dargestellten Menschen ange­ paßt; es entspricht auch immer der Altersstufe des Betrachtenden vom Beginn der Kindheit bis zum Ausgang des Greisenalters, es kann so vielfachen wechsel des Alters mitmachen, nimmt teil an so verschiedenen haltungen des Körpers, ahmt so vielfachen Gesichtsausdruck desselben Menschen nach, ob er nun Freude, ob er schmerz empfindet.«395 stets aufs neue ist es die jeder äußeren Veränderung sofort rechnung tragende Flexibi­ lität des spiegelbildes, mit der ein skulpiertes oder gemaltes Konterfei nicht schritthalten kann. Verglichen mit dieser chamäleonartigen eigentümlichkeit des spiegels, dessen Bilder in actu entstehen, wirkt die endgültigkeit des einmal geschaffenen künstlerischen porträts makelhaft: »dagegen, was aus ton geformt, in erz gegossen, in stein gehauen, in wachs ge­ brannt, mit Farbstoff aufgetragen oder sonst durch irgendeine menschliche Kunst ähnlich gemacht ist, das wird in einer geringen Zeitspanne unähnlich und besitzt wie ein leichnam nur einen einzigen, unbeweglichen Gesichtsausdruck. so sehr übertrifft, was die wiedergabe der Ähnlichkeit angeht, die kunstvolle Glätte und der schöpferische Glanz des spiegels alle bildenden Künste.«396 die reflexionen des Apuleius über den spiegel blieben in der frühneuzeitlichen Kunst­ theorie nicht ohne echo. Fern von einer platten tradierung der Apuleischen Gedanken münzte leonardo im Libro di pittura das beklagte defizit der Malerei in das postulat ihrer spiegelgleichheit um, wobei der Geist des Malers dem spiegel ähneln müsse, des­ 395 Apuleius, Apologia, cap. 14, 5–6, s. 38/39 (Üs: rudolf helm): »[…] deest enim luto vigor et saxo color et picturae rigor et motus omnibus, qui praecipua fide similitudinem repraesentat, cum in eo visitetur imago mire relata, ut similis, ita mobilis et ad omnem nutum hominis sui morigera; (6) eadem semper contemplantibus aequaeva est ab ineunte pueritia ad obeuntem senectam, tot aetatis vices induit, tam varias habitudines corporis participat, tot vultus eiusdem laetantis vel dolentis imi­ tatur.« 396 ebenda, cap. 14, 7–8, s. 38/39: »enimvero quod luto fictum vel aere infusum vel lapide incus[s]um vel cera inustum vel pigmento illitum vel alio quopiam humano artificio adsimulatum est, non multa intercapedine temporis dissimile redditur et ritu cadaveris unum vultum et immobilem possidet. tan­ tum praestat imaginis artibus ad similitudinem referundam levitas illa speculi fabra et splendor opi­ fex.« – der Unterschied zwischen dem Gemälde als geschaffenem Abbild und dem spiegelbild als natürlichen Abbild auch bei plotin, Enneaden, Vi, 4, 10.

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sen wandlung sich mit der Gegenstandsfarbe vollzieht. so werde die Malerei zu einer »zweiten natur«.397 die breite Farbpalette als Kriterium der optimalen Assimilierung der natur impliziert die Abwertung der skulptur. der Verdacht, dass leonardo die Apologia des Apuleius kannte, lässt sich durch einen zweiten Abschnitt erhärten, durch seine oft ziter­ te Metapher vom spiegel als ›lehrmeister‹, das heißt seine empfehlung an den Maler, einen Flachspiegel »per suo maes­ tro« heranzuziehen.398 dieser Gedanke stammt von Apulei­ us. in Anlehung an Quintilian und plutarch spricht Apulei­ us davon, wie demosthenes seine reden einst vor dem spiegel erprobt habe. Aber nur in der Apologia ist zu lesen: vor dem spiegel »wie vor einem lehrmeister« (»quasi ante magistrum«).399 diese Metapher dient leonardo zur Fundie­ rung seines Glaubens an die Analogie von Gemälde und spiegel. die spiegeloberfläche enthalte wahre und vollkom­ 16 leonardo, Mann, umgeben von mene Malerei. Beseelt vom wunsch nach einer latenten Ab­ einem achteckigen Spiegelraum, ca. 1487–1488, aus: Ms. B, paris, grenzung zur Bildhauerei, unterstreicht leonardo die Flächig­ Bibliothèque de l’institut de France, keit der Bilder auf der Mal­ und der spiegeloberfläche. deren fol. 28r eigenheit sei es, tastend nicht erschlossen werden zu kön­ nen; auch ist der Glanz (»lustro«) ein wesenszug der spiegel­ gleichen Malerei, mit dem leonardo sie von der skulptur entfernt.400 Und als wäre es eine illustration dazu, dass sich ein spiegelbild »jedem wink des dargestellten Menschen« (Apuleius) spontan fügt, posiert in leonardos Ms. B ein Mann im achteckigen spiegel­

397 leonardo, Libro di pittura, ii, 56, s. 111; vgl. ii, 58. 398 ebenda, iii, 408, s. 302: »e sopratutto lo specchio si de’pigliare per suo maestro, cioè lo specchio piano, imperó che su la sua superfizie le cose hanno similitudine co’la pittura in molte parti; […].« Zu diesem passus stoichita, 1999, s. 61–62. der spiegel als »allerbester lehrmeister« in Alberti, Momus, iii, s. 272: »sed optimum rerum magistrum, speculum […].« 399 Apuleius, Apologia, cap. 15, 8, s. 38. Vgl. Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 3, 68 und plutarch, Demosthenes, 11, 1. 400 leonardo, Libro di pittura, iii, 410, s. 303: »lO specchiO di piana superfizie contiene in sé la vera pittura in essa superfizie; e la perfetta pittura, fatta nella superfizie di qualonche materia piana, […]«; ebenda, iii, 408, s. 302: »[…] la pittura è una sola superfizie, e lo specchio è quel medesimo; la pit­ tura è impalpabile […] e lo specchio fa il simile; […]«; und ebenda, iii, 415, s. 305: »[…] perché arà lustro e fia quasi di natura di specchio; […].« Vgl. auch Albertis definition der Malerei im Kontext des narziss­Mythos als spiegelnde Oberfläche eines teichs; s. Alberti, De pictura, ii, 26, s. 236: »Quid est enim aliud pingere quam arte superficiem illam fontis amplecti?«

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III. Der Paragone in der Literatur

raum; er hält einen Gegenstand in der hand (Abb. 16).401 in Albertis Fall bedarf es keines Beweises für seine Kenntnis der Apologia. nicht nur, dass Alberti dem ›angeklag­ ten‹ Apuleius in seiner Abhandlung Profugiorum ab ærumna huldigt, sein dialog Defunctus aus den Intercoenales enthält ein Apologia­Zitat.402 Alberti hat die Verteidi­ gungsrede folglich lange vor der editio princeps gekannt; und seine enge Freundschaft mit dem herausgeber von 1469, dem in rom ansässigen Bischof von Aleria, Giovanni Andrea de’Bussi (1417–1475), spricht dafür, dass Alberti zudem einblicke in das druck­ graphische projekt in rom besaß. Genau in dieser Zeit, nach 1468, ist der Kontakt Albertis zu de’Bussi durch seine Zusendung der Abschrift von De statua an den wahl­ römer dokumentiert. dem Begleitschreiben zufolge hatte Alberti das Urteil des Bischofs bereits zu zwei seiner kunsttheoretischen traktate eingeholt, zu De pictura und den Elementae picturae. Von einem regen Meinungsaustausch zwischen den beiden Bibliophilen ist auch hinsichtlich der, wie de’Bussi sie nennt, »calumnia« des Apuleius auszugehen.403 einer der auffälligsten reminiszenzen an die Apologia in Albertis De pictura ist das Bei­ spiel des spartanischen Königs Agesilaos, der sich wegen seiner Unansehnlichkeit gegen­ über Bildniskünstlern verweigerte. entgegen den vermuteten rekursen auf plutarch oder cicero, entstammt Albertis Formulierung »eaque de re neque pingi a quoquam neque fingi voluisse« fast wörtlich der Apologia; sie zeigt eben diesen charakteristischen Verbund von gemalten und modellierten Bildnissen.404 weit wichtiger in unserem Kon­ text ist Albertis nicht selbstverständlicher Aufriss einer problematik, die sich für den Maler stellt: die Unmöglichkeit der korrekten wiedergabe eines nicht verharrenden Gegenstandes.405 Anstelle eines davon abgeleiteten spiegel­primates gegenüber den Bild­ künsten wie bei Apuleius forciert Alberti in einer seltsamen Verkehrung des sichthori­ zontes eine Konkurrenz, bei der spiegelbilder unweigerlich ins hintertreffen geraten.

401 Von 1488, paris, institut de France, Ms. B, lib. 38; leonardo da Vinci, Manuscrit de l’ Institut de France, hrsg. v. Francis Authier, Grenoble, 1960, s. 79. 402 Alberti, Profugiorum ab ærumna, Bd. ii, s. 125: »Apulegio, accusato, negava sé esser pallido per le cure amatorie, ma affermava che le fatiche degli studi lo allassavano.« Alberti zitiert aus Apuleius, Apologia, cap. 85, 8 in Alberti, Intercoenales, iV, ›defunctus‹, in: Alberti, Opera inedita, s. 189. 403 der Abdruck von Albertis Begleitschreiben zu De statua an de’ Bussi in Alberti, De statua, dok. 5, s. 368–369. – de’ Bussis widmungsbrief der Apuleius­Ausgabe an papst paul ii. s. Praefationes et epistolae editionibus principibus auctorum veterum praepositae, hrsg. v. Beriah Botfield, london, 1861, s. 68–78, s. 68. 404 Apuleius, Apologia, cap. 15, 1, s. 82: »[…] qui se neque pingi neque fingi unquam diffidens formae suae passus est«; Alberti, De pictura, ii, 25, s. 234. der Bezug auf beide Kunstgattungen begegnet auch bei plutarch, Agesilaos, 2, 2 (Üs: Konrat Ziegler); es heißt, dass Agesilaos, als er im sterben lag, verboten habe, ein »kleinplastisches oder gemaltes Bild seines leibes« zu fertigen; cicero, Epistolae ad familiares, V, 12, 7. 405 Alberti, De pictura, i, 31, s. 248: »et nosti quam sit impossibile aliquid pingendo recte imitari quod non perpetuo eandem pingendi faciem servet.«

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leichter, schreibt er, sei die nachahmung eines gemalten, im Bild fixierten Gegenstan­ des als die eines plastisch geformten oder eines gesehenen Objektes.406 Beweglichkeit trägt bei Alberti in aller deutlichkeit nun das stigma des schlecht darstellbaren. nur das Gemalte bleibt gegenüber der Forderung nach optimaler Mimesis nicht defizient. Bereits die wenigen herausgegriffenen Beispiele lassen erkennen, dass sich der spie­ gel­passus der Apologia als ein Angelpunkt für die aemulatio der figurativen Künste mit der Vielansichtigkeit der spiegelbilder erweist. die seit den Anfängen der italienischen Kunsttheorie sich abzeichnende einseitige Vereinnahmung der Qualitäten des spiegels für die Malerei sorgte im paragone jedoch für eine Akzentverlagerung – trotz Beibehal­ tung der zentralen Kategorie der Bewegung. in diesen diskussionen werden ekphrastische oder reale Gemälde, die spiegeleffekte einfangen, gegen die umschreitbare, vielansichti­ ge skulptur ins Feld geführt, wie im paradebeispiel, der vielzitierten ›paragone­episode‹ um ein Gemälde von Giorgione, mit dem er, nach einer Behauptung von Vasari, Ver­ rocchios Colleoni auszustechen trachtete. dies kann jedoch schwerlich zum Zeitpunkt von Verrocchios tätigkeit am standbild – vor 1488 – geschehen sein. Giorgione war damals ein zehnjähriger Knabe. Aber gesetzt den Fall, es wäre nur ein Funken wahrheit hinsichtlich der rivalität mit der Bildhauerkunst im spiel, dann müsste diese episode als ein Meilenstein der rangstreitdebatte des 15. Jahrhunderts gelten. im cinquecento hielt paolo pino den einst mit spiegeleffekten dargestellten für den hl. Georg – übri­ gens beschrieb summonte 1524 einen prototyp –,407 Vasari spricht von einem »ignudo«. indizien für Kontakte zwischen Giorgione und leonardo bestehen. lauber zufolge befand sich ein von Giorgione gemalter ›nackter‹ im Besitz des Michele contarini. All dies könnte auf einen realen Kern einer späterhin zunehmend amplifizierten ekphrase schließen lassen.408

406 ebenda: »hinc est quod pictas res, cum semper eandem faciem servent, facilius quam sculptas aemu­ lantur. tum nosti quam, intervallo ac centrici positione mutatis, res ipsa visa alterata esse appareat.« 407 Über summontes Beschreibung von Antonio colantonios Hl. Georg nach einem niederländischen prototyp (s. App. ii/i). 408 Zu den Quellen (s. App. ii/i, nr. 1–9); unter Verweis auf eine Äußerung von Michiel s. rosella lau­ ber, »›et è il nudo che ho io in pittura de l’istesso Zorzi‹. per Giorgione e Marcantonio Michiel«, in: Arte Veneta, 59, 2002, s. 98–115; in gebotener Beschränkung seien aus der Fülle der sekundärlitera­ tur zu Giorgiones Bravourstück nur einige Beiträge herausgegriffen; vor allem hendler, 2013, s. 27ff., s. 101ff. und Gabriele helke, »Giorgione als Maler des paragone«, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien, 1, 1999, s. 11–79, s. 62–79 mit weiterführender literatur; Giorgione. Mythos und Enigma, Ausstellungskatalog, hrsg. v. sylvia Ferino­pagden et alt., wien, 2004, s. 17; Goffen, 2002, s. 60f. mit der datierung dieser paragone­debatte in das Jahr 1496; hecht, 1984, s. 125–127; bezug­ nehmend auf savoldos sogenanntes Bildnis des Gaston de Foix Martin, 1995; hessler, 2002, s. 91–92.

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III. Der Paragone in der Literatur

2.6. »caelum«, »caelare«: der gemeißelte himmel. ein Beispiel für die Bedeutung der humanistischen lexikografie für den paragone der literaturwissenschaftler Manfred pfister hat sich mit unterschiedlichsten Fragestel­ lungen wiederholt der nachschlagewerke der italienischen renaissance angenommen, das heißt der Breviarienliteratur, der Florilegien, auch epitomisierten werken, Glossa­ rien, deren älteste als Übersetzungshilfen für lateinschüler im Grammatikunterricht gedacht waren, kurzum griffigen Büchern, die dem interessierten, dank der dichte auf­ bereiteten Allgemeinwissens und oft mittels lemmata, gute dienste leisteten. da kein direkter Bezug zu kunsttheoretischen Belangen besteht, ist die wirkung der frühen ita­ lienischen lexikografie auf die Formierung des paragone nie einer Überprüfung für wert befunden worden.409 wir greifen exemplarisch analysierend das von Bildhauern ins Feld geführte paragone­Argument des deus sculptor heraus. es existierte in paragone­diskur­ sen in verschiedenen spielweisen: in der früh bei Kallistratos dokumentierten Vorstel­ lung vom göttlich inspirierten Bildhauer410 (dessen schöpfungen den hauch des Gött­ lichen umweht),411 vorweg aber im Glauben an Gott als den ersten sculptor, den Archegeten irdischer Bildhauer, sei es in der anthropologischen spielweise von Gott als Menschen­ 409 Manfred pfister, »die italienische lexikografie von den Anfängen bis 1990«, in: Wörterbücher, Dictionaries, Dictionaires, hrsg. v. Franz Josef hausmann et alt., Berlin und new York, 1990, Bd. ii, s. 1844– 1863; über die rolle von Florilegien in italien Ann Moss, Printed Commonplace Books and the Structuring of Renaissance Thought, Oxford, 1996, s. 51ff. 410 der rhetor Kallistratos, Imagines, s. 381, nr. 2 sah die hände des Bildhauers, ausgehend von einem Bacchanten des skopas, unter dem eindruck göttlicher ekstase: »es ist nicht die Kunst der dichter und prosaschreiber alleine, die inspiriert ist, wenn göttliche Macht von den Göttern auf ihre Zungen fällt, nein, auch die hände der Bildhauer, verleihen, wenn sie durch das Geschenk einer mehr göttli­ chen inspiration ergriffen werden, den schöpfungen Ausdruck, die besessen und voll von wahn sind. so bewegte sich skopas wie durch irgendeine inspiration, die ihn zur Fertigung dieser statue den göttlichen wahnsinn in sich verlieh.« die editio princeps der werke von Kallistratos erschien unter dem titel: Luciani opera. Icones Philostrati […] Icones junioris Philostrati, Descriptiones Callistrati, Venedig: Aldo Manutio, 1503. Auch der byzantinische lexikograph suidas wähnte in phidias’ schaf­ fen enthusiasmus; der wunsch nach der Beseelung von gekneteter erde in Ovid, Metamorphosen, i, vv. 364–365. Über den furor divinus noel l. Brann, The Debate over the Origin of Genius during the Italian Renaissance (Brill’s studies in intellectual history 107), leiden, Boston und Köln, 2002, s. 75ff. und Martin Kemp, »From ›Mimesis‹ to ›Fantasia‹. the Quattrocento Vocabulary of creation, inspiration and Genius in the Visual Arts«, in: Viator, 8, 1977, s. 347–398 und vorzüglich patricia A. emison, Creating the ›Divine‹ Artist: From Dante to Michelangelo, leiden und Boston, 2004. 411 so werden Götterbilder – wie in Aischylos Hiketiden, V, vv. 210ff. – als Gottheiten angerufen. ironi­ sche distanz zum topos des deus sculptor in diogenes laertius, Leben, cap. ›stilpon‹, ii, 116, s. 137– 138 (Üs: Fritz Jürs); es wird im hinblick auf phidias’ Athena gefragt: »›ist Athena, tochter des Zeus, ein Gott?‹ Auf die Zustimmung erwiderte er: ›Aber die hier stammt ja gar nicht von Zeus, sondern von pheidias.‹ Als man das zugab, schloß er: ›Also ist sie kein Gott.‹« Augustinus, De civitate Dei, XXi, 6, s. 688 äußert Kritik an sog. »Mechanemata« als produkten menschlicher Kunstfertigkeit;

2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento

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bildner412 oder, was uns im Folgenden beschäftigen wird, in der von Gott als meißelndem weltenschöpfer. im Verbund mit dem Genesis­wortlaut (i, 27) von Gott als schöpfer des himmels spielte dieser idee die doppelbedeutung des lateinischen wortes »caelum« zu. es bedeutete übersetzt »himmel« aber auch »stichel« oder »Meißel«. diese Ambivalenz schwang latent im Verb »caelare« (ziselieren, meißeln) mit, ebenso in »caelatura«, die nach Quintilians definition jene »Ziselierkunst (toreutik) ist, die aus Gold, silber, erz und eisen ihre Arbeiten herstellt«.413 neben Vergil meinte Apuleius wegen dieser semantischen Ambivalenz die Ziselierarbeiten mit dem Göttlichen assoziieren zu müssen. Aus der sicht des Apuleius war der Verfertiger von silberreliefs mit raubwild­Motiven ein »wun­ dermann wirklich, nein, ein halbgott oder gar ein Gott war es, der mit großer Kunst und Feinheit soviel silber mit wild belebte!«414 solche Befunde bewahren uns vor Fehl­ einschätzungen: paola Barocchi glaubte, Benedetto Varchi habe einen originellen »gioco etimologico« erfunden, als dieser in seiner berühmten paragone­lektion behauptete, die Bildhauer legitimierten ihre Ansprüche auf einen deus sculptor unter Berufung auf jenen nexus von »himmel« und »Meißel«. De facto aber war der Gedanke, wie schon angedeutet,

Unwissende hielten sie für göttlich; dies wird am Beispiel eines – dank Magnetstein – schwebenden eisernen Götterstandbildes vorgeführt. 412 Klar erkennbar an den paragone­Argumenten der Bildhauer zum deus sculptor ist die meist anthropo­ logische Orientierung unter rekurs auf biblische Aussagen über die schöpfung des Menschen aus lehm (Jes 29, 16). der Vergleich Gottes mit einem töpfer war ein populäres Motiv in der patristik. Vgl. Fiano, Contra ridiculos oblocutores, fol. 134v: »reor non solum cunctis orbis picturatam ecclesiis, sed omnibus notam scolis Ade et eve plasmationem«; zu diesem Gemeinplatz Kablitz, 1998, s. 309– 356 und Moshe Barash, »creatio ex nihilo. renaissance concepts of Artistic creation«, in: Die Renaissance und ihr Bild in der Geschichte, hrsg. v. enno rudolph, tübingen, 1998, s. 37–58. Manetti, De dignitate, ii, 12, s. 42 berief sich angesichts der Menschenschöpfung wertend auf den Begriff »protoplastus« (erstgeformter) und ebenda, ii, 16, s. 44; iii, 6, s. 68f.; zum topos des deus artifex Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 64–85; curtius, [1948] 101984, s. 527ff.; Kristen lippincott, »Giovanni di paolo’s ›creation of the world‹ and the tradition of the late Medieval an renaissance Art«, in: BurlMag, 132, 1990, s. 460–468. – den Malern musste eine notiz von tertullian, De anima, 23, 3, s. 86 sehr entgegenkommen: Apelles habe berichtet, dass Gott um die seelen das sündhafte Fleisch herumgebildet habe: »Apelles sollicitatas refert animas terrenis escis de supercaelestibus sedibus ab igneo angelo, deo israelis et nostro, qui exinde illis peccatricem circumfinxerit carnem.« dass für einen Maler die nachahmung des himmels leichter sei als die eines Menschen, schreibt platon, Kritias, 107b–c. 413 Quintilian, Institutio oratoria, ii, 21, 9, Bd. i, s. 274 (Üs: helmut rahn): »[…] caelatura, quae auro, argento, aere, ferro opera efficit«. plinius, NH, XXXVii, 49, s. 44 spricht von der »caelatis ars« als »getriebener Arbeit«; »caelum« als stichel bei Ausonius, Epistolae, XXV. 414 Apuleius, Metamorphosen, V, 1, 4–5, s. 168/169 (Üs: niklas holzberg): »mirus prorsum homo, immo semideus vel certe deus, qui magnae arte subtiliate tantum efferavit argentum.« Vgl. auch Ver­ gil, Bucolica, iii, vv. 36–37, s. 40 spricht über einen Becher des Alcimerdon vom »caelatum divini opus Alcimedontis«. nachweisbar ist selbst die position, dass der Bildhauer besser sei als Gott, da lebensnähe besser sei als faktische lebendigkeit; s. Ausonius, Epigramm, nr. 71.

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altbewährt, genauer, durch sprachbetrachtungen des polyhistors Varro inspiriert,415 mit Gauricos De sculptura in die italienische Kunsttheorie eingedrungen,416 nachdem mittel­ lateinische Glossarien und die humanistische lexikografie dem den Boden bereitet hat­ ten. dies geschah mitunter dank der Elegantiae des sienesen Agostino dati, einem sehr verbreiteten werk seit der drucklegung 1471. es befand sich wohl auch in leonardos Besitz.417 der leser von datis Buch erfährt:

415 siehe Varchi, Due Lezzioni, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 50–51: »[…] se avessero detto scultura, come ne dimostra appresso i latini il nome del cielo, che vuol dire ›scolpito‹ e non ›dipinto‹, benché, per dire perfettamente, potevano aggiugnere ›colorito‹«; und Barocchis Kommentar ebenda, s. 51, Anm. 1; s. Varro, De lingua latina, V, 18–20, Bd. i, s. 16f.: »Caelum dictum scribit Aelius, quod est caelatum, aut contrario nomine, celatum quod apertum est; non male, quod positor multo potius a caelo quam caelum a caelando. sed nonminus illud alterum de celando ab eo potu­ it dici, quod interdiu celatur, quam quod noctu non celatur. […] et Agamemno: ›in altisono caeli clipeo‹: cavum enim clipem; et ennius item ad cavationem: ›caeli ingentes fornices.‹ Quare ut a cavo cavea et caullae et convallis, cavata vallis, et caveae cavatione ut cavum, sic ortum, unde omnia apud hesiodum, a chao cavo caelum.« (Caelum, schreibt Aelius, wurde so genannt, weil es caelatum [erhaben über der Fläche] ist oder vom Gegenteil des wortes celatum [verborgen], weil es ausgestellt ist; nicht schlecht, dass derjenige, der den Begriff caelare [ziselieren] aufstellte, um vieles mehr von caelum als caelum von celare nahm. Aber dieser zweite Ursprung von celare [verbergen] könnte von dieser tatsache hergeleitet sein, dass es bei tag celatur [verborgen ist], nicht weniger als, dass es bei nacht nicht verborgen ist. […] Und Agamemnon sagt, ›in dem aus der höhe donnernden schild des himmels‹, denn ein schild ist hohl. Und ebenso ennius in bezug auf eine höhle, ›Unge­ heure wölbungen des himmels.‹ weshalb wie von cavum [hohl] cavea [höhle], und cavullae [durch­ gang] kommen und convallis [talkessel] als sei es eine cavata vallis [talsenke] und cavernae [höhlen] von der cavatio [dem Ausgehöhlten] wie das cavum [hohle sache] so kommt caelum [himmel] von cavum, das selbst von chaos kommt, wovon bei hesiod alle dinge kommen); Varros position auch referiert in plinius, NH, ii, 8; vgl. auch Ps 8, 4. Unter Berufung auf plinius auch torquato tasso, Il Minturno overo de la bellezza, in: tasso, Dialoghi, Bd. i, s. 1011. Zur paragone­diskussion des cin­ quecento um den deus artifex Mendelsohn, 1982, s. 97; unter Berücksichtigung der ikonografie des hl. lukas Wettstreit der Künste, 2002, s. 71ff., mit Bildbeispielen auf s. 232ff.; und hermann U. Asemissen und Gunther schweikhart, Malerei als Thema der Malerei, Berlin, 1994, s. 27ff. 416 Vgl. Gaurico, De sculptura, cap. 6, s. 233f.: »est autem celatura ut uno verbo expediam quom de plana superficie exculpimus effigiunculas excavando. in quacunque id fiat regi materia, que persistat eadem semper neque imagines plus quam ex dimidio prominere videantur, potissimum tamen metallica, atque argento in scyphis ad similitudinem huius quod circum supraque complexu terram continet cavi coeli, quod a pacuvio dictum, uti plemmyrium undosum a Vergilio, sed alterum ornatu, dedit appellacionem huic parti, Alterum obtectu, decultacioni, […].« 417 leonardos Bücherliste enthält den titel »Allegantie«. der Befund ist nicht eindeutig; es könnte auch lorenzo Vallas Opus elegantiarum von 1441 gemeint sein; s. leonardo, Codex Madrid II, fol. 3r, s. 7. Zu leonardos Auffassung vom deus pictor und von der göttlichen Malerei im paragone, s. leonardo, Libro di pittura, i, 13, 19, 23, 25, 27, 28.

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Man sagt, dass ›caelum‹ oder ›a caelando‹ (wie höchst gelehrte Männer glauben) von der Bezeichnung ›caelio‹ hergeleitet ist, von einer Art eisengerät, das sie bald ›caelio­ nem‹, bald ›skalpell‹ [scalpellum] nennen. es wird aus diesem Grund für silber­ schmiede genannt, die eine Vase ziselieren, zeichnend eingraben und einmeißeln. Und auf diese weise hat Gott, der Künstler von allem, sein reich gekennzeichnet und das licht den sternen aufgedrückt. ›[orthographisch falscher griechischer Begriff]‹ bedeutet konkav oder konvex; und diese Form und Gestalt des himmels ist zu sehen.418 wenn Gott nach datis Meinung, in Anlehnung an das Buch der weisheit (Sap 13, 1), sich als artifex in seinen werken geoffenbart habe, und diese werke raumgreifend sind, dann erlauben sie rückschlüsse auf einen deus sculptor – so dati. demnach glänzte bereits er mit einer ausgefeilten etymologischen Begründung für Gott als ersten Bild­ hauer, wie mit geringen Varianten vor ihm Angelo decembrio im glossatorischen teil von De politia litteraria.419 in decembrios lateinischen interpretamenta zu »caelum« ist explizit von »gemeißelten sternen« (»stellis sculptum«) die rede. das exponat der toreutik, das dati anführt, eine Metallvase, spricht für die inspiration durch De remediis, wo petrarca, direkt im Anschluss an den skulptur­dialog, anlässlich von getriebenen korinthischen Vasen die Bevorzugung des himmlischen (»caelestibus«) verficht. denn

418 dati, Elegantiae, s. 40: »caelum vel a caelando, dicitur, vel (ut alii existimant viri eruditissimi) a cae­ lio nomen traxit, genere quopiam ferramenti, quod alias caelionem, alias scalpellum vocant. Quod qua ratione, qui argentarij nuncupatur, vasa caelant; et designando incidunt, atque insculpunt. ita et artifex rerum omnium deus, domicilium suum insignivit, ac syderum lumina impressit, […] ›[(gemeint ist) κoíλον]‹ concavum et convexum significat, eaque; esse cernitur ipsius caeli forma ac figura.« Vgl. auch isodor von sevilla, De natura rerum, iii, 31. 419 decembrio, De politia litteraria, Vii, cap. 78, s. 469: »Caelum vel coelum. nam cum ae scribitur rati­ one praedicta; unde et caelatura a caelo, caelas, quod stellis sculptum et asperum videatur, uti poculum auro et gemmis laboratum caelatum dicitur. Caelsum quoque a caelo quidam dici arbitrantur, nec non a caelum a caelando scalper fabrilis nominatur, quo praecipue utuntur argentifices, et eius pluralis numerus est caela«; vgl. ebenda, iV, cap. 34, s. 314, s. v. »celum pro ›aëre‹«: »et caelum ›scalper fabril­ is‹, itidem a caelando, de quo saepe Martialis et claudianus: Bucula sum caelo genitoris facta Myronis; in plurali numero caela.« die Gestalten auf Bechern stehen unter dem eindruck von petrarcas »de gemmarum poculis dialogus« in petrarca, De remediis, i, cap. 38, s. 143ff.; vgl. auch das Gedicht in einem dichterwettstreit bei Gellius, Noctes Atticae, XiX, 9, s. 573; die extensivsten Ausführungen zu ziselierten Bechern in Athenaios, Das Gelehrtenmahl, Xi, 19ff, Bd. i, s. 16, wo auch von Bildentwür­ fen des Malers parrhasios für Becher die rede ist, die der Graveur Mys ausgeführt habe. Von skulpier­ ten sternen sprach auch der dichter lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, v. 369, s. 24: »Astrorum has sculptas caelo auxiliante figuras«; an anderer stelle bewies er seine Kenntnis der ety­ mologie (vv. 395–396, s. 26): »ille patris nomen voluit componere caelo / sic caelum caeli nomine nomen habet.« – Aischylos, Sieben gegen Theben, V, vv. 377ff. enthält die deskription des schildes von tydeus, das den nächtlichen sternenhimmel zeigt.

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allerorten, so ist zu lesen, faszinieren werke des höchsten Künstlers (»supremumque […] artificem«), seien es der himmel, die sonne, sterne oder der Mensch.420 in den gleichen gedanklichen rahmen, jedoch mit christlichem einschlag, fällt das wortspiel celata – caelestes bei Ugolino Verino. er greift zu ihm in seinem Carlias­epos, in einer epideikti­ schen Beschwörung des himmelszeltes mit den sternen: »ein goldenes schilddach erhebt sich mit wunderbar ziselierten [celata] Gestalten. diesem Künstler muss phidias weichen, polyklet und die natur. du wirst glauben, dass Marmorwerke sprechen und atmen, dann, dass sich verschiedene schriften durch ein Gesicht offenbaren. Kein wunder, wenn der göttliche Bildhauer des bestirnten Olymps, der die welt durch sein wort als Urbild aus dem nichts entworfen hat, die himmlischen [caelestes] Gefilde mit größerer Kunstfertigkeit geschaffen hat [als die erde].«421 Abgesehen davon, dass die irdischen repräsentanten des Bildhauer­Metiers als schütz­ linge dem einen Gott als höchsten Bildhauer unterstehen, ließ Verino an der nobilität der skulptur in Anbetracht gerade dieses göttlichen leitbildes keinen Zweifel. nicht immer weckten die etymologischen Konnotationen die Vorstellung von einem Bildhauer­ werk. in den spuren von platons Timaios wurde der himmel gelegentlich einem demi­ urgen zugeschrieben.422 Alberti hat dieses Klischee im Momus­dialog für den Vorrang der Architektur gegenüber den figurativen Künsten dienstbar gemacht. er schrieb, dass

420 petrarca, De remediis, i, cap. 42 (»de vasis corinthiis dialogus«), s. 158: »Assuetum caelestibus, ter­ rena non quatiunt, sic collata illis modicum, sic nihil, sic denique taedium atque fastidium grave sunt. Quomodo autem animus memor originis, cavernus terrestibus inhiet, aut magnificiat quod ex illis effoditur, dum caelum solemque ac stellas et seipsum videt, supremumque horum omnium artificem contemplatur?« – Fraglich bleibt, ob aus Ghibertis Bronzerelief, Die Erschaffung Adams und Evas, wegen der Materialikonografie der Anspruch auf einen deus sculptor herausgelesen werden kann; zu dieser tafel der Baptisteriums­Osttür Krautheimer, 1956 [1982], s. 192f.; Joachim poeschke, Die Skulptur der Renaissance in Italien, Bd. i: Donatello und seine Zeit, München, 1990, Bd. i, s. 71f., Kat.­ nr. 20, Farbabbildung nr. 20. 421 Verino, Carlias, Viii, vv. 247–253, s. 282: »Aurea testudo miris celata figuris extabat. phidias cedat, polycletus et ipsa Artifici natura! loqui et spirare putabis Marmora, tum vultu varias ostendere curas. 250 nec mirum, astriferi divinus sculptor Olympi, Archetypum ex nihilo verbo qui pinxerit orbem, caelestes maiore domos si fecerit arte.« 422 der göttliche demiurg des weltalls in platon, Timaios, 28cff.; Michael J. B. Allen, »Marsilio Ficino’s interpretation of plato’s ›timaeus‹ and its Myth of the demiurge«, in: Supplementum Festivum. Studies in Honor of Paul Oskar Kristeller, hrsg. v. James hankins et alt., Binghamton, n. Y., 1987, s. 399– 439; serge Margel, Le tombeau du Dieu artisan. Sur Platon, paris, 1995.

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die »besten Architekten des himmels« angesichts von Junos Bauwerk auf das resignative eingeständnis aller Maler und Bildhauer hofften, hinsichtlich ihrer technischen und künstlerischen Fähigkeiten »weit in den schatten gestellt« worden zu sein.423 Aber mit­ nichten gerät die ikonografie des Materials, aus dem der himmel gedacht ist, in Ver­ gessenheit. dies veranschaulicht bei Alberti mustergültig die schilderung des einsturzes von Junos grandiosem Bauwerk: »der hierdurch verursachte tosende lärm prallte gegen die himmelswölbung und wurde von dieser, die bekanntlich aus Bronze ist, als donnerschlagartiges echo zurückgeworfen, […].«424 dieses längst eingebürgerte Vorstellungsgut hatte im Altertum einen widerhall in archi­ tektonischen Gestaltungen gefunden; die goldverkleidete innenwölbung der Kuppel des römischen pantheons ist das prominenteste Beispiel.425 wichtiger ist: Fast alle namhaf­ ten lexikografen und exzerptoren des Quattrocento zeigten neigung, in Anbetracht von caelum – caelare in frappanter weise das philologische erbe Varros zu beleben: Gio­ vanni tortelli in De orthographia von 1471, Giuniano Maggio alias iunianus Maius in De priscorum proprietate verborum426 und, unter explizitem rekurs auf Varro, niccolò perotti in seinem Cornucopia betitelten lexikon.427 diese etymologischen spielereien wirkten wie ein Affront gegen eines der überzeugendsten Argumente der Maler, sofern

423 Alberti, Momus, ii, s. 202f. (Üs: M. Boenke), s. App. iii/B, nr. 6. 424 ebenda: »[…] cuius fragore et sonitu subincussa caeli (uti sunt aenea) convexa maximum dedere sonitum, quem ab resonantis testudinis tinnitu exceptum […].« 425 Vgl. cassius dio, Römische Geschichte, 53, 27, 2. der Vergleich eines Gewölbes – das des schatzhauses von Olympia – mit dem himmelsgewölbe auch in pausanias, Beschreibung Griechenlands, Vi, 19; zum goldenen dach des pantheon domenico da corella, Theotocon, s. 50: »et superas una testudine fertur ad auras / […].« 426 tortelli, De orthographia, s. v. »caelo«: »pro sculpo quoddam latinum esse volunt: et cum. ae. diph. scribi ut differat a caelo quod est abscondo: et sine diph. thongo scribit alii vero ab graeco quod est κα: et significat concavum derivari volunt: s. id necessario i(.) sculptura exigit et ob id cum oe. diph. scibi volunt: ut supra vidimus in dictione coelum cum oe diphthongo«; vgl. s. v. »caelum«: »similiter cum ae. […] dictum aiunt et o quod sit caelatum.i. syderibus sculptum Varro aut de lingua latina scribit caelum dictum ab cavo quod si graeco quod est […] intellegere voluit.« Maggio, De priscorum proprietate verborum, s. v. »coelum«: »vel ab coelo sculpo: quod ad choilon venit: quia in sculptura concavum est: .inde coelebs: Alii caelus: quod magis placet: ut in diphthongo videbit.« 427 perotti, Cornucopiae, s. 71, z. 15f., s. v. »caelum«: »et caelum ipsum instrumentum quo caelantur: sicut castrum, quo ebur cavatur. et centrum punctum, sive stimulus. item caelum, quod alio modo dicitur mundus, cuius circumflexu cunta teguntur: quoad caelatum, hoc est signatum sideribus sit. nam quod Varro ab cavo dictum existimat, nimis durum est. ab Graeco verò, hoc est ›[…] το˜υ κοíλον‹, quod significat concavum, deduci non est putandum, siquidem per ae scriberetur, quod nusquam animadvertimus.« Vgl. auch mit identischer erklärung s. v. »caelum« Biondo, Roma triumphante und raffaele Maffei, Commentariorum.

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sich diese für die schöpfung als werk eines deus pictor stark machten: dass nämlich nur die Malkunst imstande sei, der universalen Farbenpracht der welt rechnung zu tragen – ein Gedanke, den die Antike in vielen Metaphern vorbereitet hat, beispielsweise durch empedokles’ Vergleich zwischen dem Mischen der Farben bei der schöpfung der natur mit dem Mischen der elemente, oder durch philostrats Glorifizierung der vielfarbigen Malerei als eine erfindung der Götter.428 nach einem sonett Filippo nuvolinis, das gegen 1460 Andrea Mantegna verklärt, O sopra tutti gli altri incliti insegni, entwirft der Maler mit seinen Farben auf erden, was der ewige Gott im himmel schafft. Mantegna reift heran zum irdischen pendant Gottes. in dieser rolle des göttlichen Abkömmlings folgt ihm der Maler pennacchi in einem sonett aus der Feder Marcello Filossenos.429 selbst die etymologisch akzentuierten Argumentationen zugunsten der Bildhauer blieben nicht ohne widerspruch, so bei Antonio telesio, einem aus cosenza stammenden Gelehrten

428 VS, 31 B.23; philostrat, Imagines, i, 294k. 429 in einem sonett des Marcello Filosseno aus treviso (1450–1520), In laudem Petri Pictoris, wurde auch der in Venedig tätige Maler pier Maria pennacchi (1464–1528) zum irdischen Gegenpart Gottes sti­ lisiert: »se il vivo senso, over qualche parola 1 Mostrasse il bel lavor del tuo Figmento, tu fai pitture di un tale ornamento che un dio saresti in la terrestre scola. natura in contemplarle si consola e brama di prestarli il sentimento, Ma teme del suo onor, qual saria spento, che sì bel opra non sà lei sola. di tante forme sue, che han lo intelletto. Far mani non potè in gentil figura che non avesse in se qualche difetto.

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Ma il tuo artifizio tanta misura che ognun stupisce e grida con diletto e’vinta da pennAchiO la natura.« Zitiert nach domenico Federici, Memorie Trevigiani sulle Opere di Disegno, Venedig, 1803, Bd. i, s. 220. der prototyp ist Zeuxis, der sich, Alberti, De pictura, i, 25, s. 236 zufolge, als »quasi alterum […] deum« fühlte. Zu dem zuvor erwähnten Gedicht nuvolinis: es heißt (vv. 9–14, zitiert nach signorini, 1980, s. 172): »per dimostrar che quel che la natura, non sol natura, ma l’eterno idio 10 ha fatto in cielo e tu ’l figuri in terra con tuoi colori, ogni inclita figura che par che l’alma seco si conserra, e monti e valli et ogni fiume e rio.«

2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento

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17 Gentile da Fabriano, detail von: Krönung der Jungfrau, teil des polyptychons von Valleromita, ca. 1405–1410, Mailand, pinacoteca di Brera

für römische dichtung. sein 1528 in Venedig gedrucktes Büchlein über Farben und pig­ mente, De coloribus libellus, informiert, dass ein bestimmter Blauton, das himmelblau, im lateinischen »caeruleus«, sich von »caelum« herleite.430 Kurzum, die palette des Malers stiftet es. prätentionen dieser Art kommen in einem detail von Gentile da Fabrianos Krönung der Jungfrau (Abb. 17) zum Vorschein, denn die Malersignatur – »gentilis de fabriano pinxit« ist, unterhalb der Zone mit musizierenden engeln, auf dem sternen­ himmel angebracht, zwischen Gebilden, die wohl die sonne und den Mond meinen.431 die eingangs zitierten lexikografischen Begünstigungen des deus sculptor verleihen zudem der Malersignatur pisanellos auf dem revers seiner Bronzemedaille des Don Iñigo d’ Avalos den Anschein einer provokation: »OpVs ∙ pisAni ∙ pictOris«. sie prangt auf seinem

430 telesio, De coloribus libellus, cap. 1, s. 171: »caeruleus igitur dictus quasi caeluleus, ut voce ipsa appa­ ret, proprie color est caeli, sed sereni: id quod ennius respiciens, Caeli, inquit, caerula templa […]«; und cap. 2, s. 172: »caesius vero si dictus esset […] quasi caelius ab caelo, eadem foret in caelo […].« Vgl. Feliciano, Praecepta colorum [ca. 1460]. 431 es handelt sich um die zentrale tafel des Polyptychons von Valleromita; sie stammt von ca. 1405–1410 (Mailand, pinacoteca di Brera, inv.­nr. nap. 691); s. – ohne deutung der signatur – Pinacoteca di Brera, Scuole dell’Italia centrale e meridionale, hrsg. v. carlo pirovano, Mailand, 1992, s. 131, nr. 55a und Keith christiansen, Gentile da Fabriano, london, 1982, Kat.­nr. iV, Abb. 5, Farbabbildung A.

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III. Der Paragone in der Literatur

18 pisanello, revers von: Medaille des Iñigo d’Avalos, ca. 1449–1450, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett

›weltentwurf‹, bestehend aus einem Globus, über dem sich der bestirnte himmel wölbt (Abb. 18).432 tatsäch­ lich münzt ein dichter, Basinius da parma, das wort­ spiel celare – caelum vor der Mitte des Quattrocento auf pisanello: »cetera celantur varia, pisane, figura; / terra feras, caelum sydera clara tenent.«433 nach der frühen Varro­rezeption in Francesco Filelfos Abhandlung Convivia, nach pontanos wort­ witz zum Meißel und himmel im Asinus­dialog,434 spielte das Glossar des Augustinereremiten Ambrogio calepino aus Bergamo (1440–1510), Dictionarium latinum et graecarum interpres, eine schlüsselrolle in der Verbreitung des topos im cinquecento. erstmals 1502 in reggio erschienen, avancierte es zum auflagen­

432 Zu dieser Medaille, s. The Currency of Fame, 1994, s. 55–58, Kat.­nr. 9–9a; Pisanello. Le peintre aux sept vertus, Ausstellungskatalog (paris, Musée national du louvre, 06.05.–05.08.1996), paris, 1996, s. 453, Kat.­nr. 319. – Als resonanz auf die etymologisch gewichtete diskussion ist auch die ehrung des Bildhauers Andrea Bregno zu werten. er wird in seinem Grabdenkmal von 1506 als derjenige gefei­ ert, der die untergegangene »celAndi ArteM« zurückgerufen habe; unter den zahlreichen Bild­ hauer­Utensilien, die seine imago clipeata begleiten, befindet sich auch ein stichel; zu diesem Monu­ ment in santa Maria sopra Minerva in rom erna Fiorentini, Ikonographie eines Wandels. Form und Intention von Selbstbildnis und Porträt des Bildhauers im Italien des 16. Jahrhunderts, Berlin, 1999, s. 120, Kat.­nr. 1, Abb. 1 und Gesa schütz­rautenberg, Künstlergrabmäler des 15. und 16. Jahrhunderts in Italien. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Künstler (dissertationen zur Kunstgeschichte 6), Köln und wien, 1978, s. 64ff. ein paragone spricht auch aus der signatur des intarsiators Antonio Barili von 1502: »hOc eGO AntOniVs BArilis / OpVs cOelO nOn penicellO eXcVssi […]« (ich, Antonio Barili, habe dieses werk mit dem [Grab]stichel, nicht mit dem pinsel ausgeführt […]; Üs: roesler­Friedenthal); der hinweis auf dieses interessante Beispiel bei Antoinette roesler­Frie­ denthal, »›Opus coelo non penicello excussi‹. das selbstbildnis des Antonio Barili von 1502«, in: Im Agon der Künste, 2007, s. 115–142, s. 151–185, s. 129, allerdings in Verkennung der gezielen Ambiva­ lenz von »coelum«. 433 das vollständige Gedicht von 1448–1448 (»Basinius ad pisanum pictorem ingeniosum et optimum«), vv. 51–52, in: Documenti e fonti, 1995, s. 139–140, s. 140, nr. 61. 434 Francesco Filelfo, Convivia, o. s.: »invenias enim apud optimos gram[m]aticos caelum duxisse nomen caelio. id autem ferramenti genus appellant vulgo tum caelionem. tum scalpellum. inde.n. caelum veteres nominarunt quod quemadmodum argentarii vas aliquid caelant.i. designando incidunt atque insculpunt ita summus rerum omnium artifex suum insignire volverit domicilium impretis luminibus syderum.« pontano, Asinus, s. 648/649: »diem hunc pene dimidiatum transegit in volutando coelo, quod in manibus adhuc etiam versat […] dum colum suspectat et alvearia non videt, in ea illatus […]« (diesen tag hat er fast zur hälfte damit verbracht, den Meißel (coelum) zu schwingen, den er auch jetzt noch in den händen hin­ und herdreht […], während er zum himmel (coelum) aufschaut und den Bienenschwarm nicht sieht, in den er hineingeraten war […]; Üs: hermann Kiefer).

2. Argumentative Impulse aus dem Quattrocento

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stärksten wörterbuch des 16. Jahrhunderts. calepino nennt den »Meißel« des Bildhau­ ers (»scalpello«) als synonym für »caelum«. seine Ausführung zur alternativen Bedeutung von »caelum« als »himmel«, dem gemeißelten himmel, zeigen die fast wörtliche Orien­ tierung an datis Elegantiae. es ist zu erahnen, wie paragone­debatten stimuliert wur­ den. so erfährt der leser zum stichwort »caelator, oris« (toreut), dass Quintilian die werkzeuge des toreuten mit denen des Malers konfrontierte; dabei wog er die nützlich­ keit der instrumente gegeneinander ab: »[…] wie der stecher seinen stichel und der Maler seinen pinsel [als werkzeug verlangt]« – so auch der redner: »caelator coelum defiderat, et pictor pencilla Argenti caelatores«.435 Apoll, derselbe Gott, als dessen Abkömmling sich – laut plinius – der Maler parrhasios fühlte, bringt als Goldschmied in pietro Areti­ nos Ragionamento [1534] die sterne am himmel zum leuchten.436 Zusammenfassend verdient festgehalten zu werden: ein teil der in Varchis Due Lezzioni feilgebotenen Vorstellungen zum sculptor divinus, deren Fundament weitestgehend in spätmittelalterlichen wortauslegungen liegt, tritt geballt zuerst in der lexikalischen literatur des Quattrocento in erscheinung, die folglich eine nicht zu unterschätzende Quelle, zumindest hinsichtlich der streuung von eristischem Gedankengut, darstellt. Ohne einzelbeobachtungen vorschnell generalisieren zu wollen, dürfen wir in diesem Genre auch bei anderen punkten einsichten über die Gestaltwerdung des paragone erwar­ ten.

435 calepino, Dictionarium latinum et graecarum interpres, Venedig: Giovanni Guerillio, 1625, s. 43, s. v. »caelator, oris« (vgl. Quintilian, Institutio oratoria, ii, 21, 24, Bd. i, s. 278/279; Üs: helmut rahn). in scardeones stadtgeschichte von padua, De antiquitate Patavii et claris civibus patavinis, steht der Begriff für Bildhauer im Abschnitt über lokale Berühmtheiten von Malern und Bildhauern »caeleto­ ribus«; vgl. collareta, 1999, s. 30. calepino, 1531, fol. 67v: »›caelum‹: instrumentum quo utuntur argentarij dum vasa sculpunt, ut est illud caelo fabricata Myronis […].« 436 plinius, NH, XXXV, 71, s. 58: »super omnia Apollinis se radice ortum […]«; Aretino, Ragionamenti, ii, s. 90: »[…] e le stelle che stanno e non stanno in cervello, con le triste e le buone compagne, indo­ rate a fuoco per man di maestro Apollo orefice […].«

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iV. Vom Künstlerwettbewerb zum paragone

1. Agon – paragone: Grundsätzliche Berührungspunkte 1.1. Frühneuzeitliche wettbewerbskultur und die Vermittlung von werten im italien der Frühen neuzeit hat die wettbewerbskultur des Altertums, ähnlich wie das antike diskurssystem, eine reetablierung erfahren, die sich spätestens seit dem wettbewerb von 1401 um die Florentiner Baptisteriumstüren in Bemühungen zeigte, auch den Künstlerwettbewerb all’antica zu erneuern, eben nicht in direkter weiterfüh­ rung der mittelalterlichen praxis, und daran lässt der neue Aspekt der ›Vermitteltheit‹ der Künstlerwettbewerbe durch antike Quellen keinen Zweifel.437 wie wir sehen werden,

437 der Aspekt der diskontinuität wird oft unterschätzt, so von Farago, 1992, s. 37f., die leonardos pa­ ragone zu einseitig als weiterentwicklung mittelalterlicher dichterwettbewerbe – oder der tenzonen beziehungsweise der jocx partitz – begreift. differenzierter verfährt Antje Middeldorf Kosegarten, »the Origins of Artistic competitions in italy«, in: Lorenzo Ghiberti nel suo tempo, Atti del convegno internazionale di studi, Florenz 18.–21.10.1978, Bd. i, Florenz, 1980, s. 167–186, s. 167, s. 181: sie verzeichnet einen Umbruch gegen Mitte des trecento anlässlich der wettbewerbe für den dombau in Florenz. – An dieser stelle seien aus der Fülle der Forschungsliteratur zu Künstlerwettbewerben der renaissance nur wenige herausgegriffen (die literatur zu konkreten wettbewerben erfolgt an gegebe­ ner stelle). Grundlegend bleibt der Beitrag von Middeldorf Kosegarten (ebenda, s. 167ff.); ferner Goffen, 2002, passim; und Wettstreit der Künste, 2002, passim; konkrete Beispiele auch bei peter Bur­ ke, Die Renaissance in Italien. Sozialgeschichte einer Kultur zwischen Tradition und Erfindung, [engl. orig. london, 1972] München, 1988, s. 111, warnke, 1985, s. 119ff. und louis Alexander waldman, »Florence cathedral. the Facade competition of 1476«, in: Source, 16, 1996, 1, s. 1–6; über Anlässe von dichterwettbewerben Kristeller, 1974–1976, Bd. ii, s. 23; zum certame von 1441 De vera amicitia. I testi del primo Certame coronario, hrsg. v. lucia Bertolini, Modena, 1993; und (wenn auch sachlich nicht immer zuverlässig) die Monografie von prochno, 2006; hanno rauterberg, Die Konkurrenzreliefs. Brunelleschi und Ghiberti im Wettbewerb um die Baptisteriumstüren in Florenz, (diss. hamburg, 1995) Münster, 1996, s. 80ff.; über das wesen des Agonalen Kristine patz, »einleitung – im Agon der Künste«, in: Im Agon der Künste, 2007, s. 9–18 und Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450–1620), hrsg. v. Jan­dirk Müller et alt., Berlin, 2011, passim; sehr instruktiv zum phänomen in der Antike Agon, Ausstellungskatalog (Athen, Archäologisches nationalmuseum,

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

enthüllt die im Quattrocento sprunghaft sich intensivierende Beschäftigung mit legen­ dären antiken Künstleragonen438 – im Agonalen sah Jacob Burckhardt bekanntlich die essenz der griechisch­antiken Kultur –,439 dass deren literarische Überlieferung in vielen einzelfällen, bei aller aemulatio, als normbildendes Modell für die Gegenwart diente. diese eigenheit kennzeichnet nicht zuletzt den autobiografischen rückblick lorenzo Ghibertis auf seinen eigenen sieg,440 in dem, wenngleich latent und mit einfacher dik­ tion, etwas von jenem impetus der renovatio aufflammte, der petrarcas erinnerungen an einen vergleichbaren erfolg in seinem ressort durchdrungen hatte: an die ihm nach eige­ ner Aussage 1341 auf dem Kapitol zuteil gewordene dichterkrönung, ein symbolischer Akt, den man mit der ausdrücklichen prätention der nachahmung und des wetteifers mit klassischem Brauchtum vollzog. tatsächlich waren es auch in petrarcas Fall Agone des Altertums, namentlich die kapitolinischen, denen er manche Anregung für das ri­ tual verdankte. es bleibt eines »der spektakulärsten tribute, die der dichtung je irgend­ wo gezollt wurden« – so der ertrag von wilkins’ vielbeachteter studie »the coronation of petrarch«.441 wenn die tragweite des Florentiner wettbewerbes von 1401 für die

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15.06.–31.10.2004), hrsg. v. nikolaos Kaltsas, Athen, 2004; vgl. Johan huizinga, Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, [niederl. orig. haarlem, 1938], reinbek, 1991, s. 39ff.; zum Agon in der Künstlerlegende Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 90f., s. 127f. und Anne­Marie lecoq, »Götter, helden und Künstler. die Künstler in den griechischen schriften und ihr Fortdauern im Zeitalter der Akade­ mien«, in: Wettstreit der Künste, 2002, s. 53–69. siehe die Zusammenstellung der Quellen im App. ii. Jacob Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte [1898–1902], in: Burckhardt, 1956–2005, Bd. V, s. 295 und in Bd. Vi, s. 64 die Behauptung, dass bei den Griechen »alles und jedes durch die Form des wettkampfes zu ehren kommen sollte«; über das agonale denkmal ebenda, Bd. Viii, s. 84ff. siehe die schilderung des wettbewerbes durch Ghiberti, I commentarii, ii, 6.1., s. 92–93. Ghibertis Formulierung: »Mi fu conceduta la palma […]« (ebenda, ii, 6.1., s. 93), so gängig sie sein mag, ist möglicherweise eine Verbalreminiszenz an plinius, genauer an die errungene palme (»concederet pal­ mam«) des parrhasios (auf Kosten von Zeuxis); s. plinius, NH, XXXV, 65, s. 54. ernest h. wilkins, »die Krönung petrarcas«, in: Petrarca, hrsg. v. August Buck, darmstadt, 1976, s. 100–167 (übersetzte und überarbeitete Fassung von derselbe, »the coronation of petrarch«, in: Speculum, 18, 1943, s. 155–197), s. 100; zum einfluss der kapitolinischen wettstreittradition auf pe­ trarcas laurea ebenda, s. 108ff. nicht wenige Aussagen petrarcas über die dichterkrönung zeugen davon, dass er in ihr ein derivat des Agonalen sah, v. a. sein kurz nach ihr verfasster Brief (dyalogus) an robert von Anjou petrarca, Familiarum rerum libri, iV, 7, Bd. i, s. 171–174; und petrarca spricht im Brief vom 30. April 1341 an Barbato von sulmona (ebenda, iV, 8, 1f., Bd. i, s. 174–175, s. 174) vom großen Zulauf und Jubel des Volkes, vom Urteil des preisrichters, nämlich des Königs (»[…] magna populi frequentia et ingenti gaudio, peractum est quod nudius tertius de me rex apud neapolim decreve­ rat […]«), nachdem er bereits am 1. september 1340 im Brief an Kardinal colonna vom »richter über sein ingenium« (»ingenii iudicem«) gesprochen hatte (ebenda, iV, 4, Bd. i, s. 167). dass die dichterkrönung, nach petrarcas Beschreibung, viel von einer mittelalterlich­universitären Graduie­ rung hatte, steht auf einem anderen Blatt. eine Zusammenschau sämtlicher Quellen zum 8. April 1341 in wilkins, [1943] 1976, s. 101–104; zu diesem ritual ferner statt vieler Buck, 1952, s. 211f.

1. Agon – Paragone: Grundsätzliche Berührungspunkte

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Bildhauerkunst dem mutatis mutandis in nichts nachstand,442 dann sind öffentliche Ver­ anstaltungen dieser Art, sei es der intention, sei es der wirkung nach, mitunter als pro­ pagandistische Aktionen zur Glorifizierung bestimmter Kunstgattungen zu betrachten. Kaum zufällig machten diejenigen Künstlerwettbewerbe des Quattrocento am meisten von sich reden, die sich um prestigeträchtige, im stadtbild weithin sichtbare denkmäler, wie reiterstandbilder oder Fassadenschmuck, drehten.443 dieser Blickwinkel gibt uns eine Ahnung davon, wie außerordentlich konstitutiv selbst gattungsinterne Künstler­ wettbewerbe für den paragone gewesen sein müssen. im Zuge der rhetorisierung ge­ horchten die von Zeitzeugen vorgenommenen Beschreibungen einzelner certamina des 15. Jahrhunderts vielfach altbewährten Klischees, man könnte sagen, einem perpetuier­ ten motivischen repertoire. dessen sollte sich noch Giorgio Vasari als Künstlerbiograf ausgiebigst bedienen: von der (zwecks Aufrechterhaltung des eigenen selbstwertgefüh­ les) Vermeidung der Konkurrenz mit überlegenen Virtuosen bis zum anspornenden wetteifer mit ihnen.444 in mancher frühneuzeitlichen Maler­ oder Bildhauerbiografie – wie der Vita des universalen Brunelleschi – wurde fast beiläufig der tenor vom wett­ kampf als triebfeder des handelns der Künstler angestimmt. so heißt es zum Beispiel bei Manetti über Brunelleschis perspektivisch gemalte tafel des Florentiner Baptisteriums,

442 Kaum zufällig klingt Krautheimers Bewertung des wettbewerbes von 1401 ganz ähnlich wie wilkins einschätzung von petrarcas dichterkrönung (s. oben): »[…] it promised to be the most important of all contests ever held in the realm of sculpture«; s. Krautheimer, [1956] 31982, s. 34. 443 dazu zählt der wettbewerb um die Fassade, die Bronzetüren des Florentiner Baptisteriums von 1401 s. App. ii/h­a; zu Bildhauerwettbewerben um reiterdenkmäler s. App. ii/h­c und App. ii/h­e. pontano (pontano, Charon, 5.d, s. 90) erzählt die Anekdote über einen wettbewerb um eine statue des hl. Martin auf öffentlichen plätzen. 444 Jacopo sansovino bekam von Vasari, Le vite, Bd. Vii, s. 510 das diktum in den Mund gelegt: wer mit Größeren streite, werde größer, wer mit den Kleinen streite kleiner: »era animoso, e da giovane ebbe diletto di concorrere co’maggiori di lui: perchè esso diceva che a contender co’grandi si avanza, ma co’piccoli si discapita« (m. e. abhängig von seneca, De providentia, 2, 3). – ein Vorbild für die Ver­ meidung von Konkurrenz wegen des Gefühls der Minderwertigkeit in cicero, De oratore, ii, 25, s. 223: der römische dichter Gaius lucilius habe festgehalten: »persius soll mich nicht lesen«, denn sein dichterkollege persius galt als der Gelehrteste. dieses Muster bestimmt v. a. ein Motiv in Vasaris leben des Malers niccolò soggi; vgl. Vasari, Le vite, Bd. Vi, s. 23: »[…] prese partito di ritornarsene in Arezzo; nella quale città aveva più amici, maggior credito, e meno concorrenza.« Oft zitiert ist die faktisch verweigerte Konkurrenz Giovanni Bellinis mit Mantegna im studiolo der isabella d’este, wie sie der venezianische Kunstsammler Michele Vianello im Brief vom 25. Juni 1501 schildert; s. AsM, Busta 1439, fol. 319 (zitiert in clifford M. Brown und Anna Maria lorenzoni, Documents for the History of Art and Culture in Renaissance Mantua. Isabella d’Este and Lorenzo da Pavia, Genf, 1982, s. 159, dokument 8). die teilnahme am wettbewerb als Beweis der tugend in der Vita Giovanni Bolognas (Vasari, Le vite, Bd. Vi, s. 191: »[…] mostrare la sua virtù e farsi tenere quello che egli era«).

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

er habe sie in ihrer Marmornachahmung besser gemacht, als jeder Miniaturmaler es habe tun können.445 seit der Antike dreht sich der Künstleragon, der fiktive wie der faktische, angesichts der Aussicht auf ruhm um die Frage, wer der Beste ist, sprich wer anerkanntermaßen – nach dem subjektiven Urteil eines einzelnen oder mehrerer Juroren – in einem Kräfte­ spiel die beste künstlerische Qualität an den tag legt.446 Zumindest der dichteragon war, im Banne des Kultischen, von zeremoniell­performativen elementen begleitet; mit diesen leistete man der Faszination des publikums für sinnesreize Genüge.447 welchen einfluss besaßen diese Agone nun, das heißt die zur Verfügung stehenden nachrichten über sie, auf die wertsetzungen im frühneuzeitlichen paragone? dieses Feld ist weit­ gehend unerforscht. die leichtfertige, in der neueren Forschung wiederholt zu beobach­ tende ersetzung des Begriffes ›paragone‹ durch ›Agon‹448 ist kaum mehr als ein tautolo­ 445 Manetti, Vita, s. 57: »[…] e tanto a punto co’ colori de’ marmi bianchi e neri, che non è miniatore che l’avessi fatto meglio; […]«; vgl., im hinblick auf seine Vertiefung in die Kunsttheorie, Alberti, Vita anonyma, s. 68: »[…] adeo nihil a se fore praetermissum voluit, quo fieret [ut] a bonis approbaretur.« ([…] er wünschte so sehr, nichts auszulassen, wodurch er die Anerkennung der edlen gewinnen konnte). 446 Zur hierarchie der besten Bildhauer und Maler der Antike (nach ermessen des jeweiligen Autors) s. App. V: Schema 2a–b. – Apelles erhält den status als Bester mit seinem – bezeichnenderweise im wettstreit (»in certamine«) – gemalten pferd; lebendige pferde bildeten die ›Jury‹ (vgl. plinius, NH, XXXV, 95, s. 74/75). die suche von Mäzenen nach den ›besten‹ Vertretern verschiedener Kunstgat­ tungen ist circa 1487–1488 thematisiert in Antonio Bonfinis Vorwort zur Volgare­Fassung von Filare­ tes Architekturtraktat. der Adressat war Matthias corvinus, als es heißt: »disquis statuarios, plasti­ cos pictoresque optimos undique accersi iubes; […]« (du suchst nach den besten Bildhauern, plastikern und Malern und trägst ihnen auf, sich dir anzuschließen); Averlinus Antonius, De architectura libri XXV, Ex Italico traducti et Mathiae regi dicati ab Antonio de Bonfinis. ›praefatio‹, fol. 3r, Venedig, Biblioteca nazionale di san Marco, Ms. 2796; zitiert nach rózsa Feuer­tóth, Art and Humanism in Hungary in the Age of Matthias Corvinus (studia humanitatis. publications of the centre for renaissance research 8), Budapest, 1990, s. 122. 447 Quellen zu vielen Kulthandlungen – v. a. aus strabon, photius – bei renata von scheliha, Vom Wettkampf der Dichter. Der musische Agon bei den Griechen (castrum peregrini 177/178), Amsterdam, 1987, s. 13ff. 448 Anzutreffen in manchem Beitrag von Im Agon der Künste, 2007, passim und, mit der Kapitelüber­ schrift »Agon«, aber bezugnehmend auf Konkurrenzen in der frühen neuzeit, Goffen, 2002, s. 25ff.; zur antiken terminologie für den wettbewerb scanlon, 1983, s. 147–162. die renaissanceautoren verwenden den Begriff »agon« in Bezug auf zeitgenössische wettbewerbe nicht; calepino (calepino, Dictionarium, s. v. »agon«) kennt den Bezug auf den antiken Brauch. Ghiberti verwendet für den wettbewerb seiner eigenen Zeit, wie erwähnt, »conbattimento dell’arte« (Ghiberti, I commentarii, s. 93). Für den von dichterwettbewerb von 1441 haben wir Albertis authenische terminologie: »que­ sto certame coronario«, auch die von leonardo dati und niccolò della luna, wobei letzterer an zwei stellen, mehr auf die triebfeder dieses wettbewerbes bezogen, den Begriff »emolumento« verwendet; De vera amicitia, 2007, s. 503, s. 509 (Alberti); s. 352, i, v. 3 (leonardo dati); s. 494 (»degnissimo exercitio del certame«) und »emulamento« auf s. 498 (niccolò della luna).

1. Agon – Paragone: Grundsätzliche Berührungspunkte

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gisches Manöver, das in keiner weise bei der Beantwortung der zentralen Frage hilft, wie tief sich der antike Agon in die kulturgeschichtliche Überlieferung unserer Zivilisa­ tion eingeprägt hat und inwiefern er den paragone schürte. selbst dem kursorischen Blick erschließt sich, dass die tradierten Malerwettbewerbe des Altertums, weit eindeuti­ ger als wettbewerbe unter Bildhauern, ungezählte Male – und sei es nur indirekt – gat­ tungsorientierte werthaltungen offenbaren. nennen wir einige Beispiele: Unter den Maleragonen – deren Anfänge setzt plinius gegen Mitte des 5. Jahrhunderts vor christus an – 449 bildet die täuschungskraft den parameter in der demonstratio ad oculos von Zeuxis gegen parrhasios, mit nachhaltigem eindruck auf Malerkonkurrenzen der renaissance.450 die höchste subtilität der linien­ führung entscheidet den wettstreit zwischen Apelles und protogenes, der, einerseits durch das reduktionistische element in der Kunst (schon ein strich gibt den Ausschlag), andererseits durch die Ansiedelung zwischen Affront und revanche, die Züge einer ›Ur­ geschichte der agonalen interaktion‹ in sich trägt.451 das Gros der Forscher hat mit recht ein stilphänomen als Angelpunkt dieses status­Kampfes ausgemacht, geht es doch um

449 Gemeint ist der wettstreit zwischen panainos – timagoras s. App. ii/O­a, s. 731f. 450 Zu den Quellen des wettstreites zwischen Zeuxis – parrhasios s. App. ii/e; vgl. die Varianten der Anekdote in den ersonnenen Künstlerkonkurrenzen von lomazzo, Libro dei sogni, s. App. ii/G­g und derselbe, Trattato, s. App. ii/G­i; dazu hessler, 2002, s. 85. Zur Anekdote bei plinius Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 90; lecoq, 2002, s. 57; hinz, 1998, s. 66–67; Julian Kliemann, »die Virtus des Zeu­ xis«, in: Die Virtus des Künstlers, 2006, s. 197–229 und wolfgang iser, Das Fiktive und das Imaginäre. Perspektiven literarischer Anthropologie, Frankfurt a. M., 1993, s. 113. – Als Grundlage dieses wett­ streites wird eine elegie des nikomachos (4. Jh. v. chr.) vermutet, der alle Konkurrenten in einem fiktiven Malerwettstreit Urteile über die anderen abgeben ließ; Grundlage ist hephaistion, De metris, p. 15, 5; 4, 3; näheres in Otto Jahn, »Über ein pompejanisches, den herakles bei der Omphale dar­ stellendes wandgemälde«, in: Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Classe, 7, 1855, s. 215–305, s. 291. Zu Zeuxis versus parrhasios auch (anlässlich von sandrarts radierung mit dem thema) Wettstreit der Künste, 2002, s. 229–230, Kat.­nr. 37; zu Allusionen auf die Anekdote in der Malerei des Quattrocento, s. cap. V; Asemissen/schweikhart, 1994, s. 12ff. mit Bildbeispielen aus dem 16. Jahrhundert, v. a. die illustration des petrarca­Meisters von circa 1520 zum dialog über die Malerei in der deutschen Aus­ gabe von De remediis (Abb. 6) und das Vasari­Fresko in Arezzo (Abb. 7). 451 nach Goffmans Klassifikation der interaktionsrituale fällt der wettstreit zwischen Apelles und pro­ togenes unter die rubrik: »aggressive Verwendung von techniken der imagepflege«; dazu Goffman, [1967] 1986, s. 30ff. wahrscheinlich besteht eine enge Verbindung zwischen diesem wettstreit und dem auf die linie ausgerichteten wahlspruch des Apelles, »nulla dies sine linea« (Kein tag ohne linie), wie ihn plinius kolportiert (plinius, NH, XXXV, 84, s. 66/67); interessante reflexionen über die linie auch in einem passus bei Martino Filetico, Iocondissimae disputationes, iii, 127–128, zitiert in cap. Vi.2.3.

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

die individuelle handschrift und linienführung.452 ein anderes spannungsverhältnis, die Ablösung des Buchmalers Oderisi da Gubbio durch den jüngeren Franco Bolognese, auch die des reifen cimabue durch Giotto, resultiert aus der stärkeren innovatorischen Kraft des jeweils jüngeren, begabteren Künstlers.453 nicht allein in den 1398 erfolgten expositionen, die einer der führenden florentinischen humanisten, coluccio salutati, hinterließ, kreist eine Malerkonkurrenz um das Kriterium Zeit. Gut sechzig Jahre da­ nach unterliegt bei Angelo camillo decembrio ein Maler – trotz seiner schnelligkeit und größeren produktivität – einem schneider, der im gleichen Zeitraum, in dem sein rivale dreißig Gemälde malt, nur ein einziges Gewand vollendet. die, was zunächst nicht einleuchtet, Kapitulation des Malers erklärt sich daher, dass er geringere Kunst und Mühe an den tag legte. denn, so weiß der schneider sophistisch zu intervenieren, der Maler benötige weniger pinselstriche als er nadelstiche – ein rivalisierender Ver­ gleich also auch der Künstlerwerkzeuge und des prozedere.454 in leonardos paragone

452 Zu den Quellen des wettstreites zwischen Apelles – protogenes s. App. ii/d; grundlegend henri van de waal, »the ›linea summae tenuitatis‹ of Apelles. pliny’s phrase and its interpreters«, in: ZfÄsth, 12, 1967, s. 5–32; von der »duell­Anekdote« spricht sabine Mainberger, »›der Künstler selbst war abwe­ send‹. Zu plinius’ erzählung vom paragone der linien«, in: Im Agon der Künste, 2007, s. 19–31, s. 24; über die deutung dessen als perspektivisches problem bei Ghiberti in Matthias winner, Die Quellen der Pictura-Allegorien in gemalten Bildergalerien des 17. Jahrhunderts zu Antwerpen, diss. Köln, 1957, s. 10f.; ferner Anne­Marie lecoq, »Apelle et protogène. la signature­ductus«, in: Revue de l’Art, 26, 1974, s. 46–47; dieselbe, 2002, s. 57; die (laut plinius) unterschiedliche Farbigkeit der drei striche ist der entscheidende Aspekt für philipp Fehl, »dürer’s literal presence in his pictures«, in: Der Künstler über sich, 1989, s. 191–244, s. 212, Anm. 58; m. e. missverstanden als Ausdruck »freundschaftlicher Konkurrenz« von prochno, 2006, s. 31; nach paul Barolsky, Warum lächelt Mona Lisa? Vasaris Erfindungen, [engl. orig. pennsylvania state University, 1991] Berlin, 1995, s. 21 stand der wettstreit pate für die Anekdote von Giottos ›O‹; dazu irving lavin, »the story of ›O‹ from Giotto to einstein (ex­ cerpt)«, in: Oberflächen der Theorie, hrsg. v. horst Bredekamp, Berlin, 2003, s. 37–43. 453 Zur breiten rezeption der beiden rangstreitmotive der Divina Commedia s. App. ii/F­a und b; Gof­ fen, 2002, s. 10; dieselbe, »signatures. inscribing identity in italian renaissance Art«, in: Viator, 32, 2001, s. 301–370, s. 310–311, auch Johann Konrad eberlein, Miniatur und Arbeit. Das Medium Buchmalerei, Frankfurt a. M., 1995, s. 172–173. 454 Zu decembrio, De politia litteraria, s. App. ii/l; Beachtung fand die episode erstmals 2002 in der edition von witten (ebenda, s. 93); die Fragwürdigkeit des Kriteriums der reinen Quantität (anstelle von Qualität) der Malerei ist vorgegeben in themistios, Orationes, 34, 11; das Kriterium der schnel­ ligkeit der Ausführung eines Gemäldes in plutarch, Moralia, 5, 94 und derselbe, Perikles, 13, 159; zu diesem typus des wettstreits hessler, 2008, s. 137–138; decembrio lieferte auf diese weise Vorstu­ fen für den paragone der Künstlerutensilien – pinsel gegen Meißel –, wie er im cinquecento populär werden sollte (ein Beispiel, aus Matteo Bandellos Canti, im App. ii/G­a, s. v. Cinquecento). – Zu salu­ tatis Malerwettstreit in salutati, Epistolario, s. App. ii/G­b; die rivalität zwischen den in den stoff gewebten Figuren und denen, die von Apelles gemalt wurden, bereichert die Hypnerotomachia Poliphili. es ist von einem schmuckportal die rede, den ein Vorhang [»mirabile cortona«] mit zwei in Gold und silber gewebten Figuren verdeckt, als es heißt: »[…] la formositate delle quale [imagini]

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unterliegt ein namenloser dichter einem porträtmaler. Zu gering ist die Affektwirkung seines werkes auf den Betrachter, dessen liebe mehr von einem gemalten Bildnis als von einem Buch affiziert wird.455 im cinquecento schließlich, in einer episode, die der Ge­ schichtsschreiber paolo Giovio in einer epistel entfaltet, gewinnt ein porträtmaler wegen der besten dissimulatio die Oberhand gegenüber zwei Berufskollegen; und 1552, in An­ ton Francesco donis Trattati diversi, gibt die lukrativste Ausbeute, die dem jeweiligen Broterwerb abzugewinnen ist, den Ausschlag in der Konkurrenz zwischen verschiedenen Berufsständen, unter ihnen ein Maler.456 halten wir fest: Alle diese Kategorien – täuschend echtes rilievo, subtilität, ingeni­ um, fatica, schnelligkeit, dissimulatio und werttaxierung der Kunst – formen den para­ gone maßgeblich.457 es ist vornehmlich der rein fiktive Künstlerwettbewerb, der die sinnhaftigkeit der werte inszenatorisch pointiert: meist dynamisch in der kausalen Ab­ folge von selbstgefälliger Aktion eines herausforderers und überbietender reaktion des Kontrahenten. tatsächlich kann dieser typus des ersonnenen Künstlerwettstreits als formelhafte, mit Akteuren entfaltete inszenierung von Überbietungsmotiven begriffen werden. so sehr auch dem faktisch ausgerichteten Künstlerwettbewerb, im Unterschied zum fiktiven, ein gewisser pragmatismus (im wunsch nach definitiver Urteilsfindung) zugrunde liegt, so wenig entfernt sich das aus ihm hervorgehende Kunsturteil von der vertrauten werteskala.458 das heißt: die axiologische wesensbestimmung der verschie­ denen Künste erfährt im wettstreit, im triumph des Gewinners, eine affirmative steige­ rung. innerhalb des gleichen wertmaßstabes bleibt der Verlierer hinter ihm zurück. Und doch sind sie – wie die disputanten im paragone – Vertreter, besser: nun Agenten rivali­ sierender werthaltungen, womit keineswegs der plattheit das wort geredet werden soll, ein Künstlerwettstreit sei eine Art ›gelebter paragone‹.

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non immerito me dehortava che cum peniculo, quantunque del praeclaro Apelle, so potesse agiunge­ re«; Hypnerotomachia Poliphili, [fol. 2v], Bd. i, s. 85. der prototyp ist der mythologische wettstreit zwischen Arachne, der tochter eines purpurfärbers, mit Athene auf der Grundlage von Ovid, Metamorphosen, Vi, vv. 5ff. Zu leonardo, Libro di pittura, i, s. App. ii/G­d; vgl. Xenophon, Memorabilien, iii, 11, 1ff.; zum pas­ sus bei leonardo Farago, 1992, s. 356f.; als »set piece« bewertet von Goffen, 2002, s. 401, Anm. 99. Zu paolo Giovio, Lettere, s. App. ii/G­e; unbeachtet von der Forschung zum paragone doni, Trattati diversi, s. App. ii/G­f; vgl. die tradition des Berufsagons in Froleyks, 1973, s. 208ff. Grundlegend für das rasch expandierende Forschungsgebiet der wertkriterien im paragone Mendel­ sohn, 1982, s. 119ff. und Barocchi im Vorwort zu Scritti d’arte, 1971–1977, s. 465ff. siehe zum Beispiel App. ii/G­c die werte, die den Gedichten über den wettstreit zwischen pisanello und Jacopo Bellini zu entnehmen sind.

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1.2. streittypen: ›Guter neid‹, die wette, wettstreit und paragone es wäre eine Fehleinschätzung zu glauben, die frühen italienischen humanisten hätten keine klassifikatorische Ader hinsichtlich des wettstreites besessen, deren Ausstrahlung auf den paragone nicht zu verspüren gewesen wäre. Mit recht lässt kaum eine publikati­ on zur frühneuzeitlichen rangstreitkultur die auf hesiod zurückgehende Unterschei­ dung zwischen zwei Arten der eris aus, deren durchsetzungskraft in unserer abendlän­ dischen Kulturüberlieferung außer Frage steht: die zwischen der ›kampfbringenden Zwietracht‹ und dem ›segenspendenden wettstreit‹.459 Allerdings geschieht dies unter Auslassung dessen, was für unseren Fragehorizont so wichtig wäre: die rezeptionsstränge im Quattrocento. Bedeutender als Angelo camillo decembrios Ausführungen zu »eris«, die er am leitfaden von hesiods schroffer Antithetik entwickelte und bedeutender als Albertis definition des streites als »tochter des ehrgeizes« (sie fällt in einem Kapitel über Gemälde) fielen die in Künstlerkreisen aus, von keinem Geringeren als leonardo da Vinci. es besitzt fraglos hesiodische tönung, wenn leonardo – es ist eine schlüssel­ stelle des Libro di pittura – vom Maler die anstachelnd­konstruktive »invidia bona« na­ hezu als sittlichen imperativ einfordert. »der gute neid«, so prophezeit er dem Maler, »wird dich anstacheln, unter die Zahl derer zu gehören, die mehr als du gelobt werden, denn das lob für andere wird dich anspornen.«460 in Anbetracht der Parte prima dürfen wir vermuten, dass »lob für andere« den neid der Maler auf die jeweils anderen Virtuo­ sen implizierte, genauer, die Bildhauer (und vice versa den der Bildhauer auf die Maler). Jedenfalls beschwor die Florentiner Signoria 1471 öffentlich die in ihrer »freien stadt«

459 hesiod, Erga, 16ff., s. 82/83; vgl. scheliha, 1987, s. 8; eine sichtung der relevanten studien bei patz, 2007, s. 10, Anm. 9. 460 Zu Unrecht in der Bedeutung übersehen: leonardo, Libro di pittura, ii, 71, s. 180: »[…] la invidia bona ti stimulerà ad essere nel numero de’ più laudati di te, ché l’altrui lode ti spronerà […]«; vgl. ebenda, ii, 65a (der Maler als »Magnet für den neid« ebenda, ii, 65, s. 176: »[…] calamita d’invidia […]«). der reflex auf hesiod, Erga, 16ff. in decembrio, De politia litteraria, Vii, cap. 81, s. 504: »itidem ἔρις, eris, eridos ›lis, litis‹ vel ›controversia‹ paria sibi componi desiderat, ut Ἐριχθόνιος, a poetis pro ›terrae lite‹ celebratus. inde Erinnis inferorum, Erimantus, nulla cum aspiratione, ›litem serendo divinans‹, de quo iuvenalis: aut Disiphilus aut Erimantus. Quippe et Erimanthus, mons Arcas, cum th et ›lite‹ tamen iunctum nomen, […].« Alberti, Intercoenales, iii, cap. ›picture‹, s. 130: »›contentio‹, Ambitionis filia«. die rolle der guten eris zeigt sich auch darin, dass sie es ist, die mit dem hinwerfen des ›Zankapfels‹ den schönheitsagon zwischen hera, Athene und Aphrodite auslöst; über den positiv konnotierten wettstreit decher, 2005, s. 50f.; s. auch die erhellende Untersuchung von ingrid Odel­ stierna, Invidia, invidiosus, and invidiam facere. A Semantic Investigation, Uppsala und leipzig, 1949, s. 16ff. und s. 44ff. über die wortbedeutung von »invidia« bei lorenzo Valla. eine personifikation der Eris befand sich laut pausanias, Beschreibung Griechenlands, V, 18 auf der Kypseloslade in Olym­ pia.

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grassierende Macht des neides auf alle Künstler.461 Aber der im Quattrocento am weit­ aus häufigsten dokumentierte neidtypus war der zwischen Künstlern der gleichen Be­ rufssparte, womit das hesiod­diktum eine Bestätigung erfuhr: »der töpfer beneidet den töpfer« (»κεραμε`υς κεραμεˆι κοτέει«).462 nachdem diese, für Aristoteles noch im­ mer rezitable sentenz den sophisten dion von prusa in seiner schrift Vom Neid erstmals zu reflexionen über die Missgunst unter bildenden Künstlern (Baumeistern und Ma­ lern) stimuliert hatte, bewies leon Battista Alberti im dialog Momus seu il principe seine Kenntnis der hesiodischen wendung.463 sie bestätigt, was Aristoteles und in seinen spu­ ren dante als disposition für den neid erkannt hatten, dass der neid nur auf der Basis einer gewissen Gleichheit erstehe. seiner Organisationsstruktur nach bietet der Künst­ lerwettbewerb, in dem der Bildhauer oder der Maler als Gleicher unter Gleichen auftritt (d. h. im reinen Maler­ beziehungsweise Bildhauerwettbewerb), nahezu modellhaft die ›Bühne‹ für die Freisetzung des neides. das Quattrocento, als das Zeitalter brüchig ge­ wordener Grenzlinien zwischen den figurativen Künsten, bot hinlänglich Voraussetzun­ gen für gattungsübergreifende Künstlerwettbewerbe, so sehr uns das Quellen­spektrum

461 Giovanni Gaye, Carteggio inedito d’artisti dei secoli XIV, XV, XVI, 3 Bde., Florenz, 1839–1840, Bd. i, s. 236: »nosti enim pro tua sapientia quantam vim habeat invidia atque avaritia in opiciis. et in libera civitate saepe maior licentia est.« es handelt sich um die an lodovico Gonzaga adressierte dankesrede angesichts seiner Bereitschaft, für die Fertigstellung des brachliegenden Baues von ss. Annunziata sorge zu tragen. 462 hesiod, Erga, v. 25, s. 84. 463 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Viii, 2, 1155b; extensiv die Auslegung in dion von prusa, Vom Neid, in: dion von prusa, Reden, s. 755–771; Alberti, Momus, ii, s. 158: »heus Mome, num et, quod aiunt, figulus figulo, faber fabro […] invideant?« dass der neid nur nahes und Verwandtes sehe, auch in petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 106 (»dell’avere invidia ad altrui«), Bd. ii, s. 356; über den neid Alberti, Philodoxeos, s. 147. Zwischen 1449 und 1452 hatte niccolò perotti die Oratio de invidia von Basilius dem Großen und von plutarchs De differentia inter odium et invidiam übersetzt. – die Belege zum Künstlerneid im Quattrocento sind zahlreich; s. zum Beispiel den Zorn Brunelleschis um 1430 über die Abwertungen von erfindungen anderer in taccola, De machinis (BsBM, cod. lat. Monacensis, 197 ii, fol. 107v), abgedruckt in Renaissance Engineers. From Brunelleschi to Leonardo da Vinci, Ausstellungskatalog (Florenz, palazzo strozzi, 22.06.1996–06.01.1997), hrsg. v. paolo Galluzzi, Florenz, 1996, s. 17, Abb. 8; eine Anekdote zu donatellos herabsetzung der werke Ghibertis in Detti piacevoli, nr. 42. in Florenz ist neid unter konkurrierenden dichtern bei­ spielsweise zwischen luigi pulci und Matteo Franco belegt. in einem Brief an lorenzo de’ Medici von 1476 ließ Franco kein haar an seinem Opponenten, dem er Aufdringlichkeit, widerwärtiges, Zynis­ mus, Arroganz, narrheit und streitsucht nachsagte; s. Matteo Franco, Lettere, nr. 2, s. 73: »Gigi [pulci] è inportuno, Gigi è fastidioso, Gigi ha pessima linghua, Gigi paçço, Gigi arogante, Gigi seminato[r]e di schandoli, Gigi ha mille difetti secondo voi […].« – im hinblick auf den paragone ist eine detaillierte Geschichte des personifizierten neides in der Kunst nicht am platz; zu Giottos perso­ nifiziertem Neid in der Arena­Kapelle decher, 2005, s. 14.

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über Veranstaltungen dieser Art im Unklaren lässt.464 Aber nachweislich wurden keineswegs immer Arte­ fakte aus identischen Materialien als Konkurrenz­ entwürfe bei öffentlichen Künstlerwettbewerben eingereicht. das kann mit einem prominenten Bei­ spiel namhaft gemacht werden: mit der Option der freien Materialwahl hinsichtlich des Colleoni­denk­ mals in Venedig (Abb. 19). Felix Fabri nämlich, ein deutscher dominikaner, referiert 1483 in seinem tagebuch die an die Bildhauer gerichtete Forderung nach einem »pferd […] aus jedem beliebigen Mate­ rial, das sie wollten«. die drei (nach dem Urteil der Jury) besten Konkurrenzentwürfe sind diesem wunsch offenbar nachgekommen: ein lebensnahes (»vivax«) aus holz, ein rötliches (»ruffum colore«) aus terrakotta und das letztlich siegreiche Modell: ein feines (»elegantissim«) aus wachs.465 Zu behaup­ ten, diese Konkurrenz stehe in keinem mittelbaren Zusammenhang mit dem paragone, hieße zu unter­ 19 Andrea del Verrocchio, Reiterdenkmal des stellen, dass Materialqualitäten außerhalb der künst­ Bartolomeo Colleoni, 1479­88 [1496], Venedig, lerischen positionierung und fern des agonalen Be­ campo ss. Giovanni e paolo wertungshorizontes der preisrichter gelegen hätten. Man beachte das von Vasari kolportierte Gerücht über das nachspiel von Verrocchios Bronzestandbild des Colleoni. es habe dekaden später den impuls für Giorgiones ›para­ gone­Bild‹ eines nackten gestiftet, der sich mehrfach (in Konkurrenz zur Vielansicht einer statue) innerhalb des Bildes spiegelte. dieser Fall erhärtet den Verdacht, dass komplexe Vernetzungen zwischen Künstlerwettbewerben und paragone­legenden bestehen.466 464 die erforschung dieses speziellen Bereiches lässt zu wünschen übrig. Man sucht selbst die themati­ sierung der Frage nach realen gattungsübergreifenden Künstlerwettbewerben in der Forschungslitera­ tur vergebens. 465 Zum eintrag Felix Fabris s. App. ii/h­e, nr. 2; zu diesem Bildhauerwettbewerb Butterfield, 1997, s. 166. Offenbar hatten in diesen Fällen die themenvorgaben priorität, nicht die materielle Konkre­ tion, die immer auch den modus operandi der Anfertigung bestimmte. 466 Vasari (s. App. ii/i, nr. 4) verbreitete dieses Gerücht über Giorgiones rivalität zu Verrocchios Colleoni; (vgl. teil 1, Anm. 408) aus der – im wetteifer mit der rundansichtigen skulptur – die gemalte Figur eines nackten hervorgegangen sei, der sich in verschiedenen Ansichten spiegelte (weitere Quellen – sie sprechen von einem Hl. Georg – ebenda, nr. 1–9). Vermutlich sorgte die Ausführung von Verrocchios reiterstandbild in ›spiegelnder‹ Bronze zu dieser Art von Mythenbildung. Merkwürdig im Kontext des paragone ist, dass Girolamo Mocetto gegen 1506 Verrocchios Colleoni als Folie für die Verleumndung des Apelles verwendet; zu diesem stich Wettstreit der Künste, 2002, Kat.­Kat. 16. Zur

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diese frappanten Bezüge liefern uns den hauptgrund dafür, dass die Vertiefung in die­ sen Zusammenhang trotz folgender nicht zu leugnender Gegensätze lohnend sein dürf­ te: der wettbewerb als pragmatischer Vorstoß dient mehr dem sein, die Vorrangkämpfe in paragone­diskursen in bester sophistenart hingegen dem schein. Und, anders als der paragone, besitzt der Künstlerwettbewerb – schon allein aufgrund fester leitsätze bei der Urteilsfindung – eine juridische, auf Überwindung der Konfliktstruktur abzielende Komponente.467 wer aber könnte in Abrede stellen, dass der einzelne teilnehmer im Künstlerwettbewerb mit den stärken seiner Gegenspieler nicht nur in Berührung kam, sondern dass sich unter den Anwärtern auf den sieg, ähnlich wie im paragone, die jewei­ ligen stärken zur vitalsten aller möglichen selbstbehauptungen in der Kunst gegenseitig hochschaukelten?468 dies konnte geschehen, da Künstlerwettbewerbe zu keiner Zeit eine ›Grauzone‹ der ästhetischen, auch nicht der gattungsspezifischen werte darstellten; sie brachten diese im Gegenteil zutage. eine allzu rigide Grenzziehung zwischen Künstler­ wettbewerben und paragone­diskursen lässt daher wichtige Momente der Genese des paragone außerhalb des Blickfeldes.469 Unter den streittypen behauptete – nicht zu vergessen – auch ein mehr spielerisch­ rituelles Genre seinen platz, das von der dynamik der entscheidung lebt; es kann als dramatisierung von statusinteressen betrachtet werden: die wette, im italienischen »scom[m]essa« (lat. »vadium«). deren Bedeutung brachte nicht erst jene »wette« über den paragone ans licht, die, Vasari zufolge, in rom zwischen einigen Gefolgsleuten des Kardinals Alessandro Farnese ausgetragen worden sei.470 ein einfall leonardos im Libro di pittura, anzusiedeln im intervall zwischen wettstreit und wette, macht ersichtlich, dass der wettstreit, auch der der Künste, bereits im Quattrocento in dieser Gestalt in erscheinung treten konnte, nämlich als regulativ, das angesichts einer streitfrage, die gelöst werden soll, ein finales entweder/Oder erzwingt. sie hieß für leonardo: wem unter ein paar Zeichnern, die jeweils einen strich auf eine wand malen, gelingt am besten

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Giorgione­episode Goffen, 2002, s. 60f., mit der datierung dieser paragone­debatte in das Jahr 1496. An eine Fiktion glaubt ebensowenig lauber, 2002, s. 98–115; im Gegensatz dazu helke, 1999, s. 11–79, s. 62ff.; vgl. hecht, 1984, s. 125–127; Martin, 1995; hessler, 2002, s. 91–92. Zu dieser seite der Künstlerwettbewerbe Mareile Büscher, Künstlerverträge in der Florentiner Renaissance (studien zur europäischen rechtsgeschichte. Veröffentlichungen des Max­planck­instituts für europäische rechtsgeschichte Frankfurt am Main 157), Frankfurt a. M., 2002, s. 41ff. Als eiferer folgt der wettstreitende Künstler den Forderungen seines thymós, dem »regungsherd des stolzen selbst«; vgl. peter sloterdijk, Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch, Frankfurt a. M., 2006, s. 24; zum thymós, s. das 4. Buch von platons Politeia; huizinga, [1938] 1991, s. 185 sprach vom »agonalen trieb«, denn der wettbewerb fungierte durchweg als prinzip der leistungssteigerung. so beispielsweise prochno, 2006, s. 97ff. Über diese »wette« – es heißt explizit »scomessa« – Vasari 1547 im Brief an Varchi (Scritti d’arte, 1971–1977, s. 492). Ob als versuchte Authentisierung des Gesagten oder nicht, es heißt, Michelange­ los rat sei zur Klärung der streitfrage eingeholt worden.

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aus der distanz die einschätzung der strich­länge?471 Unter Verwendung einer Offerte aus der Naturalis historia schickt leonardo seine Zeichner demnach in eine situation, die das Grundmuster des legendären strich­wettstreites zwischen Apelles und protoge­ nes ebenso bemüht wie die Aussicht auf den siegespreis, eine Anleihe am Agon des Alter­ tums.472 dieses unbeachtete Beispiel macht uns den eklatanten Mangel an Aufmerksam­ keit gegenüber diesen Zwischenbereichen des Agonalen bewusst.

1.3. reale oder fiktive Künstlerwettbewerbe: die Frage nach der historizität die problematik, auf die jeder Forscher bei historisch orientierten kulturgeschichtlichen Analysen vieler Künstlerwettbewerbe des Quattrocento stößt, betrifft die deutungs­ kategorie der historizität. Als schulbeispiel für diese Verlegenheit kann der Malerwett­ bewerb zwischen Jacopo Bellini und pisanello um das optimale Bildnis des herzogs leonello d’este von Ferrara dienen, ein wettbewerb höfischen Gepräges. die Frage, ob er sich wirklich zutrug, steht mangels beweiskräftiger Befunde in einem Zwielicht der Forscher­Meinungen.473 denn: ein auf uns gekommenes strenges profilporträt des her­ zogs, das pisanello malte (Abb. 20), eignet sich ebensowenig als Beweis für einen wett­ bewerb, der dem voranging, wie der sachverhalt, dass der Guarino­schüler, der hofora­ tor lodovico carbone, tränen der rührung wegen eines Leonello­porträts in seinem studiolo vergoss. Auch ist Bellinis wiedergabe eines Fürsten aus dem hause d’este, das als stifterfigur eingang in ein Madonnenbild fand, im hinblick auf den Malerwettstreit nicht allzuviel Bedeutung beizumessen.474 Abgesehen davon, dass die beiden bekannten 471 die einschätzung der strich­länge soll für alle unter Zuhilfenahme eines strohhalmes stattfinden; s. leonardo, Libro di pittura, ii, 69, s. 179: »[…] e per assuefare lo ’ngegno a simili cose [sc. giudizio d’occhio] faccia uno di voi una linea retta a caso [in] s’un muro, e ciascuno di voi tenga una sottile fe­ stuca, o paglia in mano e ciascuno tagli la sua alla longhezza che li pare la prima linea, stando lontani per ispacio di dieci braccia, e poi ciascuno vada allo essempio a misurare con quella la sua giudiziale misura; e quello che più s’avicina con la sua misura alla longhezza dello essempio sia superiore e vinci­ tore et acquisti da tutti ’l premio di che innanzi da voi fu ordinato«; eine weitere streitfrage auch ebenda, iii, 306. – Zum Usus der wette huizinga, [1938] 1991, s. 62f.; die wette steht grundsätzlich in der tradition von weisheitsagonen und rätselwettkämpfen (vgl. Froleyks, 1973, s. 40ff.). 472 im Künstlerwettbewerb war der zu entrichtende siegespreis im normalfall die Auftragsvergabe, im Certame coronario von 1441 war es (in Anlehnung an antike Gepflogenheiten) ein ideeller wert als Motivationsschub: eine lorbeerkrone; dazu De vera amicitia, 1993, s. 509f. 473 Zuerst beachtet von Baxandall, 1963, s. 308f.; über den wettbewerb norberto Gramaccini, »wie Jacopo Bellini pisanello besiegte. der Ferrareser wettbewerb von 1441«, in: Idea, 1, 1982, s. 27–53; warnke, 1985, s. 123; ferner Andreas thielemann, Phidias im Quattrocento, (diss. Köln, 1992) Köln, 1996, s. 105ff.; witten in der einleitung von decembrio, De politia litteraria, s. 108; und im Kontext des individualstils von Künstlern pfisterer, 2002, s. 77f. 474 die neuere Forschung hält den Fürsten in Bellinis Madonna mit Kind im louvre für Ugo oder Melia­ duse d’este; dazu Pisanello, 1996, Kat.­nr. 260; die Abbildung auf s. 385. Aufschlüsse über den

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20 pisanello, Leonello d’Este, ca. 1444, Bergamo, Accademia di carrara

wettbewerb verheißt der leider verlorene, Jacopo Bellini gewidmete traktat des Giovanni da Fonta­ na, Liber de omnibus rebus naturalibus; dazu Bergdolt in Ghiberti, I commentarii, iii, s. XXi. – da sich die entstehungszeit von pisanellos profilporträt von Leonello (d. i. Anfang 1441) vor einer rosen­ hecke mit der datierung von Ulisse degli Aleottis sonett über den wettbewerb deckt (s. App. ii/G­c, nr. 1) herrscht zumindest ein weitgehender Konsens darüber, dass die Quellen zum wettbewerb ge­ gebenenfalls Bezug auf eben dieses heute in Bergamo befindliche porträt nehmen dürften; zusam­ menfassend die diskussion in Pisanello, 1996, s. 393f., nr. 265 und, mit der datierung des profilbild­ nisses auf 1444, in Gesichter der Renaissance, 2011, Kat.­nr. 70. – es könnte identisch sein mit dem von carbone genannten porträt, dessen ebenfalls rivalisierende Abwägung gegen ein anderes porträt und dessen Maler erhalten ist; so heißt es ca. 1460 in carbone, Oratio pro nepote Galeotti Assassini: Epicurum philosophum nobilissimum (zitiert nach Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, s. 171, nr. 78): »[…] plenum enim studiolum meum mille picturis, signis, tabulis, imaginibus. nunquam illam leo­ nelli aspicio quam Antonius pisanus effinxit quin mihi lacrymae ad oculos veniant, ita illius humanis­ simos gestus imitatur. tuam vero, inclyte dux, quam lodovicus castellanus expressit tanquam regi­ nam in medio caeterarum teneo, quae me ad virtutem, ad sapientiam, ad eloquentiam, ad omne genus elegantiae veneranda gravitate et augusta maiestate hortari videtur.« (Mein studierzimmer nämlich ist voll von unzähligen Gemälden, Figuren, tafeln und Bildern. nie schaue ich jenes [Bild] des leo­

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Quellen, die das certamen bereden – erstens ein auf 1441 datiertes sonett von Ulisse de­ gli Aleotti (1412–1468) zum lobpreis des Gewinners, des »summo pictore« Bellini (›pro insigni certamine‹), zweitens Angelo camillo decembrios Abwägung von stileigenhei­ ten der beiden porträtierenden Maler in De politia litteraria –,475 ergüsse der poesie sind, haben beide thesen etwas für sich, sowohl der von warnke geäußerte Verdacht auf eine literarische Fiktion als auch die Gegenposition, für die sich Gramaccini und Grafton stark machten.476 Man mag der zuerst genannten these erkennbare präfigurationen im Bildnisagon um Alexander den Großen zugute halten, vor allem aber im rangstreit zwi­ schen cimabue und Giotto. wir werden noch sehen, dass diesem in den letzten trecento­ dezennien das Flair eines wettbewerbes zuwuchs, und auch hier verdunkelte der ruhm des einen Malers den des anderen.477 Zugunsten der zweiten, dies relativierenden An­ sicht spricht die wettbewerbspraxis, die in Ferrara unter leonello d’este florierte. Zu deren Glanzlichtern zählte der kaum zwei Jahre später, 1443, ausgerufene Bildhauer­

nello [d’este] an, das Antonio pisano porträtiert hat, ohne dass mir die tränen in die Augen steigen, so sehr ahmt es dessen höchst menschliche Gesten nach. Aber deines, berühmter herzog [Borso d’este], das ludovico castellani dergestalt ausdrückte, als ob ich die Königin in der Mitte der übri­ gen halte, diese scheint mich zur tugend, weisheit, rednergabe, zu jeder Art des Geschmacks, der verehrt werden muss, durch würde und erhabene Größe zu ermutigen). 475 Zum sonett von Ulisse (BeF, Ms. iii d 22), das ein weiteres (›pro Jacobo Bellini pictore‹) ergänzt, s. App. ii/G­c, nr. 1. Für die these, dass jener »Ulisse« identisch ist mit Ulisse degli Aleotti, spricht ein gegen 1448 verfasstes sonett Aleottis auf ein heute verlorenes Bildnis Mantegnas von einer jungen nonne). – Zur Kommentierung des wettbewerbes durch den sprecher ›Leonello‹ in decembrio, De politia litteraria, s. App. ii/G­c, nr. 2. 476 warnke, 1985, s. 123; kontrovers Gramaccini, 1982, s. 27, Anm. 4: »die Anschaulichkeit der Quel­ len (und ihre divergenz […]) ebenso wie die tatsache, daß 1450, unter leonello d’este, ein zweiter wettbewerb für das reiterdenkmal niccolos d’este […] ausgefochten wurde […], schließen diese Annahme aus.« Vgl. Grafton, 2002, s. 308f. 477 Über die optimale darstellung des Fürsten (Alexander der Große) im ›Bevorzugungsstopos‹ s. App. ii/G­a; als wettbewerb ausgemalt ist die rivalität zwischen cimabue und Giotto bereits 1375 im ›falso Boccaccio‹, Chiose (s. App. ii/F­b, nr. 4). eine Allusion auf den verdunkelten ruhm ist es, wenn Ulisse schreibt: »da hatte er [pisanello] den sechsten Monat schon verwendet […], als […] Bel­ lini kam, der vortrefflichste Maler« (s. App. ii/G­c, nr. 1). ein Vorbild für decembrios deutung des wettbewerbes als Aufeinandertreffen zweier unversöhnlicher individualstile bietet der wettstreit zwischen Apelles und protogenes (s. App. ii/d), auch die seit petrarca als wettbewerb gedeuteten dioskuren (s. App. ii/c). – wie sehr topoi die Beschreibung von pisanellos Bildnissen prägten, zeigt auch eine Quelle von 1447: pier candido decembrio, Vita Philippi Mariae Vicecomitis (zitiert nach Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, s. 134, nr. 60): »cuius [sc. Filippo Maria Visconti] effiegiem, quamquam a nullo depingi vellet, pisanus ille insignis artifex miro ingenio spiranti parilem effinxit.« ([…] dessen Abbild, obgleich er von keinem gemalt werden wollte, pisanello, jener berühmte Künstler von wunderbarem ingenium, dem lebenden gleich dargestellt hat); Vorbild war die weigerung des Agesilaos, einem Künstler Modell zu sitzen; vgl. plutarch, Argesilaos, ii, 4.

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wettbewerb um das reiterdenkmal seines Vaters niccolò d’este.478 Zu bedenken ist des weiteren, dass die literaten der renaissance oft reale wettbewerbe, aktuelle wie ver­ gangene, unter das diktat von topischen Mustern zwangen, die eigentümlich mit ihnen zu interferieren schienen. doch gleichgültig, ob auf dem nährboden der Fiktionalität oder realität, diese Zeugnisse sind für uns, wie leicht zu erweisen ist, von wert, denn zum einen beschäftigte die frühen humanisten in sehr geringem Maße die Geschicht­ lichkeit überkommener Künstleragone, beispielsweise der durch plinius geschilderten (wohl zugunsten ihres Anliegens der literarischen wiedereinführung agonaler stoffe); zum anderen gewährt gerade ihr ›textbildungsverfahren‹, das heißt ihre charakteristi­ sche handhabung der für authentisch gehaltenen Quellen, ebenso wie ihre einbildungs­ kraft, einblicke in ihre Vorstellungswelt oder, wie Batkin es nannte, ihren »denkstil«. erst das für die humanisten typische trachten, sich ihrem ›denkstil‹ anhand eines adä­ quaten lebensstiles als würdig zu erweisen,479 brachte das frühneuzeitliche agonale le­ ben in schwung, es sorgte dafür, dass der Künstlerwettbewerb kraft eines fortwähren­ den prozesses der ritualisierung und Ästhetisierung kein museales Überbleibsel der Antike blieb, sondern eine entwicklung nehmen konnte, in deren Verlauf altbekannte fiktive Agone oder wettstreitmotive den Anstoß für Künstlerwettbewerbe des öffent­ lichen lebens gaben, oder literarisch zu gattungsübergreifenden paragoni umstilisiert wurden.480 nicht übergehen dürfen wir schließlich im hinblick auf den paragone, dass in der schwebe bleibt, ob Ulisse mit seinem lobpreis des siegreichen Bellini als »neuer phidias in unsrer alten welt«, wie eisler es geltend macht, dem venezianischen Maler eine doppelbegabung andichtet, oder ob phidias nur synonym für das (universale) Vir­ tuosentum stand. wahrscheinlich interessierte sich Ulisse nicht für die Gattungsunter­ schiede der Künste; diese Art der ignoranz begegnete besonders in Gedichten selbst in der

478 die Quelle zum wettbewerb ist der dem leonello gewidmete traktat von Alberti, De equo animante (s. App. ii/h­c, nr. 1). in ihr erwähnt Alberti seine ratgeberfunktion; die Künstler in der endaus­ scheidung waren niccolo Baroncelli und Antonio di cristoforo da Firenze, wobei letzterer zunächst den sieg davontrug. schließlich aber wurde das denkmal ihr Gemeinschaftswerk; zu diesem wettbe­ werb charles M. rosenberg, The Este Monuments and Urban Development in Renaissance Ferrara, new York, 1997, s. 54ff., Abb. 17–18; vgl. Grafton, 2002, s. 311–314; Leon Battista Alberti, Ausstel­ lungskatalog (Mantua, Galleria civica di palazzo te, 10.09.–11.12.1994), hrsg. v. Joseph rykwert et alt., Mailand, 1994, s. 158. 479 Batkin, 1979, cap. 3, s. 170ff. 480 die Umstilisierung des Malerwettbewerbes zwischen Zeuxis und parrhasios zu einem wettbewerb zwischen einem Maler und einem Bildhauer bietet beispielsweise lomazzo, Libro dei sogni, s. App. ii/G­g. wie wir noch eingehend besprechen werden, erfolgte die Auslegung des ›Bevorzugungstopos‹ (lysipp und Apelles um das Bildnis Alexanders des Großen) als gattungsübergreifender wettbewerb bereits durch himerios (s. App. ii/G­a).

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21 Ein Mann (der Philosoph Menedemos aus Eretria?) zeichnet eine Figur in den Sand, aus: Anton Francesco doni, Trattati diversi di Sendebar Indiano philosopho morale, Vi, Venedig: Francesco Marcolini, 1552, s. 99

hochphase des paragone.481 im Genre der imaginierten Künstlerwettbewerbe hingegen dauerte es nicht lange, bis sich die Kunstliteratur sensibilisiert für gattungsspezifische werte der Malerei und der Bildhauerkunst zeigte. nach quantitativen Gesichtspunkten erreichte diese Vorliebe poetischer Fiktionsbildung gegen Mitte des cinquecento ihren höhepunkt. der paragone in diesen episodischen szenarien zeugt vorzüglich vom ein­ blick der renaissanceautoren in die antiken wurzeln der rangstreitmaterie, seien es die im öffentlich ausgerichteten Agon oder die im literaturzweig der eristik. Man denke an Anton Francesco donis paraphrase der orientalischen Fabel Kalilah et Dimnah (auf der Grundlage von Giovanni da capuas lateinischer Übersetzung aus dem dugento). in ihr konkurriert ein porträtmaler in einem wettstreit, der sogar illustriert ist (Abb. 21), mit einem Musiker, einem literaten, einem edelmann, einem Boten und dem sohn eines

481 Vgl. colin eisler, The Genius of Jacopo Bellini, new York, 1989, s. 38: »[…] the poet intimates that Jacopo worked in both media.« Vgl. plinius, NH, XXXV, 54. Gegen diese hypothese spricht vor al­ lem die ignoranz von Ulisse gegenüber der doppelbegabung von Bellinis Konkurrenten pisanello. dieser prägte etwa zeitgleich zum gemalten porträt von leonello d’este auch Medaillen auf ihn; s. The Currency of Fame, 1994, s. 47f., nr. 5–5a.

1. Agon – Paragone: Grundsätzliche Berührungspunkte

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händlers, alles typenfiguren, um den idealen Broterwerb.482 Man denke zudem an Va­ saris Bericht über den wetteifer des ferraresischen Bildhauers und Medailleurs Alfonso lombardi mit tizian um das bessere Bildnis Karls V., oder, ein dokument mehr für die popularität des herrscherporträts als streitpunkt im paragone, an die ersonnene Geg­ nerschaft zwischen einem Maler und einem Bildhauer in lomazzos Malereitraktat.483 diese fiktionalen Konkurrenzen, die, alle im sande verlaufend, ohne sieger bleiben, lassen jedoch – trotz der jeweiligen Berufsart als motivationsstiftende wertperspektive – den einst für leonardos paragone so symptomatischen Kampfgeist vermissen, so, als fun­ gierten sie im verwässernden ton der Fabel, parallel zu Vasaris versöhnenden Disegno­ Begriff, nur als Modell für die Verschiedenheit der diszipline unter einem gemeinsamen leitbild. in Anbetracht der polarisierungen der Zünfte im Quattrocento, die durch so­ ziale innovationsschübe verursacht wurden, ist für die literatur dieser epoche zu unter­ stellen, dass sie ihre Akteure in ausgedachten wettbewerben (oder in rezipierten antiken Künstleragonen) offensiver in stellung brachte als die Folgezeit.484 wir wissen nicht erst seit luhmanns systemtheoretischen Überlegungen, wie sehr sich soziale systeme kraft kommunikativer handlungen – und unter diese fallen die wettbewerbe – selbst zu etab­ lieren pflegen. Aus dieser perspektive ist ein Künstlerwettbewerb der teil eines selbst­ referentiellen systems.485

482 Zu doni, Trattati diversi, s. App. ii/G­f. Bei der Figur des Malers in diesem wettstreit handelt es sich um eine persönliche ergänzung von doni; sie fehlt in der editio princeps von Giovanni da capuas Übersetzung (Directorium vitae humanae alias parabole antiquorum sapientium, straßburg: Johann prüß, ca. 1489, cap. 15 [»de filio regis et sociis eius«], hrsg. v. Joseph derenbourg, paris, 1887, Bd. ii, s. 300–305); sie fehlt auch in der hebräischen Vorlage. die illustration, die doni verwendet, scheint einem anderen Kontext entnommen worden zu sein. denn der gleiche stich, allerdings seitenverkehrt und mit der Beischrift »Menedemo philosopho«, gehört zu einer serie griechischer philosophen. in diesem Fall bezieht sich die Abbildung auf eine episode aus diogenes laertius, Leben, cap ›Menede­ mos‹, ii, 127, in welcher der spötter Menedemos mit einem stock eine person in den sand zeichnet, die sich sexuell nötigen ließ. Zu diesem, von Bartsch dem enea Vico (1523–1567) zugeschrieben stich The Illustrated Bartsch, 1971–2000, Bd. XXX (15/3), s. 84, nr. 98 (317). 483 Zu Vasari, Le vite, s. App. ii/G­h und lomazzo, Trattato, s. App. ii/G­i; zu lomazzos Anekdote hessler, 2002, s. 85. 484 die these von prochno, 2006, s. 266–279 von der Verhinderung der Konkurrenz durch die Zünfte im späten Mittelalter steht – trotz einiger interessanter Beispiele – auf schwachen Füssen. Zunftver­ fassungen mögen manche Konflikte durch ein vorausschauendes reglement und Grenzziehungen zwischen Berufszweigen unterbunden haben, aber nicht die typischen rivalitäten, wie sie sich durch vergleichbare rahmenbedingungen unter Künstlern zu entwickeln pflegen. 485 Vgl. luhmann, 1994, s. 8; nicht anders Batkin, 1979, s. 51ff.

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1.4. Konkurrenten oder Künste im leistungsvergleich »Marcet sine adversario virtus« Motto auf dem revers der Medaille des Robert Briconnet

das präfix von »concorrente« (Ghiberti fasste sich und Brunelleschi als »con correnti« auf) enthüllt uns wesentliches auf der suche nach dem personalen tertium comparationis von wettbewerb und paragone: die involvierung von mindestens einer rivalisierenden person, sei es die von einem oder von mehreren Konkurrenten.486 da »emulus« (ital. »emulo«) den Kampf und »concorrente« etymologisch das laufen konnotiert, darf der altbewährte Vergleich zwischen dem Agon und dem Krieg ebenso wenig verwundern487 wie die zu Unrecht übersehene tatsache, dass die wettbewerbsmetaphorik auch im Fel­ de der Kunst mitunter von Offerten des Athletentums zehrt. dank des Gelehrten Fran­ cesco Filelfo – er führte ein unruhiges wanderleben – empfing diese Metapher im Quat­ trocento so manchen impuls, der sich aus dem speiste, was er in Konstantinopel plötzlich aufgefunden hatte: die Siegeslieder pindars, ein (das wusste niccolò della luna ebenso wie poliziano) Arsenal kultisch­agonalen Gedankengutes. seither sollten pindars Brü­ ckenschläge zu den bildenden Künsten ihre wirkung auf die Gelehrtenwelt italiens nicht verfehlen. so verlieh pindars name der eröffnungsrede des Certame coronario 1441 in Florenz großen Glanz.488 Vom Athletentum erbt der auf Konkurrenz bedachte Maler oder Bildhauer (neben den von der jeweiligen physis abhängigen Vorzügen wie Kraft,

486 die oben zitierte schreibweise in Ghiberti, I commentarii, ii, 6.1., s. 97, zu den »concorrenti« oder »combattitori« in Künsterwettbewerben ebenda, i, 6.20., s. 59; ii, 6.1., s. 93. im Jahre 1467 definiert Filelfo, In rhetoricam ad Herennium commentaria, s. 49 (zu 26, 42): »Emulus, vulgariter: ›lo concor­ rente‹«. Freilich existiert auch die Möglichkeit der Konkurrenz des Künstlers mit sich selbst (im sinne von leistungssteigerung); dazu prochno, 2006, s. 26–27; aber für die entwicklung des paragone ist dieses phänomen zweitrangig. – Zu künstlerischen erzrivalen im cinquecento Goffen, 2002. 487 Über wettkämpfe und Krieg petrarca, De remediis, ›praefatio‹ zu Buch ii; vgl. pontano, Antonius, 4.i, s. 170. Zur martialischen einfärbung des [Künstler­]wettstreites und der eristik ausgiebig hessler, 2007, s. 50–114, s. 54ff. Angesichts der heiß umkämpften stellungen des hofkünstlers gehören auch konkurrierende Bewerbungen in diesen Kontext; dazu warnke, 1985, s. 122ff. 488 pindar, Olympische Oden, Vi, vv. 1ff., Vii, vv. 84. Filelfo hatte 1427 eine der ersten griechischen handschriften der preisreden importiert; näheres bei paolo Viti, »Filelfo, Francesco«, in: DBI, Bd. iX [rom, 1997], s. 613–626, s. 614. Zu pindars erwähnung in niccolò della lunas eröffnungsrede zum Certame coronario in De vera amicitia, 1993, s. 498. poliziano hat auf pindars Agone mit vier griechischen, von ihm selbst auch lateinisch übersetzten poemen reagiert; s. die Agone (Olympien, pythien, nemeen und isthmien) in poliziano, Epigrammata Graeca, nr. 42 (poliziano, Opera omnia, Bd. ii, s. 209): »in quatuor certamina […]«; reflexe auf pindar auch in derselbe, Silvae, v. 559, s. 224 und vv. 566–569, s. 226: »ille, Agathoclea subnisus voce, coronas / dixit Olympiacas, et qua victori­ bus isthmos / fronde conam delphique tegant nemeaeque tesqua / lunigenam feram […].«

1. Agon – Paragone: Grundsätzliche Berührungspunkte

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tugend und schnelligkeit)489 die lebendige Freude am leistungsvergleich. sie erwächst aus dem siegesstreben, das der ehrgeiz entfacht. dabei gewinnt für gewöhnlich »nur ei­ ner den siegespreis«,490 für den Verlierer zumeist eine niederschmetternde erfahrung.491 es lässt sich nicht im detail klären, inwiefern das verlorene Gemälde Mantegnas mit dem Wettlauf von Atalante und Hippomenes auf dem skizzierten Vorstellungsgut gründe­ te. nach distichen des lokalen Verseschreibers Falco Mantovano leistete jedenfalls die körperliche Verausgabung der keuchenden wettläufer dem leumund des Malers als schöpfer atmender wesen Vorschub, fast so, als bestehe ein Zusammenhang zwischen der geglückten Anstrengung des Malers und der hetze der wettläufer.492 Ob dem die

489 Bezeichnenderweise existierte laut pausanias, Beschreibung Griechenlands, V, 26, 3 eine in Olympia geweihte personifikation des Agon mit sprunggewichten; sie habe sich unter den weihgeschenken des Mikythos befunden. – Über Kraft und schnelligkeit des Menschen petrarca/Giovanni da san Minia­ to, De’ rimedii, i, cap. 5 (»della forza del corpo«), Bd. i, s. 68–70, s. 68–69 mitunter über den größten sportler der Antike Milon von Kroton und cap. 6 (»della velocità del corpo«), Bd. i, s. 70–72. Zum tugendbegriff der Künstler Die Virtus des Künstlers, 2006. die Gymnastik rangiert 1472 in Valturio, De re militari, iV, s. 59ff. neben disziplinen wie rhetorik und Musik. – Zu den denkbaren antiken Beziehungen zwischen dem Athletentum und den bildenden Künsten zählen die pythischen spiele; die Andeutung dessen in plinius, NH, XXXV, 58 (s. App. ii/O­a, nr. 1). Für sparta ist ein Maler­ wettbewerb aus hadrianischer Zeit inschriftlich gesichert; dazu Arthur woodward, »excavations at sparta 1924–25«, in: The Annual of the British School at Athens, 26, 1923/1925, s. 159–239, s. 217. Zur etymologischen Basis der Verbindung des Agonalen mit dem Athletentum in scanlon, 1983, s. 147ff. 490 1 Kor 9, 24. die Übertragung der Athletenmetaphorik in eine andere sphäre ist kein sonderfall. das belegt die wettkampfmetaphorik in der kynisch­stoischen Unterweisung und in den paulusbriefen; dazu die großartige studie von Uta poplutz, Athlet des Evangeliums. Eine motivgeschichtliche Studie zur Wettkampfmetaphorik bei Paulus (herders Biblische studien 43), Freiburg im Br. u. a., 2004, passim, auch die semantik ist aufschlussreich: ebenda, s. 356; in 1 Kor 9, 24 der Ausruf: »lauft so, dass ihr […] gewinnt!« 491 Zur schattenseite der athletischen wettbewerbe poplutz, 2004, s. 98ff., s. 108ff.; im Feld der Kunst zeigt sich der Groll des Verlierers im Malerwettstreit zwischen parrhasios und timanthes (s. App. ii/O­b). 492 es heißt in Falco Mantovanos Versen seines Gedichtes von 1505, »Virgineum succincta latus, nudata lacertos« (BAV, Ms. Vat. lat. 2836, fol. 7r und Vat. lat. 2874, fol. 131): »spirantes genuit pictor Man­ tegna […] praebuit et cursum pictor […] alter anhelat adhuc, adhuc anhelat adhuc […]« (lebende Menschen hat der Maler Mantegna hervorgebracht […]. der Maler hat auch den wettlauf gezeigt […], er keucht noch, sie keucht noch, […]); ediert von eugenio Battisti, »il Mantegna e la letteratura classica«, in: Arte Pensiero e la cultura a Mantova nel Primo Rinascimento, Florenz, 1965, s. 23–56, s. 54; der hinweis in paul O. Kristeller, Iter Italicum, 6 Bde., london und leiden, 1963–1996, Bd. ii, s. 353; zur Atalante­hippomenes­episode s. Ovid, Metamorphosen, 10, vv. 560ff. Über die darstel­ lung schneller läufer leonardo, Libro di pittura, iii, 304; die schöpfung beseelter und beweglicher Bilder als die bewundernswerteste leistung von Malern in Xenophon, Memorabilien, i, 4, 4. Vgl. auch das bereits erwähnte, doppelseitig bemalte Gemälde von daniele da Volterra: das ringen von David und Goliath (ca. 1555/1556). die inszenatorische steigerung des Kraftaktes durch die dar­ stellung auf zwei Bildseiten beweist zudem die Virtuosität des Malers; dazu larsson, 1974, s. 54, Abb. 63–64.

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

ambivalente inschrift auf Zeuxis’ darstellung eines Athleten als prototyp diente oder nicht,493 – entschei­ dend ist die Grundhaltung, die sich darin spiegelt. wir werden im Künstlerwettbewerb wie im paragone im­ mer wieder auf sie stoßen: höchstleistungen entfalten sich erst durch extreme herausforderungen, ja mehr noch, durch offensive Gegnerschaft – ein Gedanke, den ein seneca­Zitat, zu lesen auf einer italienischen schau­ münze von circa 1495, in seltener eindringlichkeit im Motto verdichtet (Abb. 22): »Ohne Gegner ermattet die tugend« (»MArcet / sine / AdVersAriO / Vir/ tVs«).494 es versteht sich von selbst, dass nicht minder 22 Giovanni candida (zugeschrieben), revers von: Medaille des Robert Briçonnet, die Kunstgattungen, sofern sie einem spannungsver­ ca. 1488–1497 (17. Jh.), Berlin, staatliche hältnis unterlagen, eine Blüte der Künste beförderten. Museen zu Berlin, Münzkabinett die folgenden Analysen der rezeption einschlägi­ ger, meist antiker Künstleragone und wettstreitmotive durch Autoren der Frühen neuzeit zielen darauf, die Vorstellungsinhalte aufzuspüren, sofern sie dynamisch zur Genese des paragone beitrugen. indessen tun wir gut daran, im Auge zu behalten, dass nicht alle für den paragone maßgeblichen impulse dieser sphäre entstammten.

493 die inschrift spielte offenbar auf das Können des Athleten wie des Malers an; denn Folgendes war zu lesen: es werde ihn leichter jemand beneiden als nachahmen (»fecit […] athletam; adeoque in illo sibi placuit, ut versum subscriberet celebrem ex eo, invisurum aliquem facilius quam imitaturum«; plini­ us, NH, XXXV, 63, s. 54); vgl. Fregoso, De dictis, iii, cap. 7, s. n2r, s. v. »›de Zeusi pictore‹: Magnam quoque artis suae fiduciam Zeusis pictor ostendit, cum athletae quem pinxerat, in quo sibi ipsi satis fecisse videbatur. carmen inscripsit in hanc sententiam opus scilicet illud esse cui facilius praeclari possent invidere pictores: quam quicquam imitari, sed omissis veteribus iam ad alia transeamus.« 494 Zur besagten, dem Giovanni candida zugeschriebenen Bronzemedaille des robert Briçonnet, seit 1493 erzbischof vom reims, s. hill, 1930, nr. 837 und lore Börner, Die italienischen Medaillen der Renaissance und des Barock (1450–1750), staatliche Museen zu Berlin, preußischer Kulturbesitz, Münzkabinett (Berliner numismatische Forschungen, n. F. 5), Berlin, 1997, s. 88, nr. 322,2, auf tafel 50 nur Abbildung des Avers. im Kontext der Athleten als Vorbild für den tüchtigen in seneca, De providentia, 2, 3, Bd. i, s. 6; vgl. derselbe, De vita beata, 27; die editio princeps von De providentia erschien 1475 in neapel; zu diesem spruch auch erasmus, Adagia, 4, 5, 77; der gleiche Gedanke in petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 5 (»della forza del corpo«), Bd. i, s. 70: »[…] tu ti glorii d’uno tuo forte nimico.«

2. Antike Künstleragone im Spiegel der Literatur

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2. Antike Künstleragone im spiegel der literatur des Quattrocento 2.1. die dioskuren: Zwillingswerke und Vergleichsbedingungen wie pfisterer überzeugend zur darstellung brachte, boten die eingemeißelten sockel­ inschriften der beiden kolossalen dioskuren auf dem Quirinal – »OpVs FidiAe« und »OpVs prAXitelis« – einen bedeutenden inspirationsquell für die frühneuzeitliche wettstreitkultur.495 die inschriftlich proklamierte künstlerische Autorschaft der beiden Marmorwerke – es fallen die namen von zwei der größten Virtuosen der antiken Bild­ hauerkunst – verleitete petrarca mehrfach zu dem trugschluss, das gleichmotivische paar sei die Frucht eines, wie er explizit schreibt, »certamen« in der Bildhauerei gewesen, sowohl 1337 im Brief an Giovanni colonna als auch, mit vergleichbarer diktion, in sei­ nem lateinischen epos­Fragment Africa. Für petrarca schienen die hohe künstlerische Qualität und, in nuce, gewiss auch das kolossalische erscheinungsbild die ehrsucht als Movens dieses wettstreites bloßzulegen. dabei provozierte der exponierte Aufstellungs­ ort der statuen die Beschwörung eines ›Gipfelsturmes‹, eine bewährte Metapher des ruhmesstrebens: »den Gipfel des Quirinals erklimmen, worauf zwei nackte Giganten vor ihren Augen stehen, ein gefeiertes werk, das Menschen entweder – so stark ist wettkampf um ruhm – für das des gefeierten praxiteles oder des phidias halten.«496

495 Vgl. pfisterer, 2002, s. 68ff. 496 petrarca, Africa, s. App. ii/c, nr. 2 und zu petrarca, Familiarum rerum libri, s. App. ii/c, nr. 1. der Gedanke lag m. e. auf der hand: Von einem »edlen Zank« der dioskuren (nicht der statuen) sprach Martial, Epigrammaton liber, i, 36, s. 58: »[…] pietatis rixa […].« – petrarca, Familiarum rerum libri, XXiV, 8 interessierte sich auch für die pferde von san Marco, deren schnauben er zu hören glaubte. die Vorzüge von pferdestandbildern in petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 31 (»de’ cavagli«), Bd. i, s. 159f. – ein Muster für den Berggipfel als Metapher des ruhmensstrebens lieferte (im Kontext der Künstlerrivalität zwischen Oderisi da Gubbio und Franco Bolognese) dante, Purgatorio, Xi, v. 92, Bd. ii, s. 132/133 (Üs: Gmelin), als es heißt: »com’ poco verde in sulla cima dura« (wie kurz nur bleibt das Grüne auf den Gipfeln,); vgl. Benvenuto de rambaldis de imola, Comentum, Bd. iii, s. 312, erklärt: »[…] idest, in summo apice. et notanter in cima, quia fama mul­ torum durat in longum tempus, sed non excellentia singulari; […].« – die Größendimension der Dioskuren interessierte 1502 Bernardino prosperi im Brief an Alfonso d’este; der Brief zitiert in helas, 1999, s. 118; über die Kriterien, die ein Meisterwerk ausmachen, walter cahn, Masterpieces. Chapters on the History of an Idea, princeton n. J., 1979.

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da das Gros der interpretationen der Marmordioskuren aus dem Quattrocento, be­ sonders die zur petrarca­rezeption, erschlossen ist – unter ihnen, neben der römischen Guidenliteratur, Äußerungen von humanisten wie Alberti über Manuel chrysoloras, poggio Bracciolini bis tortelli –,497 wissen wir, dass einige Autoren keinerlei neigung zeigten, die beiden antithetischen Kolossalwerke auf einen agonalen impuls zurück­ zuführen. Zumindest fielen die prioritäten, die sie in ihren Kommentaren setzten, anders aus. ein römischer Gelehrter hingegen, der in petrarcas spuren wandelte, der humanist lorenzo Valla, erinnert sich in seinem frühen, die epikureische tradition anverwandeln­ den Buch De voluptate – und dies geschieht in Anbetracht der Gegenüberstellung von skulpturen mit Gemälden, kurz des paragone – an die differenzierung zwischen indivi­ dualstilen im Medium der skulptur, namentlich an die »zwei statuen von phidias und praxiteles«, die »Gleiches darstellen« und mit talent zu unterschiedlichen realisierun­ gen vordrangen. Valla differenziert indessen zwischen dem irdisch­Alltäglichen und dem himmlischen: »philosophen, die zwar nicht den Markt betrachten, sondern den himmel selbst […] tun auch nichts anderes als Knaben und Mädchen, die […] schöne Gemälde und herrliche statuen bewundern und miteinander vergleichen«, heißt es mit Konzessionen an platons Sophistes in Vallas petrarca­rezeption. sie ist deshalb so herr­ lich, weil sie die fließenden Übergänge zwischen gattungsinternen und gattungs­ übergreifenden wettbewerbsmotiven im Zuge der fortschreitenden etablierung der paragone­diskussionen vor Augen führt. der nachsatz bekräftigt, bemüht um die Abgrenzung von der wahrnehmung des naiven Betrachters, dass die reflexion über in­ dividualstile die lust am wertenden differenzieren und am denken nach paragone­Kri­ terien stimuliert: »Auch ich«, geriert sich der sprecher als Kunstkenner, »habe mehr Freude an zwei statuen von phidias und praxiteles, die Gleiches darstellen, als irgendein Knabe, weil ich das talent jedes der beiden Künstler und ihre verschiedene darstellung kenne, die der Knabe nicht kennt.«498 Unter den Kunsttheoretikern nahm Filarete die beiden rossebändiger zum Anlass des nachdenkens über die Vergleichsbedingungen von Kunstwerken, nachdem sich porcellio auf die »ademulatione« geschaffenen diosku­ ren besonnen hatte. Filarete erachtete die Verschiedenheit trotz annähernder Gleichheit

497 die schriftquellen aus dem Quattrocento zu den dioskuren s. App. ii/c; einige von ihnen bereits in thielemann, 1996, s. 16ff., s. 96ff. wie derselbe, »roma und die rossebändiger im Mittelalter«, in: Kölner Jahrbuch, 26, 1993, s. 85–131, s. 88ff. und in pfisterer, 1996, s. 140f., s. 143ff., vgl. derselbe, 2002, s. 599–602; phyllis pray Bober und ruth O. rubinstein, Renaissance Artists and Antique Sculpture. A Handbook of Sources, london, [1986] 1991, nr. 125, s. 159f.; zur interpretatio christiana der dioskuren im Mittelalter noberto Gramaccini, Mirabilia. Das Nachleben antiker Statuen vor der Renaissance, Mainz, 1996, s. 59–63. 498 Zu Valla, De voluptate (Üs: peter schenkel); s. App. ii/c, nr. 8; zur naivität der Knaben hinsichtlich der Kunst platon, Sophistes, 234b.

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23 Monte di Giovanni del Fora, detail aus: didymus Alexandrinus, De spiritus sancto (einst Bibliotheca corviniana), 1488, new York, the pierpont Morgan library, M. 496, fol. 2r

bei höchster Qualität – dafür eigneten sich die Zeussöhne als Zwillinge auch ikonogra­ fisch – als den optimalen Anreiz des Betrachters zur Urteilsbildung darüber, welcher der beiden statuen der Vorzug gebühre.499 weit war der schritt nicht, der schritt vom so­ phistischen Vergleich unter Zwillingswerken zu dem zwischen themengleichen, in bei­ den figurativen Künsten ausgeführten paragone­werken. die fortwährende interpretati­ on der beiden rossebändiger in der literatur des 15. Jahrhunderts bildete nahezu ein sammelbecken klassischer Überbietungstopoi. dafür ist Francesco Filelfos Betonung der Originalität, ja, der Vorbildlosigkeit der beiden schöpfungen des praxiteles und phi­ dias im Jahre 1464 nur ein Beispiel.500 ein anderes exempel, das die zeittypische wahr­ nehmung durch einen agonalen Fokus bekräftigt, entstammt der Buchmalerei, genauer, einer auf 1488 datierten, für Matthias corvinus in Florenz illuminierten handschrift. wovon sonst zeugt die deutliche reminiszenz an die antiken rossebändiger (Abb. 23) in einer szene mit der läuterung der irdischen liebe durch das Feuer der himmlischen 499 Zu Filarete, Trattato, s. App. ii/c, nr. 14; die beklagte Unmöglichkeit eines abschließenden wertur­ teils wegen der hochrangigkeit beider werke zehrt vom ›Unsagbarkeitstopos‹; generell zu dessen Funktion curtius, [1948] 101984, § 5, s. 168–171. Zu porcellio, De arte fuxoria (s. App. ii/c, nr. 13). 500 Zu Filelfo, Epistula de opinionibus philosophorum, s. App. ii/c, nr. 16; die Berufung auf die Origina­ lität gehört zur exordialtopik; s. curtius, [1948] 101984, s. 95.

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als von ihrer erkannten eignung für das Agonale, zumal ihr die episode mit den musi­ schen rivalen Apoll und Marsyas zur seite gestellt ist?501 selbst callimachus experiens’ kritische Beäugung der dioskuren in zwei Gedichten gewinnt im Ausspielen von deren negativen Facetten gegeneinander die note eines wettstreites. so hat der Zahn der Zeit dem ross des praxiteles die seele geraubt, obgleich es einst durch den beseelenden Mei­ ßel zum wiehern und traben berufen war; was bleibe, sei kalter Marmor, ein Kopf ohne Geist. Auch das pendant des phidias, ein trügerisches Machwerk, entbehre leben, wie es der Gesichts­ und der tastsinn zu entlarven vermögen.502 im cinquecento wissen die skulptur­liebhaber im paragone eben diese Angriffspunkte in Vorzüge umzumünzen: Bildhauerwerke gelten – im Gegensatz zu Gemälden – als Artefakte, die beiden sinnen genügen, und die Aura des Bildhauers macht ihn zum »dio scultore«.503 schließlich un­ ternahm luca pacioli, wie vorbereitet in den Antiquarie prospetiche romane,504 den Brü­ ckenschlag von den Dioskuren zu einem exponat der Bildhauerkunst seiner Zeit, zu leonardos reiterstatue für Francesco sforza. die neidlose erhabenheit dieser frühneu­ zeitlichen schöpfung überragt die rossebändiger von einst.505 An der wirkungsgeschichte zu ersehen, war petrarcas Auslegung der ›Zwillingswer­ ke‹ unter den humanisten der locus classicus für den agonalen Kampfgeist, den die annä­ hernd gleiche Beschaffenheit von Kunstwerken auszulösen vermochte.506 Mit diesem 501 es ist die handschrift von didymus Alexandrinus, De spiritus sancto (einst Bibliotheca corviniana, heute: new York, the pierpont Morgan library, M. 496, fol. 2r); die Abbildung der gesamten seite in The Painted Page, 1994, s. 68–70, Abb. 13; oberhalb der sockelszenen sind die porträts von Matthias corvinus und seiner Frau, Beatrice von Aragon, zu sehen; die szene rechts zeigt Apoll an der kastali­ schen Quelle. die Miniatur stammt von Monte di Giovanni del Fora; der schreiber war sigismondo de’ sigismondi. – es gibt eine reihe von darstellungen der dioskuren in der Kunst des Quattrocento. eine der berühmtesten ist die gegen 1448 gefertigte silberstiftzeichnung von Benozzo Gozzoli; s. Ames­lewis, 2000, Abb. 57. 502 Zu callimachus, Carmina, s. App. ii/c, nr. 21; das erste Gedicht ist inspiriert von Versen der AP, Bd. iii, nr. 59, s. 130–131 über ein unbeseeltes standbild von praxiteles. Zum topos der Kälte des Marmors im paragone hessler, 2002, s. 86–87. Auch gegenüber der täuschenden Malerei hat calli­ machus Vorbehalte (ebenda, Carmina, nr. 65, s. 195). 503 Zum paragone der sinne s. Scritti d’arte, 1971–1977, s. 508, s. 533; zum Argument des »dio scultore« ebenda, s. 540; zur tasterfahrung in der sphäre des religiösen ergänzend wenderholm, 2006, s. 112ff. 504 Zur datierung der schrift Bramante e la sua cerchia a Milano e in Lombardia 1450–1500, Ausstel­ lungskatalog (Mailand, Galleria refettorio delle stelline, 31.03.–20.05.2001), hrsg. v. luciano patet­ ta, Mailand, 2001, s. 110, nr. 14. 505 pacioli, De divina proportione, s. 33: »commo ladmiranda e stupenda equestre statua. […] da linvidia di quelle defidia e prasitele in monte cavallo altutto aliena.« in Ansätzen vorgegeben von leonardo, Codex Madrid I, s. App. ii/c, nr. 27. Mit ›Phidias‹ als dialogfigur über die beiden dioskuren lomaz­ zo, Libro dei sogni, cap. 6, Bd. i, s. 125. 506 Zum paragone zwischen themenverwandten Kunstwerken s. Schema 3, s. 177f. dante, Convivio, i, 11, 16 hat eine gewisse Gleichheit als triebfeder des neides erkannt; vgl. Aristoteles, Rhetorik, ii, 1386bff.

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›hermeneutischen lehrstück‹, der Offenbarung eines neuen sensoriums für Kunst­Ver­ gleiche, ist petrarca mit großer Folgewirkung für den paragone ein Vorstoß erster Güte gelungen. das Gerücht von der agonalen triebfeder der antiqui diente als Ansporn zu Übertragungen auf themenverwandte Kunstwerke der moderni, so, als würde der agona­ le Funke auf neue Artefakte (in der identischen Kunstgattung oder in anderen) über­ springen, die sich nun ihrerseits an ihnen messen müssen. Kaum zufällig: superatio zielt auf innovation.

2.2. die Amazonenstatuen zu ephesos: Für sich selbst stimmen – subjektivität in der Frühen neuzeit zeigte sich eine ganz ähnliche rezeptionshaltung gegenüber dem legendären antiken Bildhauerwettbewerb um die Amazonenstatuen zu ephesos, der einstigen Zierde des dortigen Artemis­tempels. in einem passus, den Angelo poliziano gegen 1480 in seinem statius­Kommentar in voller länge zitieren wird,507 hatte plinius diesen »wettbewerb«, dessen Kombattanten sich ein und derselben themenstellung ver­ schrieben, als künstlerisches Kräftemessen zwischen fünf Bildhauer­Koryphäen beschrie­ ben, denen, nach der Anfertigung je einer Amazonenstatue, zugleich das richteramt in eigener sache oblag. das würde bedeuten, dass die fünfköpfige Jury (die Bildhauer poly­ klet, phidias, Kresilas, Kydon und phradmon) nach einem autarken Urteilsverfahren, das bereits herodot geläufig war,508 über die eigene leistung und über die der Konkur­ renten befinden musste. italienische humanisten wie Matteo palmieri, tortelli, Fran­ cesco patrizi und perotti boten latente Anspielungen auf den sieg des polyklet in der Vergegenwärtigung seines exponierten ranges unter allen Bildhauern – eine sicht, deren wegbereiter plinius gewesen ist.509 die Vorstellung des aus der Masse herausragenden Künstlervirtuosen hatte in einigen romanischen Bildhauerinschriften, in Form von propagandistischen Überbietungsmoti­ ven, längst ihre wirkung gezeitigt, beispielsweise durch wiligelmus an der domfassade 507 Zu plinius, NH, s. App. ii/A, nr. 1; vgl. zu poliziano, Commento Stazio, s. App. ii/A, nr. 10. Zum wettbewerb in ephesos renate Bol, Amazones Volneratae. Untersuchungen zu den Ephesischen Amazonenstatuen, Mainz, 1998, s. 5ff.; Die sieben Weltwunder der Antike, Ausstellungskatalog (stendal, winckelmann­Museum, 16.08.–12.10.2003), hrsg. v. Max Kunze, Mainz, 2003, s. 85–101; thiele­ mann, 1992, s. 214; vgl. huizinga, [1956] 1991, s. 187. 508 herodot, Historien, Viii, 123 berichtete bezüglich der schlacht bei salamis vom Urteil der Feldher­ ren über den siegespreis; da jeder für sich selbst stimmte, galt derjenige, der von allen als Zweiter ge­ nannt wurde, als Gewinner; vgl. auch plutarch, Themistokles, 17; cicero, Academici libri (s. Augusti­ nus, Contra Academicos, iii, 7, 15f.). 509 eine Anspielung auf polyklets sieg bieten vermutlich tortelli, De orthographia (s. App. ii/A, nr. 8), Francesco patrizi, De institutione reipublicae (s. App. ii/A, nr. 5) und gegen 1472 perotti, In P. Papinii Statii Silvarum expositionem (s. App. ii/A, nr. 6).

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in Modena. An ihr hatte der Bildhauer im Optativ inschriftlich seine ruhmeserwartung zu lasten anderer Bildhauer publik gemacht: »wie sehr mögest du unter allen Bildhau­ ern durch Ansehen würdig sein!«, heißt es, »nun glänzt deine skulptur, oh wiligel­ mus«.510 Und der ›Meister nicolaus‹ stellte sich selbst am Veroneser domportal osten­ tativ über seine »cOncVrrentes«, deren existenz und Machenschaften er folglich voraussetzte.511 Offenkundig waren es, gemäß der hohen Bedeutung der skulptur im öffentlichen raum, eher die Bildhauer als die Maler, die zu dieser Art der öffentlichen selbstanpreisung griffen, im trecento vor allem Giovanni pisano. seine Vorreiterrolle als sculptor doctus mit agonalem impetus fand ihren Ausdruck in einer reihe offensiver in­ schriften, beispielsweise am Gesims der pisaner domkanzel, an dem er sich, ganz im Vorgefühl seines fortdauernden erfolges, brüstet: »es gibt viele Bildhauer, aber ihm blei­ ben lobpreisungen und ehren«.512 das in der dritten person gehaltene selbstlob gibt vor, dass ein objektives werturteil über die eigene leistung vorliege. wenn man so will, legte pisano die gleiche subjektivität an den tag wie die Bildhauer zu ephesos, als sie, beseelt von der hoffnung auf den triumph über ihre rivalen, ihr Votum für das eigene werk abgaben, wie es dem ideal eines jeden ambitionierten wettkämpfers entsprach und wie es homer in der Ilias paradigmatisch formuliert hatte: »immer der erste zu sein und ausgezeichnet vor andern.«513 510 (»inter scVl[p]tOres QUAn/tO sis diGnVs OnOre. clA/ret scVl[p]tVrA nV[n]c wiliGelMe tVA«); zu diesem distichon Albert dietl, »Künstlerinschriften als Quelle für status und selbstverständnis von Bildhauern«, in: Studien zur Geschichte der Europäischen Skulptur im 12./13. Jahrhundert (schriften des liebieghauses, Museum alter plastik), hrsg. v. herbert Beck et alt., 2 Bde., Frankfurt a. M., 1994, Bd. i, s. 175–191, s. 175 und conti, [1979] 1991, s. 267; andere inschriften, in denen sich Bildhauer früh als »summus sculptor« inszenierten, ebenda, s. 178. dietl sieht darin die rhetorische tradition des Mittelalters virulent. es gab vereinzelt pendants in der Male­ rei: Giotto als der Beste »unter allen Malern« im Ottimo commento (s. App. ii/F­b, nr. 2); paolo spi­ noso (rossella Bianchi, Paolo Spinoso e l’umanesimo Romano nel secondo Quattrocento [Filologia me­ dievale e umanistica 3], rom, 2004, s. 121) feiert den renaissance­Medailleur lysipp als »sculptorum princeps«; vgl. der exponierte rang von phidias in Beroaldo, De foelicitate, fol. A5v: »[…] namque phidias ille inter statuarios artifex nunque satis pro meritis laudatus: cum fecisset simulacrum minervae incomparabile«; zum besten Maler beziehungsweise Bildhauer in der Antike s. App. V: Schema 2a–b. 511 (»ArtiFiceM GnArVM QVi scVlpserit hec nicOlAVM / hVnc cOncVrrentes lAVdAnt per secVlA Gentes«); zitiert nach Joachim poeschke, Die Skulptur des Mittelalters in Italien, Bd. i: Romanik, München, 1998, s. 94, nr. 56–62; die nahezu identische inschrift von nicolaus am tympanon des domes von Ferrara ebenda, s. 87, nr. 48–55. 512 (»[…] plUres scUlptOres reMAnent siBi lAUdes hOnOres […]«); vgl. die voll­ ständige inschrift in poeschke, 2000, s. 121. Zur Vorreiterrolle Giovanni pisanos Middeldorf Kose­ garten, 1980, s. 173 und Goffen, 2002, s. 4. 513 homer, Ilias, Vi, v. 208, s. 205 (Üs: hans rupé). den ›heiligen ehrgeiz‹ beschwor im Quattrocento Giovanni pico della Mirandola, De dignitate hominis, s. 32/33 (Üs: ed. Keßler): »invadat animum sacra quaedam ambitio ut mediocribus non contenti anhelemus ad summa, adque illa (quando possu­

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eine sonderstellung unter der Fülle von Kommentierungen des antiken Amazonen­ wettbewerbes im Quattrocento gebührt lorenzo Ghiberti, nicht nur als dessen erster interpret unter den italienischen Kunsttheoretikern und Künstlern. Ghiberti kolportier­ te zudem das Gerücht, dass ein anderer als polyklet sieger gewesen sei: phidias.514 dieser Fehler verblüfft. er dürfte seine Ursache entweder in verderbten Abschriften der Naturalis historia gehabt haben, in den bescheidenen lateinkenntnissen Ghibertis, oder in der durchaus missverständlichen wortwahl des plinius, dass polyklets statue im Urteil aller als die »zweitbeste« gegolten habe. Meines wissens ist der Forschung entgangen, dass der Florentiner humanist Matteo palmieri das ephesische Abstimmungsverfahren vor Au­ gen gehabt haben muss, als er in Della vita civile schrieb, dass auch derjenige ehre er­ lange, der im höchsten Grad der tugendhaften werke Zweiter geworden sei; schließlich habe selbst phidias den polyklet zu honorieren vermocht.515 die neugierde des in Bolog­ na wirkenden rhetorik­dozenten Filippo Beroaldo, dem wir die vermutlich originellste deutung verdanken, richtete sich in seiner Oratio proverbialis 1498 auf den eigenartigen sachverhalt einer wettbewerbsjury, die sich aus den beteiligten Künstlern rekrutiert. Moralisierend ist seine perspektive. Unter dem stichwort »mit gleicher selbstliebe« (»cum similis philautia«) wird das Votum eines jeden Bildhauers für sich selbst als Aus­ druck des narzissmus verunglimpft. Mahnend belehrt Beroaldo: »deshalb scheinen jene [sc. die Bildhauer] die richterliche Zurechtweisung nötig zu haben: die sich selbst am meisten lieben, werden nach dem griechischen wort ›φιλαντοι‹, das ist ›liebhaber‹, genannt.«516 es ist, wie sich in den expositionen zeigen wird, Beroaldos Vorstellung eines ontologischen eudämonismus, sprich: der ethischen lehre vom Glück durch die Auf­ hebung menschlicher Unvollkommenheit, die ihren Ausdruck in der philoxenie finden kann, die sein Urteil steuerte.

mus si volumus) consequenda totis viribus enitamur« (ein heiliger ehrgeiz sollte uns ergreifen, uns nicht mit dem Mittelmäßigen zu begnügen, sondern uns unter Anspannung aller Kräfte anzustren­ gen (denn wir vermögen es, wenn wir wollen), das höchste zu erreichen); s. auch die definitionen von Valla, Elegantiarum libri, iV, s. v. »Ambitio, et ambitus«, in: Valla, Opera omnia, Bd. i, s. 129. 514 Zu Ghiberti, I commentarii, s. App. ii/A, nr. 4; zu den Amazonen auch lomazzo, Libro dei sogni, Vasari, Le vite, Bd. i, s. 58–59, Borghini, Il Riposo – er spricht von einem »paragone« – und Gilio, Due dialoghi (s. App. ii/A, s. v. Cinquecento). 515 Zu palmieri, Della vita civile, s. App. ii/A, nr. 2; eine ähnliche Quintessenz auch in Martial, De spectaculis liber, 32, s. 30: »cedere maiori virtutis fama secunda est.« 516 Zu Beroaldo, Oratio proverbialis, s. App. ii/A, nr. 11. Über die selbstliebe Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1168a. Beeinflusst von diesem Vorstellungsgut zeigt sich 1564 Vincenzio Borghini, Selva di notizie, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 657, und er erklärt aus diesem Vorstellungsgut den paragone: »dice Aristotile ch’ogniuno ame sé stesso e le cose sua […]. di qui nasce che gl’artefici amano l’opere loro e però sarà inpossibile ch’i pittori amino più le sculture che le pitture, e così per il contrario; […]«; vgl. Alberti, Della famiglia, Bd. i, s. 30.

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wie wir sehen werden, sollte das Beispiel des ephesischen Bildhauerwettbewerbes nicht nur maßgeblichen einfluss auf die rezeption von Bildhauerwettbewerben mit the­ mengleichen Konkurrenzentwürfen haben, es illustriert zudem bestens, was sich als die Grundbedingung des paragone erweisen wird: dass sich jeder strebsame Künstler selbst am nächsten steht und auf Kosten seiner Gegenspieler agieren und urteilen wird; es ist das phänomen der subjetivität.517

2.3. das Mausoleum zu halikarnassos: superlativisches im wettstreit wegen der Beteiligung mehrerer exquisiter Bildhauer (skopas, timotheos, Bryaxis und leochares) an der skulpturalen Ausgestaltung des Mausoleums zu halikarnassos sprach plinius d. Ä. von einem wettstreit der hände. es handelt sich um das vielleicht eklatan­ teste Beispiel eines durch hyperbeln grandios verklärten rangstreites im Bereich der Bildhauerkunst. die herausforderung, die angesichts des Grabmonumentes von kolos­ salen Ausmaßen erwuchs, entfachte den ehrgeiz konkurrierender Virtuosen. das hoch­ karätige ergebnis avanciert zum »denkmal ihres ruhmes und der Kunst« in einem – laut plinius – anhaltenden streit, welcher Meisterhand der Vorzug gebühre.518 während das Motiv des fortdauernden, in diesem Fall unlösbaren streites vom eingangs zitierten horazschen Gemeinplatz zehrt (»Adhuc sub iudice lis est«), fungiert die hand als das, was sie metaphorisch früh gewesen ist, als pars pro toto für den Künstler oder als syno­ nym für den individualstil des jeweiligen Virtuosen.519 plinius projizierte die verschiede­ nen hände, sie standen stellvertretend für vier Bildhauerpersönlichkeiten, auf je eine der vier Fassadenseiten des Bauwerkes, auf vier himmelsrichtungen, die in den dienst der Übersteigerung ins welthafte genommen werden. ein Jahrhundert nach ihm, in den Noctes Atticae des römischen Anthologen Aulus Gellius, weckt eben diese Großartigkeit

517 das phänomen der subjektivität bestätigt sich noch im ergebnis von Varchis Meinungsumfrage un­ ter Malern und Bildhauern (Scritti d’arte, 1971–1977, s. 493–523); und sie ist selbst dort reflektiert, wo leonardo in der Parte prima seine doppelbegabung als Kompetenzgrundlage herausstellt (leo­ nardo, Libro di pittura, i, 38). 518 Zu plinius, NH, s. App. ii/B, nr. 2; daran orientiert sind tortelli, De orthographia, Maggio, De priscorum proprietate verborum und landino, Historia naturale (s. App. ii/B, nr. 9, nr. 11, nr. 10); Vit­ ruv, De architectura (s. App. ii/B, nr. 1); weitere antike Quellen zum Mausoleum in Sieben Weltwunder, 2003, s. 59ff. – Zu petrarca, De remediis, s. App. ii/B, nr. 3; Manetti, De vita ac gestis Nicolai Quinti, ii, 60, s. 100–101: »An illiud nobilitatum Mausoli caruie cuiusdam Grecie provincie regis sepulchrum, quod Artemisia eius uxor tam amplum, tam magnificum, tam opulentum condidisse fertur, ut omnium intuentium admiratione haberetur?«; zu Maffei, Commentariorum, s. App. ii/B, s. v. Cinquecento; zu cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum, s. App. ii/B, nr. 8; poliziano, Silvae, s. App. ii/B, nr. 12); lomazzo, Libro dei sogni, s. App. ii/B, s. v. Cinquecento; unberücksichtigt ist dieser wettbewerb in Middeldorf­Kosegarten, 1980. 519 Zu dieser Metynomie warnke, 1987, s. 55–61.

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des fertigen Mausoleums in der Auftraggeberin, der Mausollos­witwe Artemisia, den wunsch zur inszenierung eines weiteren Agons (»agona«), eines redner­Agons zum lobe und zum ruhme dieses Meisterwerkes.520 die selbst bei diesem neuen Belang ins spiel gebrachten namen von vier rivalen geben das Vorbild zu erkennen: das von plini­ us eingeführte agonale Muster, das mit der Übertragung in eine andere Kunstart, die rhetorik, nicht aufgehoben, sondern gegenwärtig gehalten wird. dass Ghiberti dem leser seiner Commentarii den Bildhauerwettbewerb zu halikarnassos vorenthielt, muss in Anbetracht der Überlieferung dieses Agons durch eine zweite, von Ghiberti oft kon­ sultierte antike schriftquelle überraschen: Vitruv. Andere Bildhauerei­liebhaber (por­ cellio, Filarete und pomponio Gaurico) widmeten sich dem Gegenstand zumindest in­ direkt: in der Behandlung der vier Bildhauer als ›rivalen‹.521 in Filaretes idealstadt Sforzinda verdichtet sich der sonderstatus, der den vier Bildhauer­Konkurrenten ange­ dacht war. sie gehören zum ekphrastischen entwurf eines pantheons der ingeniösen. so prangen ihre ehrenbildnisse als teil einer Galerie kongenialer erfinder an einer häuser­ fassade. der ihnen zugebilligte erfinder­status schließt erneut die Überzeugung ein, dass Glanzleistungen, Früchte der wettstreitkultur, eine Aura des innovatorischen um­ gibt.522 Aufschlussreich hinsichtlich der bildhaften Vorstellungen, die im Quattrocento vom Mausoleum zu halikarnassos herrschten, ist, wie vermutet werden darf, der roman Hypnerotomachia Poliphili, näherhin, die illustration der szene, in der der ich­erzähler poliphilo im traum eine riesige, von einem Obelisken bekrönte pyramide besteigt 520 Artemisia habe, so heisst es, »um das Andenken an den Gatten wachzuhalten«, mit riesenaufwand den Bau des berühmten Grabmals, eines der sieben weltwunder, in Angriff genommen und bei der weihe des Baus »einen Agon, das heisst einen wettstreit« zu dessen ruhm gestiftet und sehr hohe Geldpreise wie andere sachpreise ausgesetzt. »damals sollen die durch die Gaben ihres Geistes und die treffsicherheit ihres sprachlichen Ausdrucks hochangesehehenen Männer« – theopomp, theok­ tet und naukrates – dem Aufruf zum lob­wettstreit gefolgt sein; vereinzelt werde die Beteiligung eines vierten Mannes behauptet, isokrates. Jedenfalls sei theopomp sieger geworden. Von theodekt habe sich eine tragödie des titels ›Mausollos‹ erhalten, wie hygin in seiner ›Beispielsammlung‹ be­ richte; s. Gellius, Noctes Atticae, X, 18, Bd. i, s. 322 (Üs: Fritz weiss): »Molita quoque est ingenti im­ petu operis conservandae mariti memoriae sepulcrum illud memoratissimum dignatumque numerari inter septem omnium terrarum spectacula. id monumentum Artemisia cum dis manibus sacris Mau­ soli dicaret, agona, id est certamen laudibus eius dicundis, facit ponitque praemia pecuniae aliarumque rerum bonarum amplissima. Ad eas laudes decertandas venisse dicuntur viri nobiles in­ genio atque lingua praestabili, theopompus, theodectes, naucrates, sunt etiam qui isocratem ipsum cum his certavisse memoriae mandaverint. sed eo certamine vicisse theopompum iudicatum est. is fuit isocratis discipulus«; die editio princeps erschien 1469 in rom. 521 Zu Gaurico, De sculptura, s. App. ii/B, s. v. Cinquecento; vgl. zu porcellio, De arte fuxoria, s. App. ii/B, nr. 6 und zu Filarete, Trattato, s. App. ii/B, nr. 7. 522 ebenda. Vgl. zur Konkurrenz als Ansporn der Künstler zu obskuren und ungewöhnlichen dingen (»cose oscure e inusitate«) auch in Vasari, Le vite, Bd. i, s. 621.

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24 Pyramide mit Obelisk, aus: Francesco colonna, Hypnerotomachia Poliphili, i, Venedig: Aldus Manutius, 1499, fol. B1v

25a Meister der Griselda, Artemisia, vor 1493, Mailand, Museo poldi pezzoli 25b Meister der Griselda, detail von: Artemisia: ›das Artemision von halikarnassos‹, Mailand, Museo poldi pezzoli

(Abb. 24) 523 – und, als weitere referenz, das im Bau befindliche Mausoleum links im hintergrund einer fast zeitgleich gemalten darstellung der Artemisia, ein werk des so­ genannten ›Meisters der Griselda‹ (Abb. 25a–b).524 die beiden für uns sichtbaren schau­ seiten des Monumentes bestehen aus vier relief­Kompartimenten mit Frauenfiguren in identischer pose, allem Anschein nach eine Konzession an den wettstreit zwischen den vier Bildhauerpersönlichkeiten. Zwei von diesen wird man auf dem oberen Baugerüst erkennen dürfen. die Vierzahl von Künstlern beflügelte die phantasie der frühneuzeitli­ chen Kunstinteressierten. dies geschah dergestalt, wie man es gegen 1490, der abweichen­ den Kunstgattung zum trotz, durch einen Agenten des Mailänder herzogs vernahm. seine Anpreisung der vier Maler, die sich einst in der Villa spedaletto, einem Anwesen des Magnifico, hervortaten (Botticelli, Ghirlandaio, perugino und Filippo lippi) geriet

523 Hypnerotomachia Poliphili, i, fol. b1r, Bd. i, s. 18. 524 Vilmos tátrai, »il maestro della storia di Griselda e una famiglia senese di mecenati dimenticata«, in: Acta Historia Artium, 25, 1979, s. 27–66, Abb. 11.

2. Antike Künstleragone im Spiegel der Literatur

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zur plinius­paraphrase: »Alle diese Meister haben sich bereits bewährt […] und es bleibt offen, wem von ihnen die palme gebührt.«525 Mit der Anwendung der tradierten Formel auf vier Malerei­Koryphäen wurde zugleich dem Anspruch Ausdruck verliehen, diese Maler könnten dem ›Viergespann‹ der antiken Bildhauerpersönlichkeiten das wasser reichen oder diese gar überbieten. dreierlei ist auffallend: Beide Bildhaueragone, denen plinius Aufmerksamkeit schenk­ te, nehmen Bezug auf die ›weltwunder‹, denn sowohl das Mausoleum zu halikarnassos als auch das Artemision zu ephesos sind Bestandteil jenes Kanons, der, seit terenz auch terminologisch, als der der ›sieben weltwunder‹ gilt. insofern bestätigt sich erneut, was wir heuristisch voraussetzten: es sind vorweg Kunstwerke der superlative, denen das Flair des Agonalen angedichtet wird und dies zweifach, in der produktiven und der ge­ nerativen weise. das heißt, das Agonale dient (nach dieser sicht) sowohl als triebfeder der Künstler für die hervorbringung dieser Meisterwerke, als auch, nach ihrer Voll­ endung, ihrer wahrnehmung, indem sie und ihre Konkurrenzwerke rangstreitdebatten über ihre Qualität entfachen. in seiner Antrittsvorlesung an der Universität von Florenz bemühte sich Angelo poliziano 1482 um eine distanz zum topos der Überlegenheit der schriftdenkmäler. er bescheinigte den sieben weltwundern die gleiche Unvergänglich­ keit wie der dichtung Vergils.526 Und eine rezeptionshaltung, die sich bereits in der rö­ mischen Kaiserzeit abzeichnete, die Verquickung der weltwunder mit Agonen, färbte verschiedentlich auf die neuzeit ab. nicht von ungefähr gesellte man vorzugsweise die­ jenigen neuzeitlichen Meisterwerke den sieben weltwundern zu, denen, wie Brunelleschis domkuppel, Künstlerwettbewerbe vorangingen.527 Zweitens: dort, wo die größte resonanz 525 »tutti questi predicti maestri hano facto prova di loro […] et la palma e quasi ambigua«; der Bericht des anonym gebliebenen Agenten zitiert nach Baxandall, [1972] 1984, s. 38. 526 poliziano, Silvae, i, vv. 321ff. (poliziano, Opera omnia, Bd. ii, s. 302): »daedala perpetui visum mon­ umenta poetae, […]. nec vetus immensum fuerint quae sparsa per orbem / gloria septena celebrat spectacula fama. […]«; über die sieben weltwunder Manetti, De vita ac gestis Nicolai Quinti, ii, 60, s. 100–101; zum Mausoleum als weltwunder santi, La vita, s. App. ii/B, nr. 13; zum Artemision Guarino, Epistolario, Bd. i, s. 39, nr. 17, zum ephesischen Artemision und dem Mausoleum von hali­ karnassos Manuel chrysoloras, Epistolae (Brief an Johannes paleologos) (PG, Bd. clVi, sp. 224–225). 527 so stellt Manetti (Manetti, De dignitate hominis, ii, 38, s. 58–59) Brunelleschis Kuppel und die pyra­ miden auf eine stufe; für corella, Theotocon, iV, vv. 15–18, s. 98 ist die Florentiner Kuppel das achte weltwunder: »non opus Agrippae, non fanum immane colossi, 15 non pharos Aegypti par reperitur ei. hinc ultra septem veteris miracula secli Octavum meruit iure tenere locum.« Vgl. Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, vv. 479–484, s. 352–353: »Jam Mausolei poteris meminisse sepulchri, signaque marmorae stupidus miraberis arcis. 480 nunquid daedalea mirabilis arte philippus;

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

auf die beiden Bildhauerwettbewerbe des Altertums zu erwarten wäre – man denke an plinius­Kommentare –, war sie denkbar gering. so übergeht der venezianische Gelehrte ermolao Barbaro in seinen Castigationes Plinianae bei aller Gründlichkeit beide von ih­ nen. Unter den antiken wettstreitmotiven fesselt ihn einzig die rivalität zwischen Zeuxis und parrhasios.528 Auch in den kunsttheoretischen schriften Albertis fällt kein wort über die beiden Konkurrenzen; und die lexikalische literatur des Quattrocento beschäftigt sich unter stichworten wie ›phidias‹ oder ›polyklet‹ weit mehr mit Kunst­ werken fern der besagten Agone. drittens wäre es jedoch ein trugschluss, auf ein desin­ teresse an ihnen im italien des 15. Jahrhunderts zu schließen. eine Vielzahl von reflexen auf sie tritt bei näherem hinsehen in Büchern zutage, in denen sie auf Anhieb nicht zu erwarten wären. so bot Giovanni Boccaccio in seiner Artemisia­Biografie die extensivste interpretation des wettstreites der hände. ihr sollten eine Fülle von Auslegungen in sammelbiografien über berühmte Frauen folgen, beispielsweise in Jacopo Filippo Fores­ tis De claris mulieribus und, aufgeführt unter »de Arthemisia cariae regina«, auch in Battista Fregosos nachschlagewerk De dictis factisque memorabilibus collectanea.529 nach all diesen Beobachtungen verwundert der Fortgang der entwicklung nicht. Boccaccios exposition des künstlerischen Kräftespieles der vier Kombattanten klingt wie eine Vor­ wegnahme des standpunktes der Bildhauer im paragone: das Ziel eines jeden sei gewe­ sen, »die anderen in Kunstfertigkeit zu übertrumpfen« und »beim Meißeln der statuen« »die Macht ihres ingeniums« ans licht zu bringen.

cuius tam vastus templi supra aethera fornix surgit opus: quod jure potes super omnia ferre, si septem vel plura licet miracula ponas.« ein dokument zum wettbewerb um die Florentiner Kuppel in Krautheimer, [1956] 31982, s. 405, nr. 60 (v. 19. August 1418); zur Bedeutung des Mirakulösen in der Bewertung von Kunstwerken Freedberg, 1989, passim. 528 die plinius­paragraphen vor und nach dem wettbewerb sind hingegen erwähnt; s. Barbaro, Castigationes Plinianae, s. 1094 und s. 1155. 529 Zu Boccaccio, De mulieribus claris, s. App. ii/B, nr. 4, Foresti da Bergamo, De claris mulieribus und Fregoso, De dictis, s. App. ii/B, nr. 14 und nr. 15; über Artemisia auch Francesco Barbaro, De re uxoria, ii.

3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit

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3. Künstlerwettbewerbe und rangstreitmotive der Frühen neuzeit 3.1. Übertrumpfen der Vorgänger: lesarten des Commedia­Motives (cimabue – Giotto) »tristo è quel discepolo che non avanza il suo maestro.« leonardo da Vinci

im berühmten rangstreitmotiv dantes aus dem elften Canto des Purgatorio, es geht um die rivalität zwischen den Malern cimabue und Giotto, überbietet der Bessere nicht nur den schlechteren. es ist näherhin die Ablösung des Überkommenen durch eine lichtgestalt der neuen innovatorischen Künstlergeneration, die nun das sagen hat – oder, wie dante es topografisch umschreibt, die sich jetzt »oben« befindet, »auf den Gip­ feln« (des ruhmes): »Oh vana gloria dell’umane posse! com’ poco verde in su la cima dura, se non è giunta dall’etati grosse! credette cimabue nella pittura tener lo campo, ed ora ha Giotto il grido, sì che la fama di colui è oscura. […] e forse è nato chi l’uno e l’altro caccerà del nido. non è il mondan romore altro che un fiato di vento, ch’or vien quinci ed or vien quindi, e muta nome perché muta lato.«

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(O leerer ruhm des menschlichen Vermögens, / wie kurz nur bleibt das Grüne auf den Gipfeln, / wenn nicht dahinter rohe Zeiten folgen. / es glaubte cimabue, er sei der Meister / der Malerei, und nun ist Giotto oben, / Und hat den ruhm des ande­ ren überschattet. / […] und heute lebet / Vielleicht, der beide aus dem nest wird ja­ gen. / es ist der ruf der Menschen nur ein Blasen / des windes, der bald da­, bald dorthin wehet / Und namen wechselt, wie er richtung wechselt).530

530 dante, Purgatorio, Xi, vv. 91–102, Bd. ii, s. 133f. (Üs: Gmelin) und Gmelins Kommentar ebenda, Bd. V, s. 196–201.

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

Von Kris/Kurz über Gmelin bis Foucault ist in der Forschung vieles über diesen Purgatorio­passus geschrieben worden, dessen lehrhaft­moralisierender hauptakzent auf dem laster der superbia liegt.531 Als das wohl am häufigsten zitierte literarische rangstreitmotiv um zwei protagonisten der Malkunst hebt es einen elementaren Faktor der Vorgeschichte des paragone ins Bewusstsein: dass in italien das Aufkommen von Überbietungsmoti­ ven im Bereich der figurativen Künste auf das engste einherging mit »namen« (v. 102), das heißt dem erstehenden frühneuzeitlichen Künstlerkult. er kreiste zunächst um die Malerpersönlichkeit Giotto. was in poetischer einkleidung, versehen mit licht­/schat­ tenmetaphorik (für ruhm und Vergessenheit), vorliegt, ist dantes Besinnung auf dieses neue geistige Klima in der Arnostadt, in dem die Blüte mannigfaltiger talente dem ruhm des einzelnen ganz unversehens nur kurze dauer beschert. die schmach, die selbst einem Maler vom schlage eines Giotto bevorsteht, ist nach diesem Fatalismus ab­ sehbar. denn die Geschichte der Künste wird in nuce – nach einer zivilisatorischen wunschvorstellung – als Fortschritt interpretiert, als prozess einer konstanten qualitati­ ven höherentwicklung, die denjenigen ins Abseits stellt, der nicht mit neuem, Originel­ len, Besseren aufwarten kann. Bemerkenswert genug: dante hat sich neben den rivalen in der domäne der Dolce-stil-novo­dichtung (Guido Guinizelli – cavalcanti) nicht minder für den Generationskonflikt zwischen begabten Maler­Konkurrenten interes­ siert. Zunächst eine Vorbemerkung zur Quellenfrage, bevor wir uns Aspekten der rezep­ tion zuwenden: die Forschung hat übersehen, dass der Commedia­Abschnitt in drei punkten, in Motiv, stoff und wortwahl bei plinius dem Älteren vorgeprägt ist. Auch beim Autor der Naturkunde gibt die Generationsablösung mitunter den Ausschlag für die rangfolge von Künstlern. so würdigt plinius den Vater des parrhasios mitsamt einer stattlichen reihe anderer Maler zur Zeit der neunten Olympiade als durchweg »berühm­ te Künstler«; aber, wie er versichert, dürfe sich sein Bericht bei diesen »nicht aufhalten […], um zu den Koryphäen der Kunst zu eilen«; unter diesen leuchte als erster Apollo­ doros aus Athen in der 93. Olympiade hervor.532 die neuen Koryphäen gelten sehr an­ 531 dieses rangstreitmotiv gilt Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 47f. als ein »exemplum morale«; dantes Ver­ zicht auf das Kriterium des Überbietens in der Kunst betont Baxandall, 1971, s. 77; vgl. Falaschi, 1972, s. 1ff.; Middeldorf­Kosegarten, 1980, s. 169; Michel Foucault, Dits et écrits – Schriften, hrsg. v. daniel defert et alt., Frankfurt a. M., 2001 [franz. orig. paris, 1962], s. 268 sah im spannungsver­ hältnis cimabue – Giotto dasjenige zwischen dem »reich« der »Anmaßung« mit dem der »rechte« virulent; Ames­lewis, 2000, s. 163 glaubt, das dante­Motiv sei für überzeugende Argumente zu Gunsten der Malerei verwertet worden; pfisterer, 2002, s. 54f. schließt dantes reflexion auf stilent­ wicklungen mit recht aus; das laster der superbia sei das thema. Als stilistischer neuerer rangiert Giotto in cennini, Libro dell’arte, cap. i, s. 4–5. – Zum topos der ›Überbietung‹ curtius, [1948] 1984, s. 171–174. 532 plinius, NH, XXXV, 60, s. 52 (Üs: roderich König): »lXXXX. autem olympiade fuere Aglaophon, cephisodorus, erillus, euenor, pater parrhasii et praeceptor maximi pictoris, de quo suis annis dice­

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schaulich als »leuchten der Kunst«. so kann es nicht überraschen, wenn sich dante zur erfassung des gleichen phänomens jener lichtmetaphorik bedient. dantes chiffre für die künstlerische selbstgefälligkeit und saturiertheit der etablierten, »nest« (»nido«), zehrt ebenfalls von der Naturkunde. ein ganzes »nest der nachkommenschaft« –533 diese worte fallen bei plinius im Zusammenhang mit Ahnenporträts. dante übertrug sie auf das Kräftespiel zwischen Generationen von Virtuosen. die Verstoßung des einst Besten aus dem »nest« infolge der Geburt des Besseren ist dantes rüdes Bild für das drama des ehrgeizigen Virtuosen, dem der Geschichtsgang der Kunst, der Fortschritt, zum Ver­ hängnis wird. es geht in dantes extrapolation des lebenszyklischen um Geburt und sterben, um das Auf und Ab des Künstlerruhmes, eben gerade nicht um das für die humanisten später so zentrale Motiv des nachruhmes. deshalb wachsen auf dem Gip­ fel bei dante auch keine (nach prodikeischem Muster) immergrünen Bäume. sie sind so sehr der hinfälligkeit preisgegeben wie der ruhm.534 Barolsky hat anhand einiger wendungen aus Vasaris lebensdarstellung von cima­ bue luzide erkannt, dass für dessen profil, für die rolle cimabues als Vorläufer Giottos, ein typologisches schema am walten ist. die frühe Geltung dieses Musters in der Commedia erwog er nicht. Ausgehend von der prophezeihung Johannes des täufers am Jor­ dan, derjenige, der »nach« ihm komme, sei stärker sei als er, scheint jedoch bereits in dantes Canto das eigentümliche Verhältnis Johannes des täufers zum nachfolgenden Messias mitzuschwingen, eine Analogiebildung ex minore ad majus. sollte dieses Muster dem Purgatorio­Motiv tatsächlich im kardinalen punkt die richtung gewiesen haben, dann lägen dantes Beweggründe für die Anleihe am typus des Johannes ›prodromos‹

mus, omnes iam inlustres, non tamen in quibus haerere expositio debeat festinans ad lumina artis, in quibus primus refulsit Apollodorus Atheniensis lXXXXiii. olympiade. hic primus species exprimere instituit primusque gloriam penicillo iure contulit.« Baxandall, 1971, s. 77 glaubt an die Abhängig­ keit des Verhältnisses von cimabue – Giotto von dem zwischen Apollodoros und Zeuxis (plinius, NH, XXXV, 60–61); plinius sagt nur aus, dass Zeuxis die von Apollodoros aufgestoßenen tore der Kunst durchschritten habe. es fehlt die für dante und seine exegeten entscheidende lichtmetapho­ rik. Bezeichnenderweise verwendet Boccaccio eine ähnliche Formulierung zur charakterisierung Giottos: »[…] avendo egli quell’arte ritornata in luce, […].« Boccaccio, Decamerone, Vi, 5, Bd. iV, s. 550. Auf die rhetorik bezogen ist der Fortschrittsgedanke schlechthin auch bei cicero (Brutus) und Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 10 thematisiert; dazu grundlegend Gombrich, 1985, s. 11–23 und sarah stever Gravelle, »humanist Attitude to convention and innovation in the Fif­ teenth century«, in: Journal of Medieval and Renaissance Studies, 11, 1981, s. 193–209, s. 198 mit Verweis auf ein Bekenntnis Guarinos (Vita Platonis) zur notwendigkeit der Autonomie­ und innova­ tionsbestrebungen der Maler, die sich von den Fußstapfen ihrer Vorgänger befreien sollten. 533 plinius, NH, XXXV, 12, s. 20: »[…] nidum aliquem subolis […].« 534 Zur prodikeischen tradition und den Filiationen seit dion von prusa und themistios panofsky, [1930] 1997, s. 48f.

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(wegbereiter) auf der hand: cimabues Vorname, Giovanni.535 Ob unter dem eindruck des Commedia­dichters oder nicht – Filippo Villani hatte im ausgehenen trecento cima­ bues Vorname deutlich akzentuiert, als er in Besinnung auf erwähnenswerte Virtuosen seiner heimatstadt schrieb: »inter quos primus Johannes, cui cognomento cimabue dictus est«.536 erstaunlicherweise haben im Kontext des Purgatorio­Motives die parallelerscheinun­ gen in der Kunst der dantezeit eine geringe Aufmerksamkeit auf sich gezogen.537 dabei war der typus des Künstlerlobes auf Kosten des Vorgängers in einer anderen, der genea­ logischen spielweise, längst eingebürgert: in der auf Familienbündlerei beruhenden werkstattradition, dem ersten Angelpunkt der künstlerischen identität. nach diesem Usus definiert sich der spross aus einer Künstlerfamilie über seinen renommierteren Va­ ter, quasi als »der erbe seiner Kunstfertigkeit«.538 ein großer Fundus mittelalterlicher Künstlerinschriften bekundet eben dieses Ansinnen, sich als Künstler­nachfahre patro­ nymisch über die errungenschaften des Älteren anzupreisen539 – und sei es in triumpha­ lischer selbsterhöhung in Form der Aberkennung des väterlichen Vorranges, wie es Gio­ vanni pisano gegen 1301 in den epideiktischen Zeilen an der domkanzel in pistoia fertigbrachte – nach Goffen ein »metaphorischer Vatermord«: »in stein gehauen hat dies Giovanni, der keine nichtigen dinge hervorbrachte, geboren von nicolò [pisano], aber mit größerer Kunst [als dieser] gesegnet«. im Anschluss folgt die hyperbel: »ihn [Gio­ vanni] zeugte pisa, kunstfertig über alles je Gesehene hinaus«.540 die Überlagerung des

535 Besonders prägnant ist das Bild des ›prodromos‹ in Mt, 3, 11: »qui autem post me venturus est fortior me est« und Mk, 1, 7: »er verkündete: nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; […]« (»et praedi­ cabat dicens Venit fortior me post me*«); vgl. auch die Johannes­Vita der Legenda Aurea. Ansätze für diese these – ungeachtet der Grundlagen bei dante – bot paul Barolsky, Giottos Vater. Vasaris Familiengeschichten, [engl. orig. University park, 1992] Berlin, 1996, s. 16; er hat in Vasaris Äußerung, cimabue habe in der Malerei das »erste licht« wiedererweckt – eine Allusion auf den täufer erkannt. 536 Villani, De origine, XlVii, 6–17, s. 152ff. 537 eine Ausnahme ist conti, [1979] 1991, s. 265ff. 538 so die worte von plinius über den sohn des praxiteles: plinius, NH, XXXVi, 24, s. 28/29 (Üs: ro­ derich König): »praxitelis filius cephisodotos et artis heres fuit«; auch zitiert in Barbaro, Castigationes Plinianae, s. 1153; nach seiner Grabinschrift im sieneser dom gehört Giovanni pisano explizit den »erediBUs« seines Vaters (nicola pisano) an; s. poeschke, 2000, s. 106. Auf die Verdienste des leh­ rers Verrocchio, der seine schüler gründlich belehrt habe, sodass deren name in Florenz berühmt sei, s. Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, vv. 464–466, s. 352: »discipulos pene edocuit Verrochi­ us omnes, / quorum nunc volitat tyrrena per oppida nomen.« 539 Zur rolle des patronymikons in Künstlersignaturen hessler, 2007, s. 97ff.; Beispiele für solche signa­ turen in Goffen, 2001, s. 301–370, s. 302, s. 308. 540 »[…] scUlpsit iOhAnnes QUi res nOn eGit inAnes / nicOli nAtUs sensiA Me­ liOre BeAtUs / QUeM GenUit pisA dOctUM sUper OMniA VisA« (zitiert nach poe­ schke, 2000, s. 118); vgl. Goffen, 2002, s. 4: »[…] a metaphoric patricide […].« es handelt sich um eine konsequente Umkehrung der Künstlerinschrift des Vaters an der Fontana Maggiore in perugia

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genealogischen rückbezuges auf den Vater mit dem weit imposanteren, obendrein mit einer Vergil­reminiszenz unterlegten auf die Vaterstadt541 ist eine von überbordendem ehrgeiz und Autonomiestreben getroffene Vorkehrung pisanos, um sich bei aller inan­ spruchnahme des väterlichen erbes von diesem abzugrenzen. Kein wunder: der streb­ same schüler exponierte sich lieber als schöpfer dessen, was über erlerntes und lehrbares hinausgeht, von Unnachahmlichem. im Fall von cimabue und Giotto lässt näheres hinschauen die Übertragung des Generationskonfliktes auf eine wahlverwandtschaft erkennen, auf die zwischen lehrer und schüler, in dantes deutung ein spannungsver­ hältnis. der lehrer­schüler­Konflikt unter Künstlern ist mit abweichender Akzent­ gebung und hierarchie in lukians Traum vorgebildet. Bei dante ist es nun der schüler (Giotto), der seinem lehrer (cimabue) über den Kopf wächst. schon die entdeckungs­ legende von Giottos talent, wie sie Ghiberti in seinen Commentarii kolportiert, kann als Vorgriff auf dieses künftige Fatum gelten: die episode vom staunen des cimabue ange­ sichts einer Zeichnung, die der hirtenjunge Giotto in freier natur beiläufig entwirft.542 Übrigens hat Giotto, der schließlich selbst zum lehrer und Meister avanciert, seine Ge­ mälde mehrfach mit ›magister‹ signiert, mit welchen dünkeln auch immer.543 Für die weiterentwicklung der von dante und pisano vorgegebenen stoßrichtung mangelt es

(von 1278); in dieser beteuert der Vater, der erste zu sein und sein sohn der Zweite; der wortlaut zi­ tiert in poeschke, 2000, Bd. ii, s. 80. ein lob der innovation in der skulptur in Quintilian, Institutio oratoria, ii, 13, 10. – Zu den wurzeln dieses Motivs im mythologischen Agon Froleyks, 1973, s. 222. der rätselwettkampf im anonym verfassten, mittelhochdeutschen sangspruchgedicht um einen dichterwettstreit, Der Wartburgkrieg, ii (ca. 1240–1260), gehört zu diesem themenkreis; am ende steht der sieg des intuitiven laienwissens über die schulmäßige erudition; dazu walter haug, Brechungen auf dem Weg zur Individualität. Kleine Schriften zur Literatur des Mittelalters, tübingen, 1995, s. 54. 541 Bekanntlich überliefert die servius­Vita (Vita Servii, 13) das Vergil­epitaphion »Mantua me genuit«. der wortlaut färbte auf ein epitaphium paolo spinosos auf den 1476 verstorbenen Mantuaner Me­ dailleur cristoforo di Geremia ab (»Ad christophorum Mantuanum sculptorem egregium«); s. Bianchi, 2004, s. 120, v. 4. der Verweis auf die stadt, die einen Maler gebar, im epitaphium auf den 1455 verstorbenen, in s. Maria sopra Minerva beerdigten Fra Angelico; die Zeilen stammen von isaia di pippo aus pisa: »nOn Mihi sit lAVdi QVOd erAM VelVt Alter Apelles / sed QVOd lVcrA tVis OMniA christe dABAM. / AlterA nAM terris OperA eXtAnt Al­ terA cOelO. / VrBs Me iOAnneM FlOs tVlit ethrVriAe«; zitiert nach emison, 2004, s. 293. 542 Ghiberti, I commentarii, ii, 2.1., s. 82–83 (vgl. die rezeption von leonardo in The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 371f.); zu dieser legende Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 47f. und pfisterer, 2003, s. 263–302, s. 264–270; eine brillante charakterisierung des von neid vergifteten schüler–Meister­ Verhältnisses bei Malern decher, 2005, s. 121. 543 so beispielsweise nach 1328 die Krönung der Jungfrau (»OpUs MAGistri JOcti«) und ca. 1330 die Madonna mit Heiligen und Engeln (»Op[Us] MAGistri JOcti d[e] FlOr[entiA]«); dazu Goffen, 2001, s. 309, die in der signaturform die Kür des eigenen werkes zum Meisterwerk sieht.

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

nicht an Zeugnissen. Unter ihnen weist die selbstgewissheit leonardos, 1490 formuliert, etwas von der Bündigkeit einer sentenz auf: »traurig ist der schüler, der seinen lehrer nicht übertrifft.«544 trotz des von dante nicht eben extensiv gestalteten rangstreitmotives könnte die hermeneutische Bandbreite seiner Kommentatoren seit dem trecento kaum weiter aus­ einanderfallen. einen der frühesten unter ihnen, dantes Zeitgenosse iacopo della lana, interessierte psychologisierend cimabues Fehleinschätzung der souveränität des schü­ lers; der vielgelesene Ottimo commento kürt Giotto zum Besten »unter allen Malern« – vielleicht bestand der pädagoge pier paolo Vergerio 1396 deshalb brieflich auf der un­ eingeschränkten Vorbildfunktion Giottos für andere Maler –;545 unter Vermeidung einer parteinahme schätzte pietro Aldighieri beide »ehrwürdige Maler«; der Anonimo Fiorentino schildert die Abkehr des lehrjungen Giotto von der wollweberei hin zur Malkunst wie ein Bekehrungserlebnis. die nach unseren prioritäten beachtenswerteste Auslegung bot 1375 der sogenannte »falso Boccaccio«. wie petrarca die Marmordiosku­ ren durch einen Bildhauerwettbewerb zu erklären suchte, so erfand der »falso Boccac­ cio«, bezogen auf cimabue und Giotto, das pendant in der Malerei. er setzte in An­ betracht der längst ausgeloteten Überlegenheit des schülers gegenüber dem lehrer (»suo disciepolo ilquale venne più perfetto di lui«) einen vorangegangenen wettbewerb in neapel voraus, bei dem König robert von Anjou die schiedsrichterfunktion innehatte (»[…] furono allapruova chiera di loro migliore maestro […]«).546 Zweifellos dachte der »falso Boccaccio« an der schwelle zum Quattrocento nicht außerhalb der verosomiglianza, als er sich dieser phantasie überließ. Benvenuto da imolas magistraler dante­Kom­ mentar belebte die werte des Maleragons zwischen Apelles und protogenes, indem er die größte subtilität Giottos (»[…] nondum venit alius eo subtilior […]«) ins Auge fasste, und er feierte auf dieser Grundlage den sieg in der »arte pingendi«. Francesco Buti schließ­ lich bediente den topos vom kriegerisch akzentuierten wettstreit der Künste durch die Verknüpfung von dantes Metapher für die Beherrschung des ›Feldes‹ der Malerei

544 leonardo, Codex Forster III, fol. 66v (zitiert nach The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, nr. 498, s. 308): »tristo è quel discepolo che non avanza il suo maestro.« Konzilianter seine position im Libro di pittura: der schüler eigne sich soviel an, wie der lehrer es ihm beibringt (i, 8); die natur ist die lehrerin des Malers (i, 30). 545 Vergerio, Epistolario, s. 177: »Fatendum est igitur, quod etatis nostre pictores, qui, cum ceterorum claras imagines sedulo spectent, solius tamen ioti exemplaria sequuntur«; vgl. auch die herausragende stellung Giottos in petrarca, Itinerarium Syriacum. 546 Zu Jacopo della lana, Comedia, s. App. ii/F­b, nr. 1, vgl. L’Ottimo commento, s. App. ii/F­b, nr. 2, zu pietro Aldighieri s. App. ii/F­b, nr. 3, zum Anomimo Fiorentino s. App. ii/F­b, nr. 7 und dem ›falso Boccaccio‹ App. ii/F­b, nr. 4.

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(»tener lo campo«) mit einem siegreichen soldaten auf dem schlachtfeld.547 demzufolge bahnten mitunter mittelalterliche Autoren, denen keineswegs die Ader für den kämpferi­ schen Zug des Agons fehlte, den weg zur Geltung der wettstreitkultur im Quattrocen­ to, nicht zuletzt für das wortgefecht – duello – am Mailänder hof (s. cap. iV.3.2). Anders als bisherige studien es unterstellen, entbehrt die lange rezeptionsgeschichte von dantes rangstreitmotiv der einheitlichkeit. die interpreten des 14. Jahrhunderts gefährdeten vielmehr mit starken relativierungen den für dante so zentralen Aspekt der superbia.548 die dante­Kommentatoren, weniger die übrigen zeitgenössischen interpre­ ten des Purgatorio­passus’ (Jacopo da Montepulciano oder domenico Bandino),549 nutz­ ten die Gelegenheit zur Amplifizierung der agonalen topoi. in der einfachsten Form, bei rinuccini, Galli und corella, geschah dies durch die Vermehrung von Künstlernnamen. so glaubte cino rinuccini in seiner Responsiva, dass der Zögling Giotto nicht nur seinen lehrer cimabue, sondern auch andere Künstler, Bildhauer der Vergangenheit wie sko­ pas, polyklet und praxiteles in den schatten stelle. Als gattungsorientierter Affront ist dies vermutlich nicht zu werten.550 Und 1442 erweiterte der urbinatische dichter und di­ plomat Angelo Galli die lineare Abfolge cimabue, Giotto um den, wie er befand, größ­ ten neuerer der Malkunst seiner eigenen Zeit, Gentile da Fabriano und offenbarte – aus einem Verlebendigungsstreben heraus – den immer wieder zu beobachtenden drang, ein topisches rangstreitmotiv der Vergangenheit in die Gegenwart zu verlagern.551 in Filaretes Architekturtraktat schließlich hielt der paragone ex post einzug in dan­ tes rangstreitmotiv. Filarete glänzt mit einer Anekdote, wonach Giotto seinen lehrer cimabue mit täuschend echt gemalten insekten hinters licht geführt habe. dieses Trompe-l’œil­Motiv hat seine wurzeln in philostrats narziss­ekphrase ebenso wie im wettstreit zwischen Zeuxis und parrhasios. indem cimabue das insekt mit einem tuch 547 Zu Francesco Buti s. App. ii/F­b, nr. 6, Benvenuto da imola s. App. ii/F­b, nr. 5. – Vasari, Le vite, Bd. i, s. 267 hielt dantes Purgatorio­Verse für einen reflex auf das cimabue gewidmete epitaphium in santa Maria del Fiore; er zitiert es wie folgt: »credidit ut cimabos picturae castra tenere; sic tenuit vivens; nunc tenet astra poli.« dazu John shearman, »Giorgio Vasari and the paragons of Art«, in: Vasari’s Florence, hrsg. v. philip Josua Jacks, cambridge, 1998, s. 13–22. – Zum kriegerischen Zug des wettstreits der Künste hessler, 2007, s. 54ff. 548 nicht herausgestellt von Falaschi, 1972, s. 2ff.; panofsky, [1960] 1990, s. 26ff., pfisterer, 2002, s. 54– 55, s. 318. 549 Zu den Zitaten aus den werken von Francesco da Barberino, Jacopo da Montepulciano – er themati­ siert die Überbietung – und domenico Bandino s. App. ii/F­b, nr. 11–10. 550 Zu rinuccini, Responsiva, s. App. ii/F­b, nr. 13; auch Benvenuto da imola (s. App. ii/F­b, nr. 5) stellt Giotto der antiken skulptur und Malerei gegenüber. 551 Zum Gedicht von Galli s. App. ii/F­b, nr. 14; nicht anders verfuhr im späten Quattrocento Giovanni domenico da corella, Theotocon, s. App. ii/F­b, nr. 16; es ist Fra Angelico, der weder Giotto noch cimabue unterlegen ist.

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verjagen will, erbringt er den Beweis seiner Unterlegenheit.552 ein Maler vermutlich fer­ raresischer provenienz, dessen illusionismus unter dem eindruck höfischer Buchmalerei stand, machte 1470 ein vergleichbares Konzept zur Grundlage eines Gemäldes, einer Madonna und Kind mit Engeln (Abb. 26). links unten im Bild hat sich eine Fliege auf einem leinwandfetzen niedergelassen, der von einem Bilderrahmen herabhängt. An diesem sind weitere reste einer angenagelten leinwand verblieben. nach der nagelung auf dem rahmen zu urteilen, handelt es sich nicht um die Vorder­, nein, um die rück­ seite eines leinwandgemäldes. logisch unstimmig, ist das Madonnenbild jedoch von vorn zu sehen, gleichgültig, ob man dieses nun als das auffasst, was es faktisch ist, als Gemälde auf holz, oder, im sinne der simulation des Malers, als reales oder visionäres Geschehen, das sich hinter dem rahmen zuträgt.553 die Verwirrung des Betrachters an­ gesichts dieser widersprüchlichkeit ist perfekt – eine Trompe-l’œil­leistung in den spu­ ren des parrhasios’ und gleichwohl auch nach Art des Giotto. Anstelle eines Vorhanges oder tuches ist konsequent der stoff des Malers getreten, nämlich die leinwand, die aussieht, als habe jemand (ein zweiter Zeuxis oder cimabue) versucht, sie ab­ oder weg­ zuziehen. der Kompilator Battista Fregoso, sohn des dogen von Genua, bewies einen nicht minder freien Umgang mit der parrhasios­tradition. ihm zufolge war es eine »Karte« (»mappa«), die Zeuxis vergebens wegzuziehen gedachte.554 Kehren wir zu Filaretes rangstreit­interpretation zurück: die illusionistischen Farb­ setzungen Giottos beim Malen der insekten, das ergebnis der »Macht des wissens«,

552 Zu Filarete, Trattato, s. App. ii/F­b, nr. 15 und in voller länge in App. iii/B, nr. 13; die Anekdote übernommen von Vasari, Le vite, Bd. i, s. 408; dazu Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 92–93. Vgl. die ge­ malte Biene, die für echt gehalten werde, in philostrat, Imagines, i, 23. die besondere mimetische Begabung Giottos war vor allem ein thema in Boccaccio, Decamerone, Vi, 5. Vorbildgebend für den vom lehrer bewunderten jungen Maler von insekten ist möglicherweise ein passus über Michelino da Besozzo von circa 1400 aus Uberto decembrio, De republica (BA, Ms. B. 123 sup., fol. 97v); in ande­ rem Kontext zitiert bei pfisterer, 2003c, s. 292, Anm. 29: »Michaelem papiensem nostri temporis pictorem eximium puerulum novi, quem ad artem illam adeo natura formaverat ut prius loqui incipe­ ret aviculas et minutas animalium formas ita subtiliter et proprie designabat, ab illius artis periti arti­ fices mirarentur, qualis nunc magister exceverit opus docet, nullum reor sibi esse consimile.« das Trompe-l’œil­Motiv einer Fliege finden wir beispielweise 1449 in einem Gemälde von petrus christus, Porträt eines Karthäusers (Metropolitan Museum of Art, new York); die Fliege befindet sich über der Künstlersignatur »petrVs Xpi Me Fecit«; s. Petrus Christus, 1994, s. 92–95, Kat.­nr. 5. – das Purgatorio­Motiv im Kontext des paragone auch bei Varchi, Due Lezzioni, s. App. ii/F­b, s. v. Cinquecento. 553 (edinburgh, national Gallery of scotland, inv.­nr. nG 1535); nach Auskunft von Aidan weston­ lewis zuletzt erwähnt in Cosmè Tura e Francesco del Cossa. L’arte a Ferrara nell’età di Borso d’Este, Ausstellungskatalog (Ferrara, palazzo dei diamanti und palazzo schifanoia, 23.09.2007– 06.01.2008), hrsg. v. Mauro natale, Ferrara, 2007, Kat­nr. 149, s. 464, allerdings unter Beschrän­ kung auf die Zuschreibungsfrage. 554 Battista Fregoso, De dictis, s. App. ii/e, nr. 17.

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26 Ferraresische schule, Madonna und Kind mit Engeln, ca. 1470, edinburgh, national Gallery of scotland

verleitete Filarete zur überraschenden paragone­Quintessenz: »diese wunderbaren din­ ge sieht man nicht in der Bildhauerei.« Mit anderen worten: Aus der ehemals gattungs­ internen Konkurrenz erwuchs ein paragone – ein Gedankensprung, der symptomatisch ist für die prioritäten in der zweiten hälfte des Quattrocento. wie wir verfolgen konn­ ten, unterlag die Auslegung von dantes rangstreitmotiv nie einer nostalgischen per­ spektivierung, vielmehr einem ständigen generativen prozess, der auf Aktualisierung und Ausschmückung des Überlieferten zielte. Unter diesen rahmenbedingungen wuchs Giotto posthum in die rolle eines paragone­Vorkämpfers hinein. nicht zufällig: Je eher sich dem interpreten von rangstreitmotiven ein Freiraum zur entfaltung einer hand­ lungslogik öffnete und deren Überführung in eine narrative wettstreitsituation gelang, desto wahrscheinlicher wurde deren instrumentalisierung zur Argumentationsbasis für den paragone.

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3.2. der »duello« am Mailänder hof im dedikationsbrief seines Kunsttraktates De divina proportione an seinen schutzher­ ren, den Mailänder herzog ludovico sforza, erinnerte sich der Mathematiker luca pa­ cioli an ein wortgefecht, als dessen Austragungsort er den castello sforzesco angibt. während irma richter das von pacioli genannte datum, den 9. Februar 1498, auf den besagten widmungsbrief bezog, teilt die neuere Forschungsliteratur seit geraumer Zeit die Meinung winterbergs, der Zeitpunkt des duello selbst sei gemeint.555 laut pacioli fand diese debatte in Anwesenheit des herzogs il Moro zwischen repräsentanten ver­ schiedener Künste und Fakultäten statt, unter ihnen, namentlich aufgeführt, Autoritä­ ten der theologie, der Jurisprudenz, der rhetorik, Medizin, Astrologie wie auch der drei bildenden Künste – ein berühmter passus, berühmt und erhellend zur historischen Ver­ ortung des paragone deshalb, weil in Mailand kein beliebiger wortführer für die posi­ tion der Maler und statuengießer in erscheinung trat, sondern der spätere Autor der Parte prima, leonardo da Vinci.556 die stimmigkeit von paciolis worten in Anbetracht

555 Vgl. richter, 1939, s. 5; anders bereits winterberg in pacioli, De divina proportione, s. 180. Mein dank gilt dem philologen Giuseppe Germano (neapel), der mir bestätigt hat, dass 1498 als das da­ tum des wettstreites anzusehen ist, nicht als das des Briefes. Zu den Verbindungslinien zwischen pa­ cioli und leonardo Argante ciocci, Luca Pacioli tra Piero della Francesca e Leonardo, sansepolcro, 2009, s. 160f. 556 in der widmung von paciolis Buch heißt es (pacioli, De divina proportione, s. 32–33 in der druckver­ sion von 1509): »correndo glianni de nostra salute excelso duca 1498 a di 9 de Febrario. essendo nellinspugnabil arce delinclita vostra cita de milano dignissimo luogo de sua solita residentia ala pre­ sentia di quella constituto in lo laudabile e scientifico duello da molti de ogni grado celeberrimi sapi­ entissimi acompagnata si religiosi commo seculari: deli quali assidue la sua magnifica corte habunda. del cui numero oltra le reverendissime signorie de Vescovi protonotarii e abbati fuoron del nostro sa­ cro seraphico ordine el reverendo padre e sublime theologo Maestro Gometio dignissimo della sacra scriptura precone frate domenico per cognomento ponzone: el reverendissimo padre Maestro Fran­ cesco busti. Al presente nel degno convento nostro de Milano regente deputato. e de seculari prima el mio peculiar patrone illustre signore Galeazzo sforza Vi. san severino fortissimo e generale de vostra ducal celsitudine capitano nellarmi ogi a niun secondo e de nostri discipline solerto imitatore. e de clarissime potentie egregii oratori: e dela medicina e astronomia supremi el clarissimo e acutissimo de serapione e Avicenna e de li corpi superiori indagatore e de le cose future interprete Ambrogio rosa el doctissimo de tutti mali curatore Alvisi Marliano e solertissimo dela medicina in ogni parte observa­ tore Gabriel pirovano. e dagli prefati molto in tutti premesse admirato e venerato nicolo cusano col peritissimo de medesime professioni Andrea novaresse. e altri eximii consultissimi utriusque iuris doctori e de vostro ornatissimo magistrato conseglieri secretarii e cancelieri in compagnia deli perspi­ cacissimi architecti e ingegnieri e di cose nove assidui inventori leonardo da venci nostro compatriota Fiorentino qual de scultura getto e pictura con ciascuno el cognome verifica.« (im Jubeljahr 1498, er­ habener herzog, am 9. Februar, als ich in der uneinnehmbaren Festung eurer berühmten stadt Mai­ land, der würdigsten stätte ihrer gewohnten residenz, in ihrem Beisein in den lobenswerten wissen­ schaftlichen wettkampf eingeführt worden bin, begleitet von vielen, in jeder hinsicht sehr gefeierten

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der Aussage von lomazzo über leonardos Motivation zur niederschrift des paragone – er habe auf Bitten des Mailänder herzogs gehandelt –557 ließ die Forschung dem Bericht paciolis stets eine hohe Bedeutung beimessen. eine quellenkritische Analyse fehlt, abge­ sehen von Ansätzen der historikerin Azzolini. sie hat 2004, kein neuer Gedanke, den Mailänder duello und den paragone von leonardo stringent als produkte des gleichen höfischen entstehungsrahmens nachzuweisen versucht, allerdings mit dem höchst be­ dauerlichen Verzicht auf Vergleichsfälle von inszenierten wortgefechten der Festkultur des Quattrocento. Unter diesen Voraussetzungen kann die Aufdeckung der spielregeln, die diesen Fehden Gestalt gaben, nur unzureichend gelingen.558

und weisen Männern, geistlichen wie weltlichen, von denen ihr herrlicher hof stets Überfluss hat. Un­ ter deren Zahl befanden sich außer den hochehrwürdigen herrschaften von Bischöfen, protonotarien und Äbten von unserem heiligen seraphischen Orden der ehrwürdige pater und erhabene theologe Magister Gometius, der hochwürdige prediger der heiligen schrift Fra domenico mit dem Beinamen ponzone, der ehrwürdigste pater, Magister Francesco Busti, gegenwärtig amtierender Oberaufseher in unserem würdigen Kloster von Mailand. Und von den weltlichen zuerst mein spezieller Beschüt­ zer, der berühmte s[ignor] Galeazzo sforza Vi. da sanseverino, der sehr tapfere und Generalkapitän euer herzöglichen hoheit, der heute als emsiger Gefolgsmann unserer [militärischen] disziplin kei­ nem Zweiten gleicht, dann von höchst berühmten rednern vorzüglichster Fakultäten und von den Bedeutendsten der Medizin und Astronomie Ambrogio [da] rosa[te], der sehr berühmte und scharf­ sinnige erforscher von serapion und Avicenna, der höheren Körper und deuter der zukünftigen din­ ge, der höchst gelehrte heiler aller Krankheiten, Aloisio Marliano und Gabriele pirovano, der in jeder richtung sehr sorgsame Beobachter der Medizin; und der von den Vorgenannten in allen erwähnten Fächern bewunderte und verehrte nicolò cusano, mit dem in denselben wissenschaften höchst be­ wanderten Andrea von novara und andere ausgezeichnete sehr erfahrene doktoren beider rechte und räte, sekretäre und Kanzler eures wohlgeratenen Magistrates, in Gesellschaft von sehr scharf­ sinnigen Architekten und ingenieuren und emsigen erfindern neuer dinge, leonardo da Vinci, unser Florentinischer landsmann, der in der skulptur, in Gips und der Malerei jedem gegenüber den Beina­ men rechtfertigt). 557 lomazzo, Trattato, ii, cap. 14, Bd. ii, s. 138; und im Libro dei sogni, cap. 5, Bd. i, s. 109 berichtet ›Leonardo‹ von seinem Gang an den sforza­hof. – eine dritte Quelle kommt hinzu: der spanische reisende Gonzales Fernando de Oviedo berichtete in Batallas y Quinquágenas (zitiert in leonardo, Libro di pittura, s. 51) von einem Gespräch, das er 1499 mit leonardo in Mailand geführt habe. er brachte in erfahrung, dass dessen Buch über die Malerei bereits weit fortgeschritten gewesen sein musste. 558 Monica Azzolini, »Anatomy of a dispute. leonardo, pacioli and scientific entertainment in renais­ sance Milan«, in: Early Science and Medicine, 9, nr. 2, 2004, s. 115–135; vgl. dieselbe, »in praise of Art. text and context of leonardo’s paragone and its critique of the Arts and sciences«, in: Renaissance Studies, 19, 2005, nr. 4, s. 487–510. Vor allem Vecce, 1994, s. 439f. glaubt wegen paciolis Aus­ sage, dass leonardos paragone im Ausstrahlungsfeld des Mailänder hofes anzusiedeln sei; vgl. The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 13, s. 41 und schlosser, [1924] 1985, s. 123: »wie die wid­ mungsschrift lehrt, ist er [der traktat De divina proportione] aus den wissenschaftlichen Unterhaltun­ gen jenes geistreichen Kreises hervorgegangen, dem auch leonardo angehörte; […].« Ähnlich Men­

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halten wir uns vorab an die semantik. der Begriff, der bei pacioli für diese rang­ streitdiskussion inszenatorischen Gepräges fällt, ist »scientifico duello«. »duellum«, ein wort, das Angelo camillo decembrio als synonym für »monomachia« geläufig ist, dürfte in der definition des humanisten lorenzo Valla am ehesten die communis opinio im Quattrocento spiegeln: »duellum« umfasse das gesamte Genos des wettstreits (»ad omne certaminis genus valet«).559 das epitheton »scientifico« stand folglich für eine Unter­ art. paciolis detaillreiche liste der disputanten untermauert den eindruck der Authenti­ zität, zumal sich einige von ihnen als historisch identifizierbare persönlichkeiten aus der herzöglichen entourage erweisen. Zu diesen zählen der prediger Fra domenico ponzo­ ne, der Condottiere Gian Galeazzo sanseverino († 1525) (seit 1496 ein schwiegersohn von ludovico il Moro), der Mailänder hofastrologe Ambrogio Varesi da rosate, der Mediziner Gabriele pirovano und der pacioli zufolge in jeder hinsicht »bewunderte und verehrte« nicolò cusano, ein Arzt,560 nicht zu verwechseln mit dem ungleich bekann­ teren namensvetter aus Kues.561 Kurzum, lokale höfische repräsentanten der sogenann­ ten Freien Künste, des Quadriviums wie des triviums, lieferten sich ein wortgefecht. in dieses schema passte auch luca pacioli selbst als repräsentant der Geometrie, wenn nicht zudem als Geistlicher. nach seiner selbstaussage ist er ein »sacrae theologiae pro­ fessoris«, der ganz dem dedikationsbild seines traktates (Abb. 27) gemäß, den Ordens­ habit der Franziskaner trägt.562 pacioli war 1497, infolge einer einladung von ludovico il Moro, an den sforza­hof gekommen, wo er sein Buch, wohl weitestgehend unter der Ägide des herzogs, zu papier brachte und ihm widmete. eine weitere Abschrift erhielt Gian Galeazzo sanseverino, mit anderen worten eine zweite persönlichkeit, deren Betei­ ligung am duello verbürgt ist. diese dedikationspraxis spricht für eine genuin kommemo­ rative Bestimmung von paciolis traktat.563 Möglicherweise legte pacioli denjenigen part, den er selbst im duello innehatte, in De divina proportione abschließend dar, so wie leo­

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delsohn, 1982, s. 40, Goffen, 2002, s. 59–60, Farago, 1992, s. 41, s. 308, pedretti im Vorwort zu leonardo, Libro di pittura, s. 16 und Ames­lewis, 2000, s. 61. Valla, In Errores Antonii Rauden, in: Valla, Opera omnia, Bd. i, s. 404; Vallas explikationen des »du­ ellum« auch in In Barptolomeum Facium, ebenda, s. 494. Vgl. decembrio, De politia litteraria, Vii, cap. 81, s. 492: »›monomachia‹, ›singulare certamen‹, pro quo nomine nos ›duellum‹ apponimus […]; quin etiam ›duellum‹ pro universali certamine […].« Zu den genannten persönlichkeiten, s. den index von Gregory lubkin, A Renaissance Court. Milan under Galeazzo Maria Sforza, Berkeley, los Angeles und london, 1994, s. 69, s. 82, s. 105, s. 171, s. 224, s. 271, s. 304, Anm. 91; und Azzolini, 2004, s. 120ff. nicolas cusanus war 1464 in todi verstorben. nach der mündlichen Auskunft von Kurt Flasch kennt Ficino einen anderen gewissen »cusa«. im dedikationsbild überreicht luca pacioli dem herzog ludovico il Moro seine schrift De divina proportione (Genf, Bibliothèque publique et universitaire, Ms. i.e. 210, fol. 11). die besagte Abschrift befindet sich heute in der BA, Ms. 33; eine dritte, heute verlorene Abschrift er­ hielt pietro soderini.

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27 Luca Pacioli übergibt Lodovico Sforza sein Buch, dedikationsbild, aus: luca pacioli, De divina proportione, 1498, Genf, Bibliothèque Universitaire, Ms. i.e. 210, fol. 11r

nardo in der Parte prima den seinen. Beachtung verdient schließlich, dass leonardo als einziger wortführer von Künsten agierte, deren Aufnahme in die artes liberales erst er­ kämpft werden musste.564 Auf welcher wettbewerbstradition gründete der duello scientifico? was pacioli schil­ dert, zeugt weniger von Bestrebungen der wiederbelebung eines griechisch­agonalen Brauchtums, wiewohl humanisten – man denke an Maffeo Vegios Bericht in De educatione (über wettkämpfe der Griechen in der dichtkunst, der Gymnastik und im wett­ rennen) – über diese Usanzen im Bilde gewesen sind.565 Am Mailänder hof bewährte sich vielmehr aufs neue das prinzip des rhetorischen duells, wie es vor 1492, so der terminus ante quem, unter Kuratel der herzogin Beatrice d’este (1475–1497) praktiziert wor­ 564 dieses Anliegen prägt in der tat leonardo, Libro di pittura, i, 1ff. 565 siehe Vegio, De educatione, iii, cap. 1, fol. liX: »consueti isse grecos singulis lustris triplex celebrare certamen musicum ginnicum equestre […].« An die Abhängigkeit von griechischen agones glaubt hingegen Goffen, 2002, s. 60.

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den war. Auf Betreiben der Fürstin trugen die beiden dichter Gaspare Visconti († 1499) und Bernardo Bellincioni († 1492) einen dichterwettbewerb aus, in dessen Zentrum ein einziger bildender Künstler stand: donato Bramante.566 Als Visconti diesen bezichtigte, ein parteigänger (»partigiano«) dantes zu sein, erwuchs ein wortgefecht mit Bellincioni über ein sujet, das im cinquecento keinen italienischen Gelehrten mehr kalt lassen soll­ te: die Frage um den primat von dante oder petrarca. im Unterschied zu dieser eristi­ schen wechselrede zwischen Visconti und Bellincioni handelte es sich bei dem von pacioli geschilderten streit um einen zwischen Vertretern verschiedener Fakultäten und Künste. in ihm dürfte der längst topische rangstreit zwischen Malerei und Medizin einen teil­ aspekt gebildet haben; aber neben der Medizin waren noch weitere universitäre wissen­ schaften involviert.567 eine eigenschaft, die in paciolis interdisziplinärem wortgefecht das Anforderungs­ profil der disputanten bestimmt haben muss, die Universalität, hatte möglicherweise

566 Visconti, Rithimi, s. 19 (zitiert nach luca Beltrami, Bramante poeta. Colla Raccolta dei Sonetti in parte inediti, Mailand, 1884, s. 8): »non fu facto questo sonetto per voler judicar tra doi tanti huomini [petrarca und dante] ma sol per morteggiar cun Bramante sviscerato partigiano di dante.« die erwähnung Bramantes in Gedichten von Visconti, I canzonieri, s. 19, nr. 21; s. 20–21, nr. 22; s. 185, nr. 207 (»A Bramante singular«). Zum wettbewerb luciano patetta, »la celebrazione degli artisti e degli architetti negli scritti poetici e letterari del rinascimento«, in: Lettere e arti nel Rinascimento, hrsg. v. luisa secchi tarugi, Florenz, 2000, s. 603–624, s. 616; über die dichter unter lodo­ vico il Moro ebenda, s. 614f. und paolo Bongrani, »la poesia lirica alla corte di ludovico il Moro«, in: Milano nell’età di Ludovico il Moro, Atti del convegno internazionale 28.02.–04.03.1983, hrsg. v. d. comune di Milano, Mailand, 1983, s. 215–229, s. 218f.; vgl. luciano patetta in Bramante e la sua cerchia, 2001, s. 78. die zeitlichen eckdaten für diesen wettstreit ergeben sich aus dem sterbedatum von Bellincioni, september 1492 und dessen Ankunft in Mailand 1485; Visconti ist zwischen 1493 und 1496 aus Mailand verschwunden; vgl. richard V. schofield, »Bramante in 1493: one­and­a­half new documents«, in: BurlMag, 122, 1980, s. 763–764; über das Verhältnis von Visconti zu Braman­ te evelyn s. welch, Art and Authority in Renaissance Milan, new haven, 1995, s. 255–256; über leo­ nardos paragone in Mailand ebenda, s. 241f. 567 ein später Ausläufer des rangstreits zwischen Medizin und Malerei ist lamo, Discorso intorno alla scoltura e pittura, s. 13; zu dieser debatte s. cap. iii.2.1. Zum streit der Fakultäten Medizin versus Ju­ risterei thorndike, 1929, s. 24ff. und s. 261ff.; zur tradition der wortparade huizinga, [1938] 1991, s. 168–169. die Kompetenz in allen wissenschaften und figurativen Künsten empfahl vor 1480 Ma­ turanzio, Orationes, nr. 29, s. 172–173: »hic astronomus, cosmographus, historicus, orator, poeta, medicus, agricola, veterinarius, salgamarius, pictor, sculptor, statuarius, fusor, plastes, omnes denique artifices atque opifices sic instruuntur, ut exornare artes suas et prorsus consummare condiscant.« Vor 1455 beschwor Manetti mit einem Juvenal­Zitat (Satyrae, iii, vv. 76–78) die universale Beflissenheit eines Menschen, der zugleich ein Grammatiker, rhetoriker, Geometer, Maler und Arzt war; vgl. Giannozzo Manetti, De vita ac gestis Nicolai Quinti, i, s. 38–39 (vgl. ii, 19, s. 55).

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schon dem vorangegangenen dichterwettbewerb über Bramante die richtung gewiesen. dieser Universalkünstler, neben seinem Beruf als Architekt auch Maler, ingenieur, Kunsttheoretiker, dichter und Musiker, löste spielend die von Vitruv eingeforderte Uni­ versalität des Architekten ein, dessen Kompetenz sich im idealfall auf viele wissenschaf­ ten – wie Geometrie, sternenkunde, Musik – erstrecken sollte.568 die Begründung, die Vitruv für den sieg dieser versierten Architekten in streitgesprächen gegenüber Fachleu­ ten sämtlicher wissenschaften (»contra eas disciplinas disputare«) gibt, war von einem martialischen ton durchzogen. Architekten, sinnierte er, sind mit »mehr waffen der wis­ senschaften« gewappnet.569 diese kriegerische diktion entfaltete sich Jahre nach paciolis duello, 1517, ein weiteres Mal im höfischen Milieu Mailands. interessant ist, dass Bra­ mante dabei erneut eine schlüsselrolle zukam. er war es, der in Andrea Guarnas dialog Simia einblicke in das kämpferische debattieren lieferte, erklärtermaßen ein Kampf ohne waffen.570 da auch der scientifico duello unter Beteiligung von »sehr scharfsinnigen Architekten und ingenieuren« vonstatten ging, ist die einwirkung von Vitruvs ideal des universalen Architekten in zweifacher weise zu vermuten: zum einen auf paciolis kriege­ risch eingefärbte terminologie für den disput, zum anderen als Anregung für die Aus­ tragung eines ›wissenschaftlichen duells‹ unter Mitwirkung bildender Künstler. dabei hat pacioli die Architektur­Verfechter nicht namentlich genannt. der Gedanke, dass sich Bramante unter ihnen hervortat, ist verlockend, denn die Architekten traten im duello als Gefolgsleute leonardos in erscheinung, und dessen Freundschaft mit dem Architektur­ Virtuosen ist verbürgt. tatsächlich befand sich Bramante zum Zeitpunkt des duello noch in Mailand.571 warum aber, so müsste man sich fragen, sollte pacioli diesen berühmten namen außer Acht lassen? nach Ausweis der Quellen war die Beteiligung selbstbehaup­ 568 die zeitgenössischen tribute zu Bramantes Universalität im cap. V.1. 569 Vgl. Vitruv, De architectura, i, 10, 17, s. 34: »Quibus vero natura tantum tribuit sollertiae, acuminis, memoriae, ut possint geometriam, astrologiam, musicen ceterasque disciplinas penitus habere notas, praetereunt officia architectorum et efficiuntur mathematici. itaque faciliter contra eas disciplinas disputare possunt, quod pluribus telis disciplinarum sunt armati.« 570 ›Bramante‹ (Guarna, Simia, s. 114) erläutert mit dem Begriff »pugna« das antike Verständnis vom wortgefecht: »pugnis utique, maiorum more: pugnis enim, non armis pugnabant veteres et inde pug­ nam dictam dico.« Auch ein sonett von Bramante, ein Gespräch zwischen zwei höflingen, wägt Kün­ ste gegeneinander ab, die poesie und die Malerei; s. Bramante, Sonetti, nr. 20, vv. 7–8, vv. 15–16, s. 52: »perché i porta Bramante?‹. ›Ah, lui el può fare, / perché cosí a un pöeta si riechiede.‹ […]. ›O ingigne­ ro e pictore, / può esser questo?‹« Zur kriegerischen diktion im Kunstwettstreit hessler, 2007; s. auch den topos vom Krieg als spiel huizinga, [1938], 1991, s. 101ff.; zum duell ebenda, s. 106–107. 571 Bramante ging erst gegen sommer 1499 nach rom. dazu richard V. schofield, »Gaspare Visconti, mecenate del Bramante«, in: Arte, committenza ed economia a Roma e nelle corti del Rinascimento, hrsg. v. Arnold esch et alt., turin, 1995, s. 297–324, s. 305. Über leonardos Freundschaft mit Bramante s. Bramante e la sua cerchia, 2001, s. 27. sollte Bramante, was mit guten Argumenten behauptet werden kann, der Autor der Antiquarie prospetiche romane (1496–1500) sein, dann müsste auch die rolle die­ ses Gedichtes, dessen Adressat leonardo ist, im Kontext des duello überdacht werden. – eine Aufzäh­

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tender Künstler an einem höfischen disput 1498 alles andere als selbstverständlich. sie begegnet in der literatur wenige Jahre später im Libro del Cortegiano, einbezogen in topi­ sche plaudereien, die nichts mit der schärfe interdisziplinärer wortparaden gemein haben. Zu Unrecht hat ein zweiter passus aus paciolis traktat keine Beachtung gefunden, so sehr er auf denselben duello Bezug nehmen könnte. in ihm thematisiert pacioli ein er­ eignis, das sich im gleichen Jahr – 1498 – im castello sforzesco zugetragen haben soll, genauer, in der Camera dei Morini. der rest klingt vertraut: die Anwesenheit von ludo­ vico il Moro, von Gian Galeazzo sanseverino und anderen uomini illustri; ergänzend fallen die namen des Kardinals ippolito i. d’este (1479–1520), eines Bruders von Bea­ trice d’este, der bis 1497 als erzbischof von Mailand amtierte und des ritters Messer Onofrio de paganini (alias ›da scueli‹). diesem sei es bezüglich des Mailänder domes gelungen, die größte liebe »für unseren Vitruv« zu erwecken.572 »nostro Victruvio« könnte Vitruv persönlich meinen, aber auch den ›Vitruv‹ der Gegenwart, wem auch im­ mer dieser ruf vergönnt gewesen sein mag. handelt es sich bei dieser offenbar mit Verve vorgetragenen eloge auf den römischen Architekturtheoretiker um den duello? wir wis­ sen es nicht. wir erfahren wenig über die inhaltlichen prämissen. die geschilderte de­ battierpraxis hat jedenfalls den einzelnen Berufssparten mitsamt ihren spezifischen idealen und ihrem ethos in beträchtlichem Maße die Bedeutung zugespielt, die auch den paragone tragen sollte. Beschränken wir uns abschließend auf allgemeine kulturhistorische einsichten. elabo­ rierte redekämpfe und wortparaden in der Festkultur des 15. Jahrhunderts – mit selbst­ behauptenden repräsentanten verschiedener Künste – trieben entschieden die Ausfor­ mung von identitäten voran, auch von typisierten Gegen­identitäten. diese rollen wurden konstitutiv für den paragone.

lung namhafter ingenieure und Architekten, die in Mailand zur Zeit des duello tätig waren, in Bramante e la sua cerchia, 2001, s. 83ff. 572 pacioli, De divina proportione, cap. 20, s. 161: »Questa dignissima autorità dilectissimi miei acerti propositi nel domo de Milano nel 1498. siano nella sua inexpugnabile arce nella camera detta demo­ roni ala presentia delo excellentissimo duca de quello lodovico Maria sforza con lo reverendissimo cardinale hipolyto da este suo cognato illustre signore Galeazzo san. severino mio peculiar patrone e molti altri famosissimi comme acade in conspecto de simili. Fragli altri lo eximio V. J. [utriusque juris] doctore e conte ecaualiere Meser Onofrio de paganini da Brescia detto de ceveli. il qualivi co­ ram egregiamente exponendola tutti li ostanti a grandissima affectione del nostro Victruvio in dusse nelle cui opere parla che acunabulis fosse instructo.«

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3.3. der Bildhauerwettbewerb um die Florentiner Baptisteriumstüren, 1401 Zwei Antipoden unter sieben: Ghiberti versus Brunelleschi Kulturhistorisch lässt sich der 1401 ausgelobte Bildhauerwettbewerb um die Bronze­ pforten des Florentiner Baptisteriums unter vielen Gesichtspunkten betrachten. wegen der Bestimmung der Bronzereliefs für die taufkirche san Giovanni, das sakrosankte wahrzeichen von Florenz, tangierte der wettbewerb sowohl den stadtpatron mitsamt der verwobenen Frömmigkeitspraxis als auch den Mythos des heidnischen Ursprungs, der um das Gebäude rankte. er verfehlte nicht seine wirkung auf das lob der Künstler, die es verzierten.573 Unter Verzicht auf die von der Forschung – von Krautheimer, schlos­ ser über rauterberg bis Giusti – hinreichend erörterten Unterschiede zwischen den beiden einzigen Konkurrenzreliefs, die auf uns gekommen sind – das von Ghiberti (Abb. 28) und von Brunelleschi (Abb. 29) –,574 widmen wir uns im Folgenden primär der Gestalt dieses wettbewerbes, gemessen an Kriterien der abendländischen wettbewerbstradition.

573 Ghiberti als schöpfer der pforten des ›Marstempels‹, der angeblich das Fundament des Baptisteriums bildete, in corella, Theotocon, iV, s. 100; Ghiberti als sohn der stadt sullas in Ugolino Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, s. 46: »[…] nemo satis spectare potest: ex aere rigenti syllani scultoris opus: veterumque pelasgum Ad Florentinos fingendi gloria cessit. […].« dokumente aus dem 15. Jahrhundert zu den Festlichkeiten und Umzügen anlässlich des Johannes­ tages in Florenz in helas, 1999, s. 197–200; und s. 31–38. 574 Untersuchungen mit diesem Forschungsschwerpunkt sind v. a. poeschke, 1990, Bd. i, s. 15, s. 59–60, nr. 1/2; s. 62, nr. 4/5; rauterberg, 1996, s. 80ff. (zur Forschungsgeschichte s. 20f.); Andrea nie­ haus, Florentiner Reliefkunst von Brunelleschi bis Michelangelo (Kunstwissenschaftliche studien 73), München, 1998, s. 46–60. Grundlegend zum Bronzetürwettbewerb von 1401 Krautheimer, [1956] 3 1982, s. 366ff.; Julius von schlosser, Leben und Meinungen des florentinischen Bildners Lorenzo Ghiberti, München, 1941, s. 31f.; Alexander perrig, Lorenzo Ghiberti. Die Paradiestür. Warum ein Künstler den Rahmen sprengt, Frankfurt a. M., 1987, s. 14ff.; ferner Annamaria Giusti, Das Baptisterium San Giovanni in Florenz, Florenz, 2000, s. 36ff.; vgl. warnke, 1985, s. 45; oder Bergdolt im Vorwort von I commentarii, III, s. XXii; prochno, 2006, s. 35ff.; Zweifel am alleinigen sieg von Ghiberti äu­ ßerte Grafton, [2000] 2002, s. 127. Vermutlich unter dem eindruck der schilderung Manettis erwog Grafton die Möglichkeit der Auftragsvergabe an beide, Ghiberti und Brunelleschi. dem widerspre­ chen jedoch die archivalischen Zeugnisse. so heißt es am 12. Januar 1404: »porta di Bronzo: si da a fare a lorenzo di Bartoluccio Orefice«; AsF, strozz, li, 1, fol. 184 (zitiert nach Krautheimer, [1956] 3 1982, s. 374, nr. 61; vgl. s. 369, nr. 27); von Manetti beeinflusst doni, I Marmi, iii, Bd. iii, s. 22: »leggete la vita di Filippo di ser Brunellescho scritta da messer Giorgio Vasari, e vedrete quanta fatica egli durò a mostrar la sua virtú a dispetto degli invidiosi vostri.«

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28 lorenzo Ghiberti, Die Opferung Isaaks, 1401, Florenz, Museo nazionale del Bargello

wir versuchen, ihn unter Berücksichtigung der in der Kunstliteratur vorfindbaren dik­ tion auf seine Bedeutung für den paragone zu hinterfragen.575 es ist längst erkannt worden, dass der durch die Arte dei Mercatanti di Calimala, die einflussreichste Zunft von Florenz, ins leben gerufene Bildhauerwettbewerb grundsätz­ lich dem typus nach einer öffentlichen Ausschreibung entsprach, dessen Ablauf sich von mittelalterlichen Architekturausschreibungen auf den ersten Blick nicht wesentlich un­ terschied. wie Gombrich, kontrovers zu schlosser, mit recht unterstrich, hob sich der wettbewerb jedoch durch das Ausmaß des öffentlichen interesses, das ihn begleitete, seine breite literarische rezeption und sein Zusammenfallen mit einem hochstand der

575 der Abdruck der entscheidenden literarischen – nicht der archivalischen – Quellen zum wettbewerb in App. ii/h­a; die archivalischen dokumente in Krautheimer, [1956] 31982, s. 366ff., nr. 1–2, 26– 35, 58, 60–62, 64–66, 73, 92, 121.

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29 Filippo Brunelleschi, Die Opferung Isaaks, um 1401, Florenz, Museo nazionale del Bargello

Künste markant von der Fülle vorangegangener Künstlerwettbewerbe ab. laut Kraut­ heimer versprach dieses ambitionierte, von stadtpolitischen dünkeln bestimmte projekt »der wichtigste unter allen wettbewerben zu werden, der jemals im Bereich der Bild­ hauerei veranstaltet wurde«.576 es wird ein rätsel bleiben, weshalb er in der lokalen Viten­ schrift Huomini singularii und vielen florentinischen chroniken und stadtgeschichten – von Gucciardini über Machiavelli bis Benedetto Varchi – keine erwähnung fand.577

576 Krautheimer, [1956] 31982, s. 34, über den wettbewerb s. 31ff. Von einem »präzedenzfall« spricht Gombrich, [1966] 1985, s. 11–23, s. 15, Anm. 11; Gombrich wandte sich so gegen die Auffassung von schlosser, 1941, s. 31, der von einer wettbewerbsform nach »altflorentinischem Brauche« spricht. Unter Berufung auf mittelalterliche Beispiele von Architekturwettbewerben betonte vor allem Mid­ deldorf­Kosegarten, 1980, s. 170f., wie sehr sich der Verlauf des wettbewerbs von 1401 nach gängi­ gen Formen richtete: »[…] the contest procedure itself was in no way unusual […].« 577 siehe Huomini singularii (ca. 1494–1497).

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neben fünf Bildhauern, deren heimat außerhalb von Florenz angesiedelt war – simo­ ne da colle, niccolò di luca spinelli, Jacopo della Quercia, Francesco di Valdambrino und niccolò lamberti –, traten mit Filippo Brunelleschi und lorenzo Ghiberti zwei vielversprechende junge Florentiner Künstlerpersönlichkeiten mit der Auflage gegen­ einander an, binnen eines Jahres jeweils ein Bronzerelief zum thema Die Opferung Isaaks zu schaffen. nach den erhaltenen probereliefs geurteilt, sollte sich die szene in ein Vierpassprofil einfügen.578 die postulierte themengleichheit und die Zuteilung der glei­ chen erzmenge an jeden der sieben Konkurrenten lieferte die idealen rahmenbedin­ gungen für leistungsvergleiche.579 Über den Ausgang des wettbewerbs beratschlagte eine 34­köpfige Jury, die sich nicht nur aus Mitgliedern der Großzunft der wollweber und würdenträgern der stadt rekrutierte, sondern, wie wir aus lorenzo Ghibertis lebens­ erinnerungen und aus Antonio Manettis Brunelleschi­Biografie erfahren, auch aus Ma­ lern und Bildhauern, genauer: ausdrücklich sowohl Marmor­ als auch Bronzebildnern.580 Mit anderen worten: die große Bandbreite der Kompetenz, die durch repräsentanten möglichst verschiedener Künste gewährt wurde, ließ das beste, das ausgereifteste Urteil erwarten. Grundsätzlich zeichnete sich der Glaube an die Kompetenz der Virtuosen in eigener sache seit den Anfängen der Künstlerkonkurrenzen ab, wie an den legendären Botschaften über den Bildhauerwettbewerb zu ephesos zu ersehen ist. Offenbar drängte sich der Fall ephesos gegen 1485 ins Bewusstsein von Manetti. Zumindest weckte in ihm das proberelief Brunelleschis die erinnerung an den Gewinner von einst, polyklet, als er schrieb: »sie [die Juroren] glaubten, dass nicht Filippo [Brunelleschi], sondern nur polyklet es hätte besser machen können«.581 wie peter Burke erkannte, begünstigte neben der Fachkompetenz ein weiterer Faktor die wertschätzung des Künstlerurteils in diesen Gremien, nämlich die urtümlichen Obliegenheiten der Zünfte, zu denen die Festlegung von Qualitätsmaßstäben ebenso gehörten wie das argumentative eintreten für sie im

578 Ghiberti selbst erörtert die Auflagen; s. App. ii/h­a, nr. 2. 579 nach Ghibertis Angabe erhielt jeder »quattro tavole d’ottone«; vgl. ebenda. 580 Ghiberti, I commentarii, ii, 6.1., s. 93: »Furono huomini molti periti, tra pictori e scultori, d’oro e d’argento e di marmo«; bestätigt von Manetti, Vita, s. App. ii/h­a, nr. 3. die Übereinstimmungen zwischen den Angaben von Ghiberti und dem Anonimo Magliabechiano (s. App. ii/h­a, nr. 5) ge­ hen bis ins detail, als ob dem Anonimo eine Abschrift von Ghibertis Manuskript vorgelegen hätte. – Als Künstler, der über die leistung von Berufskollegen urteilen sollte, wirkte – neben vier weiteren Virtuosen – Antonio pollaiuolo in einer Jury. diese sollte am 2. dezember 1468 den »bottone« aus Kupfer beurteilen, der von Giovanni di Bartolomeo und Bartolomeo di Fruosino gegossen wurde, um Verrocchios palla zu stützen; dazu wright, 2005, s. 13, Anm. 99 (vgl. AOsMe, ii, 2.3 – Deliberazioni degli Operai, 1462–1472 –, fol. 78v); cesare Guasti, La cupola di S. Maria del Fiore, Florenz, 1857, dok. 328, s. 110–111. 581 dazu Manetti, Vita, s. App. ii/h­a, nr. 3; vgl. (ephesos) App. ii/A, nr. 1f.; eine formale Orientie­ rung an den pythien vermutet – wenig überzeugend – prochno, 2006, s. 37f. woher sollte Ghiberti die nötigen detailinformationen bekommen haben?

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streitfall. Bei der Unzufriedenheit eines Auftraggebers mit einem Künstler traten andere aus seiner Berufsgenossenschaft begutachtend zur seite.582 Bezeichnenderweise oblag es ein Jahrhundert zuvor, 1329, einem Künstler, dem Bildhauer pietro di Jacopo, bei der inangriffnahme der ersten Bronzetür durch die Calimala andernorts, in pisa und Vene­ dig, weitreichende erkundungen über prunktüren einzuholen, an denen sich das pro­ jektierte lokale werk messen lassen musste. der tiefe wunsch, für das wahrzeichen der Arnostadt superlativisches aus der taufe zu heben, ist durch die explizite Forderung nach einer Ausführung »più belle che si può« überliefert, d. h. durch eine jener stereo­ typen Betonungen des höchsten künstlerischen Bestrebens, zu der Jan van eyck dekaden später in seinem persönlichen wahlspruch »Als ich cAn« griff.583 Und 1432, im Bildhauerwettbewerb, der um den Reliquienschrein des Hl. Zenobius für santa Maria del Fiore kreiste, fällten erneut, neben anderen Bürgern der Arnostadt, auch Vertreter der beiden figurativen Künste – Bildhauer und Maler – das abschließende Urteil, mit dem ergebnis, dass Ghiberti ein weiteres Mal die Oberhand über Brunelleschi und andere Kombattanten gewann.584 nichts erfahren wir darüber, in welcher weise die probereliefs der Jury präsentiert wurden, nichts über das exakte prozedere der Urteilsfindung, auch nicht, ob die Kür des siegers in einen Festakt mündete. Aber fest steht: Als Ghiberti 1402 sechs Konkurrenten mit seinem proberelief der Opferung Isaaks (Abb. 28) ausstach, hielt das siegesdoku­ ment, heute im staatsarchiv von Florenz befindlich, seinen namen im Bunde mit seiner

582 Vgl. Burke, [1972] 1988, s. 78. 583 Vorzüglich dargelegt ist die traditionsgrundlage von Jan van eycks Motto (es ist seit 1433 nachweis­ bar) von robert w. scheller, »Als ich cAn«, in: Oud Holland, 83, 1968, s. 135–139; Gludovatz verdanken wir den hinweis darauf, dass diejenigen vier Gemälde, die Jan van eycks wahlspruch tra­ gen, ausschließlich als werke des privatgebrauchs zu bewerten sind; s. Gludovatz, 2005, s. 134ff.; horst Bredekamp, Theorie des Bildakts (Frankfurter Adorno­Vorlesungen 2007), Berlin, 2010, s. 82 übersetzt das Motto dezidiert mit »wie allein ich es vermag«. sinnverwandt ist »quanto puote« in dante, Inferno, Xi, v. 103, Bd. i, s. 136. – die oben genannte phrase über die erste Baptisteriumstür begegnet im Libro reformationum, Artis Calismare, 1327–1331, fol. 150r (zitiert in Anita Fiderer Mos­ kowitz, The Sculpture of Andrea and Nino Pisano, cambridge, 1986, s. 198, nr. 2): »si delibera che le porte della chiesa di s. Giovanni si faccino di metallo o ottone, più belle che si può, e che piero d’iacopo vadia a pisa a vedere quelle che sono in detta città e le ritragga […].« Ähnliche Forderungen wurden 1424 hinsichtlich der heutigen Osttür des Florentiner Baptisteriums laut; s. den berühmten Brief leonardo Brunis an niccolò da Uzzano; der entscheidende passus in Krautheimer, [1956] 3 1982, s. 372, nr. 52; dazu Baxandall, 1971, s. 19. 584 Zitiert in App. ii/h­b, nr. 2; Il duomo di Firenze. Documenti sulla decorazione della chiesa e del campanile, hrsg. v. Giovanni poggi, Berlin, 1909, s. 177ff., nr. 905, nr. 913; s. auch poeschke, 1990, Bd. i, s. 73f., Kat.­nr. 25, Abb. 25. Für das prestige des wettkämpfers fiel seit jeher die Anzahl von siegen ins Gewicht; erhellend luigi Moretti, Iscrizioni Agonistiche Greche (studi pubblicati dall’istituto ita­ liano per la storia antica 12), rom, 1953, auf s. 6ff. inschriften mit dem hinweis auf den sieg oder die Anzahl der siege.

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Berufsbezeichnung fest: »Orafo« (Goldschmied). eben dieser »Goldschmied« erhielt die erlaubnis zur herstellung der »porta del Metallo«.585 tatsächlich war Ghiberti, ungeach­ tet seines wirkens zwei Jahre zuvor in pesaro als hofmaler in den diensten sigismondo Malatestas,586 gelernter Goldschmied, ein handwerk, das er von Jugend an von seinem stiefvater Bartolo di Michele erlernt hatte.587 Ghiberti ist 1409 als »laurentius […] auri­ fex« in der Arte della Seta immatrikuliert; noch 1427 unterzeichnete er seine Briefe mit »lorenzo di Bartolo orafo in Firenze«.588 Und so sehr sein Antipode Filippo Brunelleschi von Zeitgenossen, beispielsweise dem lokalen chronisten Benedetto dei, als Architekt in ehren gehalten wurde,589 so sicher ist, dass auch er sich in die reihen der Goldschmie­ de zählte, seitdem er einundzwanzigjährig, am 18. dezember 1398, erfolgreich in der Arte della Seta seine Aufnahme als Goldschmied beantragt hatte.590 Als Goldschmied rangiert Brunelleschi 1420 in einer weiteren Quelle, die, neuerdings ediert, lange ihrer Auswertung durch die Forschung harrte: in der chronikalischen Bilanz Priorista aus der Feder des Florentiners pagolo di Matteo petriboni.591 nach diesem Quellenbefund zu

585 AsF, strozz. li, fol. 2: Libro Grande Calimala C, 1402, fol. 255; zitiert nach Krautheimer, [1956] 3 1982, s. 402, nr. 4: »nencio di Bartoluccio Orafo«; und AsF, strozz., li, fol. 1: Libro Grande dell’Arte de Mercatanti segnato C, dell’anno 1402, fol. 2: »nencio di Bartoluccio orafo debbe fare la porta del Metallo«; zitiert ebenda, s. 366, nr. 1; vgl. s. 368, nr. 26; s. 374, nr. 65; s. 376, nr. 81; s. 377, nr. 82; s. 377f., nr. 83; s. 385, nr. 103; s. 389, nr. 112; s. 390, nr. 117, s. 397, nr. 141; s. 400, nr. 156–157. 586 diese information gibt Ghiberti, I commentarii, ii, 6.1., s. 92; zu Ghiberti als Maler zuletzt hanke, 2009, s. 84. 587 Zu den Ghiberti zugeschriebenen Goldschmiedearbeiten Giulia Brunetti, »Ghiberti Orafo«, in: Lorenzo Ghiberti nel suo tempo, hrsg. v. istituto nazionale di studi sul rinascimento, Atti del convegno internazionale di studi, 2 Bde., Florenz, 18.–21.10.1978, Florenz, 1980, Bd. i, s. 223–244. 588 der Abdruck des dokumentes vom 3. August 1409 in Krautheimer, [1956] 31982, s. 389–390, nr. 115; und vgl. die weiteren dokumente auf s. 400–401, nr. 158, nr. 160–162. 589 dei, La cronica, s. 90 [fol. 36v]: »Filippo di ser Brunelleschi, architettore«; in einer chronik von 1446–1459 stoßen wir mitunter auf die Bewertung von Brunelleschi als besten Architekten seiner Zeit, in Antonini, Opus historiarum seu Cronicarum, fol. 165v; zu diesem status von Brunelleschi hessler, 2007, s. 85ff.; vgl. niccolò Machiavelli, Istorie Fiorentine, iV, 23 (Machiavelli, Opere, Bd. ii, s. 499): »era in quelli tempi uno eccellentissimo achitettore chiamata Filippo di ser Brunellescho, delle opere del quale è piena la nostra città, tanto che meritò dopo la morte che la sua immagine fusse posta di marmo nel principale tempio di Firenze, con lettere a pié che ancora rendono a chi legge testi­ monianza delle sue virtù.« 590 AsF, Arti, seta, Matricola, BVd. Vii, fol. 68v; vgl. cornelius von Fabriczy, Filippo Brunelleschi, stutt­ gart, 1892, s. 10; ein Bewusstsein vom werdegang Brunelleschis hatte auch Manetti, Vita, s. 52: »[…] elesse essere orefice«. 591 siehe Priorista, s. 131: »nel detto tempo s’incominciò ad vogliere la chupola maggiore di santa liper­ ata, et ghuida Filippo di ser Brunellescho orafo con iiij° operai fatti a mano per l’Arte della lana, et cominciossi sança armadura a falla.« Vgl. auch cellini, Due Trattati, s. 600: »pippo di ser Brunel­ lesco, il quale fu il primo che riscitò il bel modo della grande architettura, ancor egli stette all’orefice

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urteilen hielt es Brunelleschis Biograf Manetti berechtigtermaßen für angesagt, die pha­ se des wettbewerbs als jene zu benennen, als sein held »das Gewerbe des Goldschmiedes hatte und ausübte.«592 die von der wollweberzunft betriebene politik städtischer selbstverherrlichung, in der sie das Baptisterium anmaßend als Gegenstück zum römischen pantheon vorsah, prädestinierte die beiden Künstler aus Florenz im wettbewerb von Anbeginn als Favori­ ten. das erklärt die sonderstellung des ›Verlierer­reliefs‹ von Brunelleschi (Abb. 29). es zierte nach Manettis Bekunden bald die rückseite des Altars der Alten sakristei von san lorenzo, sei es wegen seines künstlerischen, sei es wegen des ihm nachgerade zugewach­ senen historischen wertes.593 die Gemeinsamkeit ihrer florentinischen provenienz ver­ lieh Ghiberti und Brunelleschi im wettbewerb einerseits einen Bonus; sie sorgte ande­ rerseits für die Zuspitzung ihrer Konkurrenz im Vorfeld des finalen Juryentscheids. Kein wunder, der erfolg des einen musste das bittere los des anderen bedeuten. die Art und weise, in der beide Virtuosen retrospektiv, in der literatur des Quattrocento, zu erzri­ valen stilisiert wurden – sie boten einander tatsächlich in mindestens vier Künstlerwett­ bewerben die stirn –,594 kam spätestens gegen 1440 in der Nuova opera des Ficino­ Freundes Giovanni cavalcanti zum Ausdruck. in einem bemerkenswerten passus führt die ›Phantasie‹, beflügelt durch anthropologische weisheiten, die wesensunterschiede zwi­ schen Virtuosen auf graduell verschiedene prädispositionen zurück: »Und deshalb«, so das räsonnement der ›Fantasia‹, »war ein andereres Vermögen in Filippo Brunelleschi als in lorenzo di Bartolucci […]; und wie das Vermögen zugeteilt ist, so auch […] die Anlage in den Menschen.«595 die vielen, nicht immer gleich die conditio humana reflektierenden

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gran tempo.« Brunelleschi verweigerte deshalb nachweislich noch während der Bauarbeiten an der Florentiner domkuppel die Zahlung der immatrikulation in die Zunft der Zimmerer­ und Maurer­ meister; die dokumente in Filippo Brunelleschi. L’uomo e l’artista, Ausstellungskatalog (Florenz, Bi­ blioteca Medicea laurenziana, 28.05.–31.12.1977), hrsg. v. paola Benigni, Florenz, 1977, nr. 51–53. Zu Manetti, Vita, s. App. ii/h­a, nr. 3. Manetti, Vita, s. 62: »[…] l’altra, di mano di Filippo, nel dossale dello altare della sagrestia di san lorenzo di Firenze […]«; gleichermaßen überliefert durch Albertini, Memoriale, s. 11: »[…] lo altare sculpto con Abraham per mano di philippo Brunelleschi […]« und Billi, Libro, s. 32: »Valse assai nella scultura, come si vede nel modello di bronzo che lui fece per le porte di san Giovanni: il quale modello è oggi nel dossale della sagrestia di san lorenzo, […].« Ghiberti als sieger ebenda, s. 51; per­ rig, 1987, s. 77, Anm. 18 vermutet, dass die restlichen fünf reliefs eingeschmolzen wurden. Ghiberti und Brunelleschi konkurrierten 1418 mit Modellen für die domkuppel, 1432 um die later­ ne, später um den Reliquienschrein des Hl. Zenobius; dazu eingehend hessler, 2007, s. 51–52. infolge des Bronzetürwettbewerbes von 1401 werden Ghiberti und Brunelleschi in der literatur des Quattrocento oft in einem Atemzug genannt, angefangen mit cavalcanti, Nuova opera, s. App. ii/h­a, nr. 1 (?), in der widmung von Alberti, Della pittura, s. 62; Manetti, De dignitate hominis, ii, 38 und 40, s. 59–60; corella, Theotocon, iV, s. 100; dei, Memorie, s. 202; landino, Comento, ›proemio‹, cap. 6: ›Fiorentini excellenti in pictura et sculptura‹, Bd. i, s. 241–242: »philippo di ser Brunellescho architectore, valse anchora assai nella pictura et sculptura. Maxime intese bene prospectiva; et alchuni

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noten zum rivalitätsverhältnis zwischen Ghiberti und Brunelleschi beeinhalten viel topisches, viel Übertriebenes. dies darf jedoch nicht über einen wahren Kern hinweg­ täuschen, beispielsweise wenn Manetti von der Aufspaltung der florentinischen Bürger­ schaft in zwei lager spricht.596 Bis heute nahm die Forschung keinerlei notiz von einer eigenheit der wettbewerbs­ terminologie, die sich auf das ereignis von 1401 richtet. dabei bietet Ghibertis diktion unschätzbare einblicke, ganz abgesehen von der Besonderheit, die seine autobiografische Kommentierung eines Künstlerwettbewerbes aus historischer warte darstellt, da sie die erste ist, die aus der Feder eines teilnehmers an einem solchen stammt.597 Mit großem stolz auf seinen sieg (»mi fu conceduta la palma della victoria«) bezeichnete der gekürte Gewinner die Ausschreibung von 1401, noch verbindlich für Giovan Battista Gelli, ein Biografienschreiber im nachfolgenden Jahrhundert, als »probe« (»pruova«). Ghiberti er­ innert sich: sie »suchten nach Meistern […], die geschult waren, von denen sie die probe sehen wollten. Aus allen Gebieten italiens kamen sehr viele geschulte Meister, um diese probe und diesen wettstreit [conbattimento] in Angriff zu nehmen. […] es waren sechs teilnehmer, die die besagte probe machten; diese probe war eine Zurschau­ stellung [dimostratione] eines Großteils der Bildhauerkunst [arte statuaria]«.598 Übereinstimmend mit allen referenzstellen bei plinius dem Älteren verwendete Ghiber­ ti den Begriff ars statuaria korrekt als terminus technicus für den Bronzeguss. die Begrif­ fe »dimostratione« und »pruova« runden dies ab. diese wortwahl drängte sich Ghiberti zudem wegen des Bildhauerwettbewerbes zu ephesos auf: plinius befand die einst sieg­ reiche Amazonenstatue polyklets als »probatissimam«. die wahl der fünf beteiligten afferman lui essere suto o ritrovatore o inventore; et nell’una arte et nell’altra ci sono chose excellenti facte da llui. […] È notissimo laurentio Bartoluccio per le porti di bronzo del nostro Baptisterio.« Vgl. Huomini singularii, s. 335; Vespasiano da Bisticci, Vite, cap. ›niccolò niccoli‹, Bd. iii, s. 90; der wortlaut sämtlicher Quellen zitiert in hessler, 2007, s. 53, Anm. 11; ferner Anonimo Magliabechia­ no, s. 68. 596 »di che e’ ne feciono partito; e rimasene nello oppenione del vulgo la città tutta divisa; […]«; Manetti, Vita, s. App. ii/h­a, nr. 3; die drastischste stilisierung zu einem Zweikampf zwischen Ghiberti und Brunelleschi bei Gelli, Vite d’artisti, s. App. ii/h­a, nr. 7a; bei Gelli schieden die anderen rivalen im Vorfeld aus. 597 eine Ausnahme sind agonale siegerinschriften des Altertums; s. Moretti, 1953, passim. 598 »[…] mandano pe’maestri i quali siano doti, de’ quali essi voglono vedere pruova. per tutte le terre di Ytalia moltissimi docti maestri vennono per mettersi a questa pruova e questo conbattimento. […] Fumo sei a∙ ffare detta pruova, la quale pruova era dimostratione di gran parte dell’arte statuaria.« Ghiberti, I commentarii, ii, 6.1., s. 93; vgl. Gelli, Vite d’artisti (s. App. ii/h­7b). interessant ist die gattungsbezogene terminologie: »demonstrationes« ist für Alberti, Vita anonyma, s. 73 nicht auf die skulptur bezogen, sondern die Bezeichnung eines von ihm praktizierten Genres illusionistischer Ge­ mälde.

3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit

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Bildhauer, so der Naturkunde­Autor, sei auf die beste Amazone gefallen, oder wörtlich: auf die »erprobteste«.599 Vasari erklärte den sieg Ghibertis, wohl unter dem eindruck des juridischen präzedenzfalls ephesos, mit dem Gerechtigkeitssinn seiner Künstlerrivalen, die sich nicht scheuten, selbst den Fleiß anderer zu würdigen.600 wenn der unterlegene Brunelleschi, ebenfalls nach Bekunden Vasaris, eine Beteiligung am Auftrag aus dem Beweggrund ablehnte, »der erste« in der Kunst, statt »der Zweite« sein zu wollen, dann ist dies ein widerhall der durchaus missverständlichen Formulierungen des Naturkunde­Autors über den sieger zu ephesos, infolge derer Ghiberti die rangfolge zwischen dem ersten (polyklet) und dem Zweiten (phidias) verwechseln sollte. wir erinnern uns, dass die erstrangige Amazone »diejenige war, die alle ohne Unterschied nach ihrer eige­ nen als die zweitbeste beurteilt hatten.« 601 Für Ghiberti, der mit seiner signatur, die er gegen 1416 auf der ersten Monumental­ statue anbrachte, die der Arnostadt vergönnt war, seinem Hl. Johannes der Täufer für Orsanmichele, eine lanze für ein neues selbstbewusstsein der Metallgießer brach,602 entstammte »pruova«, so seine eigene Bezeichnung für den Bronzetürwettbewerb, zwin­ gend dem Fachjargon der Gold­ und Metallprobe; eine ansehnliche Zahl von Gold­ schmiedesignaturen griff auf dieses identitätsstiftende Vokabular zurück.603 während sich für Alberti als Malereitheoretiker eine Farbe ebenfalls als »ben provato« erweisen 599 Zu plinius, NH, XXXiV, 53 s. App. ii/A, nr. 1; landino übersetzt mit »più approvate« (s. App. ii/A, nr. 9). 600 siehe App. ii/h­a, nr. 6b. 601 ebenda: App. ii/h­a, nr. 6a; zu ephesos vgl. zu plinius, palmieri und Ghiberti s. App. ii/A, nr. 1, nr. 2, nr. 4; vgl. das dem Zeuxis in den Mund gelegte epigramm (Aristides, Orationes, 49, 386), in dem er seinen Glauben bekundet, nicht der Zweite zu sein. – Vgl. auch das diktum cäsars in plut­ arch, Cäsar, 11. 602 Auf dem Gewandsaum des heiligen ist zu lesen: »OpVs lAVrentiVs«; Alessandro della latta hat mich 2008 freundlicherweise auf die fehlerhafte transkription von Krautheimer (»OpVs lAVrentii«) aufmerksam gemacht; freilich ist die wortendung durch den Faltenwurf schwer zu erkennen. noch Baldinucci, Notizie, Bd. i, s. 354 lag ein authentisches Bekenntnis Ghibertis (vom 1. dezember 1414) zur eigenen Finanzierung dieser Bronze vor; er zitiert es wie folgt: »tolsi a gettarla alle mie spese; se essa non venisse bene io mi dovessi perder le spese […]«; dazu Krautheimer, [1956] 3 1982, s. 11; über den im Kontext der erprobung verheißungsvollen Vornamen Ghibertis, »lorenzo« – man beachte die ikonografie des hl. laurentius – hessler, 2007, s. 102f. 603 Besonders das epitheton »erprobt« für im Fach der Goldschmiedekunst wirkende Künstler hatte tra­ dition: Bereits im 11. Jahrhundert stellte Gocelinus in seiner Historia translationis einen universalen Goldschmied wie folgt vor: »egregium artificem novimus abbatem Abbendoniae picturae, sculpturae et aurificii probatissimum, speraver nomine« (ich kenne einen hervorragenden Künstler, den Abt von Abingdon mit namen speraver, aufs beste erprobt in Malerei, Bildhauerei und Goldschmiedekunst); zitiert nach eberlein, 1995, s. 183 und s. 378, nr. 98; offenbar war der charakterisierung des hl. eligius als »faber aurifex probatissimus« (AS, lXXiV, 5 u. lXXiX, 7) ein nachleben beschert; zu Goldschmiedesignaturen Albert dietl, Die Sprache der Signatur. Die mittelalterlichen Künstlerinschriften in Italien, Berlin, 2009, passim.

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konnte, belegt leonardos Codex Madrid II wiederum den für die epoche gängigsten Kontext von »pruova« im Kunst­ressort: es bleibt der Metallguss.604 Vor diesem hinter­ grund drängt sich die Frage auf: Assoziierten auch Ghibertis Mitbürger den wettbewerb von 1401 mit der Metallprobe? Geisterte damals durch Florenz die metaphorische Vor­ stellung von einer ›erprobung‹, derer sich die konkurrierenden Goldschmiede in Form der erprobung ihrer künstlerischen Fertigkeiten unterzogen? diese these erscheint zu­ nächst gewagt, aber einen Anhaltspunkt für ihre stichhaltigkeit bietet Manetti. er be­ hauptet, die ermittlung des siegers sei »per isperienza« erfolgt.605 ein weiterer punkt stützt diese semantik: wir vernehmen, Brunelleschi habe, fernab von Arroganz, die Zeit des »wettstreites« (»paragone«) abgewartet.606 Gleichwohl bangte er, so will es Manettis dramatische schilderung, dass sein werk den wettstreit womöglich verfehlen werde: »[…] acciò che la sua non mancassi al paragone*«. schließlich jedoch habe Brunelleschi beizeiten alles vollendet: »e vennesi al paragone* e al giudicio«. Kurzum, der Virtuose stellt sich an drei stellen der Vita di Filippo Brunelleschi dem »paragone«, auch dem »giu­ dicio«, das könnte heißen: dem »Vergleich«, dem »Urteil«, »dem Verfahren«, mehr nicht. die wirkungsgeschichte lässt nicht an Zufall glauben. Viele dekaden später erfolgt ein echo bei Vasari. Für ihn, in seiner Ghiberti­Biografie, gestaltete sich das ruhmreiche stück stadtgeschichte noch episodenreicher. hinter der erwähnung von Ghibertis Vater Bartolo als geduldigem Assistenten beim Ausputzen der Bronze versteckt sich ein er­ zähler, der den krönenden erfolg auf dessen erfahrung als Goldschmied zu gründen trachtete. wörtlich heißt es: »hierauf machte er [sc. Ghiberti] die Form, goss sie in Bron­ ze aus, was vortrefflich glückte und ging daran, den Guss unter Beihilfe seines Vaters Bartoluccio mit großer liebe und Geduld auszuputzen, sodass man es nicht besser hätte vollenden können.«607 was mit der werkvollendung bevorstand, die Konfrontation mit den sechs rivalen, formuliert Vasari im vertrauten tenor: »e venuto il tempo che si aveva a vedere a paragone* […].« Vasaris lebensgeschichte des Brunelleschi verlässt dieses se­ mantische intervall nicht, ganz zu schweigen von Filippo Baldinucci. Bei diesem unter­ zieht sich Ghiberti gegenüber den sechs konkurrierenden Meistern einer ›läuterung‹ im Feuer, quasi einer ›Feuerprobe‹ (»cimentarsi […] con loro«) – so Baldinuccis rekurs auf eine tradition, deren wirkmächtigkeit wir bereits skizziert haben.608 604 Alberti, Della pittura, ii, s. 146; für leonardo, Codex Madrid II, fol. 142r, s. 301 ist beispielsweise der Ofen für die Metallegierung geeignet zur »guten erprobung« (»buona pruova«). 605 Vgl. Manetti, Vita, s. 64: »pure la cosa andò così, e videsi per isperienza, che a quello che s’aspettava a Filippo, e’ fu el meglio.« 606 ebenda, s. App. ii/h­a, nr. 3. 607 Vasari, Le vite, cap. ›Ghiberti‹, Bd. ii, s. 225 (Üs: schorn/Förster): »e così fatte le forme e gittatolo di bronzo, venne benissimo; onde egli con Bartoluccio suo padre lo rinettò con amore e pazienza tale, che non si poteva condurre nè finire meglio.« 608 ebenda, cap. ›Brunelleschi‹, Bd. ii, s. 335: »le quali storie finite l’anno medesimo, e venute a mostra in paragone, furon tutte bellissime ed intra sè differenti […].« Baldinucci, Notizie, s. App. ii/h­a, nr. 8.

3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit

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halten wir fest: der rote Faden in der rezeption des wettbewerbszeremoniells von 1401 scheint seine deutung als ein Kopf­an­Kopf­rennen zweier Goldschmiede zu sein. Aus dieser warte gesehen, wäre es nur folgerichtig, dass er in den schilderungen die to­ pik und die semantik der Goldprobe abrief. »paragone« kann bereits bei Antonio Ma­ netti metonymisch für die konkrete Konkurrenz zwischen den beiden Goldschmieden stehen. Beweisen lässt sich dies nicht. Aber wenn schon mittelalterliche Goldschmiede in ihren signaturen zu verstehen gaben, dass nicht länger allein das Metall, nein, sie selbst in ihren Fertigkeiten »erprobt« seien, dann verwundert ein solcher entwicklungsgang nicht. es fehlen dokumente darüber, in welcher weise sich beim Florentiner Juryent­ scheid die Mitsprache der Maler im Gegensatz zu derjenigen der Bildhauer bemerkbar machte. wahrscheinlich jedoch brachten beide Berufsgruppen ihre ganz eigenen Beur­ teilungskriterien ein. Thematische Überschneidungen 1401 und 1441? nicht allein der aufgezeigte quellensprachliche Befund bietet entscheidene hinweise zur erfassung des geistesgeschichtlichen rahmens, in dem der Bronzetürwettbewerb an­ zusiedeln ist; das thema, auf das sich 1401 sieben Bildhauer einschworen, tut es nicht minder. in Anbetracht der tatsache, dass der Florentiner wettbewerb, so wie jeder Künst­ lerwettbewerb, das ingenium und die Fertigkeiten der teilnehmenden Virtuosen auf eine harte probe stellte, mutet die inhaltliche Koinzidenz mit einem sujet der erpro­ bung, Die Opferung Isaaks, merkwürdig an. sie gilt der Genesis (22, 1) als eine extreme, dem stammvater israels auferlegte probe seines Glaubensgehorsams (»temptavit deus Abraham«). sie rang ihm nichts Geringeres ab als die entscheidung zwischen Gott und seinem einzigen sohn. in Florenz hinterließ die exegese dieser Genesisstelle ihre spuren, lange nachdem sich Augustinus ihrer in seiner apologetischen schrift De civitate Dei an­ genommen hatte.609 nicht nur die Uraufführung der sacra rappresentazione des Florenti­ ners Feo Belcari, Abram e Isaac, als deren schauplatz 1449 santa Maria Maddalena in cestelli diente, zollte dem Geprüften (»tentato«; v. 53) und expressis verbis: dieser »pro­ be« (»per prova«; v. 370) tribut.610 es war überwiegend der für die ikonologie elemen­ 609 das, nach Augustinus, Begrüßenswerte an einer Versuchung ist die erprobung, da der menschliche Geist nur Kenntnis seiner selbst durch die herausforderung seiner Kräfte erlangen könne; vgl. Augu­ stinus, De civitate Dei, XVi, 32, Bd. V, s. 148–150: »inter haec, quae omnia commemorare nimis longum est, temptatur Abraham de immolando dilectissimo filio ipso isaac ut pia eius oboedientia probaretur, saeculis in notitiam proferenda, non deo. neque enim omnis est culpanda temptatio, quia et gratulanda est fit probatio. est plerumque aliter animus humanus sibi ipsi innotescere non potest nisi vires suas sibi non verbo sed experimento temptatione quodam modo interrogante respon­ deat; […].« Abraham als ›Agonist‹ bei philon von Alexandrien, Abraham, 51f. 610 Belcari, Abramo e Isaac, vv. 441f., s. 133–149: »el massimo monarca, eterno dio, / volse il nostro fedel Abram provare« (der höchste Monarch, der ewige Gott, wollte unseren treuen Abraham erproben); zur Bedeutung Belcaris ausgiebig tobias leuker, Bausteine eines Mythos. Die Medici in Dichtung und

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

tarste Faktor, das Feuer, oder, in der diktion der Genesis, das »Brandopfer« Abrahams, das hermeneutische Blüten trieb. so nahm der vielseitige Florentiner humanist Gian­ nozzo Manetti 1452 die Opferung isaaks im rahmen der im Feuer vollzogenen läute­ rung in den Blick, und der Ketzer Girolamo savonarola stand ihm in seinem Büchlein Prova del fuoco in nichts nach, gewiss nicht zufällig anlässlich der wahrheitsfindung, die mit hilfe des Feuers errungen wird.611 die bildenden Künstler huldigten dem Feuer auf ihre weise: in Brunelleschis wettbewerbsrelief (Abb. 29) ist der Opferblock, aus dem die Flammen lodern, kompositionsbestimmend; und im Konkurrenzrelief Ghibertis (Abb. 28) dienen aufgetürmte holzscheite auf dem Opferblock zur Andeutung des Feu­ ers, ganz zu schweigen vom Feuersalamander zu Füßen der Abrahamsfigur. Bildete einst die ›erprobung‹ im Florentiner Baptisteriumstüren­wettbewerb den Anreiz für die themenwahl? Man glaubt diesen synergetischen effekt – ein ›erpro­ bungsthema‹ für Bildhauer auf dem prüfstand – in einem dokument des Florentiner staatsarchives zu verspüren. es fällt ihn die Jahre 1402/1403. so wenig damit bewiesen ist, es spricht von Abraham, nicht von isaak, als verlautet: »sie [sc. die entscheidungsträger von 1401/1402] würden das paneel der Geschichte Abrahams des Alten testamentes vergolden, um von verschiedenen Meistern die probe zu machen und um das[jenige] auszuwählen, das am besten gemacht sein wür­ de«.612 Auch andere Autoren wie Antonio Manetti und Francesco Albertini bereden hinsicht­ lich der reliefs allein die Gestalt Abrahams.613 Beachtenswert ist, dass 1441 in Florenz ein weiteres Mal die topologie der erpro­ bung in einem wettbewerb ins Gewicht fiel, sogar die, die sich im Feuer vollzieht: in dem von piero de’ Medici finanzierten, von leon Battista Alberti ausgerichteten (und

Kunst des 15. Jahrhunderts, Köln, 2007, s. s. 67ff. Manetti, De dignitate, iii, 28, s. 82 äußerte sich über die Opferung isaaks im Anschluss an Ausführungen über die läuterung und reinigung. eine wegweisende Quelle über die läuterung und prüfung Abrahams ist Ambrosius, Isaac vel anima, 8, 77–78, s. 146. – Grundlegend für die theologische deutung der Opferung isaaks lukas Kundert, Die Opferung / Bindung Isaaks (wissenschaftliche Monographien zum Alten und neuen testament 78), Bd. i: Gen 22, 1–19 im Alten Testament, im Frühjudentum und im Neuen Testament, neunkirchen­ Vluyn, 1998, s. 33ff., s. 174; über Abraham als Geprüften s. auch rolf schmitz, s. v. »Abraham«, in: TRE, Bd. i, Berlin und new York, 1977, s. 383f. 611 savonarola, Prova del fuoco, 2, s. 318: »io priego dio di Abraam, di isaac e di iacob, che tu monstri oggi che tu se’il vero dio e che io sono tuo servo […]. subito venne el fuoco dal cielo e arse ogni cosa insino alla acqua delle fosse.« 612 AsF, strozz., li, 1: Libro della seconda e terza porta di Bronzo della Chiesa di S. Gio. Battista di Firenze, fol. 80v (zitiert nach Krautheimer, [1956] 31982, s. 370, nr. 33): »dorassi il compasso della storia d’Abramo del testam.o vecchio per fare prova di diversi Maestri e pigliare che meglio facesse«. 613 Zu Manetti, Vita, s. App. ii/h­a, nr. 3; Albertini, Memoriale, s. 11.

3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit

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auch so bezeichneten) Certame coronario.614 die Aufgabenstellung dieses öffentlichen dichterwettbewerbes, die Abfassung ingeniöser vulgärsprachlicher Gedichte über die Freundschaft, besser: die wahre Freundschaft, brachte viele unter den mehr als ein dut­ zend teilnehmern dazu, dem Unglück als heimsuchung des Menschen eigenschaften beizulegen, die sich zur prüfung des wertes einer Freundschaft eigneten. dies geschah bevorzugt im allegorischen Vergleich mit der Goldprobe, die ja ebenfalls die Güte er­ kennen lässt. tatsächlich setzten nicht wenige dichter auf das leitmuster der erprobung von Gold und Freund, auf jenen altbewährten topos, der mitunter durch ciceros Laelius geisterte, des öfteren durch die exilliteratur Ovids, das Alte testament und vor allem den psalter.615 schließlich verlasen unter den achtzehn Beiträgen acht im Florentiner dom coram publico. das kann kaum etwas anderes heißen, als dass jeder der Vortragen­ den den prüfenden Blicken seiner dichter­rivalen gnadenlos ausgesetzt war. Besonders Mariotto d’Arrigo davanzati, Antonio degli Agli und ein Verwandter Albertis, Francesco d’Altobianco Alberti, profilierten sich in eher gängigen phrasen mit diesem Gemein­ platz. sie beschworen die erprobte Freundschaft als Äquivalent zur Goldprobe im Feuer, zur prüfung der Güte oder der stärke.616 ein Jahrhundert später wird der Bildhauer Francesco da sangallo Überlegungen zur »male ed […] falsa amicizia« in seinen paragone­ Brief an Varchi einfließen lassen.617 wie diese Beobachtungen nahelegen, hatte sich Alberti als Organisator des Certame eine in Florenz vertraute Vorstellung, mehr noch, ein stück lokaler Kulturgeschichte zu eigen gemacht: dass nämlich ein Künstlerwettbewerb oder, wertend gesagt, die ›erpro­ bung‹ von Künstlern im wettbewerb, im idealfall mit einer themenstellung verschränkt werden kann, die ihrerseits die erprobung berührt. nachweislich bildete erneut die re­ 614 die überlieferten Gedichte von achtzehn teilnehmern des wettbewerbes vom 22. Oktober in De vera amicitia, 1993, s. 187–499; die Berichte von zwei chronisten (Br, Ms. riccardiano 1142, fol. 41v und BMl, Ms. pl. Xc inf. 38, fols. 1r–2r) ebenda, s. 516, s. 519–520; grundlegend zu Albertis Certame Guglielmo Gorni, »storia del certame coronario«, in: Rinascimento, ser. 2, 12, 1972, s. 135–181; ferner Grafton, [2000] 2002, s. 246ff. und leuker, 2007, s. 230, s. 227; teilaspekte in hannah Baa­ der, »ernste spiele, 1441. niccolò della luna und leon Battista und wettstreit, Freundschaft, neid und Kunst«, in: Im Agon der Künste, 2007, s. 32–49; August Buck, Italienische Dichtungslehren. Vom Mittelalter bis zum Ausgang der Renaissance (Beihefte zur Zeitschrift für romanische philologie 94), tübingen, 1952, s. 105–106; hessler, 2007, s. 101f. 615 cicero, Laelius, X, vv. 27f.; Ovid, Tristien, i, 5, vv. 25–26; Xenophon, Memorabilien, ii, 5, 2ff.; s. auch cap. ii. Vgl. auch petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 50 (»dell’abbondanza degli amici«), Bd. i, s. 229–233; zum thema amicizia generell auch ebenda, De’ rimedii, i, cap. 49–52. 616 das thema ist breit belegt, v. a. mit folgenden wendungen: »la qual [l’amistate] tra’buon com’ oro in fuoco affina« (De vera amicitia, 1993, s. 264, v. 181); »come ferro in fucina, oro o argento« (ebenda, s. 254; v. 41, s. 413); »dov’è il giudicio tuo vie più raffino / che non fa l’oro nel foco in bontate,« (eben­ da, iii, s. 442); »né venire in cimento al paragone, / tra oro fin, rubin, balasci, il forte« (ebenda, XXV, s. 450). 617 siehe Scritti d’arte, 1971–1977, s. 512–513; vgl. Benedetto Varchi, 2013, s. 246f.

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

flexion auf einen Gegenstand dieser Art den Maßstab für die leistung konkurrierender probanden, nun niedergelegt in der poesie, der sprache. Geht man die historische ent­ wicklung in italien zurück, so scheint diese idee mit dem Bildhauerwettbewerb von 1401 ihren Anfang genommen zu haben, ungeachtet der Frage, ob diese sinnkonstituti­ on seit Anbeginn das exercitium bestimmte, oder ob man sie erst in der nachfolgenden Generation hineinlas. da sich diese eigenheiten 1441 wiederholten, vermögen anfäng­ liche Zweifel den nüchternen Befund nicht zu verdecken, dass zumindest im Certame coronario ein Zufall unwahrscheinlich ist. sollte es sich gegebenenfalls bei dieser Form­inhalt­Korrelation in Künstlerkonkur­ renzen um eine autonome entwicklung der frühneuzeitlichen wettstreitkultur handeln? das Altertum kannte Agone dieses Zuschnitts offenbar nicht. wie also erklärt sich gege­ benenfalls diese neue stoßrichtung? Allgemein gesagt, trat eine sittliche dimension in erscheinung: 1401 stand der amor dei (Abrahams) auf dem prüfstand, vierzig Jahre spä­ ter die vera amicitia. diese moralische einfärbung verdient mehr als nur eine Umschrei­ bung mit diffusen tugendbegriffen, handelt es sich doch um eine merkliche Anleihe am euergetismus, jenem im hellenismus und in der Kaiserzeit propagierten ideal, sich ge­ genseitig durch wohltaten zu überflügeln. dieser typus des ›wettstreites‹ zielte – in er­ kenntnis der kulturbestimmenden rolle eines Menschenbildes – auf die Formierung des vir bonus ab. niemand unter den rezitierenden im Florentiner dom bemühte dieses erbe so eindringlich wie Mariotto d’Arrigo davanzati, als er dem »wettstreit der Guten« das wort redete. eben dieser sittliche wettstreit in der selbstvollendung schwebte sene­ ca in seiner Abhandlung über die Vollgestalt des Menschseins vor, in De beneficiis.618 dennoch bleibt der »sittliche wettstreit« des euergetismus, selbst mit der Option seiner einübung auf der ›Bühne des lebens‹, allenfalls ein philosophisch­literarisches Vorspiel zu dem, was sich in Florenz zum ritualhaften spektakel entwickelte. der dom als Aus­ tragungsort stellt, wenn man so will, die Verlagerung des einst kultisch­heidnischen Areals des Agons in ein christliches dar. dass es in einem Zeitalter, in dem der synkretis­ mus besonders oft zum tragen kam, nicht an Argumenten gefehlt haben kann, einen sittlichen wettstreit an dieser, übrigens mit dichtung vorbelasteten heiligen stätte zu verorten, muss Alberti, damals Kanoniker des domes, ebenso erkannt haben wie die

618 davanzatis wendung »paragon de’ buoni« in De vera amicitia, 1993, v. 48, s. 254; übrigens beredet davanzati »il nostro moral seneca« (v. 143, s. 261). Über den »sittlichen wettstreit« (»honesta conten­ tio«) seneca, De beneficiis, i, 4, 3f., Bd. V, s. 282 (unter Berufung auf chrysipp); ebenda, iii, 36, 2, s. 282; Vi, 30, 5; Albertis Kenntnis von senecas Abhandlung ist bewiesen; s. Alberti, Della famiglia, iV, s. 286 und 290; zum euergetismus poplutz, 2004, s. 131. – Von einem wettstreit der liebe spricht Ovid, Epistulae ex Ponto, ii, 2, v. 87; vgl. den ehrenvollen wettstreit zwischen Freunden in cicero, Laelius, 32.

3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit

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chance, ein breites städtisches Auditorium für seine Ambitionen um die Aufwertung der lingua toscana zu gewinnen.619 Obwohl der Florentiner Certame, wegen der weigerung der Jury, auch nur einem dieser sprachvirtuosen das Format der antiqui zuzuerkennen, mit einem eklat endete – es blieb ein Certame ohne sieger –,620 hieß die Signoria diesen Akt der kommunalen selbstdarstellung zweifellos willkommen. er hatte viel mit der inauguration des huma­ nistischen identitätskonzeptes zu tun. neben performativen einlagen, bestehend aus dem Auftritt des Götterboten Merkur wie auch der leibhaftigen Amicitia,621 hatte die er­ öffnungsrede des niccolò della luna an diesen Bestrebungen hohen Anteil. es sollte je­ doch nicht überbewertet werden, was luna unter rekurs auf einige namen – unter ihnen homer und hesiod? (»eschiudo«) – verlauten ließ: dass mit Albertis Certame coronario eine lange brachliegende antike sitte ihre wiederbelebung fand. Zum einen unterschei­ det sich die phraseologie durch nichts vom zeittypischen rhetorischen repertoire zur Zelebration des »florentissimo […] secolo« – so lunas worte für das renaissancezeit­ alter.622 (wir können im Übrigen nicht ausschließen, dass 1401 ein redner seine stim­ me zu einer vergleichbaren Verlautbarung erhob). Zum anderen erweckt luna fälschlich den Anschein, es werde der erste frühneuzeitliche dichterwettbewerb bestritten.623 die dimension des öffentlichen interesses überstieg jedoch in der tat Gewohntes. sie hatte

619 der dichter Giovanni Gherardi da prato hielt im Florentiner dom zwischen 1417 und 1425 öffent­ lich dante­Vorlesungen. nach einem dekret von 1396 sollten im dom ehrenmonumente der Tre Corone ihren platz finden; abgedruckt in elisabeth Oy­Marra, Florentiner Ehrengrabmäler der Frührenaissance (Frankfurter Forschungen zur Kunst 18), Berlin, 1994, s. 123, nr. 1 (Archivio delle rifor­ me, provvisioni, filza 87). Und 1432 wurde von Francesco Filelfo die rede für einen seiner schüler im Florentiner dom – unter erwähnung dantes – vorgetragen (enthalten in [aber nicht teil von] Filelfo, Commentarii, s. 24–29). – eine Vertiefung in die rolle der Freundschaft als thema des vierten Bu­ ches von Albertis Abhandlung Della famiglia ist an dieser stelle nicht möglich. nach Albertis Auto­ biografie (Alberti, Vita anonyma, s. 72) waren die ersten drei Bücher 1434 abgeschlossen; dazu auch Grafton, [2000] 2002, s. 221ff. 620 diese Fakten ergeben sich aus Albertis »protesta«; in ihr ließ er seiner wut über den Fehlschlag von 1441 freien lauf; abgedruckt in De vera amicitia, 1993, s. 503–513. 621 Für die inszenierung zeichnete sich leonardo dati verantwortlich; dazu ebenda, s. 143f.; vgl. Gorni, 1972, s. 145ff. der Auftritt Merkurs erinnert an den des hermes in lukian, Der doppelt Anklagte und der Auftritt der angefeindeten, auf die erde gekommenen Amicitia an die rolle der Dike in eben die­ sem werk. 622 Unter vielen panofsky, [1960] 1990, s. 29ff. 623 Zum dichterwettstreit von 1406 in rom, den Francesco Fiano, leonardo Bruni und Antonio loschi bestritten, s. Vergerio, Epistolario, App. ii/n­a; dazu erstmals leonard smith, »note cronologiche Vergeriane«, in: Archivio Veneto Tridentino, 10, 1928, s. 134–137. Zur nordischen tradition der Puys Ursula nilgen, s. v. »puy«, in: LexMa, Bd. Vii, München, 1995, sp. 336 und vor allem Gérard Gros, Le poète, la vierge et le prince du puy. Étude sur les puys marials de la France du nord du XIVe siecle à la Renaissance, paris, 1992, passim.

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

ein nachspiel im prominenten Zuschaueraufgebot, das späterhin agonalen inszenierungen wie den giostre der Medici vergönnt war – oder, wie uns luca pacioli glauben lässt, dem duello am Mailänder hof.624 eine Bemerkung von Alberti aus Della famiglia lässt erah­ nen, wie sehr sich eine konkrete leitvorstellung von virtus in dieser rahmenbedingung für Künstlerwettbewerbe spiegelt, die eben nicht privatissime stattfinden sollen: »nicht inmitten privater Muße, sondern in öffentlicher erprobung bildet sich der ruf; auf öffentlichen plätzen erwächst der ruhm; mitten unter den leuten ernährt sich das lob von der stimme und dem Urteil vieler ehrenwerter Männer; der ruf flieht alle einsamkeit und private stätte, er lässt sich gern auf Bühnen nieder […]; dort gewinnt er Glanz und bestrahlt den namen desjenigen, der mit viel schweiß, mit beständiger Bemühung um das Gute sich selbst aus der Finsternis des schwei­ gens, der Unwissenheit und der laster herausgeführt hat.« 625 wir vernehmen in diesen worten deutliche Anklänge an die Argumentationen, die Bild­ hauer im paragone zugunsten ihrer öffentlichen, für jedermann sichtbaren denkmäler anbrachten.626 – doch kommen wir auf die Aussage des niccolò della luna zurück. so­ lange nicht der nachweis einer Quelle gelingt, die den Organisatoren des Florentiner Certame mehr als nur die beiden Autorennamen – homer und hesiod (?) – zu vermitteln vermochte, muss die bewusste Anknüpfung an deren dichteragon rein hypothetisch bleiben,627 nicht aber die allgemeinen Anleihen an agonale Gebräuche des Altertums.

624 Vielleicht schöpfte Alberti die Anregung für einen wettstreit dieser Größenordung aus platon, Nomoi, 658a, Bd. Vi, s. 40 (Üs: schleiermacher). in diesem werk wird mit dem Gedanken an einen »beliebigen wettstreit« gespielt, der »die gesamten Bewohner der stadt zusammenrufe und, mit Aus­ setzung von siegespreisen« erklärt werde, »wer lust habe, möge auftreten, einen bloß auf ergötzlich­ keit berechneten wettkampf zu bestehen […].« – Zur Jury von 1441 zählten zehn apostolische sekre­ täre (v. a. Giovanni Aurispa, Flavio Biondo, poggio Bracciolini, Antonio loschi, cencio rustici, Ambrogio traversari, Georg von trapezunt); der Certame fand im Beisein der signoria und des erzbi­ schofs statt. Grafton, [2000] 2002, s. 247 hielt die Jury für vergleichbar mit der von 1401. – Zur giostra von 1469 und 1475 Le tems revient – ’ l tempo si rinuova. Feste e spettacoli nella Firenze di Lorenzo il Magnifico, Ausstellungskatalog (Florenz, palazzo Medici riccardi, 08.–30.04.1992), hrsg. v. paola Ventrone, Mailand, 1992, s. 167ff., s. 189ff.; bei den giostre waren auch Maler, silberschmiede, dich­ ter und seidenweber beschäftigt. Zum duello in Mailand s. cap. iV.3.2. 625 Alberti, Della famiglia, iii, Bd. i, s. 183–184 (Üs: walter schalk): »non in mezzo agli ozii privati, ma intra le publiche esperienze nasce la fama; nelle publiche piazze surge la gloria; in mezzo de’popoli si nutrisce le lode con voce e iudicio di molti onorati. Fugge la fama ogni solitudine e luogo privato, e volentieri siede e dimora sopra e’teatri […]; ivi collustra a alluma il nome di chi con molto sudore e assiduo studio di buone cose sé stessi tradusse fuori di taciturnità e tenebre, d’ignoranza e vizii.« 626 dazu statt vieler Mendelsohn, 1982, s. 127ff. 627 die im hinblick auf den Agon zwischen homer und hesiod eher desolate Quellenlage gegen Mitte des Quattrocento wurde referiert von Baader, 2007, s. 37, Anm. 17 mit weiterführender Forschungs­ literatur. wahrscheinlich nicht verfügbar für luna und seine Zeitgenossen war die hauptquelle, zwei

3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit

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dazu gehört der ausgelobte lorbeerkranz (aus silber) für den sieger (übrigens erhielt der giostra­sieger 1468 einen silberverzierten helm),628 die terminologie für den wettbewerb, genauer, die getreue Übersetzung des lateinischen synonymes von »certamen«, ludi, mit »giuoci«; 629 hinzu kommt der von Alberti offenbar ins Auge gefasste, später wieder ver­ worfene plan von turnusmäßig veranstalteten dichterwettbewerben. im darauffolgen­ den Jahr hätte der ›neid‹ im Zentrum stehen sollen.630 Für uns ist nicht mehr zu ergrün­ den, ob und inwiefern bei dieser projektierten geistigen ertüchtigung von rivalen gegebenenfalls erneut die erprobung mitreflektiert werden sollte. dass der bereits er­ wähnte, in der renaissance populäre rekurs auf sportagone auch im Certame coronario nicht ausblieb,631 rührt vom tertium comparationis der ertüchtigung. das erhellt uns eine

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Auszüge von Alcidamas’ Mouseion aus der hadrianischen Ära. – die identifizierung von »eschiudo« mit ›hesiod‹, wie sie Bertolini im vollen Bewusstsein der Fragwürdigkeit dessen vorschlägt, ist leicht anfechtbar (De vera amicitia, 1993, s. 494, Anm. 3d). Man könnte mit gleicher Berechtigung ›Aischy­ los‹ vorschlagen, denn zuvor fällt der name des Aristophanes, Autor des dichterwettstreites zwischen Aischylos und euripides, der sich um den thron des tragikers drehte (in Aristophanes, Die Frösche, 830ff. und in 1378ff. erfolgt die Äbwägung beider dichter in der waagschale). dieser streit, bei dem dionysos als schiedsrichter fungiert, kreist um die Frage nach der optimalen dichtungsart für die erziehung der Athener zu besseren Bürgern; näheres in Froleyks, 1973, s. 347ff. – nicht transparent ist die Argumentation von Baader, 2007, s. 37, Anm. 17: Alberti müsse am wettstreit zwischen homer und hesiod der Ausgang »mit einem falschen schiedsspruch« fasziniert haben. das spendete ihm allen­ falls einen trost bei der retrospektiven sicht auf das desaster seines Certame coronario. Aber ein Argu­ ment für die Orientierung an diesem Agon ist das freilich nicht. siehe die schilderung des Kampfes auf dem platz von santa croce durch lorenzo de’ Medici; ein richterkolleg erkannte ihm den ersten preis zu; lorenzo schrieb: »[…] mir wurde der erste preis zuer­ kannt, nämlich ein silberverzierter helm mit einem Mars als helmschmuck«; vgl. lorenzo de’ Medi­ ci, Opere, hrsg. v. tiziano Zanato, turin, 1992, s. XXXViii. die Bezeichnung »giuoco« in niccolò della luna, in: De vera amicitia, 1993, s. 493, s. 495, s. 497; luna musste nur dem lokalen petrarca­Übersetzer Giovanni da san Miniato folgen, für den »giuoci« sportagone waren; die topischen Formeln kehren in intellektuellen Agonen wieder: petrarca/Giovan­ ni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 29 (»delle palestre, cioò de’ giuochi che si fanno colla perso­ na«), Bd. i, s. 147–151, s. 150: »in questo giuoco spesse volte uno uomo vilissimo sopra tutti è stato vincitore, e la virtù è stata premuta […]«; zu den antiken ludi publici poplutz, 2004, s. 115f. die Quelle zum projektierten Agon über den neid ist ein Brief von leonardo Bruni an leonardo dati, der ein Buch über den neid plante (leonardo Bruni, Epistolarum libri VIII, Florenz, 1791, Bd. ii, s. 157–158); dazu Gorni, 1972, s. 148ff.; Grafton, [2000] 2002, s. 247; über den neid auch petrarca, De sui ipsius et multorum ignorantia, i, s. 8ff.; ein Gedicht »in invidum« in Visconti, Canzonieri, s. 103–104, nr. 144; landino, Disputationes Camaldolenses, ii, s. 64. – Zu periodisch veranstal­ teten sport­Agonen (Capitolia, Sebasta), deren höhepunkt in der frühen Kaiserzeit lag und die musi­ sche wettkämpfe umfassten, s. poplutz, 2004, s. 73f. Alberti, Protesta (De vera amicitia, 1993, s. 511): »et a qualunque certame palestrico era la corona segno di vittoria insieme e premio delle fatiche.« in seiner Autobiografie machte Alberti keinen hehl aus seinem persönlichen Glauben an Geistes­ und leibesübungen als ebenbürtigen Facetten der pro­ filierung; s. Alberti, Vita anonyma, s. 69: »denique omnia quae ad laudem pertinerent studio et medi­

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

Bemerkung von Giovanni pico della Mirandola in De dignitate hominis über die pro­ filierung von dichtern. Begeistert von öffentlichen disputationen sprach sich pico 1486 für ein anhaltendes training im diskutieren (»disputandi exercitatione«) aus, denn, wie sport die körperlichen Kräfte stähle, so würden die Geisteskräfte in der »literarischen Arena« entschieden ihren Aufwind erleben.632 der Florentiner dom fungierte 1441 in diesem sinne als exerzierplatz für die virtuosen dichter­rivalen. durch eine bemer­ kenswerte Ahnengalerie der wetteifernden, von niccolò della luna erstellt, bestätigt sich erneut, mit welcher selbstverständlichkeit Brückenschläge zu Virtuosen der Bild­ künste unternommen wurden. ein Bildhauer, phidias ist es, der in ihr gleichberechtigt neben den antiken herausforderern der dichtkunst figuriert, sei es, weil ihn dion von prusa zum anmaßenden wetteiferer gegenüber homer stilisierte, oder weil er neben polyklet der prominenteste teilnehmer am ephesischen Bildhauerwettbewerb war. der Agon zu ephesos ist jedenfalls spätestens seit der Ausschreibung um die Florentiner Bap­ tisterumstüren zu einem teil der »konnektiven struktur« aufgerückt,633 welche die wett­ bewerbskultur italiens in Kontinuierung und reproduktion eines erfahrungs­, erwar­ tungs­ und handlungsraumes in immer neuen Varianten ausschüttete. so sehr lunas Fokus im Blick auf zwei alttestamentliche sprachvirtuosen, namentlich david und hiob, auf dem »Glanz ihres göttlichen und poetischen Gesanges« lag, darf seine insinu­ ierte Grundbotschaft, die herausforderung als stoßkraft jedweder virtù, auch in diesem punkt nicht verschwiegen werden. in der hiobsfigur zumal wird sie transparent: hiob, der Gottergebene, dem satan immer neue Bürden auferlegte. dieser biblische held fügt sich aufs Beste in Albertis Certame­Konzept: welche Geschichte, wenn nicht die des hiob, handelt von der erprobung des Menschen? der Gepeinigte selbst spricht in die­ sem sinne: »[…] prüfte er«, Gott, »[…] mich, ich ginge wie Gold hervor« (Ijob 23, 10).634 tatione amplexus est […]. Utebatur pila iaculo amentato, cursu saltuque luctaque, atque imprimis ar­ duo ascensu in montes delectabatur […].« 632 pico della Mirandola, De dignitate hominis, s. 56/57: »sicut enim per gymnasticam corporis vires firmiores fiunt, ita dubio procul, in hac quasi literaria palestra, animi vires et fortiores longe et veget­ iores evadunt«. siehe auch petrarca, De’ rimedii, i, cap. 29 (»delle palestre, cioò de’ giuochi che si fanno colla persona«), Bd. i, s. 150: »non contendere delle ricchezze, delle dignitadi, non della poten­ zia, ma della scienza e della virtue; […].« 633 wir verwenden den von Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, München, 1999, s. 16 geprägten terminus. 634 niccolò della luna, in: De vera amicitia, 1993, s. 498: »[…] davit, iobbo e molti altri, i quali non sono scurati per fama […] fusse la degnità dello splendore del divino et poetico canto […].« Ausdeu­ tungen der hiobsgestalt im Quattrocento in savonarola, Prediche sopra Giobbe, Xi, s. 33: »dio purghi l’affetto tuo da queste cose basse […]«; über hiobs Auffassung vom leben als Kriegsdienst Manetti, De dignitate hominis, iV, 16, s. 110. – david entspricht nicht minder diesem Muster, indem er das wagnis des Kampfes gegen den riesen Goliat auf sich nahm (1 Sam 17, 1­58).

3. Künstlerwettbewerbe und Rangstreitmotive der Frühen Neuzeit

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so bereitete dieser ›Athlet‹ der Frömmigkeit in lunas eröffnungsrede denjenigen ›Athe­ ten‹ der sprachfertigkeit den Boden, die sich konkurrierend im Certame in die Freund­ schaft und deren erprobung hineindachten. nach diesen Beobachtungen stellt sich leon Battista Albertis Certame mitunter als idealisierte spiegelung der im wettstreit impliziten Kategorien dar – zweifellos Aus­ druck einer intellektuellen Verfeinerung in der frühneuzeitlichen wettstreitkultur. sie wird besonders in den sophistischen paragone­diskursen des cinquecento ihre Blüten treiben. Zugleich zeigte sich 1441 die vitale Freude an der Ausschöpfung und Zuspit­ zung des im wettbewerb angelegten potenzials, einer der vielen Überbietungsversuche gegenüber der Antike. wir können auch abschließend keine definitive Antwort auf die Frage geben, ob die Abraham auferlegte erprobung den Ausschlag für die themenwahl von 1401 gab. Aber es ist wichtig, sich die Brisanz dieser Frage vor Augen zu halten.

3.4. Konsequenzen für den paragone der oben zunächst zur darstellung gebrachte Befund zu antiken Künstleragonen oder mittelalterlichen rangstreitmotiven im spiegel der literatur des Quattrocento kann als Beleg dafür dienen, dass diese, reale wie fiktive, im Quattrocento in erster linie als Fall­ geschichten rezipiert wurden. Je nach vorgegebener Akzentsetzung dienten sie im Verein mit gattungsspezifischen wertsetzungen und agonalen Mustern fast spielerisch als refe­ renzmodell bei der Ausrichtung und Beschreibung moderner Künstlerwettbewerbe. Als nahezu fließend erwiesen sich die Übergänge zu den Gestaltungskriterien fiktiver wett­ bewerbe, wie sie die paragone­diskurse beleben. rein funktional gesehen stellt der reale Bildhauer­, der Maler­ oder der dichterwettbewerb (nicht nur des Quattrocento) im rahmen eines probaten Verfahrens zur stimulierung von höchstleistungen eine Art ›Zivilisierungsstrategie‹ zur forcierten entscheidungsfindung dar. daher blieben die or­ ganisierten Künstlerwettbewerbe des öffentlichen lebens in der regel von den nöten des unentschiedenen Ausgangs verschont. das unterschied sie von nicht wenigen agonalen paragone­episoden der Kunstliteratur. die Frage: Gewinnen oder Verlieren, wofür nicht allein die Virtuosität innerhalb einer Kunstgattung und der finale Juryentscheid ins Gewicht fielen,635 bei dem andere Künstler mitstimmten, erwies sich für den einzelnen Maler oder Bildhauer, der sich einer Konkurrenz stellte, faktisch als eine wegscheide

635 nur in Ausnahmefällen – wie im Künstlerwettbewerb um das Forteguerri­Grabmal in pistoia – wur­ den Juryentscheide wieder revidiert: Verrocchio stach fünf rivalisierende Bildhauer aus, um 1477 vor­ erst, nach dem Urteil der hinterbliebenen der Familie, piero pollaiuolo zu unterliegen; schließlich je­ doch ließen offizielle »commissari« auf Geheiß von lorenzo de’ Medici erneut Verrocchio gewähren; dazu wright, 2005, s. 312–313; zu Verrocchios Marmor­Kenotaph Butterfield, 1997, s. 137ff., Abb. 178–179, über den wettbewerb ebenda, s. 137f., s. 223–228, Kat.­nr. 21 und Burke, [1972] 1988, s. 111.

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IV. Vom Künstlerwettbewerb zum Paragone

seines werdeganges. ein weiterer Faktor, der ›agonale Furor‹ des Gewinners, sorgte in Verbindung mit der öffentlichen reputation dafür, dass sein siegreiches werk nicht ohne eindruck auf die Geschichte der Künste wie auch der Kunstgattungen blieb. dies konnte aufgrund von innovationen, die in die waagschale geworfen wurden, auch hei­ ßen: ihr erfolg zeitigte einfluss auf die Genese des paragone.

V. Universalität und Grenzüberschreitungen im paragone

1. doppelbegabungen: ihre Bewertung durch die Kunstliteratur Als der Benediktinermönch Gerolamo Aliotti 1435 über die Gelehrsamkeit des Fürsten sinnierte, wagte er den seitenblick auf die Kompetenzen der bildenden Künstler. dabei hielt er die spezialisierung hoch, sperrte sich nachdrücklich gegen den Gedanken, dass ein Bildhauer den professionellen Malern (und rednern) je das wasser reichen könne, sofern er Grenzüberschreitungen in ihr Gebiet unternehme; aus umgekehrter warte gestalte es sich nicht anders. Zu stark sei die Konkurrenz der eigentlichen Könner. Aliotti führte aus: »wenn euphranor, phidias, polyklet, lysipp, chares oder Milon, die berühmte Bild­ hauer waren, sich entweder der Malerei oder der redekunst zugewandt hätten, hät­ ten sie bei diesen (tätigkeiten) auf keinen Fall einer sehr starken / überlegenen Kon­ kurrenz entgehen können. wenn sich im Gegenzug von den Malern Zeuxis, Fabius oder Apelles oder von den rednern isokrates, Aischines oder demosthenes der skulp­ tur oder der plastik gewidmet hätten, wären sie keineswegs als die bedeutendsten und vollkommen in diesen Künsten hervorgetreten.« 636 636 »[…] eufranorem, phidiam, policletum, lysippum, charetem, Milonem; qui sculptores fuere claris­ simi, si se vel ad picturam, vel ad oratoriam contulissent, in his forte praestantes evadere minime potuisse. contraque Zeusim, Fabium, Apellem ex pictoribus, aut ex oratoribus isocratem, eschinem, demosthenem, si se sculpture figulineque dedissent, nequaquam summos, ac perfectos in his artibus exstitisse.« Gerolamo Aliotti, De monarchis erudiendis, i, Bd. ii, s. 213–214; die Übersetzung nach pfisterer, 2002, s. 573, nr. 36; die Bescheidung auf eine Kunstgattung empfiehlt zudem cortesi, De hominis doctis, s. 136–137. – die spezifischen talente als Grundlagen des ruhmes einzelner Maler und Bildhauer (lysipp, Kalamis, Apelles, parrhasios, Mentor, phidias, praxiteles) in properz, Carmina, iii, 9. platon, Nomoi, 846de leugnet die Befähigung des Menschen, von natur aus zwei Berufsar­ ten oder zwei Künste erschöpfend betreiben zu können. eine differenzierung zwischen Kompetenzen von Malern und Bildhauern in petrarca, De remediis, ii, cap. 117 (»de metu mortis«), s. 744: »[…] unde statuas ac tabulas pictas nisi à statuariis atque pictoribus?«; ebenso Alberti, Profugiorum ab erumna, Bd. ii, s. 118: »io non potrei dipingere né fingere di cera un ercole, un fauno, una ninfa, perché non sono esercitato in questi artifici«. – Zum nachspiel dessen im paragone des cinquecento

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

solcherart indirekte oder direkte empfehlung zur Bescheidung auf ihr eigentliches res­ sort ernteten die Maler oder Bildhauer des Quattrocento selten. im Gegenteil, es emp­ fahl sich für sie, universal zu sein, und deshalb waren Virtuosen dieses schlags in der Kunstpraxis dieser Ära allgegenwärtig, wie uns hankes Monografie über Malerbildhau­ er (von Brunelleschi bis Michelangelo) vor Augen führt.637 die Kunstliteratur widmete sich gerne diesem typus von Künstler. Man darf in diesem eine spielweise des zeitspezi­ fischen, leitbildhaften idealtypus des uomo universale sehen, des in größtmöglicher Breite um perfektion ringenden Menschen. leon Battista Alberti und leonardo wurden nicht erst seit Jacob Burckhardt als dessen typische Verkörperung betrachtet; 638 ihr selbstbild entsprach diesem ideal.639 dessenungeachtet ist häufig die neigung zu Gattungspräfe­ renzen selbst bei Universalkünstlern – von Brunelleschi bis Verrocchio – nicht zu ver­ kennen.640 professionelle Maler, deren Vorstöße in die Bildhauerei rar gesäht waren, identi­

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gehören rangstreitdebatten über die Möglichkeit des Berufswechsels vom Maler zum Bildhauer wie umgekehrt (s. Varchi, Lezzione, nr. 2, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 542) und über das Versagen Baccio Bandinellis als Maler (Vasari, Le vite, Bd. Vi, s. 138 und Borghini, Il Riposo, iV, s. 477). hanke, 2009. Burckhardt, [1869] 111988, cap. 2, s. 104: »das 15. Jahrhundert ist zunächst vorzüglich dasjenige der vielseitigen Menschen.« Vgl. Grafton, [2000] 2002, s. 21, passim. Zur doppelbegabung des phidias hans h. Aurenhammer, »phidias als Maler. Überlegungen von Malerei und skulptur in leon Batti­ sta Albertis ›de pictura‹«, in: Römische historische Mitteilungen, 43, 2001, s. 355–410 und lapidar wright, 2005, s. 2; zum universalen Künstler des 16. Jahrhunderts Martin Kemp, »the ›super­Artist‹ as Genius. the sixteenth­century View«, in: Genius. The History of an Idea, hrsg. v. penelope Murray, Oxford, 1989, s. 32–53. Alberti, Vita anonyma, s. 68: »ingenio fuit versatili […]« und s. 73, z. 1–6: »[…] et una eorum effigies pingebat aut fingebat cera. Apud Venetias vultus amicorum, qui Florentiae adessent, expressit annum mensesque integros postquam eos viderat. […] suos vultus propriumque simulacrum aemulatus, ut ex picta fictaque effigie ignotis ad se appellentibus fieret notior.« Über die Kunstwerke von Alberti s. Leon Battista Alberti, 1994, passim. – Zu leonardos Berufung auf seine Universalität in seinem Bewer­ bungsschreiben für den Mailänder hof s. s. 56, Anm. 136; zur Universalität leonardos pacioli, De divina proportione, s. 33: »[…] leonardo da venzi […] qual de scultura getto e pictura con ciascuno el cognome verifica.« Biringuccio, De la pirotechnia, Vii, cap. 1, fol. 103r spricht von »leonardo da Vinci, dem excellenten Bildhauer«. Zu leonardos Betätigung als Bildhauer Kathleen weil­Garris Brandt, Leonardo e la scultura (lettura Vinciana. Biblioteca leonardiana 18), città di Vinci, Florenz, 1999; »leonardo as a sculptor: A Bibliography«, in: ALV, Bd. ii, 1989, s. 131–147; mit Vorbehalten gegen­ über leonardos erfahrung in der skulptur Goffen, 2002, s. 41ff. einige Beispiele von Mehrfachbegabungen seien herausgegriffen, wie die Betätigung des Architekten Brunelleschi als Bildhauer und Maler, die von Bramantino als Maler und Architekt, die des Bildhau­ ers Ghiberti, auch sachverständiger am Florentiner dombau, als Maler in Jugendjahren (vgl. Ghiber­ ti, I commentarii, ii, 6.1., s. 92: »l’animo mio alla pictura era in grande parte volto«); Francesco di Giorgio wirkte als Architekt, Kunsttheoretiker, Bildhauer, ingenieur und Maler; s. Francesco di Giorgio e il Rinascimento a Siena 1450–1500, Ausstellungskatalog (siena, chiesa di sant’Agostino, 25.04.– 31.07.1993), hrsg. v. luciano Bellosi, Mailand, 1993, s. 19ff.; peruzzi wirkte als Maler und Architekt, Michelozzo als Bildhauer und Architekt, der Bildhauer Matteo civitali als Maler, drucker und Bau­

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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fiziertensich allerwahrscheinlichkeitnachwesentlichmitihremhauptbetätigungsfeld.641 interessant für uns ist die Frage, was das Urteil von deren Zeitgenossen über einzelne Maler­Bildhauer oder Maler­dichter enthüllt. inwiefern schien in diesen werturteilen der paragone auf? nähern wir uns dem aufgekommenen leitbild der universalità: Gewöhnlich emp­ fand man die spezialisierung des bildenden Künstlers im Quattrocento nicht als Gegen­ satz zu seiner Universalität, zu jenem Konvergenzpunkt von faktischer doppelbegabung und nur tendenziösen Übergriffen in die nachbargattung. erwünscht war vielmehr eine erweiterte, eine kompendöse Form der spezialisierung. Universalità, die sowohl Vorstel­ lungen von virtus, von ingenium als auch künstlerischer Freiheit in sich barg,642 avan­ cierte im Verlauf des Quattrocento zunehmend zu einem paragone­Argument, zu einer Qualität, die die Maler für ihre werke weitaus eher zu verbuchen vermochten als die Bildhauer.643 der locus classicus aber, das achtzehnte Buch der Ilias, richtete sich ursprüng­ lich mit allen Möglichkeiten der ekphrastischen Beschreibungskunst auf ein Bildhauer­ werk, den schild des Achill. Beeindruckt von der welthaftigkeit dieser darstellung zeig­ te sich lorenzo Valla 1444 in den Opuscula tria, nicht ohne das missverständliche wort »pingi« für dessen herstellung zu verwenden.644 nach warnkes, neuerdings von carqué bestens fundierter Feststellung entsprach die Universalität wesentlich dem Anfor­ derungsprofil des hofkünstlers.645 der hohe visuelle repräsentationsbedarf verlangte in

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meister (vgl. Martina harms, Matteo Civitali, Bildhauer der Frührenaissance in Lucca, München, 1995, s. 9, s. 212–217); der Maler Beccafumi war auch Bildhauer; Alessandro Bagnoli, »domenico Beccafumi scultore: un nuovo ›spiritello‹ bronzeo«, in: Prospettiva, 93–94, 1999, s. 10–22; zu den Maler­Bildhauern pollaiuolo und Verrocchio s. unten; zu einer signaturform von Mehrfachbegabun­ gen wie Orcagna, pisanello, il Vecchietta und Francia s. cap. V.2. dazu wiederum Middeldorf, 1978, s. 314; vgl. pope­hennessy, 1969, s. 406ff. Zur Freiheit des Malers horaz, Ars poetica, vv. 9–13; decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, s. 426: »nam ut poetae canere audent, sic pictoribus licet effingere […]«; grundlegend zur licentia pfisterer, 1996, s. 107ff.; vgl. die Aussagen von Ghiberti, I commentarii, ii, 6.1., s. 95: »[…] mi fu data licentia io la conducessi in quel modo ch’io credessi tornasse più perfettamente […]« und ›Bramante‹ in Guarna, Simia, s. 110: »datam ergo libertatem asseris, licentiam haudquaquam.« Zum ingenium Kemp, 1977, s. 347–398 und Brann, 2002, s. 76ff. – Zur virtus s. petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 10, Bd. i, s. 80–82; Alberti, Intercoenales, cap. ›Virtus‹; conti, [1979] 1991, Bd. i, s. 163ff. Zur universalità im paragone Dizionario della critica d’arte, 1978, Bd. ii, s. 621–622, s. v. »universale, pittore«; Mendelsohn, 1982, s. 119–122; summers, 1981, s. 285ff. Valla, Opuscula tria, i, 8 (Valla, Opera omnia, Bd. ii, s. 100); das Zitat und Genaueres im cap. Vi.2.2; vgl. homer, Ilias, XViii, vv. 483–607; zu homers ekphrase land, 1994, s. 36ff. Unter Fokussierung von Bewerbungsformen warnke, 1985, s. 123ff., passim; carqué, 2004, s. 367ff. – in einer großen radikalität waltete das universalità­Klischee 1482 in leonardos vielzitierten Bewer­ bungsschreiben für den Mailänder Fürstenhof. was leonardo ludovico il Moro in Aussicht stellte, war nicht weniger als die Befähigung zu architektonischen wie kriegstechnischen Arbeiten, zur Mar­

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

der höfisch geprägten lebenswelt nach einem Alleskönner, einem künstlerischen ›tau­ sendsassa‹. platon, philostrat und Vitruv hatten den prototyp gestellt. die von ihnen geschilderten Virtuosen, so verschieden sie sein mochten – der sophist, der Maler, der Architekt –, sie konvergierten im Bestreben, aus einem »einzigen Mittel mehr zu machen als eine andere Kunst aus vielen« – so explizit das Anliegen des Malers gemäß philos­ trat.646 dieses ideal festigte einerseits das tradierte leitbild der Malerei von der perfek­ ten, mit hilfe von Farben erlangten Mimesis – allenfalls die ›Künstlerin‹ natur überbie­ tet sie –,647 andererseits mochte es den impuls für kühne Vorstöße mit Farbe in den Geltungsbereich der nachbarkunst skulptur stiften. einer der Auffälligkeiten der Kunst des Quattrocento ist, wie pope­hennessy mit recht bemerkt hat, die häufung von Offensiven dieser Art.648 Man denke an die, bereits erwähnt, metallisch­skulpturale härte im Figurenumriss einzelner Maler (carlo crivel­ li oder cosmè tura), an Grisaillegemälde – in der terminologie des Quattrocento chiaroscuri oder marmi finti –,649 an gemalte denkmäler wie Uccellos Fresko mit dem Reiterbildnis des John Hawkwood, das in monochromer, auf Bronzeimitation abzielende terra verde gehalten ist (es wurde im Anschluss an einen Künstlerwettbewerb geschaffen) 650

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mor­, Bronze­ oder tonskulptur, zur Malerei – zu allem, was sich nur machen ließe, im wettstreit – »a paragone« – mit jedem rivalen, wer immer es sein möge; leonardo, Codex Atlanticus, fol. 391r (zitiert nach Beltrami, 1919, s. 10–11, s. 11): »in tempo di pace credo satisfare benissimo a paragone de onni altro in architettura, in composizione di edifici e pubblici e privati […]. item conducerò in sculptura di marmore, di bronzo, e di terra, similiter in pictura, ciò che si possa fare a paragone de omni altro e sia chi vole.« leonardo fertigte offenbar auch entwürfe für Medaillen; s. carlo pedretti, »le ›belle cose‹ di leonardo a Milano in un ›sogno‹ di Benvenuto cellini a Firenze«, in: Arte Lombarda, 19, 2000, s. 19–29, s. 25, Abb. 11. Zur Universalität des Architekten Vitruv, De architectura, i, cap. 1, 8, s. 32: »[…] architectum omni­ bus artibus et doctrinis plus oportere posse facere, quam qui singulas res […] ad summam claritatem perduxerunt«; übernommen in der Vorrede von Alberti, De re aedificatoria und im Buch i von Filare­ te, Trattato. – platon, Sophistes, 233de, Bd. 4, s. 205: »[…] durch eine Kunst alle dinge insgesamt zu machen und hervorzubringen« und philostratos, Imagines, i, 2, s. 85 (Üs: Otto schönberger); vgl. Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 3, 67; horaz, Ars poetica, vv. 180–182. Von cicero, De natura deorum, ii, 58 auf Zenon zurückgeführt. siehe auch Kris/Kurz, [1934] 1980, s. 89–99; als plädoyer für die Überlegenheit des dichters decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, s. 429: »[…] quae sola natura pingit […]«; und ca. 1440 Guarino, Epistolario, nr. 921, Bd. ii, s. 669: »naturae pictor«; niccolò da correggio, Rime, nr. 77, v. 4, s. 145: »natura senza altra arte lo depinge.« Vgl. pope­hennessy, 1969, s. 407. Grundlegend Blumenröder, 2008; lomazzo, Libro dei sogni, cap. 5, Bd. i, s. 98 nennt duccio als erfinder des chiaroscuro: »et oltre a duccio senese, che noverar si deve tra i beneffatori dilla pittura, avendo trovato la bella invenzione della pittura nel marmo di chiaro scuro, […].« dazu Franco und stefano Borsi, Paolo Uccello, [orig. paris, 1992] stuttgart, 1993, s. 204–206, s. 304– 307, Kap.­nr. 12. – 1366 hatte der condottiere piero Farnese ein reiterstandbild von aus leinen bespanntem holz erhalten; dazu Martina hansmann, Andrea del Castagnos Zyklus der ›Uomini famosi‹ und der ›Donne famose‹, Münster und hamburg, 1993, s. 74.

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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oder an die glasierten terrakottawerke der Künstlerfamilie della robbia. Zumindest leonardo da Vinci erklärte sie expressis verbis zur »opera in pittura«; dem folgten andere nicht, weder der anonyme Autor der Huomini singhularii, auch nicht der Florentiner Übersetzer Alamanno rinuccini, Gaurico oder Francesco Albertini. sie hielten die wer­ ke für skulpturen. die Künstlerfamilie della robbia rangiert in leonardos paragone ohnehin als sonderfall: als die einzigen erwähnten Gegenwartskünstler. da leonardo deren Œuvre als Beweis für die existenz raffinierter techniken heranzieht, mit denen der Maler eine der skulptur vergleichbare dauerhaftigkeit erzielen könne, lässt sich ermessen, welcher hohe stellenwert den im Grenzbereich zwischen den figurativen Küns­ ten liegenden Kunstarten im paragone zukam.651 Kein wunder, wenn die Bildhauer dieser Ära Gegenoffensiven unternahmen, sei es, wie donatello, Ghiberti, Agostino di duccio oder desiderio da settignano, mit den höchst malerischen werten des rilievo schiacciato,652 sei es mit polychromen statuen653 oder reliefs,654 oder mit dem gezielten einsatz farbiger Materialien wie der Buntmarmore. niemand wird die überaus starken wechselbeziehungen zwischen Malerei und skulptur, wie sie in Künstlerwerkstätten des 15. Jahrhunderts gang und gäbe waren, bestreiten wollen; es gab plastische Modelle für 651 leonardo, Libro di pittura, i, 37, s. 160: »[…] della robbia, li quali hanno trovato modo di condurre ogni grand’opera in pittura sopra terra cotta coperta di vetro.« dazu Gentilini, 1992, Bd. i, s. 13ff. die tatsachen verhalten sich anders: luca della robbia gehörte seit 1432 der steinmetzzunft an (vgl. ebenda, Bd. i, s. 13). Meist wurden della robbias werke den skulpturen zugerechnet; s. Huomini singhularii, s. 335: »lucha che si disse della robbia maestro scultore di getti e di marmi e di terra. e fu el primo ch trovo lonvetriare le figure […]«; und 1473 in Alamanno rinuccinis widmungsbrief seiner philostrat­Übersetzung Gombrich, 1985, s. 177f.; Gaurico, De sculptura, cap. 7, s. 251: »[…] lucas rubius Florentinus ex aurifice plastes, cuius inventum, fictile opus encausto pingi.« Albertini, De mirabilibus Romae, s. 63–64, 101a: »in sculptura vero […] luca de rubea, qui terreas statuas cum vitro mixtas ut optimus inventor primus fecit«. die Bezeichnung »Maler« erntet zuweilen der nachfahre Filippo della robbia (1505–nach 1535); dazu louis A. waldman, »colored sculpture or three­dimensional pain­ ting. A note on Filippo della robbia (and renaissance Artistic terminology)«, in: Source, 23, 2004, 4, s. 15–18; und Bruce Boucher, »italian renaissance terracotta. Artistic revival or technological innovation?«, in: Earth and Fire. Italian Terracotta Sculpture from Donatello to Canova, Ausstellungs­ katalog (houston, the Museum of Fine Arts, 18.11.2001–03.02.2002; london, Victoria and Albert Museum, 14.03.–07.07.2002), hrsg. v. Bruce Boucher, new haven und london, 2004, s. 1–31. 652 Zum Begrifflichen Michael Godby, »A note on schiacciato«, in: Rinascimento, 62, 1980, s. 635–637; sowohl die ambivalente position der reliefkunst zwischen den Gattungen skulptur und Malerei als auch die doppelbedeutung von rilievo – die faktische plastizität skulpturaler werke als auch die simulierte plastizität in der Malerei – schürten den paragone; dazu Freedman, 1989, s. 217–249, s. 218, über rilievo in der Malerei s. 221ff. und in der skulptur s. 231ff.; Beispiele aus der Kunstpraxis in niehaus, 1998, s. 87ff. 653 darüber sacchetti, Il Trecentonovelle, nr. 84, s. 249–256. 654 Man denke an die acht farbig gefassten stuckrelief­tondi donatellos in der oberen wandzone von san lorenzo; pope­hennessy, 1969, s. 413 geht so weit, zu sagen, dass »[…] there were intended to be read as paintings, not reliefs.« Abgebildet in poeschke, 1990, Abb. 94–101, s. 109.

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

Maler zur Vorbereitung ihrer Gemälde, und Maler gingen Bildhauern nicht selten mit ›Visierungen‹ zur hand.655 dem leitbild der universalità frönten mitunter diejenigen, die nach dem Flair eines pictor oder sculptor doctus trachteten, wie beispielsweise zudem theoretisierende Künstler wie Ghiberti, Filarete oder piero della Francesca. Beseelt vom wunsch nach einem wis­ senschaftlichen Ferment für ihr praktisches Kunstschaffen betonten sie prätenziös die notwendigkeit ihres globalen sachverstandes in der Anatomie, Geometrie, perspektive oder philosophie.656 dichterische und musikalische Aspirationen vervollständigten den artista universale nicht minder, der sich, in der tradition der vates, beseelt vom furor wäh­ nen dürfte.657 Orcagna, der sich in Florenz in allen bildenden Künsten hervortat, verfasste einige sonette, darunter passionierte Verse, in denen er als Maler selbstbehauptend darauf pochte, wie die liebe – kontrovers zur Meinung der dichter – zu malen sei; 658 Brunelleschi, wie kein anderer im Florenz der Frührenaissance namhaft als Architekt, weniger als Bildhauer, werden schmähsonette auf den dante­lektor in Florenz, Gio­ vanni Aquettini da prato, unterstellt, mit denen er auf dessen häme angesichts seines Kuppelentwurfes konterte; 659 über zwanzig sonette stammen vermutlich aus der Feder des Architekten, Malers und Kunsttheoretikers Bramante. dieser scherzte in einem seiner 655 laurie Fusco, »the Use of sculptural Models by painters in Fifteenth­century italy«, in: ArtBull, 64, 1982, s. 175–194 und Michael w. Kwakkelstein, »the Use of sculptural Models by italian renais­ sance painters. leonardo da Vinci’s Madonna of the rocks reconsidered in light of his working procedures«, in: GazBArts, 133, 1999, s. 181–198. – Mantegna lieferte einen zeichnerischen entwurf für das Mantuaner Vergil­denkmal; s. ronald lightbown, Mantegna, Oxford, Berkeley und los Angeles, 1986, Abb. 167, Kat.­nr. 85 und warnke, 1985, s. 244. die von desiderio da settignano behauenen Marmorreliefs dienten als Vorlage für stucci, die oft später von Malern wie neri di Bicci verwertet wurden; s. den eintrag von neri di Bicci, Ricordanze, s. 59. 656 cennini, Libro dell’arte, cap. 1; Alberti, De pictura, i, 1; Ghiberti, I commentarii, i, 2.1., s. 46: »con­ viene che ∙llo scultore, etiamdio el pictore, sia amaestrato in tutte queste arti liberali: Gramatica, Geometria, phylosophia, Medicina, Astrologia prospectiva, istori[osri]co, notomia, teorica disegno, Arismetrica«; piero della Francesca, De prospectiva pingendi, iii, s. 128; vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 1, passim. 657 Zum furor divino landino, Comento, ›proemio‹, cap. 11, Bd. i, s. 259–260. 658 der Abdruck der sonette in Gert Kreytenberg, Orcagna (Andrea di Cione). Ein universeller Künstler der Gotik in Florenz, Mainz, 2000, s. 223–228; auf s. 224 das sonett Che cosa sia amore. in seiner selbstbewussten Abgrenzung von den Vorstellungen der dichter über die liebe – sie seien im Unrecht – ist das sonett eine Vorwegnahme von Fieras De iustitia pingenda. dazu den Kommentar von Zacca­ rello zu Orcagna in Burchiello, Sonetti, s. 162–164, s. 167. Zu Orcagnas Universalität auch lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, Bd. i, s. 148: »[…] Andrea di cione Orcagna, fiorentino, nel quale tanto oper­ aro le forze celesti, che ei divenne, non solamente grande scultore, ma architetto, pittore e poeta, e copioso di istorie, et investigatore acutissimo dille cose.« 659 siehe Sonetti di Filippo Brunelleschi, 1977; beide sonette von ca. 1420 zitiert in lando Bartoli, Il disegno della cupola del Brunelleschi (studi 136), Florenz, 1994, s. 76; luciano Bellosi, »Filippo Brunelles­ chi e la scultura«, in: Prospettiva, 91–92, 1998, s. 48–69.

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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Gedichte, nicht frei von sarkasmus, über seine finanzielle Misere als Maler und inge­ nieur in Mailand. seine taschen blieben ungeachtet der Verdienste leer: »›Oh ingignero e pictore, / può esser questo?‹.›sí, al corpo di dio, / e non è un soldo al mondo che sia mio‹«.660 An Vertretern der oft beschworenen Gleichung penna – pennello fehlte es nicht.661 die Bezüge zur Musik, traditionell eine der artes liberales, gestalteten sich mehr topisch. erfüllt vom nobilitierungsstreben hat leonardo im paragone das ideal des Maler­Musi­ kers, oder besser: der starken Affinität der Maler zur ars musica, mit einem Klischee zu strahlendem leben erweckt. es war das des Malers, der in eleganter Kleidung, mit gro­ ßer Annehmlichkeit bei Musikklängen vor seiner staffelei sitzt.662 die wurzel dieses Bildes liegen, entgegen der Vermutung Faragos, nicht in lukians Traum, sondern viel­ mehr im Gelehrtenmahl des Athenaios begründet. Von dem eitlen, sich gegenüber dem luxus keineswegs verschließenden parrhasios ist die rede, der entspannt singend die Malerei betrieb.663 dieses Motiv, das vorzugsweise Malerbiografien des cinquecento bei

660 Gaspare Visconti huldigte Bramantes sonetten 1495 in seiner dichtung De Paulo e Daria amanti; s. das Vorwort von Vecce zu Bramante, Sonetti, s. 7–34 mit weiterführender literatur; das zitierte sonett auf s. 52; und patetta, 2001, s. 77–81. sabba da castiglione, Ricordi, overo ammaestramenti, fol. 61v honorierte den Architekten Bramante wie den »cosmografo, poeta volgare, et pittore valente, come discepolo del Mantegna et gran prospettivo come creato di piero del Borgo«; und domenico Maccaneo schildert Bramante 1490 in seiner Chorografia nicht nur als »geometra et architectus poeta­ que vernaculi«, sondern auch als Kenner von edelsteinen, als Geologen; und in seiner Vitruv­Ausgabe spricht Gian Battista caporali, Architettura, perugia: iano Bigazzini, 1536, fol. 102r von Bramantes späterer hinwendung zur Architektur: »da prima fu pittore e non mediocre et di facundia grande ne’versi […] di poi pervenne all’architectura«; vgl. auch Vasari, Le vite, Bd. iV, s. 164: »dilettavasi della poesia, e volontieri udiva e diceva improvviso in su la lira […].« 661 Boccaccio, Decamerone, tag 6, nr. 5, Bd. iV, s. 550; Filarete, Trattato, XXiii, Bd. ii, s. 662. die Gleichung wurde von Giovanni santi und seinem sohn raffael beim wort genommen; santi bewies dies durch seinen Fürstenspiegel in terza rima, raffael, mehr als nur ein passiver Beiwohner literari­ scher Zirkel roms, durch sein Verfassen von Versen; sechs sonette sind überliefert; santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 220ff., Bd. i, s. 668f.; Alessandro Zazzaretta, »i sonnetti di raffaello«, in: L’Arte, 32, 1929, s. 77–88 und regina stefaniak, »raphael’s Madonna di Foligno: Vergine Bella«, in: Konsthistorisk Tidskrift, 69, 2000, 3, 4, s. 170–195, s. 177ff. mit weiterführender literatur. – wie es aus­ sieht, stammt ein Gedicht auf den »Zeusi del nostro secolo« raffael vom Maler und Goldschmied Francesco Francia; s. luciano patetta, »la celebrazione degli artisti e degli architetti negli scritti poe­ tici e letterari del rinascimento«, in: Lettere e arti nel Rinascimento, hrsg. v. luisa secchi tarugi, Flo­ renz, 2000, s. 603–624, s. 621. laut Vasari soll sodoma stanzen und lieder auf seinen namen geschaffen haben (Vasari, Le vite, Bd. Vi, s. 389). 662 leonardo, Libro di pittura, i, 36, s. 158–159: »[…] imperò che ’l pittore con grand’agio siede dinanzi alla sua opera ben vestito […] et ornato di vestimenti come a lui piace, e l’abitazione sua piena di vaghe pitture, e pulita, et accompagnata spesse volte di musiche […].« 663 Athenaios, Das Gelehrtenmahl, Xii, 62f., Bd. i, s. 146–147 (Üs: claus Friedrich): »Aus Freude am luxus trug er [parrhasios] einen purpurmantel und hatte ein weißes schmuckband um den Kopf. Ferner stützte er sich auf einen herrscherstab, der mit großen spiralen beschlagen war, und band mit

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

prominenten zeitgenössischen Koryphäen weiterspinnen, geriet unter dem eindruck von castigliones Cortegiano schließlich verstärkt zum synonym für die Kultiviertheit, die hoffähigkeit und Urbanität des Malers.664 neben anderen Faktoren hat auch die Antike dem ideal der doppelbegabung den Boden bereitet. plinius der Ältere, der bekanntlich mit der stattlichen, im Quattrocento zur nobilitierung der Künste instrumentalisierbaren reihe von philosophen und dich­ tern, die als dilettanten wirkten, aufwartete,665 kannte protogenes zugleich als schöpfer goldenen riemen die Bänder seiner schuhe fest. Aber nicht einmal das, was seine Kunst betraf, übte er ohne Genuß aus, im Gegenteil, er machte es sich bequem, so daß er sogar sang, während er malte, wie theophrastos in seinem werk ›Über Glück‹ anmerkt«; anders Farago, 1992, s. 393; zur Musik im paragone löhr, 2004; schlosser, [1924] 1985, s. 156. 664 leonardo als sänger und lautenspieler in Giovio, Leonardi Vincii vita, s. 234: »[…] ad lyramque scite caneret […].« Verrocchio als Musiker in Vasari, Le vite, Bd. iV, s. 145–174, s. 362: »[…] fu ne’ tempi suoi orefice, prospettivo, scultore, intagliatore, pittore e musico«; vgl. zu Fra Bartolommeo ebenda, Bd. iV, s. 193: »ritornando egli in Fiorenza, diede opera alle cose di musica, e di quelle molto dilet­ tandosi, alcune volte per passar tempo usava cantare«; über musikalische neigungen von sebastiano del piombo ebenda, Bd. V, s. 565f. Bildhauer­Musiker sind die Ausnahme; unklar ist der wahrheits­ wert von cellinis Aussagen über seine Anfänge als Flötist cellini, Vita, i, cap. 5, s. 67f.; zur Musikali­ tät als Qualität des hofmannes in castiglione, Cortegiano, i, cap. 47; auf gesungene poesie verweist emison, 2004, s. 216, über musizierende Maler s. 219; über die notwendigkeit der Beschäftigung mit der Musik in Valturio, De re militari, ii, s. 26ff. 665 Zu den philosophen mit künstlerischen Aspirationen zählen sokrates, pythagoras, platon. sokrates als Maler in Alberti, Della pittura, ii, s. 106; vgl. plinius, NH, XXXVi, 32; sokrates als Bildhauer in pausanias, Beschreibung Griechenlands, i, 22, 8; sokrates’ Vater als Bildhauer auch in petrarca, De remediis, ii, cap. 5 (»della vile schiatta«), s. 49: »de’ quali socrate ebbe il padre che governava mar­ mo, […].« nach diogenes laertius, Leben, cap. ›pythagoras‹, Viii, 2 war pythagoras der sohn eines Graveurs und der schöpfer dreier silberner trinkgefäße, laut plinius, NH, XXXiV, 60 zuerst Maler; Ghiberti, I commentarii, i, 6.28., s. 61 betonte den erfolg der Gemälde: »Ancora fu un altro pittagora, da samo, e nel suo principio fu pictore, le quali opere furono molto lodate«; porcellio, De arte fuxoria, s. 132 spricht von »pictagora«; eine denkbare Allusion an pythagoras als Künstler bietet navageros Gedicht De Pythagore simulacro (s. navagero, Carmina, nr. 24, s. 176). platons interesse an der Male­ rei und platon als Verfasser von Gedichten in diogenes laertius, Leben, cap. ›platon‹, 5; der Begrün­ der des skeptizismus, pyrrhon von elis, war zunächst Maler; er soll im Gymnasium von elis Bilder mit Fackelträgern gemalt haben (vgl. diogenes laertius, Leben, ›pyrrhon‹, iX, 61–62). – Zu den künstlerisch tätigen dichtern zählt der neffe des ennius, pacuvius; er habe die Malerei durch seinen Bühnenerfolg noch angesehener gemacht (plinius, NH, XXXV, 19). Über die Betätigung des versier­ ten erzählers demetrios Graphicos als Maler s. diogenes laertius, Leben, cap. ›demetrios‹, 83. der Maler­wettstreit zwischen panainos und timagoras aus chalkis motiviert den Gewinner zu einem Gedicht auf die niederlage seines rivalen (plinius, NH, XXXV, 58). – Über nero als dilettant taci­ tus, Annalen, XXXiii, 3, s. 564f.: »caelare pingere, cantus aut regimen equorum exercere; […]« und sueton, Nero, 52 und 25, 2 über den wunsch neros nach statuen und Münzbildern seiner selbst in der pose des sängers. – Über dilettanten im 15. Jahrhundert Middeldorf, 1978 und Ames­lewis, 2000, s. 17f. typisch ist Ghibertis Votum über den malenden philosophen Metrodor als »große Auto­ rität […] in der einen und der anderen wissenschaft«; Ghiberti, I commenarii, i, 8.24., s. 78: »[…]

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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von Bronzestatuen. Ugolino Verino erinnerte sich dessen in der Carlias: »prothogenis­ que labor tabulae spirantiaque aera«.666 Ghiberti wollte von tonwerken des Zeuxis gehört haben.667 Aber der weithin bedeutendste antike prototyp für das gepriesene Universali­ tätsideal war euphranor. Aus der sicht von Quintilian und plinius legitimierte die per­ sonalunion von Maler, Marmorbildner, Koloss­, reliefkünstler und Kunsttheoretiker den sonderstatus dieses Virtuosen, »der sich in mehreren Kunstarten hervortat« und, wie Quintilian bekräftigt, »in allen anderen edlen Betätigungen des Geistes zu den Vor­ züglichsten gehörte, gleichzeitig aber auch als Maler und Bildhauer ein erstaunlicher Künstler war«.668 Und, Zufall oder nicht, im Quattrocento bleibt bei phidias und poly­ klet ihr ingenium in der Malkunst selten vergessen. Kaum eine notiz über antike dop­ pelbegabungen erntete in der frühneuzeitlichen Kunsttheorie so viel resonanz wie die nachricht, dass sich phidias anfänglich in eben dieser Gattung versucht habe. seit Albertis tribut an den »egregius pictor« phidias und seit Ghibertis huldigung an den jungen phidias als Maler nahm eine welle der Begeisterung ihren lauf, die sich in Fila­ retes Trattato zur Unübertrefflichkeit des phidias als Maler und als Bildhauer steigerte

Metrodoro, pictore e phylosopho (nell’una e nell’altra scientia fu di grande auctorità«). lamo, Discorso intorno alla scoltura e pittura [cremona, 1584], s. 10: »si mi potrebbe per questo argomenta e, che nobile non fosse la pittura? Altrettanto non si può dire, che la scoltura nobile non sia, perchè cadmo, Mentore, teodoro, diopene, dipelo, e scibi persone private, formando statue di diverse materie, ne siano stati inventori.« 666 plinius, NH, XXXV, 106 und XXXiV, 91 und XXXiX, 9; Verino, Carlias, XV, v. 114, s. 406. 667 Ghiberti, I commentarii, i, 8.5., s. 70: »Fece Zeusis opere di terra«; vgl. plinius, NH, XXXV, 66; die Bemerkung wird noch von pontormo im ›paragone­Brief‹ an Varchi erwähnt (Scritti d’arte, 1971– 1977, s. 505). der ton zur Klangprobe bei diogenes laertius, Leben, cap. ›Aristipp‹, 78; Aristipp soll den Menschen vorgeworfen haben, dass sie beim einkauf die tongefäße auf ihren Klang prüften, bei der prüfung der menschlichen charaktere aber sehr nachlässig seien. 668 Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 12, Bd. ii, s. 756 (Üs: helmut rahn): »[…] euphranorem circa pluris artium species praestantem, […]«; und ebenda, Xii, 10, 12, Bd. ii, s. 758: »euphranorem admirandum facit, quod et ceteris optimis studiis inter praecipuos et pingendi fingendique idem mirus artifex fuit.« Vgl. plinius, NH, XXXV, 128, s. 94: »fecit et colossos et marmorea et typos scalp­ sit, docilis ac laboriosus ante omnes et in quocumque genere excellens ac sibi aequalis«. Vgl. Ghiberti, I commentarii, i, 8.25., s. 78 und Francesco patrizi, De regno et regis institutione, ii, cap. »Formas quas­ dam primarias«, s. 63: »euphranor quoque maximam laudem affectus est […].« der Maler eudoros als Verfertiger von erzbildwerken in plinius, NH, XXXV, 141. Vgl. auch das Gedicht von Ferabos (BAV, Ms. Urb. lat. 1193, fols. 114r): das porträt negiert, ein Gemälde von parrhasios oder ein Mar­ morwerk von euphranor zu sein: »parrhasius tabula, euphranor non marmore sculpsit«. – Mit dam­ philos und Gorgasos gebührt den gleichzeitig auch als Maler (»iidem pictores«) wirkenden plastikern das höchstmaß an lob. diese »plastae laudatissimi« versahen, wie plinius kündet, »mit beiden Arten ihrer Kunst« den Ceres­tempel am circus Maximus in rom mit schmuck; s. plinius, NH, XXXV, 154, s. 110: »plastae laudatissimi fuere damophilus et Gorgasus, iidem pictores, qui cereris aedem romae ad circum Maximum utroque genere artis suae excoluerant […].« Zur Betätigung des Bild­ hauers Kallimachos als Maler plinius, NH, XXXiV, 92.

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

(»[…] phidia dipinse e scolpì ottimamente«). inspiriert durch porcellios De arte fuxoria wurde phidias durch Filarete die künstlerische Vorreiterrolle in beiden Gattungen kon­ zediert, wie auch der ruf als der erste, der in Athen malte und der erste, der ebendort die Bearbeitung wie den Guss von Bronze pflegte. Gegen 1480 wiederholt der sienesi­ sche humanist Francesco patrizi den topos von phidias als Urheber der schildbemalung der Athena Parthenos.669 nachdem bereits im dugento das durch cicero und Vitruv kol­ portierte Gerücht über polyklet als Maler in einer hymne des Guittone d’Arezzo ihr echo gefunden hatte, erhielt dieser in Albertis Intercoenales – mit nachwirkungen auf luca pacioli und Francesco patrizi – sein passendes Utensil: den pinsel; Alberti zufolge zählte polyklet zu den »viros doctos et peritos«.670 erst gegen Mitte des cinquecento wurden Zweifel an der richtigkeit dieser Quellenaussagen über die Malertätigkeit der beiden Bildhauer laut.671 eines der seltenen, aber druckgrafisch recht verbreiteten Bildzeugnisse zur leibhafti­ gen Verkörperung des doppelbegabung­ideals – es nimmt sich fast wie ein anschauli­ cher paragone aus – begegnet 1473 in der editio princeps von Boccaccios Biografienbuch De claris mulieribus. die holzschnittillustration zum leben der antiken Malerin Marcia leistet der Aussage Boccaccios über ihre künstlerische Vielseitigkeit getreu Folge, indem 669 patrizi, De regno et regis institutione, 54; vgl. Alberti, De pictura, iii, s. 296; dazu Aurenhammer, 2001, s. 355–410; Ghiberti, I commentarii, i, 8.1., s. 67: »nel principio fu pittore Fidia, esso Athene dipinse Giove Olimpio«; porcellio, De arte fuxoria, s. 133: »phidiA fu el primo pictore« und s. 138: »phidiA secondo sedice fu el primo pintore neli giuochi di iove olimpiaco loquale primo ridipinse scuto apresso lui fu suo fratello chiamato pernome panneus«; Filarete, Trattato, XiX, Bd. ii, s. 567 und vgl. s. 581: »phidia principale era posto dinanzi alli scultori, così ancora dinanzi alli dipintori, […]«; ebenda, ii, s. 576: »Vogliono dire ancora che questo Fidia fusse in Atene il primo che dipin­ gesse. dicano che ancora fu il primo che in Atene scolpisse e fondasse di bronzo«; Francesco patrizi, De regni et regis institutione, ii, cap. »historiographos et annalium libros reges futuri lectitent, maio­ rum statuas et imagines parum curent«, s. 72: »Ambitiose admodum mihi egisse videtur pericles, qui si Athenis in scuto Minervae cum Amazone pugnans a phidia pingi voluit […].« lomazzo, Libro dei sogni, Bd. i, s. 4 honorierte phidias als »pittore e parimente scultore« (vgl. cap. 5, Bd. i, s. 85); Maffei, Commentariorum, XViii, s. 430, z. 11: »phidias ab initio pictor domi statuarius […].« Als »pictor atheniensis« rangiert phidias bereits vor 1431 in Barzizza, Orthographia, s. v. »phidias (fol. 63r). 670 cicero, Tusculanae disputationes, i, 2, 4; Vitruv, De architectura, iii, 63f., s. 134: »non minus item pictores uti […] polycles […]«; der gegen 1235 geborene Guittone d’Arezzo, Rime, s. 3, nr. 1: »co’l bon pintore / policreto fo de la sua pintura«; zu dieser Quelle und zum topos von polyklet als Maler: s. Zöllner, 1990, s. 452f.; Alberti, Intercoenales, ›Virtus‹, nach Alberti, Opera inedita, s. 134: »[…] neque enim polycletus peniculo […]«; und als Maler von Göttern rangiert polyklet bei Francesco patrizi, De rei publicae institutione, i, paris, 1575, fol. 38v (zitiert in pfisterer, 1999, s. 94, dok. 10); petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 99 (»degli edifici da combattere e delle bal­ estre«), Bd. i, s. 361: »e vuoi piuttosto parere in questa etate uno altro policreto?«; und zum passus aus einer rede von pacioli s. pfisterer, 1999, s. 88, Anm. 86. 671 Zum Beispiel 1540 bei celio calcagnini und holanda, Da pintura antiga, ii (Scritti d’arte, 1971– 1977, s. 545); vgl. pfisterer, 2002, s. 199.

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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30 Marcia als Malerin und als Bildhauerin, 1473, aus: [Giovanni Boccaccio] Libri Johanis Boccacij de Certaldo, de mulieribus claris, ad andreã de acciarolis de florencia alteuille comitissam Rubrice incipiunt Feliciter, Ulm: Johannes Zainer, 1473, fol. 70v (detail)

Marcia simultan als Malerin und als Bildhauerin figuriert (Abb. 30). Abgesehen von sogenannten ›Merkurbildern‹ handelt es sich um eine der wenigen direkten innerbild­ lichen Maler­Bildhauer­Konfrontationen des 15. Jahrhunderts.672 den von Boccaccio gelegten Faden von Marcias doppelbegabung griff 1484 Giovanni sabbadini de li Arienti wieder auf, nicht ohne ihre perfekte handhabung der Bildhauerei dergestalt zu unterstreichen, dass die größtmögliche Bandbreite der von ihr verwendeten Materialien (elfenbein, Bronze und Marmor) ihre Universalität selbst im detail fundiert.673 672 einführend dieter Blume, Regenten des Himmels. Astrologische Bilder in Mittelalter und Renaissance (studien aus dem warburg­haus 1), Berlin, 2000; eine simultane Verbildlichung eines tätigen Malers und Bildhauers in Merkurbildern im App. iV/B, nr. 10, nr. 13. 673 Arientis Äußerung fällt in der Vita der veronesischen humanistin isotta da nogarola. er vergleicht deren ewige Jungfernschaft mit der von Marcia und ihre Gelehrsamkeit mit Marcias eifer in der Malerei; s. Arienti, Gynevera, cap. 19, s. 174–175: »[…] se dette tutta al studio de la pictura et sculptura,

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

es war fraglos die posthume Bewertung Giottos, die in italien im großen stil den Auftakt der lobeshymnen auf universale Künstler bildete. infolge von sacchettis Ver­ herrlichung nicht nur des Malers, »ma […] ancora maestro delle sette arti liberali« Giot­ to, dem »maestro d’ogni cosa«, überließ sich Ghiberti seinem schrankenlosen enthusia­ mus über Giottos Universalität, ein als steigerung der künstlerischen Möglichkeiten begriffener Vorstoß, für den er das wort »kühn« (»perito«) bereithielt: »Giotto verdiente das größte lob. er war höchst würdig in jeder Kunst, auch in der Bildhauerkunst«,674 heißt es mit deutlichen Anklängen an das bewährte profil euphranors. Vergleichbare hymnen ernteten Maso di Banco und Orcagna,675 bis eine neue zeitgenössische Genera­ tion von Begabten mit ihrem weiten radius des Könnens ins Zentrum rückte: pisanello, Vecchietta, Francesco di Giorgio, Andrea Mantegna, Andrea Verrocchio und die Gebrü­ der pollaiuolo. exemplarisch seien kunstliterarische würdigungen der beiden letzt­ genannten Virtuosen herausgegriffen: Verrocchio Als »dipintore e ’ntagliatore« in der Compagnia di San Luca seit 1472 geführt, später in der Arte di Pietra e Legname,676 erzeugte die doppelbegabung des Florentiners Andrea del Verrocchio (1435–1488) bald eine Magie, die über sachliche würdigungen wie im Zibaldone Giovanni rucellais (»Andrea del Verochio, schultore e pittore«) hinausging. so hob Giovanni santi mit pathos an: »che a la pictura e a la sculptura è un ponte, / sopra

et pinse et sculpse s’egregiamente in eburnio, in brongio et in marmo, et maximamente la sua figura, che superò sopole et dionisio, de la sua aettate famosissimi picturi. Ma isotta […], se dette al studio de le scientie, et in quelle divenne non meno excellente, che Martia nel studio de la pictura.« die Bandbreite der Materialien fehlt in der Vorgabe von Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 66, Bd. X, s. 264–267, s. 266: »[…] et tandem tam artificiose tanque polite pinniculo pinxisse atque ex ebore sculpsisse ymagines, ut sopolim et dyonisium, sue etatis pictores famosissimos superavit; […]«; der holzschnitt in Libri Johanis Boccacij de Certaldo, de mulieribus claris, ad andreã de acciarolis de florencia alteuille comitissam Rubrice incipiunt Feliciter, Ulm: Johannes Zainer, 1473, fol. 7v. Vgl. den proto­ typ, das profil der mit dem pinsel und mit dem Brenngriffel auf elfenbein tätigen iaia, in plinius, NH, XXXV, 147. 674 sacchetti, Il Trecentonovelle, nr. 75, s. 221 (und s. 220): »[…] non che Giotto fusse gran maestro di dipignere, ma essere ancora maestro delle sette arti liberali.« Ghiberti, I commentarii, ii, 2.1., s. 84: »Giotto meritò grandissima loda. Fu dignissimo in tutta l’arte, ancora nella arte statuaria«; ebenda, ii, 4.1., s. 90: »Giotto si dice sculpì le prime due storie. Fu perito nell’una arte e nell’altra.« Frühe Zeug­ nisse beschränken sich meist auf die Kennzeichnung von Giotto als Maler. nie steht das lob seiner Universalität im Vordergrund; s. Falaschi, 1972, s. 1ff. 675 Über Maso heißt es: »Fu docto nell’uno e nell’altro genere«; Orcagna sei »perito singularissimamente nell’uno genere e nell’ altro«; Ghiberti, I commentarii, ii, 2.1., s. 86 und ii, 3.1., s. 87. 676 die Mitgliedschaft in der Compagnia in AsF, Accademia del disegno, 2 (libro rosso A, 1472–1520); vgl. dario A. covi, Andrea del Verrocchio. Life and Work, Florenz, 2005, s. 277, Appendix ii, nr. 16 und zu der in der steinmetzzunft spätestens seit 1479/1480 ebenda, nr. 17.

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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del qual se passa cum destreza, / l’alto Andrea del Verochio […].« 677 die epigrammati­ sche charakterisierung Verrocchios, die ihm der Florentiner Ugolino Verino zuteil wer­ den ließ, billigt der Konjunktion ›und‹ besonderes Gewicht in der superatio zu: »Unser Verrocchio ist nicht geringer als phidias. er überragt ihn in diesem einen punkt: er malt und* er schmilzt erz«.678 Unverkennbar war die doppelbegabung zu diesem Zeitpunkt zu einem Kriterium für künstlerische superiorität erwachsen. ein weiteres Mal, in De illustratione urbis Florentiae, richtete Verino sein Augenmerk auf den, wie er meinte, tos­ kanischen Gegenpart von lysipp, namentlich Verrocchio: durch ihn zehrten die Maler aus einer »Quelle […] aus der sie alles Mögliche schöpfen« könnten.679 der weg von »fonte« zu »ponte« spricht für die Abhängigkeit der Zeilen santis von Verinos diktion. so willkürlich der Vergleich zwischen Verrocchio und dem vollendeten Bronzebildhauer lysipp auch anmuten mag, er wurzelt vermutlich in Gerüchten, die im 15. Jahrhundert über seine doppelbegabung kursierten. Francesco patrizi kennt gegen 1450 den »Maler lysipp« (»lysippum pictorem«); und in seinem nachschlagewerk, De dictis factisque memorabilibus collectanea, bringt Battista Fregoso unter dem rubrum ›lysipp‹ durch die lapidare wendung »lisippus pictor atque sculptor insignis« die künstlerische Zweiglei­ sigkeit, mit der dieser verfuhr, auf den punkt.680

677 rucellai, Zibaldone, s. 24; vgl. santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 393–395, Bd. ii, s. 676. in der For­ schung herrscht keine einigkeit über den Bezug dieses passus auf Verrocchio oder Ghiberti: Bergdolt bezieht die worte im eingangszitat zu seinem Buch (Ghiberti, I commentarii, III) auf Ghiberti. Über Verrocchios Bildung Butterfield, 1997, s. 6. 678 Verino, Epigrammatum libri, nr. 23 (»de pictoribus et sculptoribus florentinis qui priscis graecis equi­ perari possunt«), vv. 17–18, s. 327: »nec minor est phydia noster Verrocchius: uno / hoc superat quoniam pingit et aera liquat«. Verrocchio, im Alter der rivale donatellos und berühmt durch die Bronzegruppe Der ungläubige Thomas, erntet auch lob für seine Ziselierarbeiten und seine Malerei in Gaurico, De sculptura, cap. 7, s. 261: »Andraeas Alverochius donatelli sed iam senis aemulus, discipu­ lo christi latus pertentante nobilitatus, celatura quoque eius et pictura magnopere commendatur.« nur als Bildhauer aufgeführt in Albertini, De mirabilibus Romae, s. 64; und sabba da castiglione, Ricordi, fol. 51v. 679 Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, vv. 463–466, s. 352: »nec tibi, lysippe, est tuscus Verrochius impar, A quo quidquid habent pictores, fonte biberunt: discipulos paene edocuit Verrochius omnes; 465 Quorum nunc volitat tyrrhena per oppida nomen.« 680 patrizi, De regno et regis institutione, ii, fol. 62 (zitiert nach pfisterer, 2002, s. 588, nr. 78); Fregoso, De dictis, Viii, cap. 13, fol. ll3r, s. v. »de lisippo«.

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

Pollaiuolo Ganz ähnlich verhielt es sich bei Antonio del pollaiuolo (1431–1498), der dokumentier­ bar der florentinischen Malerzunft angehörte. er bekundete in seinen Künstlerinschrif­ ten den stolz auf seine doppelbegabung. er wusste sich, so die Beteuerung auf seinen beiden papst­Grabmälern in rom, »berühmt in silber, Gold, Malerei und Bronze«.681 durch seine realisierung der Herkules und Antäus­Gruppe in zwei verschiedenen Medien, in einer Bronzestatuette und in einem Gemälde (Abb. 31 und Abb. 32), schien er auf die Abwägung seiner Virtuosität in unterschiedlichen Kunstgattungen zu drängen. Konn­ ten diese werke wirklich spannungsfrei zusammenwirken? willentlich oder nicht – es entfaltete sich für den Betrachter ein paragone zwischen themengleichen werken, geschaf­ fen von ein und derselben Künstlerhand.682 leider fehlen Quellen zu den konkreten rezeptionsbedingungen. erstaunlicherweise kehrt die typisch dichotome selbstanprei­ sung von pollaiuolo, dem »ausgezeichneten und berühmten florentinischen Maler und vortrefflichen Bildhauer« selbst in einer radierung wieder, einem Medium, das der Malerei so fern ist wie der skulptur.683 Abgesehen vom eher verengtem Blick des Floren­

681 Zu den dokumenten, die auf die Zunftzugehörigkeit schließen lassen, wright, 2005, s. 14. pollaiuo­ lo wies das 1493 vollendete Grabmal von papst sixtus iV. aus als »werk des Florentiners Antonio pol­ laiuolo, berühmt in silber, Gold, Malerei und Bronze […]« (» ∙ OpVs ∙ AntOni ∙ pOlAiOli /∙ FiOrentini ∙ ArG ∙ AVrO / ∙ pict ∙ Aere ∙ clAri ∙ /[…]«); zitiert nach ebenda, s. 529, nr. 69, s. 358, Abb. 293; das detail mit der signatur Abb. 294, zum sixtus­Grab s. 359–387. Auf dem Grab­ mal von papst innocenz Viii. in st. peter ist zu lesen: »AntOniVs pOlAiOlVs A/Vr[O] ArG[entO] Aer[e] / pict[VrA] clArVs / QVi XYst[i] sep/Vlchr[VM] pere/Git cOeptVM / AB se OpVs / ABsOlVit« (Antonio pollaiuolo, berühmt in Gold, silber, Bronze und in der Malerei, der das Grab von sisto iV. ausführte, vollendete dieses werk, das er selbst begonn­ nen hatte); vgl. ebenda, s. 530, nr. 70. der prototyp für pollaiuolos Künstlerinschriften ist die des Giovanni pisano an der pisaner Kanzelbrüstung; in ihr rühmt sich pisano wegen seiner Befähigung zu skulpturen in einem breiten spektrum der Materialien, »in stein, holz und Gold« (»[…] scVl­ pens in petrA liGnO AVrO […]«); vgl. poeschke, 2000, s. 121. 682 Anders als das großformatige Fresko pollaiuolos im palazzo Medici (wright, 2005, s. 535f., nr. 92c) ist seine kleinformatige Version von Herkules gegen Antäus ebenso erhalten wie seine Bronzestatuette; ebenda, s. 519, nr. 42b, s. 527–528, nr. 65; poeschke, 1990, Abb. 259. – eine Ahnung von der tradi­ tion themengleicher werke vermittelt cicero, De divinatione, i, 79: der Bildhauer pasiteles ziselierte in silber die gleiche szene wie der dichter Archias in Versen, nämlich die episode um den gefeierten schauspieler roscius. dessen Vater befragte die Beschauer, als sein sohn als Knabe im schlaf von den windungen einer schlange umfasst wurde. Zu Konkurrenzen um themengleiche werke in verschie­ denen Gattungen s. Schema 3. 683 die radierung mit einem nackten aus drei Ansichten (paris, Musée du louvre) trägt den wortlaut: »Antonii Jacobi exellentissimi ac eximii florentini pictoris scultorisque prestantissimi hoc opus est. Unquam hominum imaginem fecit vide quam mirum in membra redegit« (dieses werk ist vom aus­ gezeichneten und berühmten Florentinischen Maler und vortrefflichen Bildhauer Antonio, dem sohn von Jacopo. wenn er Menschenbilder macht, siehe, wie wunderbar er die Glieder einbringt); wright, 2005, s. 507, nr. 7, s. 159, Abb. 119.

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

31 Antonio del pollaiuolo, Herkules und Antäus, ca. 1475, Florenz, Museo nazionale del Bargello

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32 Antonio del pollaiuolo, Herkules und Antäus, nach 1470, Florenz, Galleria degli Uffizi

tiner chronisten Benedetto dei auf den »Goldschmied und Juwelier« Antonio del pol­ laiuolo, deckte sich die selbsteinschätzung pollaiuolos durchaus mit dem Urteil seiner Zeitgenossen über seine Vielseitigkeit. der Florentiner luca landucci hielt das Brüder­ paar der pollaiuolo – folglich auch den jüngeren piero (1441–1496) – gegen 1470 für »Goldschmiede, Maler, Bildhauer«, Giovanni santi für »sì gran designatori«; und für den neuplatoniker Marsilio Ficino war Antonio mit lokalpatriotischem impetus schlicht »unser berühmter Maler und Bildhauer«.684 das spektrum des Künstlerlobes reicht bis 684 landucci, Diario Fiorentino, s. 7: »Antonio e piero suo fratello che si chiamava del pollaiuolo, orafi, scultori e pittori […]«; unter den »orefici e gioiellieri« in Benedetto dei, Ricordanze (Florenz, Bibliote­ ca riccardiana 1853, fols. 43ff.), zitiert nach wright, 2005, s. 426, Anm. 7. Antonio ist als »maestro di disegno« aufgeführt in rucellai, Zibaldone, s. 24; santi, La vita, XXii, cap. 91, v. 372, s. 674; Ficino,

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

zu Ugolino Verinos erfindung einer bemerkenswerten Metapher für die doppelbega­ bung der pollaiuolo­Brüder, nämlich »berühmte Zwillinge«, »einer ein Maler, der andere ein guter Bildhauer«, so, als verteilten sich die gattungsmäßig verschiedenen und letzt­ endlich doch verschwisterten talente auf zwei Menschen.685 was wir vor uns haben, ist vermutlich die projektion der Vorstellung von den eng verwandten figurativen Künsten auf zwei Künstlerpersönlichkeiten von engem Verwandtschaftsgrad, die sich gegenseitig sinnfällig ergänzen. Zudem stimmte der name ›pollaiuolo‹ den dichter wohl wegen der lautähnlichkeit zu ›pollux‹ auf die Zwillingsgestalten ein; 686 dieses regulativ stiftete noch das strukturmuster ihres doppelgrabes in san pietro in Vincoli (Abb. 33).687 wir

Opera omnia, Bd. i, s. 856, nr. 7 (ca. 1480): »Antonius noster pictor et sculptor insignis […].« piero del pollaiuolo gilt in einer inventarnotiz von 1482 als »Bildhauer und/oder Maler« (Archivio di stato di Bologna, rog. Bartolomeo und cesare panzacchi, fol. 29, nr. 160; vgl. wright, 2005, s. 431, Anm. 172): »petro q. iacobi del polagliolo cive Florentino scultore seu pictore«. Antonio nur als Bildhauer erwähnt in raffaele Maffei, Commentariorum, XXi, s. 493. – im cinquecento konstruiert Vasari eine Motivation im sinne des paragone für die doppelbegabung Antonio pollaiuolos. nach seiner Abwen­ dung von silberwerken infolge der erkenntnis ihrer Kurzlebigkeit habe pollaiuolo in wenigen wochen das Verfahren der Malerei erlernt (Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 290: »laonde, conoscendo egli che quell’arte non dava molta vita alle fatiche de’suoi artefici, si risolvè, per desiderio di più lunga memo­ ria, non attendere più ad essa:«); und lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, s. 153: »[…] Antonio, con suo fratello piero, polaiuolo, non tanti eccellenti nella scultura quanto nella pittura […].« 685 Verino, Epigrammaton liber, s. 326, nr. 23 (»de pictoribus et sculptoribus florentinis qui priscis grae­ cis equiperari possunt«), vv. 13–14: »sunt gemini insignes pullo cognomine frates, / quorum alter pictor, scultor uterque bonus« und derselbe, De illustratione urbis Florentiae, ii, vv. 458–459, s. 352: »nec pulli fratres ornandi laude minor. / clarior at fuso longe est Antonius aere.« (Und die Brüder pollaiuolo müssen nicht mit geringem lob geschmückt werden. / Antonio ist weitaus berühmter als das geschmolzene erz). 686 Vgl. auch die Aussagen über die ›Zwillingswerke‹ von phidias und praxiteles, die beiden rossebändi­ ger auf dem Quirinal (s. App. c). entscheidend für Verinos Metapher ist freilich das Vorbild der schwesterkünste Malerei und dichtung; s. lee, [1940] 1967. 687 die inschrift unterhalb der beiden Künstlerbüsten – luigi capponi meißtelte sie gegen 1500 – lautet: »AntOniUs pUllAriUs pAtriA FlOrentinUs, pictOr insiGn[is] QUi /dUOr[UM] pOn[iFicUM] XYsti et innOcenti AereA MOniMent[A] / MirO OpiFic[iO] eXpressit. re FAMil[iAre] cOMpOsitA eX / test[AMentO] hic se cUM petrO FrAtre cOndi VOlVit. ViX[it] / Ann[Os] lXXii OBit AnnO sAl[Utis] Miid.« (Antonio pollaiuolo, Florentiner von Geburt, der berühmte Maler, der mit wunderbarer Kunstfertig­ keit in Bronze die Grabmäler der päpste sixtus und innozenz schuf, bestimmte, dass, als seine priva­ ten Belange gemäß seinem testament geregelt worden sind, hier mit seinem Bruder begraben zu wer­ den. er lebte 72 Jahre und starb im Jahr von unserer erlösung, 1498); vgl. wright, 2005, s. 21. Unter Betonung des Gegensatzes zu Kenotaphien für Künstler Ames­lewis, 2000, s. 97, Abb. 43. die Mythisierung der pollaiuolo­Brüder zu Zwillingen war nie Gegenstand der Forschung; einen allge­ meinen einstieg zur Mythenbildung hinsichtlich der »fratellanza« bietet allenfalls Barolsky, 1996, s. 42ff. (in bezug auf nanni di Bancos Quattro Coronati).

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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33 luigi capponi, Doppelgrabmal von Antonio und Piero del Pollaiuolo, ca. 1500, rom, san pietro in Vincoli

werden sehen, dass dieses binäre Auslegungsprinzip der doppelbegabung zu lebzeiten der pollaiuolo längst ein habitus gewesen ist. die künstlerische Universalität unterlag im Quattrocento nach diesen Beobachtun­ gen stets einer positiven Beurteilung, war Ausdruck der Kühnheit, eines begnadeten ingeniums, der Autorität und Kompetenzsteigerung, bald auch des sachverstandes im Kunstrangstreit. Zur legitimierung seiner selbst zuerkannten schiedsrichterfunktion in der Parte prima insistierte leonardo darauf, neben der Malerei »non meno in scultura« versiert zu sein und setzte ein für allemal Maßstäbe für den idealen richter im parago­ ne.688 Alberti erfüllte in der Beurteilung landinos annähernd dieses Ziel, die Bandbreite

688 leonardo, Libro di pittura, i, 38, s. 161: »Adoperandomi io non meno in scultura che in pittura, […].« Auf diese weise exemplifiziert er ein Berufsbild, auf dem mit und nach ihm der schiedsrichter im

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

der Kunstgattungen in toto abzudecken: dazu verhalfen ihm reiche kunsttheoretische Vorstöße und sein rang als Verfertiger »von werken des pinsels, des Meißels, des stichels und des Gusses«.689 Abgesehen davon, dass Andrea Mantegna, der seit 1459 für die Gonzaga wirkte, wegen seines bronzenen selbstbildnisses (?), wie es sich darstellt, vielleicht als ›Maler­Bild­ hauer‹ gelten darf,690 exemplifiziert er eindrucksvoll den typus von Malvirtuosen, dem es innerhalb einer einzigen Kunstgattung gelang, die figurativen Künste in ein eigen­ tümliches spannungsverhältnis zueinander treten zu lassen. christiansen sah in Man­ tegnas Grisaillegemälden – zwölf werden ihm gesichert zugeschrieben – die etablierung eines individuell kreierten paragone zwischen den figurativen Künsten.691 sagen könnte man, dass Mantegna die Malerei in diesen spätwerken ›als Bildhauerkunst‹ betrieb, wie, mit dem Fluidum des Antikisch­historischen, in seinem Gemälde Samson und Dalila (Abb. 34). in ihm treten steinfarbige Figuren vor einen nachgeahmten Buntmarmor (africano). worin Mantegnas maltechnische Ambitionen und das visualisierte alttesta­ mentliche thema (Ri 16, 4–22) konvergierten, war die täuschung. dalilas Verrat an samson, dessen Ziel seine Bezwingung durch die philister war, kalkulierte mit seinem schlaf. deshalb meinte die Forschung – unter dem eindruck von Kristeller – im hinter­ grundsmotiv der weinreben einzig das Mittel zur herbeiführung dieses Zustandes zu

paragone idealiter beruht, leicht überprüfbar im cinquecento am profil von ›Leonardo‹ und ›Phidias‹ in lomazzos Libro dei sogni und an dem von Michelangelo in der Meinungsumfrage des Benedetto Varchi. dieser enquête war Michelangelo durch seine triadische Kompetenz mehr als nur gewachsen: als Bildhauer, als Maler und als dichter. – doni, Disegno, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 554: »Michelangelo, o un buon giudicio senza passione, che dell’una e dell’altra parimente s’intenda […].« Zur doppelbegabung als Kompetenzgrundlage im paragone des cinquecento hessler, 2002, s. 87 und dieselbe, 2003. 689 landino, Comento, ›proemio‹, cap. 5, Bd. i, s. 234–235: »scripse ›de pictura‹. scripse ›de sculptura‹, el qual libro è intitolato ›statua‹. né solamente scripse, ma di mano propria fece, et restano nelle mani nostre commendatissime opere di pennello, di scalpello, di bulino, et di gecto da llui facte.« 690 den Guss der Bronze als eigenhändiges werk Mantegnas behauptet 1560 Bernardo scardeone, De antiquitate, s. 372: »[…] sepultus est humi in phano divi Andreae, ubi aeneum capitis eius simula­ crum visitur, quod suis sibi conflaverat manibus […]« (er ist in der Kirche san Andrea beerdigt, wo das Bronzeporträt seines Kopfes gesehen werden kann, das er für sich mit seinen eigenen händen goß); Middeldorf, 1978, s. 314 sieht Mantegna als typischen Fall eines Maler­Bildhauers. die Zuschreibung der posthum in Mantegnas Grabkapelle in san Andrea in Mantua angebrachten Bron­ zebüste an Mantegna bleibt umstritten; zum Forschungsstand Antoinette roesler­Friedenthal, »ein porträt Andrea Mantegnas als ›alter Orpheus‹ im Kontext seiner selbstdarstellungen«, in: RömJb, 31, 1996, s. 149–186, s. 158ff. 691 siehe christiansen in Mantegna, 1992, s. 394–416, s. 394: »in effect, he established his own ›para­ gone‹ (or comparison), between the sister arts of painting and sculpture […].« Zu Mantegnas rivali­ tät mit Giovanni Bellini im studiolo von isabella d’este Goffen, 2002, s. 11–20.

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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34 Andrea Mantegna, Samson und Dalila, ca. 1500, london, national Gallery

erkennen; 692 die Bibel erwähnt die trunkenheit samsons nicht. Mantegnas Aufwarten mit einer Fülle an Trompe-l’œil­effekten kalkulierte jedoch zugleich mit einer Assoziati­ on, die über die trunkenheit hinausreichte: er beerbte mit den trauben namentlich die Zeuxis­tradition als inbegriff der täuschungskraft der Malkunst nicht ganz versehent­ lich. denn die durch wein verursachte sinnestrübung stiftete mit hoher wahrschein­ lichkeit originär das Gepräge der täuschungsanekdote selbst. in Mantegnas platzierung 692 ikonografische Anleihen Mantegnas an der trunkenheit noahs sind unbestreitbar. nach paul O. Kristeller, Andrea Mantegna, Berlin und leipzig, 1902, s. 387 sieht samson aus »wie ein trunkener«; und weinreben waren ein erprobtes Motiv in Mantegnas Bacchanalien (s. Mantegna, 1992, s. 279– 280). das Samson und Dalila­Gemälde besprochen in Mantegna, 1992, s. 387, s. 405; lightbown, 1986, Abb. 139, s. 449, Kat.­nr. 50; vgl. Blumenröder, 2008, s. 74ff. im Quattrocento bot Valla, De voluptate, iii, 23, 4 eine deutung des schicksals von samson.

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

der weinreben vor einem buntem steinhintergrund lebt die Überzeugung des Florenti­ ners Giannozzo Manetti nach, eine wand (»parietem«) habe als Bildträger der trauben des Zeuxis fungiert: »[Zeuxis] gab weintrauben und ihre reben mit so viel Geschick wieder, daß er Vögel, die dort flogen, durch den falschen schein täuschte und dazu trieb, mit ihren schnäbeln an die bemalte wand zu picken; denn sie glaubten, dort nahrung zu fin­ den.« 693 Mantegna führte den altbekannten topos ad absurdum. die täuschend echten trauben, schwerlich genießbar, entstammen nicht der natur; nein, sie sind aus stein wie auch der Buntmarmor des Bildhintergrundes. Mit einer dennoch an Zeuxis geschulten Maltech­ nik erweisen sich die trauben als monochromata.694 Bei all dem legte Mantegna die Fes­ seln des alten Malerwettstreites ab; mit dem pinsel strengte er den wettkampf mit den Bildhauern an. die mimetische perfektion seiner steinernen trauben ist es, die das defi­ zit der skulptur entlarvt. Ohne Farben – was sind die trauben noch? Vögel vermögen sie

693 Manetti, De dignitate hominis, ii, 39 (Üs: hartmut leppin) (s. App. ii/e mit weiteren Quellen zur Anekdote). ein weiteres Gemälde Mantegnas mit Marmorimitationen, die Hl. Euphemia (neapel, Museo e Gallerie nazionali di capodimonte), weist trauben in einer Fruchtgirlande auf (Mantegna, 1992, s. 141, nr. 13). die Allusion an die trauben des Zeuxis bestimmt m. e. gegen 1470 ein Gemäl­ de von cosmè tura, das sich ikonografisch vom typus der ›weinrebenmadonna‹ (Sir 24, 23) herleiten lässt, die Madonna mit schlafendem Kind (Venedig, Gallerie dell’Accademia). An den beiderseits der Madonna herabhängenden traubenrispen picken Vögel – ein Motiv, das wie bei Mantegna als Krö­ nung eines spieles mit illusionistischen Kunstgriffen zu werten ist (wie scheinbaren durchbrechun­ gen des Bildrahmens); s. die Abbildung in stephen J. campbell, Cosmè Tura of Ferrara, new haven und london, 1997, Abb. 10–11, Abb. 114; zur ikonografie des wettstreites zwischen Zeuxis und parrhasios seit dem petrarca­Meister Asemissen/schweikhart, 1994, s. 12–14. 694 Zu den monochromata plinius, NH, XXXV, 64 (Zeuxis als erfinder der licht­ und schattengebung in Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 5); vgl. Alberti, De pictura, ii, 46, s. 282: »Zeuxim nobilissi­ mum vetustissimumque pictorem dicunt quasi principem ipsam hanc luminum et umbrarum ratio­ nem tenuisse.« Filarete, Trattato, XXiii, Bd. ii, s. 662: »e ancora Zeusis Atheniense […] molto intese di questi lumi e ombre.« landino, Comento, ›proemio‹, cap. 6, Bd. i, s. 240: »dipoi con un solo colore cominciorono a dipignere, onde tal pittura fu chiamata monocromata, i. d’un solo colore, perché ›monos‹ significa ›solo‹, et ›croma‹ ›colore‹.« Mit anderem Zugang zu den steinimitationen Mantegnas Blumenröder, 2008, s. 13ff. und lightbown, 1986, s. 210–218; vgl. Jack M. Greenstein, Mantegna and Painting as Historical Narrative, chicago und london, 1992, s. 63, s. 89ff. zu den Anfängen der Grisaillemalerei in italien seit Giotto Michaela Krieger, Grisaille als Metapher. Zum Entstehen der Peinture en Camaieu im frühen 14. Jahrhundert (wiener Kunstgeschichtliche Forschungen herausge­ geben vom Kunsthistorischen institut der Universität wien 6), wien, 1995, s. 54ff.; Marion Grams­ thieme, Lebendige Steine. Studien zur niederländischen Grisaillemalerei des 15. Jahrhunderts, (diss. Köln, 1987) wien, 1988. – Mantegna wurde von den dichtern Matteo Bosso und Battista spagnoli mit Zeuxis verglichen; für Bosso ist Mantegna (Kristeller, 1902, s. nr. 9, s. 491) »Zeusin ipsum«; vgl. spagnoli ebenda, nr. 10, s. 492.

1. Doppelbegabungen: Ihre Bewertung durch die Kunstliteratur

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nicht herbeizulocken. so meint man, jenes Bekenntnis, das Fiera seinem ›Mantegna‹ in den Mund legte, herauszuhören: »pictor ego sum«.695 die »bronzi finti« in seinem Œuvre indizieren einmal mehr, dass Mantegna seine reputation im höfischem Milieu Mantuas mitunter auf seiner Fähigkeit gründete, als Maler in seinen werken ein Machtgefälle zu Ungunsten der Bildhauer errichten zu können.696 philostrat, dessen lektüre am hofe der isabella d’este in Mantua nachweislich sehr beliebt war, stiftete mit seiner ekphrase eines kunstvoll gemalten Rhea­standbildes impulse für eine solche ›stein­Malerei‹, die der Malkunst ungeahnte Ausdruckswerte zuspielte. denn philostrat glaubte: »daß die statue offenbar aus Marmor ist, denn hier hat die Malerei«, so vermerkte er, »einen har­ ten Ausdruck angenommen und ist geradezu glattgemeißelt.« epideiktisch pries er zudem eine Aphrodite, die nicht gemalt aussehen wolle, sondern plastisch wirke.697 Gerade die imposanten gattungsmäßigen Grenzüberschreitungen, die Andrea Mantegna zuhauf an den tag legte und die Zeitgenossen oft mit dem Begriff ingegno beredeten,698 führen uns exemplarisch Grundlegendes vor Augen: erst nach dem erringen einer wahren identität vermochte sich die reflexive Fähigkeit zu entfalten, sich selbst zu seinem eigenen Medium wie auch zu dem Medium anderer verhalten zu können. Auf dieser Basis konnte das Andere abgekanzelt, kritisiert oder gar verstoßen werden.

695 Fiera, De iusticia pingenda, s. 429. die Abhängigkeit vom Apelles­diktum »ne supra crepidam sutor« (plinius, NH, XXXV, 85) wurde bislang übersehen. 696 diese mit Malerei nachgeahmten Bronzestatuen für isabella d’este erinnern, wie längst erkannt, an den Goldüberzug von standbildern mit Bitumen (vgl. plinius, NH, XXXiV, 15). Zuletzt zu Man­ tegnas »bronzi finti« Ames­lewis, 2000, s. 153f. und Greenstein, 1992, s. 89–92. 697 philostratos, Imagines, ii, 12, 3, s. 209 (Üs: Otto schönberger) und ii, 1, 1; isabella d’este beauftragte demetrio Mosco mit einer Volgare­Fassung der Imagines; zur dieser Übersetzung Zorzi, 1997, s. 522ff. 698 in nuvolinis sonett auf Mantegna von ca. 1460 heißt es: »[…] / sì che tu, fonte d’ogni inzegno altiero, / in cui natura ben quell’arte puose / sopra gli ambi roman parasi e Apelle, […]« (zitiert nach signorini, 1980, s. 165–172, s. 171, nr. 1, vv. 9–11); santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 220–221, s. 669–670: »le mirabil picture e excelsa sorte / de l’alto ingegno e chiar de Andrea Mantegna,«; dazu Bek, 1969, s. 75ff.; Baxandall, [1972] 1984, s. 149f. und mit einem Überbietungsmotiv sannazaro, Arcadia, Xi, 35, s. 200: »artifice sovra tutti gli altri accorto e ingegnosissimo«; vgl. Ariosto, Orlando furioso, XXXiii, ott. 2. – Zur etymologie von ingegno – »in­gigno« impliziert das »in einem« Geborene – s. niccolò perotti, Cornucopiae, s. 332: »item ad gignendo ingenium, quod proprie significat naturam cuique ingenitam. […]«; vgl. emison, 2004, s. 6 und s. 321ff. timanthes als der einzige Künstler, dessen ingenium seine Kunst überragt, in plinius, NH, XXXV, 74. – die diktion bei doppel­ und Mehrfachbegabungen ist nahezu identisch, wie Boccaccios worte für Giotto eindringlich belegen; Boccaccio, Decamerone, tag 6, nr. 5, Bd. iV, s. 550: »[…] e l’altro, il cui nome fu Giotto, ebbe uno ingegno di tanta eccellenzia, che niuna cosa dà la natura, madre di tutte le cose […] che egli con lo stile e con la penna o col pennello non dipignesse sì simile a quella […].« Vgl. über Brunelleschi Huomini singhularii, s. 335: »Filippo di ser brunellescho architetto huomo di mirabile ingegnio […] fu iscultore maraviglioso […]. era maestro di getti d’intagli e daltre cose e in tutti maraviglioso«; vgl. rucellai, Zibaldone, s. 61: »[…] aveva grandissimo ingiegnio […].«

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

Kommen wir abschließend auf doppelbegabungen zurück: eine sequenz aus einer novella von enea sylvio piccolomini, der 1444 verfassten Historia de duobus amantibus, nimmt in elogen auf einen meisterlichen dilettanten bereits eine typische eigenheit der Beäugung doppelt Begabter vorweg. sie gebühren seinem sienesischen Jugendfreund Mariano sozzini (sozino), einem der gefragtesten rechtsgelehrten der Zeit. piccolomini gestand diesem nicht allein zu, wie Apelles malen und wie praxiteles meißeln zu können; lange vor Michelangelo wird diesem doppel­talent die Aura des Göttlichen in Form eines aufschlußreichen dualismus zuteil. es heißt: »wenn den Göttern eine anmutige seite und* Unsterblichkeit gewährt worden wäre«, dann »gäbe es keinen Zweifel darüber, dass er ein Gott wäre«. der schein trügt: Anmut und Unsterblichkeit bilden mehr als nur ein dichotomes Korrelat für die doppelbegabung. diese eigenschaften, jeweils ein synonym für eine Kunstgattung, stehen für die Verschiedenheit der figurativen Künste: Anmut, in den spuren des Apelles, für die Malerei – die Unsterblichkeit für die überdau­ ernde Bildhauerkunst.699 schließlich durchmisst ein sonett auf den ›camelio‹ (ca. 1460– 1537) genannten venezianischen Medailleur, Bildhauer aber auch dichter Vettor di Gam­ bello das angestammte Bedeutungsspektrum der doppelbegabung, wie es zeitlich vor dem Michelangelo­Kult nirgends anzutreffen ist. pietro Bembos Freund, der lange Zeit in Venedig ansässige notar cornelio castaldi (1453–1537), nahm diese Virtuosität in den Blick: »wer von camelio die skulptur und die Zierreime von camelio sehen wird, wird zugeben, dass es stille hochachtung erzeugt, wenn die natur zwei cameli haben würde. denn diese und jene so sehr erlesene tugend passt nicht in eine [einzige] Gestalt hinein: durchgehe, wer durchgehen will, von den Anfängen bis zu diesem unseren gemeinen und harten Zeitalter. einige von diesen, die durch glückliches los von ihm in lebendiges relief gesetzt wurden, fürchten weder den Zahn der Zeit noch den tod. Und wenn schon die Kunst eine oder zwei ähnliche [Künstler] hätte,

699 im Brief an Kaspar schlick vom 3. Juli 1444 piccolomini, Historia de duobus amantibus, s. 118: »dii formam huic homini et immortalitatem si dedissent, is etiam erat deus […]. que minutissima etiam didicit, quasi alter Apelles sic pingit. nihil emendatius est, nihil lucidius quam sua manu codices.« Als Beispiel eines dilettierenden Bildhauers berücksichtigt in Middeldorf, 1978, s. 310. in domenico di Giovanni da corellas Theotocon von 1469 erntete Giotto das epitheton »göttlich«; er wird als »göttli­ cher Maler« bezeichnet (vgl. emison, 2004, s. 88).

2. Chiastische Signaturen: Verweise auf das alter ego

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die gewiss die Musen auch als Führer haben, gebührt diesem das einzige und wahre lob.«700 Aufgerichtet auf dem Fundament des seit der Antike geläufigen Bildes des dichters als von Musen geleiteten schöpfers ist der Bann von etwas Unbegreiflichen, jenseits des Ge­ wohnten liegenden Vermögens, das, gleich einem wunder der natur, ein einziger Künstler in sich vereint. derjenige, der nicht begnadet ist, sucht es vergebens. Vergleichbar mit Verinos idealtypischer Verteilung von Antonio del pollaiuolos Mal­ und Bildhauerbega­ bung auf zwei ›Zwillingsbrüder‹, rief auch die doppelbegabung camelios die Vorstel­ lung von einem Gegenpart ab. camelios universales talent, so wird suggeriert, fände keinen platz in einem einzigen wesen. dieses Vorstellungsgut offenbart den sinnzusam­ menhang zwischen doppelbegabung, Universalität und divinisierung des Künstlers.701 wie wir sahen, beherrschte im Quattrocento die Vorliebe zur differenzierung zwischen verschiedenen künstlerischen Vermögen die interpretationen der Mehrfachbegabung. die entwicklung führt erst allmählich zur harmonisierung, zur schlichtung des para­

700 Zitiert im Anhang zu Michiel, Notizia, s. 249: »chi vedrà di camelo la scoltura 1 e di camelo l’ornate rime, converrà che fa se tacito stime che due cameli avesse la natura; perchè non cape in una creatura 5 Questa e quella virtù tanto sublime: scorra chi scorrer vuol sin dalle prime A questa nostra età sordida e dura. Alcun di que’che per felice sorte in vivo intaglio son posti da lui, 10 non tema oltraggio di tempo, o di morte. e se già simil arte ebbe uno, o dui, certo avere le muse anco per scorte Fu sola e propria lode di costui.« M. w. hat castaldis Gedicht seither keine Beachtung mehr gefunden; 1527, der Zeitpunkt von castal­ dis Umzug nach padua und von seiner schweren erkrankung, ist für die entstehung des Gedichtes der terminus ante quem. Zu den Bildhauerwerken von camelio s. Von allen Seiten schön. Bronzen der Renaissance und des Barock, Ausstellungskatalog (Berlin, Altes Museum, 31.10.1995–28.01.1996), hrsg. v. Volker Krahn, Berlin, skulpturensammlung, staatliche Museen zu Berlin, preußischer Kul­ turbesitz, Berlin, 1995, s. 222–225, s. 621 und The Currency of Fame, 1994, s. 106; eine auf 1508 datierte selbstbildnismedaille camelios trägt auf dem revers das Motto »FAVe FOr sAcriF« (lass das Glück das Opfer begünstigen). 701 conti, [1979] 1991, Bd. i, s. 138. Vasari erklärt die Gabe der dichtung bei Malern und Bildhauern mit ihrer reichen Ausstattung durch den himmel (Vasari, Le vite, ›proemio‹, Bd. i, s. 218: »[…] e come sempre fur quasi tutti i pittori e gli scultori eccellenti, dotati dal cielo il più delle volte non solo dell’ornamento della poesia […], ma della filosofia ancora […]«).

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

gone und – exemplarisch die werturteile über den divino Michelangelo – zum vielfach Begabten als einem mehr konsistenten ich. deshalb wird Vasari in der doppelbegabung eines pollaiuolo oder leonardo einen vom himmel geschickten hinweis auf die Ver­ schwisterung der beiden figurativen Künste spüren.702

2. chiastische signaturen: Verweise auf das alter ego (pisanello, il Vecchietta, il neroccio, il Francia) »Quam honesta de omni virtute contentio!« pontano, Antonius, 4.b, s. 150

eine sonderform der Künstlersignatur bei doppelbegabungen erweist sich als höchst interessantes, keineswegs seltenes phänomen im Quattrocento: in der Gemälde­signatur präsentiert sich ein Maler mit der jeweils anderen Facette seines Künstlertums, nament­ lich als »Bildhauer«; und vice versa tragen skulpturen oder Medaillen die Malersignatur. der terminus chiastische signatur trifft dieses phänomen am besten.703 Obgleich älte­ ren Ursprungs – der durch seine doppelimmatrikulation in zwei Zünften aus dem rah­ men fallende Orcagna hinterließ, wie Kreytenberg erkannt hat, eine signatur dieser Art in Orsanmichele –,704 tritt dieser Antagonismus erstmals geballt im Œuvre des Malers,

702 Vasari, Le vite, ›proemio di tutta l’opera‹, Bd. i, s. 103: »della qual cosa volendoci forse sgannare il cielo, e mostrarci la fratellanza e la unione di queste due nobilissime arti, ha in diversi tempi fattoci nascere molti scultori che hanno dipinto, e molti pittori che hanno fatto delle sculture; come si vedrà nella Vita di Antonio del pollaiolo, di lionardo da Vinci, e di molti altri di già passati.« 703 Goffen erwähnt Orcagna und Vecchietta als Beispiele für Bildhauer, die als Maler signierten; s. rona Goffen, 2001, s. 301–370, s. 304–305; vgl. hanke, 2009, s. 236; keine Beachtung findet dieser sig­ naturtypus bei tobias Burg, Die Signatur. Formen und Funktionen vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, (diss. dresden, 2003), Berlin, 2007. 704 Orcagnas Malersignatur auf dem Marmortabernakel von Orsanmichele (unter dem auf 1359 datier­ ten relief mit dem Marientod) lautet: »AndreAs ciOnis pictOr FlOrentin’ OrAtOrii ArchiMAGister eXtitit hVi’. McccliX«. nach Kreytenberg, 2000, s. 20 erklärt sich die­ se signierweise durch die doppelimmatrikulation in die Maler­ (Arte de’ Medici, Speziali e Merciai) und die steinmetzzunft (Arte dei Maestri di Pietre e Legnami) von Florenz; eingehender Antoinette roesler­Friedenthal, 2007, s. 115–142, s. 115f. Allerdings hat Orcagna auch ein Gemälde 1346 mit »[…] Me pinXit […]« signiert, die Verkündigungstafel aus s. remigio, Florenz; s. Kreytenberg, 2000, s. 183, A4. die relevanz viel späterer deutungen dieser signierwiese muss kritisch bewertet werden. so war nach einschätzung Vasaris ein synthetisierendes Ut pictura sculptura am werk (Vasa­ ri, Le vite, Bd. i, s. 607), indem es heißt: »il quale [Orcagna] usò nelle sue pitture dire: ›fece Andrea di cione scultore‹; e nelle sculture: ›fece Andrea di cione pittore‹; volendo che la pittura si sapesse nella scultura, e la scultura nella pittura«, für lomazzo das insistieren auf die andere Fähigkeit (lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, s. 148): »[…] l’Assunzione sua, sotto al quale scrisse il nome suo, chiamandosi

2. Chiastische Signaturen: Verweise auf das alter ego

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Zeichners und Medailleurs pisanello zutage. der venezianische Medailleur Giovanni Boldù wird diese Gepflogenheit von ihm übernehmen.705 pisanellos Medaillen­signaturen dieses Zuschnitts tauchen seit den dreißiger Jahren des Quattrocento auf, mitunter auf dem revers seiner Bronzemedaille des Filippo Maria Visconti. Unterhalb einer szene mit drei reitern vor einem landschaftsprospekt ist zu lesen: »OpVs pisAni pictOris«.706 Kein einzelfall – pisanello verzichtete selbst in zeichnerischen Medaillenentwürfen nicht auf den einbezug seiner Malersignatur,707 er fir­ mierte im Ausnahmefall auch gräzisierend,708 und eine anonyme, vielleicht auf pisanellos persönlichen entwurf zurückgehende Bronzemedaille kennzeichnet den im profil dar­ gestellten mit hut als »pisAnVs pictOr« (Abb. 35).709

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pittore, per dimostrare che di tal arte non era privo; […].« im cinquecento entwickelte sich eine nei­ gung, die doppelbegabungen des 15. Jahrhunderts als bewussten Berufswechsel umzudeuten, wie die von Vecchietta vom Goldschmied zum Bildhauer (Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 75f.): »prima stato orefice molto stimato, si diede finalmente alla scultura«), oder bei Gaurico die von Andrea riccio von der Goldschmiedekunst zugunsten seines Aufstiegs zum Bildhauer (vgl. Gaurico, De sculptura, cap. 7, s. 261): »Quin et Bellani uti volunt discipulus Andreas crispus familiaris meus, cuius inter plastas quoque mencionem fecimus, prodragrarum beneficio ex aurefice sculptor«). Auf dem revers seiner Selbstbildnismedaille von 1458 (london, Victoria and Albert Museum) – der Avers zeigt Boldù mit entblößtem Oberkörper antikisierend im profil – signierte Boldù mit »[…] pic­ tOris […]«. Und der Avers einer weiteren Selbstbildnismedaille (paris, Musée du louvre), datiert in das gleiche Jahr, besagt mit hebräischer schrift: »Giovanni Boldù aus Venedig, Maler«; die Abbildung beider Medaillen in Ames­lewis, 2000, s. 236, Abb. 130; vgl. The Currency of Fame, 1994, s. 102– 103 und patricia Fortini Brown, Venice and Antiquity. The Venetian Sense of the Past, new haven und london, 1996, s. 232. eine Malersignatur gegen Mitte des Quattrocento auch auf dem revers der Claudius­Medaille von Varrone d’Agniolo Belferdino, einem Gehilfen Filaretes in rom; s. zuletzt pfisterer, 2008a, s. 103, Abb. 54a. die Medaille in paris (Bn, cabinet des Médailles Armand­Valton 1) abgebildet in Pisanello, 1996, s. 205, nr. 127. Zur Federzeichnung mit dem Medaillenentwurf für Alfonso von Aragon (paris, Musée du louvre, département des Arts graphiques, inv.­nr. 2486); s. Pisanello, 1996, s. 427, nr. 297. der revers seiner Medaille für Johannes VIII. Paläologos (paris, Bn, cabinet des Médailles Armand­ Valton 17) bietet als pendant zur signatur in latein (∙ OpVs ∙ pisAni ∙ pictO/ris ∙) den wortlaut: »ΕΡΓΟΝ · ΤΟV · ΠΙCÁNΟV · ZωΓΡÁΦΟV«; Pisanello, 1996, s. 209f., nr. 119; The Currency of Fame, 1994, s. 44–46, nr. 4. Zu der einst Antonio Marescotti zugeschriebenen Medaille Leon Battista Alberti, 1994, s. 481f., Abb. 84, s. 482: »[…] è […] legittimo interpretare questa medaglia come un autoritratto«; The Currency of Fame, 1994, s. 58–59; als selbstbildnis gedeutet in robert Glass, »Filarete’s hilaritas. claiming Authorship and status on the doors of st. peters«, in: ArtBull, 94, 2012, s. 548–571, s. 566, Abb. 27. ein selbstbildnis des pisanello kennt Gaurico, De sculptura, cap. 7, s. 259: »pisanus pictor in se celan­ do ambiciosissimus.«

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

35 Medaille des Pisanello (selbstbildnis ?), Avers, ca. 1444, london, British Museum

36 Lorenzo Ghiberti, Vignette zu dessen Vita, aus: Giorgio Vasari, Le vite […], Florenz: Giunti, 1568, Bd. i, s. 274

wünschte pisanello auf diese weise seine Fertigkeiten als Maler als die Grundlage seiner Medaillen auszuweisen, für die er eventuell allein die entwürfe lieferte? 710 Über­ wog, so die Überzeugung von syson, in pisanellos identität und Künstlerdasein der längst arrivierte Maler?711 Oder fasste er den pictor­Begriff gattungsmäßig erstaunlich weit, wie man es zuweilen noch im beginnenden Quattrocento zu tun pflegte?712 Unzweifelhaft 710 diese Möglichkeit schließt pfisterer, 2008a, s. 97 nicht aus. Gegen diese hypothese spricht m. e. die, wie wir sehen werden, wirkungsgeschichte der signaturform unter doppelbegabungen. 711 Unter Berufung auf pisanellos hauptbetätigung als Maler luke syson, »›Opus pisani pictoris‹. les médailles de pisanello et son atelier«, in: Pisanello, Actes du colloque organisée au musée du louvre par le service culturel, 26.–28.06.1996, hrsg. v. dominique cordellier, paris, 1998, Bd. i, s. 377– 426, s. 380: »la signature […], qui occupe une grande place sur ses médailles, renvoie assurément à son autre activité qui est la principale«; von einer »trademark signature« spricht raymond B. wad­ dington, »pisanello’s paragoni«, in: Perspectives on the Renaissance Medal, hrsg. v. stephen K. scher et alt., new York, 2000, s. 27–45, der – anders als der Aufsatztitel vermuten lässt – keinen konkreten deutungsversuch der signaturform im Kontext des paragone unternimmt; uneindeutige Beweggrün­ de pisanellos am walten sieht hanke, 2009, s. 236. 712 Belege – nicht im Kontext von signaturen – zuletzt bei susan Jean Vick, Pictura and the Concept of the Cognate Arts in Florence, (diss. new Brunswick, n. J., 2001) Ann Arbor, 2001, s. 46.

2. Chiastische Signaturen: Verweise auf das alter ego

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fügte sich pisanellos Malersignatur auf Medaillen oft in eine gewisse motivische pitto­ reske.713 in Anbetracht dessen wäre es töricht, bildhafte Vorstellungen in einem Zeitalter von der hand zu weisen, in dem, inspiriert durch lukian und cicero, der topos von homer als Maler kultiviert wurde.714 im cinquecento erfuhr gar der allbekannte Bild­ hauer lorenzo Ghiberti in Vasaris Vite­Vignette (Abb. 36) die introduktion als »Maler«. Milanesi hielt sie überzeugend für eine posthume lehnübertragung; sie sei durch die bestechend malerischen Qualitäten der Baptisteriumstüren Ghibertis motiviert.715 Aber vorherrschend in pisanello dürfte der ehrgeiz gewesen sein, seine doppelbegabung an einem griffigen Objekt zur schau zu stellen, das mit einer, modern gesprochen, ›werbe­ wirksamkeit‹ von hand zu hand ging. sein normverstoß, die Anwendung seiner Maler­ signatur auf die falsche Kunstgattung, unterstrich in einer negativen dialektik die laten­ te, die komplementäre Facette seiner Künstlerpersönlichkeit. in dieser bildeten der Maler und der Medailleur unverbrüchlich ›zwei seiten einer Medaille‹. Giovanni santi hat diese ich­Konstruktion pisanellos lapidar erfasst: »in medaglie e in pictura, el pisa­ no«.716 tatsächlich: wenn ein Medailleur als Maler signiert, dann ist die Medaille ihrer­

713 pisanellos signatur »OpVs pisAni pictOris« begegnet auch auf dem Medaillen­revers des Johannes VIII. Paleologus (Brescia, Museo civico), dem von Gianfrancesco Gonzaga (london, British Muse­ um) und dem von Leonellos d’Este (london, British Museum; vgl. Mantua, privatsammlung); s. Leon Battista Alberti, 1994, s. 474ff., Kat.­nr. 74–76, 78. 714 homer ist für petrarca, Triumphus Famae, iii, v. 15, s. 543 der »primo pintor delle memorie antiche«; vgl. lukian, Imagines, 8; cicero, Tusculanae disputationes, V, 114 und dion von prusa, Olympische Rede, 62 (homer als Beseeler des erzes in AP, ii, nr. 311); decembrio, De politia litteraria, i, cap. 3, s. 153: »[…] homerum auderes, quo quidem nullus pinxit fabulosius heroum gesta describens […]«; landino, Comento, ›proemio‹, Bd. i, s. 254 stilisierte petrarca zum Anwärter auf die nachfolge hom­ ers: »[…] nessuno de gl’eloquentissimi negherà trovare in lui, non solo expresse, ma dipincte, molte chose, le quali innanzi giudicava essere impossibile dirle con alchuna elegantia in questa lingua.« in diesem Kontext verdient eine Quelle von 1462 über einen gewissen »homerus pictorum« Beachtung, der von der Forschung nicht selten mit pisanello identifiziert wird; zum Forschungsstand Documenti e Fonti su Pisanello, 1993, s. 172f., nr. 79. 715 die diskussion um Milanesis Bewertung in Vasari, Le vite, Bd. ii, s. 253f. über Vasaris Benennung von Ghiberti als »lOrenZO GhiBerti pit/tOr FiOrent.« aufgegriffen von lorenzo Bartoli, »rewriting history. Vasari’s ›life of lorenzo Ghiberti‹«, in: Art History, 13, 1997, s. 245–252. eine lehnübertragung, die Gleichsetzung von Begriffen der wort­ mit der Malkunst, benutzte Benozzo Gozzoli 1452 in der inschrift anlässlich der Fertigstellung seiner Fresken in der Franziskanerkirche von Montefalco; auf einem pilaster ist zu lesen: »QUAlis pictOr preFAtUs i[n]spice lec­ tOr« (siehe nach, leser, welche Art von Maler das Vorwort gemacht hat!); dazu creighton Gilbert, »Benozzo’s Graphic Arguments for the honor of painters«, in: Benozzo Gozzoli. Viaggio attraverso un secolo (convegno internazionale di studi, Florenz – pisa, 08.–10.01.1998), hrsg. v. enrico castelnuo­ vo et. alt., Ospedaletto, 2003, s. 41–45. 716 santi, La vita, XXii, cap. 91, v. 367, s. 673; vgl. über pisanello Facio, De viris illustribus, cap. »de pic­ toribus«, s. 166: »picturae adiecit fingendi artem« (Zur Malerei fügte er die Bildhauerkunst hinzu); und Maffei, Commentariorum, XXi, s. 493: »pisanellus pictor simul et fictor.«

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

seits wie eine signatur – im sinne einer zwei­ ten selbstdarstellung – aufgefasst. »pisAni pictOris« auf dem revers von pisanellos Medaille des Leonello d’Este – sie zeigt ein Kin­ dergesicht in drei verschiedenen Ansichten (von vorn, in dreiviertelansicht von rechts und links) (Abb. 37) –717 offenbart Ambitioniertes, wetteifert mit skulpturaler Vielansicht ebenso wie mit der Malkunst. dabei spielte vielleicht die in anderen signaturen pisanellos noch deutlicher werdende Zäsur zwischen »pict« »Oris« eine rolle. wie, so fragt man sich aus historischer distanz, sollte »Maler des Gesich­ tes« (sc. »pictor oris«), falls diese Bedeutung aufscheinen sollte, nicht den porträtmaler von 37 pisanello, revers von: Medaille des Leonello d’Este, rang, pisanello, ins Bewusstsein heben, wie ca. 1441–1444, Bn, cabinet des Médailles Armand­ Valton 30 ihn die höfischen dichter seiner Zeit feierten, von Ulisse degli Aliotti, Angelo decembrio über Galli bis zu tito Vespasiano strozzi?718 im Unterschied zur Koexistenz von zwei signaturen auf einem Kunstwerk, das mehrere beteiligte Künstler verschiedener Oblie­ genheiten schufen, eine bereits seit der Antike gebräuchliche, in der renaissance wieder­ belebte praxis,719 lag die Besonderheit von pisanellos signatur in einem doppelten spiel 717 Zur Medaille in paris (Bn, cabinet des Médailles Armand­Valton 30) s. Pisanello, 1996, s. 383, Kat.­ nr. 261; eine entwurfszeichnung auf der Abb. 87. Über die enorme schwierigkeit der darstellung der Frontalansicht eines Gesichtes für den Medailleur cellini, Vita, i, cap. 53, s. 245: »Questa [una testa in faccia di un san Giovannino] fu la prima moneta con la testa in faccia in tanta sottigliezza di argen­ to, che mai si facessi; e questa tale dificultà non apparisce, se none agli occhi di quelli che sono eccel­ lenti in cotal professione.« 718 diese deutung ist meines wissens noch nicht erwogen worden. Gedichte auf Medaillen und Medail­ leure bereden sehr oft explizit das Gesicht, so beispielsweise paolo spinoso in den Versen ›Ad egregi­ um iuvenem leonem Mantuanum sculptoren‹: »[…] / quis nisi viventum spiritus oris abest«; s. Bian­ chi, 2004, s. 121, v. 8. – das Gedicht von Ulisse (s. App. ii/G­c, nr. 1), zu decembrio (s. App. ii/G­d, nr. 2); zu Galli Documenti e fonti su Pisanello, 1996, s. 102, nr. 39: »Vegna a farse retrar del naturale / Al mio pisAnO, qual retra’l ’hom tale / che tu dirai non è anzi è pur vivo, / […] / tu a’depinti fai parlar tacendo: […]«; strozzis Gedicht von 1443 »Ad pisAnUM pictorem praestantissi­ mum« ebenda, s. 116, nr. 48. Am deutlichsten ist die Zäsur zwischen »pict/Oris« in pisanellos signatur auf dem revers der Medaille für Cecilia Gonzaga; s. Pisanello, 1996, s. 223, nr. 224; vgl. s. 411, nr. 286. 719 exponate der attischen rotfigurigen Vasenmalerei tragen im 6. Jahrhundert v. chr. oft die Maler­ und die töpfersignatur, mit der stereotypen wendung »[…] hat es gemalt« (ˇεγρaϕεν) und »[…] hat es

2. Chiastische Signaturen: Verweise auf das alter ego

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mit der defizienz: im Fehlen der zu erwartenden Medailleursignatur einerseits und im Fehlen der Malerei des signierenden Malers andererseits. dieser chiasmus rückt diese signierweise in die nähe des berühmten parataktischen diktums des simonides von Keos. Unklar bleibt, ob pisanello auch Gemälde mit seiner Medailleursignatur versah. das einzige signierte, auf uns gekommene Malwerk von ihm trägt korrekt seine Maler­ signatur (»pisAnVs / pi[nXit]«). eine ausreichende Basis für schlussfolgerungen ist dies freilich nicht.720 Fest steht: es war nicht das einzige signierte Gemälde pisanellos: Vasari würdigte einen Hl. Eustachius in sant’ Anastasia in Verona mit den worten: »sot­ to la qual figura si vede dipinto il nome d’esso pisano.«721 die suche nach Vorläufern, die dem Kniff pisanellos den weg wiesen, führt uns zum Aperçu des exilanten Ovid. dieser kündete eingedenk der Unaufhaltsamkeit, die seiner Fama trotz seiner Abwesenheit aus rom beschert sei: »soll ich die Bücher erwähnen? selbst jene, in denen ich fehlte – tausendmal wird deines ruhmes Größe verkündet darin.«722 das gezielte Verschweigen gleicht der hervorhebung des Verschwiegenen. nach Kategorien der klassischen rhetorik besitzt pisanellos signierweise eine Affinität zum locus a comparatione,723 vorzugsweise zum tropus der Katachrese. dies gilt um so mehr, als Quintilian die Katachrese mit einem Aeneis­rekurs am Beispiel eines Kunst­ werkes erklärt hatte, genauer, des Trojanischen Pferdes: »[…] equom divina palladis arte aedificant […].«724

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gemacht« (έποίεηεν); dazu Euphronios der Maler, Ausstellungskatalog, 1993, Berlin, s. 15, s. 47ff. – ein prominentes Beispiel aus dem späten Quattrocento ist die gemeinsame Bildhauer­ (Bertoldo di Gio­ vanni) und Gießersignatur (Adriano Fiorentino) auf der Basisplatte der Bronzestatuette Bellerophon bändigt den Pegasus (wien, Kunsthistorisches Museum); auf ihr ist zu lesen: »eXpressit Me BerthOldVs ∙ cOnFlAVit hAdriAnVs«; Michiel, Notizia, s. 16 würdigt die signatur: »[…] fu de mano de Bertoldo, ma gettando da Adriano suo discipulo […]«; dazu Von allen Seiten schön, 1995, s. 142f.; eine signatur »nach vermeintlich antikem Vorbild« sieht in ihr pfisterer, 1996, s. 138– 145, s. 138; Bertoldos signatur auf dem revers seiner Medaille des Mehmet II. lautet: »OpVs / ber­ tOldi / FlOrentin[us] / scVltOr/is«; vgl. James d. draper, Bertoldo di Giovanni. Sculptor of the Medici Household, london, 1992, s. 96, Abb. 4; s. 185, Abb. 18d; vgl. The Currency of Fame, 1994, s. 127. es handelt sich um das Gemälde Die Madonna mit den Hll. Antonius und Georg (london, national Gallery), in dem die signatur, floral verbrämt, auf dem steinigen Boden angebracht ist; s. die Abb. in Pisanello, 1996, s. 221, Kat.­nr. 133. Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 9. Ovid, Tristia, ii, vv. 61–61, s. 66–67 (Üs: wilhelm willige): »quid referam libros, illos quoque, crimina nostra, / mille locis plenos nominis esse tui?« dazu lausberg, 31990, s. 218f., § 394; vgl. Quintilian, Institutio oratoria, V, 10, 87. Vergil, Aeneis, ii, vv. 15–16, s. 48 (Üs: J. und M. Götte); vergleichbar die Äußerung in der Focusvita Vergils, Vergils Vater sein töpfer gewesen: »figuli suboles nova carmina finxit« (des tonformers sohn, er formte neue Gedichte); s. Vergil, Landleben, s. 250/251.

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

statt, wie es für ein holzkunstwerk passen würde, zu sagen, »sie zimmerten ein pferd mit der pallas göttlicher Kunst,« spricht Vergil von »bauen« (»aedificare«). Katachres­ tisch ist dieses prädikat laut Quintilian deshalb, weil dies dem hausbau, der Architek­ tur, vorbehalten sei. im parteiischen der Umbenennung nähert sich pisanellos signatur zudem einer untergeordneten Kategorie der Katachrese, dem incrementum.725 die Maler­ signatur auf einer Medaille verwies gezielt auf pisanello als Maler, nicht auf den Medail­ leur des namens. während der ingeniöse Filarete, sowohl Bildhauer, Architekt, Medailleur als auch Kunsttheoretiker, in der ›unpassenden‹ signatur seiner ovalen selbstbildnismedaille, sprich »AntOniVs AVerlinVs ArchitectVs«, vielleicht nur, als internalisie­ rung von Fremderwartungen, seiner öffentlichen reputation rechnung trug – er ergänzt seinen namenszug auf seiner bronzenen Reiterstatuette des Marc Aurel neutral mit »[…] der Architekt, wie man ihn nennt« –,726 drang der sienesische Maler, Bildhauer und Gold­ schmied il Vecchietta (1410–1480) mit seiner chiastischen signierweise aktiv in das netzwerk der von pisanello gepflegten tradition ein, nicht ohne sie beinahe zu einer habituellen strategie zu erweitern. so prangt beispielsweise die Bildhauersignatur von il Vecchietta, eigentlich lorenzo di pietro, gegen 1462 auf dem Marmorgrab, das im Ge­ mälde der Himmelfahrt Mariae im dom von pienza dargestellt ist;727 und nicht minder bekräftigte seine Malersignatur an einem seiner Bildhauerwerke, an der holzstatue des Hl. Bernhard (Abb. 38), seine künstlerische doppelidentität: »OpVs ∙ lAVrentii ∙ petri ∙ pictOris ∙ senensis«. ein Zusammenhang zwischen der polychromie dieser statue und der Berufung auf sein ambivalentes selbstverständnis ist nicht auszu­

725 lausberg, 31990, s. 221, § 402–403; zur Katachrese Quintilian, Institutio oratoria, Viii, 6, 36. – Ver­ gleichbar ist auch ein Kniff des Malers parrhasios, von dem themistios, Orationes, ii, 29c, berichtet: parrhasios habe die Menschen mit hermes getäuscht, indem er unter sein eigenes Bild den namen des Gottes setzte. so werde auch das lob, das Kaiser constantius ihm – themistios – spende, auf den Kaiser zurückfallen. 726 Zur Selbstbildnismedaille von Filarete (Mailand, castello sforzesco und london, Victoria and Albert Museum) Martin warnke, »Filaretes selbstbildnisse. das geschenkte selbst«, in: Der Künstler über sich, 1992, s. 101–112, s. 103 und s. 111, Abb. 5 und App. iV/B. die vollständige inschrift auf der Marc-Aurel­statuette lautet: »AntOniVs AVerlinVs ArchitectVs hAnc Vt VVlGO FertVr cOMMOdi AntOnini AVGVsti AeneAM stAtVAM siMVlQVe eQVM ipsVM eFFinXit eX eAdeM eiVs stAtVA […]« (Antonius Averlinus, der Architekt, wie man ihn nennt, hat diese erzene statue des Kaisers commodus Antonius und zugleich das pferd jener sta­ tue nachgebildet, […]); zitiert nach Von allen Seiten schön, 1995, Kat.­nr. 132. die Berufung auf den Architekten seit 1452 unter seinen Briefen; und vgl. Filarete, Trattato, i, Bd. i, s. 5: »[…] filareto architetto Antonio Averlino fiorentino, il quale fece le porte di san pietro di roma di bronzo, […].« Auch als Maler rangiert Filarete v. a. bei porcellio, De arte fuxoria, s. 131. 727 »OpVs lAVrentii petri scVltOris de senis« (werk des Bildhauers lorenzo di pietro aus siena); s. Francesco di Giorgio, 1993, s. 136f., Kat.­nr. 9, die Abb. auf s. 139.

2. Chiastische Signaturen: Verweise auf das alter ego

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38 il Vecchietta, detail von: Der Hl. Bernhard, statuensockel mit signatur, vor 1474, Florenz, Museo nazionale del Bargello

schließen.728 diese tendenz zur Verschränkung der figurativen Künste fand ihre Fort­ setzung im werk seines lokalen nachfolgers, des Malers und Bildhauers neroccio di Bartolomeo de’ landi (1447–1500), wohl nicht unbeeindruckt von dessen zeitweiliger Zugehörigkeit zur »societas quam simul habuerunt in arte pictorum«.729 Unter der regie des Künstlers il Vecchietta erreichte das chiastische element den Kulminationspunkt an einer für ihn höchst persönlichen stätte. es ist zudem ein Ort von kulturhistorischem sonderstatus insofern, als er, wie lavin mit recht erkannt hat, den »ersten Altar« beher­ bergt, »an dem ein monumentales Gemälde und eine monumentale skulptur in einem

728 (Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. scult. 9); mit der datierung vor 1474 ebenda, s. 206f., Kat.­nr. 30, die Abb. auf s. 209. Mit »OpVs […] p/ittOris« signierte Vecchietta auch sein Bronzerelief der Auferstehung Christi (Frick collection); s. ebenda, s. 165, Abb. 3. 729 Zu dieser Allianz Max seidel, »die ›societas in arte pictorum‹ von Francesco di Giorgio und neroccio de’ landi«, in: Pantheon, 51, 1993, s. 46–61. im dom von siena befindet sich seit 1485 oberhalb der eingangstür zum campanile unter dem Marmorgrabmal des Bischofs Tommaso del Testa Piccolomini die gemeißelte Malersignatur: »OpVs nerOcii pictOris«; abgebildet in Francesco di Giorgio, 1993, s. 383.

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

einheitlichen, vorgefassten entwurf vereint wurden«:730 in Vecchiettas Grabkapelle. sie war für die salvatorkapelle des spedale von santa Maria della scala in siena bestimmt. die Zurschaustellung seiner Universalität geriet mit je einem, in vertrauter Manier sig­ nierten exponat der beiden Kunstgattungen, die er beherrschte, der Malerei (Die thronende Madonna mit Kind zwischen den Heiligen Petrus, Laurentius, Paulus und Franziskus) und der skulptur (in Bronze: Der auferstandene Christus),731 zu einer Aufforderung zum paragone, zu Vecchiettas künstlerischem testament. tatsächlich hat sich seine tes­ tamentarische Verfügung über die Modalitäten dieser letzten selbstinszenierung erhal­ ten. es ist die, wie Vecchietta mit der für ihn entscheidenden Konjunktion »et« festhält, als »dipentore et scultore«.732 einen letzten höhepunkt schließlich erlebte die chiastische Künstlersignatur im werk von il Francia (1450–1517) aus Bologna, dem erfolgreichen Maler und Gold­ schmied (vielleicht obendrein Bildhauer), der sich zudem dilettierend als dichter betä­ tigt hat – die Authentizität des von Vasari zitierten sonettes über raffael, den »pictor […] de’ pictori«, vorausgesetzt.733 Bedenkt man die zu Francias lebzeiten keineswegs

730 irvin lavin, »the sculptor’s ›last will and testament‹«, in: Allen Memorial Art Museum Bulletin, 35, 1977–1978, 1–2, s. 4–39, s. 12: »[…] he created what was, so far as i can discover, the first altar in which a monumental painting and a monumental sculpture were combined in a unified, preconceid design«. 731 Vecchiettas signatur am unteren rand des Gemäldes (die heiligen petrus und laurentius sind eine Allusion auf seinen namen, lorenzo di pietro) – »OpVs lAVrentii petri scVltOris Al[iAs] elVechiettA OB sVAM deVOtiOneM« (siena, pinacoteca nazionale, inv.­nr. 210); s. Francesco di Giorgio, 1993, s. 216f., Kat.­nr. 33, die Abb. auf s. 217. – die sockelinschrift der Bronzestatue besagt: »OpVs lAVrentii petri pictOris Al[iAs] VechiettA de senis M cccc lXXVi p[er] sVi deVOtiOne Fecit hOc«; vgl. ebenda, s. 212ff., Kat.­nr. 32, die Abb. auf s. 213. 732 Vecchiettas testament vom 10. Mai 1479 (Archivio dello spedale della scala di siena, ii, testamenti 1479–1495) abgedruckt in Gaetano Milanesi, Documenti per la storia dell’arte senese, Bd. ii, siena, 1854, s. 366ff., nr. 262. Vecchietta erwog bereits am 20. dezember 1476 eine Kapelle mit der dedi­ kation an den erlöser (»nome del salvadore«), die Aufstellung der statue auf dem Altar (»in su l’altare«) und die Anbringung eines Gemäldes hinter dem Altar (»dopo l’altare io voglio fare una tavola dipin­ ta«) und der erlösersstatue (»dietro al christo«). Zum testament s. auch Francesco di Giorgio, 1993 die Abbildung auf s. 215, nr. 6 und hendrik w. van Os, »Vecchietta and the persona of the renais­ sance Artist«, in: Studies in Late Medieval and Renaissance Painting in Honor of Millard Meiss, hrsg. v. irving lavin et alt., new York, 1977, Bd. i, s. 445–454, s. 453: »Vecchietta used this painting to dem­ onstrate his talents as painter, sculptor, and architect.« – ein spiel mit einem Material der Bildhauer, dem porphyr, auch in Vecchiettas gemalten Selbstbildnis in castiglione d’Olona; s. Ames­lewis, 2000, Abb. 114. 733 Aus dem Gedicht spricht Bescheidenheit: »All’excellente pictore raffaelo sanxio, Zeusi del nostro secolo, di me Francesco raibolini, detto il Francia. »non son Zeusi, ne Apelle, e non son tale, 1 che di tanti tal nome a me convegna: ne mio talento, ne vertude è degna

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obsoleten Konnotationen der Goldschmiedekunst an die niederen artes mechanicae, dann verwundert Francias Gepflogenheit um so mehr, eine Vielzahl seiner tafelbilder mit »FrAnciA AVriFeX« (Francia, der Goldschmied) zu signieren, ganz zu schwei­ gen von den schier marginalisierenden selbstbezeichnungen als »AVriFABer« (Gold­ arbeiter).734 Für die Ohren der Bewunderer seiner Virtuosität besaßen diese eigenen titulierungen, die übrigens spätestens seit 1482 im einklang mit seiner Zunftzugehörig­ keit standen, einen fraglos positiv besetzten Klang, wie es die Kunstliteratur zum »besten Goldschmied in italien« eindrucksvoll spiegelt. 735 deshalb verwies Francia – wie auf dem thron im Gemälde Madonna mit Kind und Heiligen (Abb. 39) – denn auch signie­ rend mitunter darauf, dass ein Gemälde von ihm dem/als Goldschmied »gemalt« worden sei (»FrAnciA. AVriFeX. BOnOniensis. p[inXit]«).736 die kunstliterarischen reflexe auf Francias Virtuosität erhellen auf eindringliche weise, wie gerne doppelbega­ bungen Überbietungsmotive von ausgreifender prätention hervorriefen. so übertrifft Francia 1478 im Epithalamium des Michele Angelo salimbeni nicht allein mit dem pinsel

haver da un raffael lode immortale. tu sol, cui fece il ciel dono fatale, 5 che ogn’altro excede, e sora ogn’altro regna, l’excellente artificio a noi insegna con cui sei reso ad ogni antico eguale. Fortunato Garxon, che nei primi anni tant’oltre passi, e che sarà poi quando 10 in più provecta etade opre migliori? Vinta sarà natura, e da tuoi inganni resa eloquente dirà te lodando, che tu solo il pictor sei de’ pictori.« Zitiert nach Milanesis Kommentar in Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 553f. – Falls nicht die Goldschmiede­ kunst gemeint ist, wirkte Francia, einem lehrgedicht in Oktaven von 1504 zufolge, zudem als Bild­ hauer; s. Giovanni Filoteo Achillini, Il Viridario, Bologna, 1515, canto 8, vv. 177ff.: »[…] / tante opre in testimonio fia fatto in Francia / et in sculptura al ver segno se accosta, / col bollin seco agguaglia la bilancia.« Zitiert nach Jeremy warren, »Francesco Francia and the Art of sculpture in renaissance Bologna«, in: BurlMag, 141, 1999, s. 216–225, s. 219. 734 die Anzahl der im Œuvrekatalog von emilio negro und nicosetta roio, Francesco Francia e la sua scuola, Modena, 1998 verzeichneten Gemälde, die il Francias Goldschmiedesignatur tragen, beläuft sich auf dreiundzwanzig: s. ebenda, Kat.­nr. 1, 8b, 11, 17, 18, 21, 23, 24, 28, 31, 33, 35b, 41a, 57c, 63, 65, 67, 68b, 69, 72b, 76, 80, 85. 735 so die Aussage in einer stadtchronik von 1521: es heißt bei niccolò seccadenari, Cronaca della città di Bologna […] dall’anno 305 di nostra salute all’agosto 1521, Bologna, Biblioteca Universitaria, Ms. 1521 (zitiert nach negro/roio, 1998, s. 119): »Morì M. Francesco Francia miglior orefice d’italia e buonis­ simo pittore.« Zu Francias immatrikulation in die Corporazione degli orefici ebenda, s. 72. 736 (london, national Gallery of Art, inv.­nr. 179); negro/roio, 1998, Kat.­nr. 72b.

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V. Universalität und Grenzüberschreitungen im Paragone

39 Francesco Francia, Madonna mit Kind und Heiligen, ca. 1511, london, national Gallery

den polygnot; in der skulptur steche er selbst phidias aus.737 Und nach der Bononia Illustrata von 1494 – sie stammt aus der Feder des Musikers nicolò Burzio – besiegt il Francia »in certamine« einerseits phidias wie praxiteles, andererseits die in der Malkunst wich­ tigsten Malerkoryphäen des Altertums.738 ein weiterer lokaler annalistischer Bericht, der sich einem Berufsgenossen von Francia, dem Goldschmied cristoforo saraceni ver­ dankt, würdigt den Virtuosen – er war im Januar 1517 verstorben – nach dessen ganz­ heitlichen wunschbild als den »vortrefflichen Goldschmied und Maler«; Vasari sekun­ diert mit Francia als dem »orefice e pittore«.739 737 Michele Angelo salimbeni, Epithalamium pro nuptiali pompa […], Bologna: Ugo ruggieri, 1478 (ziti­ ert nach warren, 1999, s. 113): »Ma fra gli Orafi nostri io dirò il Franza / che io non lo scio lassar per maggior cura, / lui polygnoto col pennello avanza / e phidia a l’operar de la sculptura […].« 738 nicolò Burzio, Bononia Illustrata, Bologna: plato de Benedictis, 1494 (vgl. warren, 1999, s. 218, Anm. 32): »ex me etiam Fabri: Aurifices: sculptores: atque pictores nominandissimi, inter quos unus omnium est mihi clarissimus Franciscus francia nuncupatus: cui in sculptura phidias et praxiteles: si viverent palmam cederent. in pictura similiter parrhasius Zeusis et Apolodorus: ab eo in certamine superatos profiterentur.« 739 Bei saraceni heißt es: »1517 […] a di 6 gennaro morì Francesco Fraza orefice e pittore eccellente«; zitiert nach negro/roio, 1998, s. 119. Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 533 spricht von Francias früher hin­ wendung zur Goldschmiedekunst und dem wechsel zur Malerei.

2. Chiastische Signaturen: Verweise auf das alter ego

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halten wir fest: im Quattrocento vermittelt die chiastische signatur, als selbst­ anpreisung des unterzeichnenden schöpfers, das idealbild des universalen, in seiner dop­ pelbegabung jederzeit beanspruchbaren Künstlers, wie es Auftraggebern der epoche vorschwebte. der schriftliche Verweis auf das berufliche alter ego erfolgte äußerst gerne an stellen, in denen auch bildhaft Vorstöße in das andere Berufsfeld stattfanden: in Gemälden vorzugsweise dort, wo Materialien des Bildhauers (wie Marmor) ihre geschick­ te nachahmung fanden740 und in skulpturen, wo Farbe betörte. diese Grenzüberschrei­ tungen gerieten augenscheinlich zum impuls für ein Bekenntnis zum anderen selbst. daher verwundern die rahmenbedingungen für die erste Blüte dieser signaturform im primo Quattrocento nicht. sie ging einher mit pisanellos ›erfindung‹ der neuzeitlichen porträtmedaille – einer Kunstgattung, deren Mittlerstellung zwischen Fläche und plas­ tizität ein Anreiz zur Besinnung auf sein Künstler­ich gewesen sein dürfte. Abgesehen vom gemeinsamen, nicht zu unterschätzenden nenner der stolzen präsentation der eige­ nen doppelbegabung ist die Bedeutung der chiastischen signatur im einzelfall alles andere als eindeutig. Vermutlich warf pisanello, zur etablierung der mitunter durch ihn selbst auf den weg gebrachten renaissance­Medaille, sein gutes renommee als Maler in die waagschale und verschränkte dieses dialektisch, im Bewusstsein des erbes der Münzpropaganda, mit den neuen Aspirationen. soweit bekannt, gibt es in italien keine chiastische signatur in Vulgärsprache; sie existiert nur die in latein, Griechisch, hebrä­ isch. das signet der Universalität koinzidierte folglich mit dem Ausweis der eigenen erudition. diese strategie zielte nicht zuletzt darauf, erstarrte soziale Grenzen, die das mittelalterliche Zunftwesen den Malern und Bildhauern gesetzt hatte, hinter sich zu lassen. ein neuartiges denken hielt mit der signaturform einzug, das fern von Ver­ suchen der künstlichen Verbrüderung zweier Künste lag. Vielmehr schwebten den Vir­ tuosen mit kalkulierter Verfremdung bewusst inszenierte Gegenbilder vor, die einem Aufruf zum paragone gleichkamen.

740 Marmornachahmungen als träger von Malersignaturen besaßen eine lange tradition. Bevorzugt waren sie ursprünglich, da Brüstungen und Architekturteile ideale Flächen für inschriften abgaben. nach der herausbildung dieser tendenz im trecento erlebte sie besonders im Œuvre Giovanni Belli­ nis Konjunktur; s. rona Goffen, Giovanni Bellini, new haven und london, 1989, Abb. 35, 42, 44, 47, 64, 117, 153, 155, 156, 163.

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Zweiter teil »[…] gl’occhi nostri ›sono vaghi‹, i. vagabundi, et spesso in ogni parte si volgono per vedere.« landino, Comento, Bd. iii, s. 1210

Vi. pieros Montefeltro-Diptychon

1. Alte und neue Fragen zum ›porträt der porträts‹ Unter allen profilbildnissen, die die abendländische Malerei je hervorgebracht hat, nimmt sich piero della Francescas diptychon mit dem einander zugewandten urbinatischen herrscherpaar der Montefeltro (Abb. 40a und 40b) wie das ›porträt der porträts‹ aus,1 so fragwürdig das Kriterium der heutigen Bekanntheit für ein recht kleinformatiges hand­ liches werk sein mag, von dem wir obendrein gar nicht wissen, wer, außer dem Besitzer – Federico da Montefeltro – es ursprünglich je zu Gesicht bekam, das heißt bei einem diptychon: wer es aufschlug, um es zu betrachten. inventarisch verbürgt ist es erstmals 1599 im urbinatischen Palazzo Ducale.2 infolge der im 17. Jahrhundert vonstatten gegangenen Überführung der tafeln nach Florenz und der Aufstellung in den Uffzien wuchs pieros diptychon geradezu zu einem synonym für die Gattung Bildniskunst, für die Ära der renaissance und, woran Jacob Burckhardt federführend mächtig mitfeilte, 1

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(Florenz, Galleria degli Uffizi, inv.­nr. 1890, nr. 3342–nr. 1615); s. Piero della Francesca e le corti italiane, Ausstellungskatalog (Arezzo, Museo statale d’Arte Medievale e Moderna, 31.03.–22.06.2007), hrsg. v. carlo Bertelli et alt., Mailand, 2007, s. 225–226, Kat.­nr. 71; eugenio Battisti, Piero della Francesca, 2 Bde., Mailand, 1992, Bd. i, s. 244ff., Bd. ii, s. 514–518, Kat.­nr. a12 mit weiterführen­ der literatur; creighton Gilbert, Change in Piero della Francesca, new York, 1968, s. XiV, s. 3, s. 29–32, mit der datierung auf 1472–1473; carlo Ginzburg, Erkundungen über Piero, [orig. turin, 1981] Frankfurt a. M., 1991, s. 174; ronald lightbown, Piero della Francesca, new York, london und paris, 1992, s. 228–243; dülberg, 1990, Kat.­nr. 181–182, tafel 36–37; Bolzoni, 2010, s. 236ff.; zusammenfassend dante Bernini, »›come un uccello sacro‹. sul ritratto di Federico da Montefeltro«, in: Storia dell’arte, 95, 1999, s. 5–34. es befand sich damals im großen Ankleideraum (»Guarderobba grande«); es hieß: »quadretto doppio in tavola della fe[ice] mem[oria] del duca Fed[eri]co et della fel[ice] m[emoria] della duchessa Batt[ist]a sua consorte con pitture dal roverso« (doppeltafel auf holz zur glücklichen erinnerung an den her­ zog Federico und die herzogin Battista, seine Gemahlin, mit Malereien auf der rückseite); zitiert nach – es ist das beste resümee der relevanten inventareinträge zum diptychon – Piero della Francesca, 2007, s. 225–226. im 1655 erstellten inventar von poggio imperiale wird der diptychische cha­ rakter betont: »due quadretti in tavola gangherati insieme […]«; AsF, Guardaroba medicea, 1052, fol. 42r.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

40a piero della Francesca, Bildnis der Battista Sforza, linke innenseite des Montefelto-Diptychons, ca. 1472–1474, Florenz, Galleria degli Uffizi

40b piero della Francesca, Bildnis des Federico da Montefeltro, rechte innenseite des MontefeltroDiptychons, ca. 1472–1474, Florenz, Galleria degli Uffizi

für einen Begriff von individuum aus,3 der seit und mit petrarca eine so beispiellose entfaltung erlebte, dass aus ihm für porträtmaler nicht selten eine hypothek erwuchs. das profil zweier zeitgenössischer persönlichkeiten mit dem pinsel zu umreißen, ihre unverwechselbare physiognomie und silhouette ins Bild zu bannen, verhieß günstigen­ falls im Gleichzug profil für den ausführenden Maler.4 Zeigte piero die porträtierten deshalb auf den Außenseiten des diptychons überraschend ein zweites Mal, offenbar in ergänzung des physischen profils um ein weiteres (Abb. 40c und 40d)? in zwei verschiede­ nen triumphwagen aufeinander zufahrend, haben diese nun jeweils beigesellt bestimmte tugenden als Begleiter, und auf täuschend echten Marmorsockeln, die aussehen, als 3

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Ohne pieros porträt zu erwähnen, aber unter Fokussierung von Federico da Montefeltro als inbegriff des renaissancefürsten Burckhardt, [1869] 1988, s. 35ff., passim. – pieros diptychon kam 1631 mit dem rovere­erbe nach Florenz; 1775 ist es erstmals in den Uffizien erwähnt; vgl. Alessandro conti, »Francesco petrarca e Madonna laura: uno strano ritratto«, in: Prospettiva, 5, 1976, s. 57–61. warburg sprach daher von einer intimen Berührung zwischen Bildner und Abgebildeten; s. warburg, [1902] 1992, Bd. i, s. 65–102, s. 69.

1. Alte und neue Fragen zum ›Porträt der Porträts‹

40c piero della Francesca, Der Triumph von Federico da Montefeltro, linke Außenseite des Montefeltro-Diptychons, ca. 1472–1474, Florenz, Galleria degli Uffizi

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40d piero della Francesca, Der Triumph von Battista Sforza, rechte Außenseite des MontefeltroDiptychons, ca. 1472–1474, Florenz, Galleria degli Uffizi

habe ein römisch­antiker Bildhauer seinen Meißel angesetzt, werden sie besungen von lateinischen lobeshymnen sprachlichen schliffs, so unmotiviert sich diese marmorne Blendfläche unterhalb einer farbenfrohen landschaft mit großer tiefendimension auch ausnimmt. Aber auf diese weise, zugleich mit Übergriffen auf steinerne und poetische denkmäler, überzog piero die dargestellten mit einem netz an Allusionen auf das, was ihm offenbar nicht minder abbildenswert erschien: etwas, das von uns nach dem Vor­ stellungsgut dieser Zeit, auch nach pieros individuellen denken, wie es sich in seinen teils den Montefeltro dedizierten kunsttheoretischen schriften manifestiert, zu eruieren ist und, falls möglich, benannt werden muss: mithilfe seiner traktate De prospectiva pingendi und Libellus de quinque corporibus regularibus (ca. 1482).5

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dazu Judith V. Field, Piero della Francesca. A Mathematican’s Art, new haven und london, 2005 und Margaret daly davis, Piero della Francesca’s Mathematical Treatises. The ›Trattato d’abaco‹ and ›Libellus de quinque corporibus regularibus‹ (speculum artium 1), ravenna, 1977.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

›porträt der porträts‹ – kein unpassendes etikett demnach in Anbetracht der Zur­ schaustellung einer solch erweiterten, verfeinerten, also perfektionierten profilgebung von abkonterfeiten Modellen in ein und demselben Malwerk. diese Verfeinerung beruh­ te wesentlich auf dem Kunstgriff einer doppelseitigen Bildbemalung, die, zumal in Ver­ bindung mit skulpturalen elementen, den Anschein erwecken könnte, der Maler habe es mit dem, was das inventar 1599 als »roverso« (rückseite) bezeichnet, darauf angelegt, Qualitäten vielansichtiger Bildhauerwerke zu erhaschen. die rückseitenbemalung war keine erfindung des Malers aus Borgo sansepolcro, der zum Zeitpunkt der Ausführung, als sechzigjähriger, durch seine dienste am Malatesta­hof exquisite, aber, soweit bekannt, nicht eben umfangreiche erfahrungen als Bildnismaler vorzuweisen hatte.6 Aber in Urbino, wo ihm 1469 der Maler Giovanni santi einst Quartier bot, kann piero kein un­ beschriebenes Blatt mehr gewesen sein.7 Man mag die beidseitige Bemalung seines diptychons vage von rückseitenbemalungen früher Andachtsdiptychen herleiten, oder, wie erstmals dezidiert pope­hennessy, von einem anderen Medium, dem die Zweiseitig­ keit eigentümlich ist: den Münz­ oder Medaillenporträts.8 Aber es gab niemand vor piero, in italien und im norden nicht, der diese Art der Bildbemalung so eigenwillig, wider alle tradition, als spielraum höchster entfaltung der individuellen charakterisie­ rung begriff, ganz jenseits jeglicher heraldik.9 woods­Marsdens ironische Brandmar­ kung von pieros Montefeltro-Diptychon trifft daher viel wahres, dass wir »in fast jeder hinsicht eine Anomalie« vor uns haben.10

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Zu pieros kleinformatigem Porträt von Sigismondo Malatesta und dem Fresko mit dem knienden Sigismondo Malatesta vor dem Hl. Sigismund zuletzt Piero della Francesca, 2007, Kat.­nr. 58, Abb. auf s. 163 und Abb. auf s. 48; zur oft thematisierten rivalität zwischen dem Montefeltro­ und dem Mala­ testa­Fürsten Maria Grazia pernis und laurie schneider Adams, Federico da Montefeltro and Sigismondo Malatesta. The Eagle and the Elephant (studies in italian culture 20), new York, washington d. c. und Baltimore, 1996. pieros Aufenthalt in Urbino ergibt sich aus dem sog. Libro dei conti della Confraternità, fol. 51r; es besagt Folgendes: »1469, eadem 8 daprile bolognini dieci detti contanti a Giohanni de sante da col­ bordolo per fare le spese a Mstro piero dal Borgo ch’era venuto a vedere la taula per farla a conte della Fraternità«; zitiert nach Battisti, 1992, Bd. ii, s. 617, nr. 106; über pieros Abstecher nach Urbino auch pacioli 1509 in pacioli, De divina proportione, ii, cap. 19. pope­hennessy, 1966, s. 319; nicht anders Gilbert, 1968, s. 29 und Bernd roeck und Andreas tön­ nesmann, Die Nase Italiens. Federico da Montefeltro, Herzog von Urbino, Berlin, 2005, s. 8. Zur frühen, seit den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts nachweisbaren heraldik auf rückseiten der niederländischen Bildnismalerei, s. dülberg, 1990, Kat.­nr. 153, Abb. 89–90; Kat.­nr. 156, Abb. 93–94, Kat.­nr. 157, Abb. 95–96. Joanna woods­Marsden, »piero della Francesca’s ruler portraits«, in: The Cambridge Companion to Piero della Francesca, hrsg. v. Jeryldene M. wood, cambridge UK, 2002, s. 91–114, s. 96: »[…] in almost every respect an anomaly.«

1. Alte und neue Fragen zum ›Porträt der Porträts‹

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doch im Gegensatz zu pieros Geißelung Christi, ein Gemälde, aus dem nicht erst seit carlo Ginzburgs berühmt gewordener studie11 so viele deutungsfiliationen hervorgin­ gen wie (um es mit einer im Quattrocento populären Metapher zu sagen) Krieger aus dem Trojanischen Pferd, scheint uns pieros diptychon keine rätsel aufzugeben, zumal die identität der beiden mehrfach vorgeführten persönlichkeiten so sehr außer Frage steht wie ihre lebensgeschichte. dabei bergen gerade die profunden, nicht abreißen wol­ lenden Biografien über die Montefeltro – von tommasoli bis roeck/tönnesmann –,12 sofern man sie als den Generalschlüssel selbst zu dargestellten individuen missversteht, die Gefahr in sich, dass sie uns gegen die Komplexität der porträts immun machen. Mit rotem Barett, das Gesicht statt gefällig markant und, wie besonders warnke hervorhob, mit hypertropher Beobachtungsgabe ins Bild gesetzt,13 zeigt sich Federico da Montefel­ tro (1422–1482), damals der bedeutendste condottiere in ganz italien, der es zeitlebens weder an humanistischer Bildungsbeflissenheit noch an großartig mäzenatisch unter­ mauertem Kunstsinn fehlen ließ14 – und, ihm vor Augen, unterkühlt und etwas starr, mit fein hergerichteter Frisur, seine Angetraute, Battista sforza (1446–1472), eine toch­ ter des in pesaro regierenden Bruders des ungleich bekannteren Francesco sforza, Ales­ sandro. der Kultiviertheit und dem Zauber, den Battista versprühte, hat der in Bologna gebürtige dichter Giovanni sabadino degli Arienti so früh wie 1483 in seinem donne­ illustre­Buch ein denkmal gesetzt.15 Allenfalls die datierungsfrage löste ernsthafte Kontroversen aus, seitdem Gilbert 1968 mit völlig neuen, sich bisherigen einschätzungen schroff widersetzenden Überlegungen einen wahren paradigmenwechsel in der piero­Forschung auslöste. seine ausgebreitete indizienkette, die m. e. zu den größten intellektuellen leistungen zählt, die je eingang in eine Künstlermonografie gefunden haben, überzeugt suggestiv davon, dass pieros dipty­

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Ginzburg, [1981] 1991. roeck/tönnesmann, 2005; Jan lauts und irmlind l. herzner, Federico da Montefeltro. Kriegsherr, Friedensfürst und Förderer der Künste, München und Berlin, 2001; Federico da Montefeltro. Lo stato, Le arti, La cultura, hrsg. v. Giorgio cerboni Baiardi et alt., 3 Bde., rom, 1986; walter tommasoli, La vita di Federico da Montefeltro (1422–1482), Urbino, 1978. Vgl. Martin warnke, »individuality as Argument. piero della Francesca’s portrait of the duke and duchess of Urbino«, in: The Image of the Individual. Portraits in the Renaissance, hrsg. v. nicholas Mann et alt., london, 1998, s. 81–90. Zum Mäzenatentum des urbinatischen regenten lauts/herzner, 2001, s. 217ff. Als heranwachsen­ der ein Zögling dieser Fürstenschule, zollte Federico da Montefeltro seinen Mentor von einst, Vitto­ rino da Feltre, mit einem porträt in der riege im urbinatischen studiolo tribut; s. cheles, 1986, Abb. 26. Arienti, Gynevera, cap. 25 (»de Baptista sforza duchessa de Urbino«), s. 288–312; zur Biografie der Fürstin Marinella Bonvini Mazzanti, Battista Sforza Montefeltro, una principessa nel Rinascimento italiano, Urbino, 1993. Federico da Montefeltro war nach dem Ableben von Gentile Brancaleoni in zweiter ehe mit Battista sforza verheiratet; vgl. tommasoli, 1978, s. 14.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

chon – ungeachtet der recht stimmig zu einem Matrimonialbild passenden Konnotatio­ nen an die liebe und ungeachtet einiger damals falsch bewerteter Quellen – keineswegs in die dekade der eheschließung des paares – in die 60er Jahre des Quattrocento – gehören kann, sondern erst nach dem Fiebertod der jungen Gräfin gemalt wurde. Zu diesem hatte ihre schwächung infolge der Geburt des neunten Kindes wohl nicht uner­ heblich beigetragen; es kam der langersehnte maschio Guidobaldo (geb. 24. Januar 1472). der tag, an dem Battista in Gubbio starb, es war der 7. Juli 1472, bildet demnach den terminus post quem für die entstehung des Gemäldes.16 wir werden auf Gilberts Argumente noch näher eingehen müssen. da die Frage nach den rezeptionsbedingun­ gen, denen pieros diptychon unterlag, im hinblick auf den paragone nicht unerheblich ist, rufen wir uns dülbergs erkenntnisse kurz in erinnerung: ihre nicht allein ikonolo­ gische, die auch kulturhistorische Klassifizierung von pieros Montefeltro-Diptychon als berühmtestes exponat der ›privatporträts‹ (jener vormals leidlich erfassten Untergruppe kleinformatiger, doppelseitig bemalter porträttafeln) brachte – auf der Grundlage einer umfänglichen Materialsichtung – erstmals den ausnehmend intimen, sich einer ständigen repräsentativen Zurschaustellung vollends widersetzenden charakter des werkes ans licht. damit wurde im Gleichzug älteren spekulationen wie denen von rotondi end­ gültig der Boden entzogen, der einst eine Aufstellung des diptychons zwischen zwei räumen erwog, als sei es wie ein kleines denkmal intendiert gewesen.17 ein ganzes Kreuz­ feuer von Fragen, die den paragone berühren, ergab sich schließlich erstmals aus meiner 1992 publik gemachten erkenntnis, dass der landschaftshintergrund der porträts (der trotz abweichendem Figurenkonzept und Genre auf den Außenseiten überraschend bei­ behalten wurde) nicht allein über jeweils zwei diptychon­Flügel (d. h. den innen­ und den Außenseiten) eine Kontinuität bildet (ein prinzip übrigens, dem prototypen der

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Gilbert, 1968, s. XiV, s. 3, s. 29–32. Über den Fiebertod äußerte sich Battistas Vater Alessandro sforza brieflich gegenüber seinem neffen Giangaleazzo; es ist die Mitteilung ihres todes: »Adviso la V[ostra] ex[cellen]tia como adì ultimo passato la Baptista mia figliola, contessa de Urbino, se amalò de febre cum una doglia de testa tanto acuta che lunedì proximo passato, che fu a dì 6 del presente, ad hore tre de nocte, receuti prima devotamente tuti li divini sacramenti, el nostro signore idio la chi­ amò a sé«; s. AsM, Fondo sforzesco, b.148. Federico da Montefeltro hielt pieros diptychon mit hoher wahrscheinlichkeit zusammengeklappt unter Verschluss, ob nun in einem schrank oder andernorts; vgl. dülberg, 1990, s. 14; s. 75ff., s. 235–236, Kat.­nr. 181–182. die privatheit dieses porträttypus bestätigt sich auch durch einige schutzhüllen dieser porträts, die sich erhalten haben; s. das Futteral von nicolas Froments (?) Diptychon mit König René und Jeanne de Laval (ca. 1476); ebenda, Kat.­nr. 174, tafel 51. Über die Aufstel­ lung des diptychons zwischen zwei räumen spekulierte noch pasquale rotondi, Il palazzo ducale di Urbino, 2 Bde., Urbino, 1950, passim. dass die heutige Aufstellung und rahmung von pieros dipty­ chon in den Uffizien ein völlig verfälschtes erscheinungsbild vermittelt, versteht sich von selbst; s. dülberg, 1990, s. 75.

1. Alte und neue Fragen zum ›Porträt der Porträts‹

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Rekonstruktion 1: pieros panorama

frühen niederländischen Malerei die stoßrichtung gaben).18 wie sich herausstellte, birgt pieros diptychon zudem ein zweites, ein verklausuliertes panorama in sich, in dem sich vier landschaftssegmente in vertauschter, sprich: überkreuzter Bild­reihenfolge zu einem Ganzen fügen, zu einem vollständigen rund von 360 Grad, ohne Anfang und ende (s. Rekonstruktion 1).19 selbst wenn damals plausibel gemacht werden konnte, dass der akuteste impuls für diese landschaftskonzeption im rund die ptolemäische chorografie­definition (»chorographia«) bot – sie drang zum Montefeltro­Fürsten durch die just 1472 empfangene prachtausgabe der Geografie –, und selbst wenn das Ptolemäus­ Bildnis, das wenige Jahre danach im herzöglichen studiolo seinen platz fand, diese these ebenso fundieren kann20 wie pieros wiederholter rekurs auf die »l’autorità de tholeme« in seinem Trattato d’abaco21 –, selbst wenn diese Fakten eine recht eindeutige sprache sprechen, dann haben wir allenfalls das erscheinungsbild dieser natur klassifiziert: es ist per definitionem eine besonders malerische wiedergabe von landschaftszügen, für deren realisierung – so ptolemäus – ein echter Malvirtuose nötig sei.22 das eigentlich Bedeutsame aber, der sinn der Verklausulierung dieser chorografie im diptychon und die

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Jan van eyck hatte diese Fortführung der landschaft auf den innenseiten des Genter Altars vorge­ führt; s. hessler, 1992, Abb. 5. Vgl. ebenda, s. 165, Abb. 3. (BAV, Ms. Urb. lat. 227); s. die Faksimileausgabe claudius ptolemaeus, Cosmographia: Codex Urbinas Latinus 277, 2 Bde., hrsg. v. Arthur dürst, Zürich, 1983; die illustrationen verantwortete Fran­ cesco rosselli. Zum Bildnis des Ptolemäus im herzöglichen studiolo luciano cheles, The studiolo of Urbino. An Iconographic Investigation, wiesbaden, 1986, passim, 1986, s. 46ff., Abb. 13. dieses Faktum war mir 1992 nicht bekannt; s. piero della Francesca, Trattato d’abaco, s. 209 und s. 236. ptolemäus, Geografie, i, 1–5; die auf landstriche beschränkte chorografie wird ausdrücklich von der »geographia« (d. h. mappamondo) unterschieden.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

Bedeutung dieses Kniffs für die Figuren sind unklar geblieben. so sehr mit diesem ein­ zigartigen panoramatischen weltentwurf ein tribut an den Dio pittore­topos ersichtlich ist, so bescheiden und oberflächlich müssen auf dieser Grundlage die Aussagen über Gattungsinterferenzen und anklingende paragone­Motive bleiben. die folgenden Ausführungen holen die besagten Versäumnisse unter einem nicht willkürlichem Blickwinkel nach. die doppelseitigkeit der Bildbemalung, die Beibehal­ tung der protagonisten wie der landschaft, sie luden den Betrachter seit jeher förmlich dazu ein, das werk – mitsamt seinen Maßstabschwankungen zwischen den innen­ und den Außenseiten – nach dem Kriterium der Ansichtsseiten zu beäugen, sie zu verglei­ chen, lange bevor die urbinatische hofgesellschaft des Libro del Cortegiano ausgiebig über den paragone diskutierte23 und auch bevor raffaels Vater Giovanni santi mit seiner disputà de la pictura tiefe einblicke in das ästhetische wertdenken gab, das in der entou­ rage seines Fürsten herrschte.24 Von santi, leon Battista Alberti, porcellio pandoni bis zu dem Bildhauerarchitekten Francesco di Giorgio Martini reicht die lange reihe von Kunsttheoretikern und dichtern, welche die Kunstgeschichte in den Zeugenstand rufen kann, um die Brisanz von rangstreitdiskussionen über die Künste an jenem hof italiens zu unterstreichen, der unter Federico da Montefeltro und in nuce seinem kultivierten halbbruder Ottaviano Ubaldini (1423/24 – 1498)25 geradezu zu einem Ballungszen­ trum kunstheoretischen ideengutes geworden war.26 Und piero? leicht lässt der Blick auf die Forschungsliteratur erkennen, dass jedwede Konzentation auf gattungsorientierte reflexionen des seit schlosser als der trockene Mathematiker unter den Kunsttheoretikern abgestempelten Malers jenseits der Fra­ gestellungen liegt.27 Zu Unrecht, allein der Blick auf sein von endlosen Berechnungen durchzogenes traktat über die malerische perspektive, das piero zu einem unbekannten Zeitpunkt, in jedem Fall aber vor 1482 schrieb, zeigt uns wichtiges: was, wenn nicht die für den paragone tragende erkenntnis, die Malerei sei eine Flächenkunst, ist der lei­ tende Gedanke dieses Buches – in pieros worten: »la pictura non è se non dimostrationi de superficie«? Und völlig identisch mit leonardos diktion, ihm aber zeitlich voran­

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Vier Kapitel von castigliones Buch drehen sich bekanntlich um den paragone zwischen Malerei und skulptur; s. castiglione, Cortegiano, i, cap. 49–52. santi, La vita, XXii, cap. 91, v. 372ff., s. 674; eine Analyse des gesamten Abschnitts über die Künste mit dem Akzent auf lokale präferenzen Bek, 1969, s. 75–102; konzentriert auf das profil der aufge­ zählten Virtuosen Baxandall, [1972] 1984, s. 148–152. Zur rolle von Ottaviano degli Ubaldini, dem legitimen sohn von Aura Montefeltro und Bernardino della carda, pernis/schneider Adams, 1996, s. 21ff. siehe App. iii/B, nr. 4–6 und aus dem ursprünglich für Federico da Montefeltro bestimmten Archi­ tekturtraktat: nr. 8 (Alberti); nr. 16 (santi); und App. iii/c, nr. 19 (Francesco di Giorgio). schlosser, [1924] 1985, s. 122–123; vgl. Field, 2005 und daly davis, 1977.

1. Alte und neue Fragen zum ›Porträt der Porträts‹

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gehend, erweist sich pieros Apostrophierung der Malerei als »wahre wissenschaft«.28 nach einigen Quellenaussagen besaßen pieros kunsttheoretische Vorstöße für leonardo eine autoritative stellung.29 Bei näherem hinsehen ist festzustellen, dass kein zweites kunsttheoretisches Œuvre aus dem Quattrocento existiert, das mehr als das von piero die Beschäftigung mit Ansichtsseiten von Figuren und deren projektion in die Fläche bekundet – Ansichtsseiten, die piero vorzugsweise »faccie« nennt, oft auch »lati«,30 aller­ dings ohne je direkt vergleichende Überlegungen anzustellen, wie ein Bildhauer dieser Ansichten herr wird. die einzige Bemerkung über skulpturen, die sich im gesamten corpus von pieros schriften findet, ist jedoch aufschlussreich: die statue eines nackten Menschen wird den »irregulären Körpern« zugeordnet, so, als ließe sich die statue, ein Kunstwerk, derart nüchtern fassen. Aber piero überbot sich noch, als er offenbarte, worin der Fokus seines interesses lag: in der Abschätzung ihres Gewichtes durch die Methode der wasserverdrängung. er empfahl deshalb, die statue in einen holzbottich einzutauchen, der mit wasser aufgefüllt ist.31 eine ›ikonoklastische‹ Versenkung der skulptur? dies trifft nicht wirklich zu. pieros traktat enthält keine Fazetie, nicht jenes Genre, das poggio im 15. Jahrhundert so überaus populär werden ließ. wir haben viel­ mehr die herangehensweise eines mathematisch denkenden theoretikers vor uns, des­ sen sachlichkeit teils befremdet, teils besticht.

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piero della Francesca, De prospectiva pingendi, iii, s. 128; die Malerei ist eine »vera scientia« (s. 129); vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 1, der betont, kein Unternehmen könne wahre wissenschaft heißen, das ihren weg nicht durch die mathematische darlegung nehme. – Für die datierung von De prospectiva pingendi besitzen wir nur den terminus ante quem: 1482, das Jahr, in dem Federico da Montefeltro starb. Aus dem dedikationsbrief des Libellus geht der Fürst als empfänger des vorangehenden trakta­ tes hervor. in einem leonardo­Manuskript, das gegen 1497–1502 zu datieren ist, heißt es: »Borges ti farà avere un Archimede del Vescovo di padova, e Vitellozzo quello da il Borgo san sepolcro«; leonardo, Codex L, fol. 2r (paris, institut de France). laut luca pacioli hatte leonardo zudem Kunde von pieros trak­ tat De prospectiva pingendi; er soll deshalb von seinem plan abgerückt sein, ein eigenes Buch über die perspektive zu schreiben. Auf fast jeder seite von folgendem traktat: piero della Francesca, Trattato d’abaco, s. 210–212; s. 227. die datierung dieses traktates (BMl, Ms. Ashburnham 280) bleibt umstritten. die Vorschläge rei­ chen von 1450 bis 1480; dazu Piero della Francesca, 2007, s. 78. piero della Francesca, Trattato d’abaco, s. 234: »et perchè a le volte acade a mesurare corpi inregulari i quali non se possono mesurare per linee, conmo è statue de marmo o de metallo cioè figure de ani­ mali rationali et inrationali; […]. Mectamo che tu vogla sapere quanto è quadrata una statua de uno homo innuda che sia 3 bracci de lungheçça ben proportionata. dico che tu facci uno vaso de legno […]. poi poni o fa’ uno segno a sommo l’aqua, et poi ne mecti dentro la statua che tu voi mesurare; […].«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

Aber mit jener Bildregie, die der Maler im »diptychon der Begegnungen« (wie dieses kürzlich übrigens sehr treffend genannt wurde)32 an den tag legte, tritt ein anderer piero della Francesca zutage, einer, der seiner liebespaar­darstellung mit geradezu poetischem impetus die sehnsucht nach nähe einschrieb, als sie zur Ferne geworden war. die spra­ che, die inschriftliche sprache, wirkt vor diesen Bildern vorweg deskriptiv, wenn es heißt: »Berühmt fährt er, den der ewige ruhm der tugenden geziemend als den höchs­ ten Fürsten gleichgestellt feiert, im hervorragenden triumph, während er das szepter hält«; und: »sie, die im Glück das Maß wahrte, ist, geschmückt mit dem ruhm der taten ihres großen Gatten, in aller Munde.«33 passend zu diesen Zeilen naht von links, schimmel führen ihn an, der wagen mit dem geharnischten Montefeltro­Fürsten in Begleitung der Kardinaltugenden; gebieterisch, als sieger, empfängt er von der geflügel­ ten Fama, die hinter ihm steht, seine Meriten. seine Gemahlin fährt ihm entgegen, auf einem wagenzug, den Amor lenkt und einhörner ziehen. die theologischen tugenden geben ihr ebenso Geleit wie zwei Frauengestalten, die sie flankieren. Datierung Bevor wir versuchen, der lesart, die der Konzeptor wünschte, auf die spur zu kommen, sei noch einmal an Gilberts Argumentation für die post-mortem­these erinnert,34 denn sie bildet die Grundlage unserer Ausführungen. sie beruht im wesentlichen auf drei Feststellungen: erstens auf der (abweichend zum pendant für ihren Mann) in präterit­ umform gehaltenen sockelinschrift auf Battista sforza; in ihr klingt zudem leise ein vielzitiertes römisch­antikes dichter­epitaphium an;35 zweitens scheint ein Kausalnexus zwischen renaissancefürsten als Zentralfigur in triumphdarstellungen und voraus­ gegangenen realen triumphen zu bestehen, d. h. es dürfte eine Allusion auf den sieg vorliegen, den der Montefeltro­Fürst 1472 im dienste der republik Florenz über das aufständische Volterra errang; drittens konzedierte piero der Caritas unter allen tugen­

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Angela dillon Bussi, »il ›dittico degli incontri‹ e altre opere urbinati di piero della Francesca«, in: Paragone, 59, 2008, s. 20–39. die sockelinschrift unter Federicos triumph lautet: »clArVs insiGni VehitVr triVMphO / QVeM pAreM sVMMis dUciBVs perhennis / FAMA VirtVtVM celeBrAt decenter / sceptrA tenenteM«, die seiner Frau zugeordneten Zeilen: »QVe MOdVM reBVs tenVit secVndis / cOniVGis MAGni decOrAtA rerVM / lAVde GestArVM VOlitAt per OrA / cVnctA VirOrVM«. Gilbert, 1968, s. XiV, s. 3, s. 29–32, mit der datierung auf 1472–1473; dem folgten Battisti, 1992, Bd. ii, s. 514–518, Kat.­nr. a12; Ginzburg, [1981] 1991, s. 174 (unter Betonung der »unnatürlichen Blässe« von Battista); lightbown, 1992, s. 228–243; dülberg, 1990, s. 74; pernis/schneider Adams, 1996, s. 102; roeck/tönnesmann, 2005, s. 5. Gemeint ist die wendung »VOlitAt per OrA cVnctA VirOrVM«; vgl., zum epitaph des ennius, cicero, Tusculanae disputationes, i, 34. – Anders als Gilbert betont Battisti, dass »tenuit« eine Kontinuität der handlung meine; s. Battisti, 1992, Bd. ii, s. 516.

1. Alte und neue Fragen zum ›Porträt der Porträts‹

41 lysipp der Jüngere, revers von: Medaille des Martino Filetico, ca. 1480, paris, Musée du louvre, cabinet des Médailles

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42 Bartolomeo sanvito, Vision von Petrarca, aus: petrarca, Rerum vulgarium fragmenta, Triumphi, ca. 1508, cologny­Genève, Biblioteca Bodmeriana, Ms. 130, fol. 107v

den auf Battistas wagen die exponierte, fast einer wagenführerin gleichkommende rol­ le, wobei ihr Attribut, der blutstillende pelikan – nach bewährter christlicher ikonogra­ fie ein sinnbild altruistischer liebe – eingedenk des ›Opfertodes‹, den die junge Gräfin zugunsten des dynastischen stammhalters erlitt, ins Zentrum gerückt ist. das pelikan­ Motiv als revers­Zierde einer reihe teils posthumer Medaillen – unter ihnen für Battis­ tas Mentor, den poeta laureatus Martino Filetico (ca. 1430 – ca. 1483/90) (Abb. 41a–b) – untermauert dieses Vorstellungsgut.36 es ist derselbe Filetico, der, wie Gilbert nicht wusste, 36

Vgl. Gilbert, 1968, s. 99. Filetico war zwischen 1458 und 1460 in pesaro als erzieher von Battista und ihrem Bruder costanza tätig; zur Medaille des Filetico – sie stammt von lysipp dem Jüngeren, s. hill, 1930, nr. 789 und zuletzt in pfisterer, 2008a, Kat.­nr. A.14, s. 401–402. der Medailleur hat das Motiv von pisanellos Medaille des Vittorino da Feltre († 1446) adaptiert (hill, 1930, nr. 38 und The

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

gegen 1462 als dialogautor seiner ›Battista‹ ein augustinisches Bekenntnis zur Vorrang­ stellung der Caritas in den Mund legte.37 nicht unerheblich im Kontext des Ablebens von Battista scheint mir zudem zu sein, dass der selbstzerstörerische pelikan in einem der sechs allegorischen szenarien begegnet, mit denen der berühmte paduanische illumina­ tor Bartolomeo sanvito im beginnenden cinquecento den tod von petrarcas laura visualisierte (Abb. 42),38 nicht ohne m. e. von stofflichen Fährten zu zehren, die petrarca selbst in einer Kanzone gelegt hatte.39 dass Federico da Montefeltro, der diptychon­ inschrift zufolge, unter die herzöge (»dVciBVs«) eingereiht wird – ein status, den er erst am 21. August 1474 errang – 40, verdient nicht viel Gewicht; es mag reine herrscher­ panegyrik sein. wenden wir uns pieros darstellungen zu.

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Currency of Fame, 1994, Kat.­nr. 8–8a, s. 53–54); vgl. auch das Motiv auf Andrea Guazzalottis Medaille von Pius II. († 1464) (hill, 1930, nr. 749) und auf einer Medaille von sperandino von 1482 (ebenda, nr. 388). BAV, Ms. Vat. Urb. lat. 1200; zitiert nach Filetico, Iocundissimae disputationes, ii, s. 218: »sed caritas est quae primum tenet inter omnis virtutes locum; ipsa est ergo bonorum omnium finis, quod isti stoici summum bonum dicerent.« Zu Filetico s. concetta Bianca, s. v. »Filetico, Martino«, in: DBI, Bd. XlVii, [rom, 1997], s. 636–640. (cologny­Genève, Biblioteca Bodmeriana, Ms. 130, fol. 107v); zur ganzseitigen illustration als Auf­ takt der sonetti in morte in Petrarca e il suo tempo, Ausstellungskatalog (padua, Museo civico, 08.05.– 31.07.2004), Mailand, 2006, s. 280, Kat­nr. iV.25; Joseph B. trapp, »the iconography of petrarch in the Age of humanism«, in: Il Petrarca Latino e le origini dell’ umanesimo (Quaderni petrarcheschi 9–10, 1992–1993), Atti del convegno internazionale, Florenz, 19.–22.03.1991, 2 Bde., Florenz, 1996, Bd. 1, s. 11–74, s. 27, s. 36 und Abb. 19. es handelt sich um die Kanzone Standomi un giorno solo a la fenestra; s. petrarca, Canzoniere, nr. 323, s. 826–832. in petrarcas Visionen ist es ein phönix – kein pelikan –, der sich mit dem schnabel selbst zerstört (vv. 49–60); der Kopf einer taumelnden »bella donna« in weißem, golddurchwirkten Gewand ist in eine wolke gehüllt (vgl. sueton, ›caesar‹, 81, 3); (eine schlange beißt sie tödlich in die Fesseln) (vv. 61–72); am Fenster stehend ein wild mit Menschenantlitz (vv. 4–12); sie wird gejagt und zu tode gebissen von einem weißen und schwarzen hund (v. 6); petrarca sieht ein in einen sturm geratendes segelschiff, das auf ein riff aufläuft (vv. 13–24), ein lorbeerbaum in einem wald wurde von einem Blitz geknickt (vv. 25–36); nymphen und Musen nahen einer Quelle, bis diese in einer klaffenden erdöffnung verschwindet (vv. 37–48). näheres in tommasoli, 1978, s. 247.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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2. piero und die Ansichtsfrage »i have heard of your paintings, too, well enough. God hath given you one face, and you make yourselves another.« shakespeare, Hamlet, iii, 1

2.1. die beste Ansicht – in den spuren von Apelles in luftiger höhenlage, erhaben über eine flache hügellandschaft, treffen sich die Blicke des urbinatischen Fürstenpaares. piero porträtierte das wenig gefällige, von markanten einkerbungen entstellte profil des nicht mehr jungen, etwa sechzigjährigen Federico da Montefeltro. die karmesinrote Kleidung spendet dem Mann mit Barett eine gewisse erhöhende dominanz. Gemessen an der Fülle späterer ehepaar­diptychen ist die plat­ zierung des Mannes auf der rechten Bildhälfte als ungewöhnlich anzusehen, mehr noch, als deutlicher Verstoß gegen ikonografische Konventionen. Für gewöhnlich, jedenfalls in den nachfolgebildnissen, fand dort die Gattin ihren platz.41 pieros wahl – hinsichtlich des porträts – fiel auf die rechte Gesichtshälfte des Fürs­ ten. die Gründe bleiben nicht der spekulation überlassen. längst wissen wir um die tragischen Folgen des turnierunfalls, der sich 1451 ereignete, und der dem ungestümen Federico da Montefeltro im Zweikampf das rechte Auge kostete.42 Auch der nasenrü­ cken wurde in Mitleidenschaft gezogen. Kein wunder also, wenn piero, ganz im ein­ klang mit anderen Bildniskünstlern am urbinatischen hof, schon gar keine en face­dar­ stellung dieses regenten erwog.43 er verdingte sich stattdessen dem ideal der dezenz, der würde, des Anstandes in Form einer schmeichelhaften, den Augenfehler kaschieren­ den profildarstellung. piero verfuhr ähnlich wie einer seiner Zeitgenossen. dieser knöpf­ te sich den heutigen Vaticana­codex von Giovanni santis reimchronik vor. wie rober­ to papini 1946 feststellte, überklebte dieser Zensor akribisch ganze passagen von santis 41 42 43

richtig erkannt von woods­Marsden, 2002, s. 111; man vergleiche beispielsweise die ehepaar­dipty­ chen in dülberg, 1990. statt vieler Bernini, 1999, s. 6f. eine Vielzahl von Bildnissen Federicos – von Antonio Alberti da Ferrara über Berruguete zu Justus van Gent – in Fert sangiorgi, Iconografia Federiciana, Urbino, 1982, Abb. 1–18 und lauts/herzner, 2001, Abb. 1, 6–9, 35, 37, 39, 45. Unter den höfischen porträtisten zeigten auch einige den Monte­ feltro­Fürsten von rechts, so als sei das rechte Auge noch vorhanden; s. beispielsweise die nachträglich dem Ms. Urb. lat. 508 als titelblatt beigefügte illumination, die Federico da Montefeltro im Gespräch mit einem Autor (?) zeigt; ich bin recht sicher, dass es cristoforo landino ist. Man vergleiche die Ähn­ lichkeit mit dessen Bildnis in der Volgare­Ausgabe der Naturalis historia von 1476 im Ms. Arch. G b. 6, fol. 001r (Oxford, Bodleian library); s. zuletzt roeck/tönnesmann, 2005, Abb. 13 und Bernini, 1999, Abb. 21. spiegelbildlich von rechts ist Federico auch im Ms. Urb. lat. 491 als reiter vor Volterra zu sehen; s. cap. 5.1.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

überaus schonungsloser Unfallschilderung mit einem pergamentstreifen,44 wie papini vorschlug, um Federicos sohn Guidobaldo vor Grausamkeiten dieses Ausmaßes zu bewahren. Andere frühe Biografen des Montefeltro­Fürsten, wie der Florentiner Buch­ händler Vespasiano da Bisticci und Federicos sekretär pierantonio paltroni, verschwie­ gen den Unfall vollends. Vielfältig waren demnach die Versuche, den turnierunfall des Montefeltro­Fürsten zu verschleiern.45 Unabhängig vom ästhetischen Kriterium des decorum lagen die Motive für dieses Vorgehen auf der hand: die einäugigkeit, dieser par­ tielle Verlust seiner sehfähigkeit, bedeutete für den urbinatischen condottiere ein großes Manko, eine starke Beeinträchtigung seiner wahrnehmungsfähigkeit, im schlimmsten Fall seiner militärischen handlungsfähigkeit. diese durfte keinesfalls – und sei es unter Aufbietung effizienter Kompensationstechniken – in Misskredit geraten. es galt zu ver­ hindern, dass der entstellte wegen seines Gebrechens zur Zielscheibe des spottes wur­ de.46 Von zwei Augen sei dem Montefeltro­Fürsten nur ein einziges geblieben, hob daher Giovanni santi an; aber dieses sehe mehr, weit mehr, als hunderte von Augen. Mit einer reminiszenz an den wächter der io, Argus, heißt es: »de’ dui chiari ochi ad el ne rimase uno, / collo qual più vedea che altri cum cento,«.47 wie wir noch sehen werden, erlangte 44

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die Unfallschilderung, die erwartungsgemäß mit einer Klage über das schlechte walten Fortunas ausklingt, die es zuließ, dass ein unbarmherziger lanzenstoß die Knochen zerschlug und den Fürsten zum teil seiner sehfähigkeit beraubte, in santi, La vita, iii, cap. 14, vv. 166–264, Bd. i, s. 152–155: »ch’el colpo despietato e tanto crudo / percosse in fra’dui cigli, e rompe l’osso, / e qui d’uno ochio dextro el fece nudo.« (vv. 243–247; s. 155); und ebenda, vv. 238–240, s. 154: »la punta de la lancia – hai fier destino! – / sbatte in la tela e salta in la visiera / al conte e dette un colpo grave e apieno;«. in der ersten, später korrigierten Fassung seiner Biografie von Federico da Montefeltro nennt santi die Verliebtheit des urbinatischen Fürsten in ein Mädchen und die unverhoffte wiederbegegnung mit ihr im turnier als impuls, sich diesem Zweikampf zu stellen. der wunsch von dieser Zuschauerin erkannt zu werden und sich vor ihr zu profilieren, habe Federico zum leichtsinnigen Verzicht auf die schließung seines Visiers verführt. die erste textfassung zitiert ebenda, iii, cap. 14, vv. 151–153, Bd. i, s. 152, Anm. 181. Über die verborgenen teile des codex Vat. Ottoboniano lat. 1305 (fols. 69r–v, vv. 181ff.) roberto papini, Francesco di Giorgio architetto, rom, 1946, ii, Appendix iii, s. 277ff.; auszuschließen ist laut papini, dass die Korrektur von Giovanni santi selbst stammt; dazu auch Michelini tocci im Vorwort zu santi, La vita, Bd. i, s. XlViif., s. lXXiX. traditionell gerieten Augenfehler zur bevorzugten Zielscheibe des spottes, so die stielaugen des sokrates (vgl. Xenophon, Symposion, V, 5–7), das triefauge (»stillantis ocelli«) des sergiolus bei Juvenal (Juvenal, Satura, Vi, 109); lästereien über Augenfehler – einen einäugigen – begegnen in der popu­ lären Facezienliteratur; s. poggio Bracciolini, Facezie, nr. 41, s. 160: »de pAUpere MOnOcUlO QUi FrUMentUM eMptUrUs erAt«. ein scherz über das Bildnis des unansehlichen dich­ ters hipponax in plinius, NH, XXXVi, 12, s. 20; vgl. auch cicero, De oratore, ii, 266. die strategien zur Kompensation des Makels können nicht alle genannt werden; s. beispielsweise: santi, La vita, iii, cap. 14, vv. 260–261, Bd. i, s. 155 (zur Umkehrung des Betrüblichen ins Gelassene cicero, De oratore, iii, 30); der turnierunfall als impuls für den Zuwachs an tugend: »[…], ma cum virtù infinita / subito el core a sé hebbe riscosso,«; ebenda, vv. 249–250; Francesco di Giorgio betonte

2. Piero und die Ansichtsfrage

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eine der gängigsten Bezeichnungen im italienischen für »einäugig«, »orbo da un occhio«, besonders in Urbino den Klang einer paronomastischen Anspielung auf die welt (orbis) und auf Urbino. sie löste vermutlich Assoziationen aus wie »die welt mit einem Auge«.48 die schicklichkeit, die pieros Bildnis besitzt, wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn der porträtierte auf der diptychon­Außenseite nicht zudem so ins Bild gesetzt worden wäre, dass selbst die unvorteilhafte, die rechte Gesichtshälfte, ihre angemessene Berück­ sichtigung fand. ein raffinierter strategischer Kniff, eine dissimulatio, wird insofern augen­ fällig, als diese seite des profils offenbar sehr bewusst in weite Ferne gerückt wurde. ein nüchterner Kunsttheoretiker wie piero, der in seinem Malereitraktat, De prospectiva pingendi, nicht wenige skizzen mit Gesichtern in Aufrissen hinterließ (Abb. 43), erweckt von vornherein den Verdacht, dass diese beiden komplementären, auf die Vorder­ und auf die rückseite des diptychons verteilten Gesichtshälften aus einem kalkulatorischen Geist geboren wurden.49 denn fast ist es, als drängte der Maler förmlich darauf, den Kopf vollständig – wie ein Bildhauer – abgebildet zu haben. im gezielten schwanken zwischen Größendimensionen, dem einmal von nah, einmal von fern präsentierten, sahen übrigens nicht allein piero und Giovanni santi ein privileg der Malerei; pontormo

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den wert des geistigen Auges (Francesco di Giorgio, Trattati, Bd. i, s. 3–4): »e siccome noi vediamo che l’uomo ha due occhi co’quali vede e cognosce le cose apparenti, così ha gli occhi visivi debba avere li occhi mentali, i quali sieno guida e via dell’intelletto di giudicare e cognoscere le future cose.« es gab Versuche, Federico in die nähe des glorreichen erretters von rom, horatius cocles (»der einäugige«) zu rücken, dem unübertroffenen exemplum römischer virtus; s. santi, La vita, ›preambulo‹, iii, vv. 41–42, v. 44 und Filetico, Iocundissimae disputationes, iii, s. 256. pacioli wandte sich bezüglich des städtebaus an ludovico sforza und beteuerte seine Zuversicht, dass dieser Mailand in eine eben­ solche stadt wie Florenz verwandeln könne. denn der Mailänder herzog sehe in wahrheit selbst im schlaf mehr als die experten »mit tausend Augen«; pacioli schien beim nachsatz an die einäugigkeit Federicos zu denken: »[…] wie dasselbe ihr naher Verwandter, der erlauchte herzog von Urbino, bei dem bewundernswerten Bau seines würdigen, zuvor erwähnten palastes beweist.« (pacioli, De divina proportione, cap. 54, s. 95: »e pero convenientissimo fia el motto e suo effecto de vostra celsitudine dela cetta che tutto el torto in tappe e continuando el gia incepto el suo Milano non amenor vaghezza che sia Fiorenza in breve redura dala sua abomineuile e inepta impressione removendo loro auctori. perche in vero meglio quella dormendo che lor con millochi veggiando quelli intende commo el simile demostra el suo stretto affine illustrissimo duca de urbino nella miranda fabrica del suo degno preal­ legato pallazzo«). inwiefern petrarcas sonett über das eindringen des schmerzes ins rechte Auge sti­ mulierend für urbinatische dichter wurde, ist unklar: petrarca, Canzoniere, nr. 233, vv. 9ff., s. 618: »ché dal dextr’occhio, anzi dal dextro sole / de la mia donna, al mio dextr’occhio venne / il mal che mi diletta et non mi dole;«. siehe cap. Vi., 2.2. dieser Gedanke wurde durch die Volgare­Version (v. 1439) einer trostschrift von Manetti nahegelegt. in dieser wurde die Möglichkeit der erhebung eines weisen zu einem höchst erhabenen Ort erwogen, von dem aus er mit Argusaugen einsicht in die ganze welt haben könne; Giannozzo Manetti, Dialogus consolatorius, s. 63: »Ma se fusse possibile che qualche savio uomo salis­ se in uno luogo sì elevato da terra che cogli occhi d’Argo comprendesse tutto l’universo mondo […].« piero della Francesca, De prospectiva pingendi, fol. 97r; s. Piero della Francesca, 2007, s. 184.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

43 piero della Francesca, De prospectiva pingendi, parma, Biblioteca palatina, Ms. 1576, fol. 97r

legte im cinquecento nach und begründete dergestalt die superiorität der Malkunst gegenüber der skulptur.50 dieses changieren zwischen nähe und Ferne spielt mit der 50

piero della Francesca, De prospectiva pingendi, iii, fol. 32r, s. 129: »[…] socto diversi angoli s’apresentano nel dicto termine, et però che d’onni quantità una parte è sempre a l’ochio più propin­ qua che l’altra, et la più propinqua s’apresenta sempre socto magiore angolo che la più remota nei ter­ mini assegnati […]«; santi, La vita, XXii, cap. 91, Bd. ii, vv. 352–353, s. 673: »[…] e ciò che la natura per lontano / o da presso dimostra cum chiar stile«; und v. 258, s. 669: »varij distanzi«; dass die pro­ spekte der Bildhauer nicht überzeugen, die der Maler aber hunderte von Meilen ins Bild hineinge­

2. Piero und die Ansichtsfrage

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44 piero della Francesca, rückseite von: Madonna mit Kind, ca. 1435, privatsammlung

varietas unter Zuhilfenahme der doppelseitigen Bildbemalung. piero hat die Zweiseitig­ keit bereits zuvor in seinem Œuvre kultiviert. Gegen 1435 verzierte er die rückseite einer Madonna mit Kind in Gestalt eines monochrom gemalten Gefäßes in einer nische (Abb. 44). Über die geistigen hintergründe der Bild­Kombination wissen wir nichts.51 Anders gestaltet es sich hinsichtlich der wurzeln des auf erfüllung des decorum angelegten porträt­Konzeptes, wie es das Montefeltro-Diptychon aufweist. Zu ihm hat sich eine zeitgenössische referenz erhalten, die authentisch genau jenes beherrschende wahrnehmungskriterium preisgeben dürfte, mit dem das Bildnis von Federico am hofe goutiert wurde. es war Grayson, der 1964 diese frühe Quelle zu pieros diptychon ans licht brachte. in einer Glosse unter dem rubrum ›Apelles‹, enthalten in seiner Abschrift von Albertis traktat De pictura, bot Giovanni Battista panetti (1439 – ca. 1497), ein Karmelitermönch aus Ferrara, eine erstaunliche synthese, so sehr sie auf einer Verwechs­

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hen, in leonardo, Libro di pittura, i, 38 und 41; vgl. im Kontext der imitatio des Malers, s. pontormo im ›paragone­Brief‹ an Varchi, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 505: »paesi lontani e da presso.« Zu pieros Madonna mit Kind zuletzt mit weiterführender literatur Piero della Francesca, 2007, s. 200–201, Kat.­nr. 5, Abb. auf s. 99. – das Motiv in Verbindung mit der beidseitigen Bemalung lässt an ein paragone­Argument denken, das in leonardos Parte prima greifbar wird: die Vielansich­ tigkeit der skulptur wird abschätzig mit dem produkt eines topfdrehers – einem Gefäß – verglichen, das ebenfalls viele Ansichten vorzuweisen habe; s. leonardo, Libro di pittura, i, 43.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

lung von piero mit Andrea Mantegna beruht: »Apelles. Und Mantegna hat das buck­ lige Gesicht Federicos ansehnlich gemalt«.52 panettis Aussage, deren exakte datierung nicht gesichert ist, deckt sich zunächst mit einer information, die Bernardino Baldi gegen 1600 einstreute, als er, sich vermutlich auf ältere Quellen stützend, in seiner Mon­ tefeltro­Biografie schrieb: ein tumor (»zapuros«) habe die wange des herzogs ver­ unziert, da er als elfjähriger an einer erkrankung litt – mit der Folge, dass eine schwä­ rende wunde narben nach sich zog.53 Offenkundig, nach panettis worten geurteilt, war dem ästhetisierenden Kniff des Malers aus Borgo sansepolcro ein nicht geringes echo beschert, das sich untrennbar mit der Malerpersönlichkeit des Apelles und dem prototyp, den dieser schuf, verband. es ist verhältnismäßig gut erforscht, das in rede stehende Apelles­Bildnis des (wie Federico) einäugigen Königs Antigonos, dessen geschöntes porträt mit einer wiedergabe allein der unversehrten Gesichtshälfte erreicht wurde, zählt es doch zu den Kniffen, die dem höfi­ schen postulat des schicklichen (aptum, decorum, discrezione) gehorchen.54 das erlaubt uns, allein der relevanz nachzugehen, die diese Anekdote, einst von plinius, Quintilian

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»Apelles / et mantegna fredericum gi/bum facie conspicuum pinxit« (ravenna, Biblioteca classe­ nse, Ms. cod. 146, fol. 43r). ich bedanke mich beim direktor der Biblioteca classense, donatino domini, für die Angabe der seitenzahl und die Verbesserung der nicht ganz korrekten transkription von cecil Grayson, »l. B. Alberti’s ›costruzione legittima‹«, in: IS, 19, 1964, s. 14–27, s. 25. der codex gehörte zuerst lodovico carbone, dessen handschrift – neben der von panetti – ebenfalls im codex zu identifizieren ist; näheres dazu in Leon Battista Alberti: la biblioteca di un umanista, Ausstel­ lungskatalog (Florenz, Biblioteca Medicea laurenziana, 08.10.2005–07.01.2006), hrsg. v. roberto cardini, Florenz, 2005, s. 62, 63, Kat.­nr. 41, s. 343. – die Verwechslung von piero mit Mantegna beruht möglicherweise auf der früh populären stilisierung Mantegnas zum alter Apelles, beispielswei­ se bei Filippo nuvolini und stefano Buzzoni. Baldi, Vita e fatti di Federigo, s. 11–12; dazu pernis/schneider Adams, 1996, s. 17. die Antigonos­Anekdote im Kontext des paragone erstmals in hessler, 1992, s. 175f.; Freedman hält die Anekdote der intention nach für ein exemplum der Klugheit des Malers; s. luba Freedman, »the concept of portraiture in Art theory in the cinquecento«, in: ZfÄsth, 32, 1987, s. 63–82, s. 67; luke syson, »Alberti e la ritrattistica«, in: Leon Battista Alberti, 1994, s. 46ff.; roeck/tönnesmann, 2005, s. 14–15 unter Verweis auf das ungeschönte temperabild eines anderen einäugigen: das im pisanello­ Umkreis 1432 gemalte Porträt des Oswald von Wolkenstein (auf dem Vorsatzblatt einer liederhand­ schrift der Universitätsbibliothek innsbruck). Zum decorum statt vieler Martin Kemp, »Virtuous Art­ ists and Virtuous Art; Alberti and leonardo on decorum in life and Art«, in: Decorum in Renaissance Narrative Art, hrsg. v. Frances Ames­lewis, london, 1991, s. 15–23; zur discrezione Francesco di Giorgio, Trattati, 45; sarah spence, »the topos of discretion in troubadour poetry«, in: Romanische Forschungen, 112, nr. 2, 2000, s. 180–191 und paolo d’Angelo, Ars est celare artem, Macerata, 2005. das bildhafte denken von Quintilian wirkte sich begünstigend auf eine Übertragung der dissimulatio­technik auf die Bildniskunst aus: ein Proemium mit Fehlern könne aussehen wie ein mit narben entstelltes Gesicht (»vitiosum prooemium possit videri cicatricosa facies«), oder: ihm jedoch, dessen Blick immer auf die natur gerichtet sei, werde jeder Mann schöner erscheinen als ein Verschnittener, »spadone«; Quintilian, Instititio oratoria, iV, 1, 61 und V, 12, 19, Bd. i, s. 428, s. 622f.: »sed mihi

2. Piero und die Ansichtsfrage

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und strabon referiert, für die paragone­diskussion besaß. im heuristischen Vorgriff sei in diesem Kontext auf die Quintessenz verwiesen, die der Florentiner Antonfrancesco doni 1549 aus dem Kunstgriff des Apelles zog: »[…] diesen schaden [sc. den physi­ schen] hätte die skulptur nicht verbergen können«,55 heißt es. doni meinte zweifellos die mit der rundansichtigkeit der plastik einhergehende schonungslose Ausgeliefertheit des porträtierten an die Betrachter­Blicke. Auf der skulpturalen rundansicht basierte nicht erst im cinquecento der stolz der Bildhauer. so spiegelt die aus wachs geformte statue des ermordeten cäsar, die man, dem Geschichtsschreiber Appian zufolge, durch eine Vorrichtung »nach allen seiten wenden« konnte, entschieden den frühen wunsch zur Ostentation aller imposanter Ansichten.56 seit Albertis De pictura, gefolgt von Francesco patrizi, ermolao Barbaro bis weit ins cinquecento hinein, konzentrierte sich die rezeption der Antigonos­Geschichte, wie sie in der Kunstliteratur zu finden ist, vorzugsweise auf die worte plinius’ des Älteren, die Folgendes besagen: »er [Apelles] malte auch ein Bild des Königs Antigonos, der ein Auge verloren hatte, und dachte als erster an ein Verfahren, schäden zu verbergen; er malte [ihn] nämlich von der seite, damit das, was dem Körper mangelte, eher der Male­ rei zu fehlen schien, und zeigte nur den teil des Gesichts, den er ganz zeigen konnte.«57 die Zwiespältigkeit dieser Bewertung springt ins Auge. trotz der hochachtung vor dem erfundenen ›Malverfahren‹ und der Apostrophierung des Apelles als dessen Archeget verschweigt plinius nicht das defizit der Malkunst: ihre in Anbetracht der Flächenhaf­

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naturam intuenti nemo non vir spadone formonsior erit, […].« die Aufforderung zum Verbergen der Fehler eines Gesichtes in Ovid, Ars amatoria, iii, vv. 261–262. Bislang unbeachtet doni, Disegno [Venedig, 1549], in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 556–557: »chiamasi dunque Apelle, che faceva cose inaudite et aveva giudicio retto, perché si vede che nel fare la faccia d’Antigono, il quale era cieco da un occhio, la voltò in modo che coperse quel difetto. et questo mancamento non arebbe potuto asconder la scoltura.« nicht anders Varchi, Lezzione, iii, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 56f: »[…] molto fu lodato la prudenza d’Apelle, il quale devendo ritrarre Antigono, che era cieco da uno occhio, diede tal sito alla figura, che ascose quell’occhio di maniera che non si poteva vedere; la qual cosa non arebbe potuto fare uno scultore in tutto rilievo.« Appian, Bellorum civilium liber, ii, 147. plinius, NH, XXXV, 90, s. 70f. (Üs: roderich König): »pinxit et Antigoni regis imaginem altero lumine orbati primus excogitata ratione vitia condendi; obliquam namque fecit, ut, quod deerat cor­ pori, picturae deesse potius videretur, tantumque eam partem e facie ostendit, quam totam poterat ostendere«; getreu referiert in Barbaro, Castigationes Plinianae, s. 1130; gegen 1450 heißt es in Fran­ cesco patrizis traktat über die ideale herrschaft (patrizi, De regno et regis institutione, Vi, cap. 17: »de versutia, et calliditate«, s. 152): »Astutus etiam habitus est Apelles. pinxit enim Antigoni simula­ chrum, et deformitas effossi oculi cerneretur, illud tantum altero latere ostendit, quum alterum ex picturae arte lateret;« ebenda, iX, s. 386: »[…] facieque deformi, et cum altero oculo captus esset, longe deformior videbatur […].« Unter Angabe des Aufstellungsortes des Bildnisses, im Asclepieium von drecanum, strabon, Geographie, XiV, 657. Belege der rezeption der Antigonos­episode v. a. in curtius, [1948] 101984, s. 544.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

tigkeit zwingende Beschränkung auf eine einzige Ansichtsseite des Gesichtes – eine schwäche, die Apelles geistesgegenwärtig in ihre stärke umzumünzen wusste: er zeigte sein Modell nur von der besten, der makellosen seite. dass von einer ›seite‹ oder einem ›teil‹ die rede ist, hätte Kunsthistoriker längst hellhörig dafür machen müssen, dass in dieser episode wurzeln der Veduten­diskussion des paragone liegen. wir erinnern uns: Vor allem die Bildhauer des cinquecento begründeten die Überlegenheit, die ihre Kunstgattung gegenüber der Malkunst aufweist, mit den unzähligen Ansichtsseiten ihrer statuen.58 Quintilian beschwor selbst schon einen rangstreit herauf, als er, konträr zu plinius und nicht bar der Kritik an Apelles, keinen hehl aus seiner Vorliebe für die wiedergabe von Gesichtern in ihrer Gänze machte. er leistete dergestalt indirekt der Überlegenheit dreidimensionaler Bildnisse Vorschub.59 ein wandel zeichnete sich inner­ halb von Albertis Œuvre ab: hatte der Kunsttheoretiker in De pictura eingedenk des Antigonos­Bildnisses eine von Malern und Bildhauern praktizierte Verschleierungstech­ nik beredet, so wollte er diese in Della pittura allein den händen der Maler anvertraut wissen.60 die denkweise, die Alberti auswies, tritt zudem aus einer ironischen Volte her­ vor, die 1437 eingang in seine Apologi fand, ein Konvolut an Fabeln. Auch sie dreht sich um einen Augenfehler in der sphäre der Kunst. wenn der Meißel dazu bestimmt ist, dem schielen der Venus des praxiteles ein ende zu bereiten, wird suffisant ins Bewusst­ sein gerückt, dass die Möglichkeit des Bildhauers zum Verbergen des Augenfehlers nicht wirklich existiert. das trifft um so mehr zu, da die Vielansichtigkeit dieser antiken sta­ tue geradezu sprichwörtlich war.61 in frühen traktatschriften von Bildhauern – Ghiberti, Filarete und Francesco di Giorgio – sucht man vergebens etwaige Auseinandersetzungen 58 59

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Zur Veduten­diskussion im cinquecento Mendelsohn, 1982, s. 124; Von allen Seiten schön, 1995; larsson, 1974. Quintilian, Institutio oratoria, ii, 13, 12, Bd. i, s. 224f. (Üs: helmut rahn): »habet in pictura speciem tota facies: Apelles tamen imaginem Antigoni latere tantum altero ostendit, ut amissi oculi deformitas lateret.« (im Gemälde kommt am besten das ganze Gesicht [tota facies] in erscheinung. Apelles indessen zeigt das Bild des Antigonos nur von einer seite, um den hässlichen Verlust des einen Auges zu verbergen). in De pictura sprach Alberti zunächst von Malern und Bildhauern, die sich dieser Verschleierungs­ technik bedienten; später, in Della pittura, ist allein von Malern die rede; s. Alberti, De pictura, ii, 40, s. 268: »Apelles Antigoni imaginem ea tantum parte vultus pingebat qua oculi vitium non aderat. peri­ clem referunt habuisse caput oblongum et deforme; idcirco a pictoribus et sculptoribus, non ut caeteros inoperto capite, sed casside vestito eum formari solitum«; vgl. derselbe, Della pittura, ii, 40, s. 130: »e dice plutarco gli antiqui pittori, dipignendo i re, se in loro era qualche vizio, non volerlo però essere non notato, ma quanto potevano servando la similitudine, lo emendavano«. Vgl. plutarch, ›perikles‹, 3, 2. Über die große wirkung des geschönten Bildnisses eines Königs Sap 14, 19f. – Über die würde als desi­ derat, ohne die selbst das wohlgestaltete verunstaltet erscheine, vgl. Valla, De voluptate, iii, 3f. Alberti, Apologi centum, nr. 68, s. 94: »praxiteles quom a Veneris statua, quae indecenter intuebatur […] ferro tandem id ipsum [vitium] tollendum censuit« (Als eine Venus­statue, die praxiteles angefertigt hatte, ihn mit schielendem Auge ansah […] beschloss er, den Fehler selbst mit seinem Meißel zu beseiti­

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mit dem Antigonos­stoff. In praxi sieht es jedoch anders aus. denn auf dem Feld der Medaillen­ und der reliefkunst fühlten sich Bildhauer sehr wohl in die lage versetzt, mit Apelles schrittzuhalten. das beweist eindrucks­ voll die Filarete zugeschriebene Medaille des Francesco Filelfo (Abb. 45), gegen 1459 angefer­ tigt. ihr gebührt schon deshalb Aufmerksam­ keit, weil der humanist Filelfo (1398–1481) in den siebziger Jahren des Quattrocento an einer Biografie über Federico da Montefeltro schrieb. Mit diesem Fürsten, in dem er vermutlich eine Art alter ego sah, teilte Filelfo das schicksal der stigmatisierung durch ein schlimmes wund­ mal im Gesicht, nachdem ihm, dem bösen läs­ 45 Antonio Filarete (zugeschrieben), Medaille des Francesco Filelfo, Avers, ca. 1459, wien, Kunsthis­ terer, die schergen von cosimo de’ Medici – im torisches Museum, Münzkabinett versuchten Meuchelmord – 1433 einen schwert­ stich verabreicht hatten. er drang in die rechte wange und nasenhälfte ein.62 Auch ohne den direkten nachweis der Bekanntheit dieses exponates am urbinatischen hof erbringen zu können, ist Filelfos Medaille vor dem skizzierten hintergrund große Bedeutung beizumessen: nicht weniger nämlich, als die eines der wahrscheinlichsten Vorbilder, an denen piero Maß nahm. Aus der einlösung der discrezione, wie sie zweiseitige Kunstwerke erfindungsreich leisten, erwuchs diskus­ sionsstoff. nicht von ungefähr assoziierte ein Kunsttheoretiker, Bartolomeo Maranta,

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gen); unberücksichtigt in hinz, 1998; die dissimulatio im Kontext der Augen auch in Gauricus, De sculptura, cap. 3, s. 139: »horum nanque paruitas; dissimulatiorem, […]«; vgl. platon, Theaitetos, 143e. (wien, Kunsthistorisches Museum, inv.­nr. Mk 477bb); hill, 1930, s. 235, nr. 906, mit der zwei­ sprachigen Aufschrift: »FRANCISCVS PHILELFVS • ΦРАΓКІΖΚΟΣ ΦΙΛΕΛΦΟΣ«. (Mein dank gilt dem philologen Giuseppe Germano für die entzifferung der schwer lesbaren inschrift). Filelfo berichtete tommaso de’Bizzocchi in rimini einen Monat nach der tat brieflich vom Attentat: »[…] cum ac formabili ac periculosissima percussione, adeo ut et nasum ac dexteram genam cum penitus tum prope totam absciderit«; zitiert nach diana robin, Filelfo in Milan. Writings, 1451–1477, princeton, 1991, s. 19–20, über die tat auch s. 17ff.; im »Appendix A« von robins Buch der Abdruck des detailrei­ chen Briefes vom 28. März 1439 an enea sylvio piccolomini über den Vorgang; der Brief gehörte zu seinen Epistolae familiares (Venedig: wendelin von speier, 1473). – das in der Medaille zur Geltung kommende decorum ist meines wissens noch nicht erkannt worden; zur ikonografie allein des revers s. Ulrich pfisterer, »›soweit die Flügel meines Auges tragen‹«. leon Battista Albertis imprese und selbst­ bildnis‹«, in: Mitt. Florenz, 42, 1998, s. 205–251, s. 206f., s. 209, Abb. 5a–b.– Unvollendet blieb Filel­ fos Biografie des Montefeltro­Fürsten, an der er zwischen 1473 und 1476 schrieb, namentlich die Commentarii de vita et rebus gestis Federici comitis Urbinatis, Ligae Italica Imperatoris (Ms. Vat. Urb. lat. 1022); die Verwundung Federicos ist im dritten Buch über die Zeit des Unfalls nicht erwähnt.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

das Antigonos­Bildnis gegen 1531 keineswegs mit einem Gemälde, nein, mit einem Medaillenporträt.63 die vollplastische porträtkunst aber, sie war zu keiner Zeit imstan­ de, der Malkunst den superioritätsanspruch in demjenigen punkt streitig zu machen, in dem piero ihn im Montefeltro­Diptychon anmeldete: in dem auf die ästhetisch optimie­ rende Beschränkung der Ansichten, wobei zugleich das electio­prinzip der Malerei ein­ floss, wie es Zeuxis vorschwebte. dieses war bereits Xenophon wohlbekannt.64 nach einer empfehlung, die cennino cennini den Malern anheimgab, verhieß die Anwen­ dung dieses prinzips ruhm: »Achte darauf, immer das Beste auszuwählen und das, was den meisten ruhm verursacht«, schrieb er.65 Kommen wir auf Antigonos zurück. Antigonos ›Monophthalmos‹ (der einäugige), der erfolgreiche Offizier Alexanders des Großen, laut diodorus siculus der effektivste heerführer Makedoniens, bot dem urbinatischen condottiere nicht geringe identifika­ tionsmöglichkeiten,66 und es ist kein wunder, wenn sein name in Martino Fileticos Iocundissimae disputationes fast ein dutzend Mal fällt.67 der Forschung ist entgangen, dass dem Maler aus Borgo sansepolcro nicht allein das berüchtigte Bildnis des einäugi­ gen antiken helden als inspirationsquell diente, sondern ein zweites Gemälde, in dem der gleiche heros figurierte und das sich ebenfalls Apelles verdankt. Zunächst berichtet plinius über ein Malwerk, das Antigonos zeigt, »wie er im harnisch sein pferd führt«, um schließlich noch ein weiteres, ein drittes Antigonos­Gemälde des Apelles einzubrin­ gen. Für dieses reichen plinius angesichts des Konsenses der Kunstexperten über das angeblich beste werk dieses Malers allein superlative: »die bedeutenderen Kunstver­ ständigen«, heißt es, »bevorzugen von allen seinen werken denselben zu pferde sitzenden

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siehe Bartolomeo Maranta, Discorso, in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 891. in der rhetorik bezeichnete die electio die geeignete Auswahl aus dem Materialreservoir; s. Quintili­ an, Institutio oratoria, i, 12, 4; iX, 4, 58; vgl. lausberg, 1960 31990, § 462, 4. Über die perfektionie­ rung von Gemälden durch die Auswahl untadelhafter Körperteile: Xenophon, Memorabilien, iii, 10, 2; zur Zeuxis­Anekdote und dem eklektizistischen darstellungsideal pasquale sabbatino, La bellezza di Elena. L’ imitazione nella letteratura e nelle arti figurative del Rinascimento (Biblioteca dell’ ›Archi­ vium romanicum‹ 278), Florenz, 1997. cennini, Il libro dell’arte, cap. 27, s. 27: »Guarda di pigliare sempre il migliore, e quello che ha mag­ gior fama […].« diodorus, Bibliothek, XViii, 23, 3–4. – Biografisches und über antike darstellungen des Antigonos – eine statue in skepis, rhodos, Athen, delphi und Olympia – richard A. Billows, Antigonos the One-Eyed and the Creation of the Hellenistic State, Berkeley, los Angeles und london, 1990, s. 7, Anm. 18, s. 10, s. 312. – die identifizierung mit Antigonos war nicht selbstverständlich, wie Bellin­ cionis epigramm für ludovico Il Moro zeigt (Bellincioni, Rime, Bd. ii, s. 111): »Antigonus non sis igitur, ludovece, pretenti, / Magnus Alexander tu magis esse velis.« Zu Antigonos auch Fregoso, De dictis, iii, fol. M7v, s. v. »Antigonos«. Filetico, Iocundissimae disputationes, iii, s. 337ff.; santi, La vita, ›preambulo‹, cap. 3, v. 83, s. 20; XiX, cap. 73, v. 219, Bd. ii, s. 537.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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König [Antigonos] […].«68 Mit anderen worten: piero hat im Montefeltro-Diptychon drei Meisterwerke des antiken Malers, die sich alle um König Antigonos drehen, kon­ taminiert: neben dem porträt, in dem der Kunstgriff der dissimulatio waltet, auch das des Antigonos im harnisch und das, jedenfalls nach dem Kunsturteil des Altertums, herausragendste Gemälde des Apelles, wobei anstelle des reitenden heerführers ein pfer­ dewagen getreten ist, auf dem sein moderner wiedergänger – Federico da Montefeltro – sitzt. dieser äußerst dichte, gebündelte wettstreit mit dem antiken Malvirtuosen in einem einzigen Kunstwerk stellt aus kunsthistorischer warte fraglos ein Kuriosum dar. es darf bezweifelt werden, dass es substanziell allzu sehr um einen rekurs auf Antigonos als person ging, der, nebenbei bemerkt, nach einer episode des Alexanderromans – sie ist mit einem Bildnis verwoben – in die rolle Alexanders des Großen schlüpft.69 leitend dürfte vielmehr der durch plinius’ Bericht gestiftete decorum­concetto sein. Und dass plinius – nicht etwa Alberti – pieros Quelle war, ist angesichts der im diptychon auf­ blitzenden referenzen an die beiden szenischen Antigonos­darstellungen mit seltener eindeutigkeit zu erschließen.70 cristoforo landino dachte in seinem Buch, das er 1472 Federico da Montefeltro dedizierte, es sind die Disputationes Camaldolenses, vielleicht an die besagten darstellungen des sitzenden oder stehenden Antigonos, als er den denk­ mälern vieler hervorragender Männer gedachte, die entweder zu pferd oder sitzend ver­ ewigt worden seien.71 tatsache ist, dass cennino cennini einige Generationen zuvor unter Berufung auf eben diese Variabilität der posen und der Ansichten die Freiheit, die dem Maler gewährt sei, charakterisiert hatte, namentlich die des Malers, dem es – in freier Anverwandlung des Dictum Horatii – in Analogie zum dichter vergönnt sei, ganz nach persönlichem Gutdünken (»secondo sua volontà«) »eine Gestalt reitend oder sit­ zend […] zusammenstellen zu können.«72 liegt darin nicht fast wörtlich die eigenheit 68

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plinius, NH, XXXV, 96, s. 74f. (Üs: roderich König) s. 282: »[…] Antigonum thoracatum cum equo incedentem. peritiores artis praeferunt omnibus eius operibus eundem regem sedentem in equo […].« Vasari, Le vite, Bd. i, s. 37, paraphrasiert den passus. Vgl. Alexanderroman, iii, 19ff. nach dem roman rief Königin Kandake, beeindruckt von Alexanders siegen, ihren diener, der Maler war. er sollte Alexander entgegengehen, um ihn insgeheim zu malen. sie wahrt das Bildnis an einem verborgenen Ort auf. Aus taktischen Gründen tauscht Alexander die rolle mit dem Gesandten Antigonos, der sich als Alexander ausgeben soll, und Alexander gibt vor, Antigonos zu sein. wegen des Bildnisses entlarvt Kandake den schwindel. sie spricht ihn mit dem richtigen namen an. der verblüffte Alexander wird von ihr zu seinem Bildnis geführt. er zittert, sie triumphiert. er, der große Feldherr, sei von einer einzigen Frau besiegt worden. Aber sie rettet sein leben, indem sie ihn vor anderen Antigonos nennt. Alberti, Della pittura, ii, s. 130: »dipignevano gli antiqui l’immagine d’Antigono solo da quella parte del viso ove non era mancamento dell’occhio.« landino, Disputationes Camaldulenses, i, s. 34: »Videmus multis excellentissimis viris statuas erectas neque solum togatas, verum etiam equestres atque curules […].« cennini, Libro dell’arte, cap. 1, s. 4: »[…] al dipintore dato è libertà potere comporre una figura ritta, a sedere […], si come gli piace, secondo sua fantasia.« Vgl. den originären Bezug auf Mischwesen in

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

der dichotomen Komposition von piero: in der individuellen Zusammenstellung ver­ schiedener posen und Ansichten ein und derselben person in einem einzigen Kunstwerk, einmal (durchaus im horazischen sinne) von nah, einmal von fern73 und alles nach Maßgabe von Meisterwerken des Apelles? wer mochte unter diesen Voraussetzungen, bei dieser tour de force, am Vorliegen vieler vorzüglicher Ansichtsseiten zweifeln? pieros traktat De prospectiva pingendi spiegelt wie gesagt vor allem die Beschäftigung mit Ansichten; er nennt sie »faccie« oder »molti et diversi lati«.74 Man sucht keineswegs vergebens nach einer resonanz, die die zugespitzten Anlei­ hen, die piero beim berühmtesten Maler des Altertums nahm, auslösten, als er sich erfin­ derisch in sein leitbild hineindachte. der Apelles­rekurs, nun gedeutet als superatio­ Motiv, bestimmt das Gedicht eines gewissen contes Fantini. Kaum zufällig nach dem tod von Battista sforza verfasst, gilt es einem von piero gemalten Porträt des Federico da Montefeltro – Verse, mit denen wir uns noch eingehender zu beschäftigen haben, da man in ihnen liest: »denn du[, piero,] schaffst Besseres als die Kunst des Apelles.«75 der Ver­ gleich zwischen piero und Apelles drängte sich 1494 einer weiteren persönlichkeit auf, luca pacioli, pieros compatrioto,76 während piero selbst den Malerfürsten mehrfach in seinen traktaten in die ehrengalerien antiker Künstler integrierte.77

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horaz, Ars poetica, vv. 1ff.; an das Dictum Horatii knüpft meines erachtens noch Bronzino in der Frage der vedute an; s. seinen ›paragone­Brief‹ an Varchi, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 501: »[…] il quale [il pittore] non fa mai in una figura altro che una sola veduta, la quale sceglie a suo modo […].« horaz, Ars poetica, vv. 361–362, s. 566: »Ut pictura poesis: erit quae, si propius stes, / te capiat magis, et quaedam, si longius abstes«. piero della Francesca, De prospectiva pingendi, i, fol. 7v, s. 79; ii, fol. 17v, s. 100. Zur einschätzung von Apelles als besten Maler des Altertums s. Schema 2a. das vollständige Gedicht Fantinis in cap. 4.2. ein stimulus für piero mochte die Aussage von Alberti sein: wenn schon die Beschrei­ bung eines Apelles­Gemäldes gefalle, solle man bedenken, welches wohlgefallen und welchen reiz der Anblick eines Gemäldes von der hand des Apelles böte; s. Alberti, Della pittura, iii, s. 152: »Quale istoria se mentre che si recita, piace, pensa quanto essa avesse grazia e amenità a vederla dipinta di mano d’Appelle!« pacioli beschrieb piero als Adept der Vierfarbenmalerei des Apelles; s. pacioli, Summa de arithmetica, V, cap. 6, fol. 68v; vgl. plinius, NH, XXXV, 50; vgl. John Gage, »A locus classicus of colour theory. the Fortunes of Apelles« in: JWCI, 44, 1981, s. 1–26 mit weiteren Angaben; der Vergleich eines zeit­ genössischen Malers – Giotto – mit Apelles bereits in Boccaccio, Genealogia deorum, XiV, 6; 21, Bd. Vii/Viii/2, s. 1396: »sed deprecor: si praxiteles aut phydias, sculptura doctissimi, inpudicum sculpserint pryapum in Yolem nocte tendentem potius quam spectabilem honestate dianam, aut si pingat Apelles seu noster ioctus, quo suo evo non fuit Apelles superior, Martem se Veneri inmiscen­ tem potius quam iovem diis ex throno iura prebentem, has artes damnandas fore dicemus?«; der indirekte Vergleich Jan van eycks mit Apelles Facio, De viris illustribus, s. 165. Mehr zu diesem the­ ma ruth wedgwood Kennedy, »›Apelles redivivus‹«, in: Essays in Memory of Karl Lehmann, hrsg. v. lucy Freeman sandler, new York, 1964, s. 160–170. piero della Francesca, De prospectiva pingendi, iii, s. 129: »[…] molti antichi dipinctori aquistaro perpetua laude. commo […] Apello […]«; derselbe, Libellus, i, fol. 1r: »inter antiquos pictores […] Apellem, ceterosque qui nobilitatem ex arte sunt consecuti […].«

2. Piero und die Ansichtsfrage

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ein bedeutender, gegen 1534/1535 anzusiedelnder nachhall auf das Antigonos­Bild­ nis, ohne Vorbehalt ein später Kulminationspunkt, liefert uns den eindeutigen Beweis, dass die episode agonal verortet ist oder wurde. der aus como stammende Geschichts­ schreiber paolo Giovio lässt im Brief an Girolamo scannapeco einen Malerwettstreit um das Bildnis des einäugigen Königs Antigonos revue passieren, wobei sich drei Vertreter ihrer Zunft, angeblich zugehörig zur schule des Apelles, die stirn bieten: polignot, sko­ pas und diokles.78 polygnot und skopas, der eine ein Verfechter strenger naturtreue (d. h. der Mimesis), der andere ein allzugroßer schmeichler, ziehen den Kürzeren gegenüber diokles, der sich mit seinem Kunstgriff als geschickter epigone des Apelles erweist und, aristotelisch eingefärbt, als Agent des goldenen Mittelwegs zwischen zwei extremen. Abgesehen davon, dass der Antigonos­Geschichte seit jeher agonaler Zündstoff inhärent war, leitet sich dieser strang der rezeptionsgeschichte von einer notiz plinius’ des Älte­ ren her, über die man leicht hinwegliest: ein »König Antigonos« befand sich nämlich auch im Œuvre des erzrivalen von Apelles: protogenes; dieser nahm bekanntlich den wettstreit mit dem Malerfürsten auf.79 Vom besagten ideal des goldenen Mittelweges hielt piero sich nicht weit entfernt. Geschöntes und nicht Geschöntes koexistieren in Federicos porträt. so wird die schmei­ chelhafte Konzentration auf die ›bessere Gesichtshälfte‹ – die stirnglatze wird vom hut (auf der Außenseite vom lorbeerkranz) verdeckt – 80 durch einige Makel konterkariert, genauer, mit individualitätsmerkmalen wie der Adlernase und unschönen warzen. es sind nicht zuletzt diese schönheitsmakel, mit denen piero die für die dissimulatio so 78 79

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siehe den Brief im App. ii/G­e. plinius, NH, XXXV, 106, s. 80–82: »fecit […] et Antigonum regem […].« Über den wettstreit zwi­ schen Apelles und protogenes (s. App. ii/d); über wettstreite mit themengleichen Kunstwerken s. Schema 3. – Giovios frei erfundene parabel didaktischen Zuschnitts ist ein Ausläufer des ›ciceronia­ nismusstreits‹, der sich um kontroverse nachahmungskonzepte drehte. Ausgelöst in den letzten dezennien des Quattrocento durch einen Briefwechsel zwischen poliziano und paolo cortesi, erlebte er 1512 seine erneuerung durch die Antipoden pietro Bembo und Giovanni pico della Mirandola. darin ist das Für und wider der nachahmung ciceros zum diskussionsgegenstand erkoren worden; die Briefe in Ciceronian Controversies (the i tatti renaissance library), hrsg. v. Joann dellaneva, cambridge Mass., 2007, cap. 1 (poliziano – cortesi) und cap. 2 (pietro Bembo – Giovanni pico della Mirandola). Zum lorbeerkranz Julius caesars als Mittel zum Verbergen der kaiserlichen Glatze sueton, Caesar, 45; übernommen von castiglione, Cortegiano, ii, cap. 40. ein dissimulatio­Motiv auch bei diogenes laertius über chrysipp: »seine Gestalt war wenig vorteilhaft, wie aus der statue auf dem Kerameikos hervorgeht, die sich hinter dem benachbarten reiter fast versteckt, weshalb ihn Karneades auch Krypsippos [der vom pferd Verdeckte] nannte«; diogenes laertius, Leben, cap. ›chrysipp‹, Vii, 182 und 195, s. 363 und s. 369 (Üs: Fritz Jürs). Bei pontano tröstet das süße Gold die dirne cypria über das entstellte Gesicht (»oris deformitatem«) und das Alter ihres Freiers hinweg; s. pontano, Charon, s. 112: »Aurum mihi suavissimum fuit, quo ille et oris deformitatem et senectutem saepissime redemit suam.«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

wichtige Abgrenzung von der schmeichelei gelingt,81 denn sie schüren die illusion von einem eminent realitätsnahen porträt – wie wir wissen, nur eine illusion, ein spiel im intervall von sein und schein. Mit ihm führt piero den Betrachter nicht ohne ironie hinters licht. nicht die Mimesis war angestrebt, sondern die Verbesserung und Über­ bietung der mit Mängeln behafteten natur, die imitatio.82 lorenzo Vallas Beschäftigung mit der dissimulatio in De voluptate mündete in das verständliche resümee ein: »wer der ehrbarkeit und den tugenden folgt, muß keinen lug und trug in’s werk setzen«.83 Unsere Beobachtungen legen folgenden schluss nahe: der rangstreit um die vedute entwickelte sich aus kompensatorischen Vorstößen der Maler. die strategien des Apelles und des Zeuxis (das dissimulatio­ und das electio­prinzip), primär als ›Kompensations­ techniken‹ aufzufassen, erlangten wegweisende Bedeutung.84 lange bevor das phäno­ men der Ansichtsseiten zum streitgegenstand im paragone avancierte, schürten diese taktiken ein Bewusstsein, dass sich die vedute als wertmaßstäbe zur Beurteilung der figurativen Künste eignen würden. Vergleichbares galt für die varietas aufgrund des pro­ grammatischen wortes von horaz. wir werden nie in erfahrung bringen, auf welcher Grundlage sich der einblick Battista panettis in den Zusammenhang zwischen der dar­ stellung von Federico da Montefeltro und Apelles einstellte: war es die Antigonos­refe­ renz der Bildnisseiten, die der triumphseiten oder gar beider diptychonseiten? Aber schlaglichtartig beleuchtet der kompensatorische erfindungsreichtum, den ein Maler wie piero im Umgang mit Ansichtsseiten bewies, weshalb leonardo das Vorgehen der von der natur begünstigten Bildhauer zum Ordinärververfahren (»il […] ordinario dello scultore«) herabwürdigen sollte.85 in der tatsache, dass sich unter der Fülle an Bildnis­ sen, die zu lebzeiten des urbinatischen herzogs entstanden, keine einzige Büste des Fürsten erhalten hat, sondern ausschließlich Gemälde und reliefs, spiegeln sich die 81 82

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Ausdrücklich voneinander abgegrenzt in castiglione, Cortegiano, ii, cap. 18. die schmeichler liebten ihre herren nicht; der hofmann würde diesen hingegen mit Anstand gefällig sein. petrarcas empfehlung der imitatio in petrarca, Familiarum rerum libri, i, 7 implizierte den Anspruch auf eine gewisse Freiheit durch variatio; vgl. auch ebenda, XXiii, 19, 13, Bd. iV, s. 206: »nobis provi­ dendum ut cum simile aliquid sit, multa sint dissimilia, et id ipsum simile lateat ne deprehendi possit nisi tacita mentis indagine […]. Utendum igitur ingenio alieno utendumque coloribus, abstinendum verbis; illa enim similitudo latet, hec eminet; illa poetas facit, hec simias« (wir müssen bedacht sein, dass manches ähnlich, vieles aber unähnlich (dissimilia) und auch das Ähnliche verborgen (lateat) ist, sodass es nur vom Geist still erspürt werden kann. Man verwende also fremde einfälle, fremdes Kolo­ rit, hüte sich aber vor wörtlicher nachahmung; […]). lorenzo Valla, De voluptate, iii, 3, s. 256/257 (Üs: peter schenkel): »sequenti honestatem atque vir­ tutes nihil ficte, nihil simulate agendum est.« der terminus ›Kompensationstechniken‹ erscheint geeignet, um das Bewusstsein der schwäche der Malerei als triebfeder anzunehmen. es mangelt nicht an indizien: lodovico dolce forderte vom Maler die Überwindung der Unvollkommenheit; s. dolce, Aretino, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 176. Vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 36, s. 159.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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reserven eines Missgestalteten gegenüber einem gnadenlos allansichtigen Medium. die scheu vor diesem, so belehrt uns dion von prusa in seiner schrift An die Korinther, bekundete bereits der nicht eben schöne spartanische König Agesilaos.86 nicht nur ihm schienen die Maler offenbar die besseren Komplizen zu sein.

2.2. das Abbild im Medaillon das goldumsäumte, an einem Kettchen von ihrem Geschmeide herabhängende Medail­ lon der Battista sforza berührt die Ansichtsfrage nicht minder. in diesem miniaturhaf­ ten Konvex, das sie kaum zufällig auf herzenshöhe trägt, spiegelt sich das Brustbild ihres geliebten Gegenübers (Abb. 46). die Frau wird zum spiegel ihres Mannes, auf diese weise einem petrarca bekannten topos folgend.87 Mit dieser Verkleinerung der unversehrten Gesichtshälfte des Fürsten, die, seitenverkehrt, wie sie nun ist, isoliert betrachtet den Anschein erwecken kann, die rechte Gesichtshälfte zu sein, gelingt piero eine weitere, ja höchst raffinierte Konzession an die dissimulatio, die selbst über den Kunstgriff des Apelles hinausreicht. worum aber handelt es sich bei diesem Kleinod? Kontrovers zur unlängst vorgetra­ genen position von roeck, eine Karneolgemme sei zu sehen, halte ich angesichts der dominanz des transparenten rotes an meiner eigenen, zwar erwähnten, bislang aber nicht näher fundierten these fest: es ist ein rubin.88 das soll nicht heißen, dass pieros Minia­ turporträt unbeeindruckt von der exquisiten steinschneidekunst seiner epoche gewesen wäre; im Gegenteil, ein burgundisches profilporträt aus der Zeit um 1400, das Bildnismedaillon Philipps des Kühnen mit roten chaperon (Abb. 47) – es ist teils in email, teils mit weißlichem chalzedon ausgeführt – lässt Analogien in der detailgestaltung erken­ nen.89 Aber Glanzeffekte wie Battistas Juwel besitzt es nicht. Abgesehen davon, dass

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Mit dezidiertem Bezug auf die plastik dion von prusa, An die Korinther, 37, 43; vgl. Alberti, De pictura, ii, 25, s. 234. die Ablehnung von Malerei und skulptur in plutarch, ›Agesilaos‹, 2, Bd. iii, s. 108 (Üs: Konrat Ziegler): »den körperlichen Fehler, dass er auf einem Bein lahmte, verdeckte in der Jugend die Blüte seines Körpers, und die leichtigkeit und Fröhlichkeit, mit der er das Übel ertrug, […]. ein Bildnis seines Äußeren besitzen wir nicht; er wollte selbst nicht, und noch als er im sterben lag, verbot er, dass ein plastisches oder gemaltes Bild seines leibes angefertigt würde.« petrarca, Canzoniere, nr. 23, vv. 127–128, s. 62: »et se contra suo stile ella sostene / d’esser molto pregata, in lui si specchia,«. Bernd roeck, »Geld bis an die Kamine. neue einblicke in die Besitztümer des herzogs von Urbino«, in: FAZ, 21.03.2007, nr. 68, seite n 3; zum rubin nur en passant hessler, 1992, s. 176. (München, schatzkammer der residenz, inv.­nr. 19); die identifizierung mit philipp dem Kühnen durch renate eikelmann, Franko-flämische Emailplastik des Spätmittelalters, diss. München, 1984, s. 478–484. neben dem roten hut und der Unansehnlichkeit des dargestellten erinnern das Gold­ kettchen und das perlschnurmuster an pieros Medaillon. die Ordenskette vom Goldenen Vließ ist eine spätere Zutat. – imposant waren auch die antiken Berichte über werke der steinschneidekunst,

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

46 piero della Francesca, detail aus: Bildnis der Battista Sforza: ›das Medaillon‹

47 Medaillon mit dem Bildnis Philipps des Kühnen, Burgundisch, um 1400, bläulich­weißer chalzedon, Gold und email, München, schatzkammer der residenz

edelsteine für ihre spiegeleffekte nicht allein plinius zufolge berüchtigt waren – er kennt die schau auf rückwärtiges mithilfe flacher smaragde,90 und übrigens führten burgun­ dische inventare edelsteine oft unter der phrase »en façon d’un mirouer« –,91 abgesehen

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die v. a. Alberti aufgriff, so zum Beispiel über die Freilegung der Umrisse eines verborgenen Kopfes (Alberti, De statua, s. 144), oder zu Zufallsbildern wie dem edelstein des pyrrhus mit allen neun Musen (Alberti, De pictura, ii, 28). plinius, NH, XXXVii, 64, s. 52–53: »quorum vero corpus extentum est, eadem qua specula ratione supini rerum imagines reddunt.« solche von flacher Gestalt eigneten sich wie spiegel zur wiedergabe rückwärts befindlicher Gegenstände und kein Geringerer als nero nutzte dies zur Beobachtung von Gladiatorenkämpfen. Zum diamanten eines Fingerringes s. Inventaires de Duc Jean de Berry, hrsg. v. Jules Guiffrey, 2 Bde., paris, 1894–1896, Bd. ii, s. 32, nr. 183: »item, un dyamant plat, tout rond, en façon d’un mirouer, assis en un annel d’or […].« Acht weitere Vergleiche dieser Art in den späteren inventaren; ebenda, Bd. i, s. 68, nr. 191; s. 130, nr. 431 u. 432; Bd. ii, s. 335; s. 282, nr. 1076; s. 314/15, nr. 1176 u. 1177; s. 317, nr. 1186.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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48 Francesco de’russi (?), Medaillonporträt von Battista Sforza, 70er Jahre des Quattrocento, detail einer Zierborte aus: BAV, Ms. Urb. lat. 1093, fol 3v

von all diesen Fakten, kann den höfischen panegyrikern des Montefeltro­Fürsten die Alliteration Urbino – »rubino« schwerlich entgangen sein. sie mussten diese um so will­ kommener heißen, als der rubin, wie dantes Zeitgenosse terramagnino da pisa im ein­ klang mit älteren stimmen beteuert hat, unter allen edelsteinen – seiner größeren Beständigkeit und Feinheit wegen – der herausragendste sei.92 selbst wenn der pracht­ volle edelstein, den der etwa vierjährige Guidobaldo als diadem­Bekrönung in pedro Berruguetes berühmten doppelbildnis (an der seite seines Vaters) trägt, weit davon ent­ fernt ist, eindeutig identifiziert werden zu können –, rot, also ein Karfunkel, ist auch er; und kaum zufällig prangt wiederum auf einem roten rund, enthalten in der Zierborte eines urbinatischen Manuskriptes, das Miniaturporträt der Gräfin von Urbino (Abb. 48).93

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terramagnino da pisa, Doctrina d’acort, 27–37 [vor 1294]; zitiert im Kommentar von dante, Convivio, Bd. i, s. 198. interessant auch Albertus Magnus, De mineralibus, ii, s. 17 (Üs: Günther Gold­ schmidt): »Balagius, der auch palatius genannt wird, ist ein edelstein von purpurner Farbe, von sehr leuchtender Materie und von sehr transparenter substanz. er wird die ›Frau des carfunkels‹ genannt, weil er eine zarte Farbe hat und weil seine höheren eigenschaften vermindert sind, wie eben eine Frau sich zu dem Gatten verhält. einige Autoren sagen, dass der Balagius das haus des carfunkels ist. daher ist er palatium carbunculi genannt. denn oft entsteht der carfunkel in dieser Umhüllung, und es ist schon in unserer Zeit [= d. i. 13. Jahrhundert] sichtbar geworden, dass in einem edelstein der äußere teil der Balagius ist, der innere der carfunkel.« An anderer stelle (ebenda, cap. 3, s. 18f.) werden die synonyme des rubins, Karfunkel und Anthrax genannt und der allerhöchste Glanz, die härte und schönste röte betont. Zu Berrugetes Doppelbildnis von Guidobaldo und Federico da Montefeltro lauts/herzner, 2001, s. 362ff. Zusammen mit dem szepter in der hand Guidobaldos lässt der schmuck an insignien den­ ken; s. beispielsweise Vergil, Aeneis, X, 134: »Qualis gemma micat, fulvum quae dividit aurum, / aut

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

es war der in keiner weise bedeutende dichter ser Gaugello della pergola (alias Gaugel­ lo Gaugelli), der sich 1472 in seiner Biografie von Battista sforza – sie ist unmittelbar nach ihrem Ableben geschrieben – eines typus’ von wortspiels bemächtigte, den cas­ tiglione unter dem Begriff »bischizzi« gefasst hätte, d. h. die leichte, sinnverdrehende Abwandlung von Buchstaben. Auf die urbinatische Gräfin gemünzt, reimt Gaugelli in der besagten, dem campanilismo tribut zollenden weise: »[…] et lietamente se tornò in Urbino* Aspectar la tornata del signore pulita et fresca comme un bel rubino* […].«94 Kurzum: die reinheit und die Frische der urbinatischen Fürstin glichen einem rubin. dass sich Gaugelli mit dem rubinvergleich zudem in den tropen der liebespoesie seiner Zeit bewegte, steht auf einem anderen Blatt.95 sie ist jedenfalls auch da virulent, wo ein lokaler dichter, Giovanni santi, in seinem Malerei­disput nach einem, ohne ihn in Aus­ sicht zu stellen, Malvirtuosen fragt, der es bei einer rubin­wiedergabe weder an Glanz noch an transparenz des steines vermissen lasse: »chi serrà quel che possi el chiar colore / lucido e trasparente de un rubino / contrafar mai, o el suo vago splendore? / chi […] / uno spechiar de l’acque«.96 Zunächst ist die wortwahl auffällig. »chiar color« müsste nicht zwingend santis rekurs auf einen plinius­passus über einen technischen Kniff des Apelles preisgeben, der kraft einer hauchdünnen lasur­Vollendung seiner Gemälde das Zurückstrahlen eines eigentümlichen Glanzes (»claritatis colorem«) erreichte, wäre da nicht im nachsatz – wie auch bei santi – die Verbindung zu spiegeln: Apelles habe die andernfalls schmerzende intensität dieses Farbenglanzes (»claritas colorum«) abzuschwächen vermocht, indem er

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collo decus aut capiti […].« – das Miniaturporträt von Battista in der BAV, Ms. Urb. lat. 1093, fol. 3v; abgebildet in Filetico, Iocundissimae disputationes, s. 9, Abb. V. Gaugelli, Canzone, s. 19; castiglione, Cortegiano, ii, cap. 61, s. 200: »Un’altra sorte è ancor, che chi­ amiano ›bischizzi‹, e questa consiste nel mutare ovvero accrescere o minuire una lettera o sillaba; […].« Zu ser Gaugello Bonvini Mazzanti, 1993, s. 149ff. wortspiele gehörten zu den Vergnüglichkei­ ten, denen hofgesellschaften bevorzugt nachgingen; s. bei castiglione, Cortegiano, i, cap. 9, das rate­ spiel über die Bedeutung des Buchstabens »s«, den emilia Gonzaga auf ihrer stirn trägt. siehe das wortschatzverzeichnis zum porträt, beispielsweise s. v. »Mund«, »lippen« in Marianne Albrecht­Bott, Die bildende Kunst in der italienischen Lyrik der Renaissance und des Barock (Mainzer romanistische Arbeiten 11), wiesbaden, 1976, s. 186. noch 1605 dichtet der Maler Federico Zucca­ ri im Gedicht Il Lamento della pittura su l’onde venete: »egli di gioie preziose e rare, / rubini et ada­ manti un gran gioiello / mi pose al collo, e fu don singolare«; s. Zuccari, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 1030. santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 337–341, s. 672.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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ihn wie durch einen spiegelstein (»lapidem specularem«) zeigte.97 in diesem Zusammen­ hang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass ein 1502 publiziertes, von theophrast ange­ hauchtes steinbuch mit dem titel Speculum Lapidum die ebenbürtigkeit piero della Francescas mit Apelles herausstrich, was nicht halb so erwähnenswert wäre, wenn es nicht aus der Feder des pisaner Astrologen und physikers camillo di leonardo [lunardi] käme, der unter Battistas Bruder costanzo einst am hof von pesaro tätig gewesen ist.98 wichtiger als die spiegelstein­reminiszenzen ist aber ein anderer punkt: santi hat einen von der poesie gepflegten, auf den rubin (o. a. Balass o. Karfunkel) Bezug neh­ menden Unsagbarkeitstopos (noch Gaspare Viscontis Frauenlob spielt verblüffend ähn­ lich mit ihm) in einen ›Unmalbarkeitstopos‹ überführt.99 die Grundlage dessen ist die für einen Maler fraglos hohe schwierigkeit, für einen Bildhauer jedoch Unmöglichkeit, durchsichtige, leuchtende Körper, reflexstrahlen, wie sie von spiegeln ausgehen, adäquat 97

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plinius, NH, XXXV, 97, s. 74: »unum imitari nemo potuit: quod absoluta opera atramento inlinebat ita tenui, ut id ipsum repercussu claritatis colorem alium excitaret custudiretque a pulvere et sordibus, ad manum intuenti demum appareret; sed et cum ratione magna, ne claritas colorum aciem offend­ eret veluti per lapidem specularem intuentibus et e longinquo eadem res nimis floridis coloribus aus­ teritatem occulte daret.« Auch der zweite, von santi herangezogene Begriff »splendore« war für plinius meist gleichbedeutend mit spiegelhaften lichtreflexen (im Gegensatz zum lumen, das sich mehr auf plastische lichteffekte bezog); s. plinius, NH, XXXV, 29, 31, 45, 97. An anderer stelle charakterisier­ te plinius den spiegelstein (Marienglas) als blättrigen, spaltbaren und zerbrechlichen Gips von glasar­ tiger Beschaffenheit; s. ebenda, XXXVi, 160, s. 108: »et hi quidem sectiles sunt, specularis vero, quoniam et hic lapidis nomen optinet, faciliore multo natura finditur in quamlibeat tenues crustas.« Vgl. ebenda, XXXVi, 182f., s. 120. camillo di leonardo war in den 80er Jahren des Quattrocento in pesaro; dort hat er in Zusammenar­ beit mit dem berühmten Astrologen lorenzo Bonincontri die Tabulae astronomicae für costanzo ver­ fasst; s. piergiorgio parroni, »Vita culturale nella pesaro sforzesca«, in: Homo Sapiens Homo Humanus. Individuo e società nei secoli XV e XVI (Atti del XXX convegno internazionale del centro di studi Umanistici Montepulciano, palazzo tarugi, 1988), hrsg. v. Giovannangiola tarugi, Florenz, 1990, Bd. ii: Letteratura, Arte e Scienza nella Seconda Metà del Quattrocento, s. 137–150, s. 147f. – sein Speculum­Buch trägt die widmung an cesare Borgia: Speculum Lapidum Clarissimi Artium et Medicinae Doctoris Camilli Leonardi Pisaurensis, [Venedig, 1502] (hamburg, 1717, iii, cap. 48: »nam in pictoria arte quis prestantior petro Burghensi […] qui pingendi regulas Geometricis Arithmetricis ac perspectivis regulis miro ordine industria ac doctrina instituerunt; ut ex cor[am] operibus patet nec etiam hoc ab antiquis tamen ample pertractatum fuit.« – Von einem spiegelnden stein, der ungeahnte einblicke und Ansichten gewährt, berichtet auch sueton. Kaiser domitian »ließ die wände der säu­ lenhallen, in denen er immer seine spaziergänge machte, mit spiegelstein verkleiden, damit er in den sich darin spiegelnden Bildern rechtzeitig bemerkte, was hinter seinem rücken vor sich gehe«; sueton, De vita Caesarum, cap. ›domitian‹, 14, s. 914/915 (Üs: hans Martinet): »tempore vero suspecti peri­ culi appropinquante sollicitior in dies porticuum, in quibus spatiari consuerat, parietes phengite lapide distinxit, e cuius splendore per imagines quidquid a tergo fieret provideret.« wenig später als santi schreibt Visconti, I canzonieri, s. 206: »gli serà uno robino grande e grosso e de tanto vago colore che, mostrandolo, subito si transformarà in varii modi, et a questo rubino gli dareti quelle virtù e proprietate che a voi parirà.«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

darzustellen. diese position vertrat jedenfalls leonardo im paragone, in sequenzen, die er gegen 1492 zu papier brachte.100 wer glaubt, rubine hätten die echten theoretiker der Künste im Quattrocento kalt gelassen, der muss sich durch traktatschriften, aus der Feder von Filarete, von leonardo, ja ausgerechnet von piero della Francesca, eines Bes­ seren belehren lassen. während Filarete den Ballasrubinen an einer stelle, an der man es nicht vermuten würde, in einem Architekturtraktat, die größtmögliche schönheit beschei­ nigt,101 deren darstellung leonardo übrigens wegen ihrer mit reflexlichtern gekrönten transparenz selbst über die der naturfarbe stellt,102 äußert sich piero in seinem Trattato d’abaco ausgiebig über »rubini« und deren etwas hellere Variante, die »balaschi«. piero bedient sich ihrer allerdings nur, um anhand der halskette einer edlen Braut eine Kos­ tenrechnung vorzuführen.103 dieses in gebotener Kürze umrissene kunsttheoretische panorama zum rubin lässt Folgendes erkennen: im Verlauf der zweiten hälfte des Quattrocento war die darstel­ lung des rubins für Maler zu einer topischen herausforderung erster Güte avanciert, über die piero zum Zeitpunkt, als er am Medaillon malte, im Bilde war. Früh hatte piero den reiz der unterschiedlichsten spiegelungstypen in seinen eigenen Gemälden erprobt, und dieser ließ ihn – von der Taufe Christi über die großformatige Sacra Conversazione für den Montefeltro­Fürsten bis zur [spiegel­]Aureole der thronenden Madonna im San Antonio­Altar – nicht mehr los.104 Bekanntlich wissen wir aufgrund der Bildbeschreibung,

100 leonardo, Libro di pittura, i, 38; vgl. 41; Farago, 1992, s. 396ff. 101 Filarete, Trattato, i, cap. 3, Bd. i, s. 75: »[…] le ›diafane‹ sono più degne, cioè come sono rubini, bal­ asci, […], benché in vista non abbi così bella apparenza.« 102 Aus leonardos umfassenden darlegungen zu diesem Aspekt sei hier ein Auszug erwähnt: »il lustro fatto nella profondità di densi trasparenti sono in primo grado della bellezza di tale colore, come si vede dentro al rubino, balascio, vetri e simil cose; questo accade ché infra l’occhio [e] esso lustro s’interpone tutto il color naturale del corpo trasparente. i lumi reflessi de’ corpi densi e lustri sono molta maggior’ bellezza che non è il natural colore d’essi corpi […]«; leonardo, Libro di pittura, V, 779, s. 447. Über leonardos grundsätzliches Verständnis von transparenz donald s. strong, »the painter in despair: ›trasparentia‹ and ›rilievo‹ in leonardo’s treatise on painting«, in: Academia Leonardi Vinci, Florenz, 1988, Bd. i, s. 35–48; vgl. auch Alberti, Della pittura, i, 8, s. 78. 103 der passus beginnt wie folgt: »Uno gintile homo à maritata la figlia et, per finire una collana, li manca 100 gioie tra perle, rubini, çafiri et balasci […]«; piero della Francesca, Trattato d’abaco, s. 69–70, fol. 20v. 104 in der Taufe Christi (london, national Gallery) hat piero das Jordanwasser als spiegelfläche benutzt, das den wolkigen himmel, die hügellandschaft und die abwechselnd roten und gelben Gewänder der Begleiter spiegelbildlich reflektiert; s. Battisti, 1992, Bd. i, s. 89, Abb. 45; Bd. ii, Kat.­nr. a.6, s. 438f. Anders in der sogenannten Pala Montefeltro (Sacra Conversazione): in ihr wartet piero mit spiegelungen (von Fenstern) in der rüstung des knienden Federico auf; s. ebenda, Bd. i, s. 265, Abb. 193, s. 272, Abb. 198. Mit recht hat roeck in roeck/tönnesmann, 2005, s. 187–189, Abb. s. 188 die Abhängigkeit der Pala (auch hinsichtlich der rüstungsspiegelungen) von roger van der weydens Sforza­Triptychon (ca. 1458) betont, das sich damals im Besitz des schwiegervaters von Federico in

2. Piero und die Ansichtsfrage

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49 willem van haecht, detail aus: Die Sammlung von Cornelis van der Geest: ›Badestube‹ (nach Jan van eyck), 1628, Antwerpen, rubenshuis

die der neapolitanische hofhistoriograf Bartolomeo Facio vor 1457 niederschrieb, dass sich einst (heute verloren) im Besitz Ottaviano della cardas in Urbino ein mit einem spiegel aufwartendes Badeszenen­Gemälde Jan van eycks befand, das vermutlich nicht allein Facio nach paragone­Kriterien wahrnahm, d. h. nach der bewundernswerten simul­ tanen schau auf die Front­ und (bespiegelte) rückenansicht einer unbekleideten Frau, wobei diese künstlich erweiterte sicht – nach Kopien aus späterer Zeit (Abb. 49) – einem nicht gerade kleinen, schräg ins Bild gesetzten Konvexspiegel zu verdanken war.105 was pesaro befand. im heiligenschein der Madonna des San Antonio­Polyptychons (perugia, Galleria nazionale dell’Umbria), es ist eine scheibe von schier metallener Konsistenz, spiegelt sich ihr schleier; ebenda, Bd. i, s. 325, Abb. 234, Bd. ii, Kat.­nr. a.19, s. 530ff. 105 Bartolomeo Facio, De viris illustribus, cap. (»de pictoribus«), s. 166: »sunt item picturae eius nobiles apud Octavianum cardam, virum illustrem, eximia forma feminae e balneo exeuntes, occultiores

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

konkret miniaturhafte Konvexspiegelungen in einem rubin betrifft, so bewegte sich piero nicht minder in den spuren dieses Malers, der die Bildbetrachter weit früher im Jahrhundert, allerdings, soweit wir wissen, nur mit diffusen rubin­reflexen in den Bann zog, sei es mit der pluvialschließe des heiligen donatian im Madonnenbild des Kanonikus van der Paele oder der Mantelschließe Johannes des täufers im Genter Altar.106 der eigentliche impuls für die rubindarstellung kam jedoch, wie angedeutet, von einer anderen richtung. er rührte genauer vom Gefallen, den der regent von Urbino an enigmatischen silbenspielen fand, wie es sein studiolo vor Augen führt: Auf vorgetäusch­ ten schubladen der westlichen intarsienwand sind von oben nach unten die silben »Fe – dV – X – cO« verteilt (Abb. 50). Zusammen mit der Aufschrift zweier verdeckter schubfächer ergänzen sie sich zur wortfolge »Fe­[de]­[ri]­cO­dV­X«,107 allerdings nur für den, der eingedenk des Gesamtsinnes die korrekte reihenfolge erkennt. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Alliteration Ur­BinO – rU­BinO. die Umkehrung der ersten silbe wandelt das eine wort ins andere, wie auch ein spiegel mit der Umkehr, der seiten­ verkehrung von Bildern, operiert. Bei aller sophistik sind diese interferenzen das stärkste Argument dafür, dass piero konkret eine rubinspiegelung für seinen Fürsten im sinne hatte. in den rubin hineinprojiziert, glich der urbinatische herrscher selbst einem rubin, womit eine Metapher, die Filarete vielleicht nicht ersonnen hatte, aber exklusiv an die sforza in Mailand herantrug, mit leben gefüllt wurde: wie die feinen rubine durch noch so häufige handhabung weder an Farbe noch tugend einbüßen, so sollte sich auch der Fürst, aller einflüsse zum trotz, ohne Makel als glänzend und klar erweisen.108 »chiaro« corporis partes tenui linteo velatae notabili rubore, e quis unius os tantummodo pectus demonstrans, posteriores corporis partes per speculum pictum lateri oppositum ita expressit, ut et terga quemadmo­ dum pectus videas. […] sed nihil prope admirabilius in eodem opere quam speculum in eadem tabu­ la depictum, in quo quaecunque inibi descripta sunt, tanquam in vero speculo prospicias […].« Zu Jan van eycks Badestube und den Kopien, darunter, am besten erhalten, als teil eines Galeriebildes (v. 1628) des willem van haecht, dhanens, 1980, s. 205f., Abb 138; vgl. hessler, 1992, s. 177, Abb. 13. 106 dhanens, 1980, s. 212f., Abb. 141 (donatian) u. die Abb. auf s. 73 (Johannes d. täufer). 107 Zu diesen und anderen wortspielen im studiolo luciano cheles, ›topoi‹ e ›serio ludere‹ nello studiolo di Urbino«, in: Federico da Montefeltro, 1986, Bd. ii (Le arti), s. 269ff., besonders s. 280f. und Abb. 11. eine brauchbare Abbildung sämtlicher schubladen ist weder bei cheles, rotondi noch liebenwein zu finden. ein Ausschnitt bei cheles, 1986, s. 84, Abb. 65; die gesamte westwand bei wolfgang lieben­ wein, Studiolo. Die Entstehung eines Raumtyps und seine Entwicklung bis um 1600, Berlin, 1977, Abb. 32. 108 Filarete, Trattato, i, cap. 3, Bd. i, s. 75: »[…] come i rubini e ’balasci e gli altri, sono come a dire i signori, che come queste pietre son fine e belle e non per maneggiare perdono il lor colore neanche la loro virtù, così il signore debba essere, splendido e chiaro, sanza alcuna macula, benché da molti sia maneggiato e toccato.« Vgl. ebenda, s. 78: »e ’l diamante è a similitudine come dire il papa, che non debbe essere in aparenza di grande vista, ma come il diamante che ogni altra pietra offende quando bisogna e in esso si specchia l’uomo quando in esso bene riguarda, così lui debbe essere duro e debbe offendere gli altri signori quando facesse di bisogno, e così specchiarsi in lui in virtù, come si fa nel diamante.« Bei einem Kleinod aus dem Besitz des Johann Ohnefurcht, bestehend aus drei Balassen,

2. Piero und die Ansichtsfrage

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50 Schubladen mit der Aufschrift »dV – X – cO«, ca. 1474, intarsienmotiv, Urbino, palazzo ducale, studiolo­west­ wand

ist hier zu lesen – auf pieros diptychon das lateinische pendant (»clArVs«). tatsächlich feierte an den höfen der renaissance, unabhängig vom naturgeschichtlichen traditions­ strang, auch die mittelalterliche edelsteinallegorese ein gewisses nachleben, und bezüg­ lich des Medaillons von Battista gilt dies selbst für mariologische spiegelmetaphorik. so beabsichtigte der Verfasser des mittelniederländischen lobgedichtes »die Brustspange oder der rosenkranz der Jungfrau Maria« (Der Ioncfrouwen Marien Voerspan of Sapeel) Folgendes: wie er versichert, will er mitten in der schmiede seines herzens eine spange zum ruhme der schönen Gottesbraut Maria schmelzen. sie wird darin nicht nur mit

begegnet die Gleichsetzung des Menschen mit rubinen. nach dem inventar von 1467 wird es »drei Brüder genannt« (»appellé les trois frères«); vgl. auch 1419 das hinterlassenschaftsinventar des Johann Ohnefurcht in lille: »[…] entour icellui sont les iii bons et groz balaiz quarrez nommez les iii frères, […]«; s. Florens deuchler, Die Burgunderbeute, Bern, 1963, s. 123, nr. 10. – Vgl. auch die edelstein­ metaphorik politischer Aufladung in castiglione, Cortegiano, ii, cap. 40, s. 174.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

dem aufopfernden pelikan verglichen, sondern, als Illuminatrix, mit einer spiegelhälfte, die sich nach dem erkennen als stückwerk bald zu einem schönen scheine fügt.109 wenn das urbinatische rubinbildnis diesen, seit dem paulus­wort (1 Kor 13, 12) untrennbar mit dem spiegel konnotierten eschatologischen sinn fast selbstredend eben­ falls wachrief, dann wegen der Bedeutung des rubines in dantes Divina commedia. dass dante in diesem Buch auch Ahnen der Montefeltro­dynastie revue passieren ließ, vergaß santi in seiner terzinendichtung nicht.110 nachdem im neunten Paradiso­Gesang der Glanz der rubine vom Venushimmel hinabstrahlte, tritt an späterer stelle des Paradiso endgültig ihre Bedeutung als Metapher für die seligen und deren Gemeinschaft im Jenseits zutage. Als sich die seelen gerechter Fürsten letztlich zum visionären Adlerbild fügen, dantes symbol für die pracht des Kaisertums, erscheint dem dichter jene, wie er sie (gleich einem Kunstwerk) nennt, bella imagine vereinter seelen: »Vor mir erblickte ich nun mit offenen Flügeln das schöne Bild, das die vereinten seelen Von ihrem süßen Glück erstrahlen ließen Und jede schien mir ein rubin, in welchem ein sonnenstrahl mit solchem Feuer brannte daß er in meinen Augen widerstrahlte«.111

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lange bevor Federico da Montefeltro seinen prachtband der Göttlichen Komödie in empfang nahm, hatte der sienesische Maler Giovanni di paolo gegen 1445 den Kaiser­ 109 es handelt sich um die Bearbeitung der berühmtesten nichtepischen Mariendichtung des deutschen spätmittelalters. sie ist in einer handschrift aus dem beginnenden 15. Jahrhundert überliefert: Marien Voerspan of Sapeel. Eine mittelniederländische Bearbeitung der ›Goldenen Schmiede‹ des Konrad von Würzburg (erlanger studien 40), hrsg. v. Joachim Moschall, erlangen, 1983, s. 8/9 zur schmiede des herzens; der spiegelvergleich auf s. 34/35: »du gleichst dem spiegel, der zerbrochen ist, und in dem dennoch jeder sein Gesicht in den stücken erkennen kann. Oh überaus strahlende Magd, sieh, wie voller reinheit deine hälfte ist, wie sich bei dir die zwei teile der seele zu einem ganzen scheinen zusammenfügen!« (du best gelijc den spiegel / die daer ontwe // gebroken / is nochtan soe siet / elc mensche daer inden stucken wel / sijn aensichte O overclare / maget sich wie vol luiterheiden / is dijn helfter / wie sich di der sielen twee delen / comen tot enen heyle schyne […]); der pelikan­Vergleich auf s. 44/45: »du bist der Vogel pelikan, der eine schöne Flut von Blut aus seinem herzen sog und damit seine Kinder, die blind und tot vor ihm lagen, wieder lebendig machte« (du beste die vogel pellicaen / die een schoene vloet / des bloets uut sijnre herten soech / ende daer mede kinder / die blint ende doet / voer hem lagen levende / maect […]). – eine aus dem späten 14. Jahrhundert stammende pelikan­Brosche mit einem rubin, dessen Farbe das Blut des tieres andeutet (london, British Muse­ um) in ronald lightbown, Medieval European Jewelry, london, 1992, Abb. 39. 110 Zu Guido il Vecchio da Montefeltro dante, Inferno, XXVii, vv. 58–85; vgl. santi, La vita, i, cap. 1, s. 60. 111 dante, Paradiso, XiX, vv. 1–6, Bd. iii, s. 222/223 (Üs: Gmelin): »parea dinanzi a me con l’ali aperte / la bella imagine, che nel dolce frui / liete facevan l’anime conserte. / parea ciascuna rubinetto in cui / raggio di sole ardesse sì acceso, / che ne’miei occhi rifrangesse lui.« Vgl. dante, Paradiso, iX, v. 69.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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51 Giovanni di paolo, illustration zu dante, Paradiso, XIX, um 1445, london, the British library, Yates­thompson­codex, fol. 162r

adler in einer seiner Commedia­illuminationen – nicht ohne Vorläufer – in Form von kleinen rubin­Gesichtchen als seelen präsentiert (Abb. 51); dante und Beatrice, in himmelssphären schwebend, erweisen sich als Augenzeugen dieser Vision.112 es gab demnach einen allbekannten prototyp für ›Gesichter auf rubinen‹. dieser musste um so nachhaltiger auf den Montefeltro­Fürsten wirken, als sich die »vereinten seelen« – sie ergeben abschließend zusammen ein »M« (wie »Montefeltro«) – zum Adlerbild formie­ ren, der bevorzugten devise des Urbinaten.113 nach diesem von dante ererbten Vorstel­

112 die illustration zu dante, Paradiso, XiX, British library, Yates­thompson­codex, fol. 162r; dazu John pope­hennessy, Paradiso. The Illuminations to Dante’s Divine Comedy by Giovanni di Paolo, london, 1993, die Farbabbildung auf s. 131.; die handschrift gehörte Alfonso V. von neapel. Vgl. auch illustrationen zur sequenz »quasi rubin che oro circonscrive« in dante, Paradiso, XXX, vv. 66, Bd. iii, s. 358f. eine Commedia­handschrift aus der Mitte des trecento illustriert dies mit dante und Beatri­ ce, umgeben von kleinen Flämmchen mit Gesichtern (paris, Bibliothèque de l’Arsenal, Ms 8530, fol. 168r; s. Illuminated Manuscripts of the Divine Comedy (Bollingen series 81), hrsg. v. peter Brieger et alt., 2 Bde., princeton n. J., 1969, Bd. i, s. 309f., s. 313, Abb. 508b. 113 Zur sukzessiven Formierung des Adlerbildes aus Buchstaben dante, Paradiso, XViii, vv. 73–96, Bd. iii, s. 216: »e come augelli surti di rivera, / Quasi congratulando a lor pasture, / Fanno di sè or tonda, or altra schiera; / sì dentro ai lumi sante creature / Volitando cantavano, e faciensi / Or d, or i, or l in sue figure. / prima, cantando, a sua nota moviensi; / poi, diventando l’un di questi segni […] poscia nell’M del vocabol quinto rimasero ordinate, sì che Giove / pareva argento lì d’oro distinto.« – dantes rubinvergleich meinte den tiefroten Goldglanz des Adlers auf dem silbergrund des Jupiter­

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

lungsgut kann das Abbild des lebenden Federico im rubin kaum etwas anderes meinen als das prognostische Bild von ihm als seligen – vielleicht ein memento mori-Motiv, viel­ leicht mehr eine in nuce entfaltete paradiesische Zukunftsvision. in jedem Fall ist pieros rubin­Medaillon Ausdruck der seelenverbundenheit, ja einer, die über den tod hinaus­ zureichen scheint. denn: Als spiegelung setzt das Miniaturbildnis die präsenz sowohl des Gespiegelten als auch der spiegelnden in exakt der ›Momentaufnahme‹ der hinwen­ dung zueinander voraus. Jede Bewegung würde es unweigerlich zerstören. Ähnlich wie Jan van eycks spiegelung des Arnolfini­paares,114 in dessen tradition es steht, besitzt pieros Vexierbild etwas Affirmatives: es ist indiz und Zeuge der präsenz. Und wenn rubine, dante zufolge, im sonnenlicht entbrennen und ihre strahlen ins Auge schießen, dann zeigen sie, jedenfalls nach neuplatonischer lesart, ihre eignung als ›Brennspiegel‹ zur initiation der liebe. Ficino hielt den Dolce stil novo­dichter Guido cavalcanti für den Vater dieses Gedankens: dass sich mit einem strahl, der durch die Augen in die seele eindringe, in diese gleichsam – als Abbild des ersten Glanzes (»simulacrum primi splen­ dorem«) – die Gestalt des Geliebten einpräge, wodurch die seele wie ein spiegel (»ani­ mos speculum«) dessen Bild zurückstrahle; im wiedererkennen des selbst im Anderen werde die liebe ausgelöst.115 selbstverständlich fand dieses ideengut seine resonanz in

himmels (s. dante, Paradiso, XViii, v. 95); vorbildgebend für den Adler in der Mitte des himmels war Offb 8, 13. Beachtung in diesem Zusammenhang verdient das Medaillonbild eines Adlers mit ausgebreiteten Flügeln als deckenemblem der herzöglichen Bibliothek, wobei konzentrisch fallende Flammen nach außen strahlen. Auch dieses Medaillon besteht aus kleinen geflügelten Gesichtern. substanziell andere deutungen dieses Motivs von cieri­Via, in: Federico da Montefeltro, 1986, Bd. ii (Le arti), s. 47–64, s. 63 (mit Bezug auf platons Timaios, 90d) und von horst Bredekamp, Botticelli. Primavera. Florenz als Garten der Venus, Frankfurt a. M., 1988, s. 44, der von einer symbolisierung Federicos als sonne der weisheit und Macht ausgeht und die Flammen als Allusion auf das pfingst­ wunder versteht. 114 dhanens, 1980, s. 193ff., Abb. 133; zur Geste der handreichung sehr instruktiv edwin hall, The Arnolfini Betrothal. Medieval Marriage of Van Eyck’s Double Portrait, Berkeley und los Angeles, 1994, s. 118ff. 115 Marsilio Ficino, De amore [Florenz, 1496], ›Oratio septima‹, i, s. 304: »Quemadmodum solis radio speculum modo quodam percussum splendet iterum et proxime sibi appositam lanam reflexione illa splendoris inflammat, ita ille partem anime quam obscuram phantasiam vocat atque memoriam, ceu speculum, pulchritudinis ipsius solis locum habentis simulacro tamquam radio quodam per oculos hausto, censet ita pulsari ut ipsa sibi ex illo alterum effingat simulacrum, quasi simulacri primi splen­ dorem […]«; und ›Oratio secunda‹, Viii, s. 72: »Accedit quod amans amati figuram suo sculpit in animo. Fit itaque amantis animus speculum in quo amati relucet imago. iccirco amatus cum in amante se recognoscat, amare illum compellitur.« Zum Brennspiegel (»miror cur dicat solem et ignes rutilos«) s. auch lorenzo Vallas schrift Dialecticarum disputationes, i, cap. 14, in: Valla, Opera, s. 675.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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der lokalen Festkultur (man denke an die spiegel beim Festapparat zur Vermählung von Battistas Bruder costanzo in pesaro) und in der dichtung.116 Freilich, was so anschaulich nahe als Anhänger am herzen liegt, muss von liebe erfüllt und wie ein talisman glücksverheißend sein – ein im hohelied mehrfach besun­ genes Motiv, wie die Bitte des Bräutigams: »leg mich wie ein siegel auf dein herz, […].«117 Kein wunder, wenn pieros invenzione mit dem entzücken der hofgesellschaft rechnen konnte. in diese reihte sich nach 1474, zumindest mit seiner Buch­dedikation von De gentilium deorum imaginibus an den urbinatischen herzog, auch ein Gelehrter aus dem schülerkreis cristoforo landinos ein, ludovico lazzarelli. in seiner hexamen­ terdichtung, die nach einzelnen Musen, Göttern und planeten angeordnet ist, nimmt sich eine sequenz zur Hoffnung (Spera) wie ein reflex auf pieros Medaillonbildnis aus: »dann [sehe ich] etwas, das wunderbar ist. es ist dasselbe Bild unseres Fürsten von Urbino, das in ihr herz gemeißelt ist.«118

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die wendung »dasselbe Bild« setzt ein zweites Bildnis voraus, wie wir es im diptychon finden; und »in ihr herz« kann sich auf Spera, aber auch auf Battista beziehen, deren Bild dem herzog wie der inbegriff der hoffnung erscheinen mochte. Ohne Zweifel handelt es sich bei der Frage, ob ein Bild ins herz gemeißelt oder mit dem pinsel gemalt wurde, beide Motive existieren in der dichtung, um ein paragone­ Motiv und wohl um eines, aus dem sich die debatte, wohl vorerst nicht unter Künstlern,

116 Zum Festapparat (anlässlich der hochzeit von costanzo sforza mit camilla d’Aragon) im Mai 1475 in pesaro gehörte ein Feuerrad mit einem aufsitzenden reif aus spiegeln und Goldstrahlen (»una corona tuta cinta de spechi e piena di ragi d’oro«); das Feuer setzte eine Armillarsphäre in Bewegung. eine wahrscheinlich von Federico da Montefeltro, dem ehrengast, in Auftrag gegebene handschrift, auf 1480 datiert, hat sich erhalten. Zum Manuskript (es ist mit zweiunddreißig Miniaturen bebildert) in der BAV (Ms. Vat. Urb. 899): tammaro de Marinis, Le nozze di Costanzo Sforza e Camilla d’Aragona celebrate a Pesaro nel Maggio 1475. Narrazione anonima, accompagnata da trentadue miniature di artista contemporaneo, hrsg. v. tammaro de Marinis, 1946; andere Auszüge zitiert in helas, 1999, s. 215–216, s. Abb. 49–50. – Zur entstehung der liebe castiglione, Cortegiano, iV, cap. 52, s. 385f., zum Bild im herzen ebenda, iV, cap. 62, s. 398. 117 Hld, 8, 6; vgl. ebenda, 1, 10–15: »schön sind deine wangen zwischen den Kettchen, / dein hals in der perlenschnur. Machen wir dir noch goldene Kettchen, / kleine silberkugeln daran. solange der König an der tafel liegt, / gibt meine narde ihren duft. Mein Geliebter ruht wie ein Beutel mit Myrrhe an meiner Brust.« 118 das Ms. Urb. lat. 717 abgedruckt in lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, cap. »spera«, i, vv. 379–380, s. 24: »tunc ego quid mirum est. eadem auxiliaris imago principis Urbini pectore sculpta facit«. 380 Zu lazzarellis dichtung, die zuerst Borso d’este gewidmet war, bis sie variiert auf Federico da Mon­ tefeltro zugeschnitten wurde, s. elisabeth schröter, Die Ikonographie des Themas Parnass vor Raffael (studien zur Kunstgeschichte 6), hildesheim und new York, 1977, s. 265ff.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

sondern unter literaten, mithin entwickelt hat. wir werden darauf zurückkommen.119 der hehre Ort, an dem dieses Konterfei der besonderen Art seinen platz fand – bei laz­ zarelli im herzen (es ist also ein inneres Bild) – tangiert den paragone jedoch nicht minder, insofern, als ein in der seele gehegtes Bild hinsichtlich seiner Beseelung und lebendigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Auf diese weise vermag es jenes hochgesteck­ te postulat zu erfüllen, das seit Xenophons Memorabilien gegenüber Bildnissen immer wieder laut wurde; und der Montefeltro­Fürst besaß freilich »tutte l’opere di senofon­ te«.120 nach der nennung des vermeintlich besten Malers (Zeuxis) und besten Bildhau­ ers (polyklet) klang Xenophons rhetorische Frage wie ein paragone, die Grundsatzfrage nämlich, ob es bewundernswürdiger erscheine, seelenlose und unbewegliche Bilder zu schaffen oder »beseelte und selbsttätige« lebewesen.121 tatsächlich fragte sokrates jeden gesondert – erst einen Maler (parrhasios), dann einen Bildhauer (Kleiton) –, ob selbst das weithin reizvollste innerhalb ihrer künstlerischen Möglichkeiten liege, namentlich sogar die seele in ihren werken einzufangen.122 nach anfänglicher Verlegenheit wird bei­ den Künstlern ins Bewusstsein gehoben, dass sie zur evokation des seelischen in der lage seien. die Grundlage dessen ist die Kausalität von Körperbewegungen als Aus­ druck innerer, eben seelischer Gemütsregungen. diese einsicht wird Alberti in De pictura aufgreifen.123 Ganz unerheblich ist es daher nicht, wenn in Vespasiano da Bisticcis charakterisierung von Federico als dem versiertem plauderer mit Bildhauern der xeno­ phontische sokrates in eben diesem Kunstgespräch mitschwingt.124 einen Kopf im profil abzubilden heisst nichts anderes, das reflektierte piero auch sprachlich, als ihn so vorzuführen »come seuede nella figura delatesta in uno occhio«, so lautet eine verräterische sentenz, mit der er in seinem traktat De prospectiva pingendi den vom scheitelpunkt des Kopfes ansetzenden Querschnitt durch eine Gestalt erläu­ tert.125

119 siehe cap. Vi.5.1.2. 120 Zitat Vespasiano, Vite, cap. ›Federico da Montefeltro‹, s. 301. 121 Xenophon, Memorabilien, i, 4, 1, s. 55; allgemein zu diesem topos Frank Zöllner, »the ›Motions of the Mind‹ in renaissance portraits. the spiritual dimension of portraiture«, in: ZfK, 1, 2005, s. 23–40; zur Frage des besten Malers oder Bildhauers s. App./Schema 2a–2b. 122 Xenophon, Memorabilien, iii, 10, 3 u. 6–8. 123 die zentrale Aussage eines längeren Abschnitts zu seelenbewegungen ist: »sed hi motus animi ex motibus corporis cognoscuntur«; Alberti, De pictura, ii, 41, s. 268/269 (und ii, 42). 124 Man vergleiche den Xenophon­passus, der das Gespräch des sokrates mit bildenden Künstlern einlei­ tet, mit den worten Vespasianos; s. Xenophon, Memorabilien, iii, 10, 1, s. 213f. (Üs: peter Jaerisch): »doch auch selbst, wenn er [sokrates] gelegentlich mit einem von den Künstlern und denen, welche Kunst als Gewerbe betreiben, eine Unterredung hatte, dann erwies er sich sogar diesen als nützlich«; vgl. Vespasiano, Vite, cap. ›Federico da Montefeltro‹, s. 295: »[…] e a udirlo parlare con uno scultore, pareva che l’arte fusse sua; in modo che ne ragionava!« 125 piero della Francesca, De prospectiva pingendi 1899, s. liX.

2. Piero und die Ansichtsfrage

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2.3. das panorama Urbino – ›Orbino‹: Piero als Weltenmaler die maßgebliche Grundlage für die Gleichsetzung von pieros chorografischen panora­ ma mit dem erden­ und/oder weltenrund bot eine in Urbino beliebte paranomasie: Urbino – Orbino, zweifellos ein derivat der traditionsreicheren Gleichung urbis – orbis, d. h. der mitunter in den Fasti formulierten imperialen, zentralistischen prätention roms als caput mundi.126 Angeregt durch phonetische dispositionen kamen in Urbino ähnliche Anmaßungen zum Vorschein. edgar wind verdanken wir den frühen hinweis darauf, dass Federico da Montefeltro in Ficinos dedikation seines Politicos­Kommentars, In Platonis Politicum, die würdigung als »Orbinate ducem« – Gebieter der ganzen welt – erfuhr, nicht ohne zugleich als ›Jupiter‹ die mondiale regentschaft angetragen zu bekom­ men.127 Ficino wiederholte dies in Francesco Berlinghieris urbinatischer Cosmographiae.128 die besagte paranomasie war zum Zeitpunkt, als der Montefeltro­Fürst seine ptole­ mäus­Ausgabe erhielt – d. h. zu Beginn der siebziger Jahre –, so verbreitet, dass sie allein dem titel nach, De situ orbis, Maler zu einer chorografischen wiedergabe der urbinati­ schen Gefilde verleiten mochte.129 Vermutlich hat nicht erst Boccaccio die »monti vicini

126 siehe Ovid, Fasti, ii, v. 684, s. 86: »romanae spatium est Urbis et orbis idem.« Vgl. derselbe, Ars amatoria, i, v. 174, wo es hieß, dass die ganze welt in einer stadt vereint sei; vgl. livius, Ab urbe condita libri, i, 16, 7. etymologische erklärungen in Augustinus, De dialectica, Vi, 11, 1ff. die Formel lebt bekanntlich in der römischen Kurialformel »urbi et orbi« weiter. in Urbino dichtete porcellio (Ms. Urb. lat, 709, fol. 66r (vgl. cosimo stornajolo, Codices Urbinates latini Bibliothecae Vaticanae, 3 Bde., rom, 1902–1921, Bd. ii, s. 232): »hic pius eneas situs est pater orbis et urbis.« 127 Ficino, In Platonis Politicum, in: Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 1294: »[…] et ab orbis imperio Orbinate ducem iam nominarent, homines vero mutatis literis Federicum Urbinatem ducem essent appellatu­ ri«; vgl. wind, [1958], 1987, s. 115, Anm. 47; Biermann hat dies um Bildbeispiele erweitert, welche die stilisierung Federicos zum Jupiter erkennen lassen; s. hartmut Biermann, »Orbis­Jupiter optimus maximus­sol invictus. ein Beitrag zur herrscherallegorie des 15. Jahrhunderts«, in: Ars natura adiuvans, 1996, s. 117; zu Ficinos Kommentar hankins, 1991, Bd. ii, s. 316, s. 318–320. 128 in Ficinos widmung dieser Cosmographia (Urb. lat. 273) an den herzog (Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 855) liest man: »Quem iuppiter omnipotens orbis totius dominus ad terreni orbis imperium procreavit, […].« der urbinatische herzog starb vor dem erhalt des Buches; dazu peruzzi, 2004, s. 36, Anm. 4. 129 (BAV, Ms. Urb. lat. 277); es existiert eine Faksimile­Ausgabe des Buches für Federico da Montefeltro: claudius ptolemaeus, Cosmographia: Codex Urbinas Latinus 277, 2 Bde., hrsg. v. Arthur dürst, Zürich, 1983; zum Frontispiz, das Francesco rosselli zugeschrieben wird, in Piero e Urbino, 1992, s. 325. der Montefeltro­Fürst besaß zudem das Buch von pomponius Mela, De chorographia; seine Ausgabe trägt den titel De situ orbis (Ms. Urb. lat. 984); er besaß von dionysius periegetes, De situ orbis poema (in der lateinischen prosaübersetzung von Antonio Beccaria aus Verona von ca. 1400– 1474); vgl. stornajolo, 1902–1921, Bd. ii, s. 661. Von der Beachtung des ptolemäus in der Kunsttheo­ rie zeugt Filarete, Trattato, XiX, Bd. ii, s. 574: »tolomeo […] che misura il mondo.« Ferner philine helas, »der ›Fliegende Kartograph‹. Zu dem Federico da Montefeltro und lorenzo de’Medici gewid­

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

ad Orbino« in Kultivierung einer altertümlichen schreibweise besungen,130 die der sekretär von Oddantonio da Montefeltro, der dichter Angelo Galli (1385?–1459), in seinen poemen beibehielt;131 der anonyme Verfasser der Ricordi di Firenze dell’anno 1459 würdigte Federico da Montefeltro als »signore d’Orbino«;132 und der lokale städtestolz ging in der dichtung des humanisten lilio tifernas metaphorisch im weltruhm des herzogs auf, als verlautet: »sic oritur nostro princeps Federico in orbe, / Gloria Feltrensis, robur et italiae«.133 was den inschriftlich beschworenen »ewigen ruhm« (»perennis FAMA«) des »signore d’Orbino« in pieros diptychon zementierte, war die Kreisform des panoramas. sie galt sinnbildhaft – das wussten übrigens auch der Architekturtheoretiker Francesco di Giorgio und Federicos enkomiast ludovico lazzarelli – seit jeher als inbegriff der Voll­ kommenheit und ewigkeit.134 deshalb hoffte Ovid auf einen »[…] ruhm, der nicht endet [fama perennis], / daß so weit wie die welt dauert mein name und klingt.«135 die Unendlichkeit der welt und des ruhmes dürfte im diptychon, neben dem panorama, in Form jener Kugel erneut aufgenommen worden sein, auf der die geflügelte Fama steht, um Federico all’antica mit lorbeer zu bekrönen. Zugleich erinnern die beiden Cupidi als wagenführer daran, dass Amor, Ovid zufolge, der Knabe sei, der gern unstet den erdkreis durchstreift.136 so ungewiss die ikonografischen reflexe der Übersteigerung Urbinos ins welthafte im einzelfall bleiben, deren summe, in Form des stets wiederkehrenden Kugel­ oder

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meten werk ›le septe giornate della geographia‹ von Francesco Berlinghieri und dem Bild der erde im Florenz des Quattrocento«, in: Mitt. Florenz, 46, 2002, 2/3, s. 270–319. Boccaccio, Trattatello in laude di Dante, Bd. iii, s. 455. so zum Beispiel Galli, Canzoniere, s. 404, nr. 300, vv. 9–11: »più tempo fa, meser Agnol d’Orbino, / ch’io desiai veder l’efigia vostra, / retegno del poetico splendore.« Ricordi Firenze dell’anno 1459, v. 473, s. 13. BAV, Urb. lat. 797ff., fol. 6r; zitiert nach Jaitner­hahner, 1993, Bd. i, s. 461; vgl. auch einer der herzögli­ chen enkomiasten im Ms. Vat. lat. 1193, fol. 169r (zitiert nach Adolfo cinquini, Spigolature da codici manoscritti del secolo XV: il Codice Vaticano-Urbinate Latino 1193, 2 Bde., Aosta, 1905–1909, Bd. i, s. 36): »Fama tua dudum totum celebrata per orbem«; und im gleichen codex, fol. 118v (zitiert nach ebenda, Bd. ii, s. 10), heißt es bei Fantini: »Fama volans totum tua, dux, compleverat orbem«. lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, i, vv. 218–222, s. 14: »est velut aeternus simul […] / cuius tota subest machina fulta manu, / huic forman veteres olim tribuere rotundam / Quae totum sub se continet orbis onus«; vgl. Francesco di Giorgio, Trattato, Bd. ii, s. 372: »la prima e più perfetta delle altre è la figura rotunda«; und castiglione, Cortegiano, iV, cap. 56, s. 415: »[…] che da dio nasce la bellezza, ed è come circulo, di cui la bontà è il centro; […].« Vgl. ebenda, iV, cap. 57, s. 392. Ovid, Amores, i, 15, vv. 7–8, s. 50/51 (Üs: Marg/harder): »[…] mihi fama perennis / Quaeritur, in toto semper ut orbe canar.« Auf der Kugel steht freilich auch Fortuna; s. Ovid, Epistulae ex Ponto, ii, 3, v. 56, s. 372: »[Fortuna] stantis in orbe deae.« derselbe, Fasti, ii, vv. 17–18, s. 62: »Magna paro, quas possit Amor remanere per artes, / dicere, tam vasto pervagus orbe puer.«

2. Piero und die Ansichtsfrage

Kreismotivs, spricht eine deutlichere sprache. nachdem bereits wind en passant auf die zentrale Kugel unter den Adlerschwingen auf dem revers einer posthumen Medaille des Federico da Montefeltro im Kontext von Urbinas – Orbinas aufmerk­ sam gemacht hatte,137 verwies Biermann bestäti­ gend auf die kleinen Kugeln als Bekrönung der beiden rundtürme an der westfassade des Palazzo Ducale, die in porcellios dichtung Feltria in ent­ sprechender diktion kommentiert wurden, und er verwies auf die beiden Bronzekugeln am herzögli­ chen thron in pedro Berruguetes Doppelbildnis von Federico und Guidobaldo da Montefeltro. diese reihe ließe sich mühelos verlängern.138 im Palazzo Ducale wurde dem weltkreis nicht allein durch die Kugelform als details von Kunstwerken zu visu­ eller präsenz verholfen, sondern außerdem durch eine Variante, die in weit größerer nähe zu pieros panorama­Konzept steht. denn das rund, das piero entwarf, lässt, allein schon wegen der Akku­ ratesse von vier fortlaufenden teilen, an die karto­ grafische Vermessung denken, selbst wenn sie dem Zeitgenossen nur suggeriert werden sollte. es ist das wiederholt auftauchende Zirkelmotiv (Abb. 52).

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52 Zirkelartiges Motiv, ca. 1470–1480, Urbino, Palazzo Ducale

137 die Medaille stammt von pietro di Antonio torrigiani (pesaro, Museo civico Oliveriano); s. wind, [1958] 1987, Anm. 47; hill, 1930, s. 185, nr. 1118; sangiorgi, 1982, s. 102–103, Abb. 42; vgl. auch die zentrale Kanonenkugel auf dem revers von clemente da Urbinos Medaille des Federico da Montefeltro (v. 1468); wind, [1958] 1987, s. 115, Anm. 47, Abb. 71; hill, 1930, nr. 304; Biermann, 1996, Abb. 7. 138 der Verweis auf die türme in ebenda, s. 128, Abb. 9; die Kugeln kommentiert von porcellio, Feltria (zitiert nach rotondi, 1950, Bd. i, s. 415): »stant geminae in coelum turres, quibus aureus orbis, / summa tenens, terras sole irradiante fulget,«; zu Berruguetes doppelbildnis ebenda, s. 123f. und sangiorgi, 1982, s. 30, Abb. 6. Kugeln zieren übrigens auch den thron des heute zerstörten Gemäldes von Justus van Gent, Federico da Montefeltro kniet vor einer der Artes (ehemals Berlin, Kaiser Friedrich Museum); ebenda, s. 34–35, Abb. 8. in pieros Geißelung Christi stemmt eine Bronzestatue eine Kugel hoch; die urbinatische provenienz von pieros Geißelung wird neuerdings bestritten von Bernd roeck, Mörder, Maler und Mäzene. Piero della Francescas ›Geißelung‹. Eine kunsthistorische Kriminalgeschichte, München, 2006, s. 56ff.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

Zuweilen wird es, mit einem Kreis umgeben, von den initialien des Grafen Federico (»F« »c«) flankiert.139 All dies sind freilich Brechungen ein und desselben Gedankens. es handelt sich um Konnotationen an imperiale Größe. wenn piero mit seinem panorana vorgab, den schier unendlichen rundumblick um die Achse des porträtierten Fürsten vorzuführen, dann figuriert dieser als caput urbi (oder auch caput orbi). Besser hätte man die Gabe des Malers, im Gegensatz zum Bildhauer über den prospekt seiner Figuren nach Belieben bestim­ men zu können, nicht zum Ausdruck zu bringen vermocht.140 wie stark Bilderfindun­ gen dieser Manier mit ekphrastischer herrscherpanegyrik wetteifern dürften, zeigt der seitenblick auf drastische lobeshymnen, die ianus pannonius an Guarino Veronese adressierte. pannonius entfaltet in diesen 1454 niedergeschrieben Versen eine Vision, in der er Guarino in Gold »in der Mitte eines raumes« sitzend sah, der »oben mit dem regenbogen der iris bemalt« ist, mit dem Fuß auf dem Mond und eingehüllt in sonnen­ strahlen, »sodass pisa aufhören wird, über den donnerer des phidias zu staunen oder rhodos über seinen Koloss, der in gigantischer Größe aufragt«. Auch Guarinos Gattin taddea figurierte unter den statuen »von lebensnahem realismus.«141 nun wurde pieros panorama nicht allein als würdeformel für die porträtierten ersonnen. hält man sich vor Augen, dass die Ausprägung dieses verschlüsselten Gelän­ dereifes damals eine völlig singuläre erscheinung in der landschaftsmalerei darstellte, dann wird deutlich, dass diese schöpfung, die piero ein hohes Maß an inventio abver­ langte, nicht ohne Künstlerstolz zustande gekommen sein kann. in pieros kunsttheo­ 139 das Kreismotiv mit den eingeschriebenen initialien und einem Zirkel begegnet rechts oben auf der intarsientür der Sala delle udienze zur Sala degli angeli; s. rotondi, 1950. 140 leonardo, Libro di pittura, i, 38, s. 161f.: »le prospettive delli scultori non paiono niente vere, quelle del pittore paiono a centinaia de [miglia] di là dall’opera. la prospettiva aerea è lontana [da lor] opera.« 141 ianus pannonius, Panegyricus in Guarinum Veronensem, vv. 654–663, in: ian thompson, Humanist Pietas. The Panegyric of Ianus Pannonius on Guarinus Veronensis, Bloomington, 1988, s. 178, vv. 651, 654–663: »primus ego […] […] Ac viridi in ripa centum sublime columnis constituam templum: media, Guarine, sedebis 655 Aureus in camera picto super iridis arcu insistens lunam radiis et solis amictus, Ut nec phidiacum miretur pisa tonantem nec rhodos immani surgentem mole colosson. stabunt et viris spirantia signa figuris: 660 idaeam assimilans coniunx thaddaea parentem, Bis senae iuxta facies, tua sancta propago caeliolum totidem vultus imitata serenos.«

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retischer hinterlassenschaft ist die landschaftsmalerei nirgends direkt ein thema. stets richtete sich sein Augenmerk auf die geometische Form. so kann es denn auch nicht überraschen, wenn er in seinem Malereitraktat De prospectiva pingendi die Verschieden­ heit der Ansichten« (»de aspectuum deversitate«) über den Geometer euklid vermittelt bekommen haben will.142 das erlaubt rückschlüsse auf die Art und weise, mit der piero mit hoher wahrscheinlichkeit über sein panorama aus Versatzstücken sprach. es musste ihm bewusst gewesen sein, dass der eingefangene rundumblick zunächst etwas dreidi­ mensional­sphärisches an sich hatte. Als Maler peilte piero mit hilfe von linien eine projektion dessen in die Fläche an. in welch hohen Maße am urbinatischen hof der Unterschied zwischen der Zwei­ und der dreidimensionalität von darstellungen zum Gegenstand der reflexion erwuchs, geht aus Martino Fileticos Iocundissimae disputationes hervor. ›Battista [sforza]‹ ist es, die sich über das wesen der linie (»linea«) in einer der unter dem humanisten überaus beliebten Begriffsbestimmungen auslässt: »›wir gebrauchen das wort ›linie‹ in einem sinne, die Geometer in einem anderen. […] die Geometer […] nennen ›linie‹ die Figur, wie es der höchst gelehrte Varro definiert, ›die eine länge hat, ohne Breite und höhe‹. die Griechen nennen sie ›γραμμ`ην‹ und definieren sie mit ›länge ohne Breite‹. die Figuren, die den Geo­ metern dienen, sind von zwei Arten. die erste nennt er ›Fläche‹, die zweite ›Körper‹. die Fläche hat linien, die sich nur in zwei dimensionen entwickeln, in länge und Breite, ohne höhe. der Körper hat nicht nur linien in länge und Breite, sondern auch in der höhe wie die pyramiden und die würfel, die von jeder seite quadratisch sind, die die Griechen ›κ´υβους‹ nennen.‹«143 was sich in der Affinität zum Mathematischen beinahe wie eine Vorwegnahme von pieros De prospectiva pingendi liest, dürfte dem Verständigungsvokabular über sein panorama entsprochen haben. so einfach es klingt: die von piero skizzierten linien dieses ›weltenrundes‹ – oder um mit lazzarelli zu sprechen: »tota […] machina« –144 bewegen sich in nur zwei dimensionen, so überwältigend plastisch das Gemalte hervor­ 142 piero della Francesca, De prospectiva pingendi, i [fol. 6v] und iii [fol. 82v], s. 76, s. 211. 143 Filetico, Iocundissimo disputationes, iii, 127–128, s. 300: »Aliter geometrae lineas, aliter et nos sumi­ mus. […] Geometrae autem eam appellant lineam, ut a Varrone, homine doctissimo, diffinitum est ›quae longitudimem quandam habet sine latitudine et altitudine‹, quam Graeci γραμμ`ην dicunt eamque diffiniunt esse μ˜ηκoς ἀπλατ´ες. sed figurarum quibus geometrae utuntur bipartium est genus. Unum quod ἐπίπεδον, alterum quod στερεòν dicunt. ’Еπίπεδον autem lineas habet in partis duas tantum, qua latum quaque longum absque altitudine ducitur. Στερεòν vero non latitudinem solum longitudinemque linearum, verum etiam altitudinem habet, ut pyramides sunt et taxilli qui ex omni parte quadrati sunt, quos κύβους Graeci nominant.« 144 lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, i, v. 20, s. 15; castiglione spricht von der »machina del mondo«; s. castiglione, Cortegiano, iV, cap. 58, s. 393; richtungsweisend in der diktion »machina mundi«; lukrez, De rerum natura, V, v. 96, s. 358.

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tritt. leonardo wird sich in der Parte prima zum sprachrohr solch ambitionierter Maler machen, wenn er deren Gabe ins rechte licht rückt, auf einer ebenen Fläche kraft der wissenschaft weitausgedehnte Gefilde mit fernen horizonten darzubieten.145 der Betrach­ ter mochte der Viergliedrigkeit von pieros panorama, hinter der ein einziger fortlaufen­ der orbis steckt, viele Bedeutungen beilegen. Man denke beispielsweise an den Auftrag, den Francesco sforza 1450 an den dichter Francesco Filelfo erteilt hatte: epigramme für eine Folge von viri illustri, die auf das Modell der vier weltreiche zurückgreifen soll­ ten.146 der streng konzeptuelle Zug im Großen ändert nichts an einer eigenschaft, die dem schlechterdings zuwiderläuft und die dem ptolemäischen ideal der chorografie rech­ nung trägt:147 pieros landschaftsprospekt frappiert durch eine ausgesprochen mannig­ faltige Vegetation aus Flüssen und hügeln – ein naturrund, das in seiner Vielgestaltig­ keit und Farbenreizen geradezu alles – dörfer – einzubegreifen scheint. Überwältigend wird dem Betrachter so die Universalität der Malerei zu einem Zeitpunkt vergegenwär­ tigt, als leonardo die philostratisch angehauchte Gleichsetzung der Malerei mit der natur (schließlich stellen Gemälde diese getreu vor) ebensowenig formuliert hatte wie seinen Anspruch, die natur gar zu überflügeln.148 das soll nicht heißen, dass piero keine litera­ rischen ressourcen zur Fundierung der Universalität der Bildkünste zur Verfügung standen. im Gegenteil, im letzten dugento­drittel machte sie ein Mönch namens resto­ ro in einem naturkundlichen Buch geltend. er kam aus Arezzo, der stadt, in der piero sei­ ne berühmtesten Fresken – den Kreuzeszyklus – schuf.149 restoro d’Arezzo führte die Uni­ versalität der Bildkünste nach dem prinzip der Amplifizierung darstellbarer lebewesen

145 leonardo, Libro di pittura, i, 35. 146 der Auftrag ist möglicherweise nie zur Ausführung gelangt; näheres in cesare picci, »›l’Anthologia latina‹ e gli epigrammi del Filefo per pitture milanesi«, in: Archivio Storico Lombardo, ser. 4, 7, 1907, s. 399–403. 147 An Federicos Begeisterung für ptolemäus dürfte Bessarion wesentlichen Anteil gehabt haben. Bessari­ on hatte vor 1423 in Konstantinopel nicht nur die schule des Geometrie­Gelehrten Giovanni cortas­ meno (alias Johannes chortasmenos) besucht; er besaß den griechischen Originaltext des Amalgest von ptolemäus, der 1451 die Grundlage der auf Betreiben von papst nikolaus V. gefertigten Überset­ zung bildete. Außerdem stand Bessarion in den 60er Jahren in direktem Kontakt mit dem Astronom Georg peuerbach, dem besten ptolemäus­Kenner der damaligen Zeit; dieser fertigte auf Anregung Bessarions ein Kompendium des werkes von ptolemäus (Epytoma Joannis de Monteregio in Almagestum Ptolomaei, Venedig, 1496); weitere details in Bessarione e l’Umanesimo, 1994, s. 105–117. 148 leonardo, Libro di pittura, i, 9: wer die Malerei schmähe, der schmähe die natur, denn diese stelle der Maler dar; zur superatio der natur leonardo, Libro di pittura, i, 28; 31. – speziell im panorama des Montefeltro-Diptychons begegnet allenfalls eine leise huldigung an die der Malkunst unterstellte Gabe, das nicht darstellbare, selbst Atmosphärisches, zu schaffen; vgl. ebenda, i, 38; i, 40. 149 Zu pieros Kreuzeszyklus in san Francesco in Arezzo Battisti, 1992, Bd. i, s. 100ff.

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und naturgegenstände vor.150 Und infolge von petrarcas erwähnter Aufzählung in De remediis, was dem Blinden alles entgehe, sollte diese Art der evokation der Ganzheit der natur im paragone (weit über castiglione hinaus) immer wieder zugunsten der Mal­ kunst in die waagschale geworfen werden.151 interessant ist restoros Begründung für die rundform der welt als Ausdruck der perfektion. nur dergestalt sei sie imstande, sich zu bewegen und zu drehen.152 wir können vor diesem hintergrund nicht ausschließen, dass pieros panorama in Verbindung mit der Beweglichkeit der diptychon­Flügel einen ganz eigenen reiz entfalten sollte. Zu beweisen ist dies nicht. diese Beobachtungen dokumentieren etwas nicht selbstverständliches: dass die geo­ grafische lektüre, besonders die im Umfeld des ptolemäus, ihr anhaltendes echo im rhetorischen Gefüge der universalità der Malkunst hatte. leonardos Berufung auf die Kosmografie im paragone bekräftigt dies. Ob leonardo, der 1502 als Gefolgsmann cesare Borgias nach Urbino kam, in seinem gründlich vorbereiteten – heute verlorenen – stadtplan dem orbis seinerseits tribut zollte, werden wir nie erfahren.153 Welthaftes ›en miniature‹ einem landschaftsstrich eine welthafte dimensionen zuzuspielen, heißt, etwas Kleinem den Anschein von Großem zu verleihen. diese Unverhältnismäßgkeit der Größenrela­ tionen lässt an die berühmte Metapher castigliones denken: der urbinatische Palazzo Ducale wirke eher wie »eine stadt in Form eines palastes«.154 De facto sah die situation im Montefeltro-Diptychon anders aus: der prätention nach bannte piero die riesige welt auf Bildtafeln von vergleichsweise schwindend geringen Ausmaßen, auf ein panorama­ tisches Band, dessen Breite sich in 1,32 Metern erschöpft.

150 restoro d’Arezzo, La composizione del mondo, ii.1.1., s. 78: »[…] li quali maiestri per sutilità fòro quasi en modo de dèi en entalliare e scolpire le cose de la natura, come so’li animali e le plante e fiumi e monti e sassi e ogne altra cosa la quale se pò scolpire e designare.« 151 Zu petrarca s. cap. iii.2.2; zur universalità der Malerei in castiglione, Libro del Cortegiano, i, cap. 60; nirgends wird die universalità der Malerei vehementer vertreten als von leonardo, Libro di pittura, i, 10; 13; 18; 23; 28; 31; 41; Filarete, Trattato, XXiii, Bd. ii, s. 664: »se non fusse stato degno esercizio non tanto arebbono lodato e onorato tal magistero, ché non è arte che abbia tanta forza di rapresentare la natura quanto ha questa; ché vedrete alcuna volta quello che tempo non può, ne può fare e farà uno maestro in dimostrazione, mediante questo sapere adoperare di questi colori.« 152 restoro d’Arezzo, La composizione del mondo, ii.1.1., s. 79: »[…] la figura retonda è la più perfetta figura che sia e più aconcia a mòvare e a vòlgiare […], emperciò che ’l mondo è perfetto […].« 153 Zur Kosmografie leonardo, Libro di pittura, i, 28. im Ms. L (paris, institut de France) begegnen detaillierte Ausmessungen der Befestigungsanlagen von Urbino; dazu Martin clayton, Leonardo da Vinci. A Curious Vision, Ausstellungskatalog (london, Buckingham palace, 01.03.1996–12.01.1997), london, 1996, Kat.­nr. 50, s. 94. 154 castiglione, Cortegiano, i, cap. 2, s. 14: »[…] non un palazzo, ma una città in forma de palazzo esser pareva.« dazu roeck, 2005, s. 142f.

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näher betrachtet, kam dieses künstlerische Bestreben nicht unvermittelt. es konkur­ rierte mit einer episode der weltliteratur: der ekphrastischen schildbeschreibung von homers Ilias beziehungsweise Vergils Aeneis.155 im Quattrocento wurden beide antike Autoren, durch Angelo camillo decembrio und nicht minder den römer lorenzo Val­ la, in Form von Katachresen zu weltenmalern gekürt.156 tatsächlich standen den Malern jene Fertigkeiten, anschaulich das Universal­Ganzheitliche zu evozieren, nicht weniger gut zu Gesicht als den dichtern, deren Motivschatz die Bildkünstler zudem nicht uner­ heblich beflügeln musste. namentlich Vergils Metaphorisierung des werkprozesses, genauer, die entstehung des Artefaktes »Kreis auf Kreis« (»orbibus orbes«, v. 448), dürfte ihre wirkung auf pieros chorografisches, wegen der Überkreuzung zu einem Gebilde aus zwei sphären geratene Band nicht verfehlt haben,157 wie auch die durch Vergil ver­ mittelte Zierde des schildes von Aeneas: triumphdarstellungen (»romanorumque tri­ umphos«; v. 626). Kein zweiter Autor hatte mit solcher Vehemenz den Umfang und die weite als Qua­ litätsmaßstab auf eine Vielzahl von Kulturgütern – Bücher, Gemälde, statuen und schriftrollen – appliziert wie plinius der Jüngere, indem er beteuerte, dass »wie andre gute dinge […] auch jedes gute Buch« um so »besser« sei, »je umfangreicher« es ausfalle, wie auch »statuen, Bildwerke, Gemälde, schließlich auch die erscheinung des Menschen und mancher tiere, auch der Bäume, wenn anders sie überhaupt hübsch« seien, nichts mehr aufwerte als das Ausmaß (»amplitudo«); ja sogar den Buchrollen verleihe »der

155 homer, Ilias, XViii, vv. 483ff.; pausanias, Beschreibung Griechenlands, Viii, 16; dazu land, 1994, s. 36ff.; Keith stanley, The Shield of Homer, princeton, 1993; Michael c. J. putnam, Virgil’s Epic Designs. Ekphrasis in the Aeneid, new haven und london, 1998, s. 119–188; von fünf schichten von Achills schild spricht Aulus Gellius, Noctes Atticae, XiV, 6. – Vergil, Aeneis, Viii, vv. 420ff.; zur rez­ eption craig Kallendorf, In Praise of Aeneas. Virgil and Epideictic Rhetoric in the Early Italian Renaissance, hanover und london, 1989; in der AP, iX, nr. 115, 115b, 116;. in AP, XV, nr. 1 wird der schöpfer des weltalls als Künstler bezeichnet. 156 decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 14, s. 429: »Quamobrem a poetis et ab homero Virgilio­ que praecipue usque adeo naturalia depingitur, uti portuum, insularum, pascuorum, arborum, fer­ arum, hominum […].« Valla, Opuscula tria, in: Valla, Opera omnia, Bd. ii, s. 100: »Quid sublimitatis videtur habere posse scuti materia? et tamen quid sublimius quam apud hos auctores vel Achillis scu­ tum vel Aenee, ut non tam clipei quam terrarum orbis exprimi, pingi, representari putetur. Adeo interest, quo ingenio materiam aut qua facundia tractes.« Zur sublimitas plinius d. J., Epistularum libri, i, 16, 4. – Über den schild des Aeneas dante, Monarchia, ii, 4, 8; der schild unberücksichtigt in Maffeo Vegios Supplementum zur Aeneis (1428); landinos ›praefatio‹ zu seinem Aeneis­Kommentar von 1488 in landino, Scritti, Bd. i, s. 20–28; ein reflex auf Achills schild begegnet im Gedicht von Giuseppe castiglioni (1550 – ca. 1616), in: Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, nr. 108, vv. 27–28. 157 siehe das schema in hessler, 1992, s. 166, Abb. 4; zur denkbaren etymologischen Abhängigkeit des städtenamens Urbino von ›urbs­bina‹ ebenda, s. 174, s. 175, Anm. 46.

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Umfang eine Art Autorität und schönheit.«158 der schlüsselbegriff, der in dieser sequenz zum Kompendiösen fällt, heißt amplitudo. er hatte viel zu tun mit den strategien zur erzielung der Universalität, die in der klassischen rhetorik unter dem stichwort amplificatio Konjunktur feierten.159 nicht von ungefähr umschrieb Francesco ii. Gonzaga 1494 brieflich mit einer Flexion des gleichen Begriffes die Gabe des hofmalers Francesco Bonsignori, ein panorama der erde, ein substrat aus allerei Bunten und disparaten, auf kleiner Fläche zuwege bringen zu können (»[…] quae parvo spatio amplissimum terra­ rum orbem comprehendere potis est«). darin zuallererst liege der lockreiz der Malerei. er meinte, dass Bonsignori: »[…] für seine großartige Malkunst gewürdigt werden muss, die auf kleiner Fläche den so großen erdkreis umfassen und die Formen der lebewesen mit linien so abbilden kann, wie unser Geist und die Bewegung beim wesen des lebenden Kör­ pers aufhören. dazu fordern wir umso lieber auf, da die Malerei selbst uns keine geringen Freuden bereitet und mit dem liebreiz, der von ihr ausgeht, uns häufig ent­ spannt; und (so) erholen wir unseren Geist, der durch verschiedene inanspruchnah­ men, Kummer und sorgen verwirrt ist.«160 Ohne allzusehr der Antinomie von Größe und Kleinheit das wort zu reden, berichtete der historiker Bartolomeo Facio gegen Mitte des Quattrocento von Jan van eycks bis in details bestens erkennbarer »runder darstellung der welt« für philipp den Guten.161 die mehr auf Kontrastwirkung bedachte Vorstellung des Gonzaga­Fürsten teilte aber bald dreißig Jahre früher der in Mailand gebürtige rhetorik­dozent Baldessare rasini. in einem Genre, in dem eine Äußerung dieser Art kaum zu erwarten wäre, in einer Grabrede, die er auf Battista sforzas Onkel, Francesco sforza, hielt, brachte rasini 1467 seine Bewun­ 158 plinius d. J., Epistularum libri, i, 20, 4–5, s. 50/51 (Üs: helmut Kasten): »et hercule ut aliae bonae res, ita bonus liber melior est quisque, quo maior. vides, ut statuas, signa, picturas, hominum denique multorumque animalium formas, arborum etiam, si modo sint decorae, nihil magis quam amplitudo commendet. […] quin etiam voluminibus ipsis autoritatem quandam et pulchritudinem adicit mag­ nitudo.« 159 Zur amplificatio lausberg, [1960] 31990, s. 220ff., §§ 400–409. 160 es heißt im Brief vom 13. Juni (Mantua, Archivio di stato, Gonzaga, decreti libro 24, fol. 198v; zuerst in Alessandro luzio, La Galleria dei Gonzaga venduta all’Inghilterra nel 1627–1628. Documenti degli archivi di Mantova e Londra raccolta ed illustrati, Mailand, 1913, s. 191): »[…] pro eius ingeniosa picturae arte muneranda, quae parvo spatio amplissimum terrarum orbem compehendere potis est et animantium formas lineamentis sic figurare ut spiritus noster tantum et motus desit ad vitalis corporis esentiam; ad quod eo etiam libentius invitamur, quo pictura ipsa non modice nos delectat eiusque gratia oblectatione mentem variis occupationisbus, solicitudinibus, et curis implicitam sepius relaxa­ mus et solamur […].« dazu auch warnke, 1985, s. 192f. 161 Facio, De viris illustribus, s. 165: »eius est mundi comprehensio orbiculari forma, quam philippo Belgarum principi pinxit, quo nullum consumatius opus nostra aetate factum putatur, in quo non solum loca situsque regionum, sed etiam locorum distantiam metiendo dignoscas.«

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derung für das Unterfangen zum Ausdruck, auf einer kleinen Bildtafel den weltkreis unterzubringen. Ob dabei eine wendung senecas pate stand, in der es hieß, »eines gro­ ßen Künstlers Fähigkeit« sei es, »das Ganze in geringem raum« einzuschließen, ist schwer zu entscheiden.162 Federico da Montefeltro mochte den topos 1472 in einer der Grabreden auf seinen besten Freund, Kardinal Bessarion, vernommen haben, der im november des Jahres in ravenna verstorben war. ein gewisser niccolò capranica war es, der in seiner rede keinen hehl aus der schwierigkeit machte, den immensen erdkreis erschöpfend auf einer kleinen Gemäldefläche darzustellen.163 in dieser phraseologie, die nicht an die trostrede gebunden war, ging es jedoch anfangs um kaum mehr als um Auswüchse des von curtius so genannten ›Unsagbarkeitstopos‹, sprich der stereotyp beteuerten schwierigkeit, einem umfänglichen stoff in gebotener Kürze gerecht werden zu können;164 es ging allenfalls am rande wirklich um die Malkunst. Aber solch eingängige Floskeln verhallten nicht ungehört. in pieros rundumblick um die Achse des abgebildeten Montefeltro­paares hat sich die sehnsucht nach elemen­ tarer weite mit dem streben nach dem, was es obligat bleiben muss, nämlich nur ein ›Komprimat der welt‹, dialektisch verschränkt. Als bedeutend für das virtuos eingefan­ gene Kompendiöse erweist sich ein passus aus dem siebenten Buch der Naturalis historia. in ihm berichtet plinius unter rekurs auf cicero von einem Miniatur­exemplar der Ilias. es heißt, wegen der bestechenden Kleinformatigkeit dieses auf pergament geschriebe­ nen Buches habe ihr eine nuss als Behältnis dienen können.165 eine preziose für den

162 seneca, Ad Lucilium, Vi, 53, 11, Bd. iii, s. 430/431 (Üs: M. rosenbach): »At mehercules magni arti­ ficis est clusisse totum in exiguo […].« die Äußerung von Baldassare rasini in John McManamon, Funeral Oratory and the Cultural Ideals of Italian Humanism, chapel hill und london, 1989, s. 31, Anm. 107: »Argutissimam pictorum industriam nuper sum imitaturus qui latissimum cum orbem sunt picturi illum brevi tabella mirum in modum sua arte coercent«. Jedenfalls heißt es 1434 im Ver­ gleich mit der Buchkunst in einem Brief Vallas: »[…] et pene depingitur, veluti qui orbem terrarum in tabula describunt, distinctum spatiis, dimensum lineis, adumbratum coloribus, ut ii qui pauca loca viderunt in illam tabulam intuentes fere omnia videant? At quantulum similitudinis ad veritatem habet illa pictura?«; Valla, Epistole, nr. 5, s. 146. 163 in der rede von niccolò capranica heißt es: »permulta pro paucis imitatus eos qui magnum atque immensum orbem brevi admodum tabella depingunt«; zitiert nach McManamon, 1989, s. 31, Anm. 107. 164 dazu curtius, [1948] 101984, s. 168ff. der Unsagbarkeitstopos war entscheidend für den vergilischen Artefakt; Vergil, Aeneis, Viii, v. 625, s. 352 spricht von einem »enarrabile textum« (undarstellbaren Gefüge). 165 plinius, NH, Vii, 85, s. 64: »[…] in nuce inclusam iliadem homeri carmen in membrana scriptum tradit cicero […]«; bei plutarch die Angabe, Alexander habe die Ilias immer bei sich getragen und unter dem Kopfkissen liegen gehabt; s. plutarch, Alexander, 8 und 26; zitiert in castiglione, Cortegiano, i, cap. 43; sueton, Domitian, 3: domition ließ Mettius pompusianus ermorden, denn ihm wurde die herrschaft über das reich prophezeit und er trug eine weltkarte, die auf pergament gemalt war, mit sich herum.

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Bibliophilen also – und der Kleinheit wegen verwies plinius auf zwei elfenbeinwerke en miniature, auf einige schöpfungen des Virtuo­ sen Kallikrates einerseits (er schnitt Ameisen und andere kleine lebewesen) und auf eine winzige Quadriga andererseits, das werk eines gewissen Myrmekides. dieser Buch­skulptur­ Vergleich hatte Folgen. petrarca übernahm ihn in einem seiner Altersbriefe, nicht ohne die Aus­ schmückung dessen, was jene nuss dank der subtilen Beschreibungen der Ilias in sich barg: ganze dörfer, städte, tempel, Bürger mitsamt ihren sitten und Gepflogenheiten wie auch häuser.166 es nimmt nicht wunder, dass sich be­ sonders Buchmaler erkühnten, sich der heraus­ forderung der darstellung des Monumentalen im extremen Miniaturformat zu stellen. es gehörte, wie lobeshymnen auf Buchmaler zei­ gen, zum ganz besonderen reiz ihrer speziali­ sierung.167 so brillierte der auch für Federico da Montefeltro in den 70er Jahren tätige Frances­ co di Antonio del chierico mit einem in den Medici­ring hineingemalten Globus (Abb. 53). Kurioserweise bewegen ihn vier stecknadelgro­ ße putten mit ihren Kurbeln.168

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53 Francesco di Antonio del chierico (zugeschrie­ ben), detail von: Triumphus Eternitatis: putten lenken den Globus, letztes Viertel des 15. Jahrhunderts, aus: petrarca, Trionfi, Bl, Ms. harley 5761, fol. 50r

166 petrarca, Rerum senilium libri, X, 2, 10, Bd. ii, s. 245: »An quia, fortassis, minutissimum illud opus, Myrmecidis quadrige, quam tegebat, ut perhibent, alis musca, rotarum radios non discernunt oculi, seu callicratis non dinumerant formicarum pedes partesque alias humani aciem obtuitus tenuitate frustrantes, neque Yliadem illam quam subtiliter adeo fuisse descriptam ut tota unius testa nucis includeretur ait cicero, clare expediteque perlegunt, idcirco sic caligant ut urbes vicosque urbium, cives, mores, habitus, domos, templa non videant?« Vgl. plinius, NH, Vii, 85 und XXXVi, 43. 167 im Gedicht von roberto Orsi (ca. 1470) lesen wir nach langen Aufzählungen, was der Buchmaler Giovanni da Fano darstellen könne, die Floskel: »Quin te te in parvis modo dixeris esse tabellis, / Usque adeo doctas possidet ille manus.« (BncF, Ms. Magl. Vii, 1200, fol. 82v); zitiert nach Baxan­ dall, 1971, s. 94. 168 das Motiv zierte den Triumphus Eternitatis (Bl, Ms. harley 5761, fol. 50r); der schreiber dieser Trionfi­handschrift aus dem letzten Viertel des Quattrocento war Ottoboni livy; sie gehörte den Medici; knapp erwähnt in trapp, 1996, s. 1–74, s. 46, Anm. 148, s. 60, Anm. 225.

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dem spiel mit dem Unverhältnismäßigen, des­ sen eigentümliche erscheinungsform erich Auer­ bach in Bezug auf rabelais als ein »spiel der Mög­ lichkeit« bezeichnet hat, das »die […] der Freiheit aufleuchten läßt«,169 verschlossen sich auch die Bild­ hauer im paragone nicht. Als imposante Gegenent­ würfe, die zumindest die Kunsttheorie skizzierte, kamen zunehmend eigenheiten von Kolossalstatuen ins spiel. Zu nennen ist vor allem der mitunter durch Vitruv überlieferte megalomanische plan des Archi­ tekten von Alexander dem Großen, deinokrates, den Athos­Berg zu einer männlichen Kolossalstatue zu modellieren. in dessen hand sollte eine ganze stadt ihren platz finden. Albertis deutung dieser Geschichte in seinem Architekturtraktat verdient Beachtung, denn er dachte sich dieses skulpturale werk als Bildnis: das von Alexander dem Großen. der Bildhauerarchitekt Francesco di Giorgio Mar­ tini steuerte seinem Architekturtraktat für den Montefeltro­Fürsten eine Zeichnung bei: den Koloss mit nicht weniger als der stadt in der monu­ mentalen hand (Abb. 54).170 Und eine dritte, eben­ 54 Francesco di Giorgio Martini, Der Koloss des Deinokrates, Kopie von 1497–1500, aus: falls mit dem urbinatischen hof in Verbindung ste­ Trattato di architettura civile e militare (codex hende Quelle, castigliones Libro del Cortegiano, M), Florenz, Biblioteca nazionale centrale, unternimmt gar den Brückenschlag vom Palazzo Ms. ii.i.141, fol. 27v Ducale zu eben diesem Berg in Menschengestalt, nicht ohne die stadt, die von der linken hand gestemmt wird, mit dem epitheton »amplissi­ ma« zu versehen.171 Martin Kemp hat mit recht betont, dass deinokrates für Filarete die 169 die studie gilt der welt, die sich im Munde des riesen pantagruel befindet, s. erich Auerbach, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, [Bern, 1946] Bern, 51971, s. 250–270, s. 268. 170 Francesco di Giorgio, Trattati, Ms. Magliabechiano, ii,i.141, fol. 27v, s. Francesco di Giorgio architetto, Ausstellungskatalog (siena, palazzo pubblico, 25.04.–31.07.1993), hrsg. v. Francesco paolo Fiore et alt., Mailand, 1993, s. 74–75; vgl. Vitruv, De architectura, ii, ›praefatio‹, 1ff.; Alberti, De re aedificatoria, Vi, cap. 4. – Alberti hat der relativität der Größendimensionen einen Abschnitt seines Malerei­Buches gewidmet; als Beispiel dient ihm das kleine Gemälde des timantes mit einem schla­ fenden Kyklopen; in seiner Größe werde dieser durch winzige satyrn erkannt, die seinen daumen umfangen; s. Alberti, De pictura, i, 18. 171 castiglione, Cortegiano, iV, cap. 36, s. 388f.: »[…] e pensò di ridurre in forma d’omo il monte Atos, e nella man sinistra edificargli una amplissima città, e nella destra una gran coppa, nella quale si racco­ gliessero tutti i fiumi che da quello derivano, e di quindi traboccassero nel mare […].«

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identifikationsfigur in seinem Buch über die idealstadt Sforzinda war. Ganz ohne hinter­ gedanken geschah dies nicht. schließlich entfaltete Filarete diese stadt, so möchte man ergänzen, nicht minder auf kleinem raum, konkret: zwischen zwei Buchdeckeln.172 diese Beobachtungen lassen Folgendes erkennen: piero meisterte mit seinem kon­ zentischen ›weltenrund‹, mit dem er zugleich dem imperium des »signore d’Orbino« ein denkmal setzte, eine Aufgabe, die wegen ihres erhöhten, kaum zu bewältigenden schwie­ rigkeitsgrades in der literatur längst als herausforderung erster Güte für Maler gehan­ delt wurde, zunächst allein nur als rhetorische Floskel oder als ekphrase, ohne die durchführbarkeit je für möglich zu halten. pieros typenprägung des über vier tafeln eines einzigen Malwerkes sich erstreckenden prospektes, dem genial ein nach außen, ins Unendliche gerichteter rundumblick zugrunde lag, war hervorragend geeignet, das Montefeltro­Diptychon in den rang einer inkunabel eines neuartigen weltentwurf­Kon­ zeptes zu erheben und ihren schöpfer zum dio pittore. eine ganze stadt in der hand des Kolosses, den der Bildhauer Francesco di Giorgio wenige Jahre danach für den Monte­ feltro­Fürsten zeichnete, bezeugt, wie sehr gerade die (im horazschen sinne) künstleri­ sche Freiheit als spiel mit der Maßeinheit einen reibungspunkt in Gattungsdiskussio­ nen darstellte, sofern es ein höchstmaß an schwierigkeit verhieß.173 ein rätsel gibt weiterhin die horizontverschiebung auf den diptychon­innenseiten auf, deren resulat es ist, dass Battista sforza und ihr Mann die landschaft mit ihrem Kopf überragen. wenden wir uns zunächst den in anderer weise erhöhenden sockel­ inschriften zu.

3. Memoria und eternità »sub divo, quo quisque lapis quam sit validus et contra res adversas et lacescentes constans, quasi praeludio futuri cum temporis aeternitate certaminis […].« Alberti, De re aedificatoria, ii, cap. 8, Bd. i, s. 135

3.1. Monumente im wettstreit gegen den »zweiten tod« in petrarcas Versepos Africa hört scipio in einer traumvision die warnung seines Vaters: »Bald stürzt auch das Grabmal ein, und die in den Marmor gemeißelte Aufschrift / ver­ liert sich. dann wirst du, mein sohn, den zweiten tod erleiden.« der ›zweite tod‹, die 172 Filarete, Trattato, ii, Bd. i und ebenda, iX, Bd., i, s. 46: »una statua d’uno uomo che da una mano teneva una città e dall’altra una patera, dove voleva ricogliere tutte l’acque di quella montagna […].« dazu – angesichts Filaretes (Trattato, fol. 11) interpretation – Kemp, 1977, s. 370f. 173 horaz, Ars poetica, vv. 1ff; s. auch App. iV/A: den Katalog zu bildhaften reflexen auf diesen passus.

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auch in petrarcas Secretum und im Triumphus Temporis zu eigen gemachte, originär christliche Metapher,174 meint säkularisiert das Vergessen, dem ein Verstorbener infolge des schleichenden Verfalls seines Grabmonumentes anheimgegeben ist. dieses wird als steinerner Bürge seines nachlebens aufgefasst. es ist das zweite leben nach dem leben.175 dieser topos avancierte in petrarcas nachfolge, innerhalb der streitfrage nach der opti­ malen Befähigung der verschiedenen Künste zur perpetuierung ihrer denkmäler, zur weithin bedeutendsten erscheinungsform des frühen paragone. pfisterer hat allgemein das phänomen der postmittelalterlichen eternità­diskussion erkannt, allerdings ohne deren Zuspitzung und radikalisierung in der für die Bildniskunst nicht unerheblichen Metapher des mors secundus wahrzunehmen.176 indizien lassen uns ahnen, dass dieser, im weitesten sinne in der Memoria­Kultur verhaftete Gemeinplatz in pieros Montefeltro­ Diptychon anschaulich auflebt, denn die Außenseiten mit ihren antikisierenden inschrif­ ten und Marmorsockeln sind zu einem ›denkmal‹ stilisiert worden, das so aussieht, als ob man sich die tafeln senkrecht aufgestellt vorzustellen habe. die Art und weise, in der in Urbino die Auseinandersetzung mit dem mors secundus­topos stattfand, wird erst vor dem hintergrund der konkreten diskussionsinhalte dieser Fehde transparent. sie seien kurz umrissen. Mitunter in den schriften von lukian, lukrez, seneca und der Anthologia Palatina wurde die einsicht in die Gefährdung der figurativen Künste durch die witterung und

174 petrarca, Africa, ii, vv. 431–432, Bd. i, s. 110/111 (Üs: huss/regn): »Mox ruet et bustum, titulusque in marmore sectus / Occidet: hinc mortem patieris nate, secundam.« derselbe, Secretum, 3, 89, s. 130 und derselbe, Triumphus Temporis, vv. 142–144, s. 553: »tanto vince e ritoglie il tempo avaro / chia­ masi Fama, ed è morir secondo, / né più che contra ’l primo è alcun riparo.« der topos im christlichen Kontext bei Boethius, De consolatione philosophiae, 2.Vii, vv. 23–26. 175 Allgegenwärtig war ciceros wort über die erhebung seiner seele mit dem Blick auf die nachwelt angesichts des Gefühls, als ob sie erst posthum durch unsterblichen ruhm ›leben‹ würde; s. cicero, De senectute, XXiii, 82, s. 100–102: »sed nescio quo modo animus erigens se posteritatem ita semper prospiciebat, quasi, cum excessisset e vita, tum denique victurus esset. quod quidem ni ita se haberet, ut animi immortales essent, haud optimi cuiusque animus maxime ad immotalitatem et gloriam nite­ retur.« Über die taten als Garanten des weiterlebens nach dem tod Vergil, Aeneis, X, vv. 467–469. 176 pfisterer, 2002, s. 261–268; derselbe, 2003a, sp. 529 spricht – ausgehend von cicero – von dem anima­corpus­Modell; denn cicero, De Archia poeta, Xii, 30, s. 63 traf die Unterscheidung zwischen statuen wie Gemälden als Abbildern des Körpers im Gegensatz zu den tugenden als denen der seele. entscheidend ist m. e., dass die Brisanz dieser Unterscheidung für die humanisten in Anbetracht des todes zu Gebote stand, d. h. des hinscheidens des Körpers. – Zum paragone­Argument der eternità oder auch duratà seit leonardo s. Scritti, d’arte, 1971–1977, v. a. s. 477, 478, 487, 489, 506, 543. Zur Abwägung von wort gegen Bild Borsò, 2009, s. 113–140. Zur Bedeutung der Memorialfunktion von Gemälden im trecento Jean­philippe Antoine, »›Ad perpetuam memoriam.‹ les nouvelles fonctions de l’image peinte en italie: 1250–1400«, in: Mélanges de l’École Française de Rome, Moyen Âge – Temps Modernes, 100, 1988, s. 541–615; grundlegend für den Gegenstand Memoria. Vergessen und Erinnern (poetik und hermeneutik 15), hrsg. v. Anselm haverkamp et alt., München, 1993.

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die Zeit laut.177 seit dem Altertum folgten immer wieder rivalisierende Abwägungen der resistenz der jeweiligen Kunst gegenüber den Zeitunbilden. Meist entzündete sich ein rangstreit über die haltbarkeit bestimmter werkstoffe – wie stein, Metall, ton, Farbe oder papier – im hinblick auf ein konkretes simulacrum, d. h. die gegenbildliche reprä­ sentation eines Abwesenden. die Argumentation schoss sich früh auf den Vorrang der schriftdenkmäler gegenüber den werken aus stein und der Malkunst ein, gegenüber den Gemälden zumal, da diesen, wie auch der humanist Guarino Veronese wusste, das stigma der »mit der Zeit verblassenden Farben« anhaftete.178 dieser Umstand soll den antiken Maler protogenes zur wappnung seines Ialysos­Gemäldes mit vier Malschichten bewogen haben.179 petrarca hat, in Bestätigung seiner Vorreiterrolle im paragone, dieses stereotyp, dichtung versus bildende Künste, im »de statuis«­dialog umgangen, als er – in den spuren des satirikers petronius – zu einem die skulptur nachhaltig favorisieren­

177 dass Monumente vergehen und lieder bestehen, behauptet seneca im epigramm, nr. 26, nr. 27; und in der AP, XVi, nr. 125 ist zu lesen: nässe tränke das Bildnis und habe seinen Umriss zerstört, aber das Abbild lebe im Gesang, niemals tilgbar, weiter; über die Vergänglichkeit von Büsten Juvenal, Satirae, iii, nr. 8, vv. 4–5; über die Vergänglichkeit von steinen lukrez, De rerum natura, V, vv. 306, 308, 311, 326–329, s. 374f. (Üs: Karl Büchner): »denique non lapides quoque vinci cernis ab aevo, / […] / non delubra deum simulacraque fessa fatisci, / […] / denique non monimenta virum dilapsa videmus, / […] / cur supera bellum thebanum et funera troiae / non alias alii quoque res cecinere poetae? / quo tot facta virum totiens cecidere neque usquam / aeternis famae monimentis insita flo­ rent?« (siehst du schließlich nicht auch, daß steine dem Alter erliegen, […], nicht, daß tempel und Bild der Götter ermattet zerspringen […] schließlich: sehen wir nicht denkmäler der Männer zerfal­ len, / […] /warum besangen nicht über thebanischen Krieg und Verderben / trojas hinaus auch ande­ re dinge verschiedene dichter? / wo sind so zahlreiche taten der Männer so oft hin gesunken, / blü­ hen nirgends gepflanzt in des ruhmes ewiges denkmal?) und Alberti, De re aedificatoria, ii, cap. 8–9; bei lukian, Das Schiff (lukian, Werke, Bd. i, s. 183) die Feststellung, »alles verwittert und verschwin­ det nach und nach« (im Kontext von über den Boden emporragenden Grabhügeln, hohen denksäu­ len oder zierlichen pyramiden); cicero, De senectute, Vii, 21 wendet sich gegen das Vorurteil, dass Menschen durch das lesen von Grabinschriften aus dem Gedächtnis schwinden würden. 178 Unter rekurs auf das stereotyp der Vergänglichkeit der Farben pochte Guarino da Verona 1452 im Brief an seinen, mit der Biografie des Manuel chrysoloras literarisch befassten sohn auf die Überle­ genheit der schriftdenkmäler; s. Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 590, nr. 864: »Quo fit ut ad meum sensum Zeuxim, Apellem […] et, ut de nostris dicam, Gentilem, pisanum, Angelum pingendi artifi­ cio superaris et eo magis quod […] illi caducis et vanescentibus in dies coloribus pingebant aut pin­ gunt […].« Vorbildgebend war die Unterlegenheit der flüchtigen porträts eines Gemmenschneiders oder Malers gegenüber dem »unsterblichen« literarischen Bildnis in plinius d. Jüngere, Epistularum libri, iii, 10, 6, s. 162: »sed tamen, ut scalptorem, ut pictorem, qui filii vestri imaginem faceret […] ita me quoque formate, regite, qui non fragilem et caducam, sed immortalem, ut vos putatis, effigiem conor efficere; quae hoc diuturnior erit, quo verior, melior, absolutior fuerit.« Vgl. cicero, Brutus, 320, s. 246f.: »[…] quasi de picturae veteris colore detraxerat«. 179 plinius, NH, XXXV, 102, s. 78: »huic picturae quater colorem induxit contra obsidia iniuriae et vetu­ statis, ut decente superiore inferior succederet.«

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den tiefschlag gegen die Malerei ausholte. das einseitige pochen des satirikers auf den Verlust alter Gemälde weitete petrarca zur Feststellung aus, dass im Gegensatz zur Male­ rei unzählige statuen aus dem Altertum auf seine Zeit gekommen seien.180 die Kennt­ nisse über den Maler Apelles, so erstmals Jahre zuvor an anderer stelle, rührten einzig aus Büchern, aber die über phidias aus der Anschauung.181 der neuplatoniker cristofo­ ro landino legte 1481 in seiner Kommentierung des berühmten Purgatorio­passus, der einem Verkündigungsrelief gilt, mit der emphase nach, es mit eingemeißelten, nicht etwa gemalten Bildern zu tun zu haben. denn die Malerei, so argumentiert er, ließe sich ihrer weichheit wegen leicht entfernen, ganz im Gegensatz zu dem, was in »harte« (»dura«) Materie gemeißelt sei.182 Mit diesem bemerkenswerten paragone der Material­ qualitäten reagierte landino auf einen denkanstoß, den wiederum petrarca gestiftetet hatte. in wiederholung der alten Forderung des rhetors dion von prusa nach einem »festen« Material, das, die Zeiten überdauernd, auf ewig einen Geehrten zu würdigen vermag, hatte petrarca synästhetisch den Anspruch auf die größere stabilität der worte statt des Marmors erhoben: »[…] die worte meißeln die alten und, wenn es sie geben sollte, neuen helden in härteres als festen Marmor, mit ewigen und an die Verdienste [meritis] erinnernden, mit einem schreibrohr verfestigten worten, denen die Zeit nicht zusetzen kann.«183

180 petrarca, De remediis, i, cap. 41, s. 154 (s. App. iii/A­a, nr. 5). – Anlässlich des Besuchs einer Bilder­ galerie konstatiert petronius, Satyrica, 88, s. 180 (Üs: Müller/ehlers), es »seien doch die herrlichsten Künste zugrundegegangen, darunter die Malerei, die auch nicht das geringste lebenszeichen hinter­ lassen habe« (»[…] causam desidiae praesentis excutere, cum pulcherrimae artes perissent, inter quas pictura ne minimum quidem sui vestigium reliquisset«); und an anderer stelle spricht petronius von Gemälden des Zeuxis, die noch nicht unter den Zeitunbilden gelitten hätten (ebenda, 83, s. 170): »nam et Zeuxidos manus vidi nondum vetustatis iniuria victas […].« 181 petrarca, Familiarum rerum libri, V, 17, 5 (s. App. iii/A­a, nr. 3); anders in einer unbeachteten stelle, die auch die hinfälligkeit der statuen (und der städte, wie auch alles andere von Menschenhand geschaffene) beredet: derselbe, Rerum senilium libri, X, 2, 8, Bd. iii, s. 245: »enee atque marmoree evo cadunt statue; […]«; vgl. auch 1502 calepino, Dictionarium, s. v. pOlYcletUs, der die Berühmtheit der erzbildwerke polyklets auf die Verherrlichung der schriftsteller zurückführt. 182 Zu landino, Comento (s. App. iii/B, nr. 15); vgl. dante, Purgatorio, X, vv. 38ff., Bd. ii, s. 116: »Qui­ vi intagliato in un atto soave, […].« 183 petrarca, Familiarum rerum libri, XXiV, 10, vv. 30–33, Bd. iV, s. 248 (Üs: Florian neumann): »sculpunt que rigido marmore durius 30 heroas veteres sique forent, novos, eternam meritis et memorem notam Affixam calamo, nequa premat dies.« die Forderung nach ›festem‹ Material in dion von prusa, Olympische Rede, § 69; die rigide Ablehnung eines standbildes aus ton trotz des Vorzuges der leichtigkeit, da es den Geehrten wegen der hinfäl­ ligkeit beleidige, in derselbe, Reden, 31, 152, s. 414.

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weshalb, fragt man sich, sollte papier oder pergament eher als ein stein schriftlich fixier­ te worte für die ewigkeit bewahren können? petrarcas für heutige Vorstellungen über­ raschende position galt unter den humanisten der Frühen neuzeit als common sense, im Allgemeinen wegen der Konnotationen des personenlobes an die rhetorik als ihrem wichtigsten Bildungsinstrument. dies ist in besonderer prägnanz den humanistischen Auslegungen des ›Alexander­Achill­topos‹ zu entnehmen, der, wie wir noch sehen wer­ den, dem wort im sepulkralzusammenhang im hohem Maße Anerkennung zollt. sie spiegelt sich nicht minder in der einsicht des poliziano­schülers Michele Marullo, dass die wesenszüge einer persönlichkeit ihr bestes Unterkommen im lob der Verdienste statt im Grabmonument hätten.184 dahinter steht im speziellen, als vordringlicher Grund für den Glauben an die dauerhaftigkeit des wortes, das stigma des ›toten‹ steins gegenüber dem ›lebendigen‹ wort. lebendig ist es wegen seiner tradierbarkeit von Generation zu Generation. petrarca rekurriert auf all diese topoi im Secretum, wenn er sagt, dass »die mit Büchern verknüpfte erinnerung größere lebenskraft hat als die mit Gräbern ver­ knüpfte«. dies bejahen Gelehrte der nachfolgenden Generationen wie Antonio de Ferrariis Galateo.185 in seinem skizzenbuch hat der venezianische Maler Jacopo Bellini der gleichen Vorstellung Ausdruck verliehen, indem er angesichts des Grabentwurfs für einen Gelehrten (Abb. 55) ostentativ dem hinfälligen leib, auf der schauseite des sarkophages zu sehen, ein Bild der persönlichen ›tugenden‹ gegenüberstellte, genauer, dessen einstiges wirken als rhetor am pult vor einem gewaltigen Auditorium; dieses bleibt lebendig im Gedächtnis haften. dass der Kopf des transi nicht auf einem ruhekissen gebettet ist, sondern auf einem Buch, untermalt dieses ideal vorzüglich.186 Kurzum: die humanisti­ sche emphase der Unauslöschlichkeit des geschriebenen oder des gesprochenen per­ sonenlobes hatte traditionell die Oberhand gegenüber dem zerfallenden stein, der in der phantasie von piero della Francescas Zeitgenossen gleichbedeutend zu sein schien mit

184 eingehend zum ›Alexander­Achill­topos‹ s. cap. Vi.6.3. in einem epitaph von Marullo, Carmina, s. 33, nr. 11 heißt es: »tu ne hic, roberte, es? te ne haec tegit urna sepultum? […] scilicet heac una est laudum mensura tuarum, / par tibi, par meritis sola reperta tuis.« Zum streben der sterblichen nach ewigkeit in der Architektur Alberti, De re aedificatoria, i, cap. 10; zum Verhältnis dichtung und Architektur Gerhard Goebel, Poeta Farber. Erdichtete Architektur in der italienischen, spanischen und französischen Literatur der Renaissance und des Barock (Beiträge zur neueren literaturgeschichte, 3. F., 14), heidelberg, 1971, s. 9ff. 185 petrarca, Secretum, iii, 90, s. 378 (Üs: regn/huss): »[…] vivacior est librorum quam sepulcrorum memoria […].« Über die literarischen studien schreibt Galateo, De dignitate disciplinarum (Galateo, Varii opuscoli, Bd. ii, s. 4): »hae lucem humanis rebus ministrant, hae nostri memoriam plus quam aut aera, aut marmora prorocare possunt.« (sie bieten die menschlichen Belange dar, sie können mehr als Bronzen und Marmor die erinnerung von uns ans licht bringen). wenn der ruhm mehr ist als der stein, dann ist er – wie in der Anthologia Palatina, Vii, 46 – die »hülle des denkmals«. 186 (Musée du louvre, r. F. 1480, index 13); eisler, 1989, s. 252, s. 260, Abb. 13. siehe einige ausge­ wählte Beispiele zum Vergleich der Malerei oder der skulptur mit dem Buch in App. iii/c.

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55 Jacopo Bellini, Grabentwurf für einen Gelehrten, vor 1470, paris, Musée du louvre

dem zu staub zerfallenden Menschen,187 einem wesen, das bald der Vergessenheit anheim­ gegeben ist, ja schlimmstenfalls seinem rang nach einem Ungeborenen gleicht, der nie existiert habe.188 denn Materielles, Körperliches wie der stein oder die Farbe – sie stan­ den von vornherein im Verdacht der Unzulänglichkeit in der wiedergabe dessen, was immateriell ist: das seelische, wie die tugenden, die Verdienste, die Gemütsregungen und die seele. im Banne dieses Vorstellungsgutes empfiehlt leonardo da Vinci dem Bildnis­

187 das klingt bereits im epitaph heraklits an; s. diogenes laertius, Leben, cap. ›heraklit‹, iX, 17, s. 414 (Üs: Fritz Jürs): »nun bist du, halikarnassischer Freund, längst schon zerfallen zu staub. doch deine lieder, sie leben und klingen wie nachtigallsingen; niemals kann auslöschen sie hades, der alles wegrafft.« Vgl. zum hippokrates­diktum »vitam brevem esse, longam artem«, s. seneca, De brevitate vitae, 1, 1, Bd. ii, s. 176; zu dem über das lebensalter hinausgehenden ruhm castiglione, Cortegiano, i, cap. 43; eine ironische Auseinandersetzung mit dem topos in Valla, De voluptate, ii, cap. 9, 1ff. 188 repräsentativ die Aussage des dion von prusa, An die Rhodier, 31, 20 (dion von prusa, Reden, s. 360ff., das Zitat auf s. 364): »denn eine säule, eine inschrift und ein standbild aus Bronze erschei­ nen den edlen als etwas Großes, und dies ist der verdiente lohn für ihre leistungen, daß ihr name nicht zugleich mit ihrem Körper untergeht und sie mit den Ungeborenen auf eine stufe geraten, son­ dern daß eine spur zurückbleibt, ein Zeichen, so könnte man sagen, ihrer Vortrefflichkeit.«

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maler im Libro di pittura, sich mit den Gemütsbewegungen der Menschen vertraut zu machen, sonst werde seine Malerei wahrlich »die Körper zweimal tot zeigen«.189 wir haben hier den definitiven Beweis für den eingang von petrarcas Metapher in die Kunsttheorie. in die phalanx der propagatoren, die sich für die Unsterblichkeit der schriftdenkmä­ ler stark machten, reihte sich in der Frühen neuzeit Filippo Villani ein – mit seiner würdigung der bleibenden werke guter und berühmter dichter –,190 auch Francesco Fiano dank eines rangstreites mit ehrenstatuen, triumphbögen und Grabmälern: nur die lieder der dichter hätten Bestand, meinte er.191 in Urbino machte Giovanni santi trotz seines wirkens als Maler keinen hehl aus seiner Anerkennung der bevorzugten stellung der »letre« zur ewigen wahrung der namen der sterblichen. die konventionelle Gattungshierarchie ist vernehmbar, wenn die figurativen Künste den schriftkünsten nachgeordnet bleiben: »Mehr[ere] dinge gibt es, die auf der welt den namen der sterblichen verewigen: die Buchstaben, die auf so viele feste Griffel gestützt sind, bleiben haften. diese zwei aber, indem sie den Menschen zum Gipfel erheben: die dichtung und die Geschichtsschreibung, bei denen man von jedem, der sie betreibt, sofern er vermag, ein lob singt; dann [als nächstes] bewahren die skulptur und die Malerei sehr die Gegenwart der sterblichen.«192 nicht anders als santi setzte der Buchhändler des urbinatischen herzogs, Vespasiano da Bisticci, sein größeres Vertrauen in das, was dem »Gedächtnis der Buchstaben« anver­ traut werde.193 pontano sekundierte im Actius­dialog, indem er darauf pochte, dass die

189 leonardo, Libro di pittura, iii, 285, s. 259: »[…] ciascuno d’essi accidenti […] li quali à te, pittore, è necessario la loro cognizione, se non la tua arte dimostrerà veramente i corpi due volte morti.« 190 Villani, De origine, XX, 17, s. 67: »sed bonos et famosos poetas, quorum opera durent […].« 191 Fiano, Contra ridiculos oblocutores, s. 159ff.; in der kunstgeschichtlichen Forschung bereits zitiert in pfisterer, 2002, s. 265f.; vgl. die Vorbehalte gegenüber steinen und Metallen bei Ovid, Epistulae ex Ponto, iV, 8, vv. 49–50, s. 504/505 (Üs: wilhelm willige): »tabida consumit ferrum lapidemque vetustas, / nullaque res maius tempore robur habet. / scripta ferunt annos […]« (Zehrendes Alter befällt das eisen und nutzt auch den stein ab; / hat doch kein ding in der welt größre Gewalt als die Zeit; / dichtung durchdauert die Jahre: […]). 192 santi, La vita, XXii, cap. 41, vv. 280–287, s. 670: »più cose son che al mondo fanno eterni / el nome ali mortal: le letre im prima, / che son fondate in tanti saldi perni, / ma queste due per che alzin l’huomo in cima, / la poesia e la istoria, in cui se canta / de ognun che far sen puote alcuna estima; poi la sculptura e la pictura tanta / preserva la presentia dei mortale.« 193 Mehrfach in der Biografie von nikolaus V. in Vespasiano, Vite, Bd. i, s. 62–63 (vgl. s. 34): »testa­ mento, non mandato a memoria delle lettere, non iscritto in tavole nè in membrane, ma a viva voce per più autorità ve lo voglio dire.«

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steine im Gegensatz zu den »sorgfältig ausgearbeiten Büchern« bedroht seien; und sein Ausdruck »aeterna librorum monumenta« beweihräuchert ganz zweifellos die Unsterb­ lichkeit der schriftdenkmäler.194 diese wendung pontanos hebt ins Bewusstsein, dass der paragone um die eternità nicht zuletzt aus einer Begriffsüberschneidung erwuchs, sich zumindest in dieser manifestierte. sie ist so simpel wie leicht zu übersehen: die sub­ sumierung von werken der bildenden Künste, der epigrafik, der Buchkunst und der dichtung unter dem Begriff »monumentum«. im lexikon Cornucopia, das übrigens zu den Beständen der urbinatischen Bibliothek zählte, definiert niccolò perotti »monu­ mentum« repräsentativ für die Gelehrten seiner Zeit: »denn ›monimentum‹ ist von ›monendo‹ [dem erinnern] hergeleitet und bedeutet alles, was aus Anlass des todes gebaut wurde oder alles, was zur erinnerung an irgend­ etwas geschaffen wurde: weshalb Gräber, statuen, inschriften, Bücher und weiteres, das uns an irgendeine vergangene sache erinnert, denkmäler genannt werden.«195 spätestens horazens Ode über die topische dauerhaftigkeit der Bronze – »exegi monu­ mentum aere perennius« (hochauf schuf ich ein Mal dauernder noch als erz)196 – setzte 194 pontano, Actius, s. 294 (Üs: hermann Kiefer): »[…] cultis reparat monumenta libellis, / cum possint longam saxa timere diem.« ebenda, s. 290; vgl. Ovid, Fasti, V, vv. 130f., s. 208/209: »[…] sed multa vetustas / destruit; et saxo longa senecta nocet.« ([…] Jedoch das Alter vernichtet / Vieles; im laufe der Zeit werden selbst steine zerstört). die Gründlichkeit der dichter, »besser und subtiler« als Maler und Gemmenschneider, auch in decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 18, s. 430: »Quin iidem etiam omnium vulgatissimi poetae omnia, quae volunt, exquisitus atque subtilius quam ipsi pictores et gemmarum caesores effingunt.« die Malerei ist eine gründliche Kunst bei philostratos, Imagines, 24, 3; Giotto als »dipintor sottile« in Antonio pulci, Centiloquio (zitiert nach Falaschi, 1972, s. 10). 195 siehe s. v. »monimentum«, perotti, Cornucopiae, s. 201, z. 44: »nam monimentum ab monendo deri­ vatur, significatque quicquid mortui causa aedificatum est, vel quicquid ad memoriam alicuius est factum: unde sepulchra, statuae, tituli, libri, caeteraque quae nos rei alicuius praeteritae moneant, monimenta dicuntur. Vergilius: ›Veterum monimenta virorum‹. idem: ›nostri monimentum, et pig­ nus amoris.‹ per metaphoram tamen monimenta aliquando dicuntur caellae meretricum, quòd quasi sepulchra sint. Martialis: ›Abscondunt spurcas et monimenta lupas‹.« Vgl. Biondo, Roma triumphante, s. v. »monumentum.« Zu perottis Buch in der urbinatischen Bibliothek lauts/herzner, 2001, s. 302. das Buch als monumentum in plinius d. J., Epistolarum libri, ii, 10. 196 horaz, Carmina, iii, 30, s. 170/171 (Üs: hans Färber) (vgl. die Überlegenheit der dichtung gegen­ über dem prunk der skulptur ebenda, iV, 8). Über die unverwischbar wie in eine erzene tafel einge­ prägten worte sophokles, Trachinerinnen, vv. 682–683; über die Verwendung der beständigen Bron­ ze für tafeln mit eingravierten staatsgesetzen plinius, NH, XXXiV, 99; ein Grabepigramm für Midas über die haltbarkeit der Bronzesphinx in platon, Phaidros, 264cd; über das reiterstandbild cäsars auf dem Forum Julium statius, Silvae, i, 1, vv. 90–94, Bd. i, s. 14: »non hoc imbriferas hiemes opus aut Jovis ignem 90 tergeminum, Aeolii non agmina carceris horret annorumve moras: stabit, dum terra polusque, dum romana dies.«

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im Bewusstsein des begrifflichen tertium comparationis, das schrift­ und skulpturale oder architektonische denkmäler aufweisen, ein in der Breitenwirkung beachtliches agonales echo frei, das im Quattrocento nie verhallen sollte.197 in seiner Federico da Montefeltro angedachten dichtung über die Götter, De gentilium deorum imaginibus, adelt ludovico lazzarelli die heldendichtung als denkmäler (»monumenta«). Kraft derer würden erhabene namen überdauern.198 im letzten drittel des Quattrocento er­ kühnte sich ein lobredner auf Valerius Maximus, Ognibene Bonisoli da lonigo – petrarca wie cicero folgend –, das von den historiografen tradierte als ›Bilder von tugenden‹ (»virtutum […] imagines«) zu bezeichnen; und er stellte diese »unverdorbenen Monu­ mente der Buchstaben« wegen ihrer größeren Ausdrucksstärke und anstachelnden wir­ kung über die des Apelles, phidias oder lysipp.199 tatsächlich erweist sich die tugend, diogenes laertius, Leben, cap. ›diogenes‹, Vi, 78, s. 284 (Üs: Fritz Jürs) über die ehrung des verstor­ benen diogenes durch Bronzestatuen mit der inschrift: »wenn auch im laufe der Zeit die Bronze des standbildes altert, / dein ruhm, diogenes, währet in ewigkeit fort.« 197 das horaz­diktum ist zitiert in Fiano, Contra ridiculos oblocutores, s. 161; gedeutet bei Maturanzio, Orationes, nr. 26, s. 146; zitiert von pontano, Actius, s. 412 mit Verweis auf eine parallelstelle bei Ovid. siehe auch Gramaccini, 1987; pfisterer, 1999, s. 128ff.; derselbe, 2002, s. 264f. – im einzigen erhaltenen Brief von Antonio pollaiuolo, verfasst 1494, beteuerte der Künstler gegenüber Gentile Vir­ ginio Orsini, dass er ihn mit einem bronzenen reiterstandbild unsterblich machen würde; (im Orsi­ ni­Archiv) vgl. wright, 2005, s. 425, Anm. 7: »[…] faremo la di bronzo […] un chaval grosso che vi farei etterno.« 198 lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, i, vv. 87–88, vv. 91–92, s. 4: »carmina nobilium tribuunt monumenta laborum / his sine quicquid agas; stat superesse brevi. / […] nam canit illorum laudes vox inclita vatum / egregium nomen carmine restat adhuc.« Von griechischen Büchern als »monu­ menta« spricht landino, Disputationes Camaldulenses, i, s. 43. Vgl. auch lapo da castiglionchio im Brief an Giovanni da rieti vom 4. Februar 1436: »die ewige erinnerung deines namens wird durch unsere schriften und Monumente lebendig sein«; (»[…]« nostris scriptis et monumentis vigeat tui nominis aeterna memoria«); zitiert nach luiso, 1899, s. 220. 199 Oratio clarissimi viri Omniboni Leonicensis in Valerium Maximum (Ms. Barber. XXiX 152); zitiert nach Müllner, 1970, s. 144: »[…] nobis futurus liber iste, ubi virtutum omnis generis imagines col­ locatae sint, illae quidem multo expressiores et imitari potius quam tueri iocundae, quas non in aere et marmore phidias nobis et Apelles sive lysippus, sed in libris suis scriptor diligentissimus reliquerit incorruptis litterarum monumentis perpetuo duraturas. quae cum observari animis coeperint, quic­ quid agendum, dicendum vel etiam cogitandum fuerit, ad confirmationem mentis mirifice valent.« ([…] wir werden jenes Buch haben, in dem alle Arten von Bildern der tugenden niedergelegt sind; bei weitem ausdrucksstärker und in der nachahmung noch angenehmer als in der Betrachtung sind jene, die uns nicht phidias und Apelles oder lysippus aus erz oder Marmor, sondern in seinen Büchern der gewissenhafteste schriftsteller durch die unverdorbenen Monumente der Buchstaben hinterlassen hat, auf dass sie ewig fortdauern. wenn sie dies mit dem Geist zu beobachten beginnen, ist alles, was auch immer zu tun, zu sagen oder sogar zu überlegen ist, auf wundersame weise zur Bekräftigung des Geistes imstande). petrarca hatte (ebenfalls im Kontext von Valerius Maximus) die statuen als Bilder der Körper und literarische exempla als Bilder der tugenden bezeichnet; vgl. petrarca, Rerum familiarum libri, Vi, 4, 11, Bd. ii, s. 80: »[…] nec improprie michi videor dicturus statuas corporum imagines,

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verstanden als die triebfeder des ruhmes, im disput als ein schlüsselbegriff. lorenzo Valla forderte den primat der tugenden gegenüber Grabmälern wie standbildern ein,200 platina ihren Vorrang gegenüber statuen und Gemälden, da diese nur Abbilder »der ver­ gänglichen, also hinfälligen Körper« seien, und poggio Bracciolini beteuert Folgendes in seiner im wettkampf­Jargon gehaltenen legitimierung des sieges der tugend­Zierde über die Zierde der Malkunst: »wenn der Maler, der das Atrium mit verschiedenen Figuren schmückt, den preis gewinnt, um einen wieviel größeren preis oder wenigstens Anmut verdient der Mann, der das haus mit herausragender tugend schmückt, die jeder Malerei überlegen ist?«201 ein schiefer Vergleich, möchte man meinen, denn nicht zwei Kunstgattungen werden miteinander verglichen, sondern eine Kunstgattung mit einer inneren haltung. das auf den zweiten Blick sich offenbarende tertium comparationis liegt auf der ebene des Gestal­ terischen. die ars vivendi des stoikers epiktet empfahl das aktive Gestalten des lebens und des charakters, und er verglich dieses denn auch mit dem kreativen Gestalten eines bildenden Künstlers, der sein werk nach Kräften formt.202 Auf dieser Vergleichsebene exempla virtutum.« dazu Bettini, 1984, s. 228. die Bildhaftigkeit der literarisch vermittelten tugen­ den in cicero, Pro Archia poeta, Vii, 14, vv. 8–12, s. 42: »quam multas nobis imagines / non solum ad intuendum, / verum etiam ad imitandum / fortissimorum virorum expressas / scriptores et Graeci et latini reliquerunt!« 200 Valla, De voluptate, ii, 15, 6, s. 154: »[…] sed ipsam demum laudari in hominem virtutem. […] non sapientius defunctis hominibus honore statuarum, sepulchrorum, […]«; und die warnung vor der ehrung der standbilder statt der dargestellten ebenda, ii, 9, 4, s. 152: »nonne statue honorantur, ipsi vero honore carent?« 201 Bracciolini, Convivialis (Bracciolini, Opera omnia, Bd. i, s. 34): »si pictor aulam varijs ornat figuris premium aufert, quanto maius precium vel saltem gratiam meretur vir excellens virtute, qui domum ornat omni pictura praestantior.« Und in seiner pius ii. gewidmeten, gegen 1462–1464 verfassten rede über die Künste platina, De laudibus bonarum artium, s. 115: »Magnus siquidem stimulus ad virtutem est gloriae cupiditas, quae nos dies, ac noctes excitat, atque admonet tale aliquid in vita age­ re, quo post mortem nominis nostri gloria, ac fama illustrior relinquatur: quod certe fieri nullo modo posset, nisi exstarent, non dico qui statuis, qui imaginibus, qui simulacris corporum caducis quidem, ac fragilibus; sed qui virtutum, animorumque nostrum clara, ac simillima effigie posteritati nos com­ mendarent.« (der grosse Ansporn zur tugend ist ja die ruhmesgier, die uns tage und nächte antreibt und so anfeuert, irgendetwas im leben zu tun, was nach dem tod die Glorie und den ruhm unseres namens berühmter zurücklässt. ich sage nicht, dass dies gewiß auf keine weise durch die statuen, Gemälde und durch die Abbilder der vergänglichen also hinfälligen Körper geschehen könne, noch sich zeige, sondern die der tugenden und unseres klaren Geistes und uns durch das höchst ähnliche Abbild der nachwelt empfehlen sollen). 202 epiktet, Handbüchlein der Moral, i, 15; das sprichwort von Anaxagoras »›magistratum […] virum ostendere‹« führt im Buch von landino, Disputationes Camaldolenses, i, s. 38–39 zum Gestalten von Malerei und skulptur: »neque enim aut pictor aut sculptor opus recte conficient, nisi et artem prius optime norint et iis instrumentis abundent […].«

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muss der bildende Künstler unterliegen. er vermag allenfalls die tugenden darzustellen, der tugendhafte aber lebt sie vor. Fassen wir zusammen: Als hauptkriterien zur legitimierung der Vorzugsrolle der schriftdenkmäler dienten im Quattrocento, neben ihrer unterstellten ewigkeit, ihre Qua­ lität, Ausdrucksstärke, Bildhaftigkeit, die zugrundeliegende Gewissenhaftigkeit und lebendigkeit – Vorzüge, gegen die die liebhaber der bildenden Künste auf vorherseh­ bare weise opponieren konnten und tatsächlich opponierten: erstens durch Angriffe auf die Vergänglichkeit von Büchern – laut Juvenal »stockfleckige Gebäude«, petrarca spricht vom dritten tod,203 zweitens durch den lobpreis lebendiger, quasi ›beseelter‹ Materia­ lien: des steines,204 des Metalls205 oder der Farben,206 drittens wegen der dem Künstler verliehenen Gabe zur erfassung des seelischen – so Ferabos lob von piero della Frances­ ca –,207 viertens wie in den Disputationes Camaldolenses unter Berufung auf die größere pracht der Bildmonumente,208 oder, wie in Marullos opusculum zur prinzenerziehung,

203 der dritte tod ist der tod der Bücher petrarca, Africa, ii, vv. 464–465, s. 112: »[…] libris autem morientibus ipse / Occumbes etiam; sic mors tibi tertia restat […]«; vgl. derselbe, Secretum, iii, 90; angelegt in pseudo­Vergil, Elegien auf Maecenas (Ovid, Ibis, vv. 37ff. s. 192): »so übertrifft der Geist den Marmor, Bücher die denkmäler: Vom Geist wird gelebt, das andere wird dem tod verfallen.« (»marmora sic animi vincent, monumenta libelli, / vivitur ingenio, cetera mortis erunt«). Juvenal, Satirae, iii, nr. 7, v. 40, s. 149: »maculosas […] aedes« und über Mäuse, die an göttlichen liedern nagen, ebenda, i, nr. 3, vv. 206–207; von zerfressenen Blättern und schimmelnen Büchern spricht Alberti, De re aedificatoria, i, cap. 4, Bd. i, s. 37. 204 Grundlegend Vergil, Aeneis, Vi, v. 848, s. 268: »vivos […] de marmore voltus«; zitiert in decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, s. 429; unter Betonung des Gegensatzes zwischen leben und tod cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum, ii, s. 204: »[…] monumenta mortuorum in vivo saxo cavata […].« Verino, Carlias, Viii, vv. 249–250, s. 282: »[…] loqui et spirare putabis / Marmora […].« – Vgl. auch die Beseelung des elfenbeins in Juvenal, Satirae, iii, nr. 8, v. 103, s. 174/175 kennt »lebendiges elfenbein des phidias« (»phidiacum vivebat ebur«); übernommen von Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, s. 352. 205 Vergil, Aeneis, Vi, v. 847; Verino, Carlias, XV, vv. 113–114, s. 406: »[…] spirantiaque aera / signaque prassitelis phidiaeque loquentia saxa«; zur Vorstellung der Beseelung der skulptur durch den Metall­ guss cole, 1999, s. 217ff. 206 so heißt es beispielsweise bei poliziano, Epigrammatum liber (poliziano, Opera omnia, Bd. i, s. 593) über Fra Filippo lippi: »Artifices potui digitis animare colores«; vgl. Augurelli, Iambici libri. 207 Ferabos, Epigramm, vv. 8–10. die Befähigung der Maler zur wiedergabe nicht nur des Körpers bet­ ont Facio, De viris illustribus, cap. »de pictoribus« (zitiert nach Baxandall, 1971, s. 164): »[…] non solum ut os ut faciem ac totius corporis liniamenta, sed multo etiam magis interiores sensus ac motus exprimantur postulat […].« die erfassung des seelischen als Beurteilungskriterium von Malern einerseits und Bildhauern andererseits eingeführt in Xenophon, Memorabilia, iii, 10, 3 und 6. der Maler Aristides von theben als Vorreiter in der darstellung des seelischen; s. plinius, NH, XXXV, 98. Zu diesem topos Zöllner, 2005, s. 23–40. 208 Über die Unsterblichkeit der prächtigen Grabmäler landino, Disputationes Camaldulenses, i, s. 34: »Videmus multis excellentissimus viris statuas erectas neque solum togatas, verum etiam equestres

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unter hervorhebung der besseren Anschaulichkeit gemalter taten der Ahnen, die dem prinzen als Ansporn dienen.209 in etwa diesem sinne versteht sich ein neuerdings dem ›Maestro delle storie del pane‹ zugeschriebenes ehepaar­diptychon des ausgehenden Quattrocento (Abb. 56a und 56b). es hält Mitglieder der Gozzadini­Familie aus Bolog­ na fest.210 Allem Anschein nach sind die beiden protagonisten im gleichen Gemälde zweimal dargestellt; trotz der simultaneität ähnelt es in diesem punkt dem Montefeltro­ paar im diptychon: einmal (als porträts) zeigen sie sich Auge in Auge in nahsicht, ein­ mal, in die Ferne entrückt, in szenischen darstellungen mit (ikonografisch ebenfalls ver­ wandten) tugend­ und ewigkeitssymbolen, die da wären: (für ihn) pelikan, phönix und (für sie) einhorn sowie ein Baumstumpf, aus dem ein frischer trieb hervorsprießt.211 was explizit die eintracht zwischen dem liebespaar stiftet, ist die hoffnung, die ihnen gemein ist. sie ist an ihre tugenden geknüpft. ein inschriftenfries kündet von ihr: »Vt sit nOstrA FOrMA sVperstes« (damit unsere Gestalt überdauern wird)! 212

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atque curules, videmus sepulcra magnifice constructa […], ut huiusmodi monumentis viri illustres et de re publica bene meriti inmortales redderentur.« Für die außer Konkurrenz stehenden steinernen denkmäler plädiert cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum, i, s. 186–187. Marullo, Institutiones principales, i, vv. 254–259, s. 32–35: »Ac, dum prima etiam titubat nunc sensibus aetas, nec capit impatiens animus maiora laborum, 35 profuerit tabulis virtutem et variete picto Ostentare patrum et decora enumerare parata, siqua domi: nam praecipue mentem illa remordent cognataeque adhibent stimulos imitamine laudis.« (solange auch der kindliche sinn noch unsicher schwankt und der schwache Geist noch nicht zum streben nach höherem taugt, mag es frommen, an Gemälden und wandbildern das Verdienst der Ahnen vor Augen zu stellen und errungene Auszeichnungen zu zählen, soweit sie im hause sind; denn gerade solche eindrücke spornen den Geist und stacheln ihn an, ruhmvollen Verwandten nachzuei­ fern). Zu Grabmälern als Ansporn zur tugend, s. Alberti, De re aedificatoria, Viii, cap. 2, Bd. ii, s. 673. John pope­hennessy, The Robert Lehman Collection I, Italian Paintings, the Metropolitan Museum of Art, new York, 1987, s. 214–219, nr. 89 und 90. da beide porträts mit den Gozzadini­wappen versehen sind, ist ein hochzeits­ oder Verlobungsbild weniger wahrscheinlich; literaturangaben neueren datums in Gesichter der Renaissance, 2011, Kat.­nr. 115a, wo der Bau im hintergrund, nicht ganz verständlich, jedoch als »wohnsitz« (s. 281) betrachtet wird. Über den phönix als Unsterblichkeitssymbol, da der sage zufolge nach der selbstverbrennung die neuerstehung aus der Asche folgt, s. lukian, Peregrinus, 27; vgl. Ovid, Metamorphosen, XV, vv. 392ff.; physiologus, 7; zur bemerkenswerten lebensdauer des wundervogels hesiod, frg. 171. das einhorn als Keuschheitssymbol physiologus, 22. »superstes« begegnet in vielen Beschwörungen der Macht des dichters. so liest man in der Alexandreis, Vii, vv. 346–347: »Vivet cum vate superstes* Gloria defuncti nullum moritura per aevum« (der ruhm des Gestorbenen wird mit dem dichter überleben und zu keiner Zeit sterben). in der Aeneis verleiht ein junger Krieger (auch gegenüber seiner Gattin) der Zuversicht Ausdruck, durch das Meistern

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56a Maestro delle storie del pane (zugeschrieben), Bildnis eines Mannes (vermutlich Matteo di sebastiano di Bernardino Gozzadini), ca. 1485–1490, new York, Metropolitan Museum of Art

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56b Maestro delle storie del pane (zugeschrieben), Bildnis einer Frau (vermutlich Ginevra d’Antonio lupari Gozzadini), ca. 1485–1490, new York, Metropolitan Museum of Art

der Maler hat diese Zeilen kaum zufällig auf einem Quaderbau angebracht, dem es mit einem Fenstereinblick, der allein den Blick ins dunkle freigibt, nicht an Anklängen an ein Grabmonument fehlt.213 Vor dem hintergrund der skizzierten paragone­diskussion seines schicksales zu überdauern: »Vici mea fata, superstes*«; Vergil, Aeneis, Xi, v. 160, s. 464. dieser wortlaut fand eingang in die impresenkunst; nach Giulio cesare capaccio, Delle Imprese Trattato, neapel: Giovanni Giacomo carlino, 1592, s. 38f. entwarf Giovanni Battista crispo für einen namentlich nicht genannten edelmann eine imprese mit diesem Motto; es zeigte neue Zweige, die aus einer gefällten eiche herauswachsen. 213 die starke Gesichtskontur der Frau vor der düsteren Folie des Fensters lässt an den topos von der erfindung der Malerei denken; plinius, NH, XXXV, 15. Für die plastik ist Ähnliches überliefert. die tochter des sikyonischen töpfers Butades malte den schattenriss ihres verabschiedeten Geliebten an eine wand. daraufhin soll ihr Vater den Umriss in ton gebildet haben, die erste plastik; plinius, NH, XXXV, 151. – ein ganz ähnliches porträtkonzept in Baldassare d’estes als pendants gedachten Ganz­ figurenporträts von Galeotto I. Pico della Mirandola († 1498) und dem Porträt seiner Frau Bianca Maria d’Este († 1506): im profil einander zugewandt, kniet das paar vor einer symmetisch gestalteten

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um die duratà der Bildkünste vernimmt man, dass der gemalte Bau in erster linie als traditionsbehaftete Folie bemüht wird, vor der ein Maler wetteifernd die eigenen Ansprü­ che seines Mediums als erinnerungsträger formuliert – als eines, das wie die tugenden ideeller natur ist. Angesichts der leidlich schwachen position der Maler in der Memoria­debatte – Zeuxis’ Anmaßung, für lange Zeit zu schaffen, besitzt seltenheitswert –214 spricht auch aus dem ›denkmal‹, das piero mit dem pinsel, als Memoria für eine tote, Battista sfor­ za, entwarf, eine prätention. es ist die eines noch näher zu bestimmenden Gegenschla­ ges gegen tendenziöse Befangenheiten gegenüber der Malkunst. wenn, nach petrarcas hierarchie, der erste und raschste tod der des Menschen ist, der zweite der seines Grab­ monumentes und der dritte tod der der Bücher –, wie war es möglich, dass ein hinfäl­ liges Gemälde hinter all dem nicht völlig abfiel? das muss um so mehr verwundern, als Federico da Montefeltro, wie noch sein Biograf Bernardino Baldi 1587 festhielt, stets »ein Auge auf die dauerhaftigkeit« hatte, zumindest, was die Materialwahl beim Bau seines palastes betraf.215 Und da es den humanisten denn schon um die perpetuierung des namens ging, weshalb blieb gerade die namensnennung der dargestellten in pieros sockelinschriften aus?

3.2. piero als dispensator famae: ›Fliegende worte‹ durch Malerei statt portable Büsten Für creighton Gilbert war die identifizierung der Floskel – »VOlitAt per OrA […] VirOrVM« –, zu lesen auf dem sockel unter Battista sforza, ein leichtes, handelt es sich doch, tradiert durch cicero, um ein geflügeltes wort aus dem epitaph des poeten ennius, der die Unsinnigkeit der trauer in Anbetracht der Aussicht auf seinen nach­ ruhm als dichter hervorzukehren wünschte:

Architekturfolie, wobei beide jeweils vor dem eingang eines [Grab­]Monumentes figurieren. ein denk­ barer Anlass für den Auftrag könnte das Ableben des dargestellten Mannes im ausgehenden Quattro­ cento gewesen sein; s. Best.-Kat. Hannover, 1989: Niedersächsisches Landesmuseum Hannover Landesgalerie. Die ausgestellten Gemälde, hrsg. v. hans werner Grohn, hannover 1989, s. 51, Abb. 17a–b. 214 plutarch, Moralia, 94; vgl. derselbe, Pericles, 13, 4; abhängig von plutarch ist Francesco Barbaro 1451 im Brief an Bartolomeo Facio (Barbaro, Epistolario, Bd. ii, s. 743, nr. 375): »Zeuxis quoque, pictor ille nobilissimus, dicere solebat, licet in multo tempore pingeret, numquam se tarde pingere putabat, quando summa arte faciebat opera que semper esse duratura iudicaret«; von Gemälden, die älter als städte sind, plinius, NH, XXXV, 17. 215 Baldi, Descrizione, s. 262: »Ora il nostro Federico, lasciato da parte l’uso de’metalli e de’ legni, fuori che in quelle opere ov’ erano necessari, […], avendo l’occhio alla perpetuità.«

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»›Keiner soll mich mit tränen [betrauern] – warum? Fliege ich doch lebend durch den Mund der Männer.«216 eine Affinität zu diesen worten spürte Alberti. er zitierte sie in seinem ursprünglich für Federico da Montefeltro bestimmten Architekturtraktat, das nach dessen tod jedoch einen anderen Adressaten fand.217 wie wir zeigen werden, ist die Vertiefung in die ennia­ nische Formel lohnend. sie war für die humanisten ein reservoir, aus dem sich ihre, sie alle verbindende Grundvorstellung der Überlegenheit alles sprachlichen speiste, der geistige Angelpunkt ihres weltbezuges. so sehr Guarino Veronese und Angelo camillo decembrio eine vergleichbare Formulierung Vergils im Kontext von siegerkrönungen zum Besten gaben – »drum muß ich auf neue Bahnen mich wagen, daß ich empor mich schwinge als sieger im Munde der Menschheit« –,218 im Uffizien­diptychon gilt die redewendung nicht dem sieger über Volterra, sondern seiner verstorbenen Frau Battis­ ta. der ennius­rekurs ist möglicherweise deshalb auf sie gemünzt, weil sie als dichterin dilettierte, selbst wenn sabadino degli Arienti 1484 Battistas weitreichende Berühmtheit in italien mit den triumphen und siegen ihres Gatten begründet wissen wollte.219 es war properz, der den impliziten wettstreit zwischen dem ›fliegenden wort‹ und dem Grabmonument im ennius­epitaph in einer für die ikonografie von pieros diptychon kennzeichnenden richtung explizit werden ließ. was properz indes ins Feld führte, war der ruhm – »fama« – als Zutat zur posthumen, über den [Grab­]stein hinausgehenden Apotheose des Menschen.220 nach petrarcas epistolarischer Besinnung auf das ennius­ diktum,221 nach Guarinos wiederholter Auslegung geriet das unter den humanisten zu einem Gemeinplatz gereifte wort in Albertis schrift Profugiorum ab erumna endgültig zur Formel für das weiterleben nach dem tod kraft der tugenden. Ohne diese, heißt es 216 cicero, Tusculanae disputationes, i, 34, s. 36/37 (Üs: Olof Gigon): »›nemo me lacrumis […] / cur? volito vivos per ora virum‹« (vgl. derselbe, De senectute, 20, 73). Vgl. Gilbert, 1968, s. 101, Anm. 49. 217 im Kapitel über epitaphien in Alberti, De re aedificatoria, Viii, cap. 4, Bd. ii, s. 695: »›nemo – inquit ille – mihi funera faxit, cur vivus volito docta per ora virum‹«; zur widmung des traktates lauts/ herzner, 2001, s. 270. 218 Vergil, Georgica, iii, vv. 8–9, s. 144/145 (Üs: Karl Bayer): »temptanda via est, qua me quoque possim / tollere humo victorque virum volitare per ora.« Vgl. von 1446 Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 460, nr. 796 und decembrio, De politia litteraria, V, cap. 56, s. 391. 219 Arienti, Gynevera, cap. 25 (»de Baptista sforza«), s. 295f.: »[…] essa, per le glorie et triumphi, infra le felice victorie del marito, se era facta illustre per tutta italia.« 220 properz, Carmina, iii, 1, vv. 23–24, v. 37, s. 144–146: »omnia post obitum fingit maiora vetustas: / maius ab exsequiis nomen in ora venit. […] ne mea contempto lapis indicet ossa sepulcro […].« die Bindung des ruhmes an das wort übernimmt leonardo da Vinci in seiner Anweisung, die Fama voller Zungen statt mit Federn zu malen; vgl. richter, [1939] 1949, Bd. i, s. 385, nr. 675: »A la fama si de’dipigniere tutta la persona piene di līgue in scanbio di penne […].« 221 im Brief an homer petrarca, Familiarum rerum libri, XiV, 12, 37, Bd. iV, s. 262: »et dicere quod tanto interior ennius dixit: nam volito vivius docta per ora virum.«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

mit agonalem Beiklang, bleibe der auf dem Grabstein eingemeißelte name eines Men­ schen, auch der Mensch selbst, nichtig; die hinterlassenschaft sei nur ein toter stein: »Unsere würdigen Mühen, durch die wir gegenüber denjenigen, die nicht mit uns [gemeinsam] leben, zeigen, dass wir mit anderen indizien als dem lebensjahr leben­ dig sein könnten und ihnen von unserem leben eine andere Vorstellung und einen namen hinterlassen werden als nur einen stein an unserem Grab, der beschrieben und mitüberliefert ist. der dichter ennius sagte: ›weint nicht um mich, bereitet mir keine Beerdigungsfeier, fliege ich doch durch die Münder gelehrter Männer.‹«222 erkennbar am Verzicht auf die inschriftliche namensnennung der dargestellten, über­ nahm der Konzeptor von pieros diptychon eben diese Akzentuierung der virtus als die markanteste profilgebung der Montefeltro. inspiriert durch den originären Gedanken­ gang ciceros – er führte vom ennius­epitaph zur ruhmesgier der bildenden Künstler wie phidias –, münzte Guarino 1435 die ›fliegenden worte‹ auf phidias selbst. in iro­ nischer Verkehrung der Vorgabe über die ewigkeit der dichtung bürgt nun die haltbar­ keit bestimmter werkstoffe für den nachruhm nicht des dichters, sondern des Bild­ hauers. dessen, wie es heißt, Vermeidung »modriger« Materialien, womit nur holz gemeint sein kann,223 mochte insgeheim als Kritik an der hinfälligkeit von Buchseiten gelesen werden:224 »phidias, dessen name jüngst noch immer in aller Munde [per ora volitat] ist, wäre bald gänzlich ausgelöscht und dem Vergessen preisgegeben gewesen, wenn er seine sta­ tuen aus modrigem Material und nicht aus Gold und elfenbein geschaffen hätte.«225

222 Alberti, De erumna, i (Alberti, Opere volgari, Bd. ii, s. 131–132): »degne fatiche le nostre per quale possiamo a que’che non sono in vita con noi mostrare d’esser vivuti con altro indizio che colla età, e a quelli che verranno lasciargli di nostra vita altra cognizione e nome che solo un sasso a nostra sepoltura inscritto e consignato. dicea ennio poeta: ›non mi piangete, non mi fate essequie, ch’io volo vivo fra le parole degli uomini dotti.‹« 223 Zum morschen holz Ijob, 41, 19; zur wertlosigkeit des holzes Juvenal, Satirae, V, nr. 13, v. 37 und Galen, De usu partium corporis humani, i, 175. Zu verspüren ist eine indirekte Materialkritik auch in cicero, Brutus, 73, 257, wenn es heißt, er würde lieber ein phidias sein – dessen elfenbeinernes stand­ bild wird zuvor erwähnt – als der beste Zimmermann; vgl. der scherz über die äußerlich aus elfenbein oder Gold und innen nur aus holz gearbeiteten standbilder bei lukian, Der Hahn (lukian, Werke, Bd. i, s. 78); Vorbehalte gegenüber holz auch in Apuleius, Apologia, cap. 43, 16; cap. 61–63. 224 siehe zum Beispiel diogenes laertius, Leben, cap. ›Anthisthenes‹, Vi, 5, wo ein über den Verlust sei­ ner Aufzeichnungen jammernder schüler die Zurechtweisung erfährt, er hätte eben alles in der seele und nicht auf papier festhalten sollen. 225 Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 210–211, nr. 666: »[…] phidiam, cuius recentissimum adhuc nomen omnia per ora volitat, mox exaruisse et aboleri oblivione contigisset, si putrida ex materia, non autem auro vel ebore statuas effinxisset.« Vgl. cicero, Tusculanae disputationes, i, 34, s. 36: »opifices post mortem nobilitari volunt. quid enim phidias sui similem speciem inclusit in clupeo Minervae, cum

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deutlich vernehmbar in diesen worten für den Kenner der Vorlage war und ist der para­ gone, den Guarino mit der dichtung hinsichtlich der eternità anstrengte. Bereits elf Jahre zuvor, im Brief an den Fürsten ludovico Gonzaga, hatte Guarino die ennianische Floskel vielleicht als erster von der dichtkunst abgerückt. wenn, wie Guarino behaup­ tet, die geglückte Verewigung von sterblichen durch Koryphäen der figurativen Künste wie Apelles oder lysipp ihre Allgegenwart »im Munde aller Männer« garantiert,226 dann spricht daraus die Überzeugung, dass die dem bildenden Künstler günstigenfalls ver­ gönnte künstlerische Qualität der beste leumund für den porträtierten sei. diese neue Verstehensweise, die aus dem ennius­diktum erwuchs, erhielt eine lokalpatriotische nuance in Ugolino Verinos schrift De illustratione urbis Florentiae insofern, als der name von Verrocchios schülern dank ihres lehrers in Florenz kursieren konnte – oder wörtlich: »Verrocchio hat oft alle schüler gründlich belehrt, / deren name nun durch die tyrrhenische stadt fliegt.«227 poliziano reklamierte »cunta per ora volat« etwa zeit­ gleich, 1490, für Giotto. der Anlass, den poliziano zu dieser wendung hinriss, waren zwei epigramme, die er zur errichtung von Benedetto da Maianos ehrenbüste für Giotto im Florentiner dom einreichte (Abb. 57).228 inscribere non liceret?« Unter den zahlreichen direkten oder indirekten referenzen an das standbild der Athena Parthenos von phidias ist Guarino der einzige, der die ciceronische reminiszenz an ennius auf phidias überträgt. 226 Guarino, Epistolario (s. App. ii/G­a, nr. 4); vgl. Müllner, [1899] 1970, s. 221; s. ferner Guarinos Brief von 1442 an Alfonso von Aragon ebenda, Bd. ii, s. 425f.: »qua virtute iam per omnium ora volitas, nec mirum: ea splendidi animi vel prima testificatio et ad gloriam simulque caritatem conse­ quendam via facillima«; in Guarinos lobgedicht auf pisanello, das zwischen 1427 und 1438 zu datie­ ren ist, heißt es (Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, s. 40, vv. 25–27): »cui decus et famam per longas porrigis oras, 25 cum te multimodis pangas virtutibus atque Ore virum volites. […].« Und in einem Gedicht für Antonio Astensi Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 24, nr. 520, vv. 17–18. 227 Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, vv. 463–466, s. 352: »nec tibi, lysippe est thuscus Verrochius impar, a quo quicquid habent pictores fonte biberunt; discipulos poene edocuit Verrochius omnes, 465 quorum nunc volitat tyrrena per oppida nomen.« 228 poliziano, Epigrammata latina (poliziano, Opera omnia, Bd. ii, s. 158), nr. 89, vv. 5–6: »neve ingrata foret posuit memorabile bustum / posteritas, quamquam cunta per ora volat« (Und die undankbare nachwelt hat kein denkwürdiges Grabmal aufgestellt, obgleich er in aller Munde ist), und nr. 90, vv. 5–6: »Grata igitur posuit celebri Florentia templo / hoc bustum, quamquam cunta per ora volat« (daher hat das dankbare Florenz diese Büste im berühmten tempel aufstellen lassen, obgleich er in aller Munde ist); das unter sechs Versionen letztlich ausgewählte epitaph im dom zitiert in Falaschi, 1972, s. 20; Quellen zum Giotto­Monument in schütz­rautenberg, 1978, s. 55–58, Abb. 10; s. auch doris carl, Benedetto da Maiano. Ein Florentiner Bildhauer an der Schwelle zur Hochrenaissance, 2 Bde., regensburg, 2006, Bd. i, s. 168ff, Bd. ii, Abb. 79; vgl. emison, 2004, s. 291.

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nach diesen Beobachtungen ist der Anbringungsort der ennius­Floskel im Montefeltro-Diptychon wohlüberlegt. die Vereinnahmung von stein und wort, die allein die Malerei leistet, spiegelt die zeittypische, im 15. Jahrhundert längst viele Künste involvie­ rende debatte um ihren jeweiligen wert als Garant der Unsterblichkeit, wohlbemerkt nicht ohne die waagschale zugunsten der von piero betriebenen Kunstart sich neigen zu lassen. dieser Geisteszusammenhang verdichtet sich in der rolle, die piero dem Mar­ morsockel einräumte. denn der statuensockel stand traditionell oft synonym für die Unbeweglichkeit von Bildhauerwerken. diese wurden deshalb früh in Konkurrenz zum ›fliegenden‹, sich über Ort und Zeit hinwegsetzenden wort gesehen. der pädagoge pier paolo Vergerio erinnerte sich dieses topos’ in der ersten systematischen darstellung der studia humanitatis, als er die ewigkeit von Büchern, die von hand zu hand gehen, von nur statischen werken der beiden figurativen Künste unterschied.229 der locus classicus für dieses spannungsverhältnis ist die Abgrenzung des dichters vom Bildhauer, wie sie pindars Nemeische Ode vornimmt: »nicht statuenbildner bin ich, daß ich zum ruhen bestimmte Bildwerke schaffen könnte, die auf ihrem sockel stehen; vielmehr auf jedem lastschiff und im Boot, süßes lied, schreite aus Aigina fort und verkünde, […].«230 229 Vergerio, De ingenuis, fol. d4r: »Memoria etenim hominum, et quod transmittitur per manus, sensim elabitur, et vix unius hominis aevum exsuperat. Quod autem libris bene mandatum est, perpetuo manet, nisi pictura forsitan, aut excisio marmorum aut fusio metallorum potest etiam tale quiddam praestare. / Verum ea nec signant tempora nec facile varietatem indicant motionum, et exteriorem tantum habitum exprimunt, ac labefactari possunt.« Giovanni Bonardis Kommentar in der edition von 1502 lautet: »›per manus‹: idest per manum. ›elabitur‹. idest discurritur. ›per aenum‹: idest per tempus quantum homo vivere potest secundum naturam. ›Quod autem libris‹: idest quod dicit ea quae sunt tradita memoriae: per libros & per scripturas. ›perpetuo manent‹: idest in perpetuum ad rei memoriae. nisi exceptis: forsitan pictura: nisi sit tanquam pictura quod? cito elabitur. Autem idest certe. inciso marmoae lapidum. Aute. i. certe. fusio metallor. i. per sculpturam metalli.« 230 pindar, Nemeen, V, vv. 1–5, s. 249 (Üs: dieter Bremer); dichtungen, die auf wagen wandern, auch in horaz, Ars poetica, v. 276; bildlichen Ausdruck fand dies beispielsweise in einem von eulen gezoge­ nen triumphzug eines Gelehrten mit Buch, hinter dessen wagen ein weiser sitzt, der Bücher schreibt. die in padua von Franco dei russi illuminierte handschrift stammt von ca. 1465; s. (Bl, Additional Ms 20916, fol. 1) The Painted Page, 1994, s. 218, nr. 113. Apuleius sprach von einer »Gewohnheit, die« er habe, nämlich die sitte, wohin ich auch gehe, irgendein Götterbild, das ich zwischen meinen Büchern aufbewahre, mitzunehmen und es an Festtagen mit weihrauch und wein und manchmal mit einem Opfer anbetend zu verehren« (Apuleius, Metamorphosen, 63, s. 100–101: »nam morem mihi habeo, quoquo eam, simulacrum alicuius dei inter libellos conditum gestare eique diebus festis ture et mero et aliquando victima supplicare«). pontano bekannte sich im dialog Charon zur Gewohnheit, eine statue am Martinstag auf öffentliche plätze zu tragen (pontano, Charon, s. 90: »in quodam Germaniae oppido, ubi Martini dies illuxit, statuam eius per publica oppidani loco efferunt;

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Mit anderen worten: Mit dem ennius­Aus­ spruch auf einem Marmorsockel distanzier­ te sich piero sowohl von der dichtung als auch der Bildhauerei und im speziellen von hinfälligen Grabsteinen. die rehabilitie­ rungsversuche der mit dem stigma der Un­ beweglichkeit behafteten skulptur fanden im diptychon keine resonanz, weder die legen­ den über die von ihrem sockel herabsteigen­ den statuen,231 noch Kolportiertes über deren portabilität. diese Gerüchte zehrten von nachrichten aus dem Altertum über statuen, die von ihren Besitzern mit sich herumgetra­ gen wurden.232 im Gegenteil, die ›Bewegung‹ im dipychon setzt oberhalb des steinsockels ein: mit den gemalten taten (»rerVM 57 Benedetto da Maiano, Ehrenbüste für Giotto, 1490, Florenz, santa Maria del Fiore, langhaus lAVde GestArVM«) der Battista sforza, deren lob laut inschrift von Mund zu Mund geht. wie im pindarischen lied bewegt sich das, was der tradierung wert ist, mit einem Fahrzeug fort. es triumphiert jedoch mit seiner farbenfrohen lebendigkeit über das geschriebene wort. schier Formales tritt hinzu: pieros Malerei vereinahmt mit der dip­ tychischen Gestalt des Bildträgers die dauerhaftigkeit des Buches. diese war maßgeblich an die portabilität der schriften gebunden, wie es ein illuminator 1478 allegorisch sehr

[…]«); zur Unbeweglichkeit von holzstatuen castiglione, Cortegiano, i, cap. 40. die Unbeweglich­ keit der skulptur, den »immobil sasso«, besingt noch cosimo Gacis Elogia über Bolognas Raub der Sabinerin; s. Scritti d’arte, 1971–1977, s. 1238. 231 in der AP, XVi, nr. 140 scheint ein Marmorbild vom sockel zu springen; vgl. ebenda, XVi, nr. 146 und XVi, nr. 25, Bd. ii, s. 268 (Üs: dietrich ebener) über das denkmal eines siegers: »die Bronze scheint zu sprechen: ›läßt mich frei der sockel, bestehe ich, als lebender, den siebten Kampf.‹« Vgl. Juvenal, Satirae, iV, nr. 10, v. 58 und Athenaios, Das Gelehrtenmahl, XV, 672b–c. 232 Über korinthische Bildwerke, die herumtragen wurden, über eine sphinx, die der redner hortensius bei sich trug, eine Amazone der Kaiser nero, ein Bildwerk während der schlacht der Konsular c. cestius und mitgebrachte standbilder zur Befestigung des Zeltes Alexanders des Großen s. plinius, NH, XXXiV, 48, s. 42: »circumtulit et nero princeps Amazonem […] et paulo ante c. cestius con­ sularis signum, quod secum etiam in proelio habuit. Alexandri quoque Magni tabernaculum sustine­ re traduntur solitae statue […].« nach pausanias, Beschreibung Griechenlands, Vi, 14 trug Milon die statue seiner selbst herum. – die erwägung, aus einem Koloss zwei oder mehrere statuen zu machen, die leichter zu bewegen und zu tragen seien, in Alberti, De architectura, V, cap. 1, Bd. i, s. 335: »[…] uti siquis ex magno colosso duas pluresve effecerit statuas trectabiles atque portabiles.«

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58 Umfeld des Mantegna (?), Triumphus Famae, 1478, aus: Anhang der inkunabel: Francesco petrarca, I Trionfi, Venedig: t. di reynspruch u. r. di novimagio, Bnc, Ms. B. r. 103, fol. 170r

schön zu inszenieren wusste: mit einem Bücher­ wagen als Triumphus Famae (Abb. 58).233 so vollzieht sich mitunter auch die stilisierung von Battista zur ›zweiten laura‹. Von der portabilität nämlich handelt ein passus aus petrarcas Secretum, dessen Bezug auf simone Martinis Bildnis der laura ersichtlich ist. er, petrarca, habe das künstliche Bild des Gesichtes von einem be­ rühmten und begabten Künstler machen lassen, »um es überall mit […] herumtragen zu können und stets Anlass für endlose tränen zu haben«.234 Anders als beim laura­Bildnis konnte die ennius­ reminiszenz in pieros diptychon jedoch im stoischen sinne zur Maßhaltung bei der trauer anhalten und den Betrachter anregen, sich Battis­ ta als exemplum zu nehmen: der inschrift nach hielt sie selbst Maß im Glück.235 Unbemerkt von der Forschung, schließt sich der Kreis 1482. Zu diesem Zeitpunkt wird in Urbino ein weiterer rekurs auf das ennius­epitaph unternommen. Bezeichnenderweise ist der Anlass erneut ein todesfall: es ist der tod von Federico da Monte­ feltro. die trostworte porcellio pandonis rufen die rolle der Fama in pieros panorama wach:

233 diese illustration eines gedruckten Buches wird meist dem Umfeld des Mantegna (?) zugeschrieben; s. den Anhang der inkunabel: Francesco petrarca, I Trionfi, Venedig: t. di reynspruch u. r. di novi­ magio, 1478 (Bnc, Ms. B. r. 103, fol. 170r); die handschrift ist erwähnt in Giovanni carandente, I trionfi nel primo Rinascimento, rom, 1963, Abb. 27. 234 petrarca, Secretum, iii, 31, s. 282/283 (Üs: regn/huss): »[…] quam tecum ubique circumferens haberes materiam semper immortalium lacrimarum?« Zur portabilität des Geliebten­Bildnisses (von Kampaspe) auch 1375 in Chiose sopra Dante (s. App. iii/1–b, nr. 4). – paolo Giovio thematisiert die portabilität in seiner leonardo­Biografie. König ludwig Xii. habe das Abendmahl in Mailand so begehrt, dass er gefragt habe, ob man es nicht von der wand ablösen und nach Frankreich schaffen könne; s. Giovio, Leonardi Vincii vita, s. 234: »in admiratione tamen est Mediolani in pariete chri­ stus cum discipulis discumbens, cuius operis libidine adeo accensum ludovicum regem ferunt, ut anxie spectando proximos interrogarit circumciso pariete tolli posset, ut in Galliam vel diruto eo insi­ gni caenaculo protinus asportaretur.« 235 Vgl. diogenes laertius, Leben, cap. ›periander‹, 98, s. 80 (Üs: Fritz Jürs): »sei mit Maßen glücklich und klug im Unglück!«

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»Unde per ora virum volitat totumque per orbem Fama Feretrei principis illa mei.«236 (deshalb fliegt der ruhm [Fama] des Montefeltro­Fürsten durch den Mund der Männer um den ganzen erdkreis.) dank der Ambivalenz von pieros Fama, in der zugleich die oft als schwebend oder flie­ gend vorgestellte siegesgöttin aufscheint,237 vermochte Federico da Montefeltro, ganz im vergilischen sinne, zum »sieger im Munde der Menschheit« zu avancieren. Als sieger hatte ihn piero dargestellt und mittels zweier komplementärer Gemälde­seiten – eines porträts und einer szenischen darstellung – eine Aufgabe gemeistert, deren Bewältigung die Anthologia Palatina am Beispiel des »zum sieger gekrönt[en]« porphyrios als heraus­ forderung erster Güte pries. »sicher«, so ist zu vernehmen, »der Bildhauer formte por­ phyrios selber mit sorgfalt, stellte in Bronze ihn dar, wie er im leben erschien. / wer aber formt sein freundliches wesen, sein Kämpfen, die kluge, / schwungvolle taktik – den sieg, der ihm die treue bewahrt?«; und: »leistung erwächst ihm zum sockel des ruh­ mes«.238 in ähnlicher Form beklagte petrarca jenen den Bildnissen eigentümlichen Man­ gel, neben der äußeren Gestalt auch das wesentliche einfangen zu können, nämlich die taten (»gestarum morum«) und den Geist des dargestellten.239 Vor diesem hintergrund wird pieros erhebung seiner Malerei über die Möglichkeiten der dichtung und Bild­ hauerkunst um so mehr ersichtlich. die paragone­diskussion hat nicht nur in Urbino aus dem ennius­diktum wesentliche impulse bezogen. in diesem dichterwort liegt einer der schlüssel zur frühen entfaltung der debatte um die relativität der eternità der 236 pandonis elegie im Ms. Urb. lat. 1193, fol. 103; pandoni hatte ganz ähnliche worte in seiner elegie auf Buonconte (1440/1441–1458) gefunden, den blutjung verstorbenen illegitimen sohn von Federi­ co da Montefeltro: »dicam equidem tanti ingenii, tantae artis ephebum, Ut volitet semper docta per ora virum.« Beide elegien – ohne Bezug auf pieros diptychon – zitiert in Giovanni Zannoni, »porcellio pandoni ed i Montefeltro«, in: Rendiconti della R. Accademia dei Lincei, 5. ser., 4, 1895, s. 104–122 und s. 499–500, s. 119, die auf Federico auf s. 126, mit deutlicher nähe zur inschrift auf Federico da Montefeltro auch Bracciolini, De vera nobilitate, 76, s. 33 (ohne »ore« in der Ausgabe von Bracciolini, Opera omnia, Bd. i, s. 81): »hec enim claros et in ore hominum celebres prestant ac nobiles efficiunt.« Vgl. Ovid, Ars amatoria, ii, v. 740. 237 statt vieler Apuleius, Metamorphosen, ii, 3, 2–3. 238 Mehrere Verse gelten dem porphyrios, der sowohl mit seinem Gespann als auch im Kampf sieger gewesen sei; s. besonders AP, XVi, 349–356, Bd. iii, s. 352–354, nr. 342, 356 (Üs: ebener). 239 petrarca, Familiarum rerum librii, Vi, 4, 11, Bd. ii, s. 80: »profecto autem, si statue illustrium pos­ sunt nobiles animos ad imitandi studium accendere […]. corporum nempe liniamenta statuis forsan expressius continentur, rerum vero gestarum morumque notitia atque habitus animorum haud dubie plenius atque perfectius verbis quam incudibus exprimuntur; nec improprie michi videor dicturus statuas corporum imagines, exempla virtutum. Quid de ingeniis loquar?«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

59 Francesco laurana, Büste von Battista Sforza, um 1472, Florenz, Museo nazionale del Bargello

Künste unter den humanisten. pieros diptychon muss allein schon wegen der Kon­ textualisierung des ennius­rekurses in einem Memorialgemälde als Meilenstein des frühen paragone gelten.

4. porträts im wettstreit: piero versus laurana 4.1. Belebung und polychromie piero fertigte dem urbinatischen witwer nicht als einziger Künstler ein erinnerungsbild an Battista sforza. Auch der aus dalmatien stammende große wanderkünstler, der mit­ unter am hof der Anjou in der provence und in sizilien wirkende Bildhauer Francesco laurana (ca. 1425/1430–1500), schuf in enger zeitlicher tuchfühlung mit piero ein Bildnis der Verstorbenen, eine Büste aus weißem Marmor (Abb. 59).240 in Anbetracht 240 (Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 85/sculture); s. chrysa damianaki, The Female Portrait Busts of Francesco Laurana, rom, 2000, s. 55ff., Abb. 82–87; grundlegend hanno­walter Kruft, Francesco Laurana. Ein Bildhauer der Frührenaissance, München, 1995, s. 128–130, Abb. 103, s. 371, Kat.­nr. 6, taf. 69–72 (mit der datierung zwischen ende 1474 oder Anfang 1475); unter

4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana

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des Fehlens von archivalischen hinweisen auf den originären Aufstellungsort seiner Büste und deren entstehungsbedingungen müssen wir uns mit dem einzig dokumen­ tierten Faktum bescheiden, dass sich beide Bildnisse, zumindest zeitweilig, in örtlicher nähe befanden: Beide werke wurden 1599 in Urbino in der Guarderoba aufbewahrt, die direkt an das herzögliche studiolo angrenzt.241 die physiognomischen und alters­ mäßigen Übereinstimmungen mit der von piero porträtierten jungen Frau, einige details und, wie wir sehen werden, die Abhängigkeit von ihrer totenmaske lassen im Verbund mit der enkomiastischen Überhöhung auf dem sockel auf ein posthumes Bildnis schlie­ ßen, wenn es da heißt: »diVA BAptistA sFOrtiA VrB rG« (die göttliche [o. a. vergöttlichte] Battista sforza, Königin von Urbino). diese Art der Apotheose, keine seltenheit in lauranas Medaillenschöpfungen242 und vergleichbar mit dem wortlaut auf seiner Büste der Beatrice d’Aragon,243 ist im wesentli­ chen eine Assimilation von Gepflogenheiten der Konsekrationsprägungen antoninischer Münzen, in denen Mitglieder einer herrscherfamilie, einst der des Kaisers, nach ihrem tod explizit den rang von divi oder divae erklommen.244 des weiteren blieb petrarcas liebespoesie nicht ohne nachhall, derzufolge laura im tod der nimbus der Göttlichkeit

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Betonung der Funktion der Büste als ersatz für die tote Bonvini Mazzanti, 1993, s. 176; s. auch den Beitrag von Benedetto patera in Piero e Urbino. Piero e le corti rinascimentali, Ausstellungskatalog (Urbino, palazzo ducale, 24.07.–31.10.1992), hrsg. v. paolo dal poggetto, Venedig, 1992, s. 160–161. Zu Francesco laurana poeschke, 1990, s. 150f. mit weiteren literaturangaben. Vgl. sangiorgi, 1971, s. 77, nr. 275. laurana verwendete »divus« in der Kombination mit »König[in]« in seiner Medaille der Jeanne de Laval von 1461: »diVA iOAnnA reGinA sicilie etceterA«; er folgte vermutlich dem proto­ typ von pisanellos Medaille des Alfonso von Aragon (1449), dessen Umschrift lautet: »diVVs AlphOnsVs reX triVMphAtOr et pAciFicVs«; s. Kruft, 1995, s. 69, taf. 16a und s. 60, Abb. 43 (pisanello). »diVA BeAtriX / ArAGOniA« heißt es auf der Brustplakette von lauranas Büste der Gemahlin des Matthias corvinus, Beatrice von Aragon; sie entstand gegen 1473–1475 (new York, Frick collec­ tion, inv.­nr. 1916.2.86); s. Kruft, 1995, s. 127f., taf. 67; damianaki, 2000, s. 76ff.; in diesem Kon­ text verdient Beachtung, dass leonardo (Libro di pittura, i, 27) den paragone zwischen Maler und dichter am Beispiel zweier porträts der Geliebten eines »re Mattia« (corvinus?) erörtert hat. Zur consecratio Maria r.­Alföldi, Bild und Bildersprache der römischen Kaiser (Kulturgeschichte der antiken welt 81), Mainz, 1999, s. 51, s. 75, Abb. 89. im frühesten und am meisten verbreiteten Bild­ motiv wird die vergöttlichte person von einem Adler emporgetragen (wie im sersterz »diVA AUGU­ stA FAUstinA«). – schwer zu ergründen, inwiefern der Adler als eines der bevorzugten heraldi­ schen Motive des Montefeltro­Fürsten von diesem Vorstellungsgut beflügelt wurde; s. zum Beispiel clemente da Urbinos Medaille des Federico da Montefeltro; s. hill, 1930, 75, nr. 304, Abb. 48; sangio­ ri, 1982, s. 100, taf. 41; und Biermann, 1996, s. 117–131, s. 124f., Abb. 7.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

zuwuchs: »non pur mortal ma morto, et ella è diva«.245 Mit der gewählten Anrede, eine parallelerscheinung zu den elegischen Zeilen, die der dichter porcellio de’ pandoni zu Battistas tod ersann,246 verlieh laurana seiner Büste explizit eine eigenschaft, die der Libro del Cortegiano den statuen nachsagt. wohl wegen ihrer herkunft aus dem Kulti­ schen gelten statuen, wie der Bildhauer ›Gian Cristoforo Romano‹ dort zu hören bekommt, als »divine«; und, Zufall oder nicht, romano selbst bediente sich dieses epithetons auf seiner heute im louvre befindlichen Büste der Beatrice d’Este.247 so wenig schriftlich Fixiertes uns lauranas selbstverständnis als Bildhauer enthüllt, so sehr mögen in der titulierung der urbinatischen Fürstin als »r[e]G[ina]« seine persönlichen dünkel zum Vorschein kommen, namentlich die als »Magistrum […] scultorem regium«; es sind die des einstigen hofbildhauers der Anjou.248 Grenzen wir zunächst den zeitlichen rahmen für die entstehung von lauranas Mar­ morbüste ein: sowohl Kruft als auch poeschke betrachten den neapel­Aufenthalt von Federico da Montefeltro im Jahre 1474 als die wahrscheinlichste situation für die Auf­

245 petrarca, Canzoniere, nr. 294, v. 4, s. 768; der tod könne Göttinnen nicht lenken: ebenda, nr. 311, v. 8, s. 802: »[…] ché ’n dee non credev’io regnasse Morte«. 246 »divae Baptistae sfortiae de refitu viri ab hoste triumphato«; porcellio, Elegiae et Epigrammata (Ms. Urb. lat. 709, fol. 53v); s. stornajolo, 1902–1921, Bd. ii, s. 232, nr. 709. eine negative, als schmei­ chelei abgetane Bewertung der Geliebten­darstellung als Göttin bei plinius, NH, XXXV, 120. – das epitheton »divus« alleine auf lauranas Büste wäre noch kein zwingender Beweis für eine posthume Benennung; Federico da Montefeltro wird seit 1472 wiederholt von panegyrikern als »divus« oder »princeps« angesprochen, bespielsweise von Ferabos (Epigramm), von calderini (im Brief von 1472; s. Alessandro perosa, »due lettere di domizio calderini«, in: Rinascimento, ser. 2, 13, 1973, s. 3–20, s. 6: »Urbini exiit epigramma in aedes illius principis, nostro ita imperante; et, ut puto, iam est incisum in marmore. Aedes sunt magnificentissimae ac deorum habitationi aequate. nos ita ad prin­ cipem […]«); vgl. delio, Epigrammaton liber (Ms. Urb. lat. 721, fol. 20v: »divi Federici eulogium«) und Angelo lapi (»carmen de laudibus divi princeps Federici«); s. Marcella peruzzi, Cultura poetere immagine. La biblioteca di Federico da Montefeltro (Accademia raffaello. collana di studi e testi 20), Urbino, 2004, s. 134. 247 Auf Romanos Büste von ca. 1490 ist zu lesen »DIVAE / BEATRICI / D • HERC • F« (Paris, Musée du louvre, inv.­nr. Ml10); abgebildet in: Italienische Kunst, [1979] 1991, s. 336; castiglione, Cortegiano, i, cap. 49, s. 108; vgl. dazu die thematisierung erhabener und heiliger standbilder in cicero, De natura deorum, ii, 79; über eine Venus des polyklet heißt es im Ottimo commento, Bd. i, s. 154: »[…] pareva viva cosa divina«; der göttlich inspirierete phidias in dion von prusa, Olympische Rede, 49; emison, 2004. 248 Zum dokument vom 10. november 1464 Kruft, 1995, s. 393–394, dok. 4. – Keine der erhaltenen Büsten von laurana ist signiert. einige seiner Medaillen tragen die gattungsmäßig neutrale signatur: »FrAnciscVs lAVrAnA Fecit«, v. a. die Medaille von René von Anjou und Jeanne de Laval (1463), die Medaille von Jeanne de Laval, die Medaille des Hofnarren Triboulet (1461) und die Medaille von Giovanni Cossa (1466); s. hill, 1930, s. 17, nr. 59, nr. 58; s. 18, nr. 62; Kruft, 1995, taf. 18b, taf. 16b, taf. 16d, taf. 20b.

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tragsvergabe. er fand aus Anlass der feierlichen entgegennahme des hermelinordens am 11. september statt, die höchste Auszeichnung, die der neapolitanische regent, Ferrante i. von Aragon, zu vergeben hatte.249 laurana, der als erfolgreicher schöpfer posthumer idealbüsten250 und als Medailleur in Ferrantes diensten stand, mag, begünstigt durch seine Beziehungen zu den sforza, die Aufmerksamkeit des witwers aus Urbino auf sich gezogen haben.251 Federico da Montefeltro kannte laurana vielleicht seinem rufe nach aus dem Architekturtraktat von Filarete. in diesem wurde laurana, falls er wirklich gemeint sein sollte, als einer der exquisiten Bildhauer gepriesen, deren prädestination für die idealstadt Sforzinda über jeden Zweifel erhaben war: »uno di schiavonia, il quale era bonissimo scultore« – eine wendung, die noch 1524 in der Künstlerpanegyrik des his­ torikers pietro summonte nachhallte.252 da lauranas tätigkeit in Frankreich bereits gegen ende 1475 begann, ergeben sich für die datierung seiner Büste von Battista Sforza die eckdaten sommer 1472 und ende des Jahres 1475,253 an welchem Ort sie auch immer entstanden sein mag.254 während piero della Francesca in seinen Montefeltro­porträts offenkundig danach trachtete, der skulpturalen Vielansicht als Maler paroli zu bieten, wich laurana, wie Kruft mit recht bemerkt hat, auch in diesem Fall nicht von seiner Gepflogenheit ab, seine Büsten nie für eine allansichtige Aufstellung auszuarbeiten. die rückansicht dokumentiert es (Abb. 60).255 so indiziert der ansteigende sockel seiner Büste von Battista Sforza die geplante Untersicht, wie die ehrerbietig steife pose der dargestellten die Aufstellung in einer wandnische oder auf einem podest vorsieht. nach der profilansicht 249 Vgl. ebenda, 1995, s. 130f; poeschke, 1990, s. 153; zum neapel­Aufenthalt von Federico da Monte­ feltro tommasoli, 1978, s. 249ff.; und Baldi, Della vita e de’ fatti di Federigo di Montefeltro, Bd. iii, s. 188–189. 250 Man denke an lauranas sog. Büste der Eleonora von Aragon (gest. 1405) (palermo, Galleria regionale della sicilia, inv.­nr. 5080), sie war für ihr Grabmonument in santa Maria del Bosco di calatamauro bestimmt; vgl. Kruft, 1995, s. 92ff. mit der datierung auf ca. 1467, taf. 26–29; damianaki, 2000, s. 51ff., poeschke, 1990, s. 150. 251 laurana stand mehrfach in Verbindung mit der sforza­dynastie: etwa zeitgleich zur urbinatischen Büste entstand seine polychrome Bildnisbüste der schwester von ludovico il Moro, die der Ippolita Maria Sforza, seit 1465 die Angetraute des neapolitanischen thronfolgers Alfonso ii. 252 Filarete, Trattato, Vi, Bd. i, s. 172; summonte spricht im Brief vom 20. März 1524 an Michiel vom »maestro Francisco schiavone«; s. Fausto nicolini, L’arte napoletana e la lettera di Pietro Summonte a Marcantonio Michiel, neapel, 1925, s. 166. 253 laurana arbeitete nach einem dokument vom 6. Februar 1475 (1476) an den skulpturen der chapel­ le de saint­lazare in der Alten Kathedrale von Marseille; s. Kruft, 1995, s. 120 und dok. 14, s. 399. 254 Kruft (ebenda, 1995, s. 130) schließt lauranas tätigkeit am urbinatischen hof aus, da durch den tod seines Modells (d. i. Battista sforza) keine notwendigkeit für eine solche reise bestanden habe; er glaubt an die Übersendung der totenmaske nach neapel. Andere Autoren – wie poeschke [1990] – vermuten laurana im Gefolge des urbinatischen witwers auf dem rückweg von neapel nach Urbino. 255 Vgl. Kruft, 1995, s. 136.

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60 Francesco laurana, Büste von Battista Sforza, rückenansicht, um 1472, Florenz, Museo nazionale del Bargello

61 Francesco laurana, Büste von Battista Sforza, von rechts, um 1472, Florenz, Museo nazionale del Bargello

(Abb. 61) zu urteilen, resultiert die erhabenheit und merkwürdige starre des Ausdrucks, ähnlich wie in pieros darstellung, aus der leichten neigung des Kopfes in richtung nacken, mit dem ergebnis, dass das Verhältnis zwischen Gesicht und rumpf an eine nachträglich in die Vertikale gekippte liegende denken lässt. Bereits rolfs hat 1907 überzeugend aus dieser Auffälligkeit auf die Verwendung einer totenmaske geschlossen;256 und der Glücksfall eines erhaltenen, nach weitestgehendem Konsens der Forschung identifizierten terrakotta­exemplars der totenmaske von Battista sforza (Abb. 62) liegt vor.257 das 15. Jahrhundert hat diesen kunstnahen Gegenständen, wie die Forschung seit pope­hennessy immer wieder erkennen musste, ein neues, dem sepulkralbereich zuneh­ mend enthobenes Verständnis entgegenbracht, wobei wenigen Kunsttheoretikern der 256 Zur Fundierung dieser theorie wilhelm rolfs, Franz Laurana, 2 Bde., Berlin, 1907, Bd. i, s. 360. 257 (paris, Musée du louvre, inv.­nr. rF 1171); identifiziert durch charles Jr. seymour, Sculpture in Italy: 1400 to 1500, harmondsworth, 1966, s. 165, Anm. 22; s. 245; dazu damianaki, 2000, s. 61–63, Abb. 90–93; Le dernier portrait, Ausstellungskatalog (Musée d’Orsay, 05.03.–26.05.2002), hrsg. v. emmanuelle héran, paris, 2002, s. 21, Kat.­nr. 1; poeschke, 1990, s. 150; vgl. dülberg, 1990, s. 76, Anm. 452 und Kruft, 1995, s. 129.

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renaissance entging, dass plinius selbst die erwähnung des erfinders der totenmaske für wert befand.258 näheres hinsehen nährt den Verdacht, dass sich auch piero diese totenmas­ ke für sein Bildnis zunutze machte.259 nicht nur, dass piero die Verstorbene, ebenso wie laurana, mit merkwürdig lastenden, ja scha­ lenhaften Augenlidern versah; ihre Kiefern­ kontur ist ausnehmend stark betont, so, wie laurana, etwas jünger als piero, dies mit einer ungewöhnlichen ritzlinie im Marmor tat, mit dem Unterschied, dass der Bildhauer sie als schnüre einer Kopfbedeckung (?) motivierte, während piero als Maler keine allzugroßen Anstrengungen zum Kaschieren dessen unter­ nahm, was dem zugrunde lag: die für die Ab­ formung der totenmaske nötige stoffdrapie­ rung rund um den Kopf – oder, um es mit cennino cenninis direktive für dieses proze­ 62 Francesco laurana (?), Totenmaske von Battista dere zu sagen, »tirala intorno intorno«.260 Sforza, 1472, paris, Musée du louvre Unabhängig davon, was von Gramaccinis Behauptung zu halten ist, dass die theorie des naturabgusses früh zur eigentlichen Kernfrage des paragone geriet und unabhängig davon, ob laurana bei der Abnahme der totenmaske, wie manche Forscher aufgrund

258 Als erfinder galt der Bruder lysipps; s. plinius, NH, XXXV, 153, s. 110: »hominis autem imaginem gypso e facie ipsa primus omnium expressit ceraque in eam formam gypsi infusa emendare instituit lysistratus sicynonius, frater lysippi […].« Ausgeschmückt von Ghiberti, I commentarii, i, 6.3., s. 54: »[…] e spetialmente di lisistrato sicino fratello, el quale fu il primo la ymagine dell’uomo virile col gesso in sulla faccia, in modo l’uomo possa respirare e riavere l’alito insino a tanto che ’l gesso si riaffermi […].« s. die position von pope­hennessy, 1966, s. 9 (mit Blick auf die totenmaske oder Zeichnung des 1406 verstorbenen coluccio salutati, die als Grundlage für Masaccios Fresko dienen sollte (s. 8); vgl. auch Jane schuyler, »death Masks in Quattrocento Florence«, in: Source, 5, 1986, nr. 4, s. 1–6 und, ohne einbezug des Quattrocento, die studie von eckhard leuschner, Persona, Larva, Maske. Ikonologische Studien zum 16. bis frühen 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M., 1997, s. 455ff. 259 Übereinstimmend dazu Battisti, [1971] 1992, Bd. ii, s. 519, Abb. 406, cieri Via in: Piero e Urbino, 1992, s. 127 und dülberg, 1990, s. 76, Anm. 452. Man beachte in diesem Zusammenhang pieros zeichnerische Auseinandersetzung mit der Grundstruktur eines Gesichtes in piero della Francesca, De prospectiva pingendi, fol. 68v, Abb. 40; dazu s. 186f. 260 cennini, Il libro dell’ arte, cap. 182: »in che modo s’impronta di naturale la faccia d’uomo o di femmi­ na«, s. 199ff.

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seiner erwiesenen erfahrungen auf diesem Gebiet meinen, selbst zur stelle war,261 ver­ dienen, in Anbetracht der Orientierung beider Künstler an der totenmaske, oder, wie wir nicht ausschließen können, am werk des anderen, auch die übrigen Analogien zwi­ schen den beiden Frauenbildnissen unsere Aufmerksamkeit: die Memorialfunktion, die Verwendung von inschriften, die eines sockels, von eigenheiten des Gewandes, mögli­ cherweise des schmucks,262 spuren einer petrarca­rezeption und, mehr als das, die Far­ bigkeit. denn lauranas Büste bestach einst durch Fassmalerei. spätestens in der Gegen­ überstellung des von piero farblich abgesetzten Ärmels mit dem mandelförmigen spalt im Kleid, den lauranas Büste an eben dieser stelle aufweist, wird deutlich, dass sich einer der beiden Virtuosen an der Vorgabe des anderen wetteifernd orientiert haben muss. der Maler piero wie der Bildhauer laurana haben – in der schwierigen Gratwan­ derung zwischen pietät und einer in den Bereich der Fiktion hinübergleitenden ›Bele­ bung‹ einer totenmaske (sie trägt übrigens polychrome spuren) – sowohl ihre individu­ ellen Fertigkeiten als auch die Vorzüge ihrer Gattung und Materialien bis zum Äußersten erprobt. wie gestaltete sich dieses wetteifern um lebensnähe nach den Kriterien des paragone? Beschränken wir uns im Folgenden auf den Faktor, der für eben diese Ambition tra­ gend ist, auf die Farbe, in lauranas Fall eine Grenzüberschreitung in das residuum der Maler, als sei ein Affront gegen den bekannten hauptkritikpunkt des Apuleius zuguns­ ten der Malerei virulent: »dem stein fehlt die Farbe«.263 seinem traktat De prospectiva pingendi zufolge reklamierte piero die Farbgebung (»colorare«) als einen der drei Grund­ bestandteile seiner Kunst, der Malkunst; und selbst Filarete meinte hinsichtlich illusio­ nistischer Farbwirkungen einräumen zu müssen: »diese wunderbaren dinge sieht man nicht in der Bildhauerei.«264 Man hat in lauranas Marmorbüste reste der polychromie mitunter in den Buchstaben der sockelinschrift entdeckt. in den Grundzügen dürfte die Bemalung originär derjenigen seiner Büste der Ippolita Maria Sforza (Abb. 63) geglichen haben, das heißt, wir müssen, bei aller stilisierung im detail, von einer naturalistischen, 261 Vgl. damianaki, 2000, s. 62; eine reihe von Gesichtsmasken aus der werkstatt lauranas in Kruft, 1995, tafel 94–98. die position Gramaccinis in: Natur und Antike in der Renaissance, Ausstellungska­ talog (Frankfurt a. M., liebieghaus, 05.12.1985–02.03.1986), hrsg. v. herbert Beck et alt., Frankfurt a. M., 1985, s. 217. 262 realer schmuck war in lauranas Bildnisbüsten keine seltenheit. Zu nennen wären die reste einer Kette mit einer zentralen edelsteinbefestigung an der stirn der Ippolita Maria Sforza, ferner die spu­ ren ehemaliger schmuckstücke vor der Brust der Isabella von Aragon (einst Berlin), sowie vor der Ferdinands des Katholischen; s. Kruft, 1995, s. 370, Kat.­nr. 2 (Berlin, skulpturensammlung im Bode­ Museum, inv.­nr. 5/77), Kat.­nr. 3, taf. 50. 263 Apuleius, Apologia, 13, 5 (s. App. i/c); die schönheit und Vielfarbigkeit des pfaus wie eines Gemäl­ des in dion von prusa, Olympische Rede, 2, s. 44. 264 Filarete, Trattato, XXii (s. App. iii/B, nr. 13); piero della Francesca, De prospectiva pingendi, i, [fol. 1r] s. 63.

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täuschend echten Farbgebung für die Augen, die Augenbrauen, die lippen, haa­ re und das Kleid ausgehen, möglicherweise unter Verwendung von wachsapplikationen, wie sie für die Blumen im haarnetz der Ippolita angewendet wurden.265 Mehrfach ist die typologische Abhängigkeit erkannt worden, die speziell diese Büste gegenüber zeitgenössischen idealbildnissen von petrar­ cas laura aufweist, mit denen die Buch­ illuminatoren glänzten.266 so gehorcht denn auch die ausgesparte polychromierung für den teint zugunsten der Marmor­weiße dem von der renaissance­poesie nachhal­ tig gepflegten schönheitsideal der Frau. Als einer von vielen dichtern, die dem zu­ arbeiteten, beteuerte Battista sforzas Bio­ graf sabadino de li Arienti in seinem Frau­ enlob, Battista sei »weiß im Fleisch und frisch wie eine lebendige rose« gewesen.267 der dichter Angelo Galli, dem urbinati­

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63 Francesco laurana, Büste der Ippolita Maria Sforza, profilansicht, von rechts, ca. 1474/1475, wien, Kunsthis­ torisches Museum

265 (wien, Kunsthistorisches Museum, inv.­nr. 3405); Kruft, 1995, s. 139, taf. 73–75; poeschke, 1990, s. 153, Farbabbildung nr. 225. Über die technik der wachsmalerei – plinius spricht von der technik, das über dem Feuer geschmolzene wachs mit dem pinsel aufzutragen – s. plinius, NH, XXXV, 149, s. 107. 266 relevant ist vor allem ein Laura­Bildnis in einer Canzoniere­Abschrift von 1463 (Biblioteca lauren­ ziana, sig.­nr. Xli.1); dazu Brita von Götz­Mohr, »laura laurana. Francesco lauranas wiener por­ trätbüste und die Frage der wahren existenz von petrarcas laura im Quattrocento«, in: Städeljahrbuch, n. F., 14, 1993, s. 147–172, s. 150, Abb. 5. dieser typus färbte im cinquecento auf titelblätter von petrarca­editionen ab; s. zum Beispiel Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 335–336. Zu einseitig wird von Götz­Mohr allerdings dieser laura­typus als allein maßgeblich hingestellt. ein gegen 1465 gemeißeltes Marmorrelief Matteo civitalis zeigt »dOnnA lAUrA« hingegen wie eine römische Kaiserin (triest, Biblioteca civica, Attilio hortis, raccolta petrarcesco­piccolominea, inv.­nr. 352); s. Matteo Civitali e il suo tempo. Pittori, scultori e orafi a Lucca nel tardo Quattrocento, Ausstellungska­ talog (lucca, Museo nazionale di Villa Guinigi, 03.04.–11.07.2004), Mailand, 2004, Abb. s. 334. 267 Arienti, Gynevera, s. 290: »biancha de carne et fresca come viva rosa«. Vgl. petrarca, Canzoniere, nr. 90, v. 5, s. 262: »e ’l viso di pietosi color farsi,«; und nr. 157, v. 9, s. 452: »[…] et calda neve il volto,«; nr. 185, v. 2, s. 508: »al suo bel collo candido gentile« und nr. 356, vv. 9–10, s. 916: »[…] di pietà depinta / fiso […]« (ebenda, s. 452, 508, 916). der topos des marmorbleichen Frauen­teints hatte durch petrarcas Canzoniere eine sensationelle wirkungsgeschichte nach sich gezogen; dazu statt vieler Albrecht­Bott, 1976, s. 184, passim; vgl. castiglione, Cortegiano, i, cap. 40, s. 88: »Quanto piú di tutte piace una, […] col suo color nativo pallidetta, […].«

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schen herzog oft zu diensten, schloss vom weißpolierten inkarnat einer neapolita­ nischen Augenweide auf das werk eines Malergottes. Aus dessen pinsel sei dieses augen­ scheinlich hervorgegangen.268 piero seinerseits bemühte mit Battistas Blässe zuallererst den Gemeinplatz des marmorweißen teints. dies geschah im wetteifer sowohl mit petrar­ kischen dichtern als auch mit Marmorbildnern, denen es – wie laurana – vor allem dank ihres von der natur prädestinierten Materials auf phantastische weise gelang, sich einem sublimen schönheitsideal leicht anzunähern. es entzieht sich unserer Kenntnis, ob laurana auch im Fall seiner urbinatischen Büste den teint der dargestellten farblich wirklich gänzlich unbehandelt ließ. Anders als neuerdings die polychromie der antiken Kunst stieß die polychrome renaissance­skulptur nur leidlich auf das interesse jener Forschung, die kunsttheo­ retisch gewichtet ist. das betrifft und trifft den paragone im speziellen nicht ohne Grund. die paragone­Argumente in der Kunstliteratur des cinquecento, in denen man lange Zeit den Gattungsrangstreit schlechthin gespiegelt sah, dokumentieren, zumindest was die Fassmalerei angeht, die Orientierung an den widerstreitenden darstellungskonventi­ on der Bildhauerei der eigenen epoche, deren Vorliebe sich unter dem eindruck eines neuen klassischen ideals in unbemalten statuen äußerte.269 Man hat infolgedessen gerne pauschal auf die irrelevanz der polychromie im paragone italiens (im Gegensatz zu dem in spanien) geschlossen. Ansätze zu ihrer wirkung und Bewertung im Quattrocento bot wenderholm, wenn auch nur im hinblick auf polychrom gefasste skulpturen im Kirchenraum – eine perspektive, die leider wenig hilfreich bei der Fokussierung profaner, hochgradig von poetischen topoi geprägten Bildniskunst ist.270 die gerne unterstellte irrelevanz der polychromie ist zumindest in zwei punkten nicht falsch. erstens: eine 268 Zum lobpreis von lucrezia d’Alagno schreibt Galli, Canzoniere, nr. 168, vv. 76–82, s. 191 (Ms. Urb. lat. 699): »el dritto collo candido e polito forma le late spalle cum misura infine e la pressura: credo la fece dio cum suo penello. Qual parlar pelegrino o sermon trito 80 direbbe mai apien de la statura svelta ne la cintura?« 269 Zu diesem prozess patrik reuterswärd, »the Breakthrough of Monochrome sculpture during the renaissance«, in: Konsthistorisk Tidscrift, 69, 2000, s. 125–149. 270 die irrelevanz der polychromie im paragone italiens betont beispielsweise hellwig, 1996, s. 196f., 147f., 231; anders wenderholm, 2006. einige literaturangaben zur polychromie in Alison luchs, Tullio Lombardo and Ideal Portrait Sculpture in Renaissance Venice, 1490–1530, cambridge und new York, 1995, s. 148, Anm. 8; Annamaria Giusti, »la policromia sui materiali lapidei nel rinascimen­ to«, in: I Medici, il Verrocchio e Pistoia, hrsg. v. Franca Falletti, livorno, 1996, s. 38–44; Johannes taubert, Farbige Skulpturen. Bedeutung, Fassung, Restaurierung, München, 1978; susan connell, The Employment of Sculptors and Stonemasons in Venice in the Fifteenth Century, [ph.d. 1976] new York,

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plinius­stelle, deren Fortune als locus classicus im paragone­disput hätte vorprogram­ miert sein können, nämlich die Antwort des praxiteles auf die Frage, welche seiner Mar­ morwerke er bevorzuge – »die von nikias bemalten« –, über dieses Zugeständnis eines Bildhauers an die priorität der »Behandlung des Farbtons«,271 den ein Maler aufträgt, lasen die italienischen Kunsttheoretiker des 15. Jahrhunderts hinweg, oder sie haben ihn falsch verstanden. Kein wunder, noch im Mittelalter gehörte eine solche Arbeitsteilung zwischen dem Bildhauer und dem Fassmaler nicht zu den Usanzen.272 soweit überhaupt rekonstruierbar, haben zumindest einige renaissance­Bildhauer, unter ihnen der für die Montefeltro wirkende Francesco di Giorgio Martini, ihre statuen gegebenenfalls eigen­ händig bemalt.273 Bildliche wiedergaben tätiger Fassmaler sind in diesem punkt wenig erhellend.274 Zweitens trifft es in der tat zu, dass im Quattrocento das wesen der Fass­ malerei in den weidlich geführten debatten über den wert und Unwert der Farbe eher umspielt als getroffen wird. Gleichwohl wäre es ein Versäumnis, aus ihnen nicht zumin­

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1988, s. 148–152. – Grundlegend zur polychromie in der antiken Kunst und zu statuenmalern Vinzenz Brinkmann, Die Polychromie der archaischen und frühklassischen Skulptur, München, 2003, s. 21ff. plinius, NH, XXXV, 133, s. 96: »hic est nicias, de quo dicebat praxiteles interrogatus, quae maxime opera sua probaret in marmoribus: quibus nicias manum admovisset. tantum circumlitioni eius tribuebat.« weitere Äußerungen über die polychrome plastik bieten v. a. platon, Politeia, 420c; plut­ arch, Moralia, cap. »de gloria Atheniensium«, 6; lukian, Eikones, 6, 27; die Bemalung des Grabdenk­ mals des dithyrambendichters telestes durch nikomachos plinius, NH, XXXV, 109; ebenda, XXXiii, 122; über Bronzepolychromie ebenda, XXXiV, 140; plutarch, Moralia, cap. »Quaestiones roma­ nae«, 287b–c und Moralia, 74e und 674a (über die Beimengung von silber zur erzielung von toten­ blässe); Vitruv, De architectura, Vii, 9, 2–4; zur circumlitio Quintilian, Institutio oratoria, Viii, 5, 26; von der röte, die phidias der Athena über die wangen goss, spricht himerios, Reden, nr. 68, 4 und meint vermutlich die purpurfärbung von elfenbein; weitere Quellen in Brinkmann, 2003, s. 23ff. susan Jean Vick, Pictura and the Concept of the Cognate Arts in Florence, new Brunswick, 2001, s. 103ff. Francesco di Giorgio e il Rinascimento a Siena 1450–1500, Ausstellungskatalog (siena, chiesa di sant’Agostino, 25.04.–31.07.1993), hrsg. v. luciano Bellosi, Mailand, 1993, s. 192ff., s. 226f, s. 392f., s. 410f., s. 440f. – die Fehleinschätzung von nikias als Maler, der durch schwarz­weiß­Konraste plastische wirkungen erzeuge, in Alberti, De pictura, ii, 46, s. 282; seltsam unklar hinsichtlich des Betätigungsbereiches von nikias bleibt Ghiberti, I commentarii, i, 8.27., s. 79–80: »Questo è quello nicia el quale diceva prositale, quando egli era domandato quali delle sue opere del marmo spetial­ mente egli lodasse, egli rispondea ove a nicia porta le mani.« Unberücksichtigt in Barbaro, Castigationes Plinianae. – Über Verträge mit Fassmalen conti, [1979] 1991, Bd. i, s. 112f., s. 116. eine 1402 entstandene illustration von Boccaccios Des femmes nobles et renommées (Bn, Ms. fr. 12420, fol. 92r) zeigt die Malerin eirene (vgl. plinius, NH, XXXV, 147) beim polychromieren einer Madonnenstatue; s. Asemissen/schweikhart, 1994, s. 59, Abb. 3. ein werkstattgehilfe bei der Fass­ malerei zeigt sich im hintergrund der holzschnitt­illustration des ›petrarca­Meisters‹ zum Malerei­ dialog der deutschen Ausgabe von petrarcas De remediis (petrarca, Von der Artzney bayder Glück, des guten und widerwärtigen, Augsburg: steyner, 1532, i, cap. 40, o. s.); die Abbildung greifbar in Ase­ missen/schweikhart, 1994, s. 13, Abb. 6.

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dest indirekte stellungnahmen zur polychromie herauszufiltern. wegen der personal­ union von Bildhauer und Fassmaler musste sich die rivalität zu Malern insofern zuspit­ zen, als ein wetteifern um Farbwirkungen heraufbeschworen wurde – Farbwirkungen auf dem drei­ oder auf dem nur zweidimensionalen Grund. Zunächst ist festzustellen: selbst im Quattrocento fehlte es nicht an plädoyers für den Farbverzicht. so kam 1481 im dante­Kommentar cristoforo landinos der Gedan­ ke zur Formulierung, der »weiße Marmor« sei der inbegriff der reinheit, da er »nicht durch irgendeine Fiktion oder täuschung befleckt« sei.275 nach dieser einschätzung erweist der ungefasste Marmor der ›wahrheit‹ seine reverenz, die polychromie hingegen schmälert sie. diese Auslegung der berühmten ›Purgatorio­reliefs‹ (X, v. 31) ist in der dante­exegese vorbildlos. wenige Jahre zuvor, in dem Federico da Montefeltro ange­ dachten lexikon Cornucopiae, rangierten die gemalten und die plastischen ebenbilder, beides Annäherungen an die wirklichkeit, noch unterschiedslos unter der rubrik »FictA«.276 wie die nachantike Geschichte von wortäußerungen zur Fassmalerei offen­ bart, begann die ästhetische Auseinandersetzung mit der polychromie just in dem Moment, in dem sie, anders als vielerorts im trecento, auf mehr zielte, als auf die simu­ lation eines höheren Materialwertes, wie dies einst bei marmorierten holzstatuen der Fall war.277 im norden, im französischen sprachraum, erkannte Jean lemaire 1504 in seinem allegorischen Gelegenheitswerk, das er anlässlich des todes von philibert de savoie verfasste, namentlich La Couronne Margaritique, die Aufgabe des Fassmalers als eine Gratwanderung: so steht der warnung, welche die witwe Margaret wegen der

275 Zu Purgatorio, X, v. 31: landino, Comento, Bd. iii, s. 1202: »›preterea‹ pone el marmo candido a dinotare, che tale humiltà debba essere pura, et netta, et non maculata con alchuna fictione, et simula­ tione.« s. auch die illustration dieses Purgatorio­passus in der herzöglichen Ausgabe in Il Dante Urbinate della Biblioteca Vaticana Codex Urb. Lat. 365, hrsg. v. luigi Michelini tocci, Vatikan, 1965, Bd. ii, fol. 121r. – eine der wurzeln der plädoyers für den Farbverzicht ist der lob weißer Marmorsta­ tuen und ihres Glanzes; s. zum Beispiel Alberti, De re aedificatoria, Vii, cap. 18, Bd. ii, s. 663: »ex aere perplacebit, ni me quam perpurissimi marmoris candor illectarit.« Auch der neapolitanische humanist pietro summonte bekundete seine Vorliebe für den polychromie­Verzicht; eine holzskulp­ tur Giovanni Mirilianos (alias Giovanni di nola) nötigt ihn 1524 zum Kommentar, sie sei »[…] tanto ben fatta che non have avuto bisogno di gipsamento né di altro colore«; zitiert nach nicolini, 1925, s. 168; erwähnt von collareta, 1988, s. 572. 276 perotti, Cornucopiae, sp. 764, s. v. »FictA«: »Unde ductum est nomen effigies, hoc est ad vivam alte­ rius similitudinem, vel ad veritatis imaginem factu, tam in picturis, quàm in scalpturis.« Zur herzögli­ chen Ausgabe (Ms. Urb. lat. 301) peruzzi, 2004, s. 143–147. 277 der Maler Vitale da Bologna erhielt 1343 vom Bischof von Ferrara den Auftrag über vier holzstatuen im tabernakel des domes von Ferrara, die durch ihre Bemalung das Aussehen von Marmor (»collora­ tas colore albo ad modum figurarum marmorearum«) bekommen sollten; s. conti, [1979] 1991, Bd. i, s. 112–113; ein polychromes Kruzifix steht im Zentrum von sacchetti, Trecentonovelle, nr. 84, s. 249–256.

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64 Gherardo di Giovanni di Miniato (zugeschrieben), Fuchs mit Maske, spätes 15. Jh., aus: Äsop, Fabeln, new York, the new York public library, Astor, lenox and tilden Foundations, spencer collection, Ms. 20, fol. 8r

Gefahr ausspricht, die skulptur mit einem Übermaß an Farbe zu verderben, lemaires Forderung nach mehr polychromie entgegen, d. h. nach einem größeren naturalismus.278 Kaum eine episode spiegelt den trug durch maskenhaft­leere Blendwerke des Fass­ malers so eindrucksvoll wieder wie eine Fabel des dichters Äsop und deren relektüre in der Frühen neuzeit. der römische Fabeldichter phaedrus wiederholte sie, die Fabel vom Fuchs und der Maske. es ist dieses tier, das als neugieriger Besucher einer Bildhauer­ werkstatt die plastische Maske unverhohlen als hirnloses erscheinungsbild herabwürdigt. nachdem ein reflex auf diese episode eingang in ein renaissancebuch über Frauen gefunden hatte, in Francesco Barbaros De re uxoria (1415), konfrontierte ein Äsop­ illustrator des späten Quattrocento eine reihe naturalistisch bemalter Masken ganz selbst­ verständlich mit einem porträtgemälde, so, als fordere er vom Betrachter den paragone zwischen zwei verschiedenen trugmethoden (Abb. 64).279 nicht erst für den Autor des 278 lemaire, La Couronne Margaritique [lyon, 1549], ii, in: Jean lemaire, Œuvres, hrsg. v. Jean stecher, 4 Bde., louvain, 1882–1891, Bd. iV, s. 52ff.; mehr: lehmann, 2008, s. 92f. die gebotene Vorsicht des Fassmalers im hinblick auf die passende Farbe bereits in platon, Politeia, 420c. 279 Äsop, Fabeln, nr. 27, s. 37; vgl. phaedrus, Fabeln, i, 7, s. 22f.: »Vulpis ad personam tragicam« (mit einer holzschnitt­illustration der szene von 1491); und Barbaro, De re uxoria, i, cap. 6, fols. c3v–

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Momus­dialoges, Alberti, standen Masken, da man sie von »wahren Gesichtern« »kaum mehr unterscheiden« könne, als synonym für ›täuschungen‹:280 dekaden zuvor hatte Giovanni Fontana in einem kriegstechnischen traktat die Masken des herrschers von padua wegen ihrer Bemalung »mit Fleischfarbe« zu »sophistice faties« erklärt (Abb. 65).281 wir vernehmen in der skizzierten polychromie­Kritik des Quattrocento Folgendes: zum einen die vonstatten gegangene transposition des alttestamentlichen Vorbehaltes gegenüber skulpturalen Blendwerken ins säkulare,282 zum anderen, dass die renais­ sanceliteratur die leitmotivische Malerei­Kritik an der trügerischen Farbe, in Urbino mitunter formuliert von lazzarelli und castiglione,283 konsequent auf die polychrome plastik übertrug, wohlbemerkt nicht nur diese, sondern nicht minder die positive skala. dazu zählt das paragone­Argument der Farbe als großer Anreiz zur Freude (diletto) ebenso wie die durch sie erreichte bezwingende steigerung der lebensnähe.284

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c4r: »Aesopos antiquissimus est phrygiae scriptor, cuius in fabulis singularis gravitas pari comitati adiungitur, hac in re nobis lepidissime velle consulere quodammodo profitetur, apud quem vulpes, musici cuiusdam officinam ingressa, lyram comperit, cuius extrema pars hominis caput erat, ingenio, arte, industria, gemmis, auro mirum in modum fabriacata, quam cum sensim demuraretur, Fortuna­ tum (inquit), hoc caput, cerebro tamen vacuum est«; vgl. scala, Apologorum liber, s. 372, nr. 24 (»homo«). Zur Gherardo di Giovanni di Miniato zugeschriebenen illustration (new York, public library, Astor, lenox and tilden Foundations, spencer collection, Ms. 50, fol. 8r); s. The Painted Page, 1994, s. 130, nr. 56. – die totenmaske als nur trughafte Vorspiegelung des lebenden in sueton, Vespasian, 19. Alberti, Momus, iV, s. 358: »[…] et crevisse hoc personandorum hominum artificium usu quoad pene a veris secernas fictos vultus […]. et appellatas personas hasce fictiones easque […].« Über den primat des Gesichtes gegenüber der wachsmaske cicero, Orator, 8. Giovanni Fontana, Bellorum instrumentorum liber, [fol. 34v], s. 77: »sophistice faties Francisci car­ rariensis, olim domini civitatis padue, fiunt ex argento subtilissime, aderentes naturali fatiei et non cooperientes os, neque oculos, neque nares, neque aures, neque capilos, sed reliquas capitis partes. Biretum tamen pontur supper capilos, cui hec firmatur faties, et pingitur colore carnei.« siehe zum Beispiel Sap 15, 4: »[…] die unfruchtbare Arbeit der Maler, eine mit bunten Farben besu­ delte Gestalt«; und über Bildhauerwerke Sap 13, 14: »formte es zum Bild eines Menschen […], beschmierte es mit Mennig und roter schminke, überstrich alle schadhaften stellen, […].« Ps 115, 5ff.: »sie haben einen Mund und reden nicht, / Augen und sehen nicht; […] / sie bringen keinen laut hervor aus ihrer Kehle.« Vgl. Sap 13, 10: »Unselig aber sind jene, die auf totes ihre hoffnung setzen und werke von Menschenhand als Götter [deos] bezeichnen, […]«; und Sap 15, 15. lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, v. 413, s. 98: »fallax color«; castiglione, Cortegiano, i, cap. 50, s. 109: »[…] colori che ingannano gli occhi«. dazu lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, vv. 869–870, s. 52: »Atque opere artificum rerum varioque colore / Gaudet […].« Vgl. die Malerei als schmuck, der schöner sei als die Bildhauerkunst, castiglione, Cortegiano, i, cap. 50 und Fonte, Il merito delle donne, s. 161: »[…] la vivacità di colori per più nobile espressione e perfezione dell’opera.« Als wegweisend erwies sich petrarca, De’ rimedii, i, cap. 40 (»delle tavole dipinte«), Bd. i, s. 194: »tu ti diletti del pennello e de’colori […]«; vgl. callima­ chus, Carmina, nr. 150, v. 6, s. 300: »pictores oculis placere querunt,«.

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Bildnisse, die als ersatz für schmerzlich vermisste personen oder gar für tote herhal­ ten, sind ein Urmotiv, und plinius musste daher nicht um die plausibilität seiner Ver­ quickung zweier episoden bangen: die der erfindung der Malerei mit der Geschichte der entstehung des schattenrisses (bald einer tonfigur), der zu sehen war, als eine töpfer­ tochter die Konturen ihres liebsten vor sei­ nem weggang in die Ferne auf einer ausge­ leuchteten wand nachzog,285 noch entbehrt dasjenige tröstende Memorialbildnis der evi­ denz, das der überwiegend als schüler pieros eingeschätzte luca signorelli, Vasari zufolge, vom verstorbenen sohn, im luziden Gewah­ ren seiner Möglichkeiten, malte und liebevoll hegte.286 Aber wo lagen die wurzeln für den typus von lauranas Büste, d. h. für ein mit Farbe angereichertes plastisches Bildnis eines toten, das trost spendet? Angeregt durch die betörend echten, zu liebkosungen verführen­ 65 Die Masken des Francesco Carrara, aus: Giovanni Fontana, Bellorum instrumentorum liber, München, den Farbwirkungen begriffen führende re­ Bayerische staatsbibliothek, Ms. icon. 242, fol. 34v naissance­dichter, unter ihnen der junge pietro Bembo, das Heroiden­Motiv des wachsbild­ nisses des Geliebten der laodamia (er fiel auf dem schlachtfeld) als »bemalt«, zumal sie aus dieser Büste glücksverheißend kurzweilig die stimme des Verblichenen, die Götter gewähren es, vernehmen darf. Bei Ovid klagt die hinterbliebene ausgerechnet der Büste ihr leid, so, »als ob es antworten könnt’.«287 nachweislich floss die rührende Geschichte von laodamias idolum 1472 in den Kondolenzbrief ein, den ein gewisser colantonio de 285 Zur Geschichte der tochter des töpfers Butates (o. a. ditubades) plinius, NH, XXXV, 151; mit eini­ gen Varianten der episode stoichita, 1999, s. 11ff. 286 Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 691: »dicesi, che essendogli stato occiso in cortona un figliuolo che egli amava molto, bellissimo di volto e di persona, che luca così addolorato lo fece spogliare ignudo, e con grandissima constanza d’animo, senza piangere o gettar lacrima, lo ritrasse, per vedere sempre che volesse, mediante l’opera delle sue mani, quello che la natura gli aveva dato e tolto la nimica fortuna.« 287 Ovid, Heroides, Xiii, vv. 149–159, s. 132–133 (Üs: Bruno häuptli): »dum tamen arma geres diverso miles in orbe, / quae referat vultus est mihi cera tuos. / illi blanditias, illi tibi debita verba / dicimus, amplexus accipit illa meos. / crede mihi, plus est, quam quod videatur, imago; / adde sonum cerae, protesilaus erit. / hanc specto teneoque sinu pro coniuge vero / et, tamquam possit verba referre, queror.«

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richis an Federico da Montefeltro adressierte. der Autor erinnert an das tragische schicksal dieser Frau, die, als sie vom tode ihres Gatten erfuhr, sehnsüchtig ein schat­ ten­ oder Abbild herbeisehnte, bei dessen Umarmung sie ihm bereitwillig in den tod zu folgen wünschte.288 Vielleicht gehören die ironischen, seit sacchetti nicht mehr abreißenden Volten gegen ›schmink­Künstler‹ zur polychromie­Kritik,289 zumal sacchetti in grotesker Überpoin­ tierung den »übergipsten« Frauen den rang eines polyklet ohne Meißel zugestand. Manche Frau sei »so beflastert«, so der Graf lodovico da canossa im Libro del Cortegiano, »daß sie sich eine Maske über das Gesicht gelegt zu haben scheint […].« die Gesichts­ farbe ändere sich nur, und nun folgt die Bezugnahme auf ein Bildhauerwerk, »wenn sie […] den ganzen übrigen tag unbeweglich wie eine holzstatue [statua di legno] verharrt und nur bei Fackellicht erscheint, wie auch die schlauen Kaufleute ihre stoffe an einem dunklen Ort vorzeigen«.290 täuschung, nicht zu verwechseln mit der von piero gepfleg­ ten kunstvollen dissimulatio, erscheint, zumindest in der höfischen welt, die castiglione im beginnenden cinquecento imaginiert, in der pejorativen Bedeutungsfacette von Betrug, das schminken und, wie wir vermuten dürfen, indirekt die Fassmalerei als aus­ tauschbare exempel für die »pestilenzische Künstelei« (»pestifera affettazione«). sie gel­ ten der hofrunde, maßnehmend am postulat der perspicuitas, als Kontrapunkte zur läs­ sigen »echtheit, die den menschlichen Augen und herzen höchst willkommen« sei, »da

288 in colantonios Kondolenzbrief (BAV, Ms. Urb. lat. 1193, fols. 74r–v) heißt es: »[…] non laodamia protesilaum, quae cum maritum apud troiam concidisse accepit eius desiderio (ut multi tradiderunt) aliquando umbram et idolum sisi apparere optavit, quod cum impetrasset in eius complexibus periit […]«; zitiert nach cinquini, 1905–1909, Bd. ii, s. 25. Vgl. Bembo, Gli Asolani, ii, cap. 33, s. 177: »il perché noi ci maravigliamo di laodamia, alla quale per mirare più ispesso nel suo lontano protesilao fusse huopo la dipinta cera della sua figura.« Vgl. Ovid, Heroides, Xiii, vv. 152ff.; Boccaccio, Amorosa visione, cap. 28. 289 sacchetti, Trecentonovelle, nr. 136, s. 412–415, s. 414: »[…] facendo quella sanza scarpello che poli­ creto con esso non averebbe saputo fare«. in der Geschichte wird mitunter die Gabe geschätzt, einen blassen teint, rosig aussehen zu lassen, Mängel zu übertünchen. der topos auch in Boccaccio, De mulieribus claris, in der widmung an Andrea Acciaiuoli; extensiv entfaltet in Alberti, Della famiglia, iii, Bd. i, s. 225f.: »›donna mia, se la mattina tu con gessi e calcina e simili impiastri imbiutassi el viso a questa imagine, sarebbe forse più colorita e più bianca sì, ma se poi fra dì il vento levasse alto la pol­ vere la insusciderebbe pur sì, e tu la sera la lavassi […].‹ ›però che chi compera l’imagine non compera quello impiastro quale si può levare e porre, ma appregia la bontà della statua e la grazia del magiste­ rio.‹ […].« Ansätze zu diesem topos in dion von prusa, Euboiische Rede, Vii, 117; die Forderung nach einem wortschmuck ohne einer von schminke vorgetäuschter Farbenkraft erhebt Quintilian, Institutio oratoria, Viii, 3, 6. 290 castiglione, Cortegiano, i, cap. 40, s. 88 (Üs: willemsen): »[…] una donna, […] che paia aversi posto alla faccia una maschera, e non […] si muti mai di colore se non quando la mattina si veste; e poi tutto il remanente del giorno stia come statua di legno immobile, comparendo solamente a lume di torze o, come mostrano i cauti mercatanti i lor panni, in loco oscuro?«

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sie ja immer fürchten, durch Kunst getäuscht zu werden.«291 naheliegender als dieser Kritikpunkt, der sich gegen den allzu großen wirklichkeitsschein von skulpturalen werken richtet, war in der Generation pieros das lästern über etwas Unabänderliches: über die Kälte jeder Marmorbüste – für ihren arglosen, sich spontan der täuschung überlassenden Anbeter letztlich der Anlass zur großen ernüchterung. die Kälte lässt eben den widerspruch zwischen wunsch und wirklichkeit jäh exponieren. der dichter Alessandro Braccesi brachte dies blasphemisch auf den punkt, nicht ohne in nuce äsopi­ schen hohn auszugießen: »Verzeiht mir, ihr barmherzigen Götter! ich möchte viel eher aus stein eine kalte Büste sein, ohne Geist und ohne empfinden.«292 tatsächlich standen nicht wenige kolorittheoretischen reflexionen der renaissance, wie Fehrenbach anzu­ deuten vermochte, unter dem eindruck der aristotelischen pneumatologie, die ›eigen­ wärme‹ mit lebenskraft assoziierte – ein Aspekt, den wir an dieser stelle nicht weiter vertiefen müssen.293 petrarca, einer der von Federico da Montefeltro favorisierten dich­ ter, distanzierte sich wegen des trughaften des steinernen Abbildes bereits ein Jahrhun­ dert vor Braccesi von der position, die Vergil über die Bannkraft des Marmors vertrat. Aus Marmor entstehe (ganz im widerspruch zum locus classicus der Aeneis) letztlich kei­ ne »persona viva«, hieß es in einem sonett, das rigide der souveränität von schriftzeug­ nissen gegenüber Bildhauerwerken zuspielte.294 er, petrarca, schreibe auf papier, zumal die namen berühmter römer nicht »durch den hammer« auf uns gekommen seien.295

291 ebenda, s. 89: »Questa è quella sprezzata purità gratissima agli occhi ed agli animi umani, i quali sempre temono essere dall’arte ingannati.« 292 Braccesi, Sonetti e canzone, nr. 26, vv. 20–23, s. 30: »Merzé, pietosi dei! / esser vorrei più presto / di pietra un freddo busto / senza intelletto e gusto,«; zur Kälte des Marmors auch Alberti, Profugiorum ab erumna, Bd. ii, s. 132; derselbe, Momus, iV, s. 330; in einem von porcellio verfassten epitaphium (Zannoni, 1895a, s. 104–122 und s. 489–507, s. 121, Anm. 1) heißt es: »insigni virtute ducem et praestantibus armis / ista Berardinum frigida busta tenent«; Hypnerotomachia Poliphili, Bd. i, s. 414: »[…] uno duro marmoro freddo […]«; Bembo, Gli Asolani, ii, cap. 21, s. 155; das kalte Abbild des Geliebten als enttäuschung des liebenden bereits in euripides, Alkestis, V, vv. 353–354; epiktet, Handbuch der Moral, 47; lukian, Der Verkauf der philosophischen Sekte, s. 359; Athenaios, Das Gelehrtenmahl, Xiii, 84; diogenes laertius, Leben, cap. ›diogenes‹, Vi, 2, 23; mehr zu diesem topos hessler, 2007, s. 87. 293 näheres in Frank Fehrenbach, »calor nativus – color vitale. prolegomena zu einer Ästhetik des ›lebendigen Bildes‹«, in: Visuelle Topoi. Erfindung und tradiertes Wissen in den Künsten der italienischen Renaissance, hrsg. v. Max seidel et alt., Berlin und München, 2003, s. 151–170. 294 petrarca, Canzoniere, nr. 104, vv. 7–8, s. 290: »ché ’n nulla parte sí saldo s’intaglia / per far di marmo una persona viva«. Vgl. Vergil, Aeneis, Vi, v. 848, s. 268/269: »vivos ducent de marmore vultus« (for­ men lebendige Züge aus Marmor); zitiert oder paraphrasiert in enea silvio piccolomini, Opera, s. 647; Valla, Elegantiae, s. v. »molle opus«. 295 petrarca, Canzoniere, nr. 104, vv. 9ff, s. 290: »[…] io in carte scriva / cosa onde ’l vostro nome in pregio saglia;«.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

Andere Vorstellungen hegte Francesco laurana. im Vertrauen auf sein Medium trachtete er sehr wohl mit dem hammer danach, den namen »BAptistA sFOrtiA« überdauern zu lassen;296 und sein farbdurchtränkter pinsel bürgte für eine quasi fleisch­ liche, wenn auch idealisierende dimension der Büste, nachdem die totenstarre des plas­ tischen Vorbildes, mit dem schließen des Mundes zugunsten entspannterer, gleichwohl beherrschter Züge überwunden werden konnte. die lippen der Fürstin erhielten ihr rot zurück, ihre Augen das strahlen (auch die italienische poesie verwendet die Floskel »der tod stand ihr in den Augen«).297 eben dies waren die oft beredeten indizien des lebens, deren simulation für Künstler aller couleur ein schwieriges Unterfangen darstellte. Berechtigtermaßen meldete ihm gegenüber daher die Anthologia Palatina, in den spuren Xenophons, ihre Zweifel an. dem pinsel, heißt es, gelängen die Augen des Mädchens nicht.298 Anders der Libro del Cortegiano: im Gegensatz zum Maler bleibe dem Bildhau­ er, an dieser stelle explizit als marmorario bezeichnet, die wiedergabe des strahlens ver­ liebter Augen versagt.299 laurana, den zeitgenössische Quellen übrigens tatsächlich »mar­ morario« nennen,300 war wegen der Zuhilfenahme der Farben mehr vergönnt. Federico da Montefeltro konnte durch die naturalistische Farbgebung, nicht zu vergessen die Äderung des Marmors (sie zeigte günstigenfalls den Kopf wie von Blut durchpulst)301 emotional umso heftiger von lauranas Büste affiziert werden. Früh hat man die liebe als die treibende Kraft in diesem wunsch nach Verlebendi­ gung plastischer Abbilder des Menschen erkannt.302 laurana, kein zweiter pygmalion, hat seinen Artefakt einem liebenden angedeihen lassen. er mochte sich vor dem urbina­ 296 die Libri Carolini, iV, 21 hatten argumentiert, man könne Bildern keinen hohen wert zusprechen, da erst die Beischriften dem Betrachter die identität der dargestellten klären würden; s. eberlein, 1995, s. 366f., Anhang nr. 63. 297 so zum Beispiel petrarca, Canzoniere, nr. 300, vv. 12–14, s. 780: »[…] et dura morte, / […] stassi ne’ suoi begli occhi et me non chiama!« 298 Vgl. AP, XVi, nr. 77; die schwierigkeit der darstellung unterschiedlicher Blickarten in Xenophon, Memorabilien, iii, 10, 4 und 8; nach Boccaccio, Esposizioni, V, v. 103, Bd. Vi, s. 305 können weder Malerei noch skulptur das strahlen der Augen darstellen; andere Quellen nennt Fehrenbach, 2003, passim. 299 castiglione, Cortegiano, i, cap. 51, s. 110: »Questo far non po già il marmorario, né meno esprimer la graziosa vista degli occhi […] col splendor di que’ raggi amorosi.« 300 in einer Zahlung, die am 26. März 1474 für das portal der Cappella S. Barbara im castelnuovo in neapel erfolgte, gilt laurana als »ma[e]stro marmorar«; vgl. Kruft, 1995, s. 399, dok. 13. 301 der prototyp ist die Menschenschöpfung aus stein; s. die Geschichte von deucalion und pyrrha; vgl. Ovid, Metamorphoses, i, v. 410, s. 26 (Üs: erich rösch): »quae modo vena fuit, sub eodem nomine man­ sit:« (was da Ader [des Marmors] gewesen, das blieb unter gleicher Benennung). die Äderung des steines als schönheitskriterium durchzieht die Hypnerotomachia Poliphili. 302 eros hilft so dem praxiteles in AP, Xii, nr. 56; zur statuenliebe hinz, 1998. – eine gemalte Aphrodi­ te (Apelles’ Aphrodite von Kos) als nur scheinbares wesen aus haut und Blut in cicero, De natura deorum, i, 75.

4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana

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tischen witwer der ›nacherschaffung‹ Battista sforzas rühmen, die, anders als in pieros Version, »rund wie das lebendige« ausfiel, eine ikone, körperhaft, nicht nur zum Anschau­ en, sondern auch zum Betasten und zum Umarmen.303 nach castiglione kreideten die Maler einem solchen plastischen wirklichkeitsschein auch die defizienz von »licht und schatten« an; »das Fleisch«, so ist zu lesen, habe »[…] ein anderes licht als der Marmor«; kurzum: allein dem Maler gelänge die richtige Fleischnachahmung. er kann, wie leo­ nardo richtig erkannt hat, ganz im Gegensatz zum Bildhauer autark über licht­schat­ ten­wirkungen bestimmen.304 eben darauf wollte piero della Francesca in seiner »colo­ rare«­definition in De prospectiva pingendi hinaus, dass ein Maler imstande sei, sämtliche lichtwerte selbst und mit einem einzigen Mittel, Farbe, zu erzeugen: »wir«, er meint die Maler, »verstehen unter ›Färben‹ die Farben so zu setzen, wie sie sich in den Gegenstän­ den, lichtern und schatten, je nach ihrer Veränderung durch die Beleuchtung, darstel­ len.«305 Für laurana als Marmorbildner empfahl es sich, Zuflucht zu einem anderen, sich für einen additiven Malprozess verbietenden licht­Begriff zu nehmen, nämlich die plo­ tinische, in Albertis De statua nachzulesende Auffassung, der Bildhauer befördere durch das wegmeißeln eine dem Marmorblock inhärente Figur »ans licht«.306 so früh, wie lauranas Büste entstanden ist, gegen 1475, bekundete sein Zunftgenosse Mino da Fieso­ le dieses, auf quasi­generativer Kraft beruhende selbstverständnis des sculptor inschriftlich in einem Marmorrelief (Abb. 66), heißt es doch aus der perspektive der überfeinerten jungen Dargestellten: »Und ich habe durch Mino das Licht bekommen« (»ET IO•DA• MINO•OAVVTO•ELLVME«).307 dass ein Maler obendrein der durchsichtigkeit des Fleisches rechnung tragen müs­ se und könne – dieser Gedanke beschäftigte leonardo, der sich den latenten Verweis auf 303 castiglione, Cortegiano, i, cap. 51, s. 110: »[…] le statue siano tutte tonde come il vivo e la pittura solamente si veda nella superficie […]«; leonardo, Libro di pittura, i, 14 und 26. 304 castiglione, Cortegiano, i, cap. 51, s. 110 (Üs: willemsen): »perché altro lume fa la carne ed altro fa il marmo; e questo naturalmente imita il pittore col chiaro e scuro, più e meno, secondo il bisogno; il che non po far il marmorario.« Vgl. ebenda, s. 110: »parvi poi che di poco momento sia la imitazione die colori naturali in contrafar le carni, i panni e tutte l’altre cose colorate?« Zur licht­ und schatten­ setzung als ressort des Malers – im Gegensatz zum Bildhauer – leonardo, Libro di pittura, i, 31a. 305 piero della Francesca, De prospectiva pingendi, i, [fol. 1r] s. 63: »colorare intendiamo dare i colori commo nelle cose se dimostrano, chiari et uscuri secondo che i lumi li devariano.« 306 Alberti, De statua, 2, s. 112: »Alii solum detrahentes veluti qui superflua discutiendo quaesitam hom­ inis figuram intra marmoris glebam inditam atque absconditam producunt in lucem.« Vgl. plotin, Enneaden, i, 6, 9; mit wurzeln in Aristoteles, Metaphysik, 1048 a33; vgl. cicero, De divinatione, i, 13, 23 und ii, 21, 48. Zum paragone zwischen den beiden konträren künstlerischen Vorgehensweisen: dem wegnehmen (levare) und dem hinzusetzen (porre), das neben dem Maler auch für plastiker gilt, s. summers, 1981, s. 531, Anm. 17. 307 (Florenz, Bargello, inv.­nr. 72/sculture); Maria cionini Visani, Mino da Fiesole, Mailand, 2010, Abb. 1; Burg, 2007, s. 177, Anm. 68; möglicherweise folgt die wendung dem typus des Vergil­epita­ phions »Mantua me genuit«; s. servius­Vita (Vita Servii, 13).

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

66 Mino da Fiesole, Reliefbildnis einer Frau, ca. 1475– 1480, Florenz, Museo nazionale del Bargello

die Unmöglichkeit dessen in der stein­ kunst nicht nehmen ließ.308 Kehren wir zu laurana zurück. ihm lag in den Fleisch­ partien weder daran, eine transparenz, weichheit noch eine nachgiebigkeit des Materials vorzuspiegeln, obgleich ein pli­ nius­passus zu Kunstgriffen dieser Art im Marmor hätte anregen können.309 nein, wie bei piero sollte lebendigkeit durch die motus und sensus suggerierende Farbwir­ kung erstehen, jedoch nicht allein durch diese. lebendigkeit begriff der Maler aus­ schließlich als eine Qualität, die vollends in den Farben aufgeht, so, wie es unweit von Urbino, im dom von spoleto, in der Grabinschrift zu lesen ist, die poliziano dem 1469 verstorbenen Maler Filippo lippi widmete: »Mit der Geschicklichkeit mei­ ner hände konnte ich den Farben leben geben / Und die Menschen glauben lassen, dass die Bilder sprechen / […].«310 Vorzugsweise der topos des fleisch­ schaffenden Künstlers – Kruse widmete sich

308 leonardo, Libro di pittura, iii, 419, s. 306: »e sop[r]a ’l tutto ti ricordo che ne’giovani tu non facci l’ombre terminate come fa la pietra, perché la carne tiene un poco de transparente […].« 309 laut plinius, NH, XXXVi, 24 wirkten die Finger, die der Bildhauer Kephisodotos der Figur eines ringers gab, eher so, als seien sie in Fleisch als in Marmor eingedrückt. ein übersehener nachhall begegnet in der Hypnerotomachia Poliphili: Man erfährt von der leichtigkeit, die ein Bildhauer sei­ nem stein zu verleihen imstande war, sodass dieser wie von weicher Kreide oder ton erschien; s. Hypnerotomachia Poliphili, i, Bd. i, s. 49 [fol. c8v]: »[…] et quanta arte nelle petre monstrava la scalptura: certamente cum tanta facilitate, che non di marmoro, quantunque duro, ma si molle creta et argilla havesse praestata la materia«; Vasari schreibt hinsichtlich von Jacopo della Quericas Marmorgrabmal der Ilaria del Carretto (in san Martino, lucca), dass die Kinder auf dem sockel (reliefs) »parevano di carne«; s. Vasari, Le vite, Bd. ii, s. 112; s. die Abb. 10 in poeschke, 1990, Bd. i, s. 75 (mit der datie­ rung um 1408). 310 »MAnVs ArtiFicis pOtVi diGitis AniMAre cOlOres / sperAtAQVe AniMOs FAllere VOce diV«; die lateinische inschrift zitiert nach Ames–lewis, 2000, s. 285, Anm. 21 und s. 95, Abb. 41. der vollständige wortlaut nach poliziano, Epigrammatum liber (poliziano, Opera omnia, Bd. i, s. 593):

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dem in einer studie –311 steht oft affirmativ mit der unterstellten sprachfähigkeit des Kunstwerks in Verbindung. das zeigt in Urbino eindringlich ein vielzitiertes, ganz auf piero ausgerichtetes Gedicht, das der veronesische Karmelitermönch Giovanni Antonio Ferabos schrieb. nach einigen kritischen stimmen angesichts nicht geringer Konfu­ sionen, die mit der datierung der Verse verbunden sind, neigen heute wieder viele Forscher – unter ihnen Zöllner – im Konsens mit pope­hennessy zum Glauben, dass ein direkter Bezug auf pieros Montefeltro-Diptychon vorliege, ungeachtet der tatsache, dass Ferabos allein nur dem oder einem Bildnis von Federico Beachtung schenkte. dieses ist es, das in Ferabos poem die stimme erhebt; und falls wirklich ein reflex auf pieros dip­ tychon vorliegt, schwingt wohl ein bewusster, wie auch immer gelagerter parteiischer Akzent mit, selbst wenn wir ihn nicht ad hoc zu ergründen vermögen: »das Gemälde dieses Fürsten, das von piero Burgensis gemalt wurde, spricht den Fürsten selbst an: Mich hat mit hoher Kunst nicht der geschickte timanthes geschaffen, oder Zeuxis, der mit einem trügerischen weinstock die Vögel überlistet. nicht parrhasios mit der Gemäldetafel, euphranor hat mich nicht in Marmor gemeißelt, nicht pyrgoteles aus der Gemme, noch Mentor in die silberschale [eingraviert]; und ich stamme weder von praxiteles, lysipp noch polyklet, noch bin ich ziseliert durch die ›phidiasische‹ hand des skopas. piero verleiht mir hingegen sehnen und Knochen mit Fleisch, während du, Fürst, die seele durch deine Göttlichkeit gewährst.

»in philippVM FrAtreM pictorem. »conditus hîc ego sum picturae fama philippus, 1 nulli ignota meae est gratia mira manus. Artifices potui digitis animare colores, sperataque animos fallere voce diu. ipsa meis stupuit natura expressa figuris, 5 Meque suis sassa est artibus esse parem. Marmoreo tumulo Medices laurentius hîc me condidit, ante humili pulvere tectus eram.« Fehrenbach, der die durch Farben erzeugte Belebung auf die gelungene tonale Abstimmung der Buntwerte zurückführt, sprach angesichts des toten substrats der Farben in einem Artefakt von der paradoxen lebendigkeit der Gemälde; dabei werde nicht selten der schein des lebens als schwierigere Aufgabe als die göttliche Beseelung angesehen; s. Frank Fehrenbach, »Kohäsion und transgression. Zur dialektik lebendiger Bilder«, in: Animationen / Transgressionen. Das Kunstwerk als Lebewesen, hrsg. v. Ulrich pfisterer et alt., Berlin, 2005, s. 1–40, s. 1ff. 311 Kruse, 2000, s. 305–325, s. 305ff. und lehmann, 2008.

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daher lebe ich. ich spreche, und ich weiß, dass ich mich aus eigener Kraft bewegen kann. Möge so der ruhm des herrschers auch dem Künstler zuteil werden.«312 Mit Überbietungstopoi beginnend, stellt das sprechende Gemälde, gleichsam als ergeb­ nis und als Zeuge der tadellosen künstlerischen Könnerschaft, seinen schöpfer piero über den gesamten pantheon der Maler und Bildhauer des Altertums. Gleiches gilt für die technik, derer sich piero bemächtigt hat. sie überragt die Bandbreite aller künstleri­ schen Verfahren, als sei pieros universale Bildniskunst mehr als die summe des bislang dagewesenen. Bei Ferabos erlangt piero als malender Menschenschöpfer die perfektion erst durch das wundersame Zutun seines Modells, in Form einer aemulatio dei: im Besitz von »Göttlichkeit« haucht Federico dem Abbild seiner selbst die seele ein. Angesichts dieser divinisierung ist man geneigt zu fragen, ob lauranas Aufschrift »diVA« expressis verbis die vollzogene göttliche Beseelung seiner Büste bekunden sollte. denkbar wäre es. was an Ferabos ehrengalerie notabler antiker Künstler stutzig macht, ist, dass man den Malerfürsten Apelles vermisst. nicht von ungefähr besinnt sich ein Mann namens con­ tes Fantini in seinem Antwortgedicht genau auf ihn. so wird dem gleichen porträt von Federico da Montefeltro ein zweites Mal die ehre der literarischen Gegenwart zuteil:

312 Ferabos, Epigramm (BAV, Urb. lat. 1193, fols. 114r–v): »›imago eiusdem principis a petro Burgensi picta alloquitur ipsum principem.‹ Me finxit magna solers haud arte timantes 1 Qui capit aut falso palmite Zeuxis aves. parrhasius tabula, euphranor non marmore sculpsit, pyrgotheles gemma, Mentor et in patera nec sum praxitelis, lysippi vel polycleti 5 caelatusve [s]copae phidiachaque manu Ast petrus nervos mihi dat cum carnibus ossa, das animam princeps tu deitate tua; Vivo igitur. loquor et scio per me posse moveri: Gloria sic regis praestat et artificis.« 10 Zitiert nach cinquini, 1905–1909, Bd. i, s. 26, nr. 43. die argumentativen winkelzüge der debatte um die Frage, ob das Gedicht von Ferabos auf pieros diptychon Bezug nimmt, können an dieser stel­ le nur in Ansätzen referiert werden. der streit – infolge der position von pope­hennessy, 1966, s. 319 – entfachte, da die daten eines Urbino­Aufenthaltes von Ferabos feststehen: es sind die Jahre 1465 bis 1466. die Flucht von Ferabos nach perugia infolge der unterstellten homosexualität setzte dem 1467 ein jähes ende; dazu (unter Angaben sämtlicher Quellen) Battisti, 1992, Bd. ii, s. 515; Biografisches auch in Bolzoni, 2008, s. 151ff. Andererseits ist das epigramm dem chronologisch geordneten Manu­ skript mit den elegien auf Battista sforzas tod angegliedert; dazu Bertelli, 1992, s. 220; lightbown, 1992, s. 230; vgl. Zöllner, 2005, s. 28–31 und Gilbert, 1968, s. 29ff. und s. 94–95, Anm. 45.

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»cOntes FAntinUs An den FÜrsten selBst das Gemälde dieses Fürsten spricht: schon glaube ich, lebendig zu sein, wenn es [mir] nicht [daran] mangeln würde, mich bewegen zu können. dieses verleihst du, Maler, mir nicht, sondern es wird der Allmächtige verleihen. deine Begabung bewundere ich. lass von Gemälden nicht ab, Meister! denn du schaffst Besseres als die Kunst des Apelles. ich spreche nämlich die wahrheit: von allen seiten wachsen die Glieder. Bald werde ich sprechen und leben, sofern Gott es selbst will.«313 Fantini rückt die ›Fakten‹ wieder zurecht: Bei aller perfektion kann pieros porträt den letzten schliff der lebendigkeit mitsamt der Gabe des sprechens allein durch Gott erhal­ ten, und diese bevorstehende Verlebendigung, so lässt er durchblicken, stehe zu erwarten. nur kursorisch sei auf die wirkung dieses Motivs in der Folgezeit verwiesen. im gleichen codex gibt es ein drittes Gedicht auf ein Bildnis von Federico da Montefeltro, das paral­ lele Gedanken zur lebensnähe und Beseelung enthält. der herzögliche schreiber Federico Veterano, dessen tätigkeit für den urbinatischen Fürsten gegen 1470 begann, brachte es 1523 zu papier.314 Und pietro Aretinos Verse über ein porträt des späteren herzogs von 313 (BAV, Urb. lat. 1193, fol. 118r); vgl. cinquini, 1905–1909, Bd. i, s. 27, nr. 49; Bd. ii, s. 71, nr. 50 (vgl. stornajolo, 1902–1921, Bd. iii, s. 198–203 und Battisti, 1992, Bd. ii, s. 515–516 mit der datie­ rung auf ca. 1473–1474): »cOntes FAntinUs Ad eUndeM principeM imago eiusdem principis loquitur: iam puto vixissem ni desit posse moveri hoc non das pictor sed dabit omnipotens ingenium mirir: pictis nec cedes magister Artibus Apellae nam meliora facis: Vera quidem fateor: nitesunt undique membra iam loquar et vivam si volet ipse deus.« 314 cinquini, 1902–1909, Bd. i, s. 12 (BAV, Urb. lat. 1193, fol. 3r): »[d]ux Federicus eram Montefeltrius. extat ymago haec mea vera quidem. sum modo cum superis integer ipse fui vivens animoque fideque, integer et membris sum modo: qualis eram. si cupis integrum totum me visere; quaeso Ad Bernardini templa viator eas nam qui post septem lustros me vidit, in archa credidit ille uno me iacuisse die. incorrupta fides membra incorrupta meretur servasse. hoc pietas religioque facit.

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Urbino, tizians Bildnis des Francesco Maria della Rovere, sind eine erneute hymne auf die Kühnheit der Fleischwiedergabe. sie sei kein selbstzweck, vielmehr ein spiegel der lebendigkeit der seele (»virilità de l’animo«). Facio war es, der den klugen Malern Gen­ erationen zuvor die evokation dieser Gemütsregungen mit hilfe der Gesichtswiedergabe zugetraut hatte.315 nimmt man all diese prätentionen zusammen, so wird man lauranas polychrome Büste schwerlich nur als neutrale parallelerscheinung zu pieros porträtgemälde bewerten können, zu sehr wurde Farbe – von piero selbst – als ressort des Malers beansprucht, und erst recht barg bei all dem ein teint aus echtem Marmor, ein wörtlichnehmen gen­ uin poetischer ideale, nicht geringes Konfliktpotenzial. wir haben in den kunstliterar­ ischen Bespiegelungen von exponaten beider porträt­Medien, der Malerei wie der poly­ chromen skulptur, einen vergleichbaren, im ergebnis abweichenden Konnex zwischen Farbgebung, Verlebendigung und unterstelltem sprechvermögen erkennen können. welche konkrete Funktion wiesen nun die schöpfer der beiden Battista­sforza­Bildnisse in diesem Zusammenhang der eingebrachten sprache zu: der inschriftlich fixierten sprache?

4.2. sprache, posthum – im Bildnis und im Gedicht seit dem Quattrocento wurde der kunstliterarische themenspiegel, der um die lebens­ nähe von porträts kreist, in steigendem Maße gattungsorientiert ausgelegt, seien es die abgegriffenen Beschwörungen der lebendigkeit, des Atmens, der Bewegung oder der sprachfähigkeit des Kunstwerks. Mit diesen Qualitäten wurde dem Mal­ oder Bildhau­ erwerk günstigenfalls sogar eine respondierend­kommunikative Gabe angedichtet. diese gravierende Verschiebung der perspektive in der Kunstwahrnehmung kann nicht genug betont werden: die schier lebende und atmende statue konkurrierte nicht länger allein mit echten lebewesen, sondern mit Artefakten: mit porträtgemälden, denen ebensolche

Vos igitur summo qui me coluistis amore dicite cum lachrimis dux Federice vale.« Zur tätigkeit Veteranis am urbinatischen hof peruzzi, 2004, s. 74ff. 315 pietro Aretino schickte sein Gedicht über tizians Porträt von Francesco Maria della Rovere (Florenz, Uffizien, inv.­nr. 1890, nr. 926) 1537 an die dichterin Veronica Gambara; im Brief hieß es: »e i colori che’l han dipinto, non pur dimostrano l’ardir de la carne, ma scoprano la virilità de l’animo«; s. Aretino, Lettere sull’arte, Bd. i, s. 77, nr. 47. Ganz ähnliche Bewertungen über die Möglichkeiten der Malkunst bei Facio, De viris illustribus, cap. »de pictoribus«, s. 163–164 : »est enim ars magni ingenii ac solertiae, nec temere alia inter operosas maiorem prudentiam desiderat, ut pote que non solum ut os ut faciem ac totius corporis lineamenta, sed multo etiam magis interiores sensus ac motus expriman­ tur postulat […].«

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weihen unterstellt wurden.316 die wundersame Beweglichkeit galt seit altersher, nicht aber ausschließlich, als ein residuum der skulptur,317 die Pictura loquitur wetteiferte mit sprechenden statuen;318 und es mangelte nicht an Beteuerungen, einem Gemälde oder einer statue würden selbst eine seele und etwaiger Geist innewohnen.319 wenn die Kehr­ seite der Medaille zum tragen kam, dann äußerte sich dies stereotyp in Form von Kla­ gen oder spötteln über das große Manko eines Kunstwerks, das mangels Animation dem Betrachter den Geist und die seele letztlich zwingend schuldig bleibt.320 wie steht es mit den inschriften auf dem Montefeltro-Diptychon und der Büste von Battista Sforza? inwiefern nun waren sie dem Anspruch nach der lebensnähe verpflich­

316 siehe petrarca, De’ rimedii, i, cap. 41: »delle statue«, Bd. i, s. 199: »[…] non uomini dipinti, ma veri e vivi […].« eine gemeißelte Gigantomachie, der nur der Atem fehle, in der Hypnerotomachia Poliphili, fol. b2v. – nach Villani, De origine, cap. 47, 9, s. 154 schienen Giottos Gemälde zu atmen, zu spre­ chen, zu weinen, zu lachen und sich zu bewegen. durch den Maler ist es dem dargestellten vergönnt, freudvoll zu atmen, in AP, XVi, nr. 387; besonders anschaulich petrarca, De’ rimedii, i, cap. 40: »delle tavole dipinte«, Bd. i, s. 194: »[…] e le vene delle persone dipinte, che paiono mandare fuori fiato per la bocca, tengono sì in sospeso te che stai a vedere, che poco meno pare, che tu aspetti d’udire che caccino fuori voci e favellino […]«; eine gemalte hirschkuh ist »similis vivens« bei callimachus experiente, Carmina, nr. 46, s. 195; von »spirantes tabulas« spricht Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, v. 448, s. 351. Quellen zum topos der lebensnähe, meist aus dem cinquecento, bietet Frederika h. Jacobs, The Living Image in Renaissance Art, cambridge, 2005, s. 1–15. 317 eine Marmorstatue, die rache nimmt, in petrus crinitus, Poematum libri, nr. 30, s. 138. – dion von prusa, An die Korinther, 37, 10 glaubt nicht an die existenz eines dädalus­nachfolgers, der wie dieser statuen in Bewegung setzen könne. Viele Beispiele in Freedberg, 1989, steiner, 1991, passim und Ken­ neth Gross, The Dream of the Moving Statue, ithaca und london, 1992. – das postulat der Beweglich­ keit der Malerei in platon, Politeia, 373a; auf gemalte personen und ihre Gestik bezogen Facio, De viris illustribus, s. 164. 318 eine schlüsselstelle ist die zum visibile parlare; s. dante, Purgatorio, X, v. 39, s. 116, wo es über in die wand eingemeißelten Marmorreliefs heißt: »che non sembiava imagine che tace.« (daß es nicht schien, es sei ein Bild, das schweiget); dazu Marco collareta, »Visibile parlare«, in: Prospettiva, 86, 1997, s. 102–104; Kablitz, 1998, s. 309ff.; pfisterer, 2002, s. 259ff.; himerios, Reden, nr. 19, 6. eine schier redende skulptur erwähnt poggio Bracciolini, Epistolarium, Bd. iV, s. 21; in einem Gedicht von paolo spinoso, das nach 1473 entstand, spricht Andrea Guazzalottis Bronzemedaille von Pius II. den bevorzugten nepoten an, den Kardinal piccolomini; zitiert in Bianchi, 2004, s. 116–117 (›imago pii pontificis Maximi reverendum cardinalem senensem alloquitur‹). Generell zu diesem topos set­ tis, in: Italienische Kunst, [1979] 1991, Bd. ii, s. 16ff.; land, 1994, s. 76ff. 319 Antonio Manetti, Vita di Brunelleschi, s. 63: »e di quanta dificultà sono quelle figure, et quanto bene elle fanno l’uficio loro, che non v’è membro che non abbia spirito.« landino, Comento, Bd. iii, s. 1203: »è gran loda della sculptura, che essendo loro dinanzi a quella, dove non dovea parere altro che una imagine muta et inanimata, nientedimeno dimostrava con somma suavità parlare.« 320 Über die Unfähigkeit Myrons zur wiedergabe der empfindungen der seele plinius, NH, XXXiV, 58, s. 48: »[…] animi sensus non expressisse […]«; der wunsch nach Beseelung von gekneteter erde in Ovid, Metamorphoses, i, vv. 364–365; der Geist übertreffe den Marmor in pseudo­Vergil, Elegien auf Maecenas, in: Ovid, Ibis, vv. 37ff. s. 192.

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tet? waren die inschriften, die beide werke aufweisen, nicht auch ein Aufbegehren gegen dieses alte, immer wieder beredete stigma des nur stummen Kunstwerks?321 Jedenfalls ließen piero und laurana mit der einlösung des bloß geschriebenen, nicht aber gesprochenen wortes den Betrachter mit einem paradoxon zurück, selbst wenn sie die schrift – wie beispielsweise der Libro del Cortegiano – »als eine Form des sprechens« definiert hätten.322 in diesem Zusammenhang verdient eine signatur Beachtung, die der Bildhauer laurana 1471, knapp vor seiner tätigkeit für Federico da Montefeltro, auf der Madonnenstatue für die chiesa del crocifisso in noto Antica anbrachte. einem bereits in der Antike eingebürgerten signatur­typus verpflichtet, von dem Goffen sehr richtig meint, er sei als gehört vorgestellt und der laut Bredekamp die doppelexistenz des wer­ kes insinuiert (als geschaffenes Objekt und als autonomes subjekt), kündet die statue, dergestalt ›belebt‹, vom namen ihres schöpfers, als ob sie spreche: »Francesco laurana hat mich 1471 gemacht« (»FrAnciscVs lAVrAnA Me Fecit McccclXXi«).323 Unter den dichtern, die in Urbino weilten, erkannte neben Ferabos auch Angelo Galli die sprachfähigkeit als das letzte desiderat der perfekten Mimesis. im Auftrag Ottaviano Ubaldinis besang er pisanellos Figuren, deren echtheit und wirklichkeits­ schein so groß sei, dass ihnen allein die stimme fehle (»le suoe figure son sì proprie et tale / ch’a parer vive sol gli manca el sono«).324 Battista sforzas Vertrauter, der dichter Giovanni Antonio campano († 1477), machte sich diese Formel mit mehr christlicher demut zu eigen, nicht ohne dem betreffenden Bildhauerwerk Bewunderung zu zollen, namentlich einer Fides­statue Antonio rizzos. in campanos Versen legt sie Zeugnis über sich selbst ab: »einzig das leben fehlt: mit wunderbarem Geschick / hat die hand des Künstlers crispus mir alles weitere verliehen. / was allemal nur fehlt, es fehlte der

321 Auf ein Gemälde bezogen in Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 3, 76; bezüglich eines Gemäldes polygnots AG, nr. 16, 30; über pisanello Galli, Canzoniere, nr. 285, v. 11, s. 393: »tu a’depincti fai parlar tacendo.« nach Quintilian ist die rolle des Künstlers die des ›sprachvermittlers‹ – wie die des demosthenes, der »in erdichtungen dem schweigenden stimme« verleihe; s. Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 23–24, Bd. ii, s. 762f.: »non oratione ficta dat tacentibus vocem?« – Zu stummen werken der skulptur platon, Symposion, 198c; über stumme Bildsäulen tacitus, Annalen, iV, 52. 322 castiglione, Cortegiano, i, cap. 29, s. 62: »[…] la scrittura non è altro che una forma di parlare che resta ancor poi che l’omo ha parlato, e quasi una imagine o più presto vita delle parole, […] la scrittura conserva le parole e le sottopone al giudicio di chi legge e dà tempo di considerarle maturamente.« 323 Zu lauranas signatur Kruft, 1995, taf. 57–58. nicht auf laurana bezogen und mit Beispielen seit 1261 Goffen, 2001, s. 302–370, s. 305; vgl. Bredekamp, 2010, s. 85; den Aspekt der intendierten Belebung durch »Me Fecit«­signaturen betont mitunter Gludovatz, 2005, s. 126; zu dieser signier­ weise auch Burg, 2007, s. 147. 324 Galli, Canzoniere, nr. 284, vv. 12–13, s. 392.

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lebendige Atem, / weil er nicht durch menschliche Kräfte kommt.«325 wie in Fantinis Gedicht liegt das einhauchen des lebensodems außerhalb der menschlichen Kapazität, genauer: im Göttlichen begründet. es war, noch nicht berücksichtigt, ein akuter, ein genuin literarischer impuls, der am urbinatischen hof eine besondere nuance vom topos des sprechenden Bildnisses auf den weg brachte. das zeigt exemplarisch sein prototyp. wie wir noch sehen werden, stiftete dieser zudem weitestgehend das Vorbild für petrarcas zweiten teil des Triumphus Mortis, und petrarca selbst verdanken wir die wiederentdeckung des besagten vorbild­ gebenden Buches. es waren die Elegiae des sextus propertius. die editio princeps, die 1472 in Venedig erschien, garantierte zu Zeiten des Ablebens von Battista sforza ihre gestei­ gerte Aktualität. ein Beweis für diese ist nach Beltings Beobachtung die tragende rolle eines properz­Zitats in Giovanni Bellinis Pietà.326 im eingangs erwähnten, von petrarca rezipierten trauergedicht des römischen elegikers kommt eine Verstorbene zu wort, wie in so mancher epigrammatischer Grabdichtung. Aus dem Jenseits monologisierend, ihren Gatten paullus und ihre Kinder tröstend, erteilt cornelia, die stieftocher des Augustus, in ihrer Ansprache an den ehemann den rat, nun gnädig mit flüchtigen traumerschei­ nungen ihres Gesichtes (»faciem«) Vorlieb zu nehmen. wenn er zu ihrem Bilde spreche, dann solle dies so geschehen, als ob sie zu einer Antwort imstande sei.327 die diktion des properz erweckt jedenfalls den Anschein, als ob von einem Bildnis die rede sei. es ist ein beachtenswertes Faktum, dass die poesie am urbinatischen hof unter dem eindruck des plötzlichen todes der jungen Battista sforza diesem speziellen Gestaltungs­ prinzip geradezu leitmotivisch rechnung trug. dies tat in Ansätzen der dichter Ferabos, konsequenter jedoch agierten andere humanisten in ihren elegien: lilius tifernas, Bar­ tolomeo Maneres, Mutius und drei anonym gebliebene Verfasser von epitaphien. Beson­ dere Aufmerksamkeit verdient der Beitrag, den tifernas (ca. 1417/1418–1486) aus città di castello verfasste. der Mann, der eigentlich ›de libellis‹ hieß und für Federico da Montefeltro eine philon­Übersetzung angefertigt hat, wohnte in den siebziger Jahren in 325 cecchini, 1995, nr. 60, s. 59: »Vita deest tantum; crispi mihi cetera quaeque 1 artificis mira tradidit arte manus. Quaeque deest tantum, vitalis defuit aura quod non humanis viribus illa venit. / […].« der gleiche moralisierende Unterton in callimachus, Carmina, nr. 65, s. 195: »in picturam Fannie / Quid petis a picta deceptus imagine verba? / non datur artifici fingere vocis iter. / interiore deus sed si me parte parasset, / Artis opus posset reddere verba tibi.« 326 siehe hans Belting, Giovanni Bellini. Pietà. Ikone und Bilderzählung in der venezianischen Malerei, Frankfurt a. M., 1985, s. 30ff. 327 properz, Carmina, iV, 11, s. 270–277, vv. 81–84, s. 274: »sat tibi sint noctes, quas de me, paulle, fatiges, / somniaque in faciem credita saepe meam: / atque ubi secreto nostra ad simulacra loqueris, / ut responsurae singula verba iace.«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

Urbino. in seiner griechischen doppelelegie, die 1472 entstand, richtet sich Battista sforza aus dem Jenseits an ihren hinterbliebenen Mann. sie ruft ihn »zu den sternen« – oder sagen wir, um mit einem wahlspruch zu reden, der im urbinatischen studiolo die Nordwand ziert, »[…] AD • ASTRA«.328 daraufhin bekundet Federico da Montefeltro seine hoffnung auf ein wiedersehen.329 wenn auch der dramatik des todes enthoben, zeitigte eine Variante dieses elegientypus’ ihr nachspiel in castigliones berühmter ele­ gie, in der seine in Mantua zurückgelassene Frau ippolita torella und beider sohn auf raffaels porträt des abwesenden Familienvaters reagieren.330 Und der junge Francesco Filelfo, der sich in späteren Jahren als Autor einer Montefeltro­Vita versuchte, verriet 1428 seinem Freund Ambrogio traversari brieflich, wie gerne er sich dem hirngespinst eines Gespräches mit ihm trotz distanz überlässt: »was denkst du, was ich begehre, mein Ambrogio? tag und nacht brenne ich darauf, dich zu sehen, mich mit dir zu unterhalten und dich zu umarmen. […] immer ersin­ ne ich mir dich, Ambrogio und stelle dich vor meine Augen. Und wenn ich dich umarmt und angeredet habe und das wechselgespräch abwarte, bin ich traurig in der Mitte der rede zurückgelassen; aber selbst das bringt mir einen solchen Auf­

328 cheles, 1986, s. 83, Abb. 43. 329 die erste elegie mit lateinischem titel (›lilii tyfernatis ex persona illustrissimae olim Baptistae sfor­ tiae ad illustrissimum coniugem suum‹) beginnt mit den worten: »hactenus in terris, princeps dignissime, coniunx sum tua; me posthac christus ad astra vocat. […].« Vgl. BAV, Ms. Urb. lat. 1193, fol. 110r (auf fol. 109v in Griechisch) (Federicos Antwort auf fols. 111r– v; auf fol. 110v in Griechisch). die 39 erhaltenen trauerreden, –gedichte und Beileidsbekundungen in der Kompiliation von Federicos hofbibliothekar Federico Veterani im AsV, Ms. Urb. lat. 1193 (fols. 4r–112r); erstmals erwähnt in cinquini, 1905–1909; zu den elegien von tifernas Jaitner­hah­ ner, 1993, Bd. i, s. 456–457 (mit detaillierten Angaben zur Biografie); ein Kommentar in Bd. i, s. 172– 175; die griechische Version des Autografs zuerst in Zannoni, 1895a, s. 497f. die tote Battista wendet sich auch in Bartolomeo Maneres Consolatoria in einer Ansprache an Federico (fols. 100r–102r), ebenso bei Mutius und in den drei epitaphien (fols. 108r–109v). 330 das Bildnis in paris, Musée du louvre, inv.­nr. 611; zur elegie david rosand, »the portrait, the courtier, and death«, in: Castiglione. The Ideal and the Real in Renaissance Culture, hrsg. v. robert w. hanning et alt., new haven, 1983, s. 91–129 und land, 1994, s. 85f. das Gedicht, erstmals 1558 in Basel gedruckt, lautet: »sola tuos vultus referens raphaelis imago / picta manu curas allevat usque meas. / huic ego delicias facio, arrideoque, jocorque; / Alloquor, et tamquam reddere verba queat. / Assensu nutuque, mihi saepe illa videtur / dicere velle aliquid, et tua verba loqui. / Agnoscit, bal­ boque patrem puer ore salutat; / hoc solor, longos decipioque dies.« Zitiert nach dolce, Dialogo di pittura, s. 263; und s. 114 die erwähnung der elegie als Beispiel dafür, wie Kinder auf Gemälde reagieren: »il medesimo scrive il castiglione in una sua bellissima elegia latina, che aveniva a suoi piccioli figliuoletti nel riguardare il suo ritratto fatto da rafaello, che hora si trova in Mantova: & è opera del suo nome.«

4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana

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schub von schmerz und Bitterkeit, dass ich es vorziehen würde, zu sterben, als von soviel Freude beraubt zu werden.«331 es bestätigt sich eben dies: in der literatur des Quattrocento sind die Übergänge zwi­ schen sprechenden Gesichtern als phantasie­ oder traumerscheinungen und als bild­ künstlerischen porträts nahezu fließend. das Memorialgedicht dieses typus’ spielt bild­ haft mit der Überwindung der schranken zwischen diesseits und Jenseits, d. h. mit einer illusion, deren erzeugung für Maler oder Bildhauer im Gegensatz zu dichtern ein eminent schwieriges Unterfangen darstellt.332 Jeder Versuch eines bildenden Künstlers, ein solches thema zu meistern, rückte ihn daher in die nähe zum officium poetae. Offen­ kundiger als piero della Francesca, den übrigens Giovanni testa cillenio, ein dichter am hofe von ercole. i, in den 70er Jahren als »göttlich« bezeichnet,333 entrückte laurana die Fürstin von Urbino in seinem Bildnis vermöge des epithetons »diVA« und vielleicht überdies mit ›göttlichen Farben‹334 dem Bereich des irdischen, vermutlich nicht, ohne dergestalt die divinisierung des eigenen werkes und Metiers voranzutreiben. Für gewöhn­ lich wurde dieses Anliegen jedoch primär durch Anleihen an der schriftkunst erreicht, strenggenommen nicht ex professione.335 Mit den eingemeißelten worten gab der Mar­ morbildner dem urbinatischen witwer zugleich eine Anrufungsformel an die hand, mit der er den stein ›zum sprechen bringen‹ konnte – inhaltlich und formal nicht ohne Vor­ bild: in petrarcas Triumphus Mortis begrüßt der hinterbliebene das traumgesicht der seligen laura ungläubig: »come non conosco io l’alma mia diva?«336 einer vergleich­ baren Formel befleißigte sich in Urbino porcellio de’ pandoni. sein elegischer Abschieds­ gruß, den er an Battista sforza richtet, lautet: »[…] ›diva virago, vale‹«! (lebe wohl, gött­ liche Jungfrau!).337 Verwunderlich im lichte dieser in der poesie florierenden phrasen ist es folglich nicht, den Beweis für den, für manch einen bildenden Künstler verpflichten­

331 im Brief vom 17. August: Filelfo, Epistolae (zitiert nach robin, 1991, s. 42, Anm. 114): »Quid autem me cupere, mi Ambrosi, putas? dies noctesque eo sum in ardore visendi, colloquendi, complectendi tui. […] mihi […] vero semper et fingo et ante oculos pono, quem ubi complexus suavissime, adlo­ quutusque sum, sermonis vices opperiens et tristis et solus medio in sermone relinquor. Quae quidem res tantum mihi damnum moeroris et amaritudinis adfert, ut emori quam tanta voluptate privari maluerim. potes ex his facillime coniectare animi nostri sententiam […].« 332 die lebendigkeit des Memorialporträts als Versuch der ›wiederbelebung‹ des Verstorbenen in Albrecht­Bott, 1976, s. 84. 333 corrado ricci, »Un sonetto artistico del sec. XV«, in: Arte e Storia, 16, 1897, s. 27f.: »Borgho mio divino«. 334 Beispielsweise belegt durch himerios, Reden, nr. 32, 13, s. 238: »ich werde mit göttlichen Farben das Bild malen – denn irdische Farben lassen sich wohl mit der Zeit leicht auswaschen […].« 335 Zum Motiv des göttlich inspirierten Bildhauers ebenda, nr. 32, 12. 336 petrarca, Triumphus Mortis, ii, v. 19, s. 524. 337 Zitiert nach cinquini, 1905–1909, Bd. ii, s. 44.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

den Bezug von diva zu laura in einem Flachreliefbildnis zu finden; es ist in der Formen­ sprache Agostino di duccios gehalten. es zeigt sich, der inschrift zufolge, petrarcas »diVA lAUrA« (Abb. 67) – ein werk, das wie sein pendant, ein profilbildnis von petrar­ ca, heute leider nur noch in Gipsabgüssen des 18. Jahrhunderts erhalten ist.338 Bereits das Altertum kannte Anrufungsformeln auf Kunstwerken, die stets auch dessen potenzielle lebendigkeit einschließen. eines der prominentesten Zeugnisse überliefert sueton. demnach verlautete aus der sockelinschrift vom Standbild des Lucius Brutus der uner­ füllbare wunsch: »wärest du doch am leben!« (»utinam viveres!«).339 was laurana mit dem wortlaut »diVA BAptistA […]« ins Feld führte, kann nach diesen Beobachtungen als die versuchte transposition eines literarischen, ja damals mar­ kant petrarkischen Motivs ins Bildkünstlerische aufgefasst werden, und die Anwendung auf eine polychrom gefasste Büste machte diese, weit über einen erinnerungsträger hinaus, zu einer Art Fetisch, dessen Körperlichkeit und Greifbarkeit die phantasie viel leichter und überzeugender als die dichtung anzuregen vermochte. rein inschriftlich, auf der ebene der sprache, ist pieros diptychon von anderen prioritäten bestimmt. die Zeilen, die Battista sforza zugeordnet sind – sie sprechen von ihr in der dritten person singular – folgen dem Muster von Funeralinschriften. sie reden über Battista. Keines­ falls geben diese Zeilen, die bewusst ein stück poesie sein sollten, vor, eine an sie gerich­ tete Ansprache des witwers zu sein. Andererseits stellte piero in seinem diptychon eine nonverbale Kommunikation zur schau: einen Augenkontakt, der glaubwürdig von Bild­ nis zu Bildnis hinüberreicht, vom abkonterfeiten lebenden zu dessen Frau, sodass man die tatsache beinahe vergisst, dass sie zum Zeitpunkt, als piero ihre Züge einfing, nicht mehr unter den lebenden weilte. diese, bei einer summe vergleichbarer Anliegen, ganz deutliche diskrepanz zum Konzept des Marmorbildners lässt an Konkurrenzentwürfe

338 (london, Victoria and Albert Museum, inv.­nr. A.4­B­1916); mit der einordung des originalen Vor­ bildes in die zweite Quattrocento­hälfte John pope­hennessy, Catalogue of Italian Sculpture in the Victoria and Albert Museum, 3 Bde., london, 1964, Bd. i, s. 272, nr. 286 und Bd. iii, s. 179, Abb. 287. in diesen Kontext gehört die mit hoher wahrscheinlichkeit posthume italienische Medaille einer jungen Frau (nach 1480), deren Augen fast geschlossen sind; neben ihr ist »diVA iVliA […]« zu lesen; die rückseite zeigt das Unsterblichkeitssymbol des aus Flammen aufsteigenden phönix; s. zuletzt – ohne eine Bewertung der Aufschrift – pfisterer, 2008a, s. 32 und Abb. 13; vgl. mit der Zuschreibung an einen Medailleur aus Mantua in The Currency of Fame, 1994, Kat.­nr. 19a, die Abb. auf s. 83. 339 An prominenter stelle: sueton, Iulius Caesar, 80, 3, s. 124 (Üs: hans Martinet): »subscripsere qui­ dam luci Bruti statuae: ›utinam viveres!‹« diese Floskel – in römische Kapitalen übertragen – könnte m. e. erhellend für die sogenannten »VV«­inschriften auf einigen Bildnissen des cinquecento sein. Geradezu das wesen der Bildniskunst beredend, überzeugt die Formel mehr als die von Fiorenza in die diskussion gebrachte textstelle aus collenuccios Specchio d’Esopo. derzufolge stehen die Buchsta­ ben als Kürzeln für virtù und verità; s. Giancarlo Fiorenza, »pandolfo collenuccio’s ›specchio d’esopo‹ and the portrait of the courtier«, in: I Tatti Studies, 9, 2001, s. 63–87, s. 71f.

4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana

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67a–b Bildnis Petrarcas und Bildnis der Laura, Gipsabgüsse des 18. Jahrhunderts nach zwei italienischen Marmorreliefs aus der 2. hälfte des Quattrocento, london, Victoria and Albert Museum

denken, atmet doch auch pieros Battista, die, hochstilisiert, auf ihrem triumphwagen dahinfährt wie eine zweite laura, petrarkischen Geist. so verdichten sich die hinweise auf einen wettstreit, den ein Maler und ein Bildhauer in ihrem jeweiligen Medium um die Gunst des trauernden urbinatischen Fürsten austrugen. Obgleich wir über diesen punkt allenfalls spekulieren können, ist es zum Ausloten der Optionen einer solchen Konkurrenz sinnvoll, zunächst den wurzeln gattungsübergreifender Bildniswettbewer­ be in höfischen sphären nachzuspüren.

4.3. Vom ›Bevorzugungstopos‹ zum gattungsübergreifenden wettstreit der Gedanke an einen wettstreit, den piero della Francesca und Francesco laurana aus­ trugen, ist nach diesen Beobachtungen verlockend, er hat viel wahrscheinlichkeit für sich, obwohl eine direkte Konfrontation zwischen ihnen nirgends in letzter Konsequenz gesichert ist. Vorbilder unter Bildnis­wettbewerben gab es zuhauf.340 laurana im spe­ ziellen werden – von Kruft – in der Konfrontation mit seinem geadelten Gegenspieler

340 Zum wettstreit in der Bildniskunst s. App. ii/G.

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am hof der Anjou, dem Bildhauer pietro da Milano, persönliche erfahrungen in Künst­ lerwettbewerben unterstellt; jedenfalls versuchten sich beide Künstler in gleichmotivi­ schen Medaillenprägungen.341 Am urbinatischen hof war vor allem aber das Beispiel vom Mailänder Zweig der sforza­Familie dazu angetan, zur ausgestreuten saat der inspirati­ on zu werden. es war, im höfischen rahmen angesiedelt, ein Kräftemessen zwischen einigen Malern und Bildhauern, von dem Filarete in seinem Architekturtraktat berich­ tet, ob nun als anekdotischer einschub oder als rückbesinnung auf reale Vorgänge. demzufolge ging es jedem dieser Künstler darum, nach Kräften mit einem porträt Fran­ cesco sforzas zu glänzen, dem Onkel und Ziehvater von Battista sforza. Filarete gab sich als Augenzeuge des Geschehens, als er schrieb: »ich selbst habe gesehen, wie Maler und schnitzer Köpfe abbildeten, hauptsächlich denjenigen des besagten höchst berühmten herrn herzog Francesco sforza, von dem verschiedene Köpfe abgebildet wurden, weil er würdig und herrlich war. Mehr als einer von ihnen gab den Kopf richtig und ähnlich wieder, doch nichtsdestoweni­ ger gab es Unterschiede zwischen ihnen.«342 Filaretes reflexion über den personalstil, den diese ambitionierten Maler und Bildhauer an den tag legten, verrät den eindruck des ›Bevorzugungstopos‹. der catull­herausgeber Francesco puteolano hat diesen 1486 in der tat im Kontext der sforza­Familie aufgegrif­ fen, im widmungsbrief der von Giovanni simonetta verfassten Biografie über denselben Fürsten: Francesco sforza.343 tatsächlich spendete keine zweite Quelle soviel Zündstoff für einen gattungsübergreifenden wettstreit zwischen Bildniskünstlern wie diese besag­ te, mitunter von cicero, horaz, plinius dem Älteren und plutarch erzählte Geschichte über Alexanders privilegierung des Apelles und des lysipp als den beiden exklusiven, ja einzigen schöpfern seiner porträts: der eine als Maler, der andere als Bildhauer. plinius machte die trias mit pyrgoteles als Günstling hinsichtlich der steinschneidekunst­Bild­ nisse des Königs komplett.344 es ist nicht verwunderlich, dass dieses Auseinanderdivi­

341 es handelt sich um Medaillen des Ferry II., comte de Vaudemont; dazu Kruft, 1995, s. 73–74, die Medaille lauranas von 1464 auf tafel 18c–19a; die von pietro da Milano auf Abb. 60–61. 342 siehe Filarete, Trattato (s. App. ii/G­a, nr. 15; vgl. dazu warnke, 1985, s. 274) im Kontext der maniera des schreibers, des Zeichners, des Figurenmalers, des handelnden oder Baumeisters; nach pfisterer, 2002, s. 76 ist an dieser stelle die erkenntnis der individuellen stilunterschiede in Kunst­ werken erkannt; nach diesem Kriterium beschrieb auch cavalcanti, Nuova opera (s. App. ii/h­a, nr. 1) vielleicht den wettbewerb von 1401 zwischen Ghiberti und Brunelleschi. 343 siehe App. ii/G­a, nr. 19. 344 plinius, NH, Vii, 125, s. 90: »idem [Alexander] hic imperator edixit, ne quis ipsum alius quam Apel­ les pingeret, quam pyrgoteles scalperet, quam lysippus ex aere duceret. quae artes pluribus inclaruere exemplis.« Unberücksichtigt im Kommentar von Barbaro, Castigationes Plinianae. Zum ›Bevorzu­ gungstopos‹ als projektionsfläche für das »ideal des hofkünstlers« warnke, 1985, s. 58, s. 275f.

4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana

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dieren von Kunstgattungen anhand ihrer besten, mit allen Finessen ihrer wirkungs­ mittel agierenden repräsentanten die humanisten des Quattrocento fesselte, besonders die Maler­Bildhauer­Konfrontation zwischen Apelles und lysipp, deren reiches nach­ leben primär cicero und horaz schürten.345 petrarca hatte im Canzoniere einer gattungs­ orientierten sicht starken Aufwind verliehen, indem pyrgoteles und lysipp gemeinsam – und sei es nur metrisch bedingt – den widerpart zu Apelles bilden: »[…] se pyrgotile et lysippo / l’intagliar solo et Appelle il dipinse?«346 Guarino äußerte sich in nicht weni­ ger als drei verschiedenen Briefen über die antipodische Konfrontation des Malers mit dem Bildhauer; und eine reihe von denkern sind ihm gefolgt, unter ihnen lodovico carbone, der den sonderstatus der beiden Künstler mit ihrer Befähigung zur Überbie­ tung aller übrigen »in dieser Übung« betonte. Auch persönlichkeiten, deren Bezug zum urbinatischen hof unbestreitbar ist, sekundierten: piero della Francesca selbst – in der Virtuosen­riege des Libellus­traktates, den er Guidobaldo da Montefeltro dedizierte – und der aus pisa stammende pandolfo collenuccio.347 letzterer, der in pesaro eine oratio funebris auf die, wie er sagte, »Königin« (»regina«) Battista sforza rezitierte, bekundete gegen 1490 in einem dialog, Filotimo, sein wissen über Fürsten der Vergangenheit wie seiner eigenen Zeit, welche einzelne Maler und Bildhauer – wie Apelles und lysipp – ausgiebig zu schätzen vermochten.348 Vespasiano da Bisticci zählte Federico da Montefel­ tro zu den Fürsten dieses Zuschnitts, nicht ohne ihn wegen seines Verlangens nach den besten Künstlern seiner Zeit zum ›zweiten Alexander‹ zu stilisieren: »[…] egli volle i maggiori maestri che avesse quel tempo […].«349

345 cicero, Epistulae ad familiares, V, 12, 7, s. 262f.: »neque enim Alexander ille gratiae causa ab Apelle potissimum pingi et a lysippo fingi volebat, sed quod illorum artem cum ipsis tum etiam gloriae fore putabat.« horaz, Epistulae, ii, 1, vv. 236–241, s. 518/519: »[…] scriptores carmine foedo / splendida facta linunt. idem rex ille […] edicto vetuit, nequis se praeter Apellen / pingeret aut alius lysippo duceret aera / fortis Alexandri voltum simulantia.« 346 petrarca, Canzoniere (s. App. ii/G­a, nr. 1); derselbe, De remediis (s. App. ii/G­a, nr. 2); die Volgare­ Fassung De’ rimedii (s. App. ii/G­a, nr. 6). 347 eine Gegenüberstellung von Apelles – lysipp bot 1424, 1430 und 1456 Guarino Veronese (s. App. ii/G­a, nr. 4, 7, 14); es folgten lodovico carbone, poliziano, piero della Francesca, pico della Miran­ dola, pandolfo collenuccio, Francesco Gonzaga und ermolao Barbaro (ebenda, nr. 16, 18, 20, 21, 23, 24, 27). – das dreigespann Apelles, lysipp und pyrgoteles beredeten im Quattrocento – neben dem petrarca­Übersetzer Giovanni da san Miniato – Francesco Barbaro, Bartolomeo Facio in Briefen von 1451 (ebenda, nr. 12, 13), Bartolomeo Fonte in einem Gedicht für den sohn von Matthias cor­ vinius (ebenda, nr. 22) und niccolò da correggio (ebenda, nr. 26). 348 siehe App. ii/G­a, nr. 23; die trauerrede collenuccios (Oratio in funere B. Sfor.) im Ms. Urb. lat. 1193, fols. 25v–33r; s. cinquini, 1905, s. 51–56. 349 Vespasiano, Vite, Bd. i, s. 295.

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piero und laurana genossen augenscheinlich den ruf, die Kriterien des urbinatischen witwers, den collenuccio übrigens mit »rex Federicus« ansprach,350 für ein konsolato­ risches Bildnis – und darum handelt es sich – am besten erfüllen zu können. wie – cicero zufolge – einst dem Apelles und lysipp, so wurde diesen beiden Virtuosen zuge­ traut, beflissen als optimale Bürgen für den ruhm künstlerisch in erscheinung zu treten: für den ruhm sowohl der porträtierten wie den der so gekonnt porträtierenden, d. h. für deren Künstlerruhm. in diesen vor allem in der humanistischen Biografik immer wieder beredeten ›synergieeffekt‹, der dort die ruhmesaussicht des Biografen in Anbetracht seines höchst würdigen Gegenstandes meinte, tauchten 1430 die Gedanken von Guarino Veronese im hinblick auf Apelles und lysipp ein; der venezianische patrizier Francesco Barbaro spann den Gedanken weiter.351 Ferabos schließlich beschloss sein Gedicht auf den Montefeltro­Fürsten mit dem Optativ: »Möge so der ruhm des herrschers auch dem Künstler zuteil werden«. er meinte nicht sich selbst als Gedichteschreiber; er meinte den Maler piero della Francesca. Von der Forschung ist übersehen worden, dass sich Ferabos mit der auffälligen Unterdrückung des namens Apelles in der Ahnenreihe anti­ ker Virtuosen des stilmittels der emphase befleißigte, indem er also gerade das Ziel ver­ folgte, pieros rang als ›Apelles der neuzeit‹ hervorzuheben.352 Kein novum: Bevor ihn Federico da Montefeltro 1461 zum podestà von Urbino berief, scheute pier candido decembrio 1447, in seiner Funktion als herzöglicher sekretär in Mailand, nicht davor zurück, die rolle des Apelles im ›Bevorzugungstopos‹ vielleicht erstmals auf einen Zeit­ genossen, pisanello, zu übertragen, während er seinen herzog, Filippo Maria Visconti, als reinkarnation Alexanders betrachtet wissen wollte.353 neben den im Antigonos­ rekurs persönlich bekundeten Ambitionen pieros, das erbe des Apelles anzutreten, d. h. der historischen identifikationsfigur für Maler par excellence, ist es zumindest einer erwähnung wert, dass Antonio Beccadelli (er war zeitweise hofdichter von Filippo Maria Visconti) in einem poem das Gerücht streute, Apelles habe sich vollendet auf das

350 collenuccio, Oratio in funere B. Sfor. (Ms. Urb. lat. 1193, fol. 27v); zitiert nach cinquini, 1905–1909, Bd. i, s. 53. 351 Francesco Barbaro ersehnte auch für sich und für den philosophen Francesco da crema die zweifache entfaltung des ruhmes angesichts des lobes, das ihm durch diesen zuteil wurde; s. Barbaro, Epistolario (s. App. ii/G­a, nr. 8). Zu Guarinos Brief (s. App. ii/G­a, nr. 7); vgl. Valerius Maximus, Facta et dicta, Viii, 11, ext. 2; plutarch, Alexander, 4 und Apuleius, De deo Socratis, XXi; das Apuleius­Zitat in Barbaro, Castigationes Plinianae (s. App. ii/G­a, nr. 27). 352 Zu diesem stilmittel Quintilian, Institutio orationis, Viii, 3, 83–85. 353 decembrio, Vita Philippi Mariae Vicecomitis (s. App. ii/G­a, nr. 11); bereits in warnke, 1985, s. 59, aber mit der falschen datierung auf 1400; in der wortwahl Filaretes – »dipintore« – »intagliatore« – (s. App. ii/G­a, nr. 15) tritt die Abhängigkeit von petrarcas Behandlung des ›Bevorzugungstopos‹ im Canzoniere zutage. niccolò da correggio (s. App. ii/G­a, nr. 26) besingt leonardos triumph über die drei antiken Virtuosen. Beispiele für die Übertragung des topos auf Künstler des 16. Jahrhun­ derts in lorne campbell, Renaissance Portraits, new haven und london, 1990, s. 234.

4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana

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Malern von seligen verstanden.354 Unsere Ausführungen zum ›Bevorzugungstopos‹ sol­ len keineswegs insinuieren, laurana habe sich wegen seiner höfischen Konkurrenz zu piero speziell mit lysipp identifiziert, im Übrigen ein Bronzekünstler. nebenbei bemerkt, kennen wir bis heute noch nicht einmal das Kriterium, nach dem sich ein erfolgreich in rom tätiger Medailleur nach 1474 das pseudonym ›lysipp der Jüngere‹ zugelegt hat.355 es geht angesichts der hohen Ambition von piero und laurana vielmehr darum, sich erstmals die epochale Bedeutung des ›Bevorzugungstopos‹ für den Bildnis­paragone der Frühen neuzeit zu vergegenwärtigen, wie er sich im spiegel seiner vielfältigen Auslegun­ gen darstellt. die einseitige Fixierung der Forschung auf die plinianische Version des topos (mit der trias Apelles – lysipp – pyrgoteles) verstellt den Blick auf die polarisierung der episo­ de im paragone zwischen der Mal­ und der Bildhauerkunst,356 wiewohl bereits plutarch eine denkwürdige Gattungshierarchie vollzogen hatte. lysipp nämlich, heißt es, gelinge am vorzüglichsten die wiedergabe der physiognomie des Königs; Apelles hingegen ver­ fehle die hautfarbe des Fürsten. dieser Makel erschien poliziano gegen 1480 bemer­ kenswert genug, um ihn in seinen statius­Kommentar zum stichwort des Geburtsortes von Alexander (»pellaeum«) festzuhalten.357 wie beflügelnd musste das Urteil plutarchs auf Künstler wie laurana wirken, sofern sie als Bildhauer die polychromierung selbst in die hand nahmen?

354 das Gedicht von 1453 in Giovanni Aurispa, Carteggio, hrsg. v. remigio sabbadini, rom, 1931, s. 171. 355 pfisterer will lysipp den Jüngeren (geb. ca. 1450–1459) mit einem Mann des humanistennamens hermes Flavio de’Bonis aus padua identifizieren. seine indizienkette muss an dieser stelle weder refe­ riert noch diskutiert werden (s. pfisterer, 2008a, s. 203ff.). Für die wahl des antiken Künstlernamens lysipp fällt neben der anspornenden wunsch­identität, neben der präferenz der Bronze, dem Alexan­ der­Bezug (der Künstler fertigte eine Medaille des Alessandro Cinuzzi) möglicherweise ein Aspekt ins Gewicht, den erstmals Bianchi in diesem Kontext berücksichtete: wie sie aus einem Gedicht des in rom ansässigen paolo spinoso schließt, lautet der taufname des besagten Medailleurs, der ein neffe von cristoforo di Geremia war, »leone«; träfe dies zu, so würde er mit dem antiken Großmeister zumindest die initialien teilen; dazu Bianchi, 2004, s. 121f. das Gedicht: ›Ad egregium iuvenem leonem Mantuanum sculptorem‹ (Bianchi zitiert es in voller länge) beginnt mit den worten: »dulce solum, leo, quem tulit et geniale Maronis, / miror opus spectans nec puerile tuum« und feiert ihn als »sculptorum princeps« (v. 5). der Bezug auf den besagten Medailleur ist – Bianchi zufolge – um so wahrscheinlicher, als spinoso auch ein Gedicht auf cristoforo di Geremia verfasste (›Ad christo­ phorum Mantuanum sculptorem egregium‹); zitiert ebenda, s. 120. pfisterer teilte mir hingegen mit, dass er Zweifel an diesem Bezug hege. ein Zweitname »leo«, sofern es diesen für den Medailleur überhaupt gäbe, wäre auch in anderen Gedichten auf hermes zu erwarten. dieser nachweis lasse sich nicht erbringen. 356 so zum Beispiel Baxandall, 1971, s. 39; nach pfisterer, 1998, s. 221ff. ist die charakterisierung der »besten Künstler als porträtmaler« symptomatisch für den wert der lebensnähe in der Kunst. Unbe­ achtet blieb der topos in Monografien über den paragone (Goffen, 2002; Mendelsohn, 1982). 357 poliziano, Commento Stazio (s. App. ii/G­a, nr. 18); vgl. plutarch, Alexander, 4.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

Auszuschließen ist es jedenfalls nicht, dass die in der Kunstliteratur des Quattrocen­ to nicht seltene Berufung auf nur einen der künstlerischen Günstlinge des Makedonen­ königs längst Ausdruck eines wertgefälles zwischen den Kunstgattungen sein mochte.358 plutarch ist keineswegs als der einzige anzusehen, der eine saat für den paragone streute. der spätantike sophist himerios, ein Mann des 4. Jahrhunderts, sprach in seiner 31. rede – er kam an anderer stelle darauf zurück – explizit von einem wettbewerb, der sich zutrug, um das beste Alexander­Bildnis kreisend. Alexander, lesen wir, sei »für die alten Künste ein Gegenstand des wettbewerbs« geworden, sodass die beiden großen Auto­ ritäten »lysipp und Apelles« »[…] die Aufgabe […] übernahmen, das wesen des Königs darzustellen, der eine mit Farben, der andere mit Bronze.«359 diese so zentrale, von der Kunstgeschichte unbeachtet gebliebene Auslegung des topos ist nichts Geringeres als die früheste Quelle, die das Abendland über einen Künstlerwettbewerb zwischen einem Maler und einem Bildhauer besitzt. Fast zeitgleich zu himerios berichtet der philosoph synesios aus Kyrene von der Gepflogenheit der beiden Antipoden, ihre werke gegensei­ tig zu beurteilen.360 die reden des himerios, in drei codices aus dem 13. und 14. Jahr­ hundert überliefert, waren im Quattrocento bekannt und dürften diffus, ohne aus­ drücklichen rekurs auf den ein wenig vergessenen Autornamen, ihre wirkung entfaltet haben.361 die Formulierung des himerios, »der eine mit Farben, der andere mit Bronze«, erinnert der sache nach sehr an die worte des Valerius Maximus zum gleichen topos (»alter ipsum pingeret, alter fingeret«), wobei nicht immer eine so eindeutige Abhängig­ keit von den Facta et dicta des letzteren besteht, wie sie deutlich Guarino Veronese und Francesco Barbaro bekunden.362

358 die nennung von lysipp als bevorzugtem Bildhauer erfolgt – begünstigt durch plutarch – um 1400 bei domenico Bandino (s. App. ii/G­a, nr. 3), um 1475 in domizio calderinos statius­Kommentar (ebenda, nr. 17) und bei poliziano (ebenda, nr. 25). – nur Apelles erwähnen 1425 Guarino (ebenda, nr. 5) und leonardo Giustinian (ebenda, nr. 9); die Vorzüge von Apelles in der darstellung von Menschen auch in petronius, Satyricon, 83. – die privilegierung von pyrgoteles im Kapitel über Gem­ men von petrarca, De remediis, i, cap. 39 (s. App. ii/G­a, nr. 2a); (vgl. plinius, NH, XXXVii, 8, s. 20) und 1446 im Brief des Augustinermönches Girolamo Aliotti an petrucci (s. App. ii/G­a, nr. 10). 359 himerios, Reden, nr. 31, 5 und nr. 48, 14–15 (s. App. ii/G­a). 360 synesios (Epistolae, 1, 20) illustriert das sinnfällige Vertrauen in das Urteilsvermögen anderer mit Apelles und lysipp, die sich deshalb ihre werke gezeigt hätten. 361 Zur Überlieferungsgeschichte s. die einleitung von Völkers zu himerios, Reden, s. 14f. photios, der patriarch von Konstantinopel, besaß im 9. Jahrhundert reden des himerios; himerios­Zitate waren im lexikon des Andreas lopadiota aus dem 14. Jahrhundert enthalten; die editio princeps der Reden erschien 1567. 362 Francesco Barbaro (s. App. ii/G­a, nr. 8); und 1456 Guarino Veronese (ebenda, nr. 14); vgl. Valerius Maximus, Facta et dicta, Viii, 11, ext. 2, Bd. ii, s. 541: «Quantum porro dignitatis a rege Alexandro tributum arti existimamus, qui se et pingi ab uno Apelle et fingi a lysippo tantummodo voluit?«; der explizite rekurs auf Valerius um 1400 bei domenico Bandino (s. App. ii/G­a, nr. 3).

4. Porträts im Wettstreit: Piero versus Laurana

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Anzumerken als Quintessenz unserer Beobachtungen bleibt: Beide Künstler, piero und laurana, reizten unter der Ägide des witwers Federico da Montefeltro ihre gat­ tungsspezifischen Möglichkeiten im Umgang mit lebensnahen Farben bis ins letzte aus, darin dem Urziel der Mimesis verpflichtet: laurana im lichte der betörenden Verbin­ dung des plastischen mit der Farbe, wohl nicht losgelöst von Universalitätsansprüchen. ein Bildhauer, der unbescheiden bestrebt ist, ein besserer Kolorist (als ein Maler) zu sein und ein Maler, piero, der, ebenfalls in Verkehrung des Gewohnten, seine Befähigung zur schaffung von vielansichtigen Bildnissen nach außen trägt – es ist schwer vorstellbar, dass dabei einzig Aktionen, statt reaktionen vorliegen, reaktionen auf unliebsame Fes­ seln des eigenen Metiers und reaktionen auf faktische oder auf erwartete Vorgaben eines Gegenübers. Und ein zweiter punkt verdient festgehalten zu werden: ihren beson­ deren reiz bezogen pieros wie lauranas porträt der Verstorbenen, beide an prototypen aus der dichtung orientiert, aus ihrem wetteifer mit den kondolierenden poeten am hofe, wobei sie als Bildkünstler mehr in Analogie als in Opposition zu diesen zu han­ deln schienen. Große Verwunderung vermag diese tendenz in einem Zeitalter nicht auszulösen, in dem Angelo camillo decembrio mit der rhetorischen Frage aufwartete: »welcher Bildhauer könnte in stein oder welcher Maler auf die Gemäldetafel das Gesicht des Aeneas einsichtsvoller porträtieren als Vergil auf papier?«363 die Autorität der dich­ ter wog schwer. sie ist, bei allen implikationen des Ut pictura poesis, selbst an der sequenz abzulesen, die leonardo dati vor 1455 schrieb, als er zur Behauptung anhob, unter »unseren Malern« würden die dichter dem pisanello den Vorrang zugestehen.364 nun besticht pieros diptychon nicht allein durch porträts, sondern, abweichend von lauranas werk, zudem dank narrativer szenen. Ohne die Klärung der ikonologischen Grundlagen der rückwärtigen triumphdarstellungen ist die tragweite von pieros riva­ lität mit den nachbarkünsten nicht in vollem Maße zu ermessen.

363 decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, s. 429: »At qui vero marmorarius in saxo, pictor in tabu­ la perspicacius Aeneae vultus quam Virgilius in charta depinxerit«. 364 dati in Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, s. 146, nr. 66, vv. 1–2: »inter pictores nostri statuere poetae / pisano palmam […].«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

5. pieros triumphe 5.1. pieros rezeption von petrarcas Trionfi seit Gilberts revision der datierungsfrage sind die beiden triumphszenen, die piero auf die Außenseiten des diptychons malte, immer wieder im Zusammenhang mit einem realen ereignis gesehen worden, der eroberung Volterras, dem außerordentlichen erfolg, den Federico da Montefeltro als Befehlshaber des florentinischen heeres in der ersten Jahreshälfte von 1472 verbuchte. der pomp und der Glanz des triumphes, der ihm das begeisterte Volk in Florenz sodann bereitet hat, beschäftigte den Großteil seiner Biogra­ fen, er bestimmt zumal die sieges­eloge des florentinischen staatskanzlers Bartolommeo scala.365 Aber er manifestierte sich außerdem anschaulich, besonders imposant im Bild des lorbeerbekränzten Federico, hoch zu roß, im hintergrund umfriedet Volterra (Abb. 68), eine Miniatur aus poggio Bracciolinis Historia Fiorentina.366 Und eine chorografische Karte von »VOlAterre«, von jener stadt, der naldo naldi 1474 leidenschaftliche Verse widmete, fehlte selbst in der urbinatischen ptolemäus­Ausgabe nicht.367 Maßgeblich für die entwicklung und für die künstlerische entfaltung einer triumph­ ikonografie bis hin zu kompositionsbildenden details blieben durch das gesamte Quat­ trocento hindurch sowohl klassisch­antike triumphe als auch die Trionfi des dichters petrarca.368 Von diesen besaß der Montefeltro­Fürst, wie wir noch sehen werden, zwei

365 santi, La vita, Xiii, cap. 65, vv. 88–151, Bd. i, s. 405ff.; paltroni, Commentari, cap. 21, s. 277; Vespa­ siano, Vite, iii, cap. 12–16, Bd. i, s. 280ff., bes. s. 284; scalas öffentliche rede vom 29. Juni 1472 (Ms. Vat. lat. 11760, fols. 130r–v) in scala, Orationes, s. 205–211, nr. 1; vgl. Giovanni Zannoni, »il sacco di Volterra. Un poema di naldo naldi e l’orazione di Bartolomeo scala«, in: Rendiconti dell’Accademia dei Lincei, 5. ser., 4, 1895, s. 224–244, s. 230. 366 poggio Bracciolini, Historia fiorentina ab origine urbis usque ad an. 1455 (Ms. Vat. Urb. lat. 491, fol. 2v); die illustration wird dem ›Meister des Xenophon hamilton‹ zugeschrieben; die herzöglichen insigni­ en indizieren eine datierung um 1474; Bernini, 1999, s. 18, Abb. 20; Maurizio Bettini, Il ritratto di amante, turin, 1992, s. 40, Abb. 34; sangiorgi, 1982, Abb. 16. Vom ›Maestro del putti bizzarri‹ hat sich eine gezeichnete Allegorie des Kampfes zwischen Volterra und Florenz erhalten; s. Francesco di Giorgio, 1992, Kat.­nr. 91, s. 428–429. 367 Zu Volterra ptolemäus, De situ orbis, BAV, Ms. Urb. lat. 277, fol. 134v; vgl. fol. 83r: »VOlAterre«; dazu william leonard Grant, »naldo naldi and the Volaterrais«, in: Rassegna Volterrana, 32, 1965, s. 3–21. 368 Zur inszenierung und darstellung von triumphzügen klassischen Zuschnitts helas, 1999, bes. Abb. 21ff. – Grundlegend zu den Trionfi petrarkischen Zuschnitts Petrarca e il suo tempo, 2006 und trapp, 1996, Bd. i, s. 11–73, speziell die Trionfi auf s. 39ff.; The Triumph of Marriage. Painted Cassoni of the Renaissance, Ausstellungskatalog (Boston, isabella stewart Gardner Museum, 16.10.2008– 18.01.2009), hrsg. v. cristelle Baskins, Boston, 2008, Alexandra Ortner, Petrarcas Trionfi in Malerei, Dichtung und Festkultur. Untersuchung zur Entstehung und Verbreitung eines florentinischen Bildmotivs auf cassoni und deschi da parto des 15. Jahrhunderts, diss. München, 1998; noch immer lohnend wer­ ner weisbach, Trionfi, Berlin, 1919, s. 58–68; s. die Beiträge in Petrarch’s Triumphs, hrsg. v. Konrad

5. Pieros Triumphe

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68 ›Meister des Xenophon hamilton‹ (zugeschrieben) Federico da Montefeltro zu Pferd vor Volterra, 1474, aus: poggio Bracciolini, Historia fiorentina ab origine urbis usque ad an. 1455, BAV, Ms. Vat. Urb. lat. 491, fol. 2v

kostbar illuminierte codices; und das im urbinatischen studiolo angebrachte idealpor­ trät des Canzoniere­dichters (Abb. 90), der sich im Kreise ausgesuchter Berühmtheiten präsentiert, zeugt durchaus bekenntnishaft von einem Faible für den liebesdichter.369

eisenbichler et alt., Ottawa, 1990, bes. cap. iii, s. 177ff.; esther nyholm, »A comparison of the petrarchan configuration of the trionfi and their interpretation in renaissance Art«, in: ebenda, s. 235ff.; carandente, 1963; die umfassendste Trionfi­Bibliografie ist zur Zeit greifbar im Anmer­ kungsapparat von cap. i (»per una storia napoletana dei ›trionfi‹) von ciccuto, 1991, s. 5ff. 369 cheles, 1986, s. 37f. Abb. 36; auf der ursprünglichen sockelinschrift hieß es (ebenda, s. 95): »petrar­ chae, ob acerrimvm ingenivm, svaviss[imae]q[ve] ingenuitatis doctrinam, posteritatis laeticia lvsvsqve dicavere b[ene]m[erenti].«

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

da sich Trionfi­illuminatoren üblicherweise an dem sechsteiligen Aufbau von themen­ feldern orientierten, die petrarca für seine Trionfi vorgegeben hat, musste allein schon wegen der Beschränkung, der Zweizahl der beiden antithetisch sich gegenüberstehenden Montefeltro­triumphe, von vornherein der Verdacht erweckt werden, sie seien unver­ einbar mit einem allzu dezidierten rekurs auf petrarcas defilees, so sehr das Faktum, dass im Montefeltro-Diptychon nichts anderes als ein liebespaar figuriert, an eine revo­ kation von petrarcas prototyp denken lässt. es ist die Absicht der nachfolgenden Aus­ führungen, die konkreten Anleihen, die piero an petrarcas Buch nahm, in enger text­ lektüre ebenso wie im Vergleich mit Buchilluminationen zu klären. hinsichtlich des paragone ist freilich die Frage nach dem Gepräge der inventio entscheidend. hat piero den Versuch ins Auge gefasst, ja gewagt, sich am Trionfi­dichter zu messen? Zwei Triumphe und mehr Bekanntlich durchlebte in den Trionfi das prominenteste liebespaar der italienischen poesie, namentlich die Autorfigur petrarca und seine angebetete laura, exemplarisch die sich einander ablösenden Grundmotive und Fährnisse des daseins: liebe, enthaltsam­ keit, tod, ruhm, Zeit und ewigkeit – eine sechsteilige episodenfolge, der sich die bei­ den Trionfi­illuminatoren von Federico da Montefeltro recht getreu verdingten: gegen Mitte des Quattrocento der Florentiner Apollonio di Giovanni und, zeitlich in jedem Fall nach Battistas tod anzusiedeln, ein Miniaturist, dessen identität bis heute nicht ein­ deutig geklärt ist, vielleicht Bartolomeo della Gatta.370 im Glauben, wegen einiger Moti­ ventnahmen, die piero zweifellos wählte, dennoch das genos proximum in den Trionfi vor sich zu haben, umgingen einige Forscher – unter ihnen Gilbert und Bettini – die nume­ rische Aporie, indem sie pieros triumphe, jedoch nicht recht überzeugend, mit einer Auswahl zweier Trionfi zu erklären suchten, d. h. mit einem Triumphus Famae des Fede­ rico da Montefeltro und einem Triumphus Pudicitiae seiner Gattin.371 Unbestreitbar bei all dem bleibt: mit den einhörnern bahnt sich in den populären Buchilluminationen des 370 petrarcas Aufteilung war wie folgt: [1.] Triumphus Cupidinis, [2.] Triumphus Pudicitiae, [3.] Triumphus Mortis, [4.] Triumphus Famae, [5.], Triumphus Temporis und [6.] Triumphus Eternitatis. – Grundlegend zur handschrift (Ms. Vat. Urb. lat. 683) von Apollonio di Giovanni (1415/1417–1465), die gegen Mitte des 15. Jahrhunderts entstand, s. ellen callmann, Apollonio di Giovanni, Oxford, 1974, Abb. 58–61, 63–68, Kat.­nr. 11; die illustrationen der anderen, späteren Ausgabe (BnM, Ms. Vit. 22­1) besorgte wohl der Karmelitermönch Bartolomeo della Gatta (1448–1502); s. The Painted Page, 1994, Kat.­nr. 60, s. 136f.; diese Zuschreibung zuerst in Piero e Urbino, 1992, s. 326f. durch ciardi dupré dal poggetto; s. auch s. 166f., nr. 31; in Ortner, 1998, Abb. 48–50 die Zuschreibung an Francesco di Giorgio. 371 diese theorie wird vertreten durch cieri Via in Piero e Urbino, 1992, s. 129. Von Battistas triumph als einem Triumphus Pudicitiae sprach vor allem Gilbert, 1968, s. 93, Anm. 44; nicht anders woods­ Marsden, 2002, s. 109; der Verweis die rolle der tugenden in den Trionfi bei Maurizio Bettini, 1992, s. 224.

5. Pieros Triumphe

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Quattrocento tatsächlich der wagen, den die Keuschheit präsidiert, seinen weg, und schimmel, soviel wird man zugestehen müssen, sind die Zugtiere des Triumphus Famae. Und ganz abgesehen von der unverkennbaren Gegenwart Famas, die hinter Federico steht, ergibt sich ein weiteres Mal ihre Geltung, nun espressis verbis, aus der sockelinschrift: »perhennis FAMA« ist dort zu lesen.372 Aber leiten die Gespanne in pieros triumph­ darstellungen wirklich das ein, was sich im personenaufgebot und den Attributen jeweils auf dem wagen anschließt? dies trifft zweifellos nicht zu. eine Verbindung die, wie sie im triumphwagen des urbinatischen Fürsten zwischen schimmeln und dem liebesgott Amor besteht, wären untrügliche indizien eines Triumphus Cupidinis, ganz in entspre­ chung zu petrarcas eigener Vorgabe und dem Gros späterer illustrationen.373 nicht min­ der gegen Unstimmigkeiten gefeit ist der vermeintliche ›Keuschheitstriumph‹ Battista sforzas. denn Battista hat, wie uns der Vergleich mit dem Triumphus Pudicitiae von Federicos Trionfi­handschrift in Madrid belehrt (Abb. 69),374 wenig von dieser protago­ nistin (sc. Pudicitia): ihr fehlen die siegespalme (i, v. 96), das, so petrarcas Vorgabe, weiße Kleid (»candida gonna«; v. 118) und, viel wichtiger, das Gebaren einer »schönen siegerin« (»bella vincitrice«, i, v. 185).375 im Gegenteil, Battista, von moribunder schön­ heit, ist in sich zusammengesunken. ihre pose erinnert mehr an einen pönitenten als an

372 die typisierende Ausformung der Zugtiere war nicht das Verdienst petrarcas, sondern fast ausnahms­ los das der Trionfi­illustratoren: schimmel (bzw. pferde) als Gespann für den Triumphus Cupidinis und Famae, einhörner für den Triumphus Pudicitiae, Büffel für den Triumphus Mortis, hirsche für den Triumphus Temporis und, allerdings eine seltenheit, elefanten für den letzten triumph, den Triumphus Eternitatis; über die hintergründe und die Genese der ikonografie s. weisbach, 1919, s. 91. 373 Vgl. petrarca, Triumphus Cupidinis, i, v. 22, s. 481 sprach von vier schimmeln »quattro destier […] neve bianchi«; sie sind dargestellt in der urbinatischen Trionfi­illustration in Madrid (BnM, Ms. Vit. 22­1, fol. 151); petrarca erwähnte zudem einen nackten Amor mit Flügeln ebenda, i, vv. 23–27, s. 481: »sovr’un carro […] un garzon […] / con arco in man e con saette a ’fianchi; / ma sugli omeri avea sol due grand’ali / di color mille tutto l’altro ignudo«. Musterbeispiele für die ikonografische Ausprägung des Triumphus Cupidinis in Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 277, Kat.­nr. iV.22, s. 289, Kat.­nr. Vi.4, s. 295, Kat.­nr. Vi.6; trapp, 1996, Abb. 26–28; vgl. auch Apollonio di Giovanni (Ms. Vat. Urb. lat. 683, fol. 11r) in callmann, 1974, Abb. 59. 374 BnM, Ms. Vit. 22­1, fol. 162v; abgebildet in Via cieri, in: Federico da Montefeltro, 1986, Bd. ii, Abb. 12 (mit der irrtümlichen Bezeichnung als Triumphus Famae). 375 diesem typus entspricht weitgehend die Triumphus Pudicitiae­illustration im Ms. Vat. Urb. lat. 683 (fol. 19v): Pudicitia steht und hält mit ausgebreiteten Armen einen palmzweig und ein Buch. trotz der Gemeinsamkeit des Buches als Attribut fehlt ihr das kontemplative Moment, das Battista sforza auszeichnet; s. callmann, 1974, Abb. 63. Vgl. auch andere realisierungen des Triumphus Pudicitiae in trapp, 1996, Abb. 29–30.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

69. Bartolomeo della Gatta (?), Triumphus Pudicitiae, um 1474–1482, aus: petrarca, Canzoniere und Trionfi, Madrid, Biblioteca nacional, Ms. Vit. 22­1, fol. 162v

eine siegerin; und sie triumphiert nicht über Amor, der sich (im krassen Gegensatz zu Amors Fesselung an eine säule in den meisten Triumphus Pudicitiae­darstellungen) bei piero frei bewegt, ja beide wagen lenkt.376

376 die vielleicht wichtigste Quelle für die bildliche realisierung des gefesselten liebenden bot Ovid, Amores, i, 2, vv. 25ff. – Grundsätzlich ist das Faktum eines weißgeflügelten Amors im Gegensatz zum rotgeflügelten auf Federicos wagen nicht zu unterschätzen. er könnte ein sinnbild pueriler Unschuld sein – sein Gegenüber ein Ausdruck des irdisch­Martialischen; zur traditionsreichen Balance von himmlischer und irdischer liebe wind, [1958] 1987, s. 165ff. und Tiziano. Amor Sacro e Amor Profano, Ausstellungskatalog (rom, palazzo delle esposizioni, 22.03.–22.05.1995), hrsg. v. Ministero per i Beni culturali, Mailand, 1995, s. 41ff.

5. Pieros Triumphe

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trotz des unbestreitbaren, durch spätere illustrationen bekräftigten profils von Amor als hauptperson des Triumphus Cupidinis modellierte petrarca lyrisch zugleich einen triumphalisch ragenden Feldherrn, »sommo duce«, der am Kapitol zu großen ruhme führt den siegeswagen. piero machte sich diese Züge für den Montefeltro­Fürsten zu eigen, wie es die inschriftlichen worte »sVMMVs dVciBVs« belegen. Ohne Zweifel, sie genügten dem gebildeten Zeitgenossen, um die Anfangszeilen der Trionfi vor sein geistiges Auge treten zu lassen: »Vidi un vittorioso e sommo duce / pur com’un di color che ’n campidoglio / trionfal carro a gran gloria conduce« (i, vv. 13–15).377 Kurzum, eine summe dezidierter Anspielungen auf den liebestriumph steckt in der Fahrt des urbina­ tischen herzogs, neben »sVMMVs dVciBVs« die lorbeerkrönung des urbinatischen regenten (sie kann als siegerehrung gedeutet werden) und vor allem aber Amor als wagenlenker. die Ausrichtung der beiden Montefeltro­triumphe aufeinander besiegelt es zumal. war sie nicht Ausdruck der Ambivalenz von siegen und Besiegt­werden? petrarcas »vittorioso« zeigte sich als sieger über die welt, aber besiegt durch die liebe (»Or di lui si trionfa: ed è ben dritto, / se vinse il mondo, ed altri à vinto lui«).378 darin liegt eine erklärung für den zweiten Amor, der von rechts, Battista begleitend, herbeifährt. petrarca verlieh dem sieger zudem profil mit »chiare virtute«, der Volgare­Form jener worte, die in der sockelinschrift auf Federico fallen (»clArVs« und »VirtVtVM«). der sieger sei im Besitz der »chiare virtute«, stärker als die sonne des ganzen erdkreises (»che ’n tutto è orbo chi non vede il sole«).379 »speranza« (ii, v. 68) und »fede« (ii, v. 69), wegbegleiterinnen von Battista sforza, gesellten sich nicht minder zum Triumphus Cupidinis. Amor, der als Kutscher eines liebespaares agiert, das, verteilt auf zwei tri­ umphwagen, aufeinander zufährt, ist ein zu suggestives Bild, als dass es vom Betrachter nicht auf Anhieb verstanden werden konnte: diese beiden modernen wiedergänger von petrarca und laura, sie fahren von liebe bewegt einander entgegen.380 wenn der Trionfi­ dichter unter Bemühung des ›Unsagbarkeitstopos‹ über im Kopf steckende worte klag­ te, die nie in Marmor gehauen noch geschrieben werden könnten (»sue parole mi trovo entro la testa, / che mai più saldo in marmo non si scrisse«), dann beflügelte dies augen­ scheinlich einen Maler am urbinatischen hof, sich in dieses Feld zu wagen. piero machte,

377 petrarca, Triumphus Cupidinis, i, vv. 13–15, s. 481; vgl. auch die ebenfalls zum Triumphus Cupidinis gehörende wendung: »avend’io in quel sommo uom tutto ’cor messo,«; i, v. 30, ebenda, s. 488. 378 ebenda, i, vv. 91–92, s. 484. 379 ebenda, ii, vv. 50–51, s. 489. 380 im Grundgedanken eng verwandt ist lorenzo lottos Gemälde von 1523, Messer Marsilio und seine Frau (Madrid, Museo del prado, inv.­nr. 240): frontal sichtbar ein junges ehepaar bei der ringüber­ gabe, zwischen ihnen Amor, der beider nacken einen Ast wie ein Joch auflegt – offenbar inspiriert durch Francesco petrarca, De sui ipsius et multorum ignorantia, s. 134: »sub amicitie iugum mitti«; zu lottos Gemälde s. campbell, 1990, s. 209 und Abb. 229.

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70 Apollonio di Giovanni (werkstatt), Triumphus Mortis, 1442, aus: petrarca, Trionfi, BMl, Ms. Med. pal. 72, fol. 80

die Marmorzeilen des diptychons lassen es ahnen, petrarca den Anspruch auf größt­ mögliche Versiertheit streitig.381 nach dem markanten schwarz zu urteilen, das nicht wenige details ihres wagen­ zuges durchzieht, steht Battistas triumph unter dem Vorzeichen der trauer. die Caritas an der wagenspitze leitet – sie ist in Abweichung zu ihrer gängigen ikonografie in schwarz gehüllt – eine note ein, den das überhängende (schwarze) wagen­ und sitztuch, die (schwarzen) halfter der einhörner farblich aufnehmen.382 Obgleich mehr als verschö­ nert, tritt Caritas unverkennbar das erbe des schwarzgewandeten todes im Triumphus Mortis an, wie die Gegenüberstellung mit Apollonio di Giovannis konventioneller dar­ stellung (Abb. 70) deutlich macht.383 so wie der tod seine sense und einen todbringend­ blutigen pfeil schwingt, so kündet die wunde des pelikans, ein sinnbild der todesursa­ che, vaticinia ex eventu vom tod der urbinatischen Fürstin. dass der trauerflor und der unwirtlich­karge weg, auf dem sich dieser triumph zuträgt, zum festen Bestand des Triumphus Mortis gehören, bestätigt sich in der Version, die scheggia auf eine sphärische holztafel malte (Abb. 71).384 wegen der Gefolgsleute des todes, es sind Gebeugte, Alte

381 petrarca, Triumphus Cupidinis, i, vv. 62–63, s. 483. 382 Zu den ikonografischen eigenheiten von pieros Caritas Gilbert, 1968, s. 98, Anm. 47. 383 BMl, Ms. Med. pal. 72, fol. 80; der Adressat war Guido Baldovinetti, s. callmann, 1974, Kat.­nr. 12. Vgl. den Triumphus Mortis im Ms. Urb. lat. 683, fol. 23r; ebenda, Abb. 64. 384 (Florenz, Museo di palazzo davanzati, inv.­nr. 1890, n. 1611); das werk ist ca. 1450 entstanden; s. Petrarca e il suo tempo, 2004, Kat.­nr. Vi, 6, s. 294 (Abbildung); Ortner, 1998, Abb. 38; Le Tems Revient, 1992, Kat.­nr. 2, 6, s. 154f. und s. 155 mit weiterführender literatur.

5. Pieros Triumphe

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71 Giovanni di ser Giovanni (alias ›lo scheggia‹), Triumphus Mortis, vor 1444, Florenz, Museo di palazzo davanzati o della casa Fiorentina Antica

und Gebrechliche, verspricht uns scheggias tafel einen wink bei der deutung der bild­ einwärts gewandten, sehr verhüllten Gestalt hinter Battista zu liefern. deren identität bleibt bis heute umstritten. Gilbert hielt sie und ihre Begleiterin für das Gefolge Pudicitias, für die bei petrarca erwähnten Onestate und Vergogna,385 Ugolini für die personifi­ kationen von Tag und Nacht; auch Castità und Temperanza wurden erwogen.386 ihr Ver­ 385 die erwähnung von »Onestate e Vergogna«, die sich zu zweit an händen halten, in: petrarca, Triumphus Pudicitiae, v. 79, s. 511 und petrarca, Canzoniere, 262, vv. 3f., s. 680: »[…] e’non fur, madre mia, / senza onestà mai cose belle o care«; vgl. Gilbert, 1968, s. 93. cieri Via, 1992, s. 130 hielt beide Figuren für das Gefolge der Pudicizia: Castità und Concordia (vgl. petrarca, Triumphus Pudicitiae, vv. 89–90) oder – im Anschluss an Gilbert – für Onestate und Vergogna (ebenda, vv. 79–81). 386 so Baldini in Piero della Francesca e le corti italiane, 2007, s. 226; Guido Ugolini, La Pala dei Montefeltro, pesaro, 1985, s. 99. equicola beschreibt 1509 personifikationen von Tag und Nacht auf der Grundlage von eustachius; s. Mario equicola, Libro di natura d’Amore novamente stampato e con somma diligenza corretto, Venedig: Bindoni und pasini, 1531, fol. 67r–v: »[…] dipinta su di un carro: quella di cupido attorniato da ›gran turba di ogni età, di ogni condizione‹, disposta a servirlo; vi spic­ cano due donne, così descritte ›erano ivi due femine, le quali se tenevano per mano, maggior che

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hältnis zueinander ist in jedem Fall durch Kontrast bestimmt – ein komplementäres Gegenüber, wie es scheint: die rückenfigur bis zum Kopf hin eingehüllt, alt und düster, fast wie der Zeitengott Chronos,387 ihre Begleiterin offen, lächelnd, jung und licht. in welchem Bezug standen diese Gestalten zu Battista? soviel kann gesagt werden: Anders als Trionfi­illustrationen es vermuten lassen, war der originäre protagonist von petrarcas Triumphus Mortis nicht der tod, sondern laura, zu der sich der tod auf leisen Füßen gesellt. die Grenzsituation der jungen Frau zwischen leben und Ableben interessierte den dichter. sie ist das weib voll Anmut und tapferer Jugend, einst ein denkmal hehrer tugend (»[…] fu già di valor alta colonna […]«; i, vv. 1–3), nun ein Geist und etwas erde (»[…] oggi ignudo spirito e poca terra […]«).388 diese lektüre bot dem Konzeptor des Montefeltro-Diptychons die Grundlage eines mit personifikationen ausgespielbaren lichtkontrastes. ein freundliches herz der ehre (»gentil cor onore«) habe gefunkelt, als es zur erscheinung eines düsteren, traurigen Zeichens kam, mit einer Frau im dunklen Gewand (»quando vidi un’insegna oscura e trista; / ed una donna involta in veste negra […]«).389 dieses Gespenst wandte sich an die junge schöne todgeweihte und gab sich in einer Ansprache als tod zu erkennen.390 laura zeigte fromm ihr einvernehmen; wie Gott befehle, solle ihr geschehen.391 dieser passus bietet eine überzeugende erklärung für das Gebetbuch in Battista sforzas händen und die folgenden Zeilen für ihre Körper­ haltung. Gesessen habe sie, geruhsam und still (»tacita, e sola lieta, si sedea«); alsbald schien sie zu ruhn, als sei sie müde: »[…] parea posar come persona stanca […].«392 piero wählte exakt diesen Moment. An den heimtückisch heranschleichenden tod im dunk­

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donne, di vecchiezza maggior che iapeto e saturno, mirande di aspetto, ambe crespe; l’una splendida come il sole e tutta bianca; l’altra contraria a questa‹; più avanti sono definite come il Giorno e la notte.« pausanias berichtet von einer darstellung auf der Kypseloslade, in der eine Frau rechts einen weißen schlafenden Knaben, links einen weißen trägt; es seien Tod und Schlaf; s. pausanias, Geschichte Griechenlands, V, 17. siehe die darstellung von Apollonio di Giovanni (BAV, Vat. Urb. lat. 683, fol. 33r) in callmann, 1974, Abb. 65. ein Beispiel für die thematisierte sinnverbindung von Alter und Zeit ist das Gemälde La Vecchia von Giorgione (Venedig, Gallerie dell’Accademia, inv.­nr. 95). die dem Verfall anheim­ gegebene Alte deutet auf sich selbst mit dem spruchband »cOl.teMpO.«; s. dülberg, 1990, s. 249, Kat.­nr. 210 und Abb. 290. petrarca, Triumphus Mortis, i, vv. 1–3, s. 517. ebenda, i, vv. 28–31, s. 518. ebenda, i, vv. 34–39, s. 518: »[…]: ›Oh tu, donna, che vai / di gioventute e di bellezza altera, / e di tua vita il termine non sai / io son colei che sì importuna e fera / chiamata son da voi, e sorda e cieca / gente, a cui si fa notte innanzi sera; / […].‹« »›come piace al signor che ’n cielo stassi / ed indi regge e tempra l’universo, / farai di me quel che degli altri fassi‹«; vgl. petrarca, Triumpus Mortis, i, vv. 70–73, s. 519. ebenda, v. 122 u. i, v. 168, s. 521, s. 523; über den schlaf als Abbild des todes cicero, Tusculanae disputationes, i, 92.

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len Mantel wird jedoch allenfalls alludiert – eine Konzession an das aptum­postulat.393 in Battista mischen sich fromme Kontemplation und entvitalisierung – Ausdruckswerte, denen ein rekurs auf die Marientod­ikonografie zugrunde liegen dürfte.394 die dreiheit von Battista und ihren beiden flankierenden Begleiterinnen enthält zugleich ein zeitliches element, in Form von tributen an die drei lebensalter, an Allego­ rien, wie sie bis zu tizian nachwirkten.395 Abweichend von diesem bereits dem Mittel­ alter bekannten typus wenden sich Jugend und Alter in pieros diptychon nicht von­ einander ab, sondern einander zu. der ursprüngliche, unter anderem über diogenes laertius und cicero übermittelte sinn der trias, die erinnerung des Vergangenen und die Antizipation des Zukünftigen möge der Gegenwart zuträglich sein,396 bekam eine substantielle wendung. Aufscheinend in der frontalen Zugewandtheit von Jugend und Alter ist ein finiter sinn. sie bilden zeitliche termini eines begrenzten, d. h. todgeweihten lebens. der zu vermutende Grundgedanke ist, dass Battista, quasi in der Mitte ihres lebens, ihre Jugend hinter sich hatte, ein Alter würde es nicht geben. charakteristisch für die Balance von pieros diptychischer Konzeption ist eine entsprechung zum Jugend/ Alter­Konzept auf Federicos wagen. es ist die janusgesichtige Prudentia mit dem nach vorn gerichteten Jungmädchengesicht, das Greisenantlitz blickt zurück. Prudentias spiegel

393 das Bild des hinterrücks angreifenden todes übermittelt mitunter cicero, Tusculanae disputationes, i, 94; vgl. auch petrarca, Canzoniere, nr. 272, vv. 1–2, s. 724: »la vita fugge […] / et la morte vien dietro a gran giornate«. in Giovanni di paolos Antiphonarium­Miniatur für den Augustinerorden von lecceto – sie entstand gegen Mitte des Quattrocento – überfällt der von hinten heranreitende tod einen Jüngling, der, den pfeil bereits im nacken, die Augen schließt und stirbt. dies geschieht nach bewährter ikonografie auf einem öden unwirtlichen weg; s. (siena, Biblioteca comunale degli intro­ nati, Ms. G.i.8, fol. 162r) pope­hennessy, 1993, s. 60f., Abb. 37. 394 Dormitio­erzählungen, so darf vermutet werden, dienten bereits petrarca als Fundament der todes­ schilderung. die Mehrzahl an Marientod­darstellungen präsentiert die auf dem sterbebett liegende Maria mit leicht aufgerichtetem Oberkörper. wie bei Battista sforza sind ihre Augen geschlossen. sie entschläft. Kompositionell vergleichbar mit Battista und ihren beiden Begleiterinnen ist die um 1420 entstandene Marientod­darstellung des Konrad von soest (dortmund, Marienkirche). die entschla­ fende hat zwei Begleiter: ein engel überreicht ihr einen palmzweig; auf der gegenüberliegenden seite kauert eine düstere Mantelfigur mit schriftrolle; s. die Abbildung in: LCI, [1972] 1994, iV, sp. 337. 395 Über das von mittelalterlichen sinnbildern der Prudentia hergeleitete schema – piero könnte es von einem der niellos im Fußboden des sieneser doms gekannt haben – s. erwin panofsky, »tizians Alle­ gorie der Klugheit. ein nachwort«, in: derselbe, Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, [engl. orig.: new York, 1957], Köln, 1978 s. 167–191, Abb. 31. Zu tizians lebensalter­Allegorie dülberg, 1990, nr. 338, s. 296. – nicht zu leugnen sind ferner Anlehnungen der beiden Gestalten hinter Battista an Vita/Mors­personifikationen; zur Vita als prächtig gekleideter Frau als Gegenbild zur Mors in mittel­ alterlichen Kreuzigungsszenen Joachim poeschke, s. v. »leben, Menschliches«, in: LCI, iii, [1971] Freiburg, 1994, sp. 38–39; nach Quintilian, Institutio oratoria, iX, ii, 36 existierte eine satire von ennius mit einem wettstreit zwischen Mors und Vita. 396 diogenes laertius, Leben, ii, 71; vgl. panofsky, 1978, s. 170.

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als Medium der selbsterkenntnis gehörte zu petrarcas Triumphus Temporis.397 Prudentia figurierte zweifellos als persönlichkeitsfacette des Montefeltro­Fürsten – in sinnentspre­ chung zur Aussage Vespasiano da Bisticcis über ihn: »[…] und da war seine Klugheit des Voraussehens, nicht nur der gegenwärtigen dinge, sondern derjenigen, die eintreten könnten.«398 nicht zu unterschätzen in diesem Zusammenhang ist die polyvalenz der einhörner. sie standen frühzeitig im ruf von todesbringern. der Grund war das phä­ notypische des tieres, seine gefährliche stirnwaffe.399 was von Battista bleibt, ist nach dem wortlaut der Marmorinschrift ihr ruhm, der durch aller Munde fliegt. eine inspi­ ration für diese wendung bot der Triumphus Mortis. An dessen ende, eine Überleitung zum Triumphus Famae, stand die transzendental zu verstehende einsicht, dass die Zeit zwar kurz, aber unser Flug lang sei (»Ma l’tempo è breve e nostra voglia è lunga; […]«).400 die bildhafte entsprechung dessen war die suggestion der Kürze von Battistas lebens­ zeit anhand von termini, die mit der dimension bevorstehenden ruhmes relativiert wur­ de. die skizzierte ikonografische Überlagerung mit lebensalter­Allegorien war pieros Konzession an den vorletzten triumph, Triumphus Temporis. Bei petrarca kreiste die selbstreflexion der Zeit um die Kürze des lebens, um die Ambivalenz des daseins: Bereits ein Greis, vor kurzem noch ein Balg.401 Jugend – Alter, Tag – Nacht waren für petrarca – und in dessen nachfolge für piero – austauschbare eckdaten des Zeitlichen. die Zeit sei »[…] seit Ur­Beginn [die] gleiche […]«, heißt es, sie durchstreiche »[…] des tags, des nachts im Kreis […]« den unendlichen rundgang.402 diese Zeilen sprechen einmal mehr für die Ambiguität von pieros personifikationen von Jugend und Alter; sie waren zugleich Vita und Mors,403 Tag und Nacht.

397 petrarca, Triumphus Temporis, vv. 56–57, s. 550: »or ò dinanzi agli occhi un chiaro specchio / ov’io veggio me stesso e ’l fallir mio.« 398 Vespasiano, Vite, iii, cap. 3, Bd. i, s. 270 (Üs: Bernd roeck): »[…] e fu la sua prudenza di provve­ dere, non solo alle cose presenti, ma a quelle che potevano intervenire.« 399 der wunsch, vor dieser verschont zu werden, sprach aus dem Flehensruf im psalter (Ps 21, 22): »salva me […] a cornibus unicornium humilitatem meam.« 400 petrarca, Triumphus Mortis, ii, v. 25, s. 524. 401 ebenda, Triumphus Temporis, vv. 59–60, s. 550: »[…] pensando al breve viver mio, nel quale / stama­ ni era un fanciullo ed or son vecchio.« – die sinnfällige Verkettung des Triumphus Mortis mit dem Triumphus Temporis zeigt sich ähnlich in Bartolomeo della Gattas Trionfi­illustrationen für Federico da Montefeltro: Jung und Alt – es sind drei Menschen – kommen unter die räder des Triumphus Mortis; s. BnM, Ms. Vit. 22­1, fol. 166v; abgebildet in The Painted Page, 1994, s. 135, Abb. 60. 402 petrarca, Triumphus Temporis, i, vv. 28–30, s. 549 (Üs: Benno Geiger): »tal son qual era anzi che sta­ bilita / fosse la terra, dì e notte rotando / per la strada ritonda ch’é infinita.« 403 ein Argument für diese these ist die wirkungsgeschichte dieser Bipolarität in Form von Michelange­ los Tag­ und Nacht­Allegorien in san lorenzo; wirkungsgeschichte ist es deshalb, weil sie Grabzierde eines herzogs von Urbino waren, lorenzo de’Medici.

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hielt der Trionfi­Kommentator Francesco Filelfo den liebestriumph für gleichbe­ deutend mit dem »Glück« und der »erfüllung durch seine geliebte Frau« – man beachte die wortwahl der diptychon­eloge auf Battista sforza (»reBVs secVndis«; »cOniV­ Gis«), so bestand für ihn der Umschwung ins Unglück aus der »[…] herrschaft der eigenen stärke [»fortezza«]«; denn die stärke des hinterbliebenen wurde durch den Triumphus Mortis erprobt.404 dem trägt Fortezza an der wagenspitze des witwers aus Urbino rechnung, der dem unheilvollen triumph entgegenfährt. die zerbrochene säule, das durchaus konventionellste Attribut, mit dem piero die Fortezza auszustatten wusste, bekommt eine weitere note vor dem hintergrund einer mehr sublimen Triumphus Mortis­illustration. petrarcas metaphorische todesklage – »rotta è alta colonna […]« – beim wort nehmend, zeigte ein lombardischer Miniaturist die zerbrochene säule neben dem zerknirschten petrarca, ein spiegel von dessen Gemütszustand (Abb. 72). im hinter­ grund geleiten zwei engel die seele der Verblichenen oberhalb eines sarkophages zum himmel.405 es gehört übrigens zu den Merkwürdigkeiten, die mit der späten, kurz nach Battistas tod entstandenen Trionfi­Ausgabe des urbinatischen regenten verbunden sind, dass die Gedichtanfänge, die sich auf die Zeit nach lauras tod beziehen, im index stereotyp in roten Großbuchstaben als »pOst MOrteM« gekennzeichnet sind.406 rückten die Trionfi durch den schreiber Matteo contugi aus Volterra zu einer Art Gebrauchsliteratur auf? nachzutragen bleibt die für pieros Bild­dramaturgie nicht unerhebliche Ambivalenz der Fama. die Kugel als standfläche wie auch ihr Balanceakt oberhalb eines rotierenden rades spielen ihr die Züge Fortunas zu, die dem sieger im Triumphus Cupidinis gewo­ gen ist (»A lui Fortuna fu sempre serena«; v. 34). deren standfestigkeit ist im diptychon um so heftiger gefährdet, als der nicht eben breite weg, auf dem sie fährt, eine höhenla­ ge aufweist. Folgerichtig drohen ihr nach petrarcas eigenem denken heftigste stürme, die den Umschwung ins Unglück herbeiführen können; diese einsichten waren in Urbino

404 Filelfo, ›Commento Portilia‹ (Ms. Ashb. 1158, fol. 1r): »lo primo triumpho, o vero felicità, fu avere possessione, o vero contentamento, di sua donna innamorata. lo secondo si è possedere alto stato di scientia. il terzo so è avere dominio di fortezza in propria persona.« Zitiert nach Petrarch’s Triumphs, 1990, s. 269–290, s. 271. Filelfos commento entstand am hofe Borso d’estes in Ferrara. 405 BAV, Ms. Barb. lat. 3943, fol. 115v; s. silvia Maddalo, Sanvito e Petrarca. Scrittura e immagine nel codice Bodmer, Messina, 2002, Abb. 27; vgl. petrarca, Canzoniere, nr. 269, v. 1, s. 710. eine konven­ tionelle Fortezza in ›Tarocchi‹. Menschenwelt und Kosmos. Ladenspelder, Dürer und die ›Tarock-Karten des Mantegna‹, Ausstellungskatalog (Köln, wallraf­richartz­Museum, 09.11.1988–22.01.1989), hrsg. v. wallraf­richartz­Museum der stadt Köln, Köln, 1988, Abb. auf s. 111. 406 eine fotografische reproduktion der index­seiten des Ms. Vit. 22­1 ist leider nicht möglich. die Biblioteca nacional von Madrid gewährt nur Abzüge von bereits erstellten negativen der hand­ schrift.

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72 lombardischer Miniaturist, Triumphus Mortis, 2. hälfte des 15 Jahrhunderts, aus: petrarca, Trionfi (BAV, Ms. Barb. lat. 3943, fol. 115v)

durch poggio Bracciolinis schrift De varietate fortunae greifbar.407 sollte die Zwiespäl­ tigkeit Fortunas für den rückenwind der Fahrt des Volterra­siegers aber auch für die ›Kehrtwendung‹ von Battistas wagenzug (ein sinnbild des Anlaufs gegen widrigkeiten) sorgen, dann ist das horaz­wort über Fortunas Gabe zur wandlung von triumphen in 407 siehe, noch mit den initialien »Fc«, poggio Bracciolini, De varietate fortunae (BAV, Ms. Urb. lat. 244); das Frontispiz, illuminiert von Francesco di Antonio del chierico, zeigt ein kleines profilporträt pog­ gios; das Glücksrad ist das zentrale Motiv der heraldischen rahmenleiste; s. die Abbildung in Maria Grazia ciardi dupré dal poggetto, »la miniatura alla corte di Urbino durante e dopo piero«, in: piero e Urbino, 1992, s. 321–327, s. 322. Zur Fortuna petrarca, Familiarum rerum libri, XXii, 1, 8; horaz, Carmina, ii, 10, vv. 9ff.

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leichenzüge virulent.408 Genau diese Ambivalenz der Glücksumstände spiegelte das Kli­ ma am urbinatischen hof im sommer 1472, wie aus den Berichten der Montefeltro­ Biografen paltroni, Giovanni santi und sabadino degli Arienti hervorgeht. sie alle keh­ ren die beiden gegenläufigen ereignisse so hervor wie piero: im Fall paltronis den erfolg ihres Fürsten durch die eroberung Volterras mitsamt der ruhmesfreude einerseits (»lau­ de, fama et gloria«), die tragik von Battistas tod andererseits. Überdies erfahren wir von paltroni erwähnenswertes über den Ort des Umschwunges der ruhmesfreude in die trauer. es heißt, Federico befand sich in ruhmeserwartung auf dem Weg zurück nach hause; unterwegs habe ihn die traurige Botschaft – nicht etwa die todesnachricht, nein, die hiobsbotschaft von der todesgefahr, in der seine Frau schwebe – erreicht. paltroni bediente sich in seinem ereignisbericht zweier topoi: des mittelalterlichen Klischees vom viator mundi und409 dem des Aufeinanderprallens konträrer schicksalsmächte (»non fo patiente la fortuna«).410 der heimweg Federicos geriet in dieser stilisierung zur rota Fortunae. Panoramatisches im ›Triumphus Famae‹ und ›Eternitatis‹ in der sockeinschrift, die Federico da Montefeltro würdigt, begegnet der ambivalente wortlaut »perhennis FAMA«. Ambivalent ist er deshalb, weil zwei der Trionfi­epi­ soden petrarcas in ihm anklingen, der Triumphus Famae und mit den Konnotationen an die ewigkeit der letzte triumph, Triumphus Eternitatis. die Trionfi­illustratoren hatten den Triumphus Famae durch nichts so leicht erkennbar und einprägsam gemacht wie durch das erdenrund – nach ihrem entwurf ein Kreis, mit der sie die ruhmeskünderin (sie wird meist frontal gegeben) in ganzer Figur zirkelartig umrahmten. Mit ihrem Kopf 408 Vgl. horaz, Carmina, i, 35, vv. 2–4. Vgl. santi, La vita, i, cap. 55, vv. 6–15 und cicero, De officiis, ii, 6, 19. 409 Grundlegend 2 Kor 5, 7 (als Glaubende gehen wir unseren weg). Allein im Alten testament begegnet das wegmotiv – wenn auch mit verschiedenen Akzenten – 880mal; s. eckhard Keßler, Petrarca und die Geschichte. Geschichtsschreibung, Rhetorik, Philosophie im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (humanistische Bibliothek. reihe i: Abhandlungen 25), München, 1978, s. 153ff. 410 paltroni, Commentari, cap. 21, s. 277: »non fo patiente la fortuna che la victoria hauta per la expugna­ tione de Volterra et che la laude, fama et gloria data al conte Federico per premio de la sua virtù, pas­ asse senza el morso de la sua invidia, et senza el gusto de le sue amaritudine, et volse che, non più presto licentiatose che fu da la excelsa comunità de Fiorenza, essendo per la via in lo retorno a casa sua, dove cum tanto desiderio era aspectato da li suoi fidelissimi popoli, intendesse che la illustrissima et dignissima sua consorte, la inclita madonna Baptista, era amalata et in pericolo de morte.« der Umschwung des Glückes auch in santi, La vita, i, cap. 55, vv. 6–15, Bd. ii, s. 408f.: »[…] doppo el triumpho al solito valore, / […] entro ad Ogobio. l’aspera et invidiosa / Fortuna aversa, la qual non dovea / comportar più sua vita sì gioiosa, / e perché in ne la gloria non potea / d’el metter mano, sem­ pre istava attenta / se al dargli gran dolor modo ve havea […].« sabadino degli Arienti, Gynevera, s. 299: »[…] nel tempo che ’l suo glorioso marito triumphò de la victoria de la ribellata cità de Volterra […], fu assalita da acuta febre in la cità de Ugubio […].«

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73 Francesco pesellino, Trionfi (Famae, Temporis, Eternitatis), um 1448, Boston, isabella Gardner Museum

oder ihrem gesamten Körper überragte sie den landschaftsprospekt, um die ikonografie im schatten Ovids stehen zu lassen, der die Gefilde, durch die Fama schweift, im Grenz­ bereich zwischen himmel und erde ansiedelte.411 so setzte der in Florenz wirkende Maler Francesco pesellino die protagonistin zur Mitte des Quattrocento in der ersten szene einer dreiteiligen Cassone­Front ins Bild (Abb. 73),412 und man muss nur den Blick sukzessiv über den Triumphus Temporis bis zum letzten petrarca­triumph gleiten lassen, um zu gewahren, dass ein anderes rund – das weltenrund, das sich unterhalb des von engeln umsäumten, thronenden Gottes auftut – ein integraler Bestandteil des Triumphus Eternitatis war; ganz ähnlich setzte ihn Apollonio di Giovanni für den urbinati­ schen regenten um.413 erkennbar haben folglich weder das erden­ noch das welten­ rund der Trionfi ihre wirkung auf pieros panorama verfehlt. wir werden auf pesellinos Zyklus zurückkommen. erwiesenermaßen verschmolz petrarcas Triumphus Famae in darstellungen des Quattrocento bis zur Ununterscheidbarkeit mit einem triumph, den Boccaccio 1342 in der Amorosa visione ersann, nicht ohne zuvor den namen Giotto ein­

411 Ovid, Metamorphosen, Xii, vv. 39ff. Beispiele für die darstellung des Fama­triumphes in trapp, 1996, Abb. 35–37; Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 290, s. 292; Ortner, 1998, Abb. 6–12. 412 (Boston, isabella stewart Gardner Museum, inv.­nr. p.i.5e18­16/1937); die ersten drei triumphe ver­ teilten sich auf der anderen längsseite der truhe; zuletzt The Triumph of Marriage, 2008, Kat.­nr. 3–4; esther nyholm, 1990, s. 235–255, Abb. 5–6; Ortner, 1998, Abb. 27; das pendant (aus den ersten drei triumphen) Abb. 26. 413 Apollonio di Giovannis darstellung des Triumphus Eternitatis zeigt ganz ähnlich den himmlischen erlöser umringt von engeln über dem erdenrund, das chorografische Züge nicht verleugnen kann (BAV, Ms. Vat. Urb. lat. 683, fol. 35v); s. callmann, 1974, Abb. 66; vgl. auch Apollonios darstellung im Ms. Med. pal. pal. 72, fol. 87v; s. Piero e Urbino, 1992, Abb. auf s. 165; Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 293, Kat.­nr. Vi.6; s. 297, Kat.­nr. Vi.8; trapp, 1996, Abb. 46; Ortner, 1998, Abb. 43, 62, 83, 92. Unklar bleibt das Konzept des Malers scheggia. die konvexen Bildträger seines Trionfi­Zyklus erlaubten ihm jedenfalls, das weltenrund besonders plastisch zu entwickeln (Florenz, Museo di palazzo davanzati, inv.­nr. 1890, n. 1611). inwiefern die einzelnen konvexen tafeln gemeinsam ein erneutes rund ergaben, ist nicht untersucht; s. Le Tems Revient, 1992, s. 154–155.

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fließen zu lassen; dieser wirke, so heißt es, als sei die schöne natur ein teil seiner selbst (»la bella / natura parte di sè«).414 Boccaccios ekphrastischer Gloria­triumph verpflanzte die heldin nicht minder in das erdenrund. da die wände des prachtsaales, den sie zierte, aus einem vierteiligen triumphzyklus bestand, musste der gewaltige Kreis, der sich um Gloria bewegte und alles in sich zu bergen schien – die gesamte schöpfung, städte wie länder –, die Ausdehnung auf vier wandseiten evozieren, d. h. eine Verein­ nahmung aller übrigen triumphe. diese Feststellung ist im hinblick auf die Vierglied­ rigkeit von pieros panorama nicht unerheblich. wir verdanken sie dem Gespür Vittore Brancas.415 eine solch integrative Kraft wie dem erdenrund Glorias unterstellte der dichter Jacopo Braccolini – er dedizierte Federico da Montefeltro 1472 ein Buch seines Vaters – dem Triumphus Famae. er erklärte: »[…] es scheint mir, dass er [sc. der Triumphus Famae] in wirklichkeit alle wesenhaftigkeit der triumphe enthält.«416 der weitaus 414 Boccaccio, Amorosa visione, iV, vv. 10–18, Bd. iii, s. 34: »chiara era e bella e risplendente d’oro, / d’azzurro e di color tutta dipinta / maestrevolmente in suo lavoro. / humana man non credo che sos­ pinta / mai fosse a tanto ingegno quanto in quella / mostrava ogni figura lì distinta, / eccetto sè da Giotto, al qual la bella / natura parte di sè somigliante / non occultò nell’atto in che sugella.« die Grundlage des rekurses auf Giotto bleibt umstritten; an einen wettstreit des dichters mit faktischen Fähigkeiten Giottos glaubt land, 1994, s. 62; vgl. Falaschi, 1972; andere sehen den Bezug auf ein reales Gloria­Fresko des Meisters in Mailand, den eine stadtchronik 1335 erwähnt; zuletzt dazu Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 76, s. 109. 415 siehe Brancas Kommentar (ohne Bezug auf piero) in Boccaccio, Amorosa visione, Bd. iii, s. 569; Glo­ ria saß mit schwert und goldenem Apfel, begleitet von uomini illustri, auf ihrem triumphwagen; zum erdenrund hieß es (ebenda, Vi, vv. 68–72, s. 38): »un cerchio si movea grande e ritondo, da’ piè passando a lei sopra la testa. nè credo che sia cosa in tutto ’l mondo, 70 villa, paese, dimestico o strano, che non paresse dentro da quel tondo. Zur Kastell­Besichtigung ab canto iV; s. Boccaccio, Amorosa Visione, Bd. iii, s. 34ff.; zu sehen – neben dem Trionfo della Gloria (Vi, vv. 49–86) – waren der Triumph der Weisheit (»l’ingegno«), des Reichtums (»ricchezza«), der Liebe (»amore«). in ihrer wirkungsgeschichte als ekphrasen sind diese dichtungen bislang unzureichend untersucht worden; s. land, 1994, s. 6 und s. 62f. Zur ikonografi­ schen Verschmelzung des Triumphus Famae mit dem Boccaccios Gloria­triumph statt vieler trapp, 1996, s. 57 mit weiterführender literatur; Boccaccio visualisato. Narrare per parole e per immagini fra Medioevo e Rinascimento (Biblioteca di storia dell’arte 30), hrsg. v. Vittore Branca, turin, 1999. ein dokument für ikonografische Überschneidungen zwischen dem Triumphus Famae und dem Triumphus Eternitatis ist ein Brief des Medailleurs Matteo de’pasti von 1441; er schien nicht recht zu wissen, welche der zwei Optionen (pferde oder elefanten) er als Zugtiere wählen sollte; zum dokument s. Gaetano Milanesi, Lettere di artisti italiani dei seccoli XIV e XV, rom, 1869, s. 6. 416 Bracciolinis Trionfi­Kommentar von 1474 war lorenzo de’ Medici gewidmet: Jacopo di Messere pog­ gio [Bracciolini], Sopra el trionpho della Fama di Messer Francesco Petrarca, Florenz, 1485, fol. 2r: »[…] in vero a me pare contenga in sé tutta l’intelligenza dei triomphi.« Zu dem in zahlreichen Manuskrip­ ten überlieferten Kommentar (Ms. Vat. Urb. lat. 1104. 1162), s. paul O. Kristeller, Supplementum

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bedeutendste Trionfi­Kommentar des Quattrocento, Francesco Filelfos 1473 gedruckter sogenannter ›Commento Portilia‹, dokumentiert in schriftform Optionen, in denen sich Maler längst erprobt hatten. Unter Filelfos Federführung avancierte nämlich das erden­ rund der Fama zu »großen herrschaftsbereichen« (»grandi signorie«), und seine erklärung dieses fünften, eigentlich vorletzten triumphes zum »ultimo« verhalf zumindest dem Glauben an eine deutliche Zäsur nach den fünf irdischen triumphen zur Geltung, in jedem Fall dem an eine sonderrolle des himmlischen Triumphus Eternitatis, sei es nun in Form einer Marginalisierung oder einer emphase.417 Kehren wir zu pesellinos Trionfi­Zyklus zurück (Abb. 73): tatsächlich ist in aller deutlichkeit eine Zäsur zwischen den irdischen szenen und dem letzten, im himmel angesiedelten triumph zu erkennen. Mit einem Kunstgriff klärte pesellino, dass die sukzessiv entfaltete erzählung trotz der horizontverschiebung ›nach oben‹ kontinui­ erlich weiterläuft. Zwar wird die welt aus der Vogelperspektive gesehen, und kein tri­ umphwagen ist in sicht, aber pesellino ›verklammerte‹ die beiden letzten triumphe mit einem Baum, der im irdischen Bereich des Zeiten­triumphes wächst – und, ein deutli­ cher Anachronismus, in die Gestirnbahnen des letzten triumphes hineinragt. dieses vegetabilische element, so naiv es an diesem platz anmutet, sorgt für den narrativen Übergang, und weitere Maler sind dem gefolgt, sofern sie Trionfi­Zyklen, anders als die Buchmaler, nicht gesondert in einzelszenen pro Blatt präsentierten, sondern in sukz­ essiver erzählfolge nebeneinander.418 wessen erfindung dieser Kunstgriff gewesen ist, sei dahingestellt. entscheidend ist: der Baum an der schnittstelle, zur Verklammerung Ficiniarum, 2 Bde., Florenz, 1937–1945, Bd. i, s. 121f. Jacopo Bracciolini widmete Federico da Mon­ tefeltro die Historia Fiorentina seines Vaters. 417 Ungeachtet von Filelfos Aussage blieb der Triumphus Eternitatis in seinem Commento nicht unberück­ sichtigt; er erklärte, dass petrarca am schluss seines werkes noch den sechsten triumph präsentiere, der nach dem Jüngsten Gericht in der Auferstehung liegen werde; Filelfo, ›Commento Portilia‹ (Ms. Ashb. 1158, fol. 1r): »il quarto si è nelle grandi ricchezza o pompe mondane, o vero nelle grandi signo­ rie. il quinto et ultimo si è nelle virtù. pone ancora l’autore nel fine di questa opera il sexto triumpho, il quale sarà al dilà del giudizio universale nella resurrectione.« Zitiert nach Petrarch’s Triumphs, 1990, s. 269–290, s. 271. die Trionfi­Kommentare im intervall von 1468 und 1475 bezeugen die gesteiger­ te popularität dieser lektüre zur entstehungszeit des Montefeltro­Diptychons; s. d. d. carnicelli, »Bernardo ilicino and the renaissance commentaries on petrarch’s ›trionfi‹«, in: Romance Philology, 23, 1969, s. 57–64. 418 Jacopo sellaios nach 1480 gemalter Trionfi­Zyklus (Fiesole, Museo Bandini) war offenbar vierteilig (bestehend aus dem Triumphus Cupidinis, Pudicitiae, Temporis und Eternitatis). die Cassone­tafeln (?) haben einen fortlaufenden landschaftsprospekt für die ersten drei episoden, eine Küstenland­ schaft. wie bei pesellino wird die Kontinuität der erzählung im Triumphus Eternitatis durch ein motivisches Bindeglied zwischen den beiden letzten szenen kenntlich gemacht. Bei sellaio übernimmt ein großer nadelbaum diese Funktion; s. Maria c. Bandera Viani, Fiesole. Museo Bandini, Bologna, 1981, s. 35; carandente, 1963, s. 69, s. 131, Anm. 158; mit anderen Fragen Ortner, 1998, s. 264f., Abb. 63–65; ohne den Triumphus Eternitatis in Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 118, Abb. 8, s. 119.

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HIMMLISCH

Rekonstruktion 2: landschaftssegmente und landschaft als Bindeglied zwischen dem irdischen und dem himmlischen (details zu den unterhalb von pesellinos Trionfi­Folge gezeigten Trionfi des Jacopo del sellaio in Anm. 418)

zweier szenen, erinnert an die Art und weise, in der piero mit dem urbinatischen pan­ orama verfuhr (s. Rekonstruktion 2). nicht allein, dass der landschaftsprospekt fort­ laufend die triumphszenen der diptychon­Außenseiten hinterfängt; er wird umseitig weitergeführt, allerdings mit einer horizontverschiebung: nun überragen die Köpfe des Montefeltro­paars die horizontlinie in den himmel. diese Fakten suggerieren eine Möglichkeit, die bislang nie erwogen wurde: dass pieros panorama ein ausgeklügelter Kniff ist, der auf die Fortsetzung der Trionfi auf den Bildnisseiten verweist. so kühn sich diese these zunächst darstellt – die Gegenüberstellung mit pesellinos antizipatorischen Konzept führt deutlich vor Augen, dass der traditionszusammenhang für den Betrachter nur deshalb unklar blieb, weil pieros vierteilige darstellung nicht simultan nebenein­

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ander zu sehen war. Über die rolle, die den beiden porträtierten in pieros Trionfi zukam, darf spekuliert werden. Allem Anschein nach figurieren sie in einem mehr profanisierten Triumphus Eternitatis. Anstelle von erwartung der heilsvollendung durch Gott am ende der tage (Jo 14, 3) setzte piero die genuin neuplatonische, mitunter durch Ficino verbreitete Vorstellung einer endzeitlichen liebesbegegnung.419 die Vorbildlosigkeit dessen in Trionfi­illustrationen – Zeitgenossen sind im Triumphus Eternitatis nicht zugegen – lenkt den Blick auf die authentischen worte petrarcas. Mit ganzer entschiedenheit lässt petrarca in diesem part das Bild seiner eigenen elevatio in den himmel erstehen. die todeserfahrung, lauras tod und die Ablösung der fünf triumphe, führen ihn zur schmerzlichen erkenntnis der nichtigkeit und Vergänglich­ keit alles irdischen. Von trüben Gedanken beherrscht, schwindet petrarca der Boden unter den Füßen, bis zum erscheinen einer statischen neuen welt von ewigem Bestand.420 diese paradiesvision kennt keine Zeiten; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden eine einheit (vv. 28f., v. 32, vv. 67ff.).421 Bei der Verheißung der Auferstehung der toten schwebt dem dichter, wie unschwer zu erkennen ist, niemand anderes als seine laura vor. denn euphemistisch überantwortet sich seine phantasie der wiederkehr, ja dem »ewigen ruhm« (»eterna fama«) jener verblassten, anmutig schönen Gesichter, deren ruf die Zeit gelöscht und der bittere tod versenkt habe.422 petrarcas himmel wird daher nicht allein mit engeln (v. 58) und implizit der trinität bevölkert (es hieß einzig: »quei che governa il ciel […]«; v. 59) – gegenwärtig sind auch die seligen im höchsten chor (v. 43). Anders gesagt: der Trionfi­dichter beschloß sein Buch durchaus latent mit der Vision von sich und laura in himmlischen Gefilden. Auch ohne den in picos De dignitate hominis weidlich entfalteten renaissance­topos von der Gottähnlichkeit des Men­ 419 so liest man in Ficino, De amore, iV, cap. 6, s. 120: »Quod ergo nos celo restituit non dei cognitio est, sed amor.« ein ausgezeichnetes Bildbeispiel in diesem Zusammenhang ist Giovanni di paolos Paradies-Gemälde, das Fragment eines Jüngsten Gerichtes (new York, the Metropolitan Museum of Art, rogers Fund, 1906): es besteht aus verschiedenen, stets einander zugewandten paaren (nicht allein liebespaaren), die sich Auge in Auge betrachten; s. Best.-Kat. New York, 1980: Federico Zeri, Italian Paintings. A Catalogue of the Collection of the Metropolitan Museum of Art. Sienese and Central Italian Schools, Vicenza, 1980, s. 20–21, Abb. 39; vgl. auch Giovanni di paolos tafel des Jüngsten Gerichtes in siena; s. pope­hennessy, 1993, s. 62–63. 420 »Questo pensava, e mentre più s’intera / la mente mia, veder mi parve un mondo / novo, in etate immobile ed eterna«; petrarca, Triumphus Eternitatis, Vi, vv. 19–21, (s. 555; vgl. Offb 21, 1). 421 ebenda, Vi, vv. 67–69, s. 556): »non avrà loco ›fu‹ ›sarà‹ ne ›era‹, / ma ›è‹ solo in presente, ed ›ora‹ ed ›oggi‹ / e sola eternità raccolta e `ntera«; fast wörtlich übernommen von Augustinus, Tractatus in evangelium secundum Johhannes, XXXViii, 10. 422 petrarca, Triumphus Eternitatis, Vi, vv. 127–134, s. 559: »e quei che Fama meritaron chiara, / che ’l tempo spense, e i be’ visi leggiadri / che ’mpallidir fe ’l tempo e Morte amara, / l’oblivion, gli aspetti oscuri ed adri, / più che mai bei tornando, lasceranno / a morte impetuosa, a’giorni ladri; / ne l’età più fiorita e verde avranno / con immortal bellezza eterna fama.«

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schen, nicht zuletzt des weltlichen Fürsten, zum herzstück einer Komposition geraten zu lassen,423 konnte piero das Montefeltro­paar schlüssig, gleichwohl in einer Umak­ zentuierung des eingefahrenen, zum Mittelpunkt einer verrätselten himmelsvision machen. Und tatsächlich: wovon, wenn nicht von der ewigkeit – oder, um mit Martone zu sprechen: einer »zeitlosen tabula rasa«–,424 zeugt ikonologisch das Bildbeherrschende, nämlich der Kontakt zwischen Battista und Federico in Form einer schau, die der Korintherbrief vorgibt: der von Angesicht zu Angesicht (1 Kor 13, 12). im kryptischen Zug der himmelsvision (im Gegensatz zu den prima facie kenntlichen irdischen Trionfi) bleibt in pieros diptychon petrarcas Bewusstsein in Kraft, dass die schau des letzten triumphes allein durch Gott beschieden werde.425 Ferner huldigt das Änigmatische, das der gewöhnlichen wahrnehmung entzogen ist, der Vorstellung vom unsichtbaren Gott.426

423 nach pico ist der Mensch als Geschaffener so ewig wie der schöpfer; er sei, wenig hinter den engeln stehend, eine Art Zwischenstück zwischen Zeit und ewigkeit; s. pico della Mirandola, De dignitate hominis, s. 26: »[…] stabilis aevi et fluxi temporis interstitium […].« nach seiner naturanlage ist er weder himmlisch noch irdisch, sterblich noch unsterblich; sein chamäleonartiges wesen eröffne ihm jedoch die Möglichkeit, sich wie ein Bildhauer und Maler (»plastes et fictor«) »frei, aus eigener Macht, sich selbst modellierend und bearbeitend zu der gewollten Form« auszubilden; ebenda, s. 28: »nec te caelestem neque terrenum, neque mortalem neque immortalem fecimus, ut tui ipsius quasi arbitrarius honorarius plastes et fictor, in quam malueris tute formam effingas.« Zu den Argumenten zur Got­ tähnlichkeit des Menschen – bei Facio, Giannozzo Manetti oder Giovanni pico della Mirandola – s. Garins einleitung zu Giovanni pico della Mirandola, De dignitate hominis, s. 22f. 424 diese luzide Beobachtung Martones bezog sich auf die schwerelosigkeit und statik von pieros Bild­ nisseiten; den Bezug auf petrarca sah er nicht; s. thomas Martone, »piero della Francesca’s ›triumphs of the duke and the duchess of Urbino‹«, in: Petrarch’s Triumph’s, 1990, s. 211–220, 212. 425 petrarca, Triumphus Eternitatis, Vi, vv. 121f., s. 558: »Questi trionfi, i cinque in terra guiso / avem veduto ed alla fine il sesto, / dio permettente, vederem lassuso.« die polarität zwischen dem offenen und verborgen­geheimen part, die bereits den diptychischen Gesetzestafeln des Moses nachgesagt wurde (Vulgata, 4, Esra, XiV, 4–6), genoss große Beliebtheit in hermetischen lehren, wie sie mitun­ ter pico della Mirandola verbreitete; s. pico della Mirandola, De dignitate hominis, s. 76, s. 78, s. 80. – nicht alle referenzen pieros an den Triumphus Eternitatis können genannt werden. Um ein paar Beispiele herauszugreifen: Auch die Ausnahmen – die Ausrichtung der Speranza und des sehenden Auges des Montefeltro­Fürsten zum Triumphus Eternitatis – erklären sich über petrarca. ihm zufolge seien diejenigen blind, deren hoffnungen dem diesseits zugewandt waren: »Misera la volgare e cieca gente / che pon qui sue speranze in cose tali / che ’l tempo le ne porta sì repente«; petrarca, Triumphus Eternitatis, Vi, vv. 49–51, s. 556. – Zudem ist im Triumphus Eternitatis wiederholt von der »fama […] chiara« (v. 127) in Abgrenzung zum rein weltlichen ruhmesstreben die rede: dereinst werde der ruhm der sterblichen nicht nur »chiaro« sein, vielmehr »chiaro in eterno«; ebenda, Vi, vv. 80–81, s. 557: »[…] non […] le fame mortali, anzi chi fia / chiaro una volta fia chiaro in eterno.« 426 dazu wind, [1958] 1987, s. 250ff.

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Fassen wir zusammen: sieht man vom Austausch der dramatis personae einmal ab, so ist pieros Montefeltro-Diptychon auf der Grundlage stupender textkenntnisse eine unge­ wöhnlich getreue Trionfi­rezeption, was rekurse auf einzelmotive betrifft. Keiner der sechs triumphe blieb dabei unberücksichtigt (s. Schema 4, s. 778f.). pieros panorama, dem zweifellos die schlüsselstellung im diptychon­Gesamtkonzept zukommt, entpuppt sich sich als die lesehilfe, die dem Betrachter an die hand gegeben wurde, um das zu erkennen, was in Anbetracht exquisiter porträts in nahsicht nicht sofort ersichtlich ist, um nicht zu sagen: bewusst verschleiert wurde: dass eine rundum­erzählung vorliegt. so verstanden, sind die beiden triumphwagen der Montefeltro (wie auch der trab ihrer Zugtiere suggeriert) auf eingespurten wegen unterwegs zur (umseitigen) himmels­ vision. Man beachte pieros geniale indienstnahme der doppelseitigkeit der tafeln für die differenzierung zwischen dem irdischen und dem himmlischen, dem diesseits und dem Jenseits. das zyklische seinsverständnis, das petrarcas Trionfi zugrunde liegt, wonach verschiedene Aspekte des daseins einander ablösen, um letztlich eine einheit zu bilden, fand in pieros diptychon seinen Ausdruck sowohl in der Beweglichkeit der tafeln als auch im chorografischen rund. indem sich piero ein ganzes Arsenal von Trionfi­Motiven, ohne sie wirklich zu verfremden, zu eigen machte, um zwei initialerlebnisse des urbina­ tischen herrscherpaares zu erzählen, betrieb piero alles andere als eine unterwürfige petrarca­imitatio. im Gegenteil, er trat als Maler in solch massiver weise, mit ganz eige­ nen realisierungen des stoffes, in den wettstreit mit dem dichter, dass kein Zweifel über den rang des Montefeltro-Diptychons als eine der anschaulichen inkunabeln des paragone bestehen kann. Über pieros Gründe, die Malkunst dergestalt zum erstrahlen zu bringen, kann zunächst nur gemutmaßt werden. neben der berühmten Katachrese von homer als »il primo pintor«427 war bei petrarca zu lesen: die von großer leidenschaft ausgehende Kreis­ bewegung der seele sei wie ein langes Gemälde in kurzer Zeit. während der Fuß schon vorwärtsschreite, wende sich das Auge noch nach hinten. in der Trionfi­Ausgabe, die Federico da Montefeltro gegen 1474 erhielt, betonte ihm sein schreiber contugi mit Großbuchstaben eben dies: »QUAsi lUnGA / pictUrA / in teMpO / BreVe / che pie VAin/nAnZi & lOcchiO / tOrnA in dietrO.«428 darüber hinaus wirkte offenbar die Anhäufung von Unsagbarkeitstopoi in petrarcas Trionfi wie eine provokation großen stils, ob nun die Äußerung, weder prosa noch Versform würden ihm als Medium genügen, ob wegen der, im wahrsten sinne des wortes, Unsäglichkeit des schmerzes des hinterbliebenen, nicht zu vergessen der Befürchtung, seine eigenen worte könnten dem Vergleich mit antiken, vor hohen namen und taten strotzenden

427 petrarca, Triumphus Famae, iii, v. 15, s. 543. 428 Zitiert nach dem Ms. Vit. 22­1, fol. 160r; vgl. petrarca, Triumphus Cupidinis, iV, vv. 165–166.

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historienbüchern nicht standhalten.429 All dies bot piero die Grundlage, um im Montefeltro-Diptychon exemplarisch den Beweis für die Überlegenheit des Gemalten gegen­ über dem Geschriebenen anzutreten. sein Gemälde wirkt gleichsam wie eine kühne demonstratio ad oculos dessen, was die Malkunst unter Zuhilfenahme poetischer Motive zu leisten imstande ist. Keine befriedigende Antwort haben wir für die diptychische Zäsur zwischen dem Montefeltro­paar. sie will nicht recht zur paradiesischen Aura des Triumphus Eternitatis passen. Im Venushimmel: Annäherung an eine Ikonografie »Man’s hope can paint a purple picture, can transform a soaring vulture into a noble eagle or a moaning dove.« ralph waldo ellison, Invisible Man, cap. 5

die Bildnisseiten alludieren an den Triumphus Eternitatis und an die im Jenseits statt­ findende wiederbegegnung der Montefeltro. Aber darin erschöpft sich deren Bedeutung keineswegs. pieros Bild­dramaturgie offenbart die Verschränkung mit einem anderen, einem wenig beachteten teil der Trionfi, in dem verheißungsvoll ein temporäres Zusam­ mentreffen im Zentrum steht, das dem liebespaar petrarca und laura an der schwelle zwischen diesseits und Jenseits vergönnt ist. petrarca erkor diese szene zum zweiten teil des Triumphus Mortis, bestehend aus dem Ausspinnen dieser höchst beglückenden traumvision im Anschluss an lauras tod: in ihr wurde die trennung des paares mit einer kurzweiligen, sich im traum ereignenden wiederbegegnung kontrapunktiert.430 dieser passus, kaum zufällig in der Mitte von petrarcas Zyklus, gestaltet sich denn auch wie die Vorwegnahme ihres endgültigen wiedersehens im Triumphus Eternitatis. indem die traumszene weitestgehend auf die schau des liebespaares beschränkt bleibt, das sich von Angesicht zu Angesicht fixiert, wirkt sie wie eine Art Versatzstück aus dem letzten triumph. die folgenden Ausführungen dienen dem nachweis, dass auf den Bildnisseiten eine Kontamniation dieser beiden episoden vorliegt. da die darstellung des ephemeren, mithin die von träumen, ein großer streitpunkt im paragone darstellte, ist die Klärung dieses sachverhaltes nicht unerheblich. 429 der reihe nach: angesichts der Beschreibung des defilees der vielen toten heißt es: »[…] che com­ prender nol po prosa né verso […]«; derselbe, Triumphus Mortis, i, vv. 75, s. 519; zur Unsäglichkeit des schmerzes: »[…] ’l dolor […] non ch’io sia ardito di parlarne in versi o ’n rima«; s. ebenda, i, vv. 142–144, s. 522; der Vergleich mit historienbüchern in derselbe, Triumphus Famae, ii, vv. 3–6, s. 536: »giungea la vista con l’antiche carte / ove son gli alti nomi e’sommi pregi, / e sentiv’al mio dir mancar gran parte«; über die Unzulänglichkeit der worte auch derselbe, Triumphus Cupidinis, ii, vv. 1–3 und ebenda, iV, vv. 70–71, s. 504: »[…] che né ’n rima / poria, né ’n prosa ornar assai né ’n versi.« 430 Zum zweiten teil des todestriumphes s. petrarca, Triumphus Mortis, iii, 2, vv. 1­190, s. 523–530.

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Zunächst ist festzustellen: die resonanz von petrarcas traum­episode in der bilden­ den Kunst des Quattrocento war verschwindend gering, jedenfalls im darstellungs­ repertoire der frühen Trionfi­Zyklen. das gilt für miniierte handschriften ebenso wie für Cassone­darstellungen. die Gründe liegen auf der hand: die Trionfi­Zyklen, ein meist sechsteiliges, jeden einzelnen triumph mit einer episode würdigendes Gefüge, konzentrierten sich stereotyp auf den ersten part des todestriumphes, der die Unerbitt­ lichkeit des sterbens ins Zentrum rückt. Fraglos passte die traumbegegnung wegen ihrer herauslösung aus dem dramatischen erzählnexus nicht recht in den linearen erzählverlauf. selbst in Monografien über Trionfi­darstellungen wurde ihr Fehlen in den meisten Zyklen noch nicht einmal zur Kenntnis genommen. die nahezu unbekann­ te handlung sei deshalb in gebotener Kürze resümiert: Kaum hatte der tod laura ereilt, kam es zur totenklage des hinterbliebenen. dabei bot dem urbinatischen witwer die Verzweiflung petrarcas reiche identifizierungsmög­ lichkeiten. der alleingelassene petrarca fühlt sich in seiner sehnsucht »wie ein Blinder« (»come uom cieco«),431 bis sich sein herzenswunsch in der todesnacht erfüllt. seine ver­ storbene herzensdame laura erscheint ihm zu einer letzten Zwiesprache im traum. sie wendet sich vom himmelsstuhl aus ihrem Geliebten zu. in den himmel entrückt, darf er sich zu ihr setzen (vv. 16–17). sie liftet ihren schleier, ist bekrönt mit perlen und mit edelsteinen.432 Verhalten wirkt sie, nachdenklich (»pensosa«), bescheiden (»umile«), wis­ send (»saggio«) – 433 so verhalten, dass petrarca sich die Frage nicht verkneifen kann, ob sie tot oder lebendig sei (v. 21). nur ihre lippen zeigen Farbe (»labbra rosate«; iii, 2, v. 42). seufzend beteuert sie, im herzen (»’l mio cor«) nie von ihm getrennt (»mai diviso«) gewesen zu sein.434 petrarca bot in diesen Zeilen den in der psychologischen durchdrin­ gung und Ausleuchtung seiner Figuren lebendigsten teil der Trionfi. die nächtliche Vision ist kurz; Aurora wird das liebespaar trennen (iii, 2, v. 178). Auf Anhieb meint man bis ins detail pieros Anlehnung an petrarcas traumbegeg­ nung zu erkennen: die schau des Montefeltro­paares von Angesicht zu Angesicht, ihre deutliche erhebung über die landschaft, Battistas Kopfschmuck und schleier – alle diese eigenheiten könnten dem tröstlichen Moment des wiedersehens in jenen himmels­ sphären rechnung tragen, die petrarca ausdrücklich als dritten himmel, nicht unweit

431 ebenda, iii, 2, v. 3, s. 523. 432 ebenda, iii, 2, vv. 6–9, s. 523: »[…] suol da’segni confusi torre il veli, / quando donna sembiante a la stagione, / di gemme orientali incoronata, / mosse ver me da mille altre corone.« 433 ebenda, iii, 2, vv. 15–16, s. 524: »così, pensosa, in atto umile e saggio, / s’assise e seder femmi in una riva«. 434 ebenda, iii, 2, vv. 88–89, s. 526: »poi disse sospirando: ›mai diviso / da te non fu ’l mio cor, né già mai fia;‹«; ein mögliches Vorbild für die szene bot properz, Carmina, iV, 7, vv. 3ff. mit der traumer­ scheinung des dichters: vor ihn trat die verstorbene cynthia und beteuerte ihr warten auf ihn und ihre Verbundenheit über den tod hinaus.

5. Pieros Triumphe

74 Laura und Petrarca im Triumphus Mortis (Teil 2), ca. 1470­1480, aus: petrarca, Trionfi, Oxford, Bodleian library, Ms. Add. A. 15, fol. 2r

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75 Giovan pietro Birago, Petrarca und Laura im Triumphus Mortis (Teil 2), ca. 1490, aus: petrarca, Sonetti, Canzoni, london, British library, Ms. Additional 38125, fol. 58r

von einer landschaft mit einem baumbestandenen Fluss, gekennzeichnet hat.435 der dritte himmel nach ptolemäischem, noch nicht heliozentrischen planetensystem war der Venushimmel. er stand im engen Zusammenhang mit der Konzeption von Ange­ sicht zu Angesicht, hieß es doch in dantes Paradiso, der dritte himmel werde von liebes­ erfüllt einander Betrachtenden gelenkt: »›Voi, che intendono il terzo ciel movete‹«.436 es 435 »[…] la rota / terza del ciel […]«; ebenda, iii, 2, vv. 172–173, s. 530; und »[…] una riva / la qual ombrava un bel lauro ed un faggio»; ebenda, iii, 2, vv. 17–18, s. 524. 436 dante, Paradiso, Viii, v. 37, s. 92. »intendono« heißt in diesem Kontext »betrachtend«. in dantes Gesängen auf den Venushimmel ist wiederholt von der durch die elevatio bedingten Kreisbewegung die rede; vgl. dante, Paradiso, Viii, v. 20, 34; in Paradiso, iX, v. 108 kehrt sich die untere welt zur oberen.

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handelt sich um ein selbstzitat nach einem bereits zu dantes lebzeiten berühmten Kan­ zonenbeginn aus dem Convivio.437 doch schauen wir uns die wenigen gesicherten darstellungen von petrarcas traum­ vision an. eine von ihnen, heute in der Bodleian library befindlich (Abb. 74), ist zeitlich vermutlich vor pieros diptychon anzusetzen. in ihr wurde, passend zur textstelle, ganz unzweifelhaft exakt die besagte szene festgehalten, wie auch in einer ganzseitigen illus­ tration von Giovan pietro Birago (Abb. 75), einem Buchmaler, der gegen 1490 für die sforza in Mailand tätig gewesen ist. sein Blatt klingt aus mit den schlussworten des ersten teiles vom todestriumph (»pallida non ma non più che neve biancha / […]«; iii, 1, vv. 166–172). petrarca und laura sitzen sich Auge in Auge gegenüber, reichen sich vor einem öden weg die hände.438 diese interaktion unterscheidet sich in sehr geringem Maße von einer darstellung aus späterer Zeit, von 1508, eine der seltenen simultandar­ stellungen der beiden Triumphus Mortis­episoden (Abb. 76); petrarca und laura kom­ munizieren unter einem lorbeerbaum.439 Allem Anschein nach hat niemand vor piero das liebespaar, besser: dessen modernes pendant, so konsequent in himmlische höhen versetzt, um die vollzogene elevatio in den Venushimmel anzudeuten, und kein Zweiter holte dieses im ›close­up‹ heran zum Betrachter. eine interpretationshilfe in Anbetracht der Ambivalenz von trennung und Vereini­ gung verspricht uns zudem ein stich aus der, auch ansonsten sehr den Trionfi verpflichte­ ten Piatto Otto­serie (Abb. 77) zu werden, die gegen 1465 in Florenz entstand, vielleicht in der werkstatt des Baccio Baldini. Formal ein rundbild mit unverzierter Mitte, besteht die liebesallegorie aus einem jungen, im profil einander zugewandten und doch durch eine Kluft getrennten paar: Auf zwei verschiedenen Felsvorsprüngen stehend, gelingt dem Jüngling und seiner herzensdame die Berührung allein auf einer höheren ebene, denn beide fassen mit ihrer hand an dieselbe zentrale, sie überragende Armillar­ sphäre; und sie sind, neben einer verklammernden Vignette mit Amor­Gesicht, dank eines schriftbandes miteinander verbunden. es trägt die Aufschrift: »AMOr VVOl Fe dOVe.Fe.nOnne.AMOr nOn pVO«. Unter den vielen Übersetzungsvorschlägen, die bisher vorgetragen wurden, ist der von dempsey noch der überzeugendste: »die lie­ be will Glauben, und, wo kein Glaube ist, ist die liebe ohne Macht.«440 dempsey ist der 437 Vgl. dante, Convivio, ii, canz. 1, v. 1, Bd. iV, s. 2; zum Venushimmel auch ii, 13, 12–14 und Gasparo Visconti, I canzonieri, nr. 84, v. 6. 438 (Bl, Ms. Add. 38125, fol. 58r); trapp, 1996, s. 54–55, Abb. 34; über die tätigkeit Biragos für die sforza in Mailand gegen 1490 Marc evans, »new light on the ›sforziada‹ Frontispieces of Giovan pietro Birago«, in: British Library Journal, 3, 1987, s. 232–247; die zeitlich frühere darstellung aus Oxford (Bodleian library, Ms. Add. A 15, fol. 2) ist frühestens 1470 entstanden. 439 (Madrid, Biblioteca nacional, Ms. Vit. 22­3, fol. 16r); der schreiber war lodovico Arrighi; dazu trapp, 1996, s. 54: Abb. 33. 440 (BnF); Arthur Mayger hind, Early Italian Engraving, 4 Bde., london, 1938, Bd. ii, s. 86, 90; detail­ lierte Angaben in charles dempsey, The Portrayal of Love. Botticelli’s Primavera and Humanist Cultu-

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76 Triumphus Mortis (Teil 1 und Teil 2) mit Petrarca und Laura unter einem Baum, 1508, aus: petrarca, Trionfi, Madrid, Biblioteca nacional, Ms. Vit. 22­3, fol. 16v

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77 werkstatt des Baccio Baldini (?), Liebespaar mit einer Armillarsphäre, ca. 1469, paris, Bibliothèque nationale de France

einzige, der die Omission des Objektes erkannt zu haben scheint. er umgeht das pro­ blem, indem er »non puo« mit »ohne Macht« übersetzt. die Frage aber, die uns einzig die Bedeutung enthüllen kann, lautet: was kann die liebe ohne treue nicht? Bei näherem hinsehen offenbart sich ein rekurs auf ciceros De amicitia, wo über die fides zu lesen ist: »stütze der Unverwandelbarkeit und Festigkeit, die wir in der Freundschaft suchen, re at the Time of Lorenzo the Magnificent, princeton, 1992, s. 111f.; vgl. die zentrale Armillarsphäre als sitz von Gottvater im Triumphus Eternitatis bei Jacopo del sellaio, s. Rekonstruktion 2. – Meines wissens ist der Zusammenhang zwischen der gesamten Piatto Otto­serie und petrarcas Trionfi noch nicht hinreichend erörtert worden, obgleich der Bezug auf die sechs Grundmotive – liebe, Keusch­ heit, tod, etc. – offensichtlich ist. die liebe ist zum leitthema geworden. einige Beispiele seien erwähnt: die von Frauen vorgenommene Züchtigung eines gefesselten Jünglings oder eine dame mit einhorn als exempla der Keuschheit, eine Frau, die einem Gefesselten das herz entnimmt, als liebes­ tod, ein tanzend vereintes paar, umringt von cupidi, als ewigkeitsmotiv; s. die Abbildungen in Le tems revient, 1992, s. 123 und s. 178, nr. 3.12c, 3.12d, 3.12b, das hier zitierte Motiv in Abb. 312a.

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ist die treue; denn wo die treue fehlt, kann es keine Festigkeit geben.«441 was der Piatto­ Otto­Künstler nachgerade auf die liebe münzte, meint nicht minder den Zusammen­ halt, den die (je nach Übersetzung von fides) treue oder der Glauben stiftetet, aber einen solchen, der nach der Überbrückung der distanz zum himmlischen verlangt. dass Vuol fede Amor die verbürgte impresa amorosa des Magnifico war und, wie warburg erkannt hat, dem liebespaar die idealisierten Züge eben dieses Florentiners und seiner Geliebten lucrezia donati einverleibt wurden,442 muss uns weniger beschäftigen, als die verblüf­ fenden ikonografischen parallelen zum Montefeltro-Diptychon: die schau Auge in Auge, die [bei piero diptychisch] getrennte landschaft, eine trennung, die potenziell zu über­ winden ist – dank eines [panorama­]Bandes und dank der liebe in höheren sphären. selbst an Anlehnungen im detail, besonders an die nymphe, fehlt es nicht, wie Battistas sehr ungewöhnlicher, wie eine Krone gestalteter Kopfschmuck erkennen lässt: ein haar­ band mit Broschenaufsatz und, seltsam knittrig, ihr davon abgehender schleierbausch. dessen Außenkontur scheint den Flügeln am Kopf der nymphe nachempfunden zu sein, wo diese (wie eine reminiszenz an den psychopompos) 443 in jedem Fall der plato­ nischen idee der seelengefieder (Phaidros, 246dff.) tribut zollen. es ist jene berüchtigte Antriebskraft zur entrückung der seele zum Göttlichen empor,444 die den renaissance­

441 cicero, De amicitia, 18, 65, s. 182/183 (Üs: Max Faltner): »Firmamentum autem stabilitatis constan­ tiaeque est eius, quam in amicitiae quaerimus, fides; nihil enim stabile, quod infidum est.« 442 der Ausgangspunkt für warburgs identifizierung des Jünglings mit lorenzo de’ Medici waren heral­ dische Motive wie der diamantring mit drei Federn auf dem Umhang; s. Aby warburg, »delle ›imprese amorose‹ nelle più antiche incisioni fiorentine«, in: derselbe, La rinascita del paganesimo antico. Contributi alla storia della cultura, Florenz, [1905] 1966, s. 179–191; der wahlspruch des Magnifico bei der giostra von 1469 ist überliefert durch luigi pulci; dazu dempsey, 1992, s. 83–84 und s. 109. 443 Grundlage für die Ausdeutung als Psychopompos waren homer, Odyssee, 24, vv. 1ff. und homer, Ilias, 24, v. 153. Über hermes als Führer zum himmel auch die Bemerkung Ficinos: »summus animae ad deum ascendentis gradus caligo dicitura.« Ficino, In Dionysium Areopagitam (Ficino, Opera, Bd. ii/2, s. 1014). Zum helm des hermes auch petrarca, Africa, iii, vv. 174ff. und Boccaccio, Geneologia deorum, ii, 7 unter Berufung auf statius, Thebais, i, 305. 444 siehe Ficino, In Phaedrum (Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 1383): »tertio resumptis alis ad coelestia revolaverit«. Ficinos Phaidros­Übersetzung ins lateinische ist circa 1482–1484 in Florenz erschienen; s. Ficino, In Phaedrum (ebenda, Bd. ii/2, s. 1363ff., s. 1363); zum seelengefieder: »Ala verò est pote­ ria sursum duces, per quam animae quidem divinae dicuntur alatae, quoniam semper sunt elevatae, nostrae vero subalatae, quoniam saltem elevari possunt.« – die frühe Phaidros­Übersetzung [1424] leonardo Brunis war nicht vollständig; sie reichte nur bis Phaidros 257c; vgl. hankins, 1990, Bd. i, s. 70ff. – die rolle von hermes in diesem sinnzusammenhang an anderer stelle von Ficinos werk: charakteristisch ist Ficinos Begründung von hermes’ Fähigkeit des Zurückrufens der seele himmel­ wärts mit der Macht der Vernunft (»per rationem«): »[…] trinitas conversoria sive ad supera reducto­ ria in qua primum Mercurius tenet gradum animos per rationem ad sublimia revocans.« Ficino, In Librum De Reditu Animae Ad Divinum Praeludium (Ficino, Opera, Bd. ii/2, s. 1559); zur Vernunft

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Kommentator Ficino von der »virtus elevans« sprechen ließ; 445 landino und castiglione begriffen sie als sinnbild der erreichbarkeit himmlischer liebe.446 Mit all diesen Kon­ notationen wird die virtus elevans im Piatto Otto­stich in Form der Armillarsphäre beschworen,447 ganz unabhängig von den Flügeln (die übrigens auch die liebesgöttin Venus in Baldinis planetenbild des »[…] terZO cielO […]« auszeichnet) 448 und den (heraldischen) Federn auf dem Gewand des Mannes. die Berührung der Armillarsphäre verleiht der sehnsucht des liebespaares Ausdruck, sich zu divini amatores aufzuschwin­ gen. wenn dempsey richtig liegt, dass mit der lautähnlichkeit von »spera« (sphäre) und Spes zugleich die dritte theologische tugend, neben »AMOr« und »Fe[de]«, im Bunde sein sollte, und »spero« war das Motto lucrezia donatis,449 dann wäre einmal mehr die ikonografische nähe zu pieros diptychon plausibel. die Armillarsphäre deutet die rolle der »›rota / terza del ciel« an, von der petrarca sagt: »m’alzava a tanto amore‹« (iii, 2, vv. 172–173, s. 530). Für diesen Akt der elevatio bedarf es des Glaubens (iii, 2, v. 76; v. 124). nur am rande seien die Gründe aufgeführt, warum im ›flügelartigen‹ stoffbausch

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als seelenführer vgl. platon, Phaidros, 247c–d; s. auch Ficino, Epistolarum (ebenda, Bd. i/1, s. 664): »[…] voluntatem geminas alas quibus in deum tanquam patrem & patriam revolemus.« »Ala, id est virtus elevans […]«; s. Ficino, In Phaedrum (ebenda, Bd. ii/1, s. 1376). die erwähnung des seelengefieders unter Berufung auf platons Phaidros sowohl in dem an Federico da Montefeltro adressierten Proemium zu Buch iii als auch im Buch ii: »plato ist nämlich der Ansicht, daß unsere seelen […] wie auf zwei schwingen zu den himmlischen zurückkehren […]«; landino, Disputationes Camaldolenses, iii, s. 111f. und ii, s. 72: »Quapropter cum in eo libro qui phaedrus inscribitur de beata vita, qua in caelis fruuntur animi, loqueretur, veritatis contemplatione nutriri illos affirmat […] ex his autem duobus gaudium, quo animi alantur […]«; castiglione, Cortegiano, iV, cap. 67, s. 428: »[…] onde quelli che pervengono a questo amore sono come i teneri augelli che comin­ ciano a vestirsi di piume, benché con l’ale debili si levino un poco a volo, pur non osano allontanarsi molto dal nido, né commettersi a’venti ed al ciel aperto.« M. e. ist mit dem eindruck von dantes, eine Vision nach sich ziehendem sonett Oltre la spera che più larga gira (empor zur sphäre, die am größten kreiset) zu rechen; aus ihm spricht die hoffnung zum Aufstieg seiner seele dorthin, wo er die herrlichkeit der herrin schauen dürfe; s. dante, Vita nuova, Xli, s. 59; vgl., mit identischem sinn, Gaspare Visconti, I canzonieri, s. 64, nr. 84, vv. 1–3, v. 8: »più volte Amor m’avea già decto: – spera! / spera d’aver mercé da l’alma luce, ché ’l celo in lei per te tal grazie adduce […] / ne la terza sfera. […].« – die Armillarsphäre ist vor allem ein populäres ewig­ keitssymbol; s. Ficino, Epistolarum (Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 687): »Mediae vero sphaerae sempiterna quadam virtute, sed mobili, requirunt ulterius, nescio quid, permanens et eternum«; zur Armillar­ sphäre als Attribut der Spes dülberg, 1990, s. 135 und schröter, 1977, s. 320f.; die Armillarsphäre lässt auch an die Vorstellung der synastrie denken (s. Ficino, Epistolarum; Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 634) oder an die ins Kosmische gewandte augustinische idee einer Freundschaft in Gott; s. Augu­ stinus, Confessiones, iV, 9, 14; und i, 18, 28, s. 56–57: die aus Abgründen entrissene seele fliege hoch (»avolavit«); es bedürfe weder der pferde, eines wagens (»equos aut currus«) noch sichtbarer schwin­ gen (»pinna visibili«). siehe die Abbildungen in Le Tems Revient, 1992, s. 36 und die zweite edition auf s. 243, nr. 7.8e. ein Beleg für lucrezias Motto ist ein Brief Braccio Martellis vom 27. April 1465; s. dempsey, 1992, s. 111f.

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von Battistas schleier ein von der erdenschwere befreites wesen sanft angedeutet sein mag: Man beachte erstens die explizite erwähnung des Fliegens (»VOlitAt«) in der sockelinschrift, zweitens die eingebürgerte heraldische Gleichsetzung von Battistas Mann mit dem Adler, mit dem sich im totenkult der römischen Kaiserzeit der Gedanke vom Aufflug der seele in den himmel verband,450 drittens die sehbehinderung des Fürs­ ten – als die nach [neu­]platonischer Auffassung beste prädestination für die mit der entrückung einhergehende göttliche liebe, da blinde liebe nicht mit den sinnen, son­ dern kraft der geläuterten seele empfangen werde, oder, mit castiglione gesagt: sich erst aus der Blindheit für das irdische die scharfsichtigkeit (»oculatissima«) für das himm­ lische ergäbe –,451 viertens die Auffassung von Battistas ›spiegelanhänger‹ als Brennspie­ gel, der, entfacht vom »Feuer der wahren göttlichen liebe«, im Ficino­Umkreis als impuls

450 herodian berichtete in seiner Kaisergeschichte von der sitte, vom obersten stockwerk des zum toten­ kult gehörenden scheiterhaufens (Pharus) einen Adler aus dem Feuer auffliegen zu lassen, der nach dem Glauben der römer die kaiserliche seele gen himmel trage – ein populäres Motiv auf römischen Münzen; s. mehrere Abbildungen in r.­Alföldi, 1999, s. 77, Abb. 89–90; vgl. herodian, Ab excessu divi Marci, iV, 2, 11; Julius von schlosser, Tote Blicke. Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs. Ein Versuch, hrsg. v. thomas Medicus, [1910–1911] Berlin, 1993, s. 24. in einem epigramm für platons Grabmal, das diogenes laertius zitiert, richtete man an einen Adler die Frage nach dem Grund seines Fluges zum Grab des philosophen und nach dem Gott, dessen himmlisches haus er erspähe. der Adler gibt sich als hoch zum Olymp geflogenes »Bildnis der seele« des Verstorbenen zu erkennen: »ich bin das Bildnis der seele platons, die flog zum Olymp hoch, / während den irdischen leib attische erde bedeckt«; s. diogenes laertius, Leben, cap. ›platon‹, iii, 44, s. 167 (Üs: Fritz Jürs). – Zum schnel­ len, hohen Flug des Adlers 2 Sam, 1, 23; Job 9, 26; Spr 23, 5; 30, 19; Jes 4, 13; Ez 17, 3ss.; Offb 8, 13; der auffliegende Adler ist auch symbol der himmelfahrt christi infolge des diktums von pseudo­ Ambrosius, Sermo 46 de Salomone (PL, Bd. XVii, sp. 718); zum scharfäugigen Adler v. a. landino, Disputationes Camaldulenses, ii, s. 84: »aquila acutius prospicit […]«; plinius, NH, X, 6f. – Man beachte auch – angesichts von Federicos Motto »VirtVtiBVs itVr Ad AstrA« –; »[…] alas denique recuperant ad astrum […]«; Ficino, In Phaedrum, in: Ficino, Opera, Bd. ii/2, s. 1382: »[…] iupiter dux in coelo magnus […].« – lomazzo berichtet von einer darstellung von drei verschiedenen Musen, die in Santa Caterina von Borgo zu sehen seien; alle würden an ihrem hut je zwei Federn tra­ gen, die wie diese bedeuten, dass sie mit den Gesängen der dichter, deren Verse sie inspirierten, den schrei und den ruhm fliegen lassen; s. lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, Bd. i, s. 140: »in Borgo, appresso a santa caterina, ci sono tre Muse intere, vestite; l’una dille quali tiene in mano un libro, l’altra uno ustrimento musico, e la terza una mascera; e ciascuna di loro ha sul cappo due penne, che dinottano come elle, con il canto de poeti, a quali esse inspirano il verso, fanno volare il grido e la fama, […].« 451 castiglione, Cortegiano, iV, cap. 68, s. 428: »[…] divenuta cieca alle cose terrene, si fa oculatissima alle celesti […]«; vgl. platon, Symposion, 219a und Phaidon, 81c–d. die Berufung auf Orpheus, der die liebe proklos zufolge augenlos genannt habe, bei Ficino: »ideo amor ab Orpheo sine oculis dici­ tur, quia est supra intellectum«; Ficino, Theologiae Platonicae, de immortalitate animorum (Ficino, Opera, Bd. i/1, s. 96); der themenkreis ist gut recherchiert; s. wind, [1958] 1987, s. 68ff.; zur Bild­ tradition statt vieler Amor Sacro e Amor Profano, 1995, s. 389ff.

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für den höhenflug der seele betrachtet worden wäre452 und fünftens schließlich die denkbare Allusion an den seelenflug im miniaturhaften Abbild des Montefeltro­Fürs­ ten, nicht allein wegen des rubines als des seelen­symbols von dante, sondern durch den seit der römisch und etruskischen Kunst gepflegten darstellungsusus, die seele in Gestalt eines kleinen Menschen zu präsentieren. diese Form des eidolons ist der seele noch auf der Frontispiz­darstellung eines chorbuches gegeben, das gegen Mitte des Quattrocento für den besten Freund des urbinatischen herzogs, Kardinal Bessarion, entstand (Abb. 78). passend zum psalmenwortlaut (Ps 21, 1), in dem der wunsch zur assumptio der seele laut wird – »Ad te levavi animam meam« (Zu dir, herr, erhebe ich meine seele) –, hält der kniende Bessarion dem im himmel erscheinenden Gottvater seine seele entgegen.453 es ist derselbe Bessarion, der, nebenbei bemerkt, im Besitz griechischer Phaidros­Manu­ skripte war, deren resonanz in seiner Abhandlung Calumniator von 1469 zu verspüren gewesen ist; sie machten sicherlich auch in Urbino eindruck.454 halten wir fest: der Piatto Otto­stich verdankt petrarcas traumvision die großen Züge, ohne (wie die meisten Trionfi­illustrationen ihrerseits) einbezug der todes­Facette, die sich freilich nicht mit der mutmaßlichen Funktion der kleinen stiche als Zierde von Minnekästchen vertrug.455 dass die auch für pieros Bildnisseiten so typische Ambivalenz von trennung und Vereinigung sehr wohl Grundlagen in vergleichbaren themenkrei­ sen besaß, belegt ein um 1470 bemaltes hölzernes paradeschild mit einem liebespaar 452 castiglione, Cortegiano, iV, cap. 68, s. 429: »Quindi l’anima, accesa nel santissimo foco del vero amor divino, vola ad unirsi con la natura angelica, e non solamente in tutto abbandona il senso, ma più non ha bisogno del discorso della ragione; che, trasformata in angelo, intende tutte le cose intelligibili, e senza velo o nube alcuna, vede l’amplo mare della pura bellezza divina, ed in sé lo riceve […].« dessen Folge sei die Vereinigung (»vola ad unirsi«) mit der natur des engelhaften, sowie das schleierlose (»senza velo«) erkennen der »bellezza divina«. diese Vorstellungen waren längst Allgemeingut; zum Brennspiegel der liebe Giovanni Benivieni, Canzona d’amore, in: pico della Mirandola, Commento sopra una canzone, stanza 3, s. 6: »per innato disio che quella accende / in lui reflessa prende / Virtù, ch’ el ricco sen dipinge e forma«; und stanza 7: »n’è, quel che nell’amato obbietto è espresso. / per tre fulgidi specchi un sol da esso / Volto divin […].« 453 (cesena, Biblioteca Malatestiana, cor. Bessarione 2, fol. 1); es handelt sich um das zweite der zwölf chorbücher Bessarions; dazu Ginzburg, [1981] 1991, s. 160 u. Abb. 69–70 und Bessarione e l’ Umanesimo, 1994, s. 275–295, s. 275f. mit der datierung auf 1451/1453, Abb. 87. die seelenreise war Gegenstand in Francesco trainis Triumphus Mortis­Fresko im camposanto zu pisa. 454 Auch für Ficino war Bessarion eine Autorität. er holte Jahre vor der Fertigstellung seiner Phaidros­ Übersetzung Bessarions rat ein. das geht aus einem Brief Ficinos an Bessarion hervor; er nahm Bezug auf platons Phaidros; der Brief abgedruckt in: Ficino, Opera, Bd. i/1, s. 616–617; zu den Phaidros­Manuskripten Bessarions und der Verarbeitung in seinem Calumniator hankins, 1990, Bd. ii, s. 798, nr. c. 4. 455 die these, dass diese stiche direkt auf die deckel von zylindrischen dosen geklebt wurden, vertritt Alison wright in Renaissance Florence. The Art of the 1470s, Ausstellungskatalog (london, the national Gallery of Art, 20.10.1999–16.01.2000), hrsg. patricia lee rubin et alt., london, 1999, s. 338.

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78 Der betende Kardinal Bessarion, ca. 1451–1453, initialbild eines chorbuches, aus: cesena, Biblioteca comunale Malatestiana, Ms. cor. Bessarione 2, fol. 1r 79 niederländischer Meister, Bemaltes Paradeschild, ca. 1470–1480, london, British Museum

(Abb. 79). der tod ist dem vor seiner Angebeteten knienden Kavalier, ein Motto bekräf­ tigt es, auf den Fersen.456 die markante vertikale Zäsur zwischen Mann und Frau ver­ dankt sich denn wohl auch diesem Quertreiber, der die Menschen entzweit. Auf einem 456 (london, British Museum, inv.­nr. 63,5­1.1); das französische Motto lautet: »VOUs OU lA MOrt« (ihr oder der tod); zuletzt als »Frauendienst« gedeutet von Birgit Franke, »ritter und heroen der ›burgundischen Antike‹. Franko­Flämische tapisserie des 15. Jahrhunderts«, in: Städel-Jahrbuch, n.

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schild präsentiert, untersteht diese ikonografie der Prosa-Lancelot­tradition, in dem Königin Guenièvre von der dame del lac ein gespaltenes schild erhält: auf der einen seite war sie, Guenievre, gemalt, auf der anderen ihr geliebter lancelot. es ging die sage, dass sich dieser spalt im Fall der Vollkommnung ihrer liebe schließen werde; und nach ihrer ersten gemeinsamen nacht bestätigte sich diese Verheißung.457 das bereits auf den diptychon­Außenseiten beobachtete Bild von pieros äußerst getreuer Orientierung an der literaturvorlage der Trionfi, bei der dennoch nicht bloß das stur rezeptive Moment überwog, sondern eine eigenständig inspirierte, zum teil kunst­ voll verschlüsselte Form, bestätigt sich auf den Bildnisseiten in Gestalt der sublimen Ver­ schmelzung von petrarcas traumvision mit dem Triumphus Eternitatis. die, wie wir noch sehen werden (s. 408), von petrarca poetisch dargebotene, aber nicht gestiftete idee der temporären Begegnung mit seligen, blieb im Quattrocento beliebt. der humanist Bartolomeo Facio schloß den temporären Besuch der seligen auf erden nicht aus,458 Giovanni pontano, der an den Zusammenhang zwischen träumen und dichten glaub­ te,459 berichtete 1499 im Actius­dialog (in den vielleicht extensivsten Ausführungen des Quattrocento zum traum) von seiner traumerscheinung des verstorbenen Freundes Ferrandus, der ihn sehnlichst umarmte, wie ein heimkehrer aus der Fremde.460 einen gewissen hang der Montefeltro, die wirklichkeit in Verbindung mit fatalistischen träu­ men zu bringen, oder sie von dichtern poetisch in träume zu kleiden zu lassen, ist den späteren Berichten pietro Bembos und Bernardino Baldis über einen traum von Battista sforza zu entnehmen. er prophezeite ihr im April 1471 zeichenhaft die bevorstehende

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F., 16, 1997, s. 113–139, s. 121, Abb. 6; mein dank gilt John cherry (British Museum) für präzise informationen über dieses werk. Lancelot, Bd. Viii, lViiia, 15, s. 209: »en l’une des parties de l’escu avoit .i. chevalier si richement armé com chil le sot mieux faire qui le fist, fors la teste; et en l’autre moitié estoit portraite une si bele dame com on la pot plus bele portraire […]«; dazu haug, 1995, s. 247. – eine Zäsur zeigt sich auch im initialbild »M« eines Antiphons der Benediktiner von san pietro in perugia (new York, columbia University library, rare book and Manuscript library, Ms. plimpton 41, fol. 1); ca. 1472–1476 durch den Buchmaler Jacopo caporali entstanden, zeigt es christus an Küste, der den auf dem Boot stehen­ den hl. Andreas beruft; auch hier dürfte die Zäsur mit einer Bedeutung behaftet sein; s. The painted page, 1994, nr. 124, Abb. s. 233. Facio, De vitae felicitate, fols. B3r–B3v: »et quoniam nemo in hac hominum communitate degens ista assequi possit, propterea beatum neminem existimendum esse« (wenn sie [den himmel] nicht nach eigenem Gutdünken für eine weile verlassen können, dann kann man sie nicht als selige bezeichnen, denn sie wären ja der Freiheit beraubt) (der lateinische text zitiert nach charles trinkaus, In our Image and Likeness. Humanism and Divinity in Italian Humanist Thought, 2 Bde., chicago und lon­ don, 1970, Bd. i, s. 225. pontano, Actius, s. 283; ein Gedicht auf den traum von teodoro sassetti in Fonte, Carmina, s. 10, nr. 12. ebenda, s. 304f.

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Geburt eines sohnes und ihren eigenen tod.461 die für uns relevante Frage bleibt: wel­ che Ambitionen verband piero als Maler mit der darstellung der traumbegegnung?

461 Als Quelle nannte Baldi ludovico Odasio, den aus padua stammenden lehrer Guidobaldos. dem­ nach versank Battista sforza während eines Gebets – bei Baldi vor einem heiligen Bild – in einen tie­ fen schlaf. im traum sieht sie einen hohem Baum, dessen Zweige in den himmel ragen. plötzlich wird sie über diesen Baum erhoben und gebärt einen phönix von wunderbarer schönheit. er bleibt für sechunddreißig tage bei ihr, dann fliegt er gen himmel und die sonne davon. der phönix entzündet sich an den sonnenstrahlen und verschwindet. Als die erwachte Battista diesen traum Federico erzählt, begreift dieser den sinn. Bei Bembo heißt es, Battista habe bald einen Knaben mit sehr schö­ nem und lieblichen Gesicht geboren und sei wenige Monate danach gestorben; vgl. Baldi, Della Vita, Bd. i, s. 5–6: »era del mese di aprile l’anno 1471, e Batista con Federigo si trovava in Agobbio, quando un giorno essa ridottasi nella sua camera, e gittatasi con grandissima umiltà e divozione avanti ad una sacra imagine, poi ch’ebbe alquanto orato con grande affetto di cuore, si gittò sopra il letto, e senten­ dosi riempre in un punto di una inusitata allegrezza, fu sovrappresa da un piacevolissimo sonno, nel qual tempo, come attesta l’Odasio, che ciò poteva aver inteso da coloro che l’avevano udito da lei, parvele di vedere (fosse ciò gagliarda impressione di sogno o presagio più tosto d’animo indovino) d’essere sollevata alla cima d’una pianta, che si stendeva coi rami altissimi e dirittissimi verso il cielo, e ivi partorire una fenice di maravigliosa bellezza, la quale fermatavisi trentasei giorni (sì lunga le parve la brevità quella visione), finalmente aprendo l’ale ratto se le togliesse dagli occhi, e penetrando le sfere celesti giungesse insino al sole, e ivi restando arsa da’suoi raggi, più oltra non si lasciasse vedere. Appe­ na era desta, avendo ancora avanti al pensiero, e negli occhi l’imagine di quel sogno, che le sopraggi­ unse il marito, a cui distintamente narrollo, il quale uditolo, tutto che avesse i sogni per sogni, di questo, parendogli misterioso e ordinato, fece diverso giudizio. trovossi gravida fra tanto Batista; e portato felicemente il parto al suo tempo, a’24 di gennaio 1472, pure in Agobbio, ove le piacque di partorire, sì perchè ivi era rimasa gravida, e sì ancora per la divozione di santo Ubaldo, avvocato di quella città, e intercessore di lei ne’suoi prieghi, un venerdì di notte fra le sette e le otto ore partotì con molto felicità il desiderato figliuolo.« Vgl. pietro Bembo, De Guido Ubaldo, s. 52: »haec ubi est preca­ ta, somnus eam occupat. tum per quietem in altissimae arboris culmine ipsa sibi videtur avem phaenicem parere mirae pulchritudinis quae, sex atque triginta totos dies ei arbori cum incubuisset, caelum volatu peteret tactoque solis globo alis, flamma combureretur neque amplius appareret. haec illa viro cum enuntiavisset fit praegnans; parit tempore puerum pulcherrimi suavissimque oris; ipsa paucis post mensibus moritur.« – der topische charakter dieses traumes ist offensichtlich. in der schilderung vermischen sich eine episode aus der Donatvita über Vergils Geburt (der traum seiner Mutter vom Gebären eines lorbeerreises), der ikarus­Mythos und der traum cäsars in der nacht vor seiner ermordung. laut sueton (Cäsar, 81, 3) träumte cäsar, er werde über die wolken hinausschwe­ ben und Jupiter seine rechte reichen; vgl. Epistula Donati, in: Vergil, Landleben, s. 214; Ovid, Metamorphosen, Viii, vv. 223ff.; sueton, Cäsar, 81, 3. die episode aus der Donatvita könnte in Urbino durch Fileticos Vergil­Vita greifbar gewesen sein (in De viris illustribus, pistoia, Biblioteca Forteguer­ riana, Ms. d 262); vgl. auch die episode bei diogenes laertius, Leben, cap. ›platon‹, iii, 5, wonach sokrates im traum ein schwanenküken auf seinem schoß gesehen habe, das sogleich befiedert und mit süßem Gesang aufgeflogen sei; am nächsten tag sei platon zu ihm gekommen, und sokrates habe bemerkt, dies sei ein Vogel.

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Als Porträtmaler im anderen Seinsbereich: Piero als Maler von Träumen Mit der kunstvollen darstellung der seligen Geliebten des urbinatischen herrschers inmitten himmlischer Gefilde stellte sich piero als Maler in die tradition simone Marti­ nis. Bekanntermaßen begründete petrarca im Canzoniere das gelungene porträt seiner verblichenen Laura mit einem actus gratuitus, konkret: mit der entrückung des Malers simone Martini ins himmlische paradies. dort habe er sein Modell in Augenschein genommen und, kurzweilig der niederen sinnenwelt enthoben, ihre seele (»l’alma«) erfasst. hingegen blieben die irdischen Vorstöße polyklets und seiner Kombattanten unfruchtbar.462 die Unfähigkeit selbst des namhaften antiken Bildhauers zur bildlichen erfassung jener Vorzüge, denen das lyrische ich einst erlag, nämlich lauras wahrer innerer schönheit (eben nicht ihrer äusseren erscheinung), ist, wie wir annehmen dürfen, bereits durch petrarcas Feder, nicht erst in der wirkungsgeschichte ein paragone­Motiv. denn petrarca mangelte es keineswegs an einem Gespür und Bewusstsein für Gattungsgren­ zen innerhalb der figurativen Künste.463 Allein der Maler, ein besonderer Maler aus der

462 petrarca, Canzoniere, nr. 77, bes. vv. 5ff.; vgl. nr. 78, vv. 1ff.; s. Bettini, 1984, s. 224–227; zusam­ menfassend hannah Baader, »Francesco petrarca. irdische Körper, himmlische seelen und weibliche schönheit (1336)«, in: Porträt (Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kom­ mentaren 2), hrsg. v. rudolf preimesberger et alt., Berlin, 1999, s. 177–188 und ingeborg walter und roberto Zapperi, Das Bildnis der Geliebten. Geschichten der Liebe von Petrarca bis Tizian, [ital. orig. rom, 2006] München, 2007, s. 7–26, s. 12ff., s. 22ff.; vgl. Joseph B. trapp, »petrarch’s laura. the portraiture of an imagery Beloved«, in: JWCI, 64, 2001, s. 55–192; Albrecht­Bott, 1976, s. 102ff. land, 1994, s. 81ff.; warnke, 1985, s. 30ff. – in der Kunstliteratur blieb das echo auf die beiden sonette nicht aus; s. zum Beispiel sabba da castiglione, Ricordi, fol. 69v; Varchi, Lezzione, 1, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 40; nach lomazzo, Libro dei sogni, cap. 5, Bd. i, s. 98 hatten petrarcas sonette den effekt, »[…] che in etterno di sé durerà il nome.« 463 sein Gattungsbewusstsein ergibt sich auch aus der Aufzählung der Maler in petrarca, Rerum senilium libri, i, 6; Bd. i, s. 81: »[…] pictoribus […] Zeuxim aut prothogenem aut parrhasium aut Apellem si nostro seculo dati essent.« siehe auch die Zusammenschau in App. iii/A­a. Zur wirkungsgeschichte gehört ein ikonisches porträtgedicht von Ulisse aus der zweiten hälfte des Quattrocento; es bezieht sich auf Mantegnas nicht erhaltenes Bildnis einer Nonne. darin heißt es: »Quando fortuna, e il ben disposto cielo 1 sciolse dal proprio nido alle salse onde, quel spirto divo, in cui natura infonde virtù, che vince ogn’altro col penelo; d’uno angelico volto sotto un velo, 5 che per stupore ogni anima confonde, et già fu cinta de le sacre fronde, che di Giove non teme alcun suo telo; la mano industriosa et l’altro ingegno, l’imagine raccolta nel concepto, 10 scolpì in pictura propria viva e vera. […].«

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sicht von petrarca freilich, genießt die göttliche Gunst – der Bildhauer ausdrücklich nicht. es ist primär ein superatio­Motiv im spiel.464 Zunächst ist folgende Beobachtung wichtig: Mit der Versetzung des Bildniskünstlers in einen so erhabenen, sein Vorhaben begünstigenden seinsbereich liegt eine sonderform des inspirierten Virtuosen vor, des­ sen traditionsstrang sich seit der Antike gut verfolgen lässt.465 Als paragone muss petrar­ cas sonett Per mirar Policleto a prova fiso schon im Ansatz anmuten, indem es einen tra­ ditionell – bei Autoren wie cicero, dion von prusa, pausanias, philostrat, strabon und anderen – stets auf den göttlich inspirierten Bildhauer (meist phidias) gemünzten topos auf einen zeitgenössischen Maler überträgt, ja in einer kühnen Umkehrung des Gewohnt­ en verfährt. Bei näherem hinsehen ist jedoch festzustellen, dass ein Großteil der besag­ ten Quellen zu petrarcas lebzeiten noch nicht greifbar waren. daher ist eine bewusste Verkehrung von polyklets wundersamer schau der hera, wie sie die Anthologia Palatina vermittelt, auszuschließen, so verlockend dieser Gedanke ist.466 Aus der perspektive des Albrecht­Bott, 1976, s. 105, Anm. 257; weitere Beispiele s. 105–113. Unter dem eindruck von petrar­ cas worten über simones Laura­Bildnis steht ein vor Mitte des Quattrocento verfasstes Gedicht des Venezianers leonardo Giustinian, Non perder, donna, el dolce tempo c’ hai (Il fiore della lirica veneziana, hrsg. v. Manlio dazzi, Bd. i: Dal Duecento al Cinquecento, Venedig, 1956, s. 99): die kleinforma­ tig auf ein stück papier gemalte herzensdame wird mit einem heiligenbild verglichen, das die hefti­ gen Affekte des liebenden auf sich zieht, der vor dem Bildnis in die Knie sinkt und es liebkost (vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 14; 18): »i’t’ho dipinta in su una carticella, come se fusti una santa de dio. Quando mi levo la mattina bella ingenocchion mi butto con desìo. 20 sì t’adoro, e poi dico: – chiara stella, Quando farai contento lo cor mio? – Bàsote poi, e stringo con dolcezza: poscia mi parto, e vòmená la messa.« 464 diese Art der Ablehnung ist nicht selbstverständlich; es sei an die sequenz bei lukian erinnert: die Götterbilder der Bildhauer verehre man, nicht aber ihre schöpfer; s. lukian, Traum, 9; vgl. die Über­ setzung bei lapo di castiglioncho, s. App. i/B und cap. iii.2.3. 465 Allgemein zum inspirierten Künstler Kemp, 1977, s. 347–398; über den eindruck des göttlichen furor auf Künstler Brann, 2002, s. 136–142; christoph Joseph steppich, ›Numine afflatur‹. Die Inspiration des Dichters im Denken der Renaissance, wiesbaden 2002; Freedberg, 1989, passim; Maria catherine ruvoldt, The Sleep of Reason. Inspiration and Creativity in Renaissance Imagery, Ann Arbor, 1999; eugène n. tigerstedt, »the poet as creator. Origins of a Metaphor«, in: Comparative Literature Studies, 5, 1968, s. 455–488; Blumenberg, 1957, s. 266–283. 466 Zu dieser stelle, s. AP, XVi, nr. 216; es heißt, polyklet allein habe hera sich anschauen dürfen, und er habe ihr standbild so geformt, wie er es sah; ein epigramm erwägt die herabkunft des Zeus zur erde oder die entrückung des phidias zu ihm; ebenda, XVi, nr. 81; nach cicero, Orator, 2, 8f. wurde phidias zum entwerfen seines Kultbildes des Zeus von Olympia in den himmel entrückt; phidias als empfän­ ger eines Zeichnens von Zeus; s. pausanias, Beschreibung Griechenlands, V, 11, 1–11; phidias habe Göttliches sichtbar gemacht; s. dion von prusa, Olympische Rede, § 53, s. 85 (vgl. § 26, s. 63); vgl.

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Quattrocento allerdings musste das Canzoniere­Motiv, infolge der entdeckung all dieser schriften, im nachhinein revolutionärer wirken, als es war. ein in diesem Kontext unbeachtetes, im Mittelalter aber häufig konsultiertes werk der symposionliteratur ver­ half der schier übersinnlichen schau eines Malers zum durchbruch: das Gelehrtenmahl des Athenaios. in diesem Buch aus dem dritten Jahrhundert nach christus liegt der Aus­ nahmefall vor, nicht ohne Ansätze bei plinius. im Bericht von Athenaios über parrha­ sios’ Gemälde des Herakles von Lindos heißt es, Gott [sc. herakles] habe vor dem träu­ menden parrhasios »in der für das Bild geeigneten haltung« posiert, was den Maler zu folgender inschrift auf seinem Gemälde bewogen habe: »wie er sich oft dem parrhasios zu nächtlicher stunde im traumbild zeigte in voller Gestalt, so ist er hierauf zu sehen.«467

strabons Erdbeschreibung, Viii, 354. Bei philostratos antwortet Apollonios auf die Frage, ob phidias und praxiteles in den himmel gestiegen seien und die Götter dort in ihren statuen nachgebildet hät­ ten, dass weisheit im spiel gewesen sei; s. Flavius philostratos, Leben des Apollonios von Tyana, Vi, 19. Allgemein zu diesem topos Kris/Kurz, 1980, s. 68ff.; vgl. Felix preisshofen, »phidias­daedalus auf dem schild der Athena parthenos«, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 89, 1974, s. 50–69; pfisterer, 1999, s. 61–97, s. 75f.; thielemann, 1996, s. 67ff. eine ironische Umkehrung des topos bietet die Grabinschrift für Giulio romano. in ihr heißt es, dass Jupiter voll Zorn über die atmenden Körper, die romano geschaffen habe, ihn von der erde geholt habe; s. Vasari, Vite, Bd. V, s. 557: »Videbat Juppiter corpora sculpta pictaque 1 spirare, et aedes mortalium aequarier coelo Julii virtute romani: tunc iratus concilio divorum omnium vocato illum e terris sustulit; quod pati nequiret 5 Vinci aut aequari ab homine terrigena.« Vgl. auch das epigramm Martials über die vom Bildhauer carus gefertigte domitian­Büste (Martial, Epigrammaton liber, iX, 24). 467 Athenaios nennt theophrasts werk »Über Glück« als seine Quelle; s. Athenaios, Das Gelehrtenmahl, Xii, 543, Bd. i, s. 147 (Üs: claus Friedrich); auch plinius zufolge sah parrhasios den Gott im traum; vgl. plinius, NH, XXXV, 71, s. 58: »[…] herculem, qui est lindi, talem a se pictum, qualem saepe in quiete vidisset«; selbst ein plinius­Kommentator des Quattrocento verweist explizit auf Athenaios, s. Barbaro, Castigationes Plinianae, Bd. iii, s. 1127; Beispiele für den topos des im himmel gemalten Bildnisses seit der renaissance in Albrecht­Bott, 1976, s. 192; latent ist das Motiv den himmlisch inspirierten Malers in einem 1453 verfassten Gedicht panormitas greifbar: einem totes Kind wird nachgesagt, es gleiche den von Apelles gemalten himmlischen seelchen; s. Aurispa, Carteggio, s. 171. – dass petrarca motivisch unter dem eindruck des hl. lukas als Madonnenmaler stand, kommt nicht in Betracht. der in Byzanz zeitlich früher fassbare Aspekt der lukias­hagiografie wurde zwar im westen, seit einer Bemerkung in der Legenda Aurea, zunehmend verbreitet, als thema der Malerei wurde dies allerdings erst im späten 14. Jahrhundert entdeckt. die Legenda Aurea (s. v. Gregorius) kennt allein die wundersame wirkung dieses Madonnenbildes, nicht aber den inspirierten Maler lukas. Allgemein zur lukas­ikonografie, s. Wettstreit der Künste, 2002, s. 70–81.

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das Gemälde selbst dient demzufolge als Beweis für das visionäre Vorkommnis. die Offenbarung im traum war es, die den Maler zu schier Unmöglichem befähigt hat. Mit einem wort: Originell an petrarcas sonett war weniger die wahl eines Malers für die begnadete schau; originell war vielmehr, dass auf das porträt einer seligen ein topos angewendet wurde, der ursprünglich (wegen der erfassung des numinosen der Götter) zur nobilitierung kultischer Götterdarstellungen fungierte. Als tertium comparationis diente das residieren im himmel. dank dieses traditionsgutes war die porträtierte her­ zensdame petrarcas dazu ausersehen, latent divinisiert zu erscheinen. diese Aura erhielt in pieros diptychon Battista sforza. sie, oder vielmehr die ›Battista‹ der Iocundissimae disputationes, beteuerte in ihrer terminologischen differenzierung zwischen »dii« (Götter) und »divi« (Göttliche), dass der erste Begriff den ewigen gelte, der zweite den erst nach ihrem Ableben in »dii« verwandelten Menschen, den Vergöttlichten.468 wenn das urbinatische Fürstenpaar auf den Bildnisseiten an die stelle der Zentralfi­ guren der traumbegegnung trat, dann ist piero in den spuren simone Martinis genau der Maler, dem auf Grund eines Gnadenaktes die schau und die darstellung der seligen gelang. Anders als sein Vorgänger aus siena beschränkte sich piero nicht auf das porträt der seligen Geliebten. er malte auch den hinterbliebenen und stellte diesem – (mit Alberti gesprochen) wie ein »zweiter Gott« – die Verblichene zur seite. piero verlieh dem tröstlichen Augenblick von petrarcas ephemerer traumvision mit der wiedergabe in einem Gemälde ›ewigkeit‹ – darin besser als der Canzoniere­dichter und, angesichts der erhöhten schwierigkeit der themenstellung, selbst dem simone Martini überlegen. petrarcas zweites sonett auf das porträt verschweigt keineswegs die Grenzen von simo­ nes mimetischer leistung. in diesem spricht petrarca das Bildnis an; aber es bleibt ihm jämmerlich eine Antwort versagt (v. 11). der dargestellten fehlen denn doch stimme und Geist (»voce ed intellecto«; v. 4), ganz in entsprechung zur weitaus populärsten Kritik der humanisten an den Bildkünsten.469 so verkehrt sich das enthusiastische Maler­lob in das eingeständnis der Überlegenheit des mythischen Bildhauers pygmali­ on, da dessen statue lebt.470 Mit anderen worten: nach Gattungskriterien liegt ein chi­ astisches Konstrukt vor. im ersten sonett trägt ein zeitgenössischer Maler den sieg vor einem antiken Bildhauer (polyklet) davon, im zweiten sonett gewinnt ein Bildhauer, wohlbemerkt ein mythischer (sc. pygmalion), die Oberhand gegenüber diesem Maler. dank höherer eingebung beherrscht der meißelnde Virtuose die erforderliche Mimesis

468 Filetico, Iocundissimae disputationes, ii, s. 216: »dii immortales sunt qui sempiternam in caelo vitam agunt, quos etiam divos nominamus. sed inter deos divosque permultum interesse censeo, quod dii aeterni sint, divi vero ex hominibus facti dei et ideo dicti quia mortis diem obiverint.« 469 exemplarisch: AP, Xi, nr. 433 (mittels der Farbe würde ein Maler nie die stimme in ein Gemälde schmuggeln). 470 Zu pygmalion auch petrarca, Triumphus Cupidinis, i, 2, v. 184, s. 494: »pigmalion con la sua donna viva«; Ovid, Metamorphosen, X, vv. 238ff.; Wettstreit der Künste, 2002, s. 142ff., s. 394–405.

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perfekt. Zur Beseelung seines Bildnisses reicht dies nicht. ein solches Unterfangen verweist petrarca in den Bereich des Mythischen. Besonders mit der präsentation eines lie­ bespaares trumpfte piero auf, sofern man die Aussage Ovids über den Blick, den sich ver­ traute liebende zuwerfen, als triebfeder wirk­ sam sieht; heißt es doch: »ein schweigender Blick hat oftmals stimme und wort«.471 Aber die unzweifelhaft größte herausforderung, der sich piero in Urbino stellte, lag in der wie­ dergabe des ephemeren, einer erscheinung. dem Montefeltro­Fürsten konnten pieros profunde erfahrungen in traumdarstellun­ gen, wie er sie gegen 1463 mit dem Traum Konstantins (Abb. 80) im Kreuzeszyklus von Arezzo bewies, nicht entgangen sein, so sehr damals bewährte ikonografische Muster am walten waren, auf die piero in Urbino verzich­ tet hat.472 Ja, er verwahrte sich augenscheinlich gegenüber dem seit dem Mittelalter üblichen Klischee der simultandarstellung des schla­ fenden träumenden, vor dem sich der traum­ inhalt entfaltet.473 nach Macrobius’ höchst einflussreicher Kategorisierung von träumen, belegbar durch Gepflogenheiten mittelalter­ 80 piero della Francesca, Der Traum Konstantins, licher traumdarstellungen, entspricht der Zu­ ca. 1463, aus dem Zyklus: Die Kreuzeslegende, Arezzo, stand, in dem der träumende Federico ge­ san Francesco öffneten Auges (!) Battista fixiert, der visio, dem flüchtigen Zuteilwerden des geheimem Zukünftigen im wachen oder im halb­ wachen Zustand.474 dergestalt führt ein unbekannter lombardischer Meister gegen 1488 471 Ovid, Ars amatoria, i, v. 574, s. 46/47 (Üs: niklas holzberg): »saepe tacens vocem verbaque vultus habet.« 472 Vgl. Piero della Francesca, 2007, s. 81f.; und Battisti, 1992, Bd. ii, Kat. a.7, s. 464. 473 nach diesem schema wurde zuweilen auch der träumende petrarca dargestellt; s. trapp, 1996, Abb. 23, Abb. 26; allgemein zum thema s. die verschiedenen Beiträge zur mittelalterlichen traumikonografie in: Träume im Mittelalter. Ikonologische Studien, hrsg. v. Agostino paravicini Bagliani, stuttgart, 1989, s. 7ff. 474 Zur visio Macrobius, In somnium Scipionis, i, 3, 9–10, Bd. i, s. 48: »visio est autem cum id quis videt quod eodem modo quo apparuerat eveniet. amicum peregre commorantem quem non cogitabat visus

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ludovico il Moro vor, dem bei geöffnetem Fenster eine Madon­ nen­Vision zuteil wird (Abb. 81).475 pieros Vorlage selbst schon, petrar­ cas traumvision als Vorwegnahme des Triumphus Eternitatis, darf als Musterbeispiel der visio gelten, und nicht von ungefähr sticht die pa­ rallele zu dem von Macrobius auf­ geführten prototyp ins Auge: es ist der traum von der rückkehr des Freundes aus einem fremden land, der sich alsbald bewahrhei­ ten werde. das (wie bei Federico da Montefeltro) halbgeöffnete Auge 81 lombardische schule, Lodovico il Moro erscheint die Madonna mit Kind, ca. 1490, Mailand, Museo poldi pezzoli deutete ebenso wie das weit auf­ gerissene Auge den tranceartigen Zustand desjenigen an, der den traum durchlebt, kein passiver Zustand, sondern eine rege geistige Aktivität, gemäß der augustinischen idee der imaginatio, der Fähigkeit der seele zur hervorbringung von Bildern.476 es bedurfte freilich keines Augustinus’, damit sich literarisch entworfene traumbilder wie Gemälde ausnehmen. Man denke an die »imago / coniugis« des verstorbenen sychaeus, der Vergils dido aufwühlt.477 die Gren­ zen zu den echten, von der sehnsucht angesichts des trennungsschmerzes hervor­ gebrachten Bildern wurden fließend, seitdem ein dichter, dante, die selige Beatrice an ihrem ersten todestag infolge einer schau als engel im paradies gezeichnet haben woll­ te: »Jemand anderer war soeben mit mir«, gesteht er in der Vita nuova, »und darum war

sibi est reversum videre, et procedenti obvius quem viderat venit in amplexus.« Zum traum mit offe­ nen Augen Alberti, Momus, iii, s. 282/283. die geschlossenen Augen gehören zum somnium; nach diesem typus ist petrarca zu Beginn einer französischen Trionfi­handschrift (Bn, Ms. Fr. 594, fol. 3r) des frühen 16. Jahrhunderts dargestellt; s. trapp, 2001, s. 47, Abb. XXVi. – Mittelalterliche Bildbei­ spiele für den träumenden mit offenen Augen in Träume im Mittelalter, 1989, s. 16, Abb. 6; s. 15, Abb. 5, s. 16, Abb. 6, s. 21, Abb. 10. 475 (Mailand, Museo poldi pezzoli, inv.­nr. 1636/649), Best.­Kat. Mailand, 1982: Museo Poldi Pezzoli. Dipinti, hrsg. v. carlo pirovano, Mailand, 1982, s. 82–83, Kat.­nr. 26, s. 230, Abb. 142; die datier­ ung von Malaguzzi­Valeri, 1913–1923, Bd. i, s. 468 stößt auf allgemeine Akzeptanz; er brachte die szene mit der schweren Krankheit des Moro in Verbindung, an der er gegen 1488 litt; aus dieser Zeit stammt auch die imprese: »MeritO et teMpOre«. 476 Augustinus, Liber de spiritu et anima (PL, Bd. Xl, sp. 798). 477 Vergil, Aeneis, i, vv. 353–354, s. 26: »ipsa sed in somnis inhumati venit imago / coniugis;«.

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ich in sinnen«.478 nichts wurde dem ephe­ meren und irrealen wesen des traumes so sehr gerecht wie ein spiegel, dessen Ober­ fläche das momentan erscheinende flüchtig in sich aufnimmt, um es flugs wieder auf­ zulösen. Jesus sirach (34, 3) kann daher behaupten: »das traumbild ist ein spiegel, / das Abbild eines Gesichts gegenüber dem Gesicht selbst.« dieser Gedanke fand in Battistas kleiner Medaillonspiegelung frag­ los seinen widerhall. Federico erscheint in dieser, und so bekundet dieser reflex seine augenblickliche, eben nicht dauerhafte Ge­ genwart vor ihren Augen, darin dem rund­ spiegel an der wand einer wenig zuvor 82 werkstatt des Évrard d’espinques, Die Königin Guenievre erblickt Lancelot im Traum, ca. 1470 aus: entstandenen Lancelot­illustration nicht un­ Lancelot-Graal, paris, Bibliothèque nationale, ähnlich, der eindringlich Kunde davon Ms. fr. 115, fol. 446r gibt, dass sich im traum der wunsch der Königin Guenievre erfüllt, den abwesen­ den lancelot bei sich zu haben (Abb. 82).479 in Jean Froissarts Espinette amoureuse, gegen 1365–1372 verfasst, legt der Kavalier den spiegel unter sein Kopfkissen; in ihm erscheint seine herbeigesehnte Flamme im traum.480 seit Moletas Aufsatz von 1992 hat die Forschung in den letzten Jahren einem am sizilianischen hof Friedrichs ii. (mitunter durch den dichter Giacomo da lentini) auf­ gekommen topos sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, der, einschlägig für die liebes­ dichtung, künftighin eine immer größere Verfeinerung erlebte. er muss uns wegen der intimen stelle interessieren, an der Battista ihren liebsten an sich trägt: auf ihrem her­ zen. es ist die Vorstellung des ins herz, die seele oder in den Geist des liebenden gemal­ ten Bildes des geliebten Menschen, die eine ältere Metapher belebt, die das herz als wohnstätte des Geliebten auffasst. ihrer bediente sich mitunter Ovid (»pectore sedit

478 dante, Vita nuova, XXXV, 1, s. 50; die Andeutung der schau im vorangehenden Gedicht und den nachfolgenden Zeilen: »›Altri era testé, però pensava‹.« 479 (BnF, Ms. fr. 115, fol. 446r); zu dieser szene Lancelot, Bd. iV, s. 119–121; s. Träume im Mittelalter, 1989, Farbabbildung 37, s. 216; diese rolle des spiegels ist keine seltenheit in der liebesdichtung. in den tischgesprächen Albertis hat die personifikation der Beneficentia (wohltat) einen spiegel vor ihrem herzen (»ad pectus heret speculum«); Alberti, Intercoenales, iii, s. 131. 480 Froissart, Espinette amoueuse, vv. 2413ff., bes. vv. 2573–2575, s. 122–123: »›en ceste glace / se miroit ceste qui me lace / le coer et tient sougit sous soi‹«; und vv. 2620ff.

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Amor«).481 Übersehen wurde bei all dem, dass kein Geringerer als petrarca in einem sei­ ner Altersbriefe, den er gegen 1370 an den paduaner humanisten lombardo della seta richtete, diesen Gemeinplatz in einer weise bereicherte, die alle bisher genannten Zeug­ nisse hinsichtlich ihrer tragweite für die frühneuzeitliche Kunsttheorie in den schatten stellt. das liegt an zwei Gründen: erstens bereitet er mit der erwogenen Ambivalenz von An­ und Abwesenheit der geliebten person in diesem Kontext ein denkbild vor, auf dem Albertis Vergleich der Malerei mit der Freundschaft mithin gründet; zweitens fügte petrarca diesen topos selbst erstmals in den Bedeutungsrahmen des paragone ein. sehen wir uns petrarcas Brief an: ihm kommt ein Aeneis­Zitat in den sinn. es bezieht sich auf das quälende sehnen der dido, die im Geiste, im traum (v. 9), glühend vor liebe den herrlichen Mut und Adel ihres Mannes sieht, als es heißt: »›es haftet im herzen innig sein Antlitz / und sein wort‹«. petrarca meinte in dieser sequenz das Glück der Abwe­ senden zu verspüren. dieses gelte für jene, »die sich in den Geist weiche Bilder ihrer Freunde gemalt* [depinxerunt] haben. denn diejenigen, die sie sozusagen wie in festen Marmor eingemeißelt* haben [de marmore insculpserunt], fühlen keine ›leichte und ephemere‹, sondern eine dauerhafte Freude über den Freund, nicht nur, selbst wenn man ein stück erde von ihm entfernt ist, sondern auch, wenn er gestorben und begraben ist.«482 Freilich, mit der Antinomie ›gemalt‹ oder ›gemeißelt‹ steckte petrarca wesentlich das intervall ab, in dem das Freundesbild, je nach stärke der eindruckskraft, graduell unter­ schiedlich im Gedächtnis haften bleibt. erwartungsgemäß steht ›gemalt‹, wie in Albertis 481 Ovid, Remedia amoris, v. 268, s. 192; Vincent Moleta, »›Voi le vedete Amor pinto nel viso‹ (V.n., XiX, 12). the roots of a Metaphor«, in: DS, 110, 1992, s. 57–75; mit Verweis auf den nachantiken Beginn der Metapher in der provençalischen troubadour­lyrik; weiterführende literatur zusammen­ gefasst in pfisterer, 2008a, s. 292ff.; der Verweis auf die illustration einer in padua, im späten 13. Jahr­ hundert entstandenen sammelhandschrift, die, passend zu einem liebesvers, einen liebenden mit dem rundbild seiner Geliebten auf der Brust zeigt; s. ebenda, s. 293, Abb. 124 (new York, pierpont Morgan library, Ms. M. 819, fol. 59r). – die Metapher hat Vorläufer in der Bibel; offenbar wurde die alttestamentliche Vorstellung des ins herz schreibens (Prov 3, 3: »scribe in tabulis cordis tui«; vgl. ii Kor 3, 3; Prov 7, 3; Jer 17, 1) auf das ins herz Malen übertragen. Auch die Vorstellung, dass Gott im herzen des Gläubigen wohne (Hld 8, 6; Ecc 38, 27; Eph 3, 17), gebiert nach der wandlung zur liebes­ metapher seit dem 12. Jahrhundert nuancen, beispielsweise die idee der/des ›ins herz geschlossenen‹ Geliebten/Freundes; das herz wird zuweilen als schrein vorgestellt; sehr instruktiv zur breiten Über­ lieferungstradition Friedrich Ohly, »cor amantis non angustum. Vom wohnen im herzen«, in: der­ selbe, Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, darmstadt, 1977, s. 128–155. 482 Vergil, Aeneis, iV, vv. 4–5 (Üs: J. Götte); s. petrarca, Rerum senilium libri, XV, 3 (s. App. iii/A­a, nr. 9); petrarca verwendet die Formulierung »ins herz gemeißelt« zudem in Familiarum rerum libri, XXi, 11, 5; vgl. auch philostrats Beschreibung des Gemäldes mit einer Bakchantin; von ihr heißt es, »weil sie dionysos liebt, stellt sie sich sein Bild vor Augen, malt es sich aus und sieht ihn, wenn er auch fern ist, vor sich«; der Ausdruck ihrer Augen sei nicht frei von »liebesträumen«; philostratos, Imagines, ii, 17, 9, s. 225.

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Katachrese von narziss als Maler, für das flüchtige Bild und Glück (und narziss reiht sich nicht umsonst in petrarcas defilee der unglücklich liebenden ein); 483 ›gemeißelt‹ meint das dauerhafte Bild, das Bestand hat. Aber genau dieser, in petrarcas schriften nicht weniger als drei Mal reflektierte Kontrast zwischen den figurativen Künsten ist es, mit dem er dem paragone um die eternità für lange Zeit stoßkraft verlieh. noch der dante­Kommentator cristoforo landino übernahm 1481 den binären Gegensatz, um die Purgatorio­reliefs von der Malkunst abzukanzeln.484 piero machte sich dieses Vorstel­ lungsgut auf frappante weise dienstbar. Gemalt, wie er ist, schien der Medaillonreflex passend für das flüchtige Glück der traumbegegnung zu sein. Fern von einer leibhafti­ gen Begegnung trug sich diese einzig in der welt des träumenden zu. der träumende gewahrt in diesem erweiterten Bewusstseinszustand dinge, zu deren Kenntnis wir, dante zufolge, nicht gelangen können, »[…] se non co[me] sognando«.485 der Bild­ betrachter wird zum Mitwisser des träumenden, er ahnt die eschatologische dimension, er kommt daher nicht umhin, das, was der Malkunst herkömmlich zur schwäche gereichte, gar als ihre besondere stärke anzuerkennen. ins positive gemünzt, heißt das nur scheinhafte, trügerische der Malerei die Fähigkeit zur darstellung des transitori­ schen Momentes mit allen spitzfindigkeiten einer erscheinung.486 poggio Bracciolini wählte in De vera nobilitate für träume das synonym »falsche Bilder« (»falsis imagi­ nis«).487 der mitunter durch diogenes laertius verbürgte Vergleich von Gemälden mit träumen verwundert denn auch nicht. dass der traum bei lancilotti und lomazzo in der Kunstliteratur schließlich zur darstellungsform des irreal reizvollen Kunst­dialoges avancierte, fügt sich in dieses Bild.488 erinnern wir uns an die beiden zitierten literarischen reflexe aus Urbino auf pieros Medaillonbild: santis würdigung der gemalten, transparenten, im Glanz erstrahlenden rubinspiegelung und lazzarellis Verse über das zweite, das in ihr herz gemeißelte (!) Fürstenporträt. Unüberhörbar kontrovers wurde die gattungsspezifische Beschaffenheit dieses Kleinods am urbinatischen hof bewertet. es war Gegenstand des paragone, wobei lazzarelli primär ein passender Ausdruck für die tiefe, die dauerhafte einprägung im herzen vorschwebte, vergleichbar mit einer sequenz aus Fileticos Iocundissimae disputa483 petrarca, Triumphus Cupidinis, i, 2, v. vv. 145–148. 484 siehe App. ii/B, nr. 13; die drei petrarca­stellen zur eternità in App./A­a, nr. 3, nr. 5, nr. 9. 485 dante, Convivio, iii, 15, 6, Bd. iV/3, s. 102; plutarch, Moralia, 166c überliefert ein diktum von heraklit über den in seiner eigenen welt umherschweifenden schlafenden. 486 so lautet die definition der Malerei bei cennini, Libro dell’arte, cap. i, s. 4: »[…] dimostrare quello che non è, sia.« siehe summers, 1981, s. 41–55. 487 Bracciolini, De vera nobilitate, 42, s. 21: »[…] somniis similima, que cum dormientes falsis imaginis satis exagitarint […].« 488 dazu cap. iii.1 und Schema 1; diogenes laertius, Leben, cap. ›epikur‹, X, 51: es wäre wohl die Ähn­ lichkeit der erscheinungsbilder, wie sie gleichsam im Gemälde wahrgenommen werden oder in träu­ men auftreten.

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tiones. in dieser bekommt Battista von ihrem Bruder zu hören, ihm seien Verse, die er sich einprägen wolle, ›ins herz geschrieben‹.489 Verständlich angesichts der in die Bild­ nisseiten hineingelegten endzeiterwartung wird nun, warum es das herz der Spes (alias Battistas) ist, das lazzarelli in De gentilium deorum imaginibus sagen lässt: »dann [sehe ich] etwas, das wunderbar ist. es ist dasselbe Bild [auxiliaris imago] / unseres Fürsten von Urbino, das in ihr herz gemeißelt ist.«490 Auf den mit einem spiegel konnotierten prognostischen Zug stößt man im gleichen Buch: »du siehst zukünftige dinge in dei­ nem Geist und siehst alle Zeiten wie in einem spiegel.«491 die Battista der traumvision verkörpert hoffnung und Klugheit; Spes und Prudentia wenden ihr nicht versehentlich ihr Antlitz zu. petrarca setzte den spiegel und die mit dem memento mori einhergehende erkenntniskraft im Triumphus Temporis (v. 56–57, s. 550) ein: »[…] dinanzi agli occhi un chiaro specchio / ov’io veggio me stesso e ’l fallor mio«. was piero im Montefeltro-Diptychon auf exzellente weise durchführte, ist die mehr als nur schulgerechte Umsetzung von Albertis hochtrabener Vision über die Kraft der Malerei, die selbst Abwesende zugegen und tote lebendig machen kann.492 piero fügte die selige und den hinterbliebenen auch diptychisch zusammen und leistete auf diese weise etwas, das seit einem autoritativen Vergleich – dem wettstreit zwischen Brief (sc. schrift) und Bild in einer epistel senecas – als privileg der Briefkultur galt. seneca zufol­ ge bringe allein der Brief, in dem sich der andere mit echten spuren zeige, Getrennte zusammen, wohingegen Bilder von Abwesenden, so willkommen sie seien, nur als trüge­ risch­nichtiger trost zu bewerten seien.493 der althergebrachte topos vom Geliebten­ 489 Filetico, Iocundissimae disputationes, i, 165, s. 154: »carmina enim illa tua, memoratu dignissima, in hoc pectore scripta sunt omnia […].« 490 siehe lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus (cap. »spera«, i, vv. 379–380, s. 24); vgl. auch – mit anderem Bezug – santi, La vita, XiV, cap. 56, vv. 145–147, s. 419: »Onde, per questo, como in calda cera / facil se imprime, cusì el conte in core / sculpì della vertù sublime e altera«; vom eingemeißelten Bild im herzen spricht auch Giovanni Benivieni, Canzone d’amore, in: pico della Mirandola, Commento sopra una canzone, stanza, 6, s. 12: »indi qualor dal sol ch’en lei n’è sculto / […] cor«; gegen 1360 behauptet petrarca das Freundschaftsbild, das ein Goldschmied aus Brescia von ihm bekam, in sein herz »gemeißelt« zu haben; s. petrarca, Familiarum rerum libri, Bd. iV, s. 79f.; einen Amor­ tempel mit silbernen Votiv­herzen erdenkt sich Visconti, I canzonieri, nr. 200. – Zu dem ins herz gemalten Bild Fazio degli Uberti, Dittamondo, iii, 21, vv. 38–39, in: Fazio degli Uberti, Il Dittamondo e le rime, hrsg. v. Giuseppe corsi, Bari, 1952, s. 243: »[…] ›Fa che dentro al cuor dipinghe / ciò che vedrai con gli occhi de la fronte.« 491 lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, ii, v. 67, s. 67–68: »seu quia tu sapiens specularis mente futura / et tamquam in speculo tempora cunta vides.« 492 Vgl. Alberti, De pictura, ii, 25. 493 seneca, Ad Lucilium, iV, 40, Bd. iii, s. 312/313: »Quod frequenter mihi scribis, gratias ago: nam quo uno modo potes, te mihi ostendis. numquam epistulam tuam accipio, ut non protinus una simus. si imagines nobis amicorum absentium iucundae sunt, quae memoriam renovant et desiderium absen­ tiae falso atque inani solacio levant, quanto iucundiores sunt litterae, quae vera amici absentis vestigia,

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oder dem Freundes­Bildnis als ›duplikat‹ und ikonischem ersatz für den zurückgelasse­ nen liebenden (er stiftete, um im urbinatischen Ambiente zu bleiben, noch den concetto für das Gedicht castigliones auf das porträt, das raffael von ihm schuf)494 existierte im Quattrocento in der höchst eigentümlichen, in pieros diptychon virulenten spielweise, die das Bildnis des geliebten Abwesenden als spiegel begreift. so verwies gegen 1470 der in Verona gebürtige Antiquar Felice Feliciano, in weiterführung eines ciceronischen Gedankens vom Freund als alter ego, darauf, dass er in das Konterfei des abwesenden Freundes wie in einen spiegel hineinschaue und mit diesem plaudere.495 tatsächlich, ursprünglich die Briefeschreiber und sodann auf ihren spuren die Bildniskünstler fass­ ten ihr Medium wegen der innewohnenden kommunikativen Kraft als spiegel auf, zumal die geliebte person, die als komplementärer teil des liebenden galt,496 auch zur veras notas adferunt! nam quod in conspectu dulcissimum est, id amici manus epistulae inpressa praestat, agnoscere.« Vgl. dondis Brief in paul O. Kristeller, »il petrarca, l’umanesimo e la scolastica a Venezia«, derselbe, Studies in Renaissance Thought and Letters, Bd. ii, rom, 1985, s. 217–238, s. 233; zu Briefen, guten Gedanken und erinnerungen als trost für den abwesenden Freund, s. petrarca/ Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 53, s. 197, s. 198 mit Verweis auf seneca. ein Vergleich zwischen Freundschaft und Malerei bleibt bei seneca nicht aus; s. seneca, Ad Lucilium, i, 9, 7, Bd. iii, s. 50/51 (Üs: M. rosenbach): »Attalus philosophus dicere solebat iucundius esse amicus facere quam habere, ›quomodo artifici iucundius pingere est quam pinxisse‹« (der philosoph Attalus pflegte zu sagen, reizvoller sei es, [einen] zum Freund zu gewinnen als zu haben, ›wie es für einen Maler reizvol­ ler ist, zu malen, als gemalt zu haben‹); vgl. die prüfung eines Bildhauers (d. h. die Qualität seiner werke) und eines Freundes in Xenophon, Memorabilien, ii, 6, 6. – Jody l. cranston, The Poetics of Portraiture in the Italian Renaissance, cambridge, 2000, s. 79ff. 494 die elegie Sola tuos vultus referens, Raphaelis imago von ca. 1519 ist, in die Form eines fiktiven Briefs gekleidet, aus der perspektive der in Mantua zurückgelassenen ehefrau ippolita verfasst und ist nach shearman, 1992, s. 135–136, Farbabbildung Xii, ein rekurs auf das lamento der Aretusa in pro­ perz, Elegiae, iV, 3; nicht anders Albrecht­Bott, 1976, s. 145f.; vgl. auch Ovid, Remedia amoris, v. 584 und das wachsbild des Geliebten als Verhängnis der laodamia vv. 723f.; die nähe der Freunde trotz entfernung auch bei Xenophon, Erinnerungen an Sokrates, ii, 3, 19; Maurizio Bettini, Il ritratto dell’amante, turin, 1992. 495 es handelt sich um einen Musterbrief an einen beliebigen Freund: »Volendo mostrare al amico absen­ te, che sempre pensi di luj: e sempre lhabij nella mente: non potendo come io sempre voria […] vedervj personalmente spesse volte nella imagine vostra mi speccio et con esso longamente parlo.« Bl, harl. 5271; zuerst zitiert in pfisterer, 2008a, s. 318–319. – es gab eine direkte Verbindung zwischen dem urbinatischen hof und dem Kreis von sanvito und Felice Feliciano in padua; der aus padua stammende ludovico Odasi, der junge lehrer von Guidobaldo, entstammte diesem Kreis und hielt 1482 die totenrede auf Federico da Montefeltro; s. Anthony hobson, Humanists and Bookbinders. The Origins and Diffusion of the Humanistic Bookbinding 1459–1559, cambridge, 1989, s. 98. cicero bereitete Felicianos Gedanken vor, indem er sagte, wer »sein Auge auf einen wahren Freund richtet, schaut gleichsam auf ein Vorbild seiner selbst«; s. cicero, De amicitia, 7, 23, s. 136/137: »verum enim amicum qui intuetur, tamquam exemplar aliquod intuetur sui.« 496 Auf das Akustische bezogen, bettete poliziano diesen Gedanken in seine mythografischen reflexio­ nen über die nymphe echo ein; s. poliziano, Commento Stazio, ›praefatio‹, s. 18: »epistola velut pars

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selbsterkenntnis dienen konnte. deshalb empfiehlt ›Battista‹, sokrates nacheifernd, in Fileticos dialog das »erkenne dich selbst«.497 Auf den Bildnisseiten brachte piero den gespiegelten urbinatischen witwer als nur ›halben Menschen‹ zur Anschauung, wie wir vermuten dürfen, im sinne einer petrarca­sequenz aus De remediis. Ohne die geliebte person fühlt sich der ›Schmerz‹ gerade so, als fehle ihm das rechte Auge.498 die pointe, die in der spiegelverkehrung im kleinen speculum amoris liegt, würde demnach bedeuten: Federico ist in Battista sehend oder wird dereinst wieder sehend sein. diese Beobachtungen mögen genügen, um die raffinesse bewusst zu machen, mit der piero in seiner Trionfi­rezeption zu werke ging. eines der Motti des Montefeltro­ Fürsten – es ist auf der studiolo­nordwand zu finden: »VirtVtiBVs itVr Ad AstrA« – subsumiert ausgezeichnet den Gehalt der rundum­erzählung: in Beglei­ tung der tugenden gelangt das paar schließlich zu den sternen, in übermenschliche höhen,499 dorthin, wo dem Biografen paltroni zufolge Battista ihren platz einnahm, als altera dialogi […]. Maiore enim quadam concinnatione epistola indiget quam dialogus: imitatur enim hic extemporaliter loquentem […] at epistola scribitur.« in einer Variante war dieser Gedanke in einer gegen 1499 entstandenen Medaille des Marsilio Ficino gegenwärtig: dem profilbild Ficinos steht das blankpolierte revers mit der Aufschrift »plAtOne« gegenüber; s. hill, 1930, nr. 974. 497 Filetico, Iocundissimae disputationes, ii, 20, s. 178; zur inschrift am Apollon­tempel; s. Xenophon, Erinnerungen an Sokrates, iV, 2; vgl. im Kontext der liebe Ovid, Ars amatoria, ii, vv. 500f. Auslegun­ gen der direktive v. a. bei platina, De laudibus bonarum artium, s. 111 und cippico, Petri Mocenici imperatores gestorum, i, s. 175; zum spiegel als lehrmeister Alberti, Momus, iii, s. 272/273: »sed optimum rerum magistrum, speculum, consulendum.« 498 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’rimedii, ii, cap. 53 (»della assenzia degli amici«), s. 196: »il mio disideratissimo amico è di lungi da me; e la mia mano destra e lo mio occhio destro è assente.« 499 Zum besagten cartellino im studiolo cheles, 1986, s. 63, Abb. 43. die wendung ad astra gehört zu den gängigsten phrasen, mit denen die Unvergänglichkeit des Menschen (durch nachruhm) beredet wird; dazu hildebrecht hommel, »per aspera ad astra«, in: Würzburger Jahrbücher für Altertumswissenschaften, 4, 1949/1950, s. 157–165. nach Ovids welterschaffungsmythos war der weg zu den ster­ nen der Auftrag des Menschen, der sein erhabenes Gesicht erhalten hat; s. Ovid, Metamorphosen, i, vv. 85–86, s. 10: »os homini sublime dedit, caelumque videre / iussit et erectos ad sidera tollere vul­ tus.« die wendung ad astra fällt verbunden mit drei worten aus pieros sockelinschrift für Federico da Montefeltro – »fama«, »virtutis«, »vehebat« – in der galloromanischen inschrift auf dem Marmor­ epitaph des nymphius. in den lateinischen Zeilen des ausgehenden 4. Jahrhunderts heißt es: »der für deine tugendhaften Verdienste dir im hohen himmel geschuldete ruhm trug und leitete dich zu den sternen: unsterblich wirst du sein.« (»te tua pro meritis virtutis ad astra vehebat / intuleratque alto debita fama polo / immortalis eris […] / […]«); (toulouse, Musée des Augustins, inv.­nr. ra 197); die inschrift zitiert von philippe Ariès, Studien zur Geschichte des Todes im Abendland, [paris, 1975] München, 1981, s. 83. die detaillierten Angaben zum epitaph verdanke ich laurence cabrol (Musée des Augustins, toulouse). Bei Ficino ist zu lesen: »[…] alas denique recuperant ad astrum […]«; Fici­ no, In Phaedrum, in: Ficino, Opera, Bd. ii/1, s. 1382: »[…] iupiter dux in coelo magnus […].« – wir finden die Formel besonders oft auf verstorbene Künstler angewendet – so beispielsweise, wenn auch kritisch, auf protogenes in plutarch, ›demetrios‹, 22; bei Vasari auf Giotto und den trecento­Maler Andrea tasi (tafi); bei Fregoso auf antike Virtuosen; s. Fregoso, Dialogo di Fortuna, cap. 8, vv. 43–48

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sie verstarb: »[…] et la sera, a hore doe de nocte, la prefata Madonna abandonò el misero mondo et andò a la celestiale gloria […].«500 es ist wert, abschließend festgehalten zu werden, dass die bisher einhellig in der Forschung vertretene Auffassung, die porträts der diptychon­innenseiten seien allein dem Genre der Bildniskunst verpflichtet, falsch ist. in ihnen formiert sich unterschwellig eine erzählung. Andererseits wäre es aber auch ein kapitales Missverständnis, allein die narrative note der rückwärtigen triumphsze­ nen und nicht – nach der lesart der Zeit – ihren ›Bildnischarakter‹ wahrzunehmen. im diptychon erlangt die Vorstellung von ›Bildern‹ oder ›Bildnissen der seele‹ eine sinnlich erfahrbare Gestalt, indem das, was der Malerei (im Gegensatz zur poesie) angeblich ver­ wehrt bleibe, mit ganzer entschiedenheit zur Anschauung kam: selbst tugenden, taten, d. h. nach den Vorstellungswelten, an denen der Betrachter des Quattrocento partizi­ pierte und nach den prioritäten der zeitgenössischen paragone­diskussionen, echte spu­ ren des seelischen. eines der hauptanliegen, auf die sich pieros eifer, geschult an simo­ ne Martini, kaprizierte, war demnach, seine gemalte poesie als beseelt auszugeben.

5.2. piero und dionigi da Borgo san sepolcro »›tolle, lege […]‹« Augustinus, Confessiones, Viii, 12, 29

»[…] leggi, leggi, e sentirai cosa di maggiore sustanzia che una muta pittura.« leonardo, Libro di pittura, i, 27, s. 151

Zu pieros lebzeiten bestimmte die geografische provenienz das selbstverständnis eines Künstlers maßgeblich.501 Für piero trifft dies vermehrt zu. seine Familie war dank admi­ nistrativer Betätigungen seit Generationen tief in Borgo sansepolcro (in damaliger schreibweise: Borgo san sepolcro) verwurzelt.502 piero, der 1442 persönlich, nach der herrschaftsübernahme der Florentiner, für den Consiglio der kleinen stadt kandidier­ (Fregoso, Opere, s. 105): »industria che fa accuti gl’intelletti / non saria al mondo, e tante cose belle / mancarian tutte e tanti ingegni eletti, / né sarian stati scopa, Fidia, Apelle / famosi, ché per l’opre sue preclare / il nome suo si alzò fine a le stelle;«. 500 paltroni, Commentari, XXi, s. 277. 501 die geografische herkunft bestimmte – laut Burke – einerseits die chancen eines Künstlers, einer kreativen elite beizutreten, andererseits bestimmte sie oft den Zweig, dem sich ein Künstler verpflich­ tete; vgl. Burke, 1988, s. 49. 502 einige von ihnen waren Mitglieder des Consiglio von Borgo; sein Großvater, dessen name – »piero di Benedetto de la Francesca« – er übernahm, hatte 1390 als spender einer beträchtlichen Geldsumme für die Compagnia della Misericordia ruhm erworben; s. sansepolcro, Archivio storico, Biblioteca comunale, Archiv der Misericordia, 235, lascite facte a la ghiesa, fols. 41v, 49v; nach lightbown, 1992, s. 11, Anm. 2.

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te,503 machte früh mit einer reihe lokaler, in erkennbarem Bezug zur heimatlichen stadtgeschichte stehenden Gemälden von sich reden, die zum teil – wie sein Misericordia­polyptychon und die Auferstehung Christi – kreativ anverwandelt das wappenbild seines heimatortes reflektieren. es ist das Motiv des heiligen Grabes, das der legende nach bruchstückhaft in die Gegend gelangt ist.504 pieros signaturen – vier von ihnen blieben erhalten – zeugen nicht minder von diesem campanilismo, der sich in leichten Varianten des Bekenntnisses »petri de BVrGO OpVs« äußerte.505 Mit welchem konkreten inhalt piero die worthülse »de BVrGO« füllte, war zweifellos eng an die lokale Kulturtradition gebunden. seit dem trecento rühmten sich die Ortsbewohner eines überaus prominenten Mit­ bürgers und engen petrarca­Freundes. der Canzoniere­dichter hat ihm mit einer metri­ schen epistel, die dem otium in ländlicher idylle huldigt (geschmückt mit wasserspiege­ lungen für den schönen narziss), ein denkmal gesetzt, und petrarca beklagte in einem epitaph seinen tod. Aus Florentiner sicht, nach den worten des chronisten Giovanni Villani, war der Besagte, der 1328 den tod des Gibellinnen castruccio castracani pro­ phezeite, »[…] nostro amico e divoto, dell’ordine degli agostini, maestro in parigi in divinità e filosofia«.506 diese persönlichkeit, deren ruf im Zeitalter des petrarkismus den des vom städtischen Flair noch weit entfernten Ortes vollends bestimmt haben dürfte,507 503 der Abdruck des dokumentes in Battisti, 1992, Bd. ii, s. 609, nr. 23. 504 Zum stadtwappen mit dem Bild des Auferstandenen ebenda, 1992, Bd. ii, s. 482. Zur stadtgeschich­ te James r. Banker, The Culture of San Sepolcro during the Youth of Piero della Francesca (studies in Medieval and early Modern civilization), Ann Arbor, 2003. – piero fertigte den städtischen gonfalone; s. das dokument vom 21. Oktober 1436 in Battisti, 1992, Bd. ii, s. 608, nr. XVi; zu einigen nicht mehr erhaltenen Frühwerken mitunter James r. Banker, »piero della Francesca as Assistant to Anto­ nio d’Anghiari in the 1430s. some Unpublished documents«, in: BurlMag, 135, 1993, s. 16–21 und Battisti, 1992, Bd. ii, s. 554–557, nr. c.11­c.18; zum Misericordia­polyptychon (sansepolcro, Museo civico) lightbown, 1992, Abb. 6 u. s. 27ff. (der stadtpatron, Johannes der evangelist, figuriert rechts zu seiten Marias); zu dem für die sala des palazzo del capitano vorgesehenen heiligen »lOdO­ VicVs« (sansepolcro, Museo civico) ebenda, Abb. 81 und s. 203 (mit der datierung auf 1460); die Auferstehung Christi (sansepolcro, Museo civico) zierte den Audienzia­saal der residenza der stadt; s. ebenda, Abb. 80 und s. 196ff. 505 Folgende werke tragen seine signatur: 1. die Geißelung Christi: »OpVs petri deBVrGO sci sepVlcri«, 2. die tafel mit dem Hl. Hieronymus als Büßer (Berlin, Gemäldegalerie, staatliche Museen): »petri de / BVrGO / OpVs«, 3. der Hl. Hieronymus für Girolamo Amadi (Venedig, Galleria dell’Accademia): »petri de BV[r]/GO sci sep/Vlcri OpVs«, 4. das Bildnis des Sigismondo Malatesta im tempio Malatestiano in rimini: »[…] petri de BVrGO OpVs […].« siehe Battisti, 1992, (zu 2.) Bd. i, Abb. 8 (s. 39) und Bd. ii, s. 419 (nr. a.1); (zu 3.) Bd. ii, s. 518f. (nr. a.13); (zu 4.) Bd. ii, s. 420f. (nr. a. 3). 506 Villani, Cronaca, Xi, cap. 8, Bd. ii, s. 628–629. 507 Borgo sansepolcro hatte zu lebzeiten pieros circa 4000 einwohner; das stadtrecht wurde erst zu Beginn des cinquecento erreicht. Vasari (1568) hatte sich entsprechend über die Geburtsstadt pieros geäußert: »[…] che oggi è città, ma non già allora […]«; Vasari, Le vite, Bd. ii, s. 489.

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läge jenseits unseres interesses, wenn nicht der starke Verdacht bestünde, ihr profil kön­ ne von anderer warte, seitens des Augustinismus, licht auf pieros originelles panorama­ Konzept werfen. es ist der, ihr Briefkontakt besiegelt es, mit petrarca in tiefer Freund­ schaft verbundene Augustinereremit dionigi da Borgo san sepolcro (ca. 1300–1342). Auf dessen Betreiben kam nicht allein petrarcas erster Kontakt mit Boccaccio (dem schüler dionigis) zustande, nein, selbst seine rolle als Mitinitiant der dichterkrönung, die sich auf dem Kapitol zutrug, wird von der Forschung aufgrund der eingehenden würdigung des Genres historiografie erwogen, das bevorzugte Betätigungsfeld dioni­ gis in seinen letzten lebensjahren.508 Als dessen Frucht ging sein Kommentar zu Valerius Maximus’ Gebrauchswerk Facta et dicta memorabilia hervor,509 der nicht erst seit der editio princeps (ca. 1472) zur renaissancezeit weit häufiger als das originale referenz­ werk konsultiert wurde.510 wo immer dionigi seine wirkung als Ordensmann entfalte­ te, es waren nicht wenige stationen, sein namenszusatz in dokumenten und schriften verwies zeitlebens auf seinen Geburtsort,511 ob nun in paris, wo er sein renommee als 508 Biografisches zu dionigi Maurizio Moschella, s. v. »dionigi da Borgo san sepolcro«, in: DBI, Bd. Xl, rom, 1991, s. 194–197 und vorzüglich rudolph Arbesmann OsA, Der Augustiner-Eremitenorden und der Beginn der humanistischen Bewegung, würzburg, 1965, s. 16–36. – die erwähnte epistel petrarcas, die eine Aufforderung an den Augustiner zur rast in seinem refugium in Vaucluse war, stammt vom Frühjahr 1330; s. petrarca, Epistole metrice, i, 4, v. 16, in: petrarca, Rime, s. 720f.; über narziss heißt es (vv. 31–33) »si nihil ista movent, nec te narcissus hianti / plurimus ore puer, faciem qui fonte decoram / mirantur speculoque amens incumbit aquoso« (wenn all dies dich nicht anzieht, auch nicht die zahllosen Blumen des Knaben narzissus, der mit offenem Mund das schöne Antlitz im Quell bestaunt und sich bezaubert über den wasserspiegel beugt); zum Musengesang über tausend tänzen (»choreas / Musarumque«) der nymphen; an tributen an Borgo sansepolcro mangelte es nicht (zum Beispiel »clauso […] sepolcro«, v. 96; oder »spemque resurgendi post funera«, v. 100). – petrarcas epitaph für dionigi (»Flere libet, sed flere vetor […]«), der am 31. März 1342 in neapel verstarb, in petrarca, Epistole metricae, i, 13. die Briefe petrarcas an dionigi in: petrarca, Familiarum rerum liber, iV, 1 (mit der berühmten Beschreibung des Mont Ventoux) und ebenda, iV, 2. die Ver­ antwortlichkeit dionigis für petrarcas Augustinismus und dessen dichterkrönung unterstrichen im Anschluss an sabbadini, 1905–1914, Bd. ii, s. 38 und Arbesmann, 1965, s. 27; Moschella, 1991, s. 195 und Kessler, 1978, s. 101–102 (und s. 242–243, Anm. 46 und 47). dionigis Anteil an der dichterkrönung ist mit Quellen nicht zu verifizieren. Zu einem letzten Zusammentreffen ist es ver­ mutlich im Februar 1341 gekommen, als petrarca zur Vorbereitung seiner dichterkrönung nach nea­ pel kam. 509 das aus neun Büchern bestehende werk trug die widmung an Giovanni colonna. es hat auch nörd­ lich der Alpen Verbreitung gefunden. ein – wenn auch lückenhaftes – exemplar der Facta greifbar in der Vaticana: Ms. Vat. lat. 1924. Über die drucklegung von dionigis Valerius­Maximus­Kommentar in straßburg vor 1475 Arbesmann, 1965, s. 25–36. – dionigi war ferner Verfasser einer reihe nicht überlieferter Kommentare, so zur aristotelischen politik und rhetorik, zu werken Vergils, zu Ovids Metamorphosen und senecas tragödien; vgl. ebenda, s. 23. 510 Zum kompiliatorischen charakter des werkes – mit einem geradezu gewaltigen Verzeichnis klassi­ scher, patristischer und mittelalterlicher Autoren – ebenda, s. 23ff. 511 die dokumente aufgeführt ebenda, s. 16, Anm. 13.

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theologie­dozent (magister sacre paginae) an der hoch­ schule begründete, am studium generale des Augustinere­ remiten­Ordens von Avignon oder am hofe König roberts in neapel, wo er, in voller entfaltung seiner humanistischen neigungen, an der Universität die ersten interpretationen antiker texte las. Kurzum: piero muss über den berühmtesten Bürger seiner Vaterstadt im Bilde gewesen sein. dionigi war für piero darüber hinaus aus einem persönlichen Grund kein leeres wort: wegen des Auftragswerkes, mit dem sich piero vor dem Montefeltro-Diptychon über mehr als ein dezennium (1454–1469) beschäftigt hat, dem heute nur noch fragmentarisch erhaltenen Polyptychon von Sant’Agostino in Borgo sansepolcro. der wichtigsten Figur der sei­ tenflügel, dem Ordenslehrer Augustinus (Abb. 83), hat piero auf der Mantelschließe wiederum das signet seiner eigenen herkunft einverleibt. Abgesehen davon, dass mögliche Berührungspunkte zwischen piero und dionigi erstaunlicherweise nie Gegenstand der Forschung waren, hätte auch gerade eine Besonderheit von pieros polypty­ chon die Aufmerksamkeit auf sich ziehen müssen: der Bestimmungsort dieses werkes war ausgerechnet die Ab­ teikirche, in der dionigi seine noviziatsjahre verlebte.512 wir haben demnach allen Grund, die um ein pano­ ramatisches landschaftserlebnis kreisende, bis heute 83 piero della Francesca, Hl. Augustinus, ca. 1469, seitenflügel des polypty­ berühmteste referenz petrarcas an seinen Freund dioni­ chons von Sant’Agostino, lissabon, gi da Borgo san sepolcro näher anzusehen, zumal petrar­ Museu nacional de Arte Antiga ca den namen des römischen Geografen pomponius Mela einfließen ließ. dessen einzige hinterlassenschaft ist eine schrift des beachtens­ werten titels De chorographia.513 es handelt sich um den Brief petrarcas, der an dionigi 512 das Kloster bestand seit 1281 (s. das dokument in rom, Ordensarchiv, Relationes i. i.5, fol. 170r); vgl. Moschella, 1991, s. 194ff. (1555 wurde daraus die pieve di santa Maria del Borgo; dazu Battisti, 1992, Bd. ii, s. 487). einzelheiten zu pieros Sant’Agostino­Altar in James r. Banker, »piero della Francesca’s s. Agostino Altarpiece: some new documents«, in: BurlMag, 129, 1987, s. 642–651; und in voll­ ständiger systematischer präsentation bei Battisti, 1992, Bd. ii, Kat.­nr. a.9, s. 485–501, Abb. 361– 372; zur tafel des Hl. Augustinus (lissabon, Museu nacional de Arte Antiga) ebenda, Bd. i, s. 225, Abb. 168; und auf Abb. 169 das detail der Mantelschließe mit dem auferstandenen christus. 513 petrarca, Familiarum rerum liber, iV, 1, Bd. i, s. 155: »ne enim cunctos evolvam, pomponius Mela cosmographus sic esse nichil hesitans refert; […].« Melas schrift, gegen 44 n. chr. verfasst, war eine aus drei Büchern bestehende populäre Beschreibung von ländern und Völkern im Mittelmeer­

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adressiert ist: der über seine Besteigung des Mont Ventoux bei Avignon, ein einsamer Gipfelgang in Begleitung seines Bruders Gherardo.514 seit Jacob Burckhardt [1859] ist die schlüsselstellung dieser Bergbesteigung, deren schilderung sich wie eine parabel des homo viator ausnimmt, in der Geschichte ästhetischer weltaneignung unbestritten.515 sie ist es wesentlich wegen der Gotteserkenntnis augustinischer Observanz, die mittels eines rundumblicks auf dem Gipfel vonstatten ging. petrarcas peregrinatio führte zu diesem erhabenen Ort, zum Ort der seligkeit auf Bergeshöhen: »siehe nun«, so sein Bericht an dionigi, »auch die seligkeit [vita […] beatam] steht auf erhabener höhe; ein schmaler pfad führt [ducit via] zu ihr hin, viele hügel ragen dazwischen, und von tugend zu tugend [de virtute in virtutem] muss mit vorsichtigen schritten gewandelt werden. Auf dem Gipfel [in summo finis] ist das ende und Ziel unseres lebens, auf ihn ist unsere pilgerschaft [peregrinatio] gerichtet.«516 tatsächlich gewinnt man in Vergegen­ wärtigung jener literarischen Gegebenheiten den eindruck, dass piero im diptychon für all dies eine passende Bildsprache zu Gebote stand: mit einem weg zur seligkeit in Begleitung der tugenden quer durch eine hügellandschaft, mit der fortwährend, tag und nacht (»diebus et noctibus«) anhaltenden sehnsucht der reisenden seele nach ihrem glücklichen Ziel.517 das Bewusstsein einer seelenreise sei im Menschen jedoch gering,

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Bereich. der titel der Mailänder editio princeps von 1471 lautete: Pomponii Mellae cosmographiae liber. der Brief mit der datierung auf den 26. April 1336 in petrarca, Familiarum rerum libri, iV, 1, Bd. i, s. 153–161. die Forschung ist Jacob Burckhardt in dieser Bewertung gefolgt; vgl. Burckhardt, [1859] 111988, s. 216f. Vorzüglich die studie von Karlheinz stierle, Petrarcas Landschaften. Zur Geschichte ästhetischer Landschaftserfahrung (schriften und Vorträge des petrarca­instituts Köln 29), Krefeld, 1979, s. 11; Joachim ritter, Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft (schriften der Gesellschaft zur Förderung der westfälischen wilhelms­Universität zu Münster 54), Münster, 1963, s. 7ff.; und wilhelm dilthey, »Auffassung und Analyse des Menschen im 15. und 16. Jahrhun­ dert«, in: derselbe, Gesammelte Schriften, Bd. ii, Berlin und leipzig, [1914] 21921, s. 20. Zur Frage des realitätsgrades der Bergbesteigung – ob auf tatsachen beruhend oder reine Fiktion – Giuseppe Billa­ novich, »petrarca und der Ventoux«, in: Petrarca (wege der Forschung 353), hrsg. v. August Buck, darmstadt, 1976, s. 444–463 und im Zusammenhang mit dem augustinischen Gedanken der curiositas als desiderium oculorum hans Blumenberg, Der Prozeß der theoretischen Neugierde, Frankfurt a. M., 1973, s. 142ff. mit der Bewertung der schilderung als ebenso »tiefmittelalterlich« wie »frühneuzeit­ lich«; die profundeste Quellenanalyse und infolgedessen die Bewertung als »liebevoller wettstreit« mit Augustinus bei Jens pfeiffer, »petrarca und der Mont Ventoux (Zu Familiares iV, 1)«, in: Germanisch-Romanische Monatsschrift, 47, 1997, s. 1–24. »equidem vita, quam beatam dicimus, celso loco sita est; arcuta, ut aiunt, ad illam ducit via. Multi quoque colles intereminent et de virtute in virtutem preclaris gradibus ambulandum est; in summo finis est omnium et vie terminus ad quem peregrinatio nostra disponitur.« petrarca, Familiarum rerum libri, iV, 1, Bd. i, s. 156. »Atque utinam vel sic animo peragam iter illud, cui diebus et noctibus suspiro, sicut, superatis tandem difficultatibus, hodernum iter corporeis pedibus peregi.« ebenda, s. 156.

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schreibt petrarca, »[…] weil des Körpers Bewegungen einem jeden offenkundig« seien, »die der seele aber unsichtbar und verborgen«.518 Auf dem Berggipfel angelangt, kreisten petrarcas Augen bis zum erleben der landschaft in ihrer Gänze (»Que dum mirarer […]«) nach allen himmelsrichtungen,519 für ihn der Anlass zur selbsteinkehr, der impuls zum Aufschlagen der Bekenntnisse des hl. Augustinus, einer ihm ans herz gewachsenen »Freundesgabe« dionigis. der in merkwürdiger Koinzidenz zu seinem eigenen spontanen empfinden stehende passus, auf den petrarca wie durch Vorsehung stieß, mahnt den alsdann reuemütigen, sich nicht im Bestaunen der welt zu verlieren.520 Von der weite des raumes in die tiefe der Zeiten richtet petrarca daher den Blick in die eigene seele, nach augustinischem Verständnis ist dies der weg zu Gott.521 Genau dieser geschilderte Ablauf ist das im hinblick auf pieros panorama entscheidende, weniger, dass de facto in diesem Brief ein wie auch immer gelagertes nacherleben des Bekehrungs­ erlebnisses des hl. Augustinus’ im Mailänder Garten vorliegt, wobei die Confessiones – »tolle, lege« – anstelle der Bibellektüre traten. Am rande sei bemerkt, dass der urbinati­ sche regent eine darstellung dieser szene kannte: das Fresko Ottaviano nellis in der Apsis von San Agostino in Gubbio.522 Beachtenswert vor allem aber bleibt etwas anderes, das petrarcas epistel inhärent ist: eine spielweise der auf Augustinus zurückreichenden Metapher vom ›Buch der natur‹ – ein Buch nämlich, das extreme panoramatische Brei­ tendimension aufweist. Auf dem Grundgedanken einer nach prinzipien geschaffenen und deshalb vice versa dekodierbaren natur beruhend, besitzt die welt – nach dem

518 »[…], quod corporis motus in aperto sunt, animorum vero invisibiles et occulti.« ebenda, s. 156. 519 »dann aber, sattsam zufrieden, den Berg gesehen zu haben, wandte ich den innern Blick in mich sel­ ber zurück […].« petrarca, Rime, s. 838f.: »dirigo dehinc oculorum rudios ad partes italicas, quo magis inclinat animus; […].« 520 »Und da gehen die Menschen hin und bewundern die höhen der Berge, das mächtige wogen des Meeres, die breiten Gefälle der ströme, die weiten des Ozeans und den Umschwung der Gestirne – und verlassen [d. h. »vergessen«] dabei sich selbst.« die Übersetzung nach der Ausgabe Augustinus, Confessiones, X, 8, 15, s. 509; vgl. der von petrarca zitierte Augustinus­wortlaut: »et eunt homines admirari altra montium et ingentes fluctus maris et latissimos lapsus fluminum et occeani ambitum et giros siderum, et relinquunt se ipsos.« petrarca, Familiarum rerum liber, iV, 1, Bd. i, s. 159. 521 ebenda, s. 159: »tunc vero montem satis vidisse contentus, in me ipsum interiores oculos reflexi, et ex illa hora non fuit qui me loquentem audiret donec ad ima pervenimus; […].« 522 der Bekehrte figuriert – wie auch in Benozzo Gozzolis Fresko in san Gimignano – lesend unter dem Feigenbaum; s. Meredith Gill, Augustine in the Italian Renaissance. Art and Philosophy from Petrarch to Michelangelo, cambridge, 2005, s. 67f., Abb. 19 (und zu Gozzoli s. 88) und Jeanne und pierre cour­ celle, Iconographie de saint Augustin, 3 Bde., paris, 1965–1972, Bd. i, s. 82ff. und Abb. 89; und zu Gozzolis Fresko, das inschriftlich den Bekehrungsablauf resümierte, dieselben, Bd. ii, 1969, s. 95–98, Abb. 58: »leret, AVdiVit VOceM e celO dicenteM siBi: ›tOlle, leGe‹, et stAtiM VsVs lVce eVAsit«. – Man vergleiche petrarcas worte auf dem Mont­Ventoux mit Augustinus (Confessiones, Viii, 12, 29): »[…] sed quicquid ibi legeram, michi et non alteri dictum rebar; […]«; petrarca, Familiarum rerum liber, iV, 1, s. 159.

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Verständnis Augustins – Verweischarakter auf ihren schöpfer und ist daher (cusanus, leonardo und cellini paraphrasieren es) ›lesbar‹, die Gnade des erkennens voraus­ gesetzt.523 die speziell augustinische, sentenzartige Offenbarungsoption begegnet als Auslegung des 45. psalmes (mit der berühmten Metapher vom Bergeversetzen kraft des Glaubens) in der Enarratio in Psalmum. im Anschluss an die direktive: »das Buch wer­ de dir zur heiligen schrift, damit du hörst«, fällt bei Augustinus der zentrale satz zur Gottesschau: »[…] das Buch werde dir zum weltkreis [orbis terrarum], damit du siehst!«524 in der gesamten Geschichte der Kunst dürfte pieros Montefeltro-Diptychon das vielleicht einzige ›Buch‹ sein, das ganz wörtlich »zum weltkreis« avancieren kann, jedoch allein im Geiste desjenigen Betrachters, der angesichts der Gänze der natur die Kontinuität der vier chorografischen Kompartimente gewahrt. eine Vielzahl an Gründen spricht für pieros rekurs auf den liber naturae: Augustinus imaginierte sich in seiner totalitäts­ metapher die natur, der rundumblick belegt es, als Buchrolle. diese ist, wiewohl etwas Bildhaftes, potenziell ›lesbar‹ – eine verstellte lesbarkeit vorerst, denn da ist die Verklausu­ lierung als Ausdruck des Geheimnisvoll­Göttlichen. das panoramatische Band von piero besitzt alle diese Kennzeichnen (s. Rekonstruktion 1). Von einer ausgebreiteten Buchrolle hat es insofern viel, als auch dessen rezeption an ein entsprechendes Muster gebunden ist.525 wie gegenwärtig Allusionen

523 Grundlegend hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt a. M. [1986] 21989; Blumenberg hat am paradigma der »lesbarkeit« die Metaphorik der erfahrbarkeit der welt untersucht. Zum ›Buch der natur‹ cusanus, Idiota, i; für leonardo ist dies ein paragone: leonardo, Codex Madrid I, fol. 87v, s. 213: »come è più dificile a ’ntendere l’opere di natura che un libro d’un poeta«; dass Künst­ ler keine anderen Bücher als das ›Buch der natur‹ hätten, um ihre Kunst zu erlernen, behauptet celli­ ni, Vita, 35, s. 388; weitere Quellenbelege aus der renaissance in Blumenberg, [1981] 1989, s. 58ff. stierle hat den eindruck von petrarcas Ventoux­epistel auf Jan van eycks landschaft im hintergrund der Madonna des Kanonikus van der Paele nachzuweisen versucht; sein Fokus liegt jedoch auf dem phänomen der cupiditas videndi; dionigi musste ihn nicht interessieren; s. Karlheinz stierle, »specta­ culum. der Blick auf die welt bei petrarca und Jan van eyck«, in: Der stumme Diskurs der Bilder, hrsg. v. Valeska von rosen et alt., München, 2003, s. 119–138. 524 Augustinus, Enarrationes in Psalmos XLV, 6–7 (PL, Bd. XXXVi, sp. 318): »liber tibi sit pagina divi­ na, ut haec audias: liber tibi sit orbis terrarum, ut haec videas«; (vgl. Augustinus, De Genesi ad litteram; PL, Bd. XXXiV, sp. 219f.). der Ps 45 handelt von den erzitternden Bergen in Zeiten der not (»[…] montes sunt turbati […]«), in denen Gott, der die einzige Zuflucht sei, das wanken der welt verhindern könne (»deus in medio eius non commovebitur«). Federico da Montefeltro könnte inter­ esse an dieser stelle gehabt haben; er trug den Berg im namen; Montefeltro leitet sich etymologisch von »Mons Feretrano« her. santi richtete deshalb seine Ansprache an »[…] FedericO FeretrA­ nO, dUcA de UrBinO«; s. santi, La vita, i, cap. 1 Bd, i, s. 58. 525 der rezeptionsvorgang bei der lektüre einer Buchrolle thematisiert in diogenes laertius, Leben, cap. ›timon‹, iX, 114; s. auch die Metaphern des Alten testaments, sei es das wort des propheten

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84 domenico Ghirlandaio und ›Meister des Xenophon hamilton‹, Die Vision von Ezechiel, ca. 1478, Fontispiz von: hieronymus, Commentarii in Ezechielem, BAV, Ms. Urb. lat. 57, fol. 1v 85 Geöffnetes Buch mit Hosenbandorden, nach 1474, reliefmotiv am rechten Fries um die »porta di Guerra«, Urbino, palazzo ducale, Sala della Jole

dieser Art am urbinatischen hof waren, davon zeugt das Frontispiz einer hieronymus­ handschrift mit der Vision Ezechiels (Ez 1, 4ff.) (Abb. 84). sie stammt aus den siebziger Jahren des Quattrocento. Unterhalb des hauptbildes mit dem himmlischen Flügelwe­ sen aus vier Gesichtern kommt die Buchrolle ins spiel, die zur Vision gehört (Ez 2, 9–10); zwei engel entrollen sie.526 so ist man gerne geneigt, die Aussage des humanisten

Jesaja (Is 34, 4), wonach der himmel sich einrollt wie ein Buch – eine Metapher des weltentzugs: »[…] et complicabuntur sicut liber caeli«; oder Offb 6, 14: »[…] et caelum recessit sicut liber involu­ tus«; die versiegelte Buchrolle in der logosphilosophie der Offenbarung Johannis, die »innen und außen beschrieben war« (Offb 5, 1ff.). 526 (Ms. Urb. lat. 57, fol. 1v); der Buchtitel ist zu lesen: »in hOc OrnAtissiMO cOdice cO/ ntinetVr hierOniMVs sVper eZ/echieleM et dAniFleM prOphetAM«; zu die­ ser illustration, die neuerdings als Gemeinschaftswerk von domenico Ghirlandaio und dem Meister

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Antonio cittadini wörtlich zu nehmen, dass der überaus gebildete Federico (»princeps omnium doctissime […]«) gerne die Bücher der philosophen »aufrolle« (»[…] philoso­ phorum libros evolvis«).527 eine richtungsweisende Ausdeutung des ›Buches der natur‹ legte Alanus de insulis im 12. Jahrhundert vor, ohne an ein gattungsmäßiges span­ nungsverhältnis zu denken: die welt gleicht nicht allein dem Buch, nein, einem Buch und einem Gemälde (»Quasi liber et pictura«).528 das Buch als weltkreis – wir können nur spekulieren über eine denkbare Allusion an dieses, wenn wir den Fries entlang der »porta di Guerra« im Palazzo Ducale betrachten: mit einem weit aufgeschlagenen, einen Kreis beinhaltenden Buch, das übliche rund des hosenbandordens (Abb. 85). indem pieros buchrollenartiges panorama historische persönlichkeiten narrativ involvierte, nahm es Maß an einem höchst imposanten prototyp. er entstammt der Bildhauerkunst, oder, um mit den Antiquarie prospetiche romane zu sprechen, dem »gran sasso« der monu­ mentalen trajanssäule, um deren säulenschaft sich ›aufgerollt‹ reliefszenen, einem Kyklos (Kreis) gemäß präsentieren, der Grundform des epos.529 dieses übermächtige Beispiel, das leonardo Bruni 1431 nichtsdestotrotz despektierlich als nur schweigend abtat, bewog den illuminator der herzöglichen dante­Ausgabe, Guglielmo Giraldi, dazu, eines der Purgatorio­reliefs (X, vv. 73ff.) allein wegen des protagonisten trajan nach dem Buchrollen­prinzip um die Felswand herumzuführen (Abb. 86).530 dass es gerade dieses trajan­relief war, dem dante mitunter seine für den paragone wirkungsmächtige idee des visibile parlare schuldete, mag indizieren, dass sich bereits dante diese Assoziation auf­ drängte und die steinerne Buchrolle als ernst zu nehmende Konkurrenz zur Buchkunst empfand. Kommen wir zurück zur Abhängigkeit von pieros panorama von der trajansäule: Von der Gemeinsamkeit der evolutio verschiedender szenen abgesehen, entbehrt die antike säule jedoch den für pieros landschaftsband eigentümlichen Zug der Verklausu­

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des Xenophon hamilton gilt, ausgiebig Annarosa Garzelli, »i miniatori fiorentini di Federico«, in: Federico da Montefeltro, 1986, Bd. iii, s. 113–123. Abb. 14–17. siehe cittadinis widmungsepistel zu einer Aristoteles­handschrift (Ms. Urb. lat. 1381); zitiert nach peruzzi, 2004, s. 138. Alanus de insulis, Rhythmus alter quo graphice natura hominis fluxa et caduca depingitur (PL, Bd. ccX, sp. 579A): »Omnis mundi creatura / Quasi liber et pictura / nobis est et speculum. / nostrae vitae, nostrae mortis, / nostri status, nostrae sortis / Fidele signaculum.« Obendrein ist eine Buchrolle in den einzelszenen stetes Attribut des – sei es nun redenden oder kämp­ fenden – Kaisers trajan; s. penelope J. e. davis, »trajan’s column and the Art of commemoration«, in: American Journal of Archeology, 101, 1997, s. 45–65. BAV, Ms. Urb. lat 365, fol. 127r; lauts/herzner, 2001, s. 298; zur Bemerkung von leonardo Bruni, Epistolarum libri, Bd. i, nr. 9, s. 80; und im Kontext s. App. iii/d; vgl. die Antiquarie prospetiche Romane, vv. 241ff., s. 20; s. auch poggio Bracciolini, De varietate fortunae, i, z. 226f., s. 97: »traiani et item divi Antonini pii de c¸elo tacta cocle¸e column¸e, mar more specioso sepulchra in quibus condito­ rum gesta sculpta sunt, multos magnitudine sua ad spectaculum trahunt, prior ex parte titulum ser­ vat, alterius null¸e resident litter¸e.«

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86 Guglielmo Giraldi, Trajan, illustration zu dante, Purgatorio, X, vv. 73, ca. 1477–1482, BAV, Ms. Urb. lat. 365, fol. 127r

lierung, die das durchdringen des tieferen Gehaltes der Bildnisseiten in die nähe der enthüllung eines rätsels, des lüftens von Geheimnissen oder des Freilegens von Ver­ borgenem rückt. eine solch kryptische Ausdrucksweise pflegten bekanntlich die renais­ sance­Mystagogen im Kreise des pico della Mirandola zur thematisierung von Unaus­ sprechlichem, Göttlichen.531 dass »knotenreiche«, sprich: rätselhafte Bücher »entknotet« 531 Aronberg lavin hat in ihrer Untersuchung von pieros Kreuzeszyklus in san Francesco in Arezzo eine figura crucis in der Anbringung der episoden festgestellt; s. Marilyn Aronberg lavin, The Place of the Narrative. Mural Decoration in Italian Churches, 431–1600, chicago und london, 1990, s. 167ff, s. 169, Abb. 34. – Bedeutend zur Vorstellung vom ›verborgenen Gott‹ – sie begegnet in fast allen cusanus­schriften (De pace seu concordantia fidei, § 1; De visione Dei, Vi) – noch immer wind,

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werden können – in wendungen und Metaphoriken dieser Art gefiel sich Augustinus,532 und Augustinus war es auch, der in seinem Buch, das sich um die tugenden dreht, Enchiridion, eine erstaunliche Unterscheidung traf: die zwischen dem »seligen« und dem »in der pilgerschaft weilenden teil«. Verwoben seien beide teile mit dem ›Band der liebe‹. wörtlich heißt es: »denn beide werden eins sein im Genuß der ewigkeit, wie sie jetzt schon eins sind im Bande der liebe.«533 dieses Band, es war Ovid wohlbekannt und nach dante bandt es alle sphären (expressis verbis: »volume«) zu einem einzigen Buch, feiert der Libro del Cortegiano als das süßeste Band der welt. wie im Enchiridion wird es zwischen dem himmlischen und dem irdischen angesiedelt.534 Vor dem hintergrund von Grundannahmen augustinischer lehren, deren Geltung im diptychon kaum anders zu erklären ist, als über den massiven eindruck von pieros compatrioto dionigi da Borgo san sepolcro, erweitert sich das Verständnis von pieros panorama entscheidend. nicht allein, dass piero mit der doppelseitigen Bildbemalung ein formales pendant zum dualismus: erdendasein und dem weilen im himmel fand, das panorama ist ganz im sinne des augustinischen ›Buches der natur‹ als lesehilfe kon­ zipiert. Funktional gleicht es einem Ariadnefaden, der durch das labyrinth von pieros erzählung hin zu zwei seligen im Triumphus Eternitatis führt. Auf diese weise machte pieros diptychon den augustinischen Offenbarungsakt ästhetisch nacherlebbar. Bei allen Konnotationen an die Frömmigkeit müssen auch dünkel des Malers piero mit

[1958] 1987, cap. 14, s. 250; vgl. Maximos von tyros, Philosophumena, ii, 10; plutarch, De Iside et Osiride, 46, derselbe, Moralia, 369e und Augustinus, Soliloquia, i, 15, s. 38. – in diesen Kontext gehört vielleicht auch die in drei schriften gehaltene ›Buchrolle‹ in Mantegnas studiolo­Gemälde Pallas vertreibt die Laster aus dem Garten der Tugenden (paris, Musée du louvre); sie enthält die invoka­ tion der vom himmel zurückersehnten göttlichen Begleiterinnen der tugenden; s. Mantegna, 1992, s. 427ff. Kat.­nr. 136; zur schriftrolle lightbown, 1986, s. 190–91. 532 Augustinus, Confessiones iV, 16, 31, s. 186: »[…] tot nodossimi libri enodati […].« Vgl. ebenda, Vi, 3, 4 und Vi, 16, 26. ein randmotiv eines 1467 in Ferrara illuminierten Manuskriptes von Boccaccios Decamerone nimmt diesen Gedanken auf: Zu sehen ist ein schwan mit verknotetem hals mit dem Motto: »lie Bien secrete«; s. Oxford, Bodleian library, Ms. holkham misc. 49, fol. 118v. 533 Augustinus, Enchiridion, cap. 55 (PL, Bd. Xl, sp. 258–259) (Üs: p. simon): »haec in sanctis Angelis beata persistit, et suae parti peregrinanti […]; quia utraque una erit consortio aeternitatis, et nunc una est vinculo charitatis, quae tota instituta est ad colendum unum deum.« 534 castiglione, Cortegiano, iV, cap. 70, s. 431: »tu dulcissimo vinculo del mondo, mezzo tra le cose celes­ ti e terrene«; bei Ovid knüpft es Venus: Ovid, Heroides, iV, vv. 135–136, s. 40: »illa coit firma generis iunctura catena, / inposuit nodos cui Venus ipsa suos.« Vgl. dante, Paradiso, XXXiii, vv. 86–87, Bd. iii, s. 396–397: »[…] legato con amore in un volume, / ciò che per l’universo si squaderna«; und ebenda, vv. 91–92, s. 396–397: »la forma universal di questo nodo / credo ch’io vidi, […].« lazzarel­ li reklamierte das ›Band der liebe‹ selbst für die vom Montefeltro­Fürsten erhoffte liebe zu seiner poesie; lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, 73, vv. 74–76, s. 4: »ducesque / protinus ad nostrum vox haec te flectat amorem / eternique tenax foedus amoris agat«.

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diesem Akt, den ein Malwerk ermöglicht, einhergegangen sein.535 wie, so gab er dem Betrachter zu bedenken, kann ein Gemälde denn ohne seele sein, wenn es in der seele, im Geiste, innere Bilder entstehen lässt? wie gestaltete sich pieros paragone mit der Buchkunst angesichts der lesbarkeit der natur?

6. der Buchgedanke »Und ist den papierischen Büchern nichts zu vertrauen.« paracelsus, Labyrinthus medicorum errantium

6.1. Buchmalerei – Malerei statt Buch? Zeitliche distanz mag vieles verfälschen. Manchmal verhilft der mehr unbefangene Blick zu einsichten, die der Gegenwart verborgen bleiben. es war 1692, das wissen um die identität der beiden porträtierten hatte sich im laufe vieler Jahrhunderte verflüch­ tigt, und ein inventarschreiber in poggio imperiale näherte sich wie folgt dem, was er vor seinen Augen sah: »Zwei Gemälde­täfelchen aus holz, die miteinander verbunden sind, auf der einen [seite] petrarca bis zur halbfigur und auf der anderen seine laura […].«536 Außerdem betonten die inventarschreiber hellsichtig immer wieder die Buchgestalt von pieros diptychon, beschrieben das werk als »quadretto in tavola a libro*« oder, noch 1784, als »tavola a libriccino*«.537 Zum Zeitpunkt, da das Gemälde entstand, muss die diptychische Gestalt für dop­ pelporträts als spektakuläre innovation erlebt worden sein. das Montefeltro-Diptychon ist eines der ersten porträt­diptychen in italien. Unter diesen Gegebenheiten ist die wis­ sentliche rekonsolidierung von Altüberliefertem, d. h. Anknüpfungsversuche an die anti­ ke diptychon­tradition, wahrscheinlich. die tabella duplex, ursprünglich schreibtafeln und erst in der spätantike als diptycha bezeichnet, wurden ihrer Zweiteiligkeit wegen gerne mit ambivantem Gehalt bedacht, ob nun in bezaubernden liebesversen Ovids538 535 piero behauptete: »[…] col nome de dio daremmo principio al facto nostro«; piero della Francesca, Trattato d’abaco, s. 39. 536 der vollständige wortlaut ist: »due quadretti in tavola gangherati insieme dipintovi in uno il petrarca fino a mezzo busto e nell’altro la sua laura, con adornamento di noce 2/3«; zitiert nach conti, 1976, s. 58. 537 (Florenz, Uffizii, Gabinetto delle pitture Antiche, nr. 639); s. conti, 1976, s. 58. 538 in einem Gedicht Ovids soll eine tabella duplex die liebesbotschaft »Veni« zur Geliebten bringen, wobei die tafeln im Fall des erfolges den lorbeerkranz empfangen sollen. diese tendenz der Ver­ menschlichung der tabellae angesichts großer hoffnungen weicht im nächsten Gedicht der ernüchte­ rung aufgrund der Absage: war die tafel zuvor seine treuste Gehilfin, so wird sie nun zum misslichen holz; auch die Klappbarkeit erntet Undank: »Zwiefach wirst du geklappt: und ich merks, dein wesen

6. Der Buchgedanke

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oder bei den christen mit ihrer Funktion als Memento Vivorum oder Memento Mortuorum.539 die nicht wenigen Konzessionen pieros an diesen sogenannten liber vitae passen in diesen Zusammenhang. es handelt sich um die biblische Vorstellung von einer gött­ lichen Commemoratio­liste der Auserwählten, die sich aufgrund gnadenverheißender taten mit einem Bucheintrag ihr himmlisches Bürgerrecht erwarben – ein Gedanke, mit dem sich auch ein Buch des Kirchenschriftstellers tertullian befasste, dessen titel an die Montefeltro­Gattin denken lässt, De baptismo.540 schwerer als die tatsache, dass auf den triumphseiten grundsätzlich res gestae des Montefeltro­paares festgehalten sind, wiegt im speziellen das der urbinatischen Fürstin zugespielte Märtyrer­profil (sie ist nicht umsonst rotgewandet), sprich: die im pelikan kulminierenden Allusionen auf ihr Blutzeugnis im metaphorischen sinne für den Fortbestand der Montefeltro­dynastie.541 tatsächlich gilt Battista noch 1508 dem erzieher von Guidobaldo, ludovico Odasio, als Märtyrerin, als er in der Grabrede auf seinen einstigen eleven anhob, sie »habe nicht gezögert, ihr eigenes leben für die Geburt ihres sohnes zu geben.«542 das verflossene

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ist zwiefach, / schon die gespaltene Zahl war mir kein guter Beginn«; s. Ovid, Amores, i, 12, vv. 27–28, s. 42 (Üs: Marg/harder): »ergo ego vos rebus duplices pro nomine sensi; / Auspicii numerus non erat ipse boni.« – Klapptafeln bereits thematisiert in homer, Ilias, Vi, v. 169 und herodot, Histories Apodexis, Vii, 239, 3. Zur tradition Prayers and Portraits. Unfolding the Netherlandish Diptych, Ausstellungskatalog (wash­ ington, national Gallery, 12.11.2006–04.02.2007; Antwerpen, Koninklijk Museum voor schone Kunsten, 03.03.–27.05.2007), hrsg. v. John Oliver hand et alt., new haven, 2006, s. Viiiff.; oder cecilia Olovsdotter, The Consular Image. An Iconological Study of the Consular Diptychs, Oxford, 2005. tertullian, De baptismo, 17; Belege zum liber vitae v. a. in Jes 4, 3; Ez 13, 9; Dan 12, 1; ein Buch, das alle in erinnerung behält, die den herrn fürchten, in Mal 3, 16; die tilgung der Frevler aus dem Buch der Gerechten in Ps 69, 29; 139, 16; außerdem Offb 3, 5; 13, 8; 17, 8; 20, 12 u. 15; 21, 27; und Augu­ stinus, Ennarationes in Psalmos, 69, 29; der liber vitae als Memoria der taten in Augustinus, De civitate dei, XX, 14; vgl. pseudo­dionysos Areopagita, De ecclesiastica hierarchia, ii, 3, 4. Zur genuin jüdisch­christlichen Metapher vom Buch des Lebens s. curtius, [1948] 101984, s. 306ff.; eine gelunge­ ne synthese von Günther pflug, s. v. »Buchmetaphorik«, in: LGB, hrsg. v. severin corsten et alt., 7 Bde., stuttgart, 21987–2004, Bd. i, s. 625–629; Blumenberg, 1989, s. 57 sprach von einer Metapher für die »Zuverlässigkeit der göttlichen Memoria«; horst wenzel, Hören und Sehen, Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnis im Mittelalter, München, 1995, s. 352f. die römer kannten eine himmlische senats­ liste (s. cicero, De natura deorum, iii, 15, 39); die hervorhebung der Memoria­Funktion vor allem durch thomas von Aquin, Summa Theologiae, iq. 24 De libro vitae. im Libro del Cortegiano heißt es, für Frauen gleiche die liebe zur wahren tugend einem großen Zügel, die zuweilen höher eingeschätzt werde als das eigene leben; s. castiglione, Cortegiano, iii, cap. 41, s. 308: »Ma gran freno è generalmente alle donne l’amor della vera virtù […], del qual molte […] fanno più stima che della vita propria; […].« Vgl. auch Vespasiano, Vite, Bd. iii, 4, s. 287; er deutete den Fiebertod der Alessandra de’ Bardi »als Märtyrerin in diesem leben«: »Veramente lo poteva dire l’Alessandra, essendo istata, si può dire, martire in questa vita per l’amore di dio.« die Grabrede von Odasio aus padua in Bembo, Opera, i, s. 588 (wiederholt in Baldi, Della vita); nach dem hinweis von James dennistoun, Memoirs of the Dukes of Urbino Illustrating the Arms, Arts and Literature of Italy, 1440–1630, london und new York, 1909, Bd. i, s. 207; die Verbindung zwischen

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Blut des Märtyrers glich nach frühchristlichem Glauben, bezeugt durch ennodius und prudentius, dem direkten eintrag in das ewige ›Buch des lebens‹. diese ursprünglich durch die hierarchische Besonderheit der purpurschrift in der Antike supponierte idee fand mitunter ihren Ausdruck in prudentius’ Vergleich der Folterwunden der hl. eula­ lia mit der purpurschrift zum preise christi.543 wenn Vespasiano da Bisticci dem condottiere Federico vor dem Kampfgeschehen die worte in den Mund legt: »[…], und ich bin willig, vereint mit euch mein eigen Fleisch und Blut einzusetzen«, dann sprechen gute Argumente dafür, dass piero die militärischen tapferkeitsbeweise, die der urbinati­ sche regent unter einsatz seines lebens erbrachte, als Korrelat zu Battistas altruistischer heldentat konzipierte.544 Übrigens wiederholt das Büchlein, das Battista auf ihren schoß, ja fast zwischen ihre schenkel nimmt (in entsprechung zum platz des pelikans auf dem schoße der Caritas) die liber vitae­Funktion im Kleinen; es macht pieros dipty­ chon zu einer mise en abyme.545 in diesem punkt kam es zur indienstnahme marianischer Martyrium und tugendhaften Frauen bei castiglione, Cortegiano, iii, cap. 23. die wortfolge der sok­ kelinschrift, »MOdVM […] tenVit«, zehrt vom stoischen Menschenbild, als dessen Verkörperung Battista sforza gesehen werden konnte, jedenfalls nach der idealtypischen charakterisierung in lucans Pharsalia: »dies war der charakter«, verlautet, »dies die unbeugsamen strengen Grundsätze […]: »Maß halten, in den Grenzen bleiben, der natur gehorchen, sein leben fürs Vaterland opfern, daran glauben, daß man nicht für sich selbst, sondern für die ganze welt da ist.« Bezugnehmend auf cato den Jüngeren lucan, Pharsalia, ii, vv. 380–383, s. 128/129 (Üs: Georg luck): »[…] hi mores, haec duri immota […] / secta fuit, servare modum finesque tenere / naturamque sequi patriaeque inpendere vitam / nec sibi, sed toti genitum se credere mundo.« 543 An anderer stelle galt ihm ein buchführender engel als Gewährsmann für die Ausmessung der wun­ den des Märtyrers und »inscripta christo pagina« romanus; s. prudentius, Peristephanon, iii, 136ff. und X, 1119–1121ff; vgl. auch ii, 147 und ennodius, Epiphanius, ii, 10. weitere Beispiele aus den Märtyrerliedern des prudentius bei curtius, [1948] 101984, s.315ff. ein Bildbeleg begegnet in einem von Fra Angelico illuminierten Sanctorale (Florenz, Museo di san Marco, Ms. 557, fol. 41v): das initialbild auf fol. 41v zeigt die Hinrichtung des Hl. Peters Märtyrer, der mit dem aus seinem schädel strömenden Blut auf den Boden schreibt; s. die Abbildung in: Painting and Illumination in Early Renaissance Florence 1300–1450, Ausstellungskatalog (new York, Metropolitan Museum of Art, 17.11.1994–26.02.1995), new York, 1994, Abb. auf s. 333. – in diogenes laertius, Leben, cap. ›Kranor‹, iV, 27 über die in purpur geschriebenen thesen des theophrast. 544 Vgl. Vespasiano, Vite, iii, cap. 6, Bd. i, s. 274 (Üs: Bernd roeck): »[…] e io sono contento, insieme con voi, bisognando metterci la propria vita e la propria salute.« dass Federico mit seinen Verdiensten den himmlischen platz verdient habe, auch in lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, i, cap. 8 (»spera«), vv. 349–350, s. 22: »[…] cepi meritorum laude suorum / si quisquis meruit iam super astra locum.« eine abwägende Gegenüberstellung von Vaterlandsliebe mit Kindesliebe in Filetico, Iocundissimae disputationes, ii, s. 216–218. Man bedenke auch die mögliche polyvalenz der lorbeerkrone von Federico; zur corona vitae s. Jak 1, 12: »Beatus vir […] accipiet coronam vitae«; oder Offb 2, 10: »esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam vitae.« 545 der schoß – in Verbindung mit dem pelikan – alludiert im sinne von Sap 7, 1–2 (»im schoß der Mut­ ter wurde ich zu Fleisch geformt, / zu dem das Blut in zehn Monaten gerann […]«; vgl. Ez, 16: »in sanguine tuo vivo«) an ein wundmal; diesen Aspekt des pelikans unterstrich Augustinus, Ennarratio-

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ikonologie. im Repertorium morale des französischen Benediktiners petrus Berchorius – es stammt aus dem 14. Jahrhundert – ist zu lesen, dass der heilige Geist das Jesuskind im schoße Mariens auf jungfräuliches pergament (»pellis virginea«) geschrieben habe; das Kind sei der welt in der Offenbarung der Geburt zur Kenntnis gebracht und illumi­ niert worden, das hieße, es habe (infolge der passion) rote Buchstaben erhalten und eine Buchbindung durch das Blutvergießen.546 diese Allegorie, so sublim sie erscheinen mag, bediente sich (zunächst ausgehend von Joh 1, 1) des Buches als bewährtes symbol des göttlichen logos, oft explizit des logos »ohne schrift« (»agraphos«).547 nes in Psalmos, 102 [101], 7 (PL, Bd. XXXVii, sp. 1299): »postremo dicunt matrem seipsam graviter vulnerare et sanguinem suum super filios fundere, quo illi superfusi reviviscunt.«; vgl. 1491 in den Laude des lorenzo de’ Medici: »Quel che te m’innamorò sí forte, / fu la tua carità, o pellicano, / che per dar vita a’ figli, a te dài morte / e per farmi divin, se’fatto umano: / […]«; lorenzo de’Medici, Tutte le opere, Bd. ii, s. 1040; – die mit dem Buch bestückte Battista ist zweifellos abhängig von Madonnen­darstellungen mit Gebetbuch wie Antonello da Messinas Gemälde der lesenden Madon­ na (Baltimore, walters Art Gallery, inv.­nr. 37.433); die beiden neben ihrem Kopf schwebenden engel – sie halten eine Krone – lassen an die antithetische Gegenüberstellung der beiden Gestalten hinter Battista denken. ein Zusammentreffen pieros und Antonello da Messinas vor 1460 ist wieder­ holt vermutet worden; s. luciana Arbace, Antonello da Messina. Catalogo completo dei dipinti, Florenz, 1993, s. 33f. u. die Abb. zu Kat.­nr. 8, s. 33. 546 Berchorius, Repertorium morale II, ii, s. v. »liber«, s. 533f., s. 534; vgl. ebenda, ii, lib. Xiii, cap. 3: »de rubeo colore«; s. auch iii, iX, G, s. 53: »[…] quod sanguis, id est, poena, sudor & labor, vel etiam martyrium talium usque ad interiora velaminis, & usque ad paradisum transit, velum coeli penerrat & transcendit, pavimentum ecclesiae ornat & colorat, & aspergit ipsum altare divinae charitatis, & ipsum propitiatorium divinae pietatis tangit, in quantum pro se, & pro aliis veniam impetrat, & attingit (sicut ad literam apparuit) in sanguine martyrium […]«; ii, lib. Vii, cap. 58, s. 501f. über den peli­ kan. – nicht zuletzt das Motiv des Buches auf dem schoß beweist pieros intellektuelle Auseinander­ setzung mit marianischer ikonografie, wie im speziellen Madonnen in Verkündigungsszenen. Bei ihnen weist dieses Motiv freilich auf die Geburt hin, und es ist nicht selten mit hinweisen auf das spätere leiden Mariae und den tod christi durchsetzt. in diesem Kontext verdient ein skizzenblatt aus der pisanello­werkstatt Beachtung (paris, Musée du louvre, département des Arts Graphiques, inv.­nr. 2398): es zeigt, neben anderen einzelmotiven, eine für gewöhnlich mit einer Verkündi­ gungsmadonna identifizierte Frau mit Buch auf ihren schoß und auf Kopfhöhe neben ihr ein pelikan mit seinen Jungen; zuletzt abgebildet in Pisanello, 1996, s. 171, der Kommentar auf s. 177, nr. 95. 547 in Joh 1, 1 hieß es: »im Anfang war das wort und das wort war bei Gott und das wort war Gott.« in der byzantinischen Mystik avancierte das Volumen zur inkarnation des Körpers, den Maria dem Kör­ perlosen geboren hat; dem Gregor von nikomedien (PG, Bd. c, sp. 1425) galt Maria als Volumen des schriftlosen logos; vgl. hans Belting, Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, München, 1990, s. 324f. weitverbreitet war auch die Vorstellung von der einschreibung (miri­ fica descriptio) der trinität in den schoße Mariens; speziell dazu Klaus schreiner, »›… wie Maria geleicht einem puch‹. Beiträge zur Buchmetaphorik des hohen und späten Mittelalters«, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. ii, 1971, sp. 1437–1464. – dieses Vorstellungsgut fand nachweislich eingang in populäre passionstraktate des 15. Jahrhunderts; s. beispielsweise Das puch des lebens (Berlin, staatsbibliothek, stiftung preussischer Kulturbesitz, Ms. germ. 8° 467, fols. 208r–249v, fols. 208rff.). seit Beltings Auflistung von Bildbeispielen aus dem Mittelalter wissen wir um die existenz einer ikonen­

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wir können festhalten: pieros tribute an den liber vitae brachten eine vergleichswei­ se formale ebene, die ikonologie des Bildträgers, mit ins spiel. diese tradition diente mit christlichem determinismus der Untermauerung dessen, was die Trionfi­erzählung ihrerseits leistete: Aufschlüsse über die triumphseiten zu geben, die nicht weniger vor­ führen, als die jeweilige Qualifikation der Montefeltro für ihr bildgewordenes end­ schicksal im innern des diptychons. indizien lassen uns an die Koppelung des latent blutig­dramatischen pathos in der Kunst mit dem ethos glauben, eine Assoziation, die mindestens so alt ist, wie der Bericht von plinius d. Ä. über eine gemalte sterbeszene mit einer blutenden Mutter »nach [der] einnahme einer stadt«. es war einer jener Vorstöße, mit denen Aristeides aus theben der Malkunst durch das erstmalige einfangen des seelischen neuland erschlossen haben soll (»is omnium primus animum pinxit et sensus hominis expressit […]«).548 der schritt war nicht weit, der von diesem Gemälde, das so gekonnt die Furcht einer sterbenden ausdrückt, ihr Kind werde nach dem Versiegen ihrer Milch womöglich »Blut saugen«, zum Blutopfer der Mutter von Guidobaldo, das ebenfalls nach der einnahme einer stadt, der Volterras, ersichtlich wurde. Blut, und sei es nur eine Allusion an dieses, war geeignet, damit die darstellung der tragödie, die sich bei den Montefeltro zutrug, um so tiefer ins herz des Betrachters dringe. hatte Quintilian das Gemälde einer Bluttat, der ermordung cäsars, zum Appell an die Affekte der richter mit der Frage zurückgewiesen, wie denn ein »stummes Bild« beredter sprechen könne als ein rhetor,549 so war piero, im

tradition, deren eigenheit die blutbeschmierte Buchrolle der Muttergottes ist, ihrem Medium zur Unterweisung des christusknaben in den sinn der passion. Belting nannte in diesem Zusammen­ hang die tafel der hodegetria aus dem 12. Jahrhundert in Athen (Byzantinisches Museum) und die Gottesmutter von pelegonia; in diesem Gemälde hält das christuskind das in Marias Blut getauchte Volumen; s. Belting, 1990, s. 326 und Abb. 177. 548 plinius, NH, XXXV, 98, s. 76: »huius pictura oppido capto ad matris morientis ex volnere mammam adrepens infans, intellegiturque sentire mater et timere, ne emortuo lacte sanguinem lambat. quam tabulam Alexander Magnus transtulerat pellam in patriam suam.« Vgl. Alberti, De pictura, ii, 41, s. 270/271: »[…] hos animi motus expressisse«; detaillierter Ghiberti, I commentarii, i, 8.16.; raffaele Borghini, Il Riposo, in: scritti d’arte, 1971–1977, s. 683 beschreibt das Aristides­Gemälde in der para­ gone­diskussion über den Appell an die Affekte. 549 die nach realisierung seiner Ankündigungsfunktion schockierende wirkung des pelikans erinnert, wenn auch geschwächt, an die blutdurchtränkte toga des ermordeten cäsar, die seinem leichenzug vorangetragen worden ist. nach Quintilians Bericht habe »das bluttriefende Gewand« dem Volk trotz wissens um cäsars tod und trotz Bewusstseins von seinem leichnam auf der Bahre das »Bild der Bluttat so gegenwärtig« gemacht, »daß es so war, als sei caesar nicht [bereits] erschlagen worden, sondern als geschehe es gerade eben erst.« Quintilian, Institutio oratoria, Vi, 1, 31–32, Bd. i, s. 686f. (Üs: helmut rahn): »quarum rerum ingens plerumque vis est velut in rem praesentem animos homi­ num ducentium, ut populum romanum egit in furorem praetexta c. caesaris praelata in funere cru­ enta. sciebat vi interfectum eum, corpus denique ipsum inpositum lecto erat, vestis tamen illa san­ guine madens ita repraesentavit imaginem sceleris, ut non occisus esse caesar, sed tum maxime occidi

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tenor von horaz, um den anschaulichen Gegenbeweis bemüht: dass der Gesichtssinn mehr die Affekte berühre als das Gehör.550 wie sehr der mit der Buchgestalt einhergehenden Klappbarkeit von diptychen Auf­ merksamkeit gewährt war, dokumentieren mitunter die inventarlisten des burgun­ dischen hofes aus dem 14. Jahrhundert, in denen beispielsweise ein Andachtsdiptychon als »tableau en formes d’unes heurs, fermant« (tafel in Form eines stundenbuches, ver­ schließbar) rangiert,551 obgleich nicht eindeutig ist, ob einzig die Form beredet wurde oder darüber hinaus die kontemplative Zweckbestimmung. eines der frühesten Zeug­ nisse dieser Art in italien bezieht sich auf das heute verlorene Bildnis des Julius Caesar, das pisanello dem leonello d’este angedeihen ließ. im register der guardaroba estense ist es 1494 verzeichnet als: »Una capsa quadra in forma di libro*[, dove è Julio cesare in uno quadretto di legno cum le cornise dorate«].552 eine diptychische Form ist für dieses werk jedoch nicht eindeutig gesichert. Aber auch jenseits des diptychischen ergötzte man sich im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder an gewissen Analogien, die zwischen Gemäl­ den und Büchern bestehen. plinius dem Älteren erschienen selbst Künstlersignaturen wie ein pendant zu lapidaren Buchtiteln.553 seit dem Quattrocento goss man mit termi­

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videretur. sed non ideo probaverim, quod factum et lego et ipse aliquando vidi, depictam in tabula siparione imaginem rei cuius atrocitate iudex erat commovendus: quae enim est actoris infantia, qui mutam illam effigiem magis quam orationem pro se putet locuturam?« Angesprochen ist das stilmit­ tel des »Unmittelbar­vor­Augen­stellens« (»sub oculos subiectio«), bei dem die tat (»gesta«) – laut Quintilian, Institutio oratoria, iX, 2, 40, Bd. ii, s. 286 – so vorgeführt werde, als sei sie nicht bereits geschehen, sondern so, als geschehe sie nach und nach (»per parti«). horaz, Ars poetica, vv. 180f. Inventaires, 1894–1896, Bd. i, A[rchive], nr. 994: »livre contrefait d’une pièce de bois peinte, avec fermoirs.« Zitiert nach dülberg, 1990, s. 297, Kat.­nr. 282 mit der einordnung als Klappdeckel. die erste erwähnung des Bildes am 1. Februar 1435 im Registro dei mandati: »[…] ad ipsum dominum leonel­ lum […] pisani nomine divi Julij cesaris effigem detulit et presentavit«. die Bedeutung cäsars für leonello indiziert Guarinos Buchwidmung von 1441 zur Überlegenheit caesars gegenüber scipio; dazu Marianne pade, »Guarino and caesar at the court of the este«, in: La corte di Ferrara e il suo mecenatismo 1441–1598, The Court of Ferrara and its Patronage, Atti del convegno internazionale, Kopenhagen, Mai 1987, hrsg. Marianne pade et alt., Modena, 1990, s. 71–79; dazu und über eine pisanello zugeschriebene Zeichnung von cäsar und das Vorhandensein einer »stanza detta di cesare« in einem der paläste leonellos der Kommentar in Pisanello, 1996, s. 136, Kat.­nr. 73. – nachweisbar ist ein nicht nur äußerlicher Buchvergleich im Medici­inventar von 1560. es ist die nutzungsempfeh­ lung eines porträtdiptychons von einem Mann und einer Frau als Buch: »quadro che si serra a uso di libro entrovi dua ritratti d’un uomo e d’una donna«; zitiert in Firenze e la Toskana dei Medici nell’Europa del Cinquecento, Ausstellungskatalog (Florenz, palazzo Vecchio, 15.03.–28.09.1980), hrsg. v. paola Barocchi, Florenz, 1980, s. 263f., Kat.­nr. 490. plinius verglich seine bescheidene Buchaufschrift mit Maler­ und Bildhauersignaturen, die, mit knap­ pen Aufschriften wie »Apelles oder polykleitos arbeitete daran«, nur staunen hervorriefen; s. plinius, NH, i, 26, s. 20–21 (Üs: roderich König): »[…] ex illis mox velim intellegi pingendi fingendique

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nologischen Verschränkungen zunehmend Öl ins Feuer von paragoni, seitdem, wie mas­ siv 1426 dokumentiert für pavia, das einprägen von dekor in lederne Bucheinbände mit dem Begriff »sculptus« belegt wurde, und ein stoffeinband der Bücher gar »tela« hieß, d. h. »stoff«, »leinen« aber auch »leinwand«.554 Kaum verwunderlich ist es daher, wenn die Buchbindekunst in einem Gedicht, das Giammario Filelfo an den schreiber Felice Feliciano richtete, dem ingenium eines sagenumwobenen Künstlers, dädalus, zu ent­ springen schien; und gegen 1475 bemühte der aus cesena stammende dichter Angelo lapi die »dedailia […] arte« bezüglich der Bibliothek von Federico da Montefeltro, ob allein auf die Architektur bezogen oder mit bibliophilem Anstrich – wir wissen es nicht.555 Bekanntermaßen war die Bibliophilie des urbinatischen regenten, in dessen Bibliothek sein Biograf de’ rossi (ca. 1540) einen »höchst starken Felsen« voller wissen­ schaft sah,556 ebenso sprichwörtlich wie seine Bevorzugung handgeschriebener (nicht gedruckter) Bücher und sein hang zu kostbaren, mit Karmesin und silber geschmück­ ten einbänden.557 Kehren wir zu pieros diptychon zurück: Zur seiner vollständigen Betrachtung war es nötig, die diptychontafeln wie Buchseiten einer lektüre nicht umzublättern, aber doch umzuklappen. wie ein Buch konnte es auf­ und zugeschlagen werden, und die kleinteiligen Trionfi­szenen, die Medaillonspiegelung, die inschriften, sie verlangten wie eine Buchlektüre die vertiefende nahbetrachtung, eine erfordernis, die leonardo im Libro di pittura den produkten der Miniaturmaler vorbehalten sah.558 tatsächlich ist die

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conditoribus, quos in libellis his invenies absoluta opera et illa quoque, quae mirando non satiamur, pendenti titulo inscripisse, ut ›Apelles faciebat‹ aut ›polyclitus‹, […].« Über diese signaturform – ohne Bezug auf die Buchkunst – als Bescheidenheitsfloskel Burg, 2007, s. 186–187. das inventar der Bibliothek Filippo Maria Viscontis registriert 42 Bucheinbände, die »sculptus« gefertigt seien; s. elisabeth pellegrin, La bibliothèque des Visconti et des Sforza ducs de Milan, au XVe, paris, 1955, s. 195, A 547, s. 128, nr. 243. siehe die hexametrische Verherrlichung des Montefeltro­Fürsten von Angelo lapi, Carmen ad poetas, s. 128: »dedailia dux arte domum visuque superbam / erigit Urbini […].« in Felicianos Gedicht (BAV, Ms. reg. lat. 1388, fols. 56v–57r) heißt es: »codicibus si quando manus tua iuncta ligandis: / ingenio cedat daedalus ipse tuo«; zitiert nach Giovanni Mardersteig, »tre epigrammi di Gian Mario Filelfo a Felice Feliciano«, in: Classical Medieval and Renaissance Studies in Honor of Berthold Louis Ullman, hrsg. v. charles henderson, Jr., rom, 1964, Bd. ii, s. 375–389, s. 381. Zum Vergleich von bildenden Künstlern mit dädalus hessler, 2007, s. 94ff. de’rossi, Vita di Federico di Montefeltro, s. 72: »[…] sua libreria, come una rocca fortissima e ripiena d’ogni scienza.« Vespasiano, Vite, Bd. i, cap. 31, s. 302: »[…] ha ognuno coperto di chermesi e fornito d’ariento […], che è una ricca cosa a vedergli.« Über den stab von Kopisten am urbinatischen hof peruzzi, 2004, s. 62ff. leonardo, Libro di pittura, ii, 152, s. 210: »[…] le piccole [cose] de’miniatori debbono essere vedute da presso […].« Zur wahrnehmung von Miniaturen hans Belting und dagmar eichberger, Jan van Eyck als Erzähler. Frühe Tafelbilder im Umkreis der New Yorker Doppeltafel, worms, 1983, s. 143ff.

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Affinität zur Miniaturmalerei nicht zu leugnen, die am urbinatischen hof durch wahre Größen wie durch den Mantuaner Franco de’ russi florierte.559 Jedem kultivierten höf­ ling musste die Abhängigkeit der Montefeltro­triumphe von Trionfi­illuminationen ins Auge stechen. plötzlich angebracht auf soliden holztafeln statt auf dünnen, beim Umblättern knisternden, aber auch leicht reißbaren Folien aus pergament und trans­ poniert ins erhabenere Medium der tafelmalerei unter drastischer schmälerung der schrift­Komponente, wirkten pieros darstellungen wie eine Art Gegenentwurf zur Buchmalerei, wie Malerei auf einem ›Buch‹ oder wie Malerei statt Buch? die Beantwortung der Frage, was piero zu dieser Art der selbstprofilierung bewog, die auf Kosten der Buchilluminatoren stattfand, kommt in keinem Fall am locus classicus zur rivalität zwischen Miniaturmalern vorbei: dem elften Purgatorio­Gesang (vv. 73–92). Über diesen vermochte niemand am urbinatischen hof gleichgültig hinweg­ zulesen. Oderisi († 1299), der eine, wenn auch unterlegene der beiden Virtuosen – die Blätter Franco Bologneses lächelten schöner (»più ridon le carte«; v. 82) –,560 kam aus­ gerechnet aus Gubbio, dem Geburtsort von Federico da Montefeltro, wie auch der lokale chronist ser Guerriero da Gubbio im 15. Jahrhundert nicht ganz uneigennützig heraus­ stellte.561 Oderisi, der, bestraft wegen seiner superbia, in einer illuminierten dante­Aus­ gabe aus dem dritten trecento­Quartal als Büßer im Gespräch mit dante figuriert (Abb. 87),562 war nach einschätzung des Anonimo Fiorentino ein »Miniaturmaler von

559 Franco de’ russi trat gegen 1474 in den dienst des Montefeltro­Fürsten, 1480 Guglielmo Giraldi; dazu Maria Grazia ciardi dupré dal poggetto, »la miniatura alla corte di Urbino durante e dopo piero«, in: Piero e Urbino, 1992, s. 321–327, s. 322 und auf s. 325 der hinweis auf noch nicht geklär­ te Grundlagen von stilistischen Gemeinsamkeiten von pieros Malkunst und den werken der Minia­ turmaler; s. auch Annarosa Garzelli, »i miniatori fiorentini di Federico«, in: Federico da Montefeltro, 1986, Bd. iii, s. 113–123. Über Federicos Bücher heißt es bei Vespasiano, Vite, iii, cap. 31, Bd. i, s. 302: »[…] tutti miniati elegantissimamente, e non v’è ignuno che non sia iscritto in cavretto.« 560 dante, Purgatorio, Xi, vv. 82f., Bd. ii, s. 132. 561 Guerriero da Gubbio, Cronaca, s. 42, z. 31ff.; dante, Purgatorio, Xi, vv. 79–93, Bd. ii, s. 132ff., Bd. V, s. 195ff.; reflexe auf diese rivalität in in der literatur seit dante in App. ii/F­a. der passus fand in der Forschung deutlich geringere Beachtung als die Konkurrenz zwischen cimabue und Giotto (vgl. App. ii/F­b); s. Barbara J. watts, »Artistic competition, hubris, and humility. sandro Botticelli’s response to ›Visibile parlare‹«, in: DS, 114, 1996, s. 41–78; über das mittelalterliche Motiv der bestraften superbia eberlein, 1995, s. 172; conti, [1979] 1991, Bd. i, s. 137 und Falaschi, 1972, s. 2f.; ciccuto, 1991, s. 144ff.; Giovanni Fallani, »ricerca sui protagonisti della miniatura dugentes­ ca: Oderisi da Gubbio e Franco Bolognese«, in: Studi Danteschi, 47, 1971, s. 137–152; conti, [1979] 1991, Bd. i, s. 137. 562 (holkham hall, library of the earl of leicester, Ms 514, fol. 78); dazu Illuminated Manuscripts of the Divine Comedy, 1969, Bd. i, s. 252ff., Bd. ii, s. 362, Abb. b. – in der dante­Ausgabe Federicos, deren prachtvolle Ausschmückung Guglielmo Giraldi aus Ferrara besorgte, ist keine hervorhebung des pas­ sus zu erkennen. eine andere als die besagte szene wurde illustriert; s. Dante Urbinate, 1965, fol. 128v, auf fol. 127r; der Kommentar in Bd. ii, s. 123f.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

höchstem rang«; Francesco Buti kürte ihn zum »miniatore di pennello«.563 Unter den dante­Kommentatoren hat vor allem iaco­ po della lana im ersten drittel des trecento Oderisis provenienz betont: »[…] dieser Oderigi war einer aus Gubbio, und er war ein feiner Buchilluminator […], der die Mei­ nung hatte, dass es keinen besseren Meister als ihn auf der welt geben würde […].«564 »Und merke«, so lana an den leser, »dass der Autor sagt: ›l’onor d’Agubbio‹, um ungefähr zu sagen: von diesem Ort ist nie ein berühmterer Mensch hervorgegangen als du.« eine paraphrase dessen bot der sehr populäre Ottimo commento.565 es mochte nicht geringe ironie darin liegen, wenn piero den Mann, der ohne Zwei­ fel der »onor di Gubbio« seines eigenen Zeitalters war, Federico da Montefeltro, 87 Dante und Oderisi da Gubbio, illustration zu dante, Purgatorio, Xi, vv. 73­92, norditalien (Genua?), 3. Viertel ausgerechnet in Gestalt einer Überbietung 14. Jahrhundert, aus: dante, Divina commedia, Oxford, von Buchmalern ins Bild setzte: mit tradi­ Bodleian library, Ms. holkham Misc. 48, fol. 78 (detail) tionsreichen Miniaturmotiven, die zu Voll­ bildern in einem Medium (sc. dem Buch) gereift sind, das für die humanisten jenseits der Angreifbarkeit lag. tugenddarstellungen waren, anders als die Vorstöße Oderisis, erhaben über den Verdacht, nur leerem eitlen ruhm (»vana gloria delle umane posse«, v. 91) verpflichtet zu sein. Vor allem aber voll­ endete piero sein werk, im Gegensatz zu Buchmalern, ohne jegliche Beteiligung von Kalligrafen, deren tätigkeit (das Malen von Buchstaben) Vergerio noch 1404 über die gegenständliche Kunst (»protactiva«) gestellt hatte;566 piero bemühte auch nicht die scrip563 Anonimo Fiorentino, Commento (s. App. ii/F­a, nr. 7); Francesco Buti, Commento (s. App. ii/F­a, nr. 6). Anders als diese Kommentatoren hatte Benvenuto da imola die beiden Purgatorio­Virtuosen despektierlich den »Menschen unbekannten namens und niederen handwerks« zugerechnet, die dennoch auf der welle des strebens nach ruhm mitschwammen; s. Benvenuto de rambaldis de imo­ la, Comentum super Dantis (s. App. ii/F­a, nr. 5). 564 iacopo della lana, Comedia (s. App. ii/F­a, nr. 1) 565 L’Ottimo commento (s. App. ii/F­a, nr. 2). 566 Vergerio, De ingenuis, s. d7r: »erant autem quattuor, quae pueros suos Graeci docere consueverunt: litteras, luctivam, musicam, et designativam, quam protractivam quidam appellant […]. designativa vero nunc in usu non est pro liberali, nisi quantum forsitan ad scripturam attinet (scribere namque et ipsum est protrahere atque designare), quod reliqua vero penes pictores resedit.« dazu Baxandall,

6. Der Buchgedanke

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tores, von denen Federico, laut Vespasiano da Bisticci, kontinuierlich »dreißig oder vier­ zig« beschäftigte.567 wir können nicht ausschließen, dass der impuls für pieros concetto aus Burgund kam. nach einer inventarnotiz von 1411 hatten die Gebrüder limburg, die schöpfer der Très riches heures, ihrem Fürsten zum Jahreswechsel ein ungewöhnliches präsent über­ reicht, ein »livre contrefait«, genauer, »[…] ein stück holz […], das wie ein Buch bemalt war, in wirklichkeit aber kein Blatt und nichts Geschriebenes enthielt«.568 so spärlich die Angaben über das Aussehen dieses Artefaktes bleiben, soviel kann gesagt werden: die Miniaturmaler kalkulierten offenbar mit dem schein, mit der Buchähnlichkeit, überreichten etwas, das auf den ersten Blick ihrem höfischen ressort entsprach. sodann ließ dieses Opus, so scheint es, eine gewisse distanz und ironisierende reflexion auf ihr tun erkennen. dieser livre contrefait setzte den nüchternen inventarschreiber in erstau­ nen – und, wie wir erwarten dürfen, auch die hofgesellschaft, ganz in entsprechung zu anderen neujahrsgeschenken an den nordischen höfen.569 der Beschreibung nach eine Surprise, mochte dieses (bemalte oder gemalte) Buch ohne schrift teil jener eigentümli­ chen »Oszillationen und Verquickungen von wirklichkeit und illusion« sein, in denen norbert elias ein charakteristikum des höfischen zu erkennen meinte.570 es ruft wiede­ rum das Vorstellungsbild wach, dem platons Sophistes Geltung verschafft hatte: das des Malers als Gaukler.571 Ob es bereits im livre contrefait im sinne des paragone um eine

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1971, s. 125, Anm. 9. die Kalligrafie sollte nach castiglione Vorbild der redeweise des höflings sein; s. castiglione, Cortegiano, i, cap. 29, s. 62–63: »[…] e quel parlar è bellissimo, che è simile ai scritti belli.« Vespasiano, Vite, iii, cap. 28 und 30, Bd. i, s. 298 und s. 302. – Vom aragonesischen hof wissen wir, dass Kalligraphen im festen fürstlichen sold standen; vgl. Kristeller, 1974–1976, Bd. ii, s. 239; Über das Verhältnis zwischen Maler und schreiber im Mittelalter eberlein, 1995, s. 114ff. u. s. 166ff. »[…] d’une pièce de bois blanc paincte en semblance d’un livre, où il n’a nulz feuillets ne riens escript«; zitiert nach Inventaires, 1894–1896, Bd. i, s. 265, nr. 994; eine knappe Besprechung dieser sequenz bei huizinga, [1919] 1987, s. 381. Man denke an das inventarisch verbürgte neujahrsgeschenk philipps des Kühnen an den französi­ schen König: ein plastisches emailbild des Hl. Michael von 1397. ein sublimes spiel mit vielen emaillefarben gilt auch für das Goldene Rößl in Altötting, ein neujahrsgeschenk von 1405; isabella von Bayern überreichte es ihrem Mann, charles Vi. von Frankreich; dazu und zu anderen neujahrs­ geschenken renate eikelmann, »Goldschmiedekunst am hof der herzöge von Burgund«, in: Die Kunst der burgundischen Niederlande. Eine Einführung, hrsg. v. Birgit Franke et alt., Berlin, 1997, s. 85–101, s. 87f. – christine de pizan unterstrich zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Fähigkeit des Malers, staunen zu erzeugen. in der Biografie der Malerin irene (vgl. plinius, NH, XXXV, 147) heißt es, diese habe ihre Zeitgenossen so sehr in staunen versetzt, dass sie von ihr ein Bildnis der heiligen Jungfrau fertigen ließen, das als Gedenkbild an sie zwischen Bildern hochberühmter Männer dienen sollte; christin de pizan, Livre de la Citè des Dames, s. 116. norbert elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, [darmstadt, 1969] Frankfurt a. M., 61992, s. 373. siehe cap. iii.2.4.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

entthronung des Geschriebenen ging, entzieht sich unserer Kenntnis. in pieros dipty­ chon jedenfalls gewahrte der zeitgenössische Betrachter die neue rolle der schrift: sie war allenfalls ein Beiwerk der Malkunst.

6.2. Zwischen poesie und Gesta – eine parallelbiografie für den homo litteratus »facendo paragon de gli homin divi« Giovanni santi

was auch immer vom umstrittenen Gedanken der tatsächlichen existenz lauras zu hal­ ten ist,572 petrarcas Trionfi nahmen sich wie ein ›Zwitterwesen‹ zwischen Fiktion und realität aus. sie bekamen wegen der doppelrolle petrarcas, als dichter und als held seiner eigenen dichtung, den Anstrich des Autobiografischen. eben diese homo­duplex­ struktur573 aber färbte keineswegs auf das Montefeltro-Diptychon ab: piero als Maler rückte anstelle des dichters, die rolle des männlichen helden füllte Federico da Monte­ feltro aus. Und doch wirkte diese Verquickung von poesie mit historie, eine Gratwan­ derung zwischen den klassischen genera narrationis, unvermindert nach. sie gewann um so mehr an terrain, als nun Großteils reale ereignisse, die sich in den siebziger Jahren des Quattrocento zutrugen, Gegenstand der poetisierung wurden. Oder wie sollte man dieses transferieren des Modells eines der einschlägigsten dichtwerke italiens mitsamt seiner Binnenstruktur und seines Motivschatzes auf die Beschreibung rezenter Gescheh­ nisse nennen? Keine Frage: pieros darstellungen, die sich ein literarisches werk zum Vorbild nahmen, um sie auf einem Bildträger anzubringen, dessen wurzeln seinerseits in der Buchtradition liegen, schürten im Betrachter den gattungsorientierten seitenblick auf verwandte Buch­ und literaturgattungen. Für den Gebildeten trat pieros kühner wettstreit mit petrarcas dichtwerk offen zutage und bei näherem hinsehen nicht minder derjenige mit historiografischen Genres wie einem speculum vitae oder sogenannten Gesta,574 deren Gegenstandsbereich übrigens explizit in der sockelinschrift anklang: »rerVM […] GestArVM« ist da zu lesen.

572 Zweifel an der realen existenz lauras hegte bereits petrarcas Zeitgenosse Giacomo colonna (vgl. petrarca, Familiarum rerum libri, ii, 9). ein resümee der alten diskussion um Fiktion oder echtheit von laura bietet peter Kuon, »Metamorphosen lauras. Zum Verhältnis von Artifizialität und Authen­ tizität in petrarcas canzoniere«, in: Italienische Studien, 17, 1996, s. 35–56. 573 dazu Vittorio roda, Homo duplex, Bologna, 1991. 574 die sogenannten res gestae des Mittelalters erzählten nach übergeordneten inhaltlichen Zusammen­ hängen, häufig in kausaler Verknüpfung, historie; dazu eckhard Keßler, 1978, s. 88ff.; nancy struever, The Language of History in the Renaissance Rhetoric and Historical Conciousness in Florentine Humanism, princeton, 1970, s. 63ff. – eine reihe von Büchern in Federicos Bibliothek gehörten die­

6. Der Buchgedanke

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Gleichgültig, ob pieros diptychon mehr als poetischer libellus mit Fingerzeigen auf die wirklichkeit oder als historiografisches Opus mit poetischer Verve erschien, es zeich­ nete sich ein traditionsbruch ab, bestehend aus kognitiver Komplementarität: dichtung neigte zur wahrheit, Geschichtsschreibung zur Fiktion, als sei die Geltung der alten ciceronianischen doktrin um die abweichenden Zielsetzungen von dichtung und Geschichte, Fiktion versus wahrheit, außer Kraft gesetzt.575 entgegen dem ersten Anschein stand der lehrsatz ciceros auch dann noch in Geltung, als Albertino Mussato und petrarca anlässlich ihrer dichterkrönung die ehrentitel »poeta et historiografus« bezie­ hungsweise »poeta et historicus« erhielten – Anreden, die jedoch allein ihren gleichzeiti­ gen historiografischen Vorstößen rechnung trugen.576 so sehr petrarca die Forderung nach einem gewissen wahrheitsgehalt der dichtung erhob, so wenig dachte er an eine Gattungsverschmelzung mit der historiografie; im Vordergrund stand vielmehr das Bemühen, die dichtung vom traditionellen Vorwurf der lüge abzurücken.577 eine ent­ wicklung war allerdings im Fluss, eine, die sich der synthetisierenden Kraft der pictura loquens verdankte, als es 1449 auf der ernennungsurkunde eines neapolitanischen hofma­ lers, leonardo da Besozzo, unter Beschwörung des simonides­diktums hieß: »was den Geschichtsschreibern [hystericorum] und dichtern [poetarum] eigen ist, ist auch Malern ser Gattung an, v. a. das von Giovanni campano, Vita et res gestae Braccii Fortebracci libri I–VI (Ms. Urb. lat. 326); s. stornajolo, 1902–1921, Bd. i, s. 295. 575 cicero, De oratore, ii, 62, s. 244: »nam quis nescit primam esse historiae legem, quid falsi dicere audeat?«; und derselbe, De inventione, i, 27, s. 58: »ea, quae in negotiorum expositione posita est, tres habet partes: fabulam, historiam, argumentum […]«; das argumentum besitzt die erzählqualität der probabilitas: es sind erfundene ereignisse, die hätten stattfinden können. Vgl. Rhetorica Ad Herennium, i, 13; Quintilian, Institutio oratoria, ii, 4, 2; cicero, De legibus, i, 1, 5; lukian, Historia conscribenda, 9; grundlegend Klaus heitmann, »das Verhältnis von dichtung und Geschichtsschreibung in älterer theorie«, in: AfKg, 52, 1970, s. 244–279. die Metrik der dichtung als Unterschied zur Geschichtserzählung in Quintilian, Institutio oratoria, iX, 4, 129. die Ansicht, Gemälde seien zur erinnerung an in tat und wahrheit geschehene geschichtliche ereignisse entstanden, in den Libri Carolini, iii, 23 (PL, Bd. XcViii, sp. 1161). die Begründungsprinzipien der historia skizziert von Kristine patz, »Zum Begriff der ›historia‹ in l. B. Albertis »de pictura‹«, in: ZfK, 49, 1986, s. 269– 287, s. 285f. 576 das erkannte auch Fiano, Contra ridiculos oblocutores, s. 148: »[…] vir inquam immortalitate tam vite quam fame dignus et omni sub evo fama perpetua sempiternus, Franciscus petrarcha post hos merito ornatus insigni, quo, si non solum ea que divine scripsit sed candide et innocue vite gesta recenseas […].« die Urkunden der dichterkrönung – von 1315 (Mussato) und 1341 (petrarca) – zitiert in Buck, 1952, s. 69 und s. 74. – der Umstand bleibt, nicht zuletzt wegen der Beibehaltung des titels in bei­ den dichterkrönungen, erwähnenswert; Kristeller, 1974–1976, Bd. i, s. 102 erklärte ihn mit einem akademischen Grad, der nicht nur für originale dichterische leistungen, sondern auch für sachge­ rechtes erforschen der dichter galt; s. auch ronconi, 1976, passim. 577 petrarca, Africa, iX, vv. 103–105, s. 696: »Qui fingit quodcumque refert, non ille poete / nomine censendus, nec vatis honore, sed uno / nomine mendacis […].« Über die bis ins Altertum zurückrei­ chende Apostrophierung der dichtung als lügenkunst statt vieler Buck, 1987, s. 204ff.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

nicht fremd, denn die Antike hat in vielen schriftstellen bezeugt, dass die dichtung nichts anderes ist als redende Malerei«.578 noch zwei Jahre zuvor hatte Guarino Verone­ se, trotz Kenntnis dieses, durch die Moralia tradierten Gemeinplatzes (dem Ausgangs­ punkt von plutarchs diskussion um die beste Art der Geschichtsschreibung) den status der Malerei als stummer dichtung in Abrede gestellt, bleibe sie doch – im Gegensatz zu den Annalen – wegen des Fehlens der Buchstaben stumm (»[…] sine litteris mutae sunt«). letztere würden hingegen »leicht über die ganze welt« hinwegschweifen.579 Gua­ rino entwickelte diese paragone­position zur Ubiquität des wortes 1437 in seinem dedi­ kationsbrief zu einem Buch, von dem, wie wir noch sehen werden, nicht nur für ihn mächtige impulse für den Kunstrangstreit ausgingen: von den doppelviten des großen Biografen plutarch. deren rezeption im Quattrocento haben Giustiniani und pade erforscht.580 »wenn es schließlich beliebt«, schrieb Guarino, »die werkzeuge des ruhmes […] einzuführen, so übertreffen die Annalen jedes beliebige Gemälde und jede beliebige statue.« seine Begründung stützte sich, wie üblich unter humanisten, darauf, dass die Bildkünste allenfalls die Körper erfassen, während die historiografie auf höheres abziele:

578 »Quod minus quamquam hystericorum ac poetarum proprium sit, non tamen alienum est a pictori­ bus, nam quemadmodum in pluribus locis testatur antiquitas, poesis nichil aliud est quam pictura loquens.« Zitiert nach Jordí rubió, »Alfons el Magnànim, rei de nàpols, i daniel Florentino, leon­ ardo da Bisuccio i donatello«, in: Miscellània Puig i Cadafalch. Recull d’estudis d’arqueologia, d’ història de l’art i d’ història, hrsg. v. societat catalana d’estudis històries, Barcelona, 1951, s. 25–35, s. 31 (die dtsche. Üs zitiert nach warnke, 1985, s. 76); zum simonides­diktum s. cap. Vii.5.3. – dass »die Malerei von seinen taten [gemeint waren die siege] sprechen möge« (»ut facta eius pictura loquere­ tur«), dieser wunsch wurde bereits in der lebensbeschreibung von Maximus dem thraker (in der Historia Augusta) im Kontext mit einigen tafeln geäußert, die von der Kurie aufgehängt wurden; s. Scriptores Historiae Augustae, Maximi duo, Xii, 10–11 (zitiert nach salvatore settis, »ikonographie der italienischen Kunst 1100–1500: eine linie«, in: Italienische Kunst, [1979] 1991, s. 9–194, s. 16). Zu dem seit dante geflügelten wort des visibile parlare s. Anm. 16. 579 im Brief von 1447 an Alfonso von neapel Guarino, Epistolario, Bd. ii, nr. 805, s. 492: »[…] quod nullas per imagines aut statuas fieri posse sperandum est, vel quia sine litteris mutae sunt vel quia per orbem terrarum huc atque illue facile transferri nequeant.« Mehr zu diesem Gemeinplatz s. cap. 6.3.2 und paola casciano, »storia di un ›topos‹ della storiografia umanistica: exempla e signa«, in: La storiografia umanistica, Atti del convegno internazionale di studi, Messina, 22.–25.10.1987, hrsg. v. Asses­ sorato dei beni culturali e ambientali e della pubblica istruzione, 2 Bde., Messina, 1992, Bd. i, s. 75–92. – Zum topos der stummen Malerei plutarch, Moralia, 346f–347a; 1471 erschien die editio princeps der ersten lateinischen Übersetzung der Moralia von Francesco Filelfo. Konsequent erklärt Alberti die Malerei und Geschichte als zwei Arten der Malerei; beide betrachte er mit Vergnügen, sofern hervorragende Begabung und unglaublicher Fleiß vorliege. 580 Grundlegend Giustiniani, 1961, s. 3–61 und pade, 2005. – spärlich untersucht ist hingegen der ein­ fluss plutarchs auf die Kunsttheorie; conti, [1979] 1991, Bd. i, s. 101–102 erkannte plutarch als Quelle der Ablehnung des mechanischen Aspektes der Künste; vgl. plutarch, ›perikles‹, 2; ›Marcel­ lus‹, 10–11.

6. Der Buchgedanke

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Geist und sitten, und statt stummheit sei ihr eine über den erdkreis erschallende stim­ me vergönnt.581 wie nun gestaltete sich nach Buch­Kriterien die Konkurrenz zwischen piero und diesen Meistern des wortes, insbesondere den Vitenschreibern? Klio, seit dem späthelle­ nismus die Muse der Geschichtsschreibung, umriss ihr ressort in Guarinos programm­ entwurf für leonello d’estes Musen­Studiolo mit ihrer Funktion als Bewahrerin des ruhmes und der taten durch Aufzeichnungen (»historiis famamque et facta vetusta reservo«) –582 durchaus im einklang mit dem selbstverständnis der Geschichtsschreiber im Umfeld von Federico da Montefeltro, wie die charakterisierung der Klio in ludovico lazzarellis auch illustrierten hexametergedicht belegt, De gentilium deorum imaginibus. ein Kapitel gilt dem wesen Klios, ein weiteres dem der »göttlichen« »poesis«.583 die skizzierten Fakten erlauben rückschlüsse: piero ließ seinem Auftraggeber – mit verbild­ lichten taten wie tugenden und mit Fama im Verein mit Buchstaben, die auf dem erd­ kreis nicht stumm bleiben würden – eine pictura loquens angedeihen, eine gemalte Kon­ tamniation von res gestae mit der poesie. sie würde im Zeitalter der wortgläubigkeit jedem noch so hohen bibliophilen Anspruch genügen. in Giovanni santis Disputà della pictura konvergieren die beiden literaturgattungen bezeichnenderweise im personenlob, womit das ›Urmotiv‹ der dichtung als Verewigung im Gegenstandsbereich der uomini illustri anklingt: »la poesia e la istoria in cui se canta / de ognuno che fare sen puote alcuna 581 im dedikationsbrief der doppelvita ›pelopidas – Marcellus‹ an leonello d’este: Guarino, Epistolario, Bd. ii, nr. 706, s. 310 (vgl. pade, Bd. ii, s. 68): »postremo si gloriae […] instrumenta conferre libet, annales quamlibet imaginem statuamque praecellunt; hae siquidem corpora duntaxat, illi vero ani­ mos etiam effingunt et mores; hae mutae, illi voce sua terras implent et maria; hae paucis item in locis figi possunt, illi per universum terrarum orbem facile pervagantur disseminarique valent«. Vgl. dazu warnke, 1985, s. 114. – es ist vermutlich ein Bild für die Verbreitung von Büchern, wenn horaz, Ars poetica, v. 276 sagt, dass thespis, der mutmaßliche erfinder der tragischen Muse, seine dichtungen auf wagen wandern ließ. 582 Guarinos Kommentar im Brief vom 5. novenber 1447 an leonello d’este (Guarino, Epistolario, Bd. ii, nr. 808, s. 498–500); vollständig zitiert bei Baxandall, 1971, s. 158–159. – die rolle als schutzpatronin der historiografie und interpretin der res gestae wird ferner durch die Beischrift zu Klio in einer auf 1334–1339 datierbaren handschrift von paolino Veneto (Ms. Vat. 1960, fol. 265r) unterstrichen: »clyo i[d] e[st] fama v[el] doctrina e[t] s[er]vit ystoriografis explicat ingenio res gestas ordine clio«. Zu Klios eigenschaften und Attributen – oft Buchrolle oder Buch – s. das sachregister schröter, 1977, teil i, s. 186f., teil ii, s. 325f. (über die handschrift paolino Venetos); Klios Aufruf zum Bericht über die römischen heroen in horaz, Carmina, i, 12, 1–5 und Ovid, Fasti, Vi, vv. 801– 812; vgl. die Abhängigkeit vom Mythografen Fulgentius, Mitologiae, i, nr. 15 (»Fabula de novem Musis«): »prima clio quasi cogitatio prima discendi – cleos enim Grece fama dicitur […]«; zitiert nach schröter, 1977, s. 339. 583 lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, ii, cap. »poesis«, v. 66; und die definition von Klio eben­ da, ii, cap. »clio«, v. 174, s. 74: »temporis haec prisci personat historias« (sie besingt die Geschichten früherer Zeiten). die illustration mit Klio (Ms. Vat. Urb. lat. 716), eine Miniaturkopie nach den Tarocchi, zeigt sie stehend auf einem schwan (vgl. platon, Phaidros, 84ef); s. schröter, 1977, tafel 40, Abb. 99.

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

estima«.584 einen ebenfalls mit dem ruhmesstreben verwobenen Gedanken kehrte der in dalmatien gebürtige coriolano cippico, ein Freund sabellicos, 1473 im Vorwort seiner schilderung der taten des Venezianers pietro Mocenigo hervor. er insistierte auf der Kausalität zwischen der optimalen darstellung großer taten und dem Grad ihrer anspor­ nenden wirkung auf denjenigen, der von diesen Kunde bekomme. letztlich solle sich der leser seines Buches als ebenso brillanter nachahmer erweisen wie ein Maler, der groß herauszukommen bestrebt sei.585 eine den Biografien vergleichbare Öffentlich­ keitswirkung – das drückte eine Vielzahl an plutarch­Übersetzern in ihren dedikations­ briefen aus – würden insbesondere statuen herausragender Männer erreichen, wobei Francesco Barbaro diese öffentlich aufgestellten Monumente so früh wie 1416 um so heftiger als nur schweigend abtat.586 was vermochten die Bildkünstler dem entgegenzusetzen? die plaudereien der höfi­ schen diskussionsrunde, die wir aus decembrios De politia litteraria vernehmen, spie­ geln eines der wahrscheinlichsten Argumente, die zur Begründung der Überlegenheit

584 santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 284–285, Bd. ii, s. 670. – santi malte übrigens Klio später im her­ zöglichen Tempietto delle Muse. dessen architektonische Gestaltung erfolgte unter Federico da Mon­ tefeltro; die Gemälde wurden nach seinem tod ausgeführt; die erhaltenen tafeln mit Apollon und den Musen heute in Florenz, Galleria corsini; dazu ranieri Varese, Giovanni Santi, Fiesole, 1994, s. 255; rotondi, 1950, Bd. i, s. 357ff., Bd. ii [1951], Abb. 389 und Abb. 390. die einordnung in die tradition der Musendarstellungen bei schröter, 1977, s. 301ff.; s. stornaiolo, 1902–1921, Bd. ii, s. 261–262; und Federico da Montefeltro, 1986, Bd. ii (Le Arti), s. 58ff. – Zur »dichtung als Verewi­ gung« curtius, [1949] 101984, s. 469f.; exemplarisch homer, Ilias, Vi, v. 359. 585 Abhängig von epiktets (Handbüchlein der Moral, i, 15) ist der Vergleich der Bildkünste mit lebens­ kunst; vgl. cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum, ›praefatio‹, s. 166: »et quoniam solent picto­ res alicuius egregi artificis, exactum signum atque imaginem ad imitandum proponere, ut tales ipsi evadere possint, quales auctores illius picturae fuerint, sic etiam huius optimi imperatoris claris­ simique principis atque ducis mores et vitam te aemulari velim, ut cum eius virtutes assecutus fueris, honores quoque ac dignitates, summum denique principatus gradum in re publica obtinere possis.« (Und weil die Maler irgendeines herausragenden Kunstwerkes sich eine vollkommene Figur und ein Bild zur nachahmung vorzunehmen pflegen, damit sie selbst so vorzüglich herauskommen könnten, wie es die Urheber dieses Gemäldes waren, möchte ich, dass du so selbst die sitten und das leben dieses ausgezeichneten herrschers und hochberühmten Fürsten und herzogs so nachahmst, damit du, wenn du seinen tugenden gefolgt wärest, auch seinen ehren und würden, schließlich den höch­ sten rang der Führung im staate erwerben könntest). 586 Francesco Barbaro 1416 in der widmung seiner plutarch­Übersetzung (›Aristides – cato‹) an Zacca­ ria Barbaro (zitiert nach pade, 2007, Bd. ii, s. 82): »hinc pro suo quisque studio nostri maiores socra­ tis, platonis, Aristotelis aliorumque non modo imagines in tabulis et vasis habuere, sed etiam in foro, in templis aeneas statuas collocaverunt, ut vel tacita eorum monumenta vitae suae conferrent.« Anto­ nio pacini 1439/1447 in der dedikation seiner Übersetzung von plutarch, ›theseus‹ an nicola Accia­ paccio (ebenda, Bd. ii, s. 22): »hinc est quod multi clarissimi viri parentem atque magistram vitae nostrae historiam appellavere et statuas praestantissimorum virorum in foro et in curia erexere, ut res illorum gestas inspicientibus in memoriam reducerent. […].«

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von gemalten gegenüber schriftlich fixierten taten ins Feld geführt wurden. die aus­ schließliche Bestimmung von suetons cäsar­Biografie für den intellekt – statt zudem für die Augen – gab den Ausschlag für den Vorrang der Bronzebüsten von cäsar.587 leonardo sekundierte in der Parte prima mit seinem plädoyer für die Vormachtstellung des Malers gegenüber »Geschichtsschreibern oder dichtern«; schließlich würden sich die taten hauptsächlich dem Gesichtssinn darbieten: »[…] i fatti sono subbietto dell’occhio […].«588 Anders als die dichter, die das Gesehene im nachhinein zu papier brächten, stelle der Maler diese Geschehnisse als gleichsam simultane schau vor Augen. es gehört zu den vielleicht kühnsten winkelzügen in leonardos paragone, wie vom Grundpostulat der historiografie, der Augenzeugenschaft des Berichterstatters, zum primat des Gesichtssinnes die Unterschiede zwischen Gesehenem und Gemalten so ein­ geebnet werden, dass der Geschichtsschreiber dem Maler hoffnungslos unterliegen muss. das postulat der Augenzeugenschaft nahm früh einfluss auf den paragone­disput, durchaus nicht erst auf die Künstlerbefragung von Benedetto Varchi – wenn man so will, eine Augenzeugenbefragung von Kompetenten.589 selbst Baldassar castiglione räumte mit einer Bescheidenheitsfloskel ein, dass seine retrospektive tatenschilderung der Mon­ tefeltro nicht unangreifbar sei; eingestandenermaßen verdient die sehkraft des herzens oder die Augenzeugen von einst größeres Vertrauen.590 Vespasiano da Bisticci präsentier­ te sich als einer von diesen. Bemüht um die Aufwertung seiner Montefeltro­Biografie nach historiografischen Qualitätsmaßstäben, beteuerte er:

587 decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 21, s. 431: »tum leonellus interdixit: ›nempe caesarum ego vultus non minus singulari quadam admiratione aereis nummis inspiciendo delectari soleo – nam idcirco ex aere frequentiores quam ex auro argentove superfuerunt –, quam eorum staturas; uti sueto­ nii vel aliorum scriptis contemplari, quod intellectu solo percipitur.« Mario salmi, »la ›divi Julii caesaris effigies‹ del pisanello«, in: Commentari, 8, 1957, s. 91–95 sieht einen Zusammenhang zwi­ schen diesem passus und der höfischen dedikationspraxis. 588 leonardo, Libro di pittura, i, 46, s. 168; leonardo missbilligte die Umständlichkeit der Vermittlung; ebenda, Libro di pittura, i, 19, s. 143: »se voi istoriografi, o poeti, […] non avestive con l’occhio viste le cose, male le potresti voi riferire per le scritture.« 589 Zur rolle der Augenzeugenschaft in Varchis Meinungsumfrage hessler, 2002, s. 86ff. 590 castiglione, Cortegiano, iii, cap. 1, s. 120f.: »[…] ché non è alcun che legga le maravigliose cose degli antichi, che nell’animo suo non formi una certa maggior opinion di coloro di chi si scrive, che non pare che possano esprimer quei libri […]«; richtungsweisend cicero, De oratore, iii, 15 mit platons Büchern als Beispiel. der leser würde sich trotz der Meisterschaft von diesen ein noch größeres Bild von sokrates machen: »[…] non, quamquam illa scripta sunt divinitus, tamen maius quiddam de illo, de quo scripta sunt, suspicatur; […].« – der Vergleich zwischen »storici diligenti« und »ritratti« der urbinatischen hofgesellschaft in Baldi, Della vita, cap. 12, Bd. ii, s. 237.

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»Alles, was in diesem Kommentar [über Federico da Montefeltro] niedergeschrieben ist, habe ich zum guten teil selbst gesehen; und was ich nicht gesehen habe, hörte ich von sehr würdigen Männern aus der Umgebung seiner herrlichkeit. Und einen guten teil habe ich gesehen, da ich selbst an seinem hof gewesen bin.«591 eine Zeugenschaft, die mehrere sinne involviert, Gehör wie Gesicht, bot dem Anspruch nach Gewähr für den optimalen wahrheitsgehalt seiner Berichte. Zwar gestand plutarch die Vorbildfunktion der historienmalerei für den Geschichtsschreiber hinsichtlich der ethopoeia ein.592 Und doch mussten die Bildkünstler trotz ihrer größten stärke, das heißt der suggestivkraft dessen, was sie unmittelbar vor Augen stellen, mit dem einwand rech­ nen, das seelische zu übergehen; die Bannkraft des sichtbaren war zudem leicht durch die alte Formel pictura – fictura zu diskreditieren.593 die Forschung – mitunter curtius, seznec und, mit Abstrichen, Kantorowicz – hat sich bei der Ambiguität von personen (in literatur wie bildender Kunst) weitestgehend auf die Aufschlüsselung der Anmaßung konzentriert, die dem zugrunde liegen könne. das gilt im verstärkten Maße für das, was pieros Montefeltro­porträts nicht sind: rol­ lenporträts.594 wer jedoch die doppelnatur einer Figur allein als identitätsstiftendes 591 nach der Übersetzung von roeck; Vespasiano, Vite, iii, cap. 42, Bd. i, s. 320: »tutte le cose che sono iscritte in questo comentario, in buona parte l’ho vedute, sendo istato nella sua corte; e quelle ch’io non ho vedute, l’ho avute da uomini degnissimi che sono suti appresso alla sua signoria.« 592 der ethopoeia­Begriff implizierte die lebhaftigkeit von Gefühlen und charakteren – so die defini­ tion bei isidor von sevilla, Etymologiae, ii, 14, 1; vgl. Baxandall, 1971, s. 101. plutarchs erkenntnis rührte von einem konkreten Buch­Gemälde­Vergleich: dem des thukydideischen Geschichtswerks mit dem schlachtengemälde euphranors, Der Kampf um Mantinea; s. plutarch, Moralia, 499–503. 593 isidor, Etymologiae, XiX, 16 (PL, Bd. lXXXii, sp. 676): »ein Gemälde ist ein Bild, das die äußere erscheinung einer sache zeigt und im Betrachter erinnerungen auslöst. der name pictura tönt fast wie fictura, und tatsächlich ist ein Bild fingiert, also nicht wahr.« – in dedikationen von plutarch­ Übersetzungen wurde durchaus auch wertneutral der Vergleich zwischen dem Vor­Augen­stellen der dinge durch Bildkünstler und durch Biografen angestellt; so schreibt Francesco Barbaro 1416 (zitiert nach pade, 2007, Bd. ii, s. 87): »nam ut industriis pictoribus ex Olimpio iove phidiae et sculptoribus ex Argolica iunione polycleti, sic tibi et reliquis, qui haec attente cognoscent, eximium ac praeclarum aliquid effingere licebit.« 594 rollenporträts (sc. porträts von Zeitgenossen in historischen, mythologischen oder religiösen szenen) waren zur entstehungszeit von pieros diptychon keine seltenheit. piero hingegen stellte Federico da Montefeltro wohlbemerkt nicht als Petrarca dar, sondern nur unter rekurs auf die petrarca­ikonogra­ fie. Zu ambiguen porträts curtius, [1948] 101984, cap. 8, § 6, s. 171ff.: »Überbietung«; und cap. 18, § 5, s. 400ff. – Mit dem Verweis auf die prätentionen philipps des Guten (v. a. als Alexander, scipio, caesar, Augustus und herkules­nepot) und zu mythologischen stammesbäumen einzelner dynasti­ en Jean seznec, Das Fortleben der antiken Götter, [frz. orig. paris, 1940] München, 1990, s. 25ff.; zur Verschmelzung des natürlichen mit dem politischen Körper zur persona mixta ernst h. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. ›The King’s Two Bodies‹. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, [princeton n. J., 1957] München, 1994, s. 60, passim.

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Vexierspiel erklärt, der läuft Gefahr, die struktur dessen zu übersehen, im Fall des Montefeltro-Diptychons: die synkrisis, seit altersher ein nicht wegzudenkendes element der rangstreitkultur. es sprechen indes viele Anzeichen für die indienstnahme eines im Quattrocento vielfach erprobten Vergleichsmodells: das der parallelbiografien von plu­ tarch. Überführt nach neapel im trecento, transkribiert in Florenz durch coluccio salutati und in Venedig auf Betreiben campanos 1470 in satz gegeben, kursierten die Bioi oft nur in teilübersetzungen, die sich in einzelnen Biografienpaaren erschöpften.595 dieser sachverhalt wurde zum stimulus für Anknüpfungsversuche in der Frühen neu­ zeit. einen von ihnen lieferte der humanist pier candido decembrio. decembrio (übri­ gens ist sein Aufenthalt am urbinatischen hof zwischen 1449 und 1461 dokumentiert) trug sich mit dem Gedanken, seinen plutarch­Kommentar, gleichsam als endpunkt einer illustren reihe, mit der doppelvita von zwei zeitgenössischen Fürsten zu beschlie­ ßen: Francesco sforza und ercole d’este.596 Viele Kunsttheoretiker des Quattrocento, unter ihnen Alberti, schöpften aus dem reichen Fundus der Künstleranekdoten der Bioi. Auch zehrte das selbstverständnis der neuen Generation von porträtmalern nicht uner­ heblich davon, dass plutarch seine spezialisierung als Biograf auf das seelische mit den porträtisten verglich.597 Filarete empfahl überdies die Übertragung des plutarchischen Vergleichsmodells in die Malkunst: die taten Alexanders des Großen und die von cäsar (des berühmtesten paares der Bioi) sollten sich in Sforzinda als pendants auf zwei wand­ seiten gegenüberstehen.598 diesen rat befolgte nach seiner eigenen Façon der illuminator

595 Grundlegend Giustiniani, 1961, s. 3–62; die Übersetzungen einzelner Viten ins lateinische (mit Angabe des Übersetzers und der dedikation) ebenda, s. 14ff.; Francesco Filelfo übersetzte die plut­ arch­Biografien lykurgs und numas. seit der editio princeps der lateinischen Übersetzung wurde plutarch zu einem der meistgelesenen Autoren, die Bioi »[…] un vero bestseller«; vgl. ebenda, s. 8. die Viten waren um 1460 vollständig übersetzt; s. pade, 2007; Gianvito resta, Le epitomi di Plutarco nel Quattrocento (Miscellanea erudito 5), padua, 1962, s. 9ff.; zur plutarch­rezeption in der bildenden Kunst Biografia dipinta. Plutarco e l’arte del Rinascimento. 1400–1550, hrsg. v. roberti Guerrini et alt., la spezia, 2002, s. 181ff. (über Zyklen im Quattrocento) und davide canfora, La controversia di Poggio Bracciolini e Guarino Veronese su Cesare e Scipione, Florenz, 2001. 596 es handelt sich um das Ms. Vat. Barb. lat. 112: Ex illustrium comparationibus in Plutarcum cheronensem libri quattuor; er wurde gegen 1460 für den französischen König zusammengestellt; decembrios Äußerung über seinen Verzicht auf das ursprüngliche projekt mit Zeitgenossen auf fol. 178v (vgl. resta, 1962, s. 56). 597 plutarch, ›Alexander‹, 1, 3 verglich seine Konzentration als Biograf auf die seelischen Züge mit der spezialisierung des porträtmalers auf das Gesicht und die Züge um die Augen; zur Bedeutung von plutarchs Äußerungen über die Künste Judith Mossmann, »plutarch’s Use of statues«, in: Georgica. Greek Studies in Honor of George Cawkwell, hrsg. v. Michael A. Flower et alt., london, 1991, s. 98–119. 598 Filarete, Trattato, iX, Bd. i, s. 263: »›per certo io voglio fare dipignere qualche cosa memorabile e degna d’essere guardata, e sto pensieri se ci fo dipignere le memorie di Alessandro Magno o di cesare.‹ ›l’una e l’altra è degna: da una delle parti fare’ le storie di cesare e da l’altra quelle d’Alessandro.‹« die Grundlage für die Übertragung auf die Malerei ist mitunter plutarchs empfehlung (›Aristeides‹ –

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88 ›themistocles‹ – ›leonidas‹, 1467, nach: plutarch, Parallelbiografien aus: dem sogenannten ›codex sforza‹, Ms. Varia 260, turin, Biblioteca reale

des sogenannten ›sforza­codex‹. er entstand 1467 für den jungen ludovico il Moro. ›themistokles‹ und ›leonidas‹ (Abb. 88) sind nur ein Beispiel unter vielen, in denen sich die porträts und taten beider protagonisten auf zwei Buchseiten vergleichend gegen­ überstehen. das tertium comparationis bilden Kampfszenen, einmal auf see, einmal an land.599 selbst ein flüchtiger eindruck genügt, um zu erkennen, in welch hohem Maße das Montefeltro-Diptychon kompositionell plutarch­illustrationen verpflichtet ist: in der Kombination von res gestae mit Bildnissen, aber auch im diptychischen Konzept. Zielte plutarchs Konfrontation je eines griechischen mit einem römischen helden auf den identitätsstiftenden Aspekt hellenistischer Kultur und deren rolle für das traja­ nische rom, so sahen Biografen des Quattrocento im Bioi­Konzept hingegen bevorzugt ein synkritisches Modell für uomini illustri. Knüpfte man auf dieser ebene in Urbino ›cato‹, 28, 1), das leben der Berühmtheiten wie ein epos oder Gemälde zu betrachten. Auch verglich er seine Biografien mit idealisierten plastiken (›Kimon‹, 2, 2), die der nachwelt als Vorbild oder Mah­ nung dienten. – die explizite erwähnung von plutarch in Alberti, De pictura, ii, 25, s. 234. 599 Zum Ms. Varia 260 luigi Firpo, Francesco Filelfo educatore e il ›Codice Sforza‹ della Biblioteca Reale di Torino, turin, 1967, Abb. Vi.

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an? Vespasiano da Bisticci meinte zu wissen, dass Federico da Montefeltro keine der Bioi­Übersetzungen ausließ; Alamanno rinuccini empfahl dem herzog 1472 den uni­ versalen plutarch; 600 Giovanni santi fädelte in seine Montefeltro­Vita ein langes Zwie­ gespräch mit eben diesem lehrmeister der Biografik ein (cap. 2, vv. 93–214). dieser gibt ihm sein Geleit als lobredner auf taten (»gesti«) und tugenden auf seinem weg – ganz so, als biete santi mit seinem biografischen werk eine autorisierte Fortführung von plu­ tarchs heldengalerie von einst.601 die Verwendung von rhetorischen Formeln der syn­ krisis – wie »paragon de gli homin divi« – lässt santis durchdringung dieses wesen­ szuges der parallelbiografien erkennen.602 hartmut erbse hat der synkrisis bei plutarch eine vorzügliche recherche gewidmet.603

600 rinuccinis widmungsschreiben vom 14. Juli in Giustiniani, 1965, nr. 26, s. 66: »vir doctissimus, poetarum philosophorum oratorumque«; Vespasiano, Vite, iii, cap. 22, Bd. i, s. 293: »[…] le quaran­ totto Vite di plutarco, tradotte de vari traduttori, l’aveva lette tutte […]«; und ebenda, cap. 30, s. 300: Federico besäße alle werke plutarchs in einem Band (»[…] tutte le Vite di plutarco, in uno degnissi­ mo volume; […]«); peruzzi, 2004, s. 40 zählt vierzehn werke plutarchs und zwölf Manuskripte. – der einfluss plutarchs in Urbino ist erwartungsgemäß groß: landino bezeichnet Federico da Monte­ feltro als ›zweiten numa‹ (landino, Disputationes Camaldolenses, s. 5): »[…] alterum te numam libenter agnosco.« Und der herzog, der im ›proemio‹ von Vespasiano da Bisticcis Comentario de’gesti e fatti e detti dello invictissimo Signore Federigo Duca d’Urbino (rimini, in der Biblioteca Gambalun­ ghiana, Ms. sc. Ms. 94, fol. 1r) den Vergleich mit hannibal und Fabius Maximus erntet, erscheint im initialbild (fol. 1r) nach dem Muster zeitgenössischer plutarch­illustrationen (auch diese führten zu Beginn jeder Vita ein Brustbild des protagonisten vor; vgl. Piero e Urbino, 1992, s. 330f.); auf der gleichen seite verkündet Vespasiano: »ho ritratto illustrissimo principe in questo brieve comentario […].« 601 santi, La vita, ›preambulo‹, cap. 2, vv. 130–136, Bd. i, s. 15: »plutarcho fu el mio nome, e la mia mano 130 tenni gran tempo a scriver molte vite, sì dei miei Greci, qual fei del romano popul possente, e in molte historie ordite i gesti di costor, che or vivan quivi per le vertude lor più che infinite, 135 facendo paragon de gli homin divi.« die rolle plutarchs für santi ist orientiert an der von Vergil, dem Führer von dante in der Commedia; vgl. dante, Inferno, i, vv. 85–87, Bd. i, s. 16: »tu se’lo mio maestro e’l mio autore / tu se’solo colui da cu’io tolsi / lo bello stilo che m’ha fatto onore.« Über plutarch auch Filetico, Iocundissimae disputationes, i, s. 116; ii, s. 182; iii, s. 324. 602 ebenda, cap. ii, v. 140, Bd. i, s. 15: »al mondo far gran prove […]«; oder v. 153, s. 16: »[…] l’opre par che ogni gran tempo avanze.« 603 hartmut erbse, »die Bedeutung der synkrisis in den parallelbiografien plutarchs«, in: Hermes, 84, 1956, s. 398–424; und christopher B. r. pelling, »synkrisis in plutarch’s lives«, in: Miscellanea Plutarchea, Atti del i convegno di studi su plutarco, rom, 23.11.1985, hrsg. v. Frederick e. Brenk et alt., (international plutarch society sezione italiana), Ferrara, 1986, s. 83–96.

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im Montefeltro-Diptychon fand die synkrisis ihren Ausdruck auf der ebene sittlicher Vervollkommnung. die urbinatische Fürstin, weit mehr als eine reinkarnation von laura, steht denn auch in einer schöpferischen steigerungsbeziehung zu dieser – wie Federico da Montefeltro zu petrarca, d. h. beide zum berühmtesten liebesbund der ita­ lienischen poesie. Grundsätzlich ist der Versuch, todesfälle berühmter Zeitgenössinnen mit der topik des Triumphus Mortis zu beschreiben, keine rarität. das zeigt der Brief, den sforza Bettini anlässlich des todes der schönen simonetta Vespucci (cattaneo) 1476 an lorenzo de’ Medici richtete. Mit offenkundigen Anleihen an petrarcas laura weiß Bettini die Verstorbene im paradies: »[…] aber man kann gut sagen, dass es ein zweiter triumph des todes ist, denn du hast sie wirklich so tot wie sie war gesehen, nichts schien ihr von dieser schönheit und dem reiz, die sie im leben besaß, zu fehlen«, schrieb er mit einer reminiszenz an petrarcas Verse.604 die Vergleichskriterien für diese Art der aemulatio oder auch superatio waren die postulate der peripatetischen Biografie, die plutarch stiftete. denn mitnichten bildeten charakterliche oder historische Überein­ stimmungen das Zusammenstellungskriterium von plutarchs Vitenpaaren; es waren vielmehr vereinzelte schicksalsparallelen eher zufälligen Gepräges wie die Verbannung (›camillus‹, 30, 2 – ›themistokles‹), der Verlust der tochter oder sonstige desolate lebens­ situationen, die zu meistern waren (›nikias‹, 14, 1–3; ›crassus‹, 16, 2–8).605 plutarch selbst hat diesen Akzent mehrfach mit der Gewichtung auf das spannungsverhältnis zwischen naturanlage und ethos begründet,606 jenem für peripatetiker zentralen inter­ vall, da sie glaubten, die seele bedürfe zur Freisetzung des ethos einer erschütterung durch äußere ereignisse. so könne sich tugend entfalten. Auch pier candido decem­ brio durchschaute dieses Konzept, als er dieses 1461, damals Podestà von Urbino, für eigene historiografische Ambitionen guthieß. sie betrafen das leben von Francesco sforza:

604 der Brief vom 26. April zitiert nach tiziano Zanato, Saggio sul ›Comento‹ di Lorenzo de’Medici, Flo­ renz, 1979, s. 201: »la benedetta anima della simonetta se ne andò in paradiso, come so arete inteso: però si ben dire che sia stato il secondo trionfi della Morte, ché veramente avendola vista così morta come la era, non vi saria parsa manco bella e vezzosa che si fusse in vita […].« Vgl. petrarca, Triumphus Mortis, i, 172. lorenzo il Magnifico übernahm diese idee in seinem Comento: »Veramente in lei si veri­ fica quello che dice il nostro petrarca: ›Morte bella parea nel suo bel viso‹«; lorenzo de’Medici, Comento de’miei sonetti, in: lorenzo de’Medici, Tutte le opere, Bd. i, rom, 1992, s. 376. 605 dazu tim duff, Plutarch’s Lives. Exploring Virtue and Vice, Oxford, 1999, s. 243ff. die Grundlage für die hervorkehrung des seelenzusammenhanges bot Aristoteles, De anima, ii, 4, 415b7. 606 der Verweis auf gemeinsame ethische Qualitäten in den Viten von ›pelopidas‹ (2, 9–12) – ›Marcellus‹ (1, 2; 31, 2). die relevanz dieser Vorstellung am urbinatischen hof enthüllt castiglione, Cortegiano, iV, cap. 28, s. 379: »[…] medesimamente la costanzia, e quella pazienzia tolerante, con l’animo saldo ed imperturbato a tutte le percosse di fortuna.«

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»daher […] unternehme ich es, das leben und die taten niederzuschreiben und wünsche, ihn [Francesco sforza] mit einem der Berühmtheiten zu vergleichen, nicht durch die taten, sondern durch die tugenden, sodass, nach Art des phidias auf dem schild der Minerva, sein unsterbliches Abbild nie zerstört werden könne.« 607 die erläuterungen des Mailander humanisten sind überaus erhellend: so, wie nach der von Valerius Maximus kolportierten legende, ein von phidias konzipierter Mechanis­ mus präventiv das gewaltsame entfernen seines selbstbildnisses an der Athener Kultsta­ tue verhindern sollte und somit seine künstlerische virtus auf ewig mit seiner person gekoppelt war,608 so sicherte das peripatetische Beziehungsgefüge der doppelbiografien, wohl nicht nur nach decembrios ermessen, den nachruhm für die ewigkeit ab.609 wenn in einem der Bioi­epiloge plutarchs – die Übersetzer betitelten diesen part mit »comparatione« – zu lesen ist, beide persönlichkeiten glichen einander sowohl in ihrer Begünstigung durch das Glück, als auch in ihren späten entscheidungen, wobei fraglich sei, ob sie ihre besten erfolge mehr dem Glück oder ihrer Begabung verdankten (›Aemi­ lius paulus‹ – ›timoleon‹, i, 6), dann lohnt es insofern, den sockelinschriften des Montefeltro-Diptychons Aufmerksamkeit zu schenken, als sie auf Glück und Begabung, Glück und tugend alludieren. tatsächlich verdankt sich der Vergleich zwischen dem urbinati­ schen Fürstenpaar mit dem Trionfi­paar im wesentlichen diesem Verstehenshorizont, dem nicht einzigen, aber dem weitaus griffigsten schlüssel zu ihrer Ambiguität. Ja, ein einziger dramatischer schicksalsschlag, der tod von Battista sforza hat genügt, und man sah am urbinatischen hof in sehr formelhafter Manier eine neuzeitliche Kontra­ faktur zu petrarcas größter pein. Fern von einer Komposition, die nur heraldischen Zuschnitt besitzt, prallen in pieros diptychon, in der antithetischen Gegenüberstellung der beiden triumphwagen, Triumphus Mortis versus Triumphus Famae, Aufkommen 607 in einer reaktion auf einen Brief von taddeo Fissiraga (Ms. Ambrosiana i 235, fol. 62v); zitiert nach resta, 1962, s. 43: »itaque loco illustri, secunda huius quarti libri parallela, vitam eius et res gestas scribere aggressus sum eumque cum aliquo ex illustribus compare cupio, non serie gestarum rerum, sed virtute, ut phidie in modum, nunquam e Minerve clypeo aboleri possit effigies immortalis sua […].« 608 Valerius Maximus, Facta et dicta, Viii, 14, 6, cap. »de gloria sui«; vgl. pseudo­Aristoteles, De mirabilibus auscultationibus, 846a und De mundo, 399b; petrarca, De remediis, ii, cap. 88 (»de celebritate nominis importuna«); die antiken Quellen in preisshofen, 1974a, s. 50–69, s. 50ff.; Belege zur rezeption dieser Anekdote im 15. Jahrhundert zitiert in pfisterer, 1999, s. 67 und s. 91, dok. 2 (Fra­ ter lucas), dok. 4 (domenico di Bandino), dok. 6 (tortelli); zu ergänzen wären petrarca/Giovanni da san Miniato, De’rimedii, ii, cap. 88 (»della troppa fama»), Bd. ii, s. 295: »[…] egli scolpìe nello scudo della statua la faccia sua in modo, ch’ egli potea essere riconosciuto da tutti; e non si potea per alcuno ingegno ed arte levarla, se non si guastasse tutta la statua« und collenuccio, Specchio d’Esopo, s. 52: »esOpO: ›[…] e con tale artificio ho adattato la semente e il terreno, che in tutti, maturi che saranno, rilucerà il tuo nome, come nel scudo di Minerva il nome di Fidia: il quale in tal modo inter­ messo era, che chi tutto il scudo giusto dissoluto non avesse, non aría potuto il nome di Fidia cavarne.‹« 609 hinzu kamen freilich die tugenden als Garant der Unsterblichkeit; dazu cicero, De oratore, ii, 342ff.

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und würdige Überwindung eines schicksalsschlages zusammen. so will es pieros peri­ patetische Bildregie, dass es aussieht, als habe ein schicksalsschlag das ethos freigesetzt, das den herzog von Urbino erst zum sieg (über Volterra) befähigt habe. in diesem punkt stand petrarca nicht minder pate, da er seinen siegerstatus im Triumphus Famae erst unter dem druck leidvoller ereignisse errang, dem tode lauras. in seltener deut­ lichkeit bestätigt sich die Geltung dieses prinzips am urbinatischen hof in Bartolomeo scalas prosaischen enkomion vom 11. Juli 1472. die beiden zentralen ereignisse dieses Jahres für Federico da Montefeltro vor Augen, verglich scala den Umschwung des Glücks ins Unglück mit den Geschicken einiger persönlichkeiten aus plutarchs parallel­ biografien.610 Originellerweise hütete sich plutarch nicht davor, die synkrisis zwischen natur und schicksal (es ist im diptychon kennzeichnend für das spannungsverhältnis zwischen Battista und laura, Federico und petrarca) mit Künstlerwettbewerben zu ver­ gleichen. Als denke er sich natur und schicksal personifiziert, hob er an: »Könnte es zwischen natur und schicksal wie zwischen Künstlern einen wettstreit geben, so würde schwer zu entscheiden sein, ob die natur die beiden […] in ihren Anlagen oder das schick­ sal sie in ihren erlebnissen einander ähnlicher gemacht haben.«611 dieser Zwist hat sich in pieros widerstreitenden schicksalspersonifikationen, Fortuna und Chronos – letzterer als naturhaftes Verfügen über das leben – am reinsten inkarniert. er mag noch leichte nachwirkungen in Natura und Arte zeitigen, den sprechfiguren im paragone, den Antonfrancesco doni entwarf.612 Allenfalls der Formulierung nach, im wunsch nach einem Vergleichsinstrument zum Ausloten subtiler persönlichkeitsunterschiede, sank plutarchs Anstiftung des lesers zu eigenen Viten­Vergleichen zu einer Floskel hinab. so sinniert plutarch in der ›phoikon‹­Biografie (leonardo Giustinian und Guarino haben sie übersetzt): Man müsse »eine sehr feine Unterscheidungsgabe besitzen«, »um mit ihr, wie mit einem instrument, die verbleibenden Verschiedenheiten aufzuspüren und zu bestimmen«.613 die urbinatische hofgesellschaft mochte, den traurigen Umständen

610 scala, Orationes, s. 32–34, s. 33, nr. 37: »scripseram de tua felicitate haec, et accepi nuntium de morte Baptistae uxoris tuae, clarissimae feminae et plane dignae tuo coniugio. Venit ergo in mentem illud quod de philippo Macedone fertur, cum esset eodem die et Alexander ei natus et duae clarae victoriae nuntiatae: qui erectis in altum oculis pro tot bonis mediocria ab iove male precatus est«; im Anschluss folgen Vergleiche mit schicksalsschlägen des philipp von Makedonien und Kimon. 611 plutarch, ›demosthenes‹, 3, 3–5, Bd. iV, s. 221 (Üs: Konrat Ziegler); die Übersetzung lieferte 1412 leonardo Bruni; s. Giustiniani, 1961, s. 38. Vorherrschend bei plutarch ist die Metriopathie, die Auf­ fassung, dass man sich vom leiden nicht ganz befreien, es aber beherrschen könne. 612 siehe Schema 1 zu den sprechfiguren im paragone; über die popularität von paradoxien – nach der klassischen Formel discordia concors – wind, [1958] 1987, s. 104ff. 613 plutarch, ›phoikon‹, 3, 9, Bd. iV, s. 318 (Üs: Konrat Ziegler); zu Guarinos Übersetzung von 1418 und der des leonardo Giustinian von 1432 pade, 2007, Bd. ii, s. 137–140.

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zum trotz, ihren ganz eigenen reiz an diskussionen entdecken, wie nun die schicksals­ entsprechungen und –abweichungen zwischen den dramatis personae aussahen.614 seit dem Aufkommen der frühneuzeitlichen Maltheorie pflegte die historia den Angelpunkt dessen zu bilden, was die peripetie in ihr an wirkung entfaltet: den Appell an die Affekte des Betrachters; sie lösen laut Alberti die seelenbewegung aus.615 in die­ sem Zusammenhang entbehrt die Buchgestalt wegen der ursprünglichen wachsbeschich­ tung von diptychontafeln nicht einer sinnschicht.616 sie nährte im (Bunde mit der pla­ tonischen Metapher von der seele als einer wachstafel, in der sich wirklichkeitseindrücke niederschlagen) 617 den Glauben, diptychen seien geradezu prädestiniert als Überliefe­ rungsträger für erinnerungswürdiges. wissentlich oder nicht, der weitgehende Verzicht, den piero hinsichtlich der schriftzeichen übte, damit nun die Malerei in einem ›Buch‹ ihren platz fände, folgte einem Vorschlag, den cicero zur Mnemonik erteilte: wie die Findungsorte das wachs, so sollten Bilder (»simulacri«) die Buchstaben ersetzen (»[…] ut locis pro cera, simulacris pro litteris uteremur«).618 im synkritischen Beziehungs­ geflecht von pieros triumphen kommt ferner, in der Zeiterfahrung, die typologie der Vitenkonzeption zum Vorschein,619 jene bewährte heuristik, die darauf zielt, in Aspek­ ten der Vergangenheit Verweisungen auf Künftiges bloßzulegen. nachdem diese denk­ form säkularisiert in die Antithese der antiqui – moderni eingeflossen war und unter den 614 Geistreiche spiele sind mehrfach im Libro del Cortegiano thematisiert; s. castiglione, Cortegiano, i, cap. 5; cap. 9; über die kulturschaffende Funktion des spielerischen wetteifers huizinga, [1938] 1991. 615 »Animos deinde spectantium movebit historia, cum qui aderunt picti homines suum animi motum maxime prae se ferent.« Alberti, De pictura, ii, 41, s. 130; Facio, De viris illustribus, cap. »de pictori­ bus«, s. 164: »[…] ut in partem velint animos hominum sensusque permoveant […].« 616 Über die cerae Ovid, Amores, i, 12, 11; iii, 7, 29; Martial, Epigrammaton liber, 14, 5, 2; Quintilian, Institutio oratoria, i, 1, 27. Über das Bilden von worten wie wachs castiglione, Cortegiano, i, cap. 33. 617 Über die Abbilder des Gesehenen oder Gehörten oder auch selbst Gedachten platon, Theaitetos, 191cff.; vgl. die tabula rasa bei Aristoteles, De anima, iii, 4, 430ai; dazu lag Federico da Montefeltro seit ca. 1474 lag der Kommentar von Giordano da Bergamo vor (Ms. Urb. lat. 207). die umfassendste würdigung der Aristoteles­sequenz im Quattrocento im De anima­Kommentar von niccolò tignosi (1402–1474), In libros Aristotelis de anima commentarii [Florenz, 1551]. Zum einfluss des tabula-rasa­ topos auf die mittelalterliche und neuzeitliche erkenntnistheorie (Albertus Magnus und thomas von Aquin, pico) Katherine park im Vorwort zu pico della Mirandola, De imaginatione, s. 18–40. Verschiedentlich begegnet die idee des ins­herz­schreibens im Alten testament, v. a. in Jer 17, 1 (die sünde des Judas ist eingegraben in die tafel des herzens); eng verwandt ist das Buch des Gedächtnis­ ses, belegt durch Aischylos, Hiketides, 179; Prometeus, 789; Choephoren, 450; sophokles, Trachiniai, 683; Philoktet, 1325; pindar, Olympische Oden, X, 1. 618 cicero, De oratore, ii, 354, s. 432; die Verbindung zur Memoria auch bei Aristoteles, De memoria et reminiscentia, i, 450a9­25. 619 Zu dieser originär biblischen heuristik, die bald auf andere Gegenstandsbereiche angewendet wurde, Friedrich Ohly, »typologie als denkform der Geschichtsbetrachtung«, in: Typologie, hrsg. v. Volker Bohn, Frankfurt a. M., 1988, s. 22–63.

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humanisten ein eigenes rangstreitgenre hervorgebracht hatte,620 schlug sie sich 1473 in Alamanno rinuccinis widmungsepistel seiner philostrat­Übersetzung an Federico da Montefeltro nieder. Gombrich hat sie in seiner studie über den Fortschrittsgedanken in der Kunst einer eingehenden Analyse unterzogen. »warum«, fragt rinucchini den her­ zog, »sollen wir uns abmühen, zu beweisen, dass wir den Alten ebenbürtig sind? euer Anblick, edler Fürst, genügt, die Größe unseres Zeitalters zu beweisen.«621 Konnte in Anbetracht der bildhaften ›Verdrängung‹ der person petrarca durch Federico da Monte­ feltro etwas anderes als ein Überbietungsmotiv im spiel sein? so sehr die Voraussetzung konventioneller Art für ein typologisches Konzept fehlt, das heißt, eine ganz deutliche historische Zäsur zwischen den lebensaltern622 (die lebenszeit petrarcas wurde im Quattrocento als status nascendi der eigenen epoche gewertet),623 so wenig durchdringt der Bildbetrachter fern einer typologischen Betrachtungsweise das Gepräge der unter­ gründigen personalen Zusammenschau. die inkommensurabilität von dichtung und historie erwies sich als Mittel, das fiktive liebesschicksal des Trionfi­paares als präfigu­ ration und heranreifen einer im Montefeltro­paar zur Blüte und wirklichkeit gelangten

620 den Auftakt bildete leonardo Brunis Abhandlung De modernis quibusdam scriptoribus in comparatione ad antiquos; s. Giacinto Margiotta, Le origini Italiane de la Querelle des Anciens et des Modernes, rom, 1953, s. 34ff.; über Accoltis gegen 1460 gedrucktes Buch De praestantia virorum sui aevi dialogus Black, 1982, s. 3–32. – Zum streit der Generationen – trotz aller Vorbehalte (angesichts der nichtbeachtung der Zeiterfahrung der typologie) – curtius, [1949] 101984, cap. 14, § 2, s. 256–261. – der Begriff modernus, gegen ende des 5. Jahrhunderts geprägt, diente zunächst zur Abgrenzung der neuen christlichen Gegenwart von der heidnisch­römischen Antike. seit dem 12. Jahrhundert konnte der Gegenbegriff antiqui in einer erweiterten, nicht nur für die Antike gültigen Bedeutung verwendet werden. 621 nach der freien deutschen Übersetzung von Gombrich, [1966] 1985, s. 13. (BAV, Ms. Urb. lat. 441, fols. 2r–7r); rinuccini, Lettere, nr. 32, s. 104–116, s. 110: »et dum eorum opinionem refello, qui nostra tempora tanquam claris viris orbata deplorant, supervacuos testes adduxi complures diversis virtutum generibus insignes, cum te uno teste et quidem locupletissimo potuerim omnium, quotcun­ que sint, falsam opinionem redarguere«. – den Vorbildcharakter des Vergangenen betont Vespasiano, Vite, iii, cap. 22, Bd. i, s. 291: »[…] le cose passate sono exemplo delle presenti.«. 622 eine Ausnahme war die Begriffsverwendung im 13. Jahrhundert. das Begriffspaar antiqui – moderni (bzw. »neoterici«) galt damals zur Kennzeichnung der kurzen spanne eines Generationsunterschie­ des. dabei ging es um philosophische schulrichtungen. Vgl. Jauss, 1970, s. 18. 623 Über die nachahmung petrarcas, der erst »vor drei tagen« gelebt habe, castiglione, Cortegiano, i, cap. 37, s. 79: »[…] il petrarca […] che pur tre giorni ha […] al mondo«. petrarcas selbsteinschätzung stand allerdings im Gegensatz zu diesen stimmen: er fühle sich unterjocht von seinem eigenen Jahr­ hundert, weshalb er es vorziehe, in einem anderen Jahrhundert geboren zu sein; in Gedanken lebe er unter Menschen der Antike; s. petrarca, Posteritati, s. 2ff. – Für salutati lag der Anfang des eigenen Zeitalters mitunter bei petrarca, auch 1452 für enea piccolomini, Opera, s. 646, nr. 119: »post petrarca emerserunt litterae«. Zu diesen epocheneinteilungen Batkin, 1979, s. 425; panofsky, [1960] 1990, s. 28ff.

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destination zu begreifen,624 gleich einem wettstreit zwischen erdichteten und erlebten Geschehnissen. in einer stilisierung, wie sie schmeichelhafter für den urbinatischen herzog kaum geraten konnte, avancierte petrarca zu seinem persönlichen praeceptor amoris, zum propheten einer liebesdichtung, die sich mit ihm, Federico da Montefeltro, schließlich zutrug. eine Variante dessen, enthalten im Elegiarum liber eines weiteren Zöglings von Vittorino da Feltre, nicodemo Folengo (geboren ca. 1454/1456), bezeugt die Beliebtheit einer literarischen spezies am urbinatischen hof, die vorgibt, poetisierte erlebnisse (im Fall von Folengo ein ›erlebter‹ liebesroman mit einer gewissen serena) seien die inspirationsquelle für die Manier der dichtung gewesen. Ganz ähnlich wie dante zur legitimierung des dolce stil novo, behauptet Folengo, dass seine poetische Aus­ drucksform dem diktat einer erlebnisform folge.625 piero, der bewusst die illusion von erlebnissen poetischen Zuschnitts schürte, verfuhr kaum anders als jene dichter, die dem urbinatischen witwer aus aktuellem Anlass trostschriften, Gelegenheitsdichtung, zukommen ließen.626 weder in seinen stilisierungstechniken noch in seinen Zielen stand piero als Maler diesen dichtern nach, die dem herzog, gemäß dem Aneignungs­ verfahren, »das wohlgelungene zu verwerten«,627 die Möglichkeit eröffneten, Battistas tod nach klassischen topoi der trauer zu erleben. die notwendigkeit, die poetischen hüllen abzulegen, um zum realen Kern der dar­ stellung vorzudringen, deckt sich mit petrarcas eigenem poetikverständnis: dichtung als darstellung der wahrheit, verhüllt unter dem schleier heiter anmutiger Fabeln, zum schutze vor den Unkundigen.628 Mit dem exklusiven, nur indirekt zu erschließenden Gehalt von pieros triumphdarstellungen zeichnet sich denn auch ein intendierter Bruch mit der despektierlichen haltung des Mittelalters gegenüber Bildern – der vermeintlichen 624 Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10 beschreibt einen entwicklungsgang der Künste von rauhen Anfängen zu geschliffener Vollendung; cassiodorus, Variae, iii, 5, 3 (PL, Bd. lXiX, sp. 573: »modernis saeculis moribus ornabantur antiquis.« 625 Zum Ms. Urb. lat. 747 (von ca. 1480–1482) in Folengo, Elegiarum liber, s. 7ff.; dante, Purgatorio, XXiV, vv. 52–54, Bd. ii, s. 287: »[…] i’mi so un, che quando / Amor mi spira, noto e a quel modo / ch’ e’ ditta dentro vo significando«. Zur idee der dichtung als eines diktats der liebe Buck, 1952, s. 35f. 626 Unter den Kondolierenden war auch rinuccini mit seiner pseudoplutarchischen Consolatio ad Apollinium (ravenna, Bibl. classense, Ms. 332); Giustiniani, 1965, s. 194f., nr. 53; peruzzi, 2004, s. 160. 627 castiglione, Cortegiano, ii, cap. 8, s. 132: »[…] valersi delle cose ben fatte […]«; vgl. cicero, De oratore, ii, 85. Über den erlesenen Klang des durch geistreiche Verbindungen neu erscheinenden wortes und über die notwendigkeit der Anpassung der stoffwahl an die Überlieferung horaz, Ars poetica, vv. 47ff., vv. 119f. 628 siehe petrarca, Collatio, s. 320–321: »[…] possem facile demonstrare poetas sub velamine figmen­ torum nunc fisica nunc moralia nunc hystorias comprehendisse ut verum fiat quod sepe dicere soleo inter poete et ystorici et philosophi seu moralis seu naturalis officium hoc interesse quod inter nubilo­ sum et serenum celum interest cum utrobique eadem sit claritas in subiecto sed pro captu spectantium diversa.«

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lektüre allein für den illiteraten – ab, indem sie nicht länger simplifizierend bloß das wort ersetzen, so sehr nachwehen dieser haltung im 15. Jahrhundert in manchen illu­ minierten erbauungsbüchern zu finden sind; ja selbst in leon Battista Albertis differen­ zierung zwischen »gebildeten und ungebildeten« Bildbetrachtern war sie mehr oder min­ der vage zu verspüren.629 der Kunstschriftsteller romano Alberti, ein compatrioto von piero aus Borgo sansepolcro, frischte den topos selbst so spät wie 1585 in seinem Male­ reitraktat auf, nicht ohne im gleichen Buch voll des lobes für piero und seine traktat­ schriften in der urbinatischen Bibliothek zu sein.630 romanos Argumentation, die sich als inspiriert von leonardo erweist – sprich: die Malerei steche durch (sprachunabhängi­ ge) Allgemeinverständlichkeit jedes Buch aus, erhellt, welchen Verlauf der nie ganz ver­ gessene schriftunkundigen­topos im paragone nahm: die gleiche eigenschaft, die der Malerei einst zur schwäche gereichte, fundierte bald ihr stärke. piero della Francesca aber bekundete in seinem frühen Affront kraft erudition vor allem eine bewusste nivel­ lierung der durch den topos aufgerissenen Kluft zu den dichtern – eine erlesene Malerei entstand, die dezidiert mehr gewährt, als »nur eine stumme und oberflächliche lust« – so petrarcas einstige Verunglimpfung der Bilder zugunsten des prioritätsanspruches von

629 Alberti, De pictura, ii, 40, s. 264: »ut oculos docti atque indocti spectatoris diutius quadam cum voluptate et animi motu detineat.« – ein nachhall des tradierten auch noch 1498 im dedikations­ schreiben von sebastian Brants De revelatione facta ab angelo beato Methodio in Carcere, Basel: Michael Furter, 1498: »imperitis pro lectione pictura est.« im Breve der sieneser Maler von 1355 bezeichnen sich diese selbst als Kundgeber für diejenige große Menschenmenge, die nicht lesen könne; s. Gaye, 1839–1840, Bd. ii, s. 1. die schrift für denjenigen, der des lesens kundig sei – im Gegensatz zum Bild für den laien – Gregor der Große, Epistola ad Serenum Massile (MGH, Bd. ii, 270, 13, 271, 1); das Gemälde als literatur der laien bei honoratius von Autun, De gemma animae, i, c. 132 (PL, Bd. clXXii, s. 586); im späten 13. Jahrhundert hält Johannes Balbus von Genua im Catholicon die Gemälde in Kirchen für ›Bücher‹ zur Unterweisung einfacher Menschen (zitiert in Baxandall, [1972] 1984, s. 58); schlosser, [1924] 1985, s. 63f.; eingehend lawrence G. duggan, »was Art really the ›Book of the illiterate‹?«, in: Reading Images and Texts (Utrecht studies in Medieval literacy 8), hrsg. v. Mariëlle hagemann, turnhout, 2005, s. 63–107; zu diesem topos auch wenzel, 1995, s. 323. 630 romano Alberti, Trattato della nobilità della pittura, in: Trattati d’arte del Cinquecento, 1960–1962, Bd. iii, s. 225, cap. 2: »il che si legge in molti altri concilii, anteponendo per questa cagione la pittura ai libri; perché, se quelli son scritti in latino, dai latini seranno intesi, se in greco, dai Greci, e final­ mente quello intelletto solo faranno capace, che ancora serà capace di quella lingua nella qual seranno scritti. Ma la pittura, come quella che è un libro di commun linguaggio, non in quei pochi, come veramente sono, si ristringe, ma si allarga universalmente a ciascheduno intelletto, facendolo in un sguardo capace«; und ebenda, s. 220, cap. 1: »[…] non mai a bastanza lodato, piero della Francesca dal Borgo san sepolcro, il quale eccellentissimo prospettivo et il maggior geometra de’suoi tempi, si come appare per li suoi libri, che per la maggior parte sono nella libreria del secondo Federico duca d’Urbino; […].«

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Büchern.631 im Quattrocento oft kommentiert, war es Quintilian, der die hohe Bil­ dungsaufgabe, die einem Buch gemeinhin zufällt, betont hatte, darüber hinaus auch die intellektuellen Ansprüche, die gegenüber einer kultivierten leserschaft erwachsen, da ein Buch ja in die »hand der Gebildeten komme und als Kunstrichter die Meister der Kunst« haben werde.632 spielend erfüllte pieros ›Buch‹, das aus Malerei für den homo litteratus bestand, diese erwartungen. da piero della Francesca in der Montefeltro­Vita Giovanni santis das epitheton »antico« erntete, sei schließlich auf die diktion des petrarca­Übersetzers Giovanni da san Miniato verwiesen: »Bücher«, schrieb er, »sollten nur von guten Künstlern und zwar traditionsbewussten [antichi] und vollendet kunst­ verständigen geschrieben werden.«633 nach der Aussage Francesco Filelfos entfaltete Federico da Montefeltro schon als heranwachsender in der Casa Giocosa in Mantua einen Feuereifer in debatten über die Künste.634 wie wir ahnen können, setzten sie sich in Urbino anlässlich der streitfrage nach der besten [Buch­]Kunst fort.

631 petrarca, Familiarum rerum libri, iii, 18, Bd. i, s. 139: »Quinimo, singurare quiddam in libris est: […] picte tabule […] ceteraque id genus, mutam habent et superficiaram voluptatem; libri medullitus delectant, colloquuntur, consulunt et viva quadam nobis atque arguta familiaritate iunguntur […].« (die Bücher sind etwas ganz Besonderes. […] Gemälde […] und ähnliche dinge gewähren nur stum­ me und oberflächliche lust, Bücher dagegen erfüllen uns mit tiefer innerer Freude, sie reden mit uns, sie sind uns Berater, sie leben gleichsam mit uns als eng verbundene Freunde); nach der Üs von Buck. 632 Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 50, Bd. ii, s. 774f. (Üs: helmut rahn): »at quod libris dedica­ tum in exemplum edatur, et tersum ac limatum et ad legem ac regulam compositum esse oportere, quia veniat in manus doctorum et iudices artis habeat artifices.« Unberücksichtigt in Filelfo, In rhetoricam ad Herennium commentaria; zur rezeption winterbottom, 1967, s. 339–369. 633 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 43 (»dell’abondanzia de’libri«), Bd. i, s. 208: »che non facesse scrivere i libri, se non da buoni artefici di ciò, e costoro fossono antichi e sapessono perfettamente l’arte.« Vgl. petrarca, De remediis, i, cap. 43 (»de librorum copia«), s. 167: »ut libri sci­ licet non nisi ab artificibus iisque antiquariis et perfecte artem scientibus scribentur.« 634 Filelfo, Commentarii, s. 269: »[…] delectabatur seque semper aliquid quaerere, et tamquam in certa­ men licterarium con discipulos provocabat«; über die schar von gelehrten und streitbaren Begleitern des herzogs landino, Disputationes Camaldolenses, s. 8 (in der dedikation): »[…] qui docte, qui ele­ ganter, qui ingeniose de rebus maximis dissere possint […].« die rolle der hochwertigen Bücher für diese dispute unterstreicht gegen 1472/1474 cristoforo delio, Epigrammatum libri duo, vv. 1–4 (BAV, Ms. Urb. lat. 721, fol. 20v (zitiert nach peruzzi, 2004, s. 112): »sunt tria quae nomen Federico [da Montefeltro] maxima praestant: 1 arma, domus, libri; caetera tempus habet. Arma dabunt famam, ostendet domus alta triumphos multaque librorum copia doctiloquum […].«

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6.3. taten, wie von petrarca erzählt: piero und der ›Alexander­Achill­topos‹ Mit seiner erzählung aus dem leben des urbinatischen herzogpaares, die dem TrionfiMuster entspricht, erweckte piero den Anschein, als ob deren taten ( factae) ihre poeti­ schen weihen durch petrarca selbst erhalten hätten. der tiefe, faktisch jedoch nicht rea­ lisierbare wunsch, die renommierteste dichterpersönlichkeit der Vergangenheit als Verherrlicher der eigenen taten zu gewinnen, implizierte einen Anachronismus, der von einem der wirkungsmächtigsten rangstreitmotive zehrt, die infolge der parallelbiogra­ fien plutarchs durch die dichtung der Frühen neuzeit geisterte. dieser Umstand fällt erst recht ins Gewicht, da sich petrarca persönlich mehrfach der Allegorese dieses sub­ limen rangstreitmotives angenommen hatte: es handelt sich um den neid Alexanders des Großen auf den Kriegshelden Achill, denn diesem war das privileg der Glorifizie­ rung seiner taten durch den größten aller dichter vergönnt: homer. noch Baldassar castiglione und Benedetto Varchi zitieren dieses sonett des Canzoniere­dichters, das den stoßseufzer des Makedonienkönigs am Grabe Achills vernehmbar macht. Varchi ließ es in seine paragone­lektion einfließen. worin aber bestand der Zusammenhang? Varchi zufolge illustriert der topos die größere nützlichkeit (utilità) der Bildhauerkunst im Vergleich mit der Malerei, denn ähnlich wie werke der dichtkunst böten die steiner­ nen Monumente (er meint die Grabkunst mitsamt ihren panegyrischen inschriften) – ihrer dauerhaftigkeit wegen – den nachhaltigsten Ansporn zur tugend: Als Alexander zum berühmten Grabe Achills des stolzen kam, er seufzend klagte: Oh, Glücklicher, der du des ruhmes Gabe durch den erhielst, der höchstes lob dir sagte! 635

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Kaum ein dichter des Quattrocento – von Guarino über Jacopo Bracciolini bis patrizi – hat petrarcas Verse übersehen. das Motiv wuchs in und außerhalb des paragone gera­ dezu zu einem steckenpferd der humanisten aus. es berührte ihre herzenssache, auf die wir immer wieder stoßen: die Frage nach dem optimalen Medium der Verewigung. Als 635 petrarca, Canzoniere, nr. 187, vv. 1–4, s. 512 (Üs: Gabor/dreyer): »Giunto Alessandro alla famosa tomba 1 del fero Achille, sospirando disse: O fortunato, che si chiara tromba trovasti, e chi di te si alto scrisse!« Vgl. plutarch, ›Alexander‹, 15 und castiglione, Cortegiano, i, cap. 45, s. 99: »e se Alessandro ebbe invidia ad Achille non de’ suoi fatti, ma della fortuna che prestato gli avea tanta felicità che le cose sue fosseno da Omero […]«; und Varchi, Lezzione, ii, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 51; vgl. cicero, Pro Archia poeta, X, 24; über homer als maßgebliches Vorbild zur schilderung der »res gestae« der Könige und Fürsten (»ducumque«) horaz, Ars poetica, vv. 73ff., s. 544.

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89 Bartolomeo sanvito, Laura, Petrarca und Apollo, ca. 1463–1464, aus: petrarca, Canzoniere, Trionfi, london, Victoria and Albert Museum, Ms. l101­1947, fol. 9v

denkbarer bildhafter reflex auf diesen topos ist m. e. ein berühmtes Frontispiz einer petrarca­handschrift zu werten. sie ging in padua aus der schreiberwerkstatt des Barto­ lomeo sanvito hervor. das doppelbildnis lauras und petrarcas wird hier, von Genien flankiert, als Bestandteil eines Grabdenkmales vorgeführt (Abb. 89). wenn der lyra­ spielende Musengott Apoll höchstpersönlich das paar besingt, dann hat petrarcas wunsch nach dem – zeitenthoben – höchsten panegyriker posthum Gehör gefunden.636 636 (london, Victoria and Albert Museum, l.101­1947, fol. 9v); auf dem inschriftensockel unter dem liebespaar ist zu lesen: »FrAncisci pe/trArcAe FlO/rentini pOetAe / eXcellen­

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

der ›Alexander­Achill­topos‹ löste in den humanisten nicht wirklich Zweifel am besten Medium der Überlieferung der virtus aus, so sehr Guarino und Beroaldo einen Brücken­ schlag zu einer anderen Gattung unternahmen, der Bildhauerkunst, genauer, der gehei­ men selbstverewigung des phidias am Athena­standbild.637 die auch in den Iocundissimae disputationes enthaltene debatte über dieses indiz der ruhmessucht der Bildhauer belegt, wie brisant dieses thema am urbinatschen hof im Quattrocento gewesen ist.638 tiss ∙ / rhYthMi inci/piVnt«; die illustratoren des gegen 1463–1465 entstandenen Manu­ skriptes waren Franco de’ russi und ein Anonymus; vgl. Jonathan J. G. Alexander, »A Manuscript of petrarch’s rime e trionfi«, in: Victoria and Albert Museum Yearbook, 2, 1970, s. 27–40, Abb. 1; trapp, 1996, s. 34, Abb. 16; vgl. auch die nahezu identische illustration in einem codex in der BnM, Ms. 611, s. Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 272, Kat.­nr. iV.16. Freilich fungiert Apoll wegen seiner liebe zu daphne zugleich als prototyp für petrarca (und seine liebe zu laura); zu den Funktionen Apolls s. schröter, 1977, s. 355 und löhr, 2010, s. 255. der sepulkralzusammenhang scheint sich darin zu bestätigen, dass dieses Motiv offenkundig in einer holzschnitt­illustration der Hypnerotomachia Poliphili seine nachfolge fand und nun, Bestandteil eines Friedhofs für tote liebende, eindeutig als Grabmonument eines liebespaares ausgewiesen wird; s. Hypnerotomachia Poliphili, i, [fol. r3r], Bd. i, s. 263; das denkmal wird als Grabmonument von Sertullius und Rancilia bezeichnet; polifilo und polia sehen es beim Besuch des Friedhofs; dazu auch luchs, 1995, s. 53 u. Abb. 81. 637 in einem Brief von 1416 – unter rekurs auf cicero, Pro Archia poeta, 24 – Guarino, Epistolario, Bd. i, nr. 113, s. 197, ebenso ebenda, Bd. ii, nr. 865, s. 594, wo anschließend, angesichts der »scriptis per­ petuae«, der Vergleich mit der phidias­signatur am standbild der Athena Parthenos bemüht wird. dies belegt den Anreiz, den der topos für den paragone nicht erst für Varchi bot; im Kontext der Angst vor schlechten literaten petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 25 (»della infamia propria«), Bd. ii, s. 128: »Onde, come fu nobile il sospiro d’Alessandro re di Macedonia, che avea invidia ad Achille, perchè ebbe Omero scrittore e laudatore de’ suoi grandi fatti; così fu nobile la paura del detto principe Allessandro, che temea di non venire in ira de’ litterati e valenti poeti […]«; über den topos auch lapo di castiglionchio 1437–1438 im Brief an pier candido decembrio (luiso, 1899, s. 256) und Beroaldo, De foelicitate, s. A5r: »orbis Alexandro angustus est. idem cum nisigeo ad Achillis tumulum astitisset. ›O fortunate‹ inquit adolescens ›Qui tuae virtutis praeconem homerum inveneras, quod apud silium versibus modulatis sic expressum est‹« (anschließend, auf s. A5v, wieder­ um der Bezug auf das ruhmesstreben von phidias), patrizi, De regno et regis institutione, iii, cap. »de cursu ac pedum pernicitate«, s. 101; Jacopo Bracciolini im Vorwort zu poggio Bracciolini, Historiarum Florentini populi, s. 191; Alamanno rinuccini im Brief an niccolò della luna (Giustiniani, 1965, s. 82), als indiz für die notwendige Förderung der »dotti scrittori« durch Fürsten in collenuccio, Filotimo, s. 109; Marullo, Institutiones principales, i, vv. 120, s. 26. – in der Forschungsliteratur hat sich nirgends die erkenntnis eingestellt, dass der topos im paragone einen hohen stellenwert besaß; und als Gemeinplatz fand er allenfalls in romanistischen studien – und dies nur am rande – Beach­ tung, beispielesweise bei Buck, 1987, s. 212–213; vgl. Keßler, 1978, s. 42ff. – in raffaels Grisailledar­ stellung unterhalb des Parnass­Freskos wird vereinzelt (wie von emison) aber nicht ganz überzeugend ein bildhafter reflex auf den topos gesehen; s. den stich von Marcantonio raimondi (B 207) in The Illustrated Bartsch, 1971–2000, Bd. XXVi (14/1), nr. 207A (168), s. 205; richtig ist hingegen emi­ sons erkenntnis, der topos sei als »visual correlate« zur simonides­episode zu werten; emison, 2004, s. 122, Abb. 13. 638 der gesamte passus mit Übersetzung im App. i/d.

6. Der Buchgedanke

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erst vor dem hintergrund des ›Alexander­Achill­topos‹’ werden die dünkel im diptychon spürbar, die jeder gebildete Betrachter wahrnahm, als er die ›nach Art des petrarca‹ gestaltete tatenschilderung sah, die einen triumphator der Gegenwart betrifft. es dürfte nicht in pieros Absicht gelegen haben, petrarca zum neuen homer zu stilisie­ ren, obgleich man – mit Blick auf petrarcas Africa­epos – nicht lange nach einer erklä­ rung dafür zu suchen braucht, weshalb gerade petrarca an die stelle des Ilias­dichters treten konnte.639 Als die dichtung des ennius’ nicht an die Größe von scipios taten heranreicht und abermals der ruf nach homer erschallt, prophezeit petrarca einen gleichrangigen dichter der Zukunft. es ist in nuce, ganz unbescheiden, petrarca: »[…] Francisco cui nomen erit […].«640 es mag dahingestellt sein, inwiefern sich piero selbst wegen dieser Zeilen aufgrund seines namenszusatzes, »di franceschi« (um mit luca pacioli zu sprechen), zu Großem animiert sah.641 Jedenfalls bewies piero mit allen ihm verfügbaren Fertigkeiten, wie er, schier ein ›verlängerter Arm petrarcas‹, sogar als Maler entschieden ›petrarchisch‹ gestalten konnte. dies betraf neben der darstellung der gesta auch die cose amorose, ein ressort, in dem petrarca in italien nie wieder den rang als die maßgebliche Autorität einbüßen sollte.642 das aufgezeigte ikonografische Konstrukt der parallelbiografie ermöglichte Federico da Montefeltro die hehre illusion, kein Geringerer als petrarca würde ihm, in der Ausformulierung seiner momentanen Gefühlserlebnisse, aus der seele sprechen – ein gesuchter Anachronismus, der als einer der größten Glanz­ leistung des Konzeptors zu betrachten ist.

639 petrarca, Africa, iX, vv. 23–64, s. 690ff., vv. 51–64, s. 692–694: »[…] Macedum rex magnus amici / forte videns saxum eacide titulosque sepulcri, / ›Fortunate‹ inquit ›iuvenis illum preconem reperire fuit!‹ non parva profecto / est claris fortuna viris habuisse poetam / altisonis qui caminibus cumulare decorem / virtutis queat egregie monimentaque laudum. At tibi, summe ducum, claro quo nullus homero est / dignior, in reliquis blanda inque hoc durior uno, / me solum fortuna dedit. currentibus annis / nascetur forsan digno qui carmine celo / efferat emeritas laudes et fortia facta / et cui mellifluo melius resonantia plectro / calliope det fila lire vocemque sonoram‹«; s. die interpretation von Keßler, 1978, s. 42ff. das gleiche Motiv auch in petrarca, Africa, ii, vv. 445–446; iV, v. 38 und derselbe, Familiarum rerum libri, X, 4, 34. 640 petrarca hatte das Motiv dem lukrez oder persius entlehnt; lukrez, De rerum natura, i, 124–126 berichtete, homer habe ennius im traum das wesen des daseins enthüllt; und nach persius, Saturarum liber, Vi, 9 ist die seele homers auf ennius übergegangen. 641 pacioli, Summa, fol. 2r; eine weitere Gemeinsamkeit ist die herkunft »del borgo« (vgl. ebenda, V, cap. 6, fol. 68v: »piero de li franceschi […] bel borgo san sepolcro«); Manetti spricht in seiner Biografie petrarcas von dessen herkunft aus Arezzo »in ›Borgo dell’orto‹; Manetti, Vita Francisci Petrarchae, s. 133. 642 castiglione, Cortegiano, i, cap. 32, s. 68: »[…] e con quelle parole e termini che usava la consuetudine de’loro tempi, hanno espresso i lor concetti: il che più felicemente che agli altri, al parer mio, è suc­ cesso al petrarca nelle cose amorose.« Über die Gepflogenheit der humanisten, imaginierte Kunst­ werke nach unterschiedlichen stilen zu beschreiben, s. Grafton, [2000] 2002, s. 104.

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Unter Besinnung auf antike dichter­ und rhetorikwettbewerbe sollte poliziano in einem Brief das ruhmesstreben, auf dem der ›Alexander­Achill­topos‹ basiert, stimmig von der Künstlerpersönlichkeit und dessen stil abhängig wissen. er erklärte, dass »bewundernswerte und wahrhaft göttliche Menschen« unsterbliches lob ersehnten und infolgedessen eine flammende Begeisterung für diejenigen hegten, die imstande seien, ihnen durch Virtuosität des dichterischen stils die Unsterblichkeit zu sichern.643 cas­ tiglione wird dekaden später bekräftigen, dass, wer diese wonne des ruhmesstrebens nicht fühle, den ruhm lediglich an der lebensspanne eines oder zweier Menschen mes­ se.644 wie ein poeta eruditus hat piero mit einer stattlichen reihe von Verweisen, Allego­ rien und tropen die rolle als dispensator gloriae seines Fürsten erfüllt; in diesem punkt avancierte er mutatis mutandis zum nachfolger homers. Genoss dieser katachrestisch die reputation als ›bester Maler‹, so mochte piero danach streben, der ›beste dichter‹ zu sein.645 piero konnte sich seinem eigenen ruhmesstreben überlassen, zu dem, obgleich auf ein anderes Opus, sein Malereitraktat, bezogen, sein authentisches Bekenntnis vorliegt. er äußerte gegenüber Federico da Montefeltro den Bewegrund seines schreibens und theoretisierens: er habe dieses Buch, schreibt er, »als eiferer nach ruhm in der Kunst und dieses Zeitalters und als Anmaßender […] gewagt«.646 643 »Allo illustrissimo signore Federico d’Aragona«, abgedruckt (aufgrund der früheren irrtümlichen Zuschreibung der epistel an lorenzo de’Medici) in: lorenzo de‘ Medici, Opere, Bd. i, s. 3–8, s. 4: »erano questi mirabili e veramente divini uomini, come di vera immortal laude sommamente deside­ rosi, così d‘un focoso amore verso coloro accessi, i quali potessino i valorosi e chiari fatti delli uomini eccellenti con la virtú del poetico stile rendere imortali; del quale gloriosissimo desio infiammato il magno Alessandro, quando nel sigeo al noblissimo sepulcro del famoso Achille fu pervenuto, mandò fuori suspirando quella sempre memorabile regia veramente di sé degna voce: ›Oh fortunato che sì chiara tromba trovasti, e chi di te sì alto scrisse. […].‹ e sanza dubbio fortunato: imperocché se’l divi­ no poeta Omero non fusse stato, una medesima sepultura il corpo e la fama di Achille averebbe ricop­ erto.« der Grundgedanke ist freilich die langlebigkeit der guten taten alleine durch werke der dichtkunst; formuliert von lazzarelli, De gentilium deorum imaginibus, v. 188, s. 12: »carmina plus vatum quem bene gesta valent.« 644 castiglione, Cortegiano, i, cap. 43, s. 94: »[…] s’infiammati d’un ardentissimo desiderio d’esser simile a quelli, e non posponga questa vita caduca di dui giorni per acquistar quella famosa quasi perpetua, la quale, a dispetto della morte, viver lo fa più chiaro assai che prima? […] e solamente quella misura con la età d’un omo, o di dui, perché di più oltre non tien memoria«. 645 Zum topos von homer als Maler s. cap. V.2. – der Anspruch auf die Universalität des dichters wur­ de in Boccaccio, Genealogia deorum, XiV, 7 vertreten, dann oft wiederholt, beispielsweise im parago­ ne von Fonte, Il merito delle donne, s. 159: »[…] un poeta è abile a parlar d’ogni cosa […]«; zu den implikationen der Begriffes des poeta eruditus in der dichtungstheorie August Buck, Die humanistische Tradition der Romania, Bad homburg v. d. h., 1968, s. 227–243. 646 piero della Francesca, De prospectiva pingendi, iii, s. 129: »et imperò comme zelante de la gloria de l’arte et di questa età, commo presuntuoso ho preso ardire scrivere questa particella de prospectiva apartinente alla pictura, facendone come dissi nel primo tre libri.« – im historiografischen Zug von pieros diptychon lag nicht geringe ironie darin, wenn es bei Villani, De origine, XlVii, 1, s. 152,

7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von Pieros Diptychon

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7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von pieros diptychon 7.1. Bücherwelten des scheins: pieros diptychon und das urbinatische studiolo Autobiografisches – Bartolomeo da Urbino und der ›Enchiridion‹ Für welchen Zweck, für welchen Ort war pieros diptychon vorgesehen? Mangels ein­ deutiger Quellen bleibt die Antwort zwingend hypothetisch. das Auffallende, der Buch­ charakter dieses werkes, legt jedoch den Bestimmungsort nahe. die passende Umge­ bung für ein Buch wäre eine Bibliothek, wie beispielsweise die handschriftenbibliothek im Palazzo Ducale.647 Aber pieros diptychon, kein gewöhnliches Buch, sondern eine höchst eigenwillige Buchnachahmung, war durch das spiel mit dem schein wie geschaf­ fen für einen anderen raum: für die illusionistische Bücherwelt des urbinatischen studiolo – oder, um die diktion von Vespasiano da Bisticci zu verwenden, »suo istudio«.648 eine Vielzahl an Buchnachahmungen, etwa sechzig an der Zahl (teils als Bestandteil des intarsienschmucks, teils als gemalte Motive) stehen Buchtypen verschiedenster Art gegenüber. Unter sie fällt auch ein diptychon, konkret: die diptychischen Gesetzestafeln des Moses.649 Beschriftete Buchrücken in der intarsienzone spielen mehr oder minder deutlich an vier persönlichkeiten an, die der uomini-famosi­Zyklus festhält (Vergil, Homer, Seneca und Duns Scotus). Falls pieros diptychon in diesem raum aufbewahrt worden ist, könnte es sich sinnfällig, zusammen mit dem Petrarca­Bildnis (Abb. 90), das Justus van Gent und pedro Berruguete malten, in diese Korrelationen zwischen Autoren und Büchern eingefügt haben, die sich quer durch das studiolo ergeben. Aber welchen tiefe­ ren sinn erfüllte es kulturhistorisch in dieser Umgebung? Zu recht ist die nutzung des urbinatischen studiolo als Aufbewahrungort von ›wirk­ lichen‹ Büchern – zuletzt durch roeck und tönnesmann – bezweifelt worden.650 die sehr beengten raumverhältnisse von 3,30 mal 3,60 Meter lassen eine solche Zweckbestim­

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heißt: »Vetustissimi qui res gestas conspicue descripssere pictores optimos, ymaginum atque sta­ tuarum scultores cum aliis famosis viris suis voluminibus miscuerunt.« deren Auschmückung beschreibt santi, La vita, XiV, cap. 56, vv. 166–170, Bd. ii, s. 421; vgl. Vespa­ siano, Vite, iii, 27, Bd. i, s. 297; und rotondi, 1950, Bd. i, s. 383ff. Vespasiano, Vite, iii, 25, Bd. i, s. 295: »[…] in uno suo istudio, dove fece dipingere i filosofi e poeti e tutti i dottori della chiesa così greca come latina, fatti con uno maraviglioso artificio; ritrassevi la sua signoria al naturale, che gli mancava nulla se non lo spirito.« liebenwein zählte circa dreißig codices unter den intarsiendekorationen; vgl. liebenwein, 1977, s. 88; hinzu kommen siebenundzwanzig Bücher als Beigaben der uomini famosi; von einem »imagina­ ry room« spricht dora thornton, The Scholar in his Study. Ownership and Experience in Renaissance Italy, new haven und london, 1997, s. 120f. Zum Moses im urbinatischen studiolo cheles, 1986, Abb. 19. roeck/tönnesmann, 2005, s. 165.

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mung des höchst intimen Gemaches gewiss nicht zu, das, in welcher spielweise auch immer, dem Zuschnitt nach mit der Zurückgezogenheit, der einkehr und der Meditati­ on liebäugelte, dem gängigen sinn der studioli im Quattrocento.651 so richtungsweisend die ratschläge petrarcas, des bedeutendsten predigers der vita solitaria im Zeitalter des humanismus, für die Gestaltung der studioli waren, sie blieben individuellen lesarten überlassen. dies mochte nicht minder auf denjenigen rat zutreffen, den petrarca an phi­ losophen und dichter richtete, dass »das Aufschlagen [wörtlich: »Aufrollen«] vieler Bücher« in der solitaria nicht vonnöten sei.652 ein Anhaltspunkt für eine differenziertere Zweckbestimmung des urbinatischen studiolo liegt vielleicht in den nicht wenigen tra­ ditionsbrüchen, wie in der wandlung der üblicherweise von studioli beherbergten prezio­ sen zu intarsienmotiven,653 ferner in der beachtlichen raumhöhe von 4,90 Meter, die an einen sakralraum gemahnt (Filarete legitimierte die höhe von solchen mit der Möglich­ keit zum Aufschwingen der seele zu Gott),654 in der einbeziehung von Zeitgenossen in den uomini-famosi­Zyklus und schließlich in der paarweisen Anordnung kommunizie­ render famosi, deren Auswahl, so scheint es, keinem erkennbaren prinzip gehorcht.655 einschränkungslos können wir behaupten: ikonografische Überschneidungen zwi­ schen dem studiolo und pieros Montefeltro-Diptychon zeigen sich auf der großen linie. sie teilen die huldigung an die welt der Bücher und der erudition, an uomini famosi, ja selbst an die tugenden. im studiolo präsentieren sich die drei theologischen tugenden als große nischenfiguren in der intarsienzone. Und unter den achtundzwanzig famosi, die

651 Vgl. liebenwein, 1977, s. 57ff. und zur Funktion der studioli im cinquecento, dem Übergang zum sammlungsraum, s. 128ff; zur Bestimmung der studioli zur vita contemplativa enenkel 1990 in petrarca, De vita solitaria, s. 544–545. 652 petrarca, De vita solitaria, i, 7, 9, s. 102: »non multorum evolutione voluminum est opus.« tatsäch­ lich belegen inventare von studioli im Quattrocento nur wenige Bücher, zum Beispiel das des dogen von Genua, tomaso di campo Fregoso und das von Giovanni sercambi, eines aus lucca stammen­ den Kaufmannes; davon waren einige stets aufgeschlagen; vgl. liebenwein, 1977, s. 57. 653 eine zeitgenössische Quelle zur Ausstattung von studioli ist decembrio, De politia litteraria, i, cap. 3, 5, s. 150: »intra bibliothecam insuper horoscopium aut sphaeram cosmicam citharamque habere non dedecet, si ea quandoque delecteris, quae, nisi cum volumus, nihil instrepuit, honestas quoque pictu­ ras caesurasve, quae vel deorum vel heroum memoriam repraesentent. ideoque saepenumero cernere est quibusdam iucundissimam imaginem esse hieronymi describentis in eremo, per quam in biblio­ thecis solitudinem atque silentium et studendi scribendique sedulitatem opportunam advertimus.« 654 Filarete, Trattato, Vii, Bd. i, s. 188: »e poi e’ cristiani l’hanno fatte alte, acciò che quando l’uomo entra nella chiesa, sì debba levare il cuore alto inverso iddio e in contemplazione alzare la mente e l’animo a esso iddio […].« petrarca betont im Brief über seine Besteigung des Mont Ventoux die »höhe menschlicher Kontemplation«, mit der verglichen Bergeshöhen »kaum mehr« als »die höhe einer stube« hätten; s. petrarca, Familiarum rerum libri, iV, 1, Bd. i, s. 160: »[…] montis aspexi, et vix unius cubiti altitudo visa est, prae altitudine contemplationis humanae; […].« 655 Angesichts der innovationen im urbinatischen studiolo spricht liebenwein, 1977, s. 93 von einer weit­ gehenden »neuschöpfung«.

7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von Pieros Diptychon

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in Ädikulen platziert sind (ein schema, das übrigens ikonografisch von Buchillumina­ tionen herleitbar ist),656 figurieren die für den geistigen hintergrund des diptychons maßgeblichen persönlichkeiten wie Petrarca, der Hl. Augustinus und Ptolemäus.657 lucia­ no cheles hatte 1986 mit recht zu bedenken gegeben, dass der noch nicht aufgeschlüs­ selte concetto des urbinatischen studiolo licht auf das »twinning system« von dessen uomini famosi werfen müsse. warum sind diese Berühmtheiten je zu zweit im Gesprächs­ habitus präsentiert? 658 rein formal gleicht dieses, einer Conversatio mystica entlehnte schema der Anordnung des Montefeltro­paares auf den ›Bildnisseiten‹. das ist insbeson­ dere evident im Vergleich mit den profilbildnissen von Dante neben Petrarca (Abb. 91 und Abb. 90). nimmt man die einstigen inschriften hinzu (je ein drei­ bis Fünfzeiler in römischen Kapitalen), die sich ursprünglich auf einem gemalten steinsockel unterhalb von jedem der uomini famosi befanden (spärliche Fragmente und eine 1592 erfolgte tran­ skription verbürgen sie),659 dann ergibt sich ein dem diptychon von piero recht verwandtes Aussehen (Rekonstruktion 3). diese Analogie wäre längst ins Auge gesprungen, wenn piero della Francesca die Marmorsockel statt auf den ›triumphseiten‹ unterhalb der Montefeltro­Bildnisse angebracht hätte. Freilich, grundsätzlich wären rein äußerliche Anleihen van Gents und Berruguetes an eine Vorgabe von piero möglich. sein diptychon muss deshalb nicht originär für das studiolo bestimmt gewesen sein. Aber soviel darf gesagt werden: die charakterisierung der widmungsinschriften zu den uomini famosi, die der Biograf Bernardino Baldi 1587 vornahm, er betonte den lebensgeschichtlichen Zug, würde auch stimmig die eigenheit der Zeilen über die Montefeltro treffen: »[…] un breve elogietto, nel quale ristrettamente si comprende la vita di ciascheduno di loro.«660 656 Zur disputatio zwischen Autoren in der Buchkunst ebenda, s. 93f. 657 die Verteilung der uomini famosi im raum war nach cheles, 1986, s. 39 wie folgt: Platon, Aristoteles, Gregor d. Gr., Hieronymus (linke seite der nordwand); Ptolemäus, Boethius, Ambrosius, Augustinus (rechte seite der nordwand); Cicero, Seneca, Moses, Salomon (linke seite der Ostwand); Homer, Vergil, Thomas v. Aquin, Duns Scotus (rechte seite der Ostwand); Euklid, Vittorino da Feltre, Pius II., Bessarion (linke seite der südwand); Solon, Bartholo Sentinati, Albertus Magnus, Sixtus IV. (rechte seite der südwand); Hippokrates, Pietro d’Abano, Dante, Petrarca (rechte seite der westwand). eine rekon­ struktion der Anordnung auch bei nicole reynaud und claude ressort, »les portraits d’hommes illustres du studiolo d’Urbino au louvre par Just de Gand et pedro Berruguete«, in: Revue du Louvre, 1, 1991, s. 82–113. 658 Vgl. cheles, 1986, s. 42: »it is legitimate to wonder whether the Urbino frieze embodies a more com­ plex programme – one that might explain, other than the division into rows and the twinning system, the choice of portraits and their arrangement in relation to one another.« 659 der Gelehrte laurent schrader sah die Bildnisse vor Ort und überlieferte die inschriften in den Monumentorum Italiae, 1592 in hemelstadt gedruckt; dazu cheles, 1986, s. 16 mit dem Abdruck sämtlicher inschriften ebenda, im »Appendix A«, s. 93–95; vgl. die rekonstruktion der sockel durch rotondi, 1950, Bd. i, s. 336–337. 660 ([…] eine kurze eloge, in der man eingeschränkt das leben eines jeden von ihnen begreift); Baldi, Descrizione, s. 286.

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91 Justus van Gent/pedro Berruguete, Dante, nach 1474, paris, Musée du louvre

90 Justus van Gent/pedro Berruguete, Petrarca, nach 1474, Urbino, palazzo ducale, studiolo­ westwand

nicht allein mit der Auswahl der persönlichkeiten, beispielsweise dem Jugendlehrer des urbinatischen Fürsten aus Mantua, Vittorino da Feltre, und dem, wie es inschriftlich heißt, »amico […] optimo« von Federico da Montefeltro, Bessarion, dem er bis zu dessen tode 1472 herzlichst zugetan war, herrscht im studiolo ein sehr privat­subjektives, um nicht zu sagen ein fast solipsistisches Moment vor.661 Überraschend ichbezogen gestaltet sich selbst der inschriftliche Zugang zu den antiqui, den historischen persönlichkeiten 661 Gleiches gilt für Papst Pius II., in dessen diensten Federico als condottiere gestanden hat. die Bei­ schrift nimmt darauf Bezug: »pio ii pontif[ici] Max[imo], ob imperivm avcvtvm armis, ornatvmq[ve] eloqventiae signis, Fed[ericvs] pos[vit], magnitvdini animi laboribvsq[ve] assidvis.« die Quintessenz mancher inschriften deckt sich mit den Angaben von Vespasiano da Bisticci über die literarischen präferenzen des Montefeltro­Fürsten; so heißt es über thomas von Aquin: »[…] et era per questo afetionatissimo alla dottrina di sancto tomaso«; s. Vespasiano, Vite, Bd. iii, 23, Bd. i, s. 293.

7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von Pieros Diptychon

Rekonstruktion 3 die studiolo­Bildnisse von Dante und Petrarca mit rekonstruierten sockelinschriften

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Pieros Bildnisse mit den sockelinschriften der umseitigen triumphdarstellungen

der Vergangenheit.662 die Zeilen, die ihnen zugedacht sind, liefern jeweils eine höchst individuelle Begründung dafür, warum sie im Gemäldezyklus berücksichtigt wurden,663 wobei ein stereotyper nachsatz den Angelpunkt dessen preisgibt: »Fed[ericVs] dedit«, »Fed[ericVs] dicAVit« oder »Fed[ericVs] pOsVit eX GrA­ titVdine«. ein Anstrich, der ins Autobiografische tendiert, ist demnach nicht zu leugnen. Von der Forschung unbeachtet, verfährt diese intime selbstbesinnung nach einem berühmten Muster: nach den »An sich selbst« gerichteten Aufzeichnungen des Kaisers Marc Aurel. das erste Buch ist es, das eine personalistische Besinnung dieses römers auf die eigenen wurzeln enthält, von der Frage ausgehend, durch welche per­ sönlichkeiten sein leben und sein werdegang eine prägung erfahren habe. daraus erga­ ben sich bündige würdigungen wie folgt: »Von Alexander, dem philologen, dass er frei von tadelsucht war; […]«, (i, 10) oder »von Apollonios die freie denkungsart und die unbedingte Festigkeit seines Grundsatzes, nichts dem Zufall zu überlassen« (i, 8) oder

662 dante und petrarca figurierten auch unter Andrea del castagnos uomini illustri in der Villa carducci (später pandolfini) in legnaia bei Florenz (heute Uffizien); Marita horster, Andrea del Castagno, Oxford, 1980, s. 29ff. u. Abb. 74–87. 663 eine Bewertung der uomini famosi­Galerie ohne Berücksichtigung der inschriften führt notwendi­ gerweise zu Fehlurteilen oder problematischen simplifizierungen; s. etwa cheles, 1986, s. 50: »the frieze is a mixture of well­established images and personal choices«.

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»von meiner Mutter die Gottesfurcht« (i, 3) etc.664 dem gleicht der tenor der widmungs­ inschriften im studiolo, beispielsweise zu Seneca: »dem Annaeus seneca von cordoba, durch dessen weisungen der Geist von Affekten befreit und ruhe kultiviert wird, hat Federico dies angebracht«.665 halten wir fest: es zeichnen sich fließende Übergänge zwischen zwei Unterarten des Biografischen, fast Autobiografischen, ab. da ist einerseits die selbstbesinnung des Mon­ tefeltro­Fürsten auf seine intellektuelle identität, die in der Galerie seiner lieblings­ gelehrten zum Ausdruck kommt, und da ist andererseits, ebenso bekennerhaft, die poe­ tisch stilisierte eigene lebenserfahrung, wie wir sie im diptychon finden. der sich aufdrängende Gedanke, dass sich Federico da Montefeltro mit seiner Angetrauten in irgendeiner Form in diesen Gelehrten­pantheon integriert wissen wollte, entbehrt inso­ fern nicht der Berechtigung, als Federico, wie cristoforo landino zu Zeiten der studiolo­ Ausschmückung beteuert, verdientermaßen in die reihen der höchst Gebildeten gehört (»[…] inter litteratissimos iure censeatur […]«),666 und die Montefeltro­Gattin (piero gibt ihr als donna illustra ein Buch als Attribut) hatte Verdienste als isokrates­Übersetze­ rin erworben – und, so jedenfalls die Überzeugung Gaugellis, als lyrikerin.667 darüber hinaus fehlt es hinsichtlich der einbeziehung von Zeitgenossen in einen uomini-illustri­ Zyklus nicht an Anstößen, die petrarca gab, petrarca, der Verfasser einer Biografien­ sammlung (De viris illustribus), die ihrerseits im Kontext von Gemälden gesehen werden muss: den Fresken der Sala virorum illustrium von padua, für deren Konzept und spätere Beschreibung der dichter zumindest die Mitverantwortung trug.668 liest man petrarcas selbstkritik angesichts der Beschränkung seiner heldengalerie auf berühmte römer im Prohemium an seinen Gönner Francesco da carrara, so präsentiert sich der urbinatische uomini­famosi­Zyklus wie die bildgewordene einlösung von petrarcas idealen. schließ­ lich hatte der dichter auf das deutlichste seine eigenen wünsche formuliert: eine dar­ stellung mehr von »Gesehenem als nur Gelesenen« (»visa quam lecta«) und mehr von »Gegenwärtigem als nur Vergangenen« (»nova quam vetera«). leider böten ihm die taten 664 Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, i, s. 4, 3, 1 (Üs: wilhelm capelle). die editio princeps der Selbstbetrachtungen erschien 1558. 665 »AnnAeO sAnecAe cOrdVBen[si] cVJVs prAeceptis AniMVs liBerAtVr pertVBAtiOniBVs, eXcOlitVr[Ve] trAnQVillitAs, Fed[ericVs] ereXit«; zitiert nach cheles, 1986, s. 93. 666 landino, Disputationes Camaldulenses, i, s. 32. 667 die rolle als Übersetzerin von Ad demonicum unterstreicht Filetico, Threnos panegyricos (dazu Bon­ vini Mazzanti, 1993, s. 127); vgl. Gaugelli, Canzone, s. 16: »[…] per far sonecti ancor sapea la via […];« dies deckt sich mit der charakterisierung von Battista durch Filetico, Iocundissimae disputationes, i, s. 88: »[…] princeps Musarum decus et spes studiorum amplissima […].« 668 Giovanni Mardersteig, »i ritratti del petrarca e dei suoi amici di padova«, in: IMU, 17, 1974, s. 260– 263 und theodor Mommsen, »petrarch and the decoration of the ›sala virorum illustrium‹ in pado­ va«, in: ArtBull, 35, 1952, s. 95–116.

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der Fürsten seiner Zeit keinen stoff; statt deren Verankerung in der tugendhaftigkeit (virtus) zehrten sie allenfalls von fortuna.669 Vor diesem hintergrund bekommt die diptychon­eloge auf Federicos tugenden, die ihm seine ebenbürtigkeit gegenüber dem »größten Fürsten« bescheinigt, einen anderen Klang, wie auch das Cartellino­Motto im studiolo: »VirtVtiBVs itVr Ad AstrA«. die wegbegleiterinnen, die dem Monte­ feltro­paar im diptychon ihr Geleit zu den elysischen höhen des Triumphus Eternitatis geben, erfüllen nicht minder diese leitfunktion der drei theologischen tugenden (die Caritas ist im studiolo erneut Ausgeburt der Mutterliebe). die tragende rolle der drei theologischen tugenden ist im Übrigen im Zusammen­ hang mit einem urbinatischen Augustinereremiten zu sehen, einem Freund petrarcas, der den ruf der heiligkeit genoss; die Montefeltro standen wegen einer schrift, die er verfasste, in seiner schuld: Bartolomeo da Urbino, eigentlich Bartolomeo carusi oder auch »Bartholomeus hominis de taiuti«.670 er war berühmt als Verfasser der Milleloquium veritatis Augustini, einer in der renaissance oft und gerne konsultierten Konkor­ danz mit etwa fünfzehntausend exzerpten aus den schriften des hl. Augustinus; petrar­ ca schickte dem ein poetisches Geleitwort auf die leistung des Urbinaten voran.671 Bartolomeo, der in den letzten lebensjahren (zwischen 1347 und 1350) Bischof seiner heimatstadt und nach einschätzung der Forschung der »beste Kenner von Augustins werken« im trecento war, schrieb wesentlich dank zweier sensationsfunde wegen

669 petrarca, De viris illustribus, ›praefatio B‹, s. 218: »scriberem libentius, fateor, visa quam lecta, nova quam vetera, ut sicut notitiam vetustatis ab antiquis acceperam ita huius notitiam etatis ex me pos­ teritas sera perciperet.« Bei petrarca stand »visa« im historiografischen Kontext. »Visa« implizierte die Forderung lukians nach Augenzeugenberichten. 670 Biografisches zu Bartolomeo in Zelina Zafarana, s. v. »Bartolomeo da Urbino«, in: DBI, Bd. Vi [rom, 1964], s. 779–780; Arbesmann, 1965, s. 36ff. Augustinus, Retractationes, ii, 63 (PL, Bd. XXXii, sp. 655): »[…] vocat eum librum de fide, spe et caritate […].« es mag dahingestellt sein, ob De musica einfluss auf die Musikinstrumente in der intarsienzone des studiolo hatte. – in Federicos Bibliothek befand sich der von Bartolomeo verfasste und dem Galasso di Montefeltro gewidmete Tractatus de re bellica spirituali (Ms. Vat. Urb. lat. 880), s. stornajolo, 1902–1921, Bd. ii, s. 615f. 671 das werk, 1555 in lyon gedruckt, trägt die widmung an papst clemens Vi. (1342–1352); dazu Arbesmann, 1969, s. 38ff., s. 42ff. in petrarcas eloge heißt es: »ingenii fontes et prata virentia lingue, 1 Augustine, tui succensus amore peragrat Urbino patria vir nomine Bartholomeus, Afferat ut populo requiem labor iste nepotum. hinc sibi posteritas stillas studiosa salubres 5 hauriat, hinc lectos componat in ordine flores.« petrarca, Carmina varia (petrarca, Bd. ii, s. 33), zitiert in Bd. ii der Edizione Nazionale; der Brief petrarcas »Ad fratrem Bartholomeum ordinis sancti Augustini, epyscopum Urbinatem«, in dem er Bartolomeo drei elegische distiche und sechs hexameter schickte, in petrarca, Familiarum rerum libri, Viii, 6, 4, Bd. Xi, s. 173f.

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Geschichte. ihm gebührt das Verdienst der Auffindung von De musica und des Enchiridion von Augustinus. Kein anderes Buch als dieses zuletzt genannte spätwerk, das sich der paulinischen trias (1 Kor 13) Glaube, hoffnung und liebe nähert, entfaltet das finale Zusammenspiel der theologischen tugenden so, wie es im urbinatischen Palazzo Ducale zu sehen gewesen ist: der Glaube, der durch die Liebe in der seele entsteht, führe, sekundiert von der Hoffung, in einer pilgerschaft zur schau, zum höchsten Glück, zur Vereinigung in der ewigkeit im Bande der liebe. dem erkennen in stückwerk wie in einem spiegel folge letztlich die schau von Antlitz zu Antlitz.672 in diesem Zusammen­ hang sei noch einmal an die eschatologische dimension der rubin­spiegelung erinnert (rU­BinO – Ur­BinO), an jenes silbenspiel, das auf der studiolo­westwand ein pen­ dant besitzt (Abb. 50),673 an pieros panorama als ein spiel mit lesefolgen. Ob Battista sforza in Fileticos dialog aus Gründen des campanilismo dem »Augustinus noster« hul­ digte, entzieht sich der Überprüfung.674 672 Augustinus, Enchiridion, i, 5; XV, 56; XVi, 63. 673 chastel und Arasse haben weitere entdeckt. Mein dank gilt Arasse für die Zusendung seines Aufsat­ zes: daniel Arasse, »Frédéric dans son cabinet«, in: L’ inconscient mis à l’ épreuve. Nouvelle Revue de Psychanalyse, 48, 1993, s. 239–257, s. 240–242. 674 Filetico, Iocundissimae disputationes, iii, s. 298. – es gibt weitere ikonografische Berührungspunkte zwischen pieros diptychon und dem studiolo: Abgesehen von Euklid, dem ein Zeichenbrett beigege­ ben ist, halten sämtliche uomini famosi im studiolo Bücher – mit einer Ausnahme: Ptolemäus. er hält stattdessen eine Armillarsphäre, das schema seines weltbildes. da die Option der wandelbarkeit des Buches zum weltkreis, augustinisch geprägt, der leitgedanke von pieros diptychon ist, erklärt dieser sinnzusammenhang vielleicht die einzige Zwiesprache im studiolo zwischen einem Gelehrten des unteren und des oberen wandabschnitts: die zwischen Augustinus und Ptolemäus, beide auf der rech­ ten seite der nordwand. Augustinus blickt hoch zu Ptolemäus mit einem Grußgestus seiner rechten; die linke blättert in einem Buch. dass sie der wahrnehmung von Zeitgenossen nicht entgangen ist, dokumentiert die wirkungsgeschichte: Zwei Maler, die in unterschiedlicher weise mit der hofkunst Urbinos konfrontiert worden sind, Botticelli und carpaccio, stellten Augustinus im studiolo dar, wobei dessen Blick im Zustand der entrücktheit nach oben, auf eine Armillarsphäre, gerichtet ist. Über die gerne unterstellte Beteiligung Botticellis an der studiolo­Ausgestaltung André chastel, Art et humanisme à Florence au temps de Laurent le Magnifique, paris, 31982, s. 364ff.; weitere literaturhin­ weise zu diesem punkt cheles, 1986, s. 53, Anm. 2. im Botticelli­Fresko, Florenz, Ognisanti, von circa 1481 (s. Gill, 2005, s. 102f., Abb. 41) zeigt sich an details die nähe zum urbinatischen studiolo (u. a. schubladenmotiv – vgl. studiolo­westwand). – carpaccios Hl. Augustinus (Venedig, scuola di san Gior­ gio degli schiavoni) hat die Gesichtszüge Kardinal Bessarions, dessen darstellung sich unter Federicos uomini famosi befand. eine erklärung für die reflexe der Geißelung in carpaccios Hl. Augustinus ist laut Ginzburg, [1981] 1991, s. 164f. der Aufenthalt luca paciolis in Venedig 1470; s. richard stapleford, »intellect and intuition in Botticelli’s saint Augustine«, in: ArtBull, 67, 1994, s. 69–80, s. 73; hinter dem Kopf des protagonisten ist zu lesen: »dove sant agostino a d[eus] a sp[er]­ato e dovè andato a fuor dela porta al prato.« (Vgl. Augustinus, Confessiones, Viii, 8). dies ist um so erstaunlicher, als die im 15. Jahrhundert kursierende hagiografische schrift zur Vision Augustins nur von einer lichterscheinung anlässlich der lektüre eines hieronymus­Briefes spricht; vgl. pseudo­Augustinus, Epistula sancti Augustini ad Cyrillum Hierosolymitanum (PL, Bd. XXXiii, sp. 1123); dazu courcelle, 1965–1972, s. 104,

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7.2. Vom ›hohen Geister­‹ und ›Büchergespräch‹ zum Gespräch mit Bildnissen »[…] o immortales animos! Mortui quidem loquimini […].« decembrio, De politia litteraria, ii, 2, 16, 2

im Zusammenhang mit studioli hat die kunsthistorische Forschung den worten petrar­ cas über die praktische Gestaltung der vita solitaria geringe Beachtung geschenkt, sieht man von Gemeinplätzen einmal ab. Aber weit entfernt von Beliebigkeit machte petrarca präzise Angaben zur erwünschten hauptbeschäftigung der solitarii: das Gespräch mit Büchern« (»cum libris loqui«), das hieß indirekt mit den Autoren, für petrarca mehr als eine bloße redensart, wie enenkel in seinem suggestiven Buch zu belegen weiß.675 Bücher ersetzten in der einsamkeit den Mitmenschen, indem der leser das Gespräch mit ihnen ›eröffnete‹ und ›beendete‹ und Antworten auf deren Gedanken fand. sei es in erweiterung eines topos der otium­literatur,676 sei es in konsequenter weiterbildung eines etwa durch Augustinus’ Soliloquia vertretenen Genres, das ›Büchergespräch‹ – die conversatio librorum – etablierte sich bald, vorzugsweise unter rekurs auf Vorgaben senecas, Martials oder Ovids, zum rituellen Bestandteil der humanistischen vita contemplativa.677 in diesem Kontext gebührt den uomini famosi im urbinatischen studiolo Beachtung, weil ihr Gebaren die situation des sprechens, des Fragens und des Antwor­ tens evoziert – eine disputatio, deren Abhängigkeit von der Buchkunst dem herzog von Urbino vertraut gewesen sein muss, möglicherweise durch den Liber de herbis des Man­ fredo de Monte imperiali. diese illuminierte pergamenthandschrift des 14. Jahrhun­ derts befand sich einst im Besitz der Familie sforza (Abb. 92).678 das Auffallende an

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Anm. 2. der Brief wurde erstmals 1475 in Venedig publiziert. in der inschrift zu Benozzo Gozzolis darstellung hieß es: »QVeMAdMOdVM hierOniMVs pAVlO Ante BeAtVs AVGVstin­ VM de celesti GlOriA inFOrMAVit«; ebenda, s. 105, Abb. 64. siehe enenkel in petrarca, De vita solitaria, s. 287, 290, 385, 387–388, 495, 506–516. Zum nicht weiter konkretisierten sermo cum litteris cicero, Ad Atticum, 12, 14; plinius d. J., Epistularum, i, 9, 5. seneca, Epistulae, nr. 67, Bd. ii, s. 594/595: »cum libellis mihi plurimus sermo est«. ein Gespräch des dichters mit seinem Buch in Martial, Epigrammaton liber, i, 3; i, 70; i, 108; ii, 2. Als exilant, der den Gang seines Buches an seiner stelle nach rom wünscht, steuerte Ovid Maßgebliches zu diesem topos bei; Ovid, Tristia, i, 1, v. 1; 1, v. 15; 1, v. 49. in dieser tradition schrieb Beccadelli, Hermaphroditus, ii, s. 130, nr. 35 ein Gedicht »Ad libellum, ne discedat« (An das Büchlein, dass es nicht fortgehen möge); vgl. ebenda, s. 137., nr. 37. der Liber de herbis (Bn, Ms. lat. 6823, fol. 1v) konfrontiert je zwei Gelehrte verschiedener Zeitalter im dialog, oben Hippokrates (460–375 v. chr.) und Johannitius (9. Jahrhundert), darunter Hippokrates mit Galen, seinem Kommentator aus nachchristlicher Zeit; s. lynn thorndike und pearl Kibre, A Catalogue of Incipits of Mediaeval Scientific Writings in Latin (publication Medieval Accademy of America 29), cambridge Mass. und london, 1963, s. 295.

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92 Zwei Dialogpaare, aus: Manfredo de Monte imperiali, Liber de herbis, Ms. lat. 6823, fol. 1v, italien, Anfang 14. Jh., paris, Bibliothèque nationale de France, départe­ ment des Manuscrits, latin 6823, fol. 1v 93 pisanello, revers von: Medaille des Pier Candido Decembrio: ›Aufgeschlagenes Buch mit der Aufschrift »liBe/r sV/M«‹, ca. 1448, Mailand, castello sforzesco, Gabinetto numismatico

Federicos studiolo, die hervorkehrung des Kommunikativen unter den dargestellten his­ torischen Geistesgrößen verschiedener Zeitalter, erinnert an das ›hohe Geistergespräch‹ (»colloqui cum omnibus, qui fuerunt gloriosi viri«), nach petrarca eine sonderform der Konversation mit großen ingenien jenseits der schranken von raum und Zeit.679 Als 679 petrarca, De vita solitaria, i, 6, 6, s. 96: »semper te meminisse mortalem, sed cui sit immortalitas repromissa; mittere retro memoriam perque omnia secula et per omnes terras animo vagari; versari passim et colloqui cum omnibus, qui fuerunt gloriosi viri atque ita presentes malorum omnium opi­ fices oblivisci, nonnunquam et te ipsum et supra se elevatum animum inferre rebus ethereis; […]«; zum ›hohen Geistergespräch‹ enenkel in petrarca, De vita solitaria, s. 287, 290 unter Berufung auf Vorgaben von hieronymus, Adversus Jovinianum, i, 47 (PL, Bd. XXiii, sp. 290c) 385, 387–388, 482, 495, 506–516, 510 und s. 544 die Berufung auf seneca, De brevitate vitae, XiV, 1–2, der plaude­ reien mit sokrates, epikur und carneades erwog; zu petrarcas ›Geistergespräch‹ in Vaucluse petrarca, Epistole metrice, i, 6 und derselbe, Familiarum rerum libri, Xii, 8; 15, 3, 14; grundlegend zur Geltung des topos Karl O. Brogsitter, Das hohe Geistergespräch. Studien zur Geschichte der humanistischen Vorstellungen einer zeitlosen Gesellschaft der großen Geister, Bonn, 1958, s. 167ff.; und über die Bedeutung des lauten lesens für die Ausbildung des topos József Balogh, Voces Paginarum. Beiträge zur Geschich-

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Ausgangspunkt des ›hohen Geistergespräches‹ diente die gedankliche Gleichsetzung von Buch und Autor, ja mehr noch: das Buch stand für die faktische präsenz des Autors, dessen Aura als liber vivens auf der umfänglichen Bildung gründete. Bildhaften Aus­ druck fand diese Metapher in pisanellos Medaille des Pier Candido Decembrio. dem Obvers mit dem Bildnis des humanisten entspricht umseitig ein aufgeschlagenes Buch; es trägt die Aufschrift: »liBer sVM« (Abb. 93).680 in Urbino belebte mitunter Giovan­ ni campano diese Vorstellung in einem Gedicht auf sein Gesamtwerk. seine Bücher, so schrieb er, seien der »ganze campano«, der sich nun im Besitz Federicos befände: so große erkenntlichkeit wie dir, Federico, gebührt deinem herausragenden und hochherzigen Geschenk. so stellst du das [Geschenk] von mir auf: sehr angenehm lebt es, und alle Geistes­ kräfte wachen über dich. niemand soll meine schriften stören, niemand meine epigramme: den ganzen campano hegt der Fürst Federico.681 petrarca selbst hatte in seinem leben einiges getan, um seine Überzeugung vorzuleben. Für ihn glich ein nach dem Ort seiner persönlichen solitudo, Vaucluse, ausgeliehener te des lauten Lesens und Schreibens, leipzig, 1927 und Anthony Grafton, Commerce with the Classics. Ancient Books and Renaissance Readers, Ann Arbour, 1997; und Buck, 1987, s. 138ff.; der topos ist in einer Variante kontitutiv für die ›sprechenden Blätter‹ im Dialogo di Pietro Aretino, nel quale si parla del giuoco con moralità piacevole, 1543 in Venedig erschienen. 680 (Mailand, civiche raccolte Archeologiche e numismatiche, M.O.9.1403, comune n.27); M. w. ist die deutung als liber vivens noch nie vorgeschlagen worden. Für sie spricht, dass decembrio auf dem Obvers als »stVdiOrVM hVM/AnitAtis decVs« ausgewiesen wird. darin dürfte sich der Gehalt nicht erschöpfen; s. hill, 1930, s. 6, s. 11–12, nr. 237; Pisanello, 1996, s. 406, Kat.­nr. 282, s. 408, Abb. 282. Abweichend von älteren deutungen, die mit der Übersetzung »ich bin das Buch« den Bezug auf die Bibel zu erkennen meinten, hat pfisterer wegen des liber apertus eine Allusion auf das Jüngste Gericht von Offb 20, 12–15 gesehen; s. pfisterer, 1998, s. 205, Abb. 1a­b; so auch löhr, 2010, s. 254. 681 dieses Gedicht entstand anlässlich der Anschaffung seines Gesamtwerkes für die urbinatische Biblio­ thek; cecchini, 1995, s. 52, nr. 31: »Gratia tanta tibi quantam, Federice, meretur 1 eximium munus magnificumque tuum. de me sic statuas: pergratum vivere et omnes ingenii vires invigilare tibi. nemo interpellat mea scripta, epigrammata nemo: 5 campanum totum dux Federicus habet.« Ähnliche Vorstellungen in Ficino, Epistolarium, i (Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 659). die deutung von pythagoras als (wegen seiner weisheit) zum Buch gewordener Mensch beim unbekannten hochmit­ telalterlichen Verfasser der Apocalypsis Goliae; vgl. curtius, [1949] 101984, s. 320; die theologischen Facetten des topos (zum Beispiel christus als Buch) in wenzel, 1995, s. 351ff. in petrarca, Familiarum rerum libri, XXiV, 7 der Vergleich zwischen Quintilians Büchern mit den verstreuten Gliedern eines schönen Körpers.

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cicero­codex, dem Besuch des leibhaftigen cicero; und das vierundzwanzigste Buch der Familiarum rerum libri enthält vertrauliche episteln petrarcas an meist römische Klassiker, unter ihnen seneca, der vor seinem geistigen Auge erstand, als petrarca ihm versicherte, wie hilfreich es sei, »mit euch, ihr berühmten Männer, zu sprechen«, denen er täglich »beim reden« zuhöre.682 Mit einem Zitat, durch ciceros Grußformel an den längst verstorbenen Komödiendichter terenz, steht niemand anderes als ›Battista Sforza‹ – als sprecherin der Iocundissimae disputationes – in eben dieser tradition, als sie wieder­ holt: »›cicero grüßt seinen terenz‹«.683 Bildnisse umwob ihrerseits die Aura der sprach­ fähigkeit. nach der Naturalis historia fungierten Bibliotheken traditionell als Aufstel­ lungsort der Gold­ oder silberbildnisse von denjenigen, »deren unsterblicher Geist an diesen Orten spricht«.684 plinius dürfte die Bücher, nicht die Bildnisse, gemeint haben. plinius der Jüngere pflegte nach eigenem Bekunden in der einsamkeit seines laurenti­ ums das selbst­ und das ›Büchergespräch‹.685 petrarcas fast wörtlicher Vorgabe nach­ eifernd, beteuert poggio Bracciolini 1440 in De nobilitate bezüglich der Bücherstube eines landsitzes, dass Bildnisse der »höchst gelehrten Männer« (»doctissimos viros«) schon in der Antike zur nachahmung und zur seelenübung (»ad imitandum excitandumque animum«) dienten.686 petrarca war es denn auch, der die Bedingung für diese seelen­ übung preisgab. das urbinatische studiolo erfüllte diese dank der Auswahl, die Federico an uomini famosi traf, nämlich den ganz persönlichen Bezug zu bestimmten Büchern und Autoren.687 wenige Jahre bevor Bessarions porträt im urbinatischen studiolo seinen platz fand, 1468, hatte dieser in der schenkungsurkunde seiner Bibliothek an Venedig die fast menschlichen Züge der Bücher geoffenbart:

682 Zum ›Besuch‹ von cicero in Vaucluse, mit dem er zehn ruhige tage verbracht habe, petrarca, Familiarum rerum libri, Xii, 8, Bd. iii, s. 30: »decem ibi nempe tranquillos atque otiosos dies egimus«; vgl. XV, 3, 14; zu petrarcas Brief an seneca ebenda, XXiV, 5, Bd. iV, s. 231–237, s. 231: »iuvat vobiscum colloqui, viri illustres, […]. certe ego quotidie vos loquentes attentius quam credi possit audio; […].« 683 Filetico, Iocundissimae disputationes, i, s. 146: »›cicero terentiae suae s[alutem]‹«; vgl. cicero, Epistulae ad familiares, 14, 3, 1ff. 684 siehe plinius, NH, XXXV, 9, s. 16ff. (Üs: roderich König): »non est praetereundum et novicium inventum, siquidem non ex auro argentove, at certe ex aere in bibliothecis dicantur illis, quorum inmortales animae in locis iisdem locuntur; […].« 685 plinius d. J., Epistularum, i, 9, s. 27: »mecum tantum et cum libellis loquor.« 686 poggio Bracciolini, De nobilitate (Bracciolini, Opera omnia, Basel, 1538, Bd. i, s. 65). – Vgl. petrarca, De remediis, i, cap. 43 (»de librorum copia«), s. 80ff. über die erfindung von Büchern zur Zierde des Geistes: »[…] animis exornandis inventa est«. petrarca forderte im dialog über die Bücherfülle, dass ruhmesstreben nicht auf Bücherbesitz, sondern auf Bücherkenntnis abzielen solle, weshalb Bücher nicht der Bibliothek, als vielmehr dem Gedächtnis (»memoriae«) anzuvertrauen seien, dem Gehirn und nicht dem schrank (»calle alio niti oportet, ut ex libris gloriam quaeras non habendi, sed noscen­ di; neque bibliothecae, sed memoriae committendi cerebroque, non armario concludendi sunt […]«). 687 ebenda, s. 88ff.

7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von Pieros Diptychon

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»Aus Büchern vernehmen wir die stimmen der weisen, die Vorbilder der Antike […]. Bücher leben, sie debattieren und sie sprechen uns direkt an, sie lehren und unter­ weisen uns, sie bringen uns trost. sie präsentieren uns dinge, die weit von unserer Zeit entfernt sind, und stellen diese wie echt vor unsere Augen, als ob sie heute prä­ sent wären. […]. Ohne Bücher würden wir fast nichts über die Vergangenheit wissen und hätten beinahe keine Beispiele, denen wir folgen sollten […]. wenn nicht durch Bücher, würden dieselben Gräber, die den Menschenkörper aufnehmen, ebenso den bloßen namen zum Vergessen begraben.« 688 in welchem Maße Federico da Montefeltro diese Zeilen 1472 als Vermächtnis seines besten Freundes begriff, entzieht sich unserer Kenntnis. Unklar bleibt außerdem, ob Bessarion mit der angesprochenen Funktion der Bücher als trost und lebenshilfe bewusstermaßen seine alte diskussion mit dem byzantinischen Gelehrten Georg von trapezunt erneut anschneiden wollte; deren Bedeutung für den paragone nahm jedenfalls Benedetto Varchi zur Mitte des cinquecento in den Blick.689 Bei all dem wird Grundlegendes deutlich: Fern von einem rein musealen Verständnis dienten die uomini famosi dem urbinatischen herzog aller wahrscheinlichkeit nach als ›dialogbereite‹ Gegenüber. Zeitenthoben, wie ein ideelles Gremium, standen sie dem solitarius in ähnlicher weise zur Verfügung, wie es bildhaft ein Vergleichsfall vorführt, der titelholzschnitt von savonarolas Buch De veritate prophetica dialogus: sieben Gestalten des Alten testamentes agieren als disputanten von savonarola (Abb. 94), kaum zufällig in die »solitudo« verpflanzt, in einen stadtfernen locus amoenus. Anders gesagt: es müssten sehr viele Zufälle im spiel sein, wenn das urbinatische studiolo der Konzeption nach nicht als geeigneter Ort des ›hohen Geistergespräches‹ intendiert war, getreulich petrarcas Anweisung zur vita solitaria folgend.690

688 der passus aus dem Brief an den dogen Moro zitiert nach lotte labowsky, Bessarion’s Library and the Biblioteca Marciana, rom, 1979, s. 147–156, s. 147: »quippe pleni sunt libri sapientium vocibus, pleni antiquitatis exemplis […]; vivunt, conversantur, loquunturque nobiscum, docent nos, instruunt, con­ solantur, resque a memoria nostra remotissimas quasi praesentes nobis exhibent et ante oculos ponunt. […] nisi libri forent […] nullam fere praeteritarum rerum memoriam, nullum exemplum […] eadem urna quae hominum corpora contegit etiam nomina obrueret.« Zur schenkung im Mai 1468 Bessarione e l’Umanesimo, 1994, s. 220f. 689 der disput drehte sich die Frage, ob Kunst eine hilfe sei oder befreie; dazu Varchi, Lezzione, i (Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 31): »Fu nel tempo de’padri o avoli nostri grandissima disputa fra due greci di grandissimo nome (benché, a giudizio mio, tanto e più doveva cedere il trapezunzio al Bessa­ rione nelle lettere, quanto gli era inferiore di dignità): se l’arte consulava e deliberava; e ne scrissero l’uno e l’altro – come si può vedere da chiunche vuole – lungamente.« nach Barocchi (ebenda, s. 359f., Anm. 1) prallten die positionen des platonikers Bessarion und die gegnerische position trapezunts aufeinander; vgl. Bessarion, De natura et arte adversus eundem Trapezuntium [1469]. 690 Girolamo savonarola, De veritate prophetica dyalogus [ital.], Florenz: Antonio tubini, lorenzo d’Alopa und Andrea Ghirlandi, 1499.

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94 Savonarola im Gespräch mit sieben Weisen, titelholzschnitt von Girolamo savonarola, De veritate prophetica dyalogus [ital.], Florenz: Antonio tubini, lorenzo d’Alopa und Andrea Ghirlandi, 1499

7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von Pieros Diptychon

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eine indizienkette lässt uns glauben, dass pieros Montefeltro-Diptychon – als petrar­ ca­rezeption, als gemaltes Buch und als erlesenes Objekt zur nahbetrachtung – einst einen platz in dieser welt der Büchergespräche eines solitarius eingenommen hat, ver­ mutlich einen sehr zentralen platz. Zunächst ist Folgendes festzustellen: eingedenk der porträtzüge und der latenten schilderung der Familiengeschichte der Montefeltro bleibt pieros diptychon tief in der Gattung des Ahnenbildnisses verwurzelt, eben in jenem Gemäldetypus, dessen Aufbewahrungsort, einem frühen Brauch gemäß, studioli waren, wie schon am ersten weltlichen Beispiel zu ersehen, an der »estude« des französischen Königs charles V. (1364–1380).691 es muss erstaunlich anmuten, dass pieros diptychon das für spätere studioli Maßstäbe setzende inventar dieser estude (Familienchroniken, mappamondi, spiegel und hinweise auf den Zeitverstreich) ikonografisch schlüssig absorbiert, womit es zugleich ein pendant en miniature zur wanddekoration des urbinatischen studiolo bildet.692 ein denkbarer wink für die nutzung von pieros diptychon zum ›Bücher­ gespräch‹ ist, neben dem Gedicht von Ferabos, der wortlaut »clArVs insiGni […]«. Zwei worte liegen in ihnen, die petrarcas Begründung entstammen, weshalb sein Buch­ Adressat (philippe de cabassoles) zur solitären lebensführung geeignet sei: »Kenne die berühmten und ausgezeichneten Männer« (»viros claros et insignes, qui fuerunt, nosti […]«), heißt es in der direktive für das ›hohe Geistergespräch‹, die gelebt haben oder leben; zu denjenigen unter ihnen, die nicht anders erreichbar seien, bedürfe es einer hin­ wendung im Geistigen (»animo versare«).693 der spätestens seit Albertis De pictura modifi­ ziert durch die italienische Kunsttheorie geisternde Büchergespräch­topos, d. h. die Vor­ stellung vom gemalten porträt als Medium der Kommunikation mit längst Verstorbenen,694 schwang zweifellos in pieros Porträt von Battista Sforza mit, zumal es dem hinterbliebe­ 691 der Aufbewahrungsort des Bildnis­Quadriptychons mit König charles V., charles iV., König Johann ii. und König edward v. england war die estude des schlosses saint­pol zu paris; vgl. lieben­ wein, 1977, s. 37ff. 692 ebenda. eine mappamondo (als halbkugel) und ein spiegel mit einem narziss befand sich in der estude von charles V., im scrittorio cosimo de’ Medicis eine mappamondo und im scrittorio lorenzo de’ Medicis vier mappemonde, ein silberspiegel und sieben Uhren. 693 siehe enenkels Kommentar zu petrarca, De vita solitaria, ii, 14, s. 558; 19, s. 508. wie erwähnt, spricht in Ferabos Gedicht das von piero gemalte porträt: »Vivo igitur. loquor et scio per me posse moveri:«. 694 der topos ist angelegt in plinius d. J., Epistularium, ii, 2, 10–12, s. 68/69 über den tod seines Freun­ des Verginius, den er im noch »frischem Bild« vor Augen sehe, mit ihm spreche und ihn in Armen halte; über die trostwirkung von Bildnissen Verstorbener ebenda, ii, 7, 6–7; in einem paragone zwi­ schen Malerei und dichtung, der einer späteren herzogin von Urbino (livia Feltria della rovere) gewidmet ist, siegt das gemalte porträt als optimale erinnerung an Verstorbene; s. Moderata Fonte, Il merito delle donne, s. 246: »[…] per la qual si conserva l’imagine viva alla memoria dei posteri doppo la morte delle persone.« eine Quelle für den Vorrang von Büchern als bester trost ist Alberti, De re aedificatoria, Vii, cap. 16, s. 653–655, wo die zentrale Grabzierde von simandis beschrieben wird: ein stapel Bücher (»in medio est librorum cumulus), begleitet von der inschrift: »›Animi haec vera medi­ camenta sunt‹« (›dies sind die wahren heilmittel der seele‹).

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VI. Pieros Montefeltro-Diptychon

nen zugedacht war. wie eng verschränkt die topoi von conversatio librorum und conversatio picturarum im Quattrocento waren, kommt deutlich im wetteifer um die bessere Affektwirkung eines Buches oder eines Gemäldes zum Ausdruck. Man beachte die Gegenüberstellung der Versuchung, die leonardo zufolge von gemalten Frauenporträts ausgeht, im Vergleich mit den Grußworten, die Battista Guarino an ein empfangenes griechisches psalmenbuch richtet. Guarino spricht nicht minder von liebkosungen, die das Objekt provoziert: »ich grüße das Bild dieses Kodex […]. ich heiße es willkommen und lobe es mit tausend Umarmungen und Küssen […].« 695 in der exklamation eines Bibliophilen in decembrios De politia litteraria wird die stilisierung der Bücher zu beseelten wesen vernehmbar: »Unsterbliche seelen, die ihr, obzwar tot, sprecht‹, ›Gefähr­ ten, mit denen der leser auch schweigend sprechen kann‹«! 696 in Anbetracht der tatsache, dass pieros typisierte liebesgeschichte des urbinatischen herzogspaares auf einem diptychon ihren platz fand, lässt es aufhorchen, dass petrarca seine passion für laura auf einem Buch niederschrieb: auf dem deckblatt seines Vergil­exemplars – für petrarca erklärtermaßen ein Zeugnis seines Vertrauensverhältnisses zu diesem dichter.697 Viel­ leicht bekundete der urbinatische Fürst gegenüber petrarca vergleichbare hoffnungen. das stärkste Argument, das zumindest die Zweifel an der Bestimmung des Montefeltro­Diptychons zum Meditationsobjekt ausräumt (›Meditation‹ mit landino verstanden als »quaedam exercitatio«),698 ist pieros Bildkonzept, das vorsah, dass nur mittels einer kontemplativen Versenkung in die Trionfi die schau des Triumphus Eternitatis (mit dem ›Buch der natur‹) ermöglich werde. ikonografisch wie formal wird man diese, dem Meditierenden anheimgegebene Möglichkeit zur ›Gottesschau‹, zumal mit Klapptafeln, als nahezu buchstäbliche Orientierung an Augustinus verstehen können. dieser begriff, abgeleitet von einer paulinischen Formel, die Gottesschau als genau jenen Augenblick, an dem sein innen und Außen (»interiora et exteriora«) in Gott sein werden, nachdem »der tod verschlungen sei im sieg« (»cum absorpta fueris mors in victoriam«).699 pieros diptychon hat nicht nur etwas von der intimität eines Kabinettstücks – als gemaltes Buch war es zudem prädestiniert für die Zwiesprache mit der Verstorbenen, 695 im Brief von 1446 Guarino, Epistolario, Bd. ii, nr. 797, s. 467: »huius igitur codicis imaginem tan­ quam litterarum nostrarum parentem saluto contemplor et mille per amplexus et oscula benedico et laudo, quia secretiori quodam modo et quasi remotis arbitris, graeca interprete lingua eum deo loqui liceat.« Vom Küssen und Anreden des Gemäldes spricht leonardo, Libro di pittura, i, 25, s. 149: »[…] la propria effigie della cosa amata, il quale spesso fa con quella, baciandola e parlando con quella […].« 696 decembrio, De politia litteraria, ii, 16, 2, s. 194: »[…] o immortales animos! Mortui quidem loqui­ mini, tacetisque, cum volumus, praeclara, egregia, admiranda dicitis.« 697 Zum Vergil­codex (BA, Ms. s.p.10/27); zum wortlaut auf dem deckblatt Florian neumann, Francesco Petrarca, hamburg, 1998, s. 46f. mit Abb.; vgl. petrarca, Familiarum rerum libri, XXii, 10, 5. 698 laut landino, Disputationes Camaldulenses, i, s. 20 folgen der Meditation die Kontemplation und, unter rekurs auf Augustinus, die spekulation. 699 Augustinus, Confessiones, X, 30, 42, s. 554 (Üs: ernst l. Grasmück); vgl. i Kor 15, 54.

7. Überlegungen zur Zweckbestimmung von Pieros Diptychon

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indem es sämtliche erfordernisse zur herbeiführung des spirituellen höhepunktes der vita contemplativa erfüllt: Gewissen solitarii, schrieb petrarca, gelinge die Versetzung in einen ekstatischen seinszustand (»excessus mentis«) mit der größtmöglichen nähe zu Gott (»unio mystica«) und zum ewigen leben. der ergriffene werde den regeln irdischer sinneswahrnehmung enthoben, bis zur hör­ und sichtbarkeit von Überirdischem. der himmel öffne sich kurzweilig mit all seinen entitäten.700 eine temporäre entrückung führen die diptychon­innenseiten, wie wir uns erinnern, bildhaft vor Augen. dies könnte ein Vorschein dessen sein, was mit hilfe des diptychons als stimulans erfolgen sollte: der excessus mentis des Bildbetrachters Federico da Montefeltro, seine schau von Battista sforza. die schluss­sequenz von castigliones Libro del Cortegiano (cap. 67–72) bietet eine erwähnenswerte parallelerscheinung, mit der Beschwörung der Kraft der lie­ be, der elevatio in den innersten Gemächern Gottes (»ascendiamo alla sublime stanzia ove abita la celeste«), unterlegt mit Anklängen an das studiolo­Motto zum tugendpfad: »richten wir also alle Gedanken und Kräfte unserer seele auf dieses heiligste licht, damit es uns den weg zeige, der zum himmel führt«.701 Bedenkt man die zentrale rolle des Ausblickes auf die natur (nach dem auch für petrarca gültigen augustinischen Vorstellungsgut), dann wirkt es fast absichtsvoll, dass der vom studiolo aus ermöglichte Austritt auf die loggia der westseite des Palazzo Ducale eine specula aufweist. Man fühlt sich an die stationenfolge des auch in den Disputationes Camaldolenses hinlänglich erläuterten prozederes zur selbst­ und zur Gotteserkennt­ nis erinnert, zu deren Verlauf es gehört, durch den dienst der äußeren welt die Konversion in die (allein bewundernswerte) innere welt der seele zu erreichen, den sitz der Memo­ ria.702 Gehen wir zu weit, wenn wir unterstellen, dass dem urbinatischen herzog, darin ein zweiter petrarca, die landschaft aus erhabener warte aus als Anstoß zur einkehr und zum folgenden rückzug in die ›innenwelt‹ des studiolo diente? die Forschung wird den wissenschaftlichen wert oder Unwert dieser Überlegungen zur exakten Zweck­ bestimmung von pieros diptychon abzuschätzen haben. Unzweifelhaft aber hatte der bildhafte paragone zwischen Buch und Malerei mit pieros Montefeltro-Diptychon seinen Kulminationspunkt erreicht.

700 Zur ekstatischen schau des himmels und zur elevatio petrarca, De vita solitaria, i, 5, 17, s. 477–479. 701 castiglione, Cortegiano, iV, cap. 69, s. 430 (Üs: willlemsen): »indirizziamo adunque tutti i pensieri e le forze dell’anima nostra a questo santissimo lume, che ci mostra la via che al ciel conduce; […].« 702 Zum erhabenen Blick auf länder und Meere als Auftakt zur schau des himmels landino, Disputationes Camaldulenses, i, s. 10: »[…] cuius ex […] excelsa quadam specula non solum terras mariaque despiciant, verum multo ardentius caelos ipsos suspiciant […].«

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Appendix iV/B, nr. 10

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Vii. leonardos Porträt der Ginevra de’Benci

1. Zugänge zu einer beidseitig bemalten einzeltafel »[…] e suggerire perfino che non si vede.« plinius/landino, Historia naturale, XXXV, 67

im letzten Quattrocento­drittel, in der età laurenziana, kam es in Florenz zur sublimen Zuspitzung der zweiseitig bemalten Bildnistafeln mit einem der ersten Gemälde von leonardo da Vinci, dem Bildnis der Ginevra de’ Benci (Abb. 95a–b): einer anmutig jun­ gen Frau in freier natur. ihr verhangen­melancholischer Blick, fraglos bildbeherrschend, taucht selbst den mächtigen wacholderstrauch, der sie im Bunde mit ihren löckchen hinterfängt, in ein leises Moll, wie auch den gesamten, an niederländischen prototypen der Bildnismalerei geschulten kühlen landschaftsprospekt. Kapriziös, wie die schöne ist, hält sie den Betrachter mit einem Blick, der geradewegs aus dem Bild heraus – und doch ins leere gleitet, auf distanz. es handelt sich kurz gesagt um ein recht eigenwil­ liges, ein stimmungsvolles werk, mit dem der flügge gewordene Verrocchio­schüler sei­ nen ruf als nicht eben alltäglicher Bildnismaler begründet haben dürfte.703 die auf der

703 (washington, national Gallery of Art, Ailsa Mellon Bruce Fund, inv.­nr. 2326); die national Gal­ lery hat das früher in der sammlung liechtenstein befindliche porträt 1967 ersteigern können. her­ vorzuheben unter den einzelstudien zur Ginevra – eine rigide literaturauswahl ist zwingend – wil­ heim Bode, »leonardos Bildnis der Ginevra dei Benci«, in: Zeitschrift für bildende Kunst, 14, nr. 11, 1903, s. 274–276; emil Möller, »leonardos Bildnis der Ginevra dei Benci«, in: Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst, n. F., 12, 1937/1938, s. 185–209; John walker, »Ginevra de’ Benci by leonardo da Vinci«, in: Report and Studies in the History of Art 1967, national Gallery of Art, washington, 1968, s. 1–38, Jennifer Fletcher, »Bernardo Bembo and leonardo’s portrait of Ginevra de’ Benci«, BurlMag, 131, 1989, s. 811–816, mit biografischer Gewichtung Mary d. Garrard, »who was Ginevra de’Benci? leonardo’s portrait and its sitter recontextualized«, in: Artibus et historiae, 27, 2006, 53, s. 23–56 und lina Bolzoni, »Ginevra de’Benci. Un portrait entre les mots et l’image, entre léonard de Vinci et Bembo«, in: Comptes rendus des séances. Académie des Inscriptions & Belles-lettres, paris, 2011, 1, s. 649–650; und dieselbe, 2010, s. 241ff. wichtig zur Frühphase leonardos in Florenz david A. Brown, Leonardo da Vinci. Origins of a Genius, new haven und london, s. 100–212; zur ikono­

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

95a leonardo, Bildnis der Ginevra de’ Benci, ca. 1478–1480, washington, national Gallery of Art

95b leonardo, rückseite von: Bildnis der Ginevra de’ Benci, ca. 1478–1480, washington, national Gallery of Art

Bildnis­rückseite (Abb. 95b) mit dem Umdrehen der kleinen tafel sichtbar werdenden Übergriffe auf andere Kunstgattungen, auf die Marmor­ und die wortkunst, stehen vielleicht am Beginn der Vertiefung leonardos in die paragone­Frage. erst am Mailän­ der hof, schrieb er seine positionen nieder.704 ein Anachronismus? sicher dürfte sein, dass leonardo mit der Bilderweiterung um die rückseite die Möglichkeiten seines Mediums willentlich erprobte, wie immer die Auflagen seines Auftraggebers im einzel­ nen gewesen sein mögen. Gleichwohl stellte sich leonardo in traditionen, betrieb in noch zu prüfender weise eine weiterentwicklung von gestalterischen eigenarten, mit denen Maler der Frühen neuzeit einzeltafeln beidseitig zu bemalen pflegten. Ausgehend

grafischen Kontextualisierung Virtue and Beauty. Leonardo’s ›Ginevra de’Benci‹ and Renaissance Portraits of Women, Ausstellungskatalog (washington, national Gallery of Art, 30.09.2001–06.01.2002), hrsg. v. david Alan Brown, princeton n. J., 2001, s. 142ff. und wendy stedman sheard, »Bernardo e pietro Bembo, pietro, tullio e Antonio lombardo: metamorfosi delle tematiche cortigiane nelle ten­ denze classicistiche della scultura veneziana«, in: Tiziano, 1995, s. 118–132, s. 123ff.; Frank Zöllner, Leonardo da Vinci 1452–1519. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen, Köln, 2003, s. 37–38; Kemp, 2006, s. 26ff.; zuletzt caroline elam, »Bernardo Bembo und leonardo’s Ginevra de’ Benci. A Further sug­ gestion«, in: Pietro Bembo e le arti, hrsg. v. Guido Beltramini et alt., Venedig, 2013, s. 407–420. 704 Bekanntlich stammen leonardos erste notizen zum paragone – im ›Ms A‹ – von 1492; spätere ein­ träge – im verlorenen ›libro A‹ – gehören in die Zeit um 1508–1510; gegen 1513 begegnet die dis­ kussion im CA, fols. 277v–a; details zur datierung in Farago, 1992, s. 15.

1. Zugänge zu einer beiseitig bemalten Einzeltafel

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von diesem knapp skizzierten Befund soll im Folgenden, mit dem Fokus gattungsorien­ tierter Kriterien, die Ausprägung und die intendierte wirkweise von leonardos Ginevra de’Benci untersucht werden. Als wilhelm Bode, beflügelt durch einen wink Aby warburgs, im hinterfangenden wacholder (ital. »ginepro«) wie auch im zentralen grünen wacholderreis auf der Bildnis­ rückseite die namensallusion auf eine ›Ginevra‹ erkannt hatte,705 war es ihm ein leichtes, in ihr das Bildnis jener Florentinerin edler Abkunft aus der entourage des Magnifico zu sehen, dem Vasari und einige seiner lokalen Adepten im cinquecento lob gespendet hatten. so heißt es lapidar in den Vite: »er porträtierte Ginevra, die tochter von Ame­ rigo de’ Benci, ein sehr schönes werk und gab schließlich die Arbeit bei den Ordensbrü­ dern auf«. Gemeint war die 1481 von den Mönchen des Augustinerklosters von san donato a scopeto in Auftrag gegebene, tatsächlich nachweislich unvollendet gebliebene tafel der Anbetung der Könige.706 Über den Verbleib des porträts weiß Vasari nichts zu berichten. Keinesfalls trifft es zu, dass die Forschung denkbare reflexe auf den paragone­Gedan­ ken in leonardos Ginevra nicht erwogen hätte. im Gegenteil, 1992 verstieg sich shear­ man zur Bemerkung: was den paragone betreffe, so sei leonardo beim porträtieren der Ginevra noch »[…] largely innocent of such concerns […]« gewesen.707 Aber selbst dort, wo en passant ein echo auf die Gattungsdiskussion erwogen wurde, fehlt es wegen anders gelagerter schwerpunktsetzungen an hinreichenden Analysen. ist es so, dass sich mit der Ginevra­tafel, deren rückseite einen porphyrgrund vorgibt, ästhetisch eine Art Gegen­ modell zur Marmorbildnerei empfiehlt oder, wegen der worte, die auf ihr zu lesen sind, zur dichtkunst? Ohne Frage, darin ist cropper recht zu geben, der porzellanhaft­blei­ che teint der Ginevra, das Gold ihrer haare, sie belebten einmal mehr das zeittypische petrarkische schönheitsideal, das den Gebildeten der Zeit unterschwellig anhielt, dieses

705 siehe Bode, 1903, s. 274–276, auf s. 276 die Berufung auf warburg. 706 »ritrasse la Ginevra d’Amerigo Benci, cosa bellissima: ed abbandonò il lavoro a’frati, il quali lo ritorn­ arono a Filippino, il quale, sopravvenuto egli ancora dalla morte, non lo potè finire«; Vasari, Le vite, Bd. iV, s. 39. Zur Anbetung der Könige (Florenz, Uffizien, inv.­nr. 1594), s. Arasse, [1997] 2002, s. 350ff., Abb. 246. wie gut Ginevra in leonardos porträt getroffen sei, von einer wirklichkeitsnähe und außerordentlichen perfektion, die kein porträt mehr, als vielmehr leibhaftig Ginevra selbst zu sein schien, darüber legen um 1518 Antonio Billi und etwa zwanzig Jahre später der Anonimo Gad­ diano Zeugnis ab, ohne die rückseitenbemalung auch nur eines wortes zu würdigen; s. Billi, Libro, s. 102: »ritrasse la Ginevra di Amerigo Benci tanto bene finita che ella propria non era altrimenti.« nicht anders Anonimo Magliabechiano, s. 121: »ritrasse in Firenze dal naturale la Ginevra d’Amerigho Benci, la quale tanto bene finì, che non il ritratto ma la propria Ginevra pareva.« 707 Vgl. John shearman, ›Only Connect…‹ Art and the Spectator in the Italian Renaissance, princeton n. J., 1992, s. 118. – rona Goffen erwähnt leonardos Ginevra in ihrem Buch Renaissance Rivals wieder­ holt, jedoch nie im Zusammenhang mit dem paragone; Goffen, 2002, s. 52, s. 22, 34, 48, 57, 87.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

in einer electio verborum wiederum mit Formeln des Canzoniere zu perspektivieren.708 Aber waren bei diesem Kniff mehr als nur die besonderen zeittypischen, in der höfischen sphäre virulenten Geschmacksvorlieben im spiel? Als wertvoll erweist sich zudem eine Beobachtung anderer natur, die Martin Kemp äußerte, dass leonardo in seiner Ginevra­ tafel vorweg dem transparenten in der landschaftsfolie Geltung verschafft hat – den ästhetischen Qualitäten, von denen leonardo später schrieb, sie würden dem mit festen werkstoffen hantierenden Bildhauer schmählich versagt bleiben.709 An ikonografischen Anhaltspunkten für kühne Vorstöße größeren stils fehlt es beileibe nicht, seitdem Flet­ cher 1989 die vegetabilische heraldik auf der Bildnisrückseite, die unten lädiert und leider beschnitten ist (Abb. 95b), als Variante der devise ausgerechnet jenes venezianischen patriziers und zeitweiligen Botschafters in Florenz, Bernardo Bembo, identifizierte,710 über dessen platonische liebe zu Ginevra de’ Benci sich ein ganzes Konvolut an Gedich­ ten erhalten hat. dieser schatz wurde editorisch zwar partiell so früh wie 1900 gehoben, und er kam 1968 durch walker erneut teilweise zum Abdruck,711 aber er ist nie tiefer­ gehend, auf der Basis des heutigen wissensstandes, an leonardos porträt herangetragen worden. wie wir seit der restaurierung von 1991 wissen, verdankt sich das porträt hauptsächlich einer Ausführung in Ölmalerei.712 die devise Bernardo Bembos, der primär als späterer schirmherr der restauration des dante­Grabes in ravenna und als Vater des einflussreichsten dichters des cinquecento, pietro Bembo, in die Geschichte einging,713 prangt nach Art eines Ex libris auf manch einem seiner codices. sie bestand für gewöhnlich

708 elizabeth cropper, »the Beauty of woman. problems in the rhetoric of renaissance portraiture«, in: Rewriting the Renaissance. The Discourses of Sexual Difference in Early Modern Europe, hrsg. v. Marga­ ret w. Ferguson et alt., chicago und london, 1986, s. 188–190; vgl. zum laus corporis petrarkischer Observanz dieselbe, »On Beautiful women. parmigianino, petrarchismo, and the Vernacular style«, in: ArtBull, 58, 1976, s. 374–394. 709 Vgl. Martin Kemp, Leonardo da Vinci. The Marvellous Works of Nature and Man, cambridge Mass., 1981, s. 49; 2006, s. 28: »[…] here some of the arguments appear to be preciously rehearsed and left unresolved within a single painting«; sekundiert von Brown, 1998, s. 110. Über die dem Bildhauer nicht mögliche darstellung von prospekten, transparentem, leuchtenden, spiegeleffekten s. leonar­ do, Libro di pittura, i, 38; vgl. Bolzoni, 2010, s. 254ff. 710 Fletcher, 1989, s. 811–816; die identifizierung der devise gelang auf der Grundlage der großartigen Monografie von nella Giannetto, Bernardo Bembo. Umanista e politico veneziano (civilità Veneziana. saggi 34), Florenz, 1985. 711 Arnaldo della torre, »la prima ambasceria di Bernardo Bembo a Firenze«, in: GSLI, 35, 1900, s. 320–322. 712 eric Gibson, »leonardo’s Ginevra de’Benci. the restoration of a renaissance Masterpiece«, in: Apollo, 133, 1991, s. 161–165. 713 Zu Bembos walten in ravenna im Anschluss an seinen Florenz­Aufenthalt Giannetto, 1985, s. 152ff. und s. 141 zu pietro Bembo, der zum Zeitpunkt von Bembos Ankunft in Florenz fünf Jahre alt war; dazu auch Pietro Bembo e l’ invenzione del Rinascimento, Ausstellungskatalog (padua, palazzo del Monte di pietà, 02.02.–19.05.2013), hrsg. v. Guido Beltramini et alt., Venedig, 2013.

1. Zugänge zu einer beiseitig bemalten Einzeltafel

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aus einem ovalen, oben und unten mit schleifen ver­ knoteten Geflecht aus einem lorbeer­ und einem palmzweig (Abb. 96); in dessen Mitte fand vorzugs­ weise sein wahlspruch platz: »VirtVs et hOnOr« (tugend und ehre).714 wenn diese devise das Vor­ bild für den rückseiten­dekor von leonardos por­ trät stiftete, dann war Bembo mit hoher wahrschein­ lichkeit dessen Auftraggeber. dies gilt umso mehr, als infarotaufnahmen Pentimenti zutage brachten, die erkennen ließen, dass ursprünglich Bembos kon­ ventionelles Motto (»VirtVs et hOnOr«) die rückseite zieren sollte, bis es, aus Gründen, die wir nicht kennen, in jeden Fall aber sinnfällig, eine Abwandlung in das heute sichtbare Frauenlob für Ginevra erlebte: der wahlspruch ist lesbar auf einem gewundenen, alle drei Zweige sanft umspielenden schriftband, das mit Ausnahme des wacholders wie 96 Die Devise von Bernardo Bembo [»VirtVs et hOnOr«], 15. Jahrhundert, die vegetabilische Zierde in Grisaille gehalten ist, aus: paulo Marsi, Bembicae Peregrinae, oder, um mit Bartolomeo Facios worten für diese windsor castle, Ms. eton college 156, fol. 3v technik zu sprechen: es ist, wie es scheint, nicht gemalt, sondern in »Marmor gefertigt« worden: »VirtVteM FOrMA decOrAt« (die schönheit ziert die tugend).715 Aufschluss­ reich für die ikonografie dürfte gerade diese tatsache der Vermengung von Bembos heraldischen insignien mit denjenigen chiffren sein, die für Ginevra stehen, wie die Zutat des wacholderreises. Man könnte verleitet sein, Folgendes zu unterstellen: der doppelseitigen tafel ist, heraldisch verrätselt, ein Verhältnis zwischen ihr und Bembo eingeschrieben; es könnte von ähnlichen amourösen sinnbezügen durchwaltet sein wie die besagten Gedichte. diese schlagen alle Akkorde einer platonischen liebe an. einzig diejenigen unter ihnen, die gesichert auf das liebespaar Benci­Bembo Bezug nehmen, präsentieren wir (erstmals in deutscher Übersetzung) wegen genau dieser tragweite im Appendix zur erleichterung von rückverweisen.716 sie stammen aus der Feder von dich­ 714 Vgl. Fletcher, 1989, s. 110; die devise aus der handschrift von paolo Marsi, Bembicae Peregrinae (Ms. eton college 156, fol. 3v); zuerst publiziert in Giannetto, 1985, Abb. 8. 715 (Über eine Grisaille­darstellung von Gentile da Fabriano) Facio, De viris illustribus, s. 165: »[…] ita expressi, ut non picti, sed e marmore ficti esse videantur.« – Zu den infrarotaufnahmen Brown, 1998, s. 119, Abb. 109. An Bembos Auftraggeberschaft zweifelt Garrard, 2006, 53, s. 23–56, s. 26; sie hält das werk für ein Freundschaftsbild für eine dritte person. 716 siehe App. i/e. Bis heute werden – wenig überzeugend – zwei schwermütige, in Volgare gehaltenen ele­ gien des lorenzo de’ Medici über eine Ginevra im Kontext von leonardos porträt zitiert. Offensicht­ lich blieben die überzeugenden Argumente toscanis [1992] von der Kunstgeschichte ungehört, dass

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

97 lorenzo di credi, Porträt einer jungen Frau, ca. 1500, new York, Metropolitan Museum of Art

98 Andrea del Verrocchio, Dame mit Blumen, ca. 1475, Florenz, Museo del Bargello

tern, die sich im Umfeld des Magnifico und von Marsilio Ficino bewegten: Alessandro Braccesi, cristoforo landino und naldo naldi. ikonologische Gesichtspunkte helfen zur Fundierung der these, dass mit der Art der beidseitigen Bildbemalung ein liebes­ sie einer anderen gleichnamigen Frau gelten; es handelt sich – so toscani – um eine der beiden ande­ ren jüngeren Frauen, die im Kataster von 1480 unter dem namen Ginevra de’ Benci rubriziert sind; vgl. Bernard toscani, »lorenzo, the religious poet«, in: Lorenzo de’ Medici. New Perspectives (pro­ ceedings of the international conference held at Brooklyn college and Graduate center of the city University of new York, 30.04.–02.05.1992), hrsg. v. Bernard toscani, new York und Berlin, 1993, s. 85–105. Zudem berühren diese Gedichte weder die liebesthematik noch Bernardo Bembo: Sequi, anima devota, quel fervore und Fuggendo Lot con la sua famiglia; s. lorenzo de’ Medici, Tutte le opere, Bd. ii, s. 1099–1101 und s. 1097; zuerst auf Ginevra d’Amerigo de’Benci bezogen von Möller, 1937/1938, s. 200ff.; vgl. walker, 1968, s. 38. – Auch ist die wahre identität des Mädchens »la Benci­ na«, um das eine Anekdote von polizianos Detti piacevoli rankt, strittiger denn je; s. Detti piacevoli, s. 167, nr. 319. »la Bencina« wohnt demnach dem spiel von lorenzos sohn piero de’ Medici bei; walker, 1968, s. 5 hielt sie für Ginevra de’ Benci; Zweifel meldete Martelli an; Mario Martelli, Angelo Poliziano. Storia e metastoria (Attraverso la storia 2), lecce, 1995, s. 86–87; vgl. Giannetto, 1985, s. 137.

1. Zugänge zu einer beiseitig bemalten Einzeltafel

verhältnis visualisiert ist. denn des öfteren weisen ehepaar­diptychen auf den rück­ seiten vertauschte Allianz­wappen auf, die ähnlich wie das ritual des ehering­Austau­ sches das matrimoniale Bündnis besiegeln.717 leonardo assimilierte dieses prinzip mit einer heraldischen symbiose auf der rück­ seite des Ginevra­porträts für eine einzel­ tafel. Bembos konventionelle devise erlaubt nicht allein, eine rekonstruktion des unte­ ren dekor­teiles der Bildnisrückseite vor­ zunehmen, da dieser auf ebenmaß angelegt ist, ermessen können wir Folgendes: wir haben uns das umseitige, unter der Bild­ beschneidung ebenfalls verkleinerte Frauen­ porträt wohl als ursprüngliches halbfigu­ renbildnis vorzustellen, wobei Ginevra, wie längst erkannt, vermutlich jene Geste des ›sich­selbst­Umarmens‹ an den tag legte, wie sie aus nicht weniger als drei Kunstwer­ ken zu erschließen ist, namentlich der lorenzo di credi zugeschriebenen porträt­ Variante der Ginevra (Abb. 97),718 aus Ver­ rocchios Dama col mazzolino (Abb. 98)719

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99 leonardo, Studien für Frauenhände, ca. 1475–1476, windsor castle, royal library

717 im Falle der besagten ehepaar­diptychen bleiben die einzelwappen jedoch – mit neuer personaler Zuordung – bestehen; s. dülberg, 1990, passim. 718 (new York, Metropolitan Museum of Art, inv.­nr. 43.86.5); bereits herangezogen von Bode, 1903, s. 275. Bei aller Ähnlichkeit zeigt credi die porträtierte in seitenverkehrter pose; der ring in ihrer rechten hand ist eine spätere ergänzung. eine fragmentarisch erhaltene inschrift auf der Bildnis­ rückseite bezeichnet die dargestellte als ›Ginevra de’ Amerigo Benci‹; s. Brown, 1998, s. 106, Abb. 92 und Best.-Kat. Italian Paintings. A Catalogue of The Metropolitan Museum of Art. Florentine School, hrsg. v. Federico Zeri, Vicenza, 1971, s. 69–71. 719 (Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 115 s); wiederum zog zuerst Bode, 1903, s. 275 die Büste vergleichen heran. Vergleichbar sind die lockenpracht, details der Kleidung und die Betonung des Vegetabilischen. heutigentags distanziert sich die Forschung mit recht zunehmend von der these, es könne sich um eine weitere darstellung der Benci handeln. tatsächlich ist der Gesichtsschnitt der dame ein völlig anderer; s. Butterfield, 1997, s. 90 mit der datierung um 1475, die Abb. auf s. 95 und Kat.­nr. 15 und patricia lee rubin/Alison wright, Renaissance Florence. The Art of the 1470s, lon­ don, 1999, s. 101.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

und aus leonardos, in windsor castle aufbewahrten studienblatt (Abb. 99). dessen direkter Bezug auf leonardos Ginevra scheint insofern gegeben, als der Zweig, den die Modell sitzende in ihrer rechten hält, kaum etwas anderes sein dürfte, als der Zweig eines nadelbaumes (wacholder?).720 wir belassen es bei diesen lapidaren Verweisen. die bisher vorgelegten Bild­rekonstruktionen überzeugen nicht recht.721 die in leonardos Bildtafel aufscheinende Verbindung zwischen Ginevra de’Benci und Bernardo Bembo hilft nicht zuletzt bei der datierung des porträts, das nach weit­ gehendem Konsens während einer der beiden Florenz­Aufenthalte, die dem verheirate­ ten diplomaten Bembo beschieden waren, in Auftrag gegeben worden sein dürfte. daraus ergeben sich die eckdaten 1475–1476 und 1478–1480.722 Anders als Zöllner, Arasse, Fletcher und Feinberg plädieren Kemp, Goffen und walter/Zapperi teils aus stilistischen Gründen für die Zeit von Bembos erster Gesandtschaft, als Ginevra, längst ehefrau des tuchhändlers luigi di Bernardo di lapo niccolini (1442 – † 1505), siebzehn Jahre alt war; nach der Argumentation von walter und Zapperi vertrage sich die fehlende Muße während des zweiten, von so bedrückenden ereignissen wie der pazzi­Verschwörung und Kriegswirren überschatteten Aufenthaltes nicht mit dem porträt.723 dem ist entgegen­ 720 (windsor castle, royal library, inv.­nr. 12558); die Verbindung zur Ginevra zuerst bei Möller, 1937/1938, s. 197, Abb. 7; vgl. Brown, 1998, s. 106, Abb. 93; mit der vorgeschlagenen datierung auf 1478; Zöllner, 2003, s. 344. – eine weitere leonardo­skizze steht möglicherweise im Bezug zur Ginevra, die Dame mit Einhorn (Oxford, Asmolean Museum, inv.­nr. 1855, Kpii 15); s. Brown, 1998, s. 116 und Abb. 107. das einhorn konnte ebenso mit Keuschheit assoziiert werden wie die abweisenden wacholdernadeln; vgl. Leonardo da Vinci. Master Draftsman, hrsg. v. carmen c. Bam­ bach, Ausstellungskatalog (new York, Metropolitan Museum of Art, 21. 01. – 30. 03. 2003), new haven, 2003, Bd. i, s. 307–308; Kat.­nr. 23. 721 das erste rein motivische rekonstruktionsschema für die Bildnisrückseite legte Bode, 1903, s. 276 vor, das Möller, 1937/1938, s. 209, Abb. 13 insofern vervollständigte, als er die heraldik unten mit dem gleichem Abstand zum rand beginnen ließ, wie sie oben abschließt. nach diesem schema böte sich umseitig jedoch kein platz für den einbezug der hände der porträtierten. Gleichwohl wenig überzeugend sind computer­rekonstruktionen neueren datums für beide Bildseiten; s. Brown, 1998, Abb. 94 (Bildnisseite) und Abb. 108 (rückseite). sie wirken deutlich überlängt. Auch bleibt Brown eine erklärung für die Veilchen als Attribut der Ginevra schuldig. Zum erhaltungszustand des Gemäldes Gibson, 1991, s. 161–165. 722 der erste Aufenthalt währte von Anfang Januar 1475 bis April 1476, der zweite vom 10. Juli 1478 bis zum 4. Mai 1480. das datum des ersten Commissio ducalis ist der 23. dezember 1474 (vgl. der Abdruck der Urkunde bei enrico narducci, »intorno all’autenticità di un codice contenente il trattato di Boezio ›de consolatione philosophiae‹«, in: Atti Acc. Lincei, ser. 3, 8, 1882, s. 243–264, s. 256– 261); der Commissio ducalis für die wiederberufung nach Florenz fällt auf den 10. Juli 1478 (vgl. ebenda, 1882, s. 262–263). Zu Bembos Florenz­Aufenthalten Giannetto, 1985, s. 131–152; speziell zum zweiten Aufenthalt ebenda, s. 144ff. Am 4. Mai 1480 wird Bembo nach Venedig gerufen. 723 Vor allem Kemp, 1981 plädierte aufgrund stilistischer erwägungen für die datierung der Ginevra in die erste phase, so v. a. auch elam, 2013. da das Ginevra­Bildnis unter den dokumentarisch gesicher­ ten werken leonardos das früheste erhaltene ist, bleibt jede, sich auf die werkgenese berufende Argu­

1. Zugänge zu einer beiseitig bemalten Einzeltafel

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zuhalten, dass Gleiches mit gutem recht gegebenenfalls auch für die poetischen Zeug­ nisse behauptet werden müsste.724 tatsächlich aber ist eine der liebeselegien, die cristo­ foro landino dem Botschafter Bembo angedeihen ließ, Non desiderio tali concussa Thoantis, ein Gelegenheitsgedicht. es wurde nicht zu einer beliebigen Verabschiedung des Venezianers verfasst, sondern, wie bislang übersehen wurde, anlässlich seiner end­ gültigen Abreise, die in den Mai 1480 fällt. resümierend heißt es: »nun, da fünf Jahre vollendet sind […].«725 eine perspektivierung der Ginevra­tafel nach paragone­Kriterien steht von vorn­ herein vor nicht geringen problemen. warum, so drängt sich die Frage auf, sollte ein Maler, der in seinem schriftlich fixierten paragone­disput vorzugsweise für die Mar­ morbildner eine reihe von schimpfworten bereithielt (»guastatori di marmi«, d. i. »Mar­ morpfuscher«), und der auf diesen schlag von Virtuosen ein karikatureskes, lukianisch getöntes Zerrbild applizierte, eine Bildtafel mit einer Marmorimitation überziehen? 726 Und weshalb malte leonardo, der sich in der Parte prima als rigider Verfechter des totum simul erweisen wird, namentlich des simultanen wahrnehmungsideals, ein zweiansich­ tiges Gemälde, mit dem er sich in den eingetretenen pfaden der dichter bewegte? diese Zunft bezeichnete er selbst wegen ihrer sukzessiven erzählform abschätzig als ermüdende

mentation problematisch. Vergleichsbeispiele aus dieser Zeit gibt es nicht. – Für die zweite phase sprachen sich aus: larry J. Feinberg, The Young Leonardo. Art and Life in Fifteenth-Century Florence, 2011, s. 105; Frank Zöllner, Leonardo da Vinci. 1452–1519, Köln, 1999, s. 19; Arasse, [1997] 2002, s. 409; Fletcher, 1989, s. 813 und, begründet mit dem Alter der dargestellten, walker, 1968, s. 18. Und ohne Festlegung auf eine der Zeitspannen Virtue and Beauty, 2001, s. 142. – Vermeintliche reminiszenzen an Matrimonialsymbolik veranlassten früher manche Forscher zur datierung des porträts auf den Zeitpunkt der eheschließung Ginevras mit niccolini: 1474. Zu diesem Zeitpunkt weilte Bembo jedoch teils in Burgund, teils in Venedig; den Bezug auf die eheschließung sieht noch immer, kaum verständlich, Brown, 1998, s. 105 und 110. 724 walter/Zapperi, 2007, s. 53. lorenzos de’ Medici äußerte sich im Brief an Bembo vom 29. Mai über die Verschwörung; vgl. del piazzo, 1956, s. 54. 725 Künftig werden die Autoren der ›Ginevra­Gedichte‹ mit folgenden Kürzeln zitiert: L = landino, B = Braccesi und N = naldi. die zitierte sequenz in: L, nr. 5, v. 19: »nam tandem exacto patria consistere lustro«. »lustrum« (fünf Jahre) mag häufig metonymisch verwendet werden; aber plausibler wäre diese wortwahl für Bembos gesamte Zeit in Florenz (d. i. 1475–1480), ohne Berücksichtigung seiner ersten heimkehr. 726 leonardo, Libro di pittura, i, 36, s. 159; ebenda spricht er vom »Ordinärverfahren« des Bildhauers (»il […] ordinario dello sculture«); ebenda, i, 36, s. 158 die Karikatur des mit Marmorstaub und ­split­ tern beschmutzten Marmorbildners, dem Aussehen nach »wie ein Bäcker« (»pare un fornaio«); vgl. lukian s. cap. ii.2.3 und den Berufsagon des spätlateinischen dichters Vespa, Iudicium coci et pistoris iudice Vulcano (AL, nr. 199), s. Froleyks, 1973, s. 217; phidias und Apelles werden von petronius als »hirnverbrannte tröpfe« (»delirantes«) verunglimpft (petronius, Satyrica, 88, 10, s. 182/183); Guar­ na, Simia, s. 96 lästerte über den Architekten Bramante als »Zerstörer« (»eversor«).

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

»stückwarenhändler« (»un merciaio ragunatore«).727 welchen einfluss hatten jene drei poeten auf ihn, die sich ebenfalls Ginevra widmeten, unter ihnen cristoforo landino? dieser gab seinerseits nicht selten seine positionen zu wahrnehmungsfragen kund, wie zum Beispiel: »unsere Augen sind ›vaghi‹ [begierig], das heißt Vagabunden, und oft dre­ hen sie sich in alle richtungen, um zu sehen.«728 eben darum soll es im Folgenden bei der Betrachung der beidseitig bemalten Bildtafel gehen, nicht ohne knapp der Frage nachzugehen, was wir über die porträtierte und ihre Begegnung mit dem Venezianer Bembo in erfahrung bringen können.

2. Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo 2.1. eine devise und ihr geistes­ und kulturgeschichtlicher Ort: ›giostra‹, De amore und drei dichter Bembos Ankunft und »das schönste aller gemalten Bilder« Als die Serenissima den arrivierten redner und studierten Juristen Bernardo Bembo (1433–1519) nach seinen Auslandsstationen in spanien und Burgund nach Florenz schickte, ohne Zweifel der vorläufige höhepunkt seines diplomatischen Geschicks,729 musste seine leidenschaft für die bildenden Künste nicht erst entfacht werden. Bembo hatte offenbar während seines Aufenthaltes am hofe Karls des Kühnen (1471–1474) ein Gemälde hans Memlings erstanden, das später von seinem sohn carlo erwähnte Diptychon mit den Hll. Johannes dem Täufer und Veronika.730 diese verbürgte Verbindung zu 727 Abgeleitet war der Begriff von »raggiuntare« (zusammenfügen), s. leonardo, Libro di pittura, i, 23, s. 148. schimpfworte für dichter kannte cicero, Tusculanae disputationes, V, 34, s. 342; er bezeich­ nete Zenon von Kition als niedrigen wortfabrikanten, »verborum opifex«. die retourkutsche auf leonardo kam 1541 von Mario equicola, Institutioni […] al comporre ogni sorte di rima della lingua volgare, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 259: »È la pittura opera e fatica più del corpo che dell’animo, dagli idioti esercitata il più delle volte.« Unter den vielen Beiträgen zu leonardos ideal der simultaneität der wahrnehmung vorzuziehen ist Frank Fehrenbach, »Blick der engel und lebendige Kraft. Bildzeit, sprachzeit und naturzeit bei leonardo«, in: Leonardo da Vinci. Natur im Übergang, hrsg. v. Frank Fehrenbach, München, 2002, s. 169–206. 728 landino, Comento, Bd. iii, s. 1210: »[…] gl’occhi nostri ›sono vaghi‹, i. vagabundi, et spesso in ogni parte si volgono per vedere.« 729 Bernardo Bembo wurde am 19. Oktober 1433 als sohn von nicolò und elisabetta di Andrea paruta geboren; grundlegend Giannetto, 1985, s. 11ff. (mit einer Fülle weiterführender literatur) und s. 14ff. sowie Margaret l. King, Umanesimo e patriziato a Venezia nel Quattrocento, 2 Bde., rom, 1989, Bd. ii, s. 482–488; Vittore Branca, La Sapienza Civile. Studi sull’ Umanesimo a Venezia (Biblio­ teca di ›lettere italiane‹. studi e testi 50), Florenz, 1998, s. 153ff., s. 204f. 730 Zu diesem werk, das auf den rückseiten (u. a. mit einem Memento mori­Motiv bemalt ist, Hans Memling’s Saint John the Baptist and Saint Veronica, Ausstellungskatalog (washington, national Gal­

2. Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo

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dem Virtuosen aus dem norden verleitete lobel­ le­caluwé 1998 erstmals zur Vermutung, das wohlbekannte Zusammenspiel von palme (im hintergrund) und lorbeer (ein Blatt am unteren Bildrand) in Memlings Bildnis eines Mannes mit einer Münze von Nero (Abb. 100) indiziere, dass wir den porträtierten Bernardo Bembo vor uns sehen – eine these, die plausibel ist, die uns aber, mangels gesicherter Bildnisse von Bembo, nicht weiter zu beschäftigen hat.731 nach seiner An­ kunft in Florenz geriet Bembo, damals über vier­ zigjährig, im nu in den erlauchten Zirkel an literaten, der sich um den regierenden jungen schöngeist lorenzo il Magnifico scharte,732 unter ihnen der neuplatonische philosoph Marsilio Fici­ no, Angelo poliziano, Jacopo Bracciolini, Giovan­ ni cavalcanti und jene drei Minnen, die sich bald dichterisch Ginevra widmeten.733 Bembo muss 100 hans Memling, Bildnis eines Mannes mit mit einem von ihnen, Ficinos Freund naldo nal­ einer Münze Kaiser Neros (Bernardo Bembo?), di, schon anlässlich der giostra in Berührung ca. 1473/1474, Antwerpen, Koninklijk Museum gekommen sein, die Giuliano de’ Medici 1475, voor schone Kunsten kurz nach Bembos Ankunft, zur inauguration des geschlossenen dreibundes von Florenz, Venedig und Mailand ausgerichtet hatte. lery of Art, 30.01.–15.05.1994), washington, 1994, o. s., Abb. 1–4. es gibt zwei Quellen: Bernardo Bembos sohn carlo erwähnt das werk am 31. August 1502 im Brief an isabella d’ este (AsM, Archi­ vio Gonzaga, b. 1440, 224; zuerst publiziert von Vittorio cian, »pietro Bembo e isabella d’ este Gonza­ ga«, in: GSLI, 9, 1887, s. 81–136, s. 85–86); hinzu kommt die Aussage Michiels, der das diptychon im hause pietro Bembos in padua gesehen hat; Michiel, Notizia, s. 17: »el quadretto in due portelle del s. Zuan Battista vestito, con l’agnello, che siede in un paese da una parte, e la nostra donna con el puttino dall’altra in un altro paese, furono de man de Zuan Memeglino, l’anno 1470, salvo el vero.« – Bembo besaß zudem Jacomo Bellinis Bildnis von Bertoldo d’Este; es ist heute verschollen; dazu Gian­ netto, 1985, s. 112. 731 de Vos lenkte die Aufmerksamkeit auf diese Allianz zweier pflanzlicher Motive; s. dirk e. de Vos, Hans Memling. The Complete Works, Anwerpen, 1994, s. 94, nr. 19. es folgte die these von hilde lobelle­caluwé in Memling und seine Zeit. Brügge und die Renaissance, hrsg. v. Maximiliaan Martens, stuttgart, 1998, s. 67; übernommen von Bolzoni, 2010, Abb. 1; vgl. auch Firenze e gli antichi Paesi Bassi, Ausstellungskatalog (Florenz, palazzo pitti, 20.06.–26.10.2008), hrsg. v. Bert w. Meijer, livorno, 2008, s. 176. 732 Über Bembos Verhältnis zu lorenzo de’ Medici Giannetto, 1985, s. 143; cian, 1896, s. 348 und André rochon, La jeunesse de Laurent de Médicis (1449–1478), paris, 1963, s. 75f. gehen davon aus, dass sich beide bereits in den sechziger Jahren in Venedig kennen gelernt hatten.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

naldi, nicht anders als poliziano, corsini und Bembos Jugendfreund Giovanni Augurel­ li, steuerte als einer der ersten Vertreter des paduanischen Petrarchismo 734 poeme zur giostra bei.735 sie verklärten bekanntlich Giulianos herzensdame simonetta cattaneo Vespucci als donna ideale.736 es kann nicht dezidiert genug gesagt werden, dass dieses kulturpatriotische Unterfangen – und das war es – in hohem Maße den poetologisch­ laudativen Vorstößen glich, die naldi, landino und Braccesi bald bezüglich des amor honestus von Bembo zu Ginevra de’ Benci (1457 – nach 1520)737 unternahmen, der tochter des Florentiner Bankiers Amerigo de’ Benci (nach 1431–1468) und seiner Frau Antonia di lorenzo cresci. ihre Familie war infolge der Umtriebigkeit ihres Großvaters (Giovanni di Amerigo de’ Benci)738 mit fortwährenden Führungspositionen in der Medici­Bank zu 733 poliziano suchte Bembo in Florenz zuhause auf wegen einer terenz­Ausgabe und widmete ihm disti­ che; dazu Giannetto, 1985, s. 201; poliziano, Detti piacevoli, s. 99, 176; und über den Kontakt zu Bernardo Bembo Attilio Bettinzoli, Daedaleum Iter. Studi sulla poesia e la poetica di Angelo Poliziano (Biblioteca di »lettere italiane«. studi e testi 51), Florenz, 1995, passim. Jacopo Bracciolini schenkte Bembo transkriptionen seines berühmten Vaters, die Academia posteriora und ciceros De legibus (Ms. Vat. lat. 3245). Vgl. della torre, 1900, s. 299. Zur hinrichtung Bracciolinis nach der pazzi­Ver­ schwörung, s. polizianos historischen Bericht Coniurationis Pactianae commentarium, in: poliziano, Opera omnia, Bd. ii, s. 97. 734 Beide kannten sich seit Bembos studienzeit in padua. in einer an Bembo gerichteten elegie beteuerte Augurelli, dass nur dessen numen das Gedeihen seines werkes ermöglicht habe (»subque tuo coeptum numine crevit opus«; v. 4); s. roberto weiss, s. v.: »Augurelli, Giovanni Aurelio«, in: DBI, Bd. iV [rom, 1962], s. 578–581. Augurellis Ansprache an Bembo begann mit den worten: »Ad magnificum ac facundissimum Venetum oratorem Bernardum Bembum«; der vollständige wortlaut in: della tor­ re, 1900, s. 258–333, s. 267–268. 735 Von naldi stammt die Beschreibung der giostra, das Carmen de ludicro hastatorum equitum certamine ad Iulianum Medicem virum clarissimum (BncF, 70.4.F.21); sein hauptwerk, die Elegiarum libri III, waren 1474 erschienen; sie sind lorenzo und Giuliano de’ Medici gewidmet und begleitet von einem epigramm polizianos und einem Brief Ficinos; zur Biografie und zum Œuvre des naldo naldi; zuletzt leuker, 2007, s. 143ff. mit weiterführender literatur; Le Tems Revient, 1992, s. 194, ferner s. 108, 114, 238 und naldi, Carmina, s. 7ff.; 1474 über die einnahme von Volterra (1472) Volaterrais naldi, Carmina, s. 15 u. s. 21–58; Mario Martelli, »nota a naldo naldi, ›elegiarum‹, i 26 54«, in: Interpres. Rivista di Studi Quattrocenteschi, 3, 1980, s. 245–254. 736 Zur giostra am 29. Januar 1475, die auf dem platz vor santa croce stattfand, salvatore settis, »›cite­ rea‹: su una impresa di bronconi«, in JWCI, 34, 1971, s. 135–177; dempsey, 1992, s. 117f.; walter/ Zapperi, 2007, s. 43; ruggero Maria ruggieri, »letterati, poeti e pittori intorno alla giostra di Giulia­ no de’ Medici«, in: Rinascimento, 10, 1959, s. 165–196. 737 siehe Ada Alessandrini, s. v. »Benci, Ginevra«, in: DBI, Bd. Viii [rom, 1966], s. 193–194; zusam­ mengefasst bei walker, 1968, s. 1ff., auf s. 23 ein stammbaum der Benci­Familie; vgl. auch Garrard, 2006. Auf ihre gewollte Kinderlosigkeit und ihre dichterischen Aspirationen spielt der an sie gerichtete Brief von 1490 an, dessen schreiber unerkannt bleibt; transkribiert von carnesecchi, 1900, s. 285; den Artikel über den Vater der Ginevra von Yves renouard et alt., s. v. »Benci, Amerigo de’«, in: DBI, Bd. Viii [rom, 1966], s. 182–183; seit 1443 war Amerigo de’ Benci der Generaldirektor der Medici­Bank. 738 Vgl. Yves renouard, s. v. »Benci, Giovanni«, in: DBI, Bd. Viii [rom, 1966], s. 194–196.

2. Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo

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Macht und Geld gelangt, ohne es je an kulturellen und mäzenatischen Ambitionen feh­ len zu lassen. dass ein anonymer, 1490 verfasster Brief Ginevra in das glanzvolle licht einer dichterin stellt, fügt sich in dieses Bild ebenso wie die dichter werdenden indizien dafür, dass die Benci­Familie bei der wahl von leonardo als porträtmaler nicht ganz unbeteiligt gewesen sein kann. Als leonardo nach 1500 Florenz den rücken kehrte, hin­ terließ er einen teil seiner habseligkeiten bei Ginevras Bruder Giovanni de’Benci739 und, wie neuere Forschungen cecchis ans licht brachten, zählte mitunter Amerigo de’ Benci bereits zwanzig Jahre zuvor zum Mandantenstamm von leonardos Vater, dem Florentiner notar ser piero; er fand der sich im Bedarfsfall im palazzo in der Via degli Alberi ein.740 das interesse, das Bembo allein schon dem devisen­Bestand der giostra entgegen­ brachte, bezeugt eindringlich eines der vielen, ihm dedizierten Gedichte Augurellis. dieses fällt umso mehr ins Gewicht, als Bembo, der offenbar eine hermeneutische instruk­ tion erbat, fündig wurde, fündig selbst hinsichtlich der Grundsatzfrage nach dem wesen des schönsten »aller gemalten Bilder«: »du fragst mich, Bembo, warum Amor auf der Medici­imprese mit auf den rücken gebundenen händen gemalt ist, sein Bogen und sein zerbrochener Köcher zu seinen Füßen, und warum kein Flügel von seinen schultern hängt, und warum Amor bewegungslos dasteht, seine Augen auf den Boden gerichtet, als ob er zeigen wolle, er fühle, dass sein Martyrium unverdient sei. die schauderhafte pallas erhebt ihre lanze über dem verschreckten Knaben, um so schrecklicher [ist sie] durch ihren helm und das wilde Gorgonenschild. einige geben eine erklärung davon und einige eine andere, aber nichts entspricht [ein und]derselben deutung: solcherart ist das schönste aller gemalten Bilder.«741 739 es waren mitunter seine mappamondo, wertvolle steine und Bücher wie sein Arbeitsgerät; s. leonardo da Vinci, Codex Atlanticus, fol. 120r, Bd. ii, s. 353. 740 dazu Alessandro cecchi, »new light on leonardo’s Florentine patrons«, in: Leonardo da Vinci. Master Draftsman, 2003, Bd. i, s. 121–139, s. 129 unter Verweis auf dokumente von 1458–1465; s. AsF, notarile Antecosimiano 168.25, fol. 322v und ebenda, 168.42, fols. 1r–v und 168.26, fols. 8r–v, fols. 16r–v. 741 es heißt: »in signis quare Medici sit, Bembe, requiris 1 post tergum vinctis pictus manibus amor sub pedibusque tenens arcus fractamque pharetram; pendeat ex humeris nullaque penna suis; Atque solo teneat fixos immotus ocellos, 5 immeritum veluti sentiat ille crucem. horrida cui terreti pallas supreminet hasta et galea et saeva gorgone terribilis.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

wie wir aus einer anderen Quelle erfahren, wurde diese vermutlich von Botticelli gemalte imprese durch ein französisches Motto vervollständigt. es hing von einem abstehenden Olivenbaumzweig herab: »la sans par« (die Ohnegleiche). dieser superlativ bezog sich zusammen mit der sprache des Vegetabilischen fraglos auf die tugend der Gefeierten.742 die hymne auf die ikonologische polyvalenz, die Augurelli offerierte, hinterließ in der Familie Bembo einen nachhaltigen eindruck, wie dekaden später die zu erschließende Antwort pietro Bembos auf die Bitte der lucrezia Borgia zeigt, er möge ihr einen spitz­ findigen concetto für ihr Medaillen­revers zukommen lassen.743 wenn die Medaille, zwei Jahre nach ihrem Brief, 1505, angefertigt,744 wiederum den liebesgott präsentiert (nun an einen lorbeerbaum gefesselt, die hände auf den rücken gebunden, neben sei­ nem zerbrochenen Bogen), dann liegt, zumal mit der Umschrift (»VirtVti Ac FOr­ MAe pVdicitiA prAeciOsissiMVM«), eine reminiszenz an die ihrerseits von petrarcas Triumphus Pudicitiae abhängige giostra­ikonografie vor. der wortlaut ähnelt deutlich der parole, auf die leonardo die Verbindung zwischen pietro Bembos Vater und dessen Flamme Ginevra brachte. Ginevra eignete sich durchaus als bildhaftes Äquiva­ lent zu jener casta puella. die abweisenden wacholdernadeln umgaben sie mit dem Flair der Unnahbarkeit.745

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Multi multa ferunt, eadem sententia nulla est: pulchrius est pictus istud imaginibus.« 10 BMl, Ms. plut. 34, cod. 46, fols. 18r–18v; zuerst in della torre, 1900, s. 267; Augurelli, zitiert nach ida Maïer, Ange Politien. La formation d’un poète humaniste (1469–1480), Genf, 1966, s. 307; charles dempsey, Inventing the Renaissance Putto, chapel hill, 2001, s. 147ff., s. 163. Anonimo Magliabechiano, Ricordi di Firenze nell’ anno 1459 (BncF, Ms. Magliabechiano ii.iV.324, fol. 122v): »[…] et apresso a decta figura un prato adorno di fiori di vari colori che n’usciva un ceppo d’ulivo con un ramo grande, al quale era legato un dio d’amore […]. era conmesso sul ramo d’ulivo, dove stata legato lo dio di amore, un brieve di lectere alla françese d’oro che dicevano ›la sans par‹«, in: RIS, 1907, Bd. 27, pt. i, s. 3–38; über die Zuschreibung an Botticelli dempsey, 2001. der Brief vom 8. Juni 1503 ist abgedruckt bei Julius Friedländer, Die italienischen Schaumünzen des 15. Jahrhunderts, Berlin, 1882, s. 165–166, taf. XXXii: »con la seguridad que de vuestra virtud estos dias pasados e conocido, pensando en alguna invention para medallas, y deliberando de hazer al pre­ sente una, segun el parecer que me dio tan agudo y tanto al proposito, me parecio junto con esta enbi­ argela; y por que otra mistura en ella no vaya que de su merecer abaxarla pudiese, e acordado con la presente rrogarle la letra que en ella a de yr quiera por mi amor tomar fatiga de pensar. por que de lo uno y de lo otro quedare tan obligada como vos mereceys y la obra deve ser estimada. repuesta de lo qual con mucha voluntad espero.« die Medaille, von einem Künstler aus Mantua, gilt als mögliches werk von Bartolommeo Melioli; dazu douglas lewis, »the Medallic Œuvre of ›Moderno‹«, in: Italian Medals. Studies in the History of Art, 21, hrsg. v. John Graham pollard, washington, 1987, s. 77–97, s. 88, Abb. 17; The Currency of Fame, 1994, s. 87; s. hill, 1930, Bd. i, s. 59, nr. 233; Bd. ii, taf. 40. der wacholder als Keuschheitssymbol erkannt von Brown, 1998, s. 116. Bei petrarca trägt die keu­ sche laura einen Medusen­schild (petrarca, Triumphus Pudicitiae, v. 119, s. 513: »lo scudo in man che mal vide Medusa«).

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das Frauenlob, dem sich neben leonardo drei Florentiner dichter in Fixierung auf den Vornamen ›Ginevra‹ verschrieben, bemühte ein erbe, das Ginevra cavalcanti hin­ terließ, die Gattin von lorenzo, dem Bruder des cosimo il Vecchio. in dem De re uxoria betitelten ehetraktat, das ihr als Braut 1415 der bedeutende venezianische humanist und diplomat Francesco Barbaro dedizierte, verkörperte sie, gleichsam Ausgeburt der tugend und blühende Jungfrau, das Vorbild für alle Florentinerinnen unter der herrschaft der Medici. indem sabadino degli Arienti 1484 sein themenverwandtes Buch Gynevera de le clare donne folgen ließ,746 verdichtet sich der eindruck, dass dieser Frauenname unter Gebildeten nie ganz losgelöst von der Aura der zauberhaften Königin Guenievre gesehen wurde, der lancelot im Versroman von chrétien de troyes in liebe verfiel und der dante im Paradiso ein kleines denkmal setzte.747 Amor macht im prosalancelot den Geliebten der namensvetterin Ginevras im Gefängnis sogar zum Maler. er pinselte seine erlebte liebesgeschichte nicht allein auf die Zellenwände; er versah die Gemälde ausdrücklich mit sprechbändern oder tituli.748 »solcherart ist das schönste aller gemalten Bilder« – diese genannten Zusammenhänge geben uns allen Grund zu glauben, dass bei der devise der Ginevra­tafel das von Augurelli proklamierte ideal des nicht eindeutigen, des rätsel aufgebenden heraldischen Motivsubstrats in Geltung stand. ›De amore‹ und die drei Dichter einer der schillerndsten persönlichkeiten, mit dem Bernardo Bembo bei zahlreichen gelehrten Geselligkeiten in Berührung kam – er knüpfte seinerseits seine Bande mit der Benci­Familie – war Ficino. der philosoph hatte 1462 von Ginevras Vater einen exquisi­

746 die Gynevera von Arientis Buch über berühmte Frauen (Arienti, Gynevera) war eine schwester von Battista sforza; zu cavalcanti Barbaro, De re uxoria, ii, cap. 8, fol. G5r: »qui Zinebiam, virtute, venustate, nobilissima familia, opibus ex omni ordine florentissimam virginem uxorem delegisti. Quod enim illustrius, quod dignius exemplum possum proponere quam tuum? cum in clarissima italiae civitate Florentia, patre, avo, maioribus tuis spectatis utris dignissimus, coniugem eam tibi desumpseris, cuius fortunas quidem universi […].« die editio princeps von Barbaros Buch erschien 1513 in paris; Alberto lollio übersetzte es 1548 in Venedig für Giolito. 747 in einer Allusion auf das husten der dame Malehaut (angesichts ihrer unfreiwilligen Zeugenschaft beim liebeswerben Ginevras um lancelot) heißt es bei dante, Paradiso, XVi, vv. 13–15, Bd. iii, s. 187: »Onde Beatrice, ch’era un poco scevra, / ridendo, parve quella che tossio / Al primo fallo scritto di Ginevra.« »Ginevra« (und lancelot) im reigen berühmter liebespaare auch in petrarca, Triumphus Cupidinis, iii, v. 82, s. 498: »Vedi Ginevra […] e l’alte amanti.« die popularität von chéti­ ens Buch in italien begann 1391 mit der Aufnahme des Artuszyklus in die Tavola ritonda. Franco sacchetti berichtete über die frühe bildliche darstellung der Guenievre in einem tapisserien­Zyklus von uomini-famosi, der mit Inscriptiones versehen war; dazu hansmann, 1993, s. 36, Anm. 34. 748 Lancelot, Bd. ii, s. 476–478; die tituli erwähnt ebenda, iii, s. 465. – eine Miniatur (Bn, Ms. Fr. 112, fol. 193r) zeigt König Artus, den gehörnten ehemann, als Betrachter der wandgemälde im schloß der Königin Morgane; s. wenzel, 1995, s. 306 und Abb. iX.

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ten platon­codex erhalten.749 Bis ins Jahr 1494 dokumentieren achtundzwanzig erhalte­ ne Briefe, auch überlassene handschriften, von welcher wärme diese, wie Ficino meinte, tiefe seelenverwandtschaft mit Bembo durchdrungen war,750 ganz zu schweigen von der intellektuellen spannung, die erwuchs, indem der parteiische neuplatoniker nicht abließ, den Venezianer zur Abkehr vom Averroismus zu bewegen.751 schließlich lässt Ficino in seiner Theologia Platonica ein 1475 ausgerichtetes Bankett revue passieren, das einst im Florentiner hause Bembos stattfand. die Gesellschaft führte im Beisein von dichtern philosophische diskussionen über die Unsterblichkeit der seele.752 nichts stiftete so maßgeblich den sinn für die insgesamt elf, auf das Verhältnis zwi­ schen Ginevra und Bembo abhebenden poeme, aber auch für das Gemälde, das leonar­ do, ausgerichtet auf die Zweiheit von »FOrMA« und »VirtVteM«, schuf, wie die (neu­)platonische, prominent in Ficinos Symposion­Kommentar De amore ausgefaltete Grundmaxime der »καλοκάγαθíα«, der physischen und moralischen perfektion umfas­ senden einheit des schönen und sittlich Guten. wie Kristeller so früh wie 1958 hinrei­ chend herausstellte, darf dieser Konnex deshalb noch eindeutiger als unumstößliches Faktum gelten, da Bembo, der das programmatische, im herbst 1469 vorliegende Opus Ficinos (zu einem nicht überlieferten Zeitpunkt) als Autograf an sich riss,753 auf diesem höchst Bemerkenswertes notierte: Auf zwei Blättern von De amore huldigte Bembo sei­ ner Ginevra, der »schönsten unter den Frauen und auch durch tugenden [virtutute] und

749 Ficino bedankte sich brieflich für den griechischen codex; Ficino, Opera, Bd. i/1, s. 595. 750 Kein Brief lässt die nähe so deutlich werden, wie Ficinos Brief vom 15. Juli 1479. in ihm berief sich der neuplatoniker auf die schicksalhafte nähe ihrer Geburtsdaten (Ficinos Geburtstag war der 19. 10. 1433, der von Bembo der 8. 10. 1433) und auf ein Déjà­vu­erlebnis: eine traumerscheinung noch vor ihrer Bekanntschaft, während einer schweren Krankheit, in dem Bembo ihm die Genesung prophezeit habe. Bembo erhielt von Ficino ein gedrucktes exemplar De sole et lumine und handschrif­ ten von De raptu Pauli, von Quid sit lumen und Claves platonicae sapientiae; dazu Kristeller, 1937–1945, Bd. i, s. lXVii, cXicXiii. Anfang Februar besuchte Bembo das Gymnasium Ficinos (vgl. Giannetto, 1985, s. 136); vgl. den Brief Ficinos an Bembo vom 15. Juli 1479. 751 siehe Ficinos Brief an Vinciguerra in Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 777. 752 neben den beiden Freunden profilierten sich Giovanni cavalcanti, demetrio calcondila und Bem­ bos Begleiter aus Venedig, der humanist Antonio Vinciguerra cronico; siehe Ficino, Theologia Platonica, Vi, cap. 1, in: Ficino, Opera, Bd. i/1, s. 152–153. das datum des Banketts ist zu erschließen: es fand im Februar 1475 statt. 753 Ficino, Commentarium in Platonis Convivium de amore (Ms. Oxford, Bodleian library, can. class. lat. 156); künftig zitiert als Ficinus, Commentarium; Bembo unterstrich das Vorliegen eines Autografs mit Marginalien wie »Auctoris Ficini manus« (ebenda, fols. 15v–16r); präzise Angaben über Bembos De amore­exemplar in Giannetto, 1985, s. 332–333. die lateinische editio princeps erschien 1484; zur Bedeutung paul O. Kristeller, Studies in Renaissance Thought and Letters, rom, [1956] 21969, s. 161.

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sitte berühmt«.754 Abgerundet wird diese kontextuelle Verankerung der passion durch einige Vers­Zitate, die aus einer der sechs liebeselegien stammen, die landino über unser venezianisch­florentinisches liebespaar verfasst hat, Hoc age nunc, Bembi referamus amores: »denn die liebe, da neigung die schönheit sehr ehrt, / liebt das schöne und erfreut mit Bildern des schönen. / Und was immer gut ist, ist schön, alles schänd­ liche unheilvoll.«755 was bedeutet dieser nachträgliche einbezug der Verse landinos in das De amore­Manuskript? Gegenstandslos war er nicht: der elegiker hatte unser liebes­ paar tatsächlich im horizont von platons lehre (»divina pagina«, L, nr. 3, vv. 5f.) ange­ siedelt. die stereotypen paraphrasierungen des platon­theorems von der anagogischen wirkung sittlicher liebe bekräftigen dies: dass nämlich das liebesverlangen (Bembos), ausgelöst durch die schönheit (der Ginevra), zum Guten geleite. es stimuliere die seele zur erhebung aus den Miasmen der sinneslust.756 Ficino selbst hatte landino als Mit­ unterredner in De amore einst zum Auftritt verholfen.757 Mit den sämtlich lateinischsprachigen Gedichten, die aus der Feder Alessandro Braccesis (1445–1503), cristoforo landinos (1424–1498) und naldo naldis (1436– ca. 1513) stammen, hat sich eine recht kohärente Gruppe lokaler dichter der platonischen liebe zwischen Bembo und Ginevra angenommen. einjeder von ihnen bekleidete zudem politische Ämter in der Arnometropole; im Übrigen waren sie Freunde.758 naldi, der allein dreizehn epigramme gesondert Bernardo Bembo angedeihen ließ,759 dedizier­

754 siehe Ficino, Commentarium, fol. 21r: »Quem nos itidem plurimo usu celebrem agnovimus dum Flo­ rentiae legatum ageremus isque nos in Bernardi filii de sacro fonte compaternitatem adsciverit inibi Ginevram Benciam, matronarum pulcherimam atque etiam virtutute moribusque illustrem, ellegantissimis carminibus coequarit.« Zitiert nach Giannetto, 1985, s. 333. 755 diese notiz von Bembo, auf dem gleichen Ficino­codex (Ficinus, Commentarium, fol. 16v), ist noch nie im Zusammenhang mit leonardos Ginevra besprochen worden; in landinos Original heißt es: »namque amor a pulchro cum sit, perculsa cupido / pulchrum amat et pulchris gaudet imaginibus; / at quodcumque bonum, pulchrum est, turpe omne nefandum: / sic bona deposcit, sic mala vitat amor« (L, nr. 3, vv. 7–10). 756 Ficino, De amore, 1, cap. 3, s. 27ff. und passim; über den Zusammenhang des Guten und schönen vor allem die Oratio Quinta, ebenda, s. 125ff.; vgl. platon, Symposion, 197bff., 200cff. 757 Ficino, De amore, 4, s. 94–123; vgl. platon, Symposion, 189ff. 758 das galt vor allem für Braccesi, der als notar in der Cancelleria der republik tätig war und eine Viel­ zahl temporärer politischer ehrenämter innehatte; 1477 wird er mit dem Amorum libellus greifbar; für Bembo lieferte er auch eine deskription der Orti Medicei und der Villa careggi; s. Biografisches in Alessandro perosa, s. v. »Braccesi, Alessandro«, in: DBI, Bd. Xiii [rom, 1971], s. 602–608. 759 naldi, Epigrammaton liber, nr. 19; nr. 28–29; nr. 31–33; nr. 38–41; nr. 43; nr. 103. sie sind teils verfasst anlässlich der Zusendung eigener literarischer werke an Bembo, teils nehmen sie auf konkrete lebenssituationen des Venezianers (Gefahren, Krankheit, Abschied) Bezug, darunter ein epigramm auf Bembos Abschied von Florenz (nr. 40); es bleibt unklar, welcher Abschied es ist. Auch dankesverse naldis für ein Geschenk sind erhalten (zwei silbergefäße (nr. 33) und ein epigramm zum lob petrarcas (nr. 30). naldi, Epigrammaton liber, s. 6–7, 10–16, 34, 39 (nn. 19, 28–33, 38–41, 43, 103, 201).

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te dem paar ein epigramm;760 Braccesi, ein enger Freund polizianos, dessen liebesdich­ tung ende der siebziger Jahre ihren Kulminationspunkt erreichte, schrieb vier elegien; und landino, durch seinen lehrstuhl für poetik und rhetorik am studio fiorentino zwei­ fellos die profilierteste Figur – Bembo besaß später großteils seine schriften –, brachte sechs elegien zu papier.761 der inhalt der Gedichte ist rasch skizziert. naldis epigramm, nicht nur der Kürze wegen der am wenigsten prätenziöse Beitrag, nimmt im lob von Ginevras schönheit und Keuscheit einen markant epideiktischen tonfall an. infolge von Bembos Urteil, der die besagten eigenschaften in ihr gewahrt, erntet die schöne die lobeshymnen ihrer Florentiner Mitbürger und die lieder der dichter. Braccesi goss seine elogen auf Ginevras unübertreffliche sittlichkeit und schönheit wie landino in die elegienform, er erklärt sie zum würdigen Gegenstand selbst der antiken elegiker und attestiert ihr einen namen, der ewig währe. Mehr narrativ gestaltet sich die elegie mit dem capoverso: Mittimus has violas, digitis quas legit eburnis: Braccesi erblickt Ginevra unverhofft beim Kirchgang. Verschreckt, entgleitet ihr ein Veilchenstrauß zu Boden,762 den sie zuvor an ihre Brust schmiegte. eingeweiht in ihr geheimes seelenleben, hebt Braccesi die Blumen auf und schickt sie mit eben diesem Gedicht an ihren eigentlichen Adressaten, an Ber­ nardo Bembo. landino, der in seinen elegien mehr zur massiven Ausschöpfung der syn­ krisis mit donne illustre neigte und wie kein Zweiter das schöne und Gute in Ginevra feiert, schildert, wie sich das paar kennenlernte. es begann mit seinem Gruß; schon sind beide in liebe entbrannt (L; nr. 2); Ginevra, darin wie eine reinkarnation der diotima, gestattet es, dass Bembo am göttlichen tisch sitzen dürfe. sowohl Braccesi und zumal landino, der führende Meister unter den eher wenigen schöpfern lateinischsprachiger Gedichte im Florenz um 1460, widmen sich dem Abschiedsszenarium. Bembo, die ehre Venedigs, lässt die bestürzt weinende Bencia zurück. Mit anderen worten: die ›Ginevra­Gedichte‹ bieten die multiperspektivische Betrach­ tung der keuschen liebe zwischen Bembo und Ginevra. die Multiperspektivität fand ihren Ausdruck mitunter in Form der völlig unterschliedlichen rekapitulation ihres Ken­ nenlernens (in je einem Gedicht von Braccesi und landino; B, nr. 3, L, nr. 2), in der 760 ebenda, s. 39, nr. 121; unberücksichtigt in walker, 1968. 761 Alle sechs elegien bereits in della torre, 1900, s. 322–333 nach der handschrift in BAV, Ms. Vat. lat. 3366, fols. 79v–87r; s. auch landino, Carmina, s. 158–70. – Bembo besaß landinos Disputationes Camaldulensis (Bn, Ms. parisinus lat. 3343A) (vgl. Giannetto, 1985, s. 334–335), den dialog De vera nobilitate, in dem Bembo zweifach erwähnt wird (landino, De vera nobilitate, s. 38; s. 40), und ein exemplar von landinos dante­Kommentar, versehen mit einem Brief und einem epigramm über Bembo als schutzherrn der restaurierung von dantes Marmorgrab in ravenna; Bembos exemplar des dante­Kommentars: Bn, Ms. rés. Yd. 17; vgl. auch landino, Comento, Bd. i, s. 137, Abb. 23–24. 762 die außerordentliche Beliebtheit von Veilchen unter den neuplatonikern erklärt sich mitunter aus einem passus aus platons Symposion, Symposion, 212d–e: Agathon und sokrates werden mit einem dicken Kranz von efeu und Violen feierlich bekränzt.

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exponierung der Abschiedsszene (ebenfalls, wie nach Übereinkunft, in je einem Gedicht Braccesis und landinos; B, nr. 4, L, nr. 5).763 in Anbetracht dieses Befundes, empfiehlt es sich, im hinblick auf den paragone der Frage nachzugehen, inwiefern und mit wel­ chen Mitteln leonardo dieser gefeierten, frei von unkeuschen Avancen waltenden liebe seinerseits ein denkmal zu setzen suchte: ein gemaltes denkmal.

2.2. ein wacholderreis zwischen lorbeer und palme: eine ikonologische Annäherung stets aufs neue verweist die Forschung auf das mit dem wacholder verbundene parono­ mastische spiel leonardos, ohne den hintergründen für die wahl speziell eines wachol­ ders en miniature Beachtung zu schenken. der kleine, durch Bembos Zweige gesäumte und beschirmte wacholderreis, der grundsätzlich die Möglichkeit des wachstums, sei es der pflanze oder, gemäß der Vorstellung Ovids oder dantes, des berühmt werdenden namens764 impliziert, steht als ikonischer Born der tugend so unverkennbar im wir­ kungshorizont einer vor 1443 gegossenen Medaille, dass die angestrengten Versuche, die vegetabilische heraldik von Memlings Portinari­triptychon abzuleiten, befremden muss.765 der Künstler zierte das revers jener Medaille, die umseitig, wie erwähnt, wohl das Konterfei pisanellos zeigt, mit einem umlaufenden lorbeerkranz; er schließt sieben, auf zwei Zeilen verteilte Buchstaben in sich ein (»• F • s • K • i • / • p • F • t •«) (Abb. 101). Man hat sie im ausgehenden 19. Jahrhundert als Abkürzungen der sieben tugenden dechiffriert (sc. »F[ides] s[pes] K[aritas] i[ustitia] / p[rudentia] F[ortitudo] t[emperantia]«).766 ein lorbeerreis, der unter diesen chiffren gedeiht, ist als parnassi­ 763 Vom gleichen entstehungsrahmen des Abschiedsepigrammes von naldi (Ad Bernardum Bembum legatum Venetum de eius a Florentina urbe discessu) ist m. e. nicht zwingend auszugehen; Ginevra blieb in naldis thematisieung von Bembos Fortgang aus Florenz unerwähnt; naldi, Epigrammaton liber, s. 14, nr. 40. 764 dieser Gedanke begegnet beispielsweise in Ovid, Heroides, V, vv. 23–24 und dante, Cangrande, s. 2, (1). 765 wiewohl zwischen 1476–1478 entstanden, gelangte das heute in den Uffizien (inv.­nr. 1100) ausge­ stellte werk erst 1483 – zur Zeit von leonardos Abwesenheit – nach Florenz; s. Firenze e gli antichi Paesi Bassi, 2008, s. 182–185, Kat.­nr. 41, Abb. auf s. 185. ein verdorrter stumpf eines eichenbau­ mes, aus dem ein frischer trieb aufkeimt, verbunden mit dem spruchband: »de BOnO in MeliVs« (Vom Guten zum Besseren) ziert die rückseite des Bildnisses von Benedetto portinari. leonardos Vertrautheit mit dieser rinascere­Allegorik ist durch eine Baumstumpf­skizze eines mit einem neu ausschlagendem Zweig belegt, zu dem er schrieb: »Albero tagliato che rimette – ancora spero« (Victoria and Albert­Museum); dies ist m. e. inspiriert von Ijob 14, 7; s. The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 391, nr. 697. 766 (london, British Museum, department of coins and Medals, George iii collection, illustrious per­ sons 774); zur Medaille mit der Umschrift »pisAnVs« »pictOr«, s. Pisanello, 1996, s. 14, Abb. 1–2, s. 15ff. und s. 34, Kat.­nr. 1. Zum Avers s. Abb. 35 in unserem Buch; und Leon Battista Alberti, 1994, Kat.­nr. 84, s. 481f.

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101 Unbekannter Meister aus Ferrara, revers von: Medaille des Pisanello, ca. 1444, london, British Museum 102 Antonio Filarete, Allegorie der Tugend, ca. 1461–1464, aus: Filarete, Trattato di architettura, XViii, BncF, codex Magliabecchianus, ii, 1, fol. 143r

scher lorbeer anzusehen. Vergil meinte von diesem im lehrgedicht Georgica zu wissen, dass er umwölbt vom schattenwipfel der Mutter in die höhe schieße.767 einige Vergil­ Biografien wie die Vita Suetonii legten nach. sie berichteten von einem nächtlichen traum, den die Mutter Vergils vor der niederkunft durchlebte: sie gebar einen kleinen, rasch Gestalt gewinnenden lorbeer – die prophetie der künftigen Größe des dichters. »sie sah«, ergänzte die Vitae Focae, »durch den deutenden lorbeer« »aus dem walde des phoebus« »den Beruf ihrer köstlichen Bürde.«768 der Vergil­Kommentator landino referiert diese

767 Vergil, Georgica, ii, v. 9f. und i, v. 22 (Vergil, Bucolica, s. 114: »[…] parnasia laurus / parva sub ingen­ ti matris se subicit umbra«). 768 siehe die Vita Suetonii, 3 (Vergil, Bucolica, s. 214): »praegnans eum mater somniavit enixam se laure­ um ramum, quem contactu terrae coaluisse et excrevisse ilico in speciem maturae arboris refertaeque variis pomis et floribus […].« in der Vita Focae (ebenda, s. 250/251; Üs: Karl Bayer) heißt es: »[…] phoebei nemoris ramum fudisse putavit. […] Facta est interprete lauro certa parens onerisque sui cognoverat artem.«

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episode in seinem Comento der Commedia; in den spuren Boccaccios erfand er eine Variante dessen für den schützling Vergils, dante.769 Zur Bekräftigung der relevanz dieses sinnzusammenhanges sei darauf hingewiesen, dass an dantes Grab in ravenna ein von Bembos Zweigen umgarntes pendant zu finden ist, genauer: ein kleines pflänz­ chen. Vorerst darf die Feststellung genügen: im kleinen grünen, also lebendigen ginepro schwelt die Aussicht auf ruhm – im Fall pisanellos die auf Künstlerruhm. Virtus ist in diesem Kontext der schlüsselbegriff. dass die tugendliebe der Antrieb auf dem weg zur ›palme‹ ist, klingt an, wenn dantes Verse im Paradiso anheben: »die liebe, die mich läßt entbrennen / noch jetzt für jene tugend, die mir folgte / Bis zu der palme und des Kampfes ende«.770 Gemeint ist der antike, nie wirklich obsolet geworde­ ne topos des steilen, rauhen tugendweges, namentlich der via ardua zum Bergesgipfel, dem auch Filarete und ›Bramante‹, letzterer zumindest als Unterredner des Simia betitel­ ten Buches, gedenken.771 in seltener eindringlichkeit hat gerade Filarete die vegetabi­ lische Allianz zwischen dem lorbeer und der palme im Kontext der tugend als ruh­ mesverheißung vor Augen geführt. ihm zufolge, in einem seiner Sforzinda­entwürfe, wachsen die beiden Bäume auf dem zweigipfligen parnass, wo sie beiderseits das zentrale Bronzestandbild des geharnischten Mannes Virtus flankieren; er hält sich an ihnen fest (Abb. 102). Und nicht zufällig wird dieser, der auf einem pyramidalen diamanten steht, von der fliegenden, puttoartigen Fama überfangen.772 da das schriftband in der Ginevra­ 769 die Geschichte war landino freilich bekannt: »[…] et di Marone si legge che la madre sognò la notte precedente al parto che partoriva un ramo di lauro, el quale in brieve tempo diveniva grande albero, et di vari pomi et fiori ripieno.« landino, Comento, Bd. i, s. 248 und auf s. 247–248 die auf dante gemünzte Variante: »[…] un mirabil sogno che pocho avanti alla natività del fanciullo apparve alla madre. parvegli essere in verde et florido prato, et in quello, apresso cristallina fontana et sobto alto lauro, partorire un figliuolo el quale et delle coccole del lauro, et dell’acqua della propinqua fonte, un tempo si nutriva, et in brieve cresciuto diveniva pastore, et volendo torre de’rami del lauro cadeva, ma di subito si levava non piú huomo ma pavone diventato. il che dinotò quale huomo danthe havessi a essere. tal sogno distesamente interpreta el Boccaccio.« Vgl. Boccaccio, Trattatello, Bd. iii, s. 441. 770 dante, Paradiso, XXV, v. 84, Bd. iii, s. 300 (Üs: Gmelin); ii, vv. 18–19, s. 114: »[…] l’amore ond’io avvampo / ancor ver la vertù che mi seguette / infin la palma ed all’uscir del campo […].« 771 Filarete, Trattato, iX, Bd. i, s. 264: »[…] dove è la Virtù in cima. e su per questa montagna ho figu­ rata la dificultà che è a venire questa Virtù, la quale è molto difficile e ardua a salire, […];« Guarna, Simia, s. 119: »[…] io voglio tor via questa strada sì aspra e difficile a salire, che dalla terra conduce al cielo […].« Vasari, Le vite, cap. »Benozzo Gozzoli«, Bd. iii, s. 45: »chi cammina con le fatiche per la strada della virtù, ancorachè ella sia (come dicono) e sassosa e piena di spine, alla fine della salita si ritrova pur finalmente in un largo piano, con tutte le bramate felicità« (wer mit Anstrengung den weg der tugend geht, obwohl er, wie man sage, rauh und dornenvoll sei, der sehe sich endlich nach langem stei­ gen auf der weiten ebene gewünschter Glückseligkeit; zitiert nach schorn). die antiken Belege sind zahllos; statt vieler Ovid, Fasti, ii, v. 537, s. 98: »Ardua molitur. sed nulla, nisi ardua, virtus«; vgl. derselbe, Tristia, iV, v. 74. 772 die Beschreibung bezieht sich auf Filaretes entwurf für das ›haus der tugend und des lasters‹; s. Filare­ te, Trattato, XViii, fol. 143r, Bd. ii, s. 533, Abb. 106: »[…] la mano destra teneva una dattero e dalla

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tafel, auf dem explizit »VirtVteM« zu lesen ist, verblüffend ähnlich zur Verknüpfung der beiden Gewächse beiträgt wie die ausgebreiteten Arme der Virtus, wird man nichts Verwegenes sagen, wenn man äußert, dass der kleine wacholder den platz von Filaretes Virtus einnimmt, mehr noch, dass dieser, als chiffre für Ginevra de’ Benci, für ihre virtus steht oder etwa für sie als quasi personifizierte virtus – nach Alberti übrigens die schönste aller Göttinnen.773 Unklar bleibt, inwiefern auch leonardo einer dichter­Alle­ gorie Kredit gab.774 der wacholderreis, der im einklang mit diesem ideengut auf dem ›rauhen‹ stein zu sehen ist, dürfte jedenfalls signalisieren: Bernardo Bembo wird durch seine liebe zu Ginevra zum tugendweg stimuliert.775 entsprechend heißt es in einer der elegien landinos: »tugend und schönheit deiner herrin geben dir die höchste saat für deine Flammen« (L, nr. 3, vv. 15–16).

sinistra teneva uno alloro«; vgl. auch die zweite illustration zum tugendtempel, der von neun standbil­ dern der Musen getragen wird, auf fol. 145r, Abb. 108; zu dieser personifikation panofsky, [1930] 1997, s. 187–196, Abb. 118–119. Zur topografie des doppelgipfligen Berges parnass schröter, 1997, s. 8, Anm. 30 und passim. ein nachspiel von Bernardo Bembos heraldik – aus lorbeer und palme – begegnet in einem Brief des pietro Aretino an Gianiacopo lionardi vom 6. dezember 1537: pietro Bembo nimmt als repräsentant der dichter an einer Berühmtheitsversammlung auf dem parnass teil; und der weg zu ihm auf einer blühenden wiese führt durch eine von lorbeer und palmen umfriedente Chiesa dell’Eternità, in der tizian malt und sansovino eine Bronzetür fertigt; Aretino, Lettere sull’ arte, Bd. i, s. 97f. 773 Alberti beschreibt sie als mit Ölzweigen bekränzte, weiß verschleierte Frau in einem grünen Mantel, der ein rotes Kleid umfängt; s. Alberti, Momus, ii, s. 122–123: »[…] dearum pulcherrimam Virtutem […].« Vgl. auch die erscheinung Beatrices als inbegriff der höchsten tugend der theologischen weis­ heit in dante, Purgatorio, XXX, v. 32ff. – Man beachte vor allem die rolle der tugend nach Alberti; s. derselbe, Della famiglia, iV, Bd. i, s. 287: »e dicono che la virtù è vinculo e ottima conciliatrice della amicizia, e che l’amicizia fiorisce a buon frutto, poiché fra loro el beneficio sia ricevuto, lo studio conosciuto, adiuntovi consuetudine. e dicono starvi la virtù ad onestà, la consuetudine ad iocondità, ed esservi una quasi necessitudine creata dai benefici, quale induca ad amare.« 774 Filarete rekurriert mit den beiden Bienen, die sich an einer honigsüßen Quelle im tal laben, auf pla­ ton, Ion, 534aff., Bd. i, s. 103: die dichter würden sagen, dass sie »aus honigströmenden Quellen aus gewissen Gärten und hainen der Musen pflückend diese Gesänge zu uns bringen, wie Bienen, auch selbst so umherfliegend. […]. denn ein leichtes wesen ist der dichter und geflügelt und heilig […].« – das Motiv der Bienen verwendete Filarete mehrfach für das Künstlertum, zum Beispiel – als Attribut für sich als schreiber – in der initiale seines Trattato, s. App. iV/B, nr. 11 und in seiner Selbstbildnismedaille; s. App. iV/B, nr. 12; näheres in Martin warnke, »Filaretes selbstbildnisse. das geschenkte selbst«, in: Der Künstler über sich, 1992, s. 100–112, s. 102ff., Abb. 4–6. – die geflügelte Fama als sinnbild des dichterruhmes in horaz, Carmina, i, 1, v. 35. 775 Bei Ovid wetteifert die elegie, schön (»forma«), in hauchdünnem Gewand, mit einem Myrtenzweig in der rechten hand (v. 34) mit der finsteren tragödie um die Gunst des dichters, u. a. mit dem Argument, sie habe ihm corinnas liebe gewonnen und sein dichtertalent geweckt (vv. 35–60); s. Ovid, Amores, iii, i, vv. 1–70, s. 106–110.

3. Die Rückseitenbemalung

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3. die rückseitenbemalung Seiten/Rückseiten: Leonardos Terminologie Unter den im paragone­disput des cinquecento verwendeten Begriffen für die Ansichts­ seiten, die ein Kunstwerk aufweist – »aspetti«, »faccie«, »vedute«, »lati« oder »versi« –, bevorzugte leonardo vollends eindeutig »aspetti«. der Maler präsentiert sein werk in »un sol aspetto«,776 im Gegensatz zum Bildhauer. dieser wünsche hingegen in der Aus­ arbeitung einer vollplastischen Gestalt (»figura tonda«; i, 36) den Betrachter mit unend­ lich vielen Ansichtsseiten (»infiniti aspetti«) zu betören.777 der Maler vermag gegenüber allen aufzutrumpfen, gegenüber dem Bildhauer, dem dichter wie dem Musiker, denn als einziger präsentiere er ein schönes Gesicht nicht »membro a membro« – ein Vergleich, den leonardo sogar gegenüber dem Musiker nicht scheut.778 so, wie leonardo bei der wahrnehmung eines Baumes unterschied zwischen der sicht von vorn (»dal suo dirit­ to«) und – in Übereinstimmung mit der damaligen terminologie für bemalte Gemälde­ rückseiten – der von hinten (»da riverscio«), so dürfte er auch, je nach seinem Betrach­ ter­standpunkt, die Bildseiten der Ginevra­tafel bezeichnet haben.779 schließlich verdient ein latent anthropomorpher Zug in leonardos diktion Beachtung. wenn von ihm beim Umblättern des Codex Madrid I wie folgt auf das Verso einer Buchseite ver­ wiesen wird: »dirieto a cquesta faccia« (hinter dieser seite),780 dann ergab sich bei dop­ pelseitig bemalten Bildnissen ein ambivalenter sinn, stand »faccia« doch nicht allein für

776 leonardo, Libro di pittura, i, 15, s. 140. nicht anders fällt die wortwahl zu einer lunge aus, von der er mehrere »aspetti« zeichnerisch erfasst. »Farai questo polmone prima intero veduto per quattri aspetti nella sua intera perfezione, […]«; rl 19054v; nr. 13A s. 57. 777 leonardo, Libro di pittura, i, 37, s. 160 o. a. »per tutti li aspetti«; über Bildhauer, die »compongono una figura tonda«; ebenda, i, 43, s. 167. 778 Auf den Musiker bezogen ebenda, i, 32, s. 155: »tAl diFFerenZiA è in quanto alla figurazione delle cose corporee dal pittore e poeta, quanto dalli corpi smembrati a li uniti, perché il poeta, nel descrivere la bellezza o bruttezza di qualonche corpo, te lo dimostra a membro a membro, et in diversi tempi, et il pittore tel fa vedere tutto in un tempo.« 779 ebenda, Vi, 919, s. 507. italienische inventare des 15. und 16. Jahrhunderts bezeichnen bemalte Bild­ nis­rückseiten meist als »roveschio«; nicht anders werden Medaillen­revers bezeichnet. dies war im Quattrocento so selbstverständlich, dass pisanello nur ein »r« auf seinem skizzenhaften Medaillen­ entwurf notieren musste (paris, Musée du louvre, département des Arts Graphiques, inv.­nr. 2319); s. Pisanello, 1996, die Abb. auf s. 455, Kat.­nr. 320, s. 453; das Blatt ist vor 1455 entstanden. in einer der frühesten ausdrücklichen Benennungen von Gemälde­rückseiten, sie begegnet bei sueton, hei­ ßen sie »aversas«. sueton berichtet über die Gepflogenheit von Augustus, während des Gastmahls Gemälde zu verkaufen, »die dem Betrachter nur die rückseite dargeboten hatten, […]« (»solebat […] aversas tabularum picturas in convivio venditare […]«); sueton, ›Augustus‹, 75, s. 270/271 (Üs: hans Martinet). 780 siehe leonardo, Codex Madrid I, fol. 5v; fol. 121v auch »riverscio«. Zur Mehrfachbedeutung von »faccia« hessler, 2008, s. 80ff.

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die Gemälde­›seite‹, sondern zudem für das »Gesicht«. Von der gleichen Ambivalenz zeugt die Bezeichnung für Gemälde­rückseiten: »a tergo«. sie ließ an rückenansichten eines Menschen denken.781 spätestens im cinquecento mehren sich die indizien für spiele mit diesem doppelten sinn.782

3.1. das Motto: die neuplatonische und eine andere lesart »mutantur verba, manent res«. petrarcas Invectivae, iii, s. 166

in der Forschung herrscht seit langem einigkeit über den platonischen Gehalt des Mot­ tos »VirtVteM FOrMA decOrAt«.783 Beschworen wird die ergänzung der äuße­ ren wohlgestalt durch die innere, die seelenschönheit. so gilt Ginevra auch ihren beiden Minnen, Braccesi und landino, als inkarnation dieses (neu­)platonischen ideals, wonach das Gute eine höhere einheit mit dem schönen bilde (»quodcumque bonum, pulchrum est«).784 Beide schätzen Ginevra als die tugendhafte schönheit schlechthin, die in Antlitz und seele sämtliche Vorzüge, die einer jungen Florentinerin gut zu Gesicht stehen, in sich vereine.785 der ligurische humanist Bartolomeo Facio ließ in seiner kom­ pendiösen sammlung strittiger wortformen erkennen, wie passend »forma« für den Bezug auf ein porträt sein musste. im Gegensatz zur »pulchritudo«, die sich auf den ganzen Körper beziehe, meine forma alleine das Gesicht.786 so gesehen meint »FOrMA« 781 die wendung »a tergo« begegnet in einer Quelle zur Bildnis­rückseite von lottos Bildnis des Bernardo de’ Rossi; dülberg, 1990, Kat. 187, vor allem aber in den Quellen zur Knidischen Aphrodite; s. hinz, 1998. 782 so dürfte die szene auf der rückseite von raffaels Bildnis der Maddalena Doni (ebenda, Kat.­nr. 190) – Deukalion und Pyrrha – nicht zufällig a tergo angebracht worden sein. Man bedenke die direktive von Ovid, Metamorphosen, i, v. 383, s. 24 (Üs: erich rösch): »ossaque post tergum* magnae iactate parentis« (werft dann hinter euch der Großen Mutter Gebeine!). 783 so etwa pietro c. Marani, Leonardo. Catalogo completo dei dipinti, Florenz, 1989, s. 36; dülberg, 1990, s. 228; Zöllner, 1994, s. 64; walker, 1967, s. 4: »Beauty Adorns Virtue«. die äußere und inne­ re schönheit auch in AP, Vii, nr. 599. 784 L, nr. 3, v. 9. 785 L, nr. 3, v. 13: »Forma quidem pulchra est, animus quoque pulcher in illa«. Bencia übertrifft nach Braccesi alle in charakter und schönheit; B, nr. 1, v. 14: »haec superat cunctas moribus et facie.« diese Option auch in petrarca, De remediis, i, cap. 2 (»de forma corporis eximia«), s. 23: »Ut virtus animi corporis formae iuncta sit studeo.« Bei curtius rufus (curtius rufus, Alexander, Vi, 2, 6, Bd. ii, s. 18) heißt es über eine schönheit, die Alexander der Große sichtet: »excellens erat forma, et formam pudor honestabat;«. 786 Bartolomeo Facio, De differentia verborum latinorum, in: pseudo­cicero, Synonyma, rom: paulus sulpitianus, 1487, fols. 26b (zitiert nach Baxandall, 1971, s. 10, Anm. 10): »inter formam et pulchri­ tudinem. Formam oris proprie. pulchritudinem totius corporis dicimus.«

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die von leonardo in voller grazia porträtierte Ginevra, die jenen Vorzug zur schau stellt, den die petrarkisch angehauchte liebeslitera­ tur bevorzugt als causa amoris inszeniert. es mangelt nicht an Vorbildern in der Kunst, die explizit auf jene Vervollkomm­ nung der äußeren schönheit durch die inne­ re, auf sittlichkeit gründende virtus abhoben. Kein zweites Kunstwerk des Quattrocento stand – im Zusammenspiel von »forma«, »vir­ tus« und »decorare« – dem Motto der Ginevra so nahe wie das Frauenlob, das der Me­ dailleur Matteo de’ pasti 1446 isotta degli Atti von rimini zuteil werden ließ (Abb. 103). neben ihrem profilbild heißt es auf dem 103 Matteo de’pasti, Medaille der Isotta degli Atti, 1446, washington, national Gallery of Art Avers ihrer Medaille: »isOte • ArMinen­ si • FOrMA • et • VirtVte • itAlie • decOri« (Für isotta aus rimini, der Zierde italiens durch [ihre] schönheit und tu­ gend).787 Beim römischen humanisten lorenzo Valla finden wir einen denkbaren schlüssel dafür, weshalb Ginevras schönheit anstelle der ehre treten konnte, anders als es Bembos Motto (»VirtVs et hOnOr«) eigentlich vorgab. Valla erwähnt in De voluptate nicht nur die beiden berühmten tempel von Virtus und Honos, die für Bembos wahlspruch fraglos inspirierend waren; Valla hielt obendrein die Qualitäten ›schön‹ und ›ehrbar‹ für austauschbar, da alles schöne ehre mit sich bringe, wie Valla dem leser mehrfach einschärft.788 787 (washington, national Gallery of Art, samuel h. Kress collection, inv.­nr. 1957.14.651); s. The Currency of Fame, 1994, s. 62, nr. 12; die im Kontext von leonardos Ginevra noch nie erwähnte Medaille in hill, 1930, s. 43, nr. 187. – dass virtus im Fall der Ginevra im Kontext ihrer dichteri­ schen Anwandlungen stehen könnte, darauf lässt eine Äußerung des Kardinals pompeo colonna schließen; er feierte Vittoria colonna 1526 in der Apologia pro mulieribus als »puellam […] non minus forma, atque virtutibus ornata«; s. (BAV, Ms. Vat. lat. Miscellaneo 5892, fol. 1r); zitiert nach Vittoria Colonna. Dichterin und Muse Michelangelos, Ausstellungskatalog (wien, Kunsthistorisches Museum, 25.02.–25.05.1997), hrsg. v. sylvia Ferino­pagden, wien, 1997, s. 51. 788 Valla, De voluptate, ii, 14, 7, s. 148/149: »καλòν enim grece, ›pulchrum‹ dicitur latine, et ›honestum‹ idem fere est quod ›honoratum‹. pulchra nanque honorem quendam pre se ferunt […]«; und ebenda, ii, 14, 8 zum tempel von Virtus und Honos. M. Marcellus ließ diese beiden tempel nach der siegrei­ chen schlacht bei clastidium 222 und der einahme von syrakus errichten; vgl. mitunter cicero, De natura deorum, ii, 61; ferner livius, Ab urbe condita libri, XXV, 40, 1ff.; plutarch, ›Marcellus‹, 28; Valerius Maximus, Factorum et dictorum memorabilium, i, 1, 8 und plinius, NH, XXXV, 120. – in Bembos Zibaldone sind denn auch über »hOnestAs« als stichworte »decOr spes FOrMA« zu lesen; Bembo, Zibaldone, fol. 99r.

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in seltener, vielleicht nie wieder erreichter drastik hatte philostrat die Bedeutung der schönheit für ein Gemälde betont: »Freilich müssen die Maler auch das Antlitz jugend­ lich blühender Menschen zeigen, und ohne ein schönes Gesicht ist das Gemälde tot.«789 wie die wortwahl, namentlich das insinuierte epitheton »formae« für Ginevra erken­ nen lässt, reichte leonardos Geltungsanspruch durchaus über das mit schönheit ideali­ ter geschaffene ›leben‹ hinaus. Als Maler strengte er zudem den wettstreit mit einem der berühmtesten Bildhauerwerke des Altertums an, der Athena Lemnia des phidias. er beerbte dieses Bronzewerk m. e. insofern, als diese Frauenstatue wegen ihrer außer­ gewöhnlichen schönheit – plinius zufolge – den Beinamen »die schöne« (»formae«) erhielt.790 so früh wie gegen 1420 huldigte lodovico de Guastis unter dem rubrum »de arte lapicidarum« dieser, eigentlich bronzenen schönen, ohne die wortwahl zu ver­ ändern.791 Fand leonardo Gefallen daran, einen schönheitsagon zwischen schönen Kunst­ werken in das Feld des paragone verlagern? 792 croppers von dempsey und Bolzoni gefolgte theorie, dass leonardo die Zweiseitigkeit seines porträts zur differenzierung zwischen dem nur äußeren Bild der Ginevra (»superficiales«), wie es die Vorderseite der tafel schmückt, und einem chiffre für ihre volle schönheit (auf der Bildnisrückseite) benutzt habe, ist verlockend.793 wir werden aber noch sehen, dass diese these ebenso falsch ist, wie sie richtig ist. denn sie erfasst nur eine der intendierten lesarten. Zu bedenken ist dabei Folgendes: forma fällt im Libro di pittura nur ein einziges Mal im sinne von schönheit.794 Für gewöhnlich, alles andere als selten, rekurrierte leonardo auf die andere Bedeutung von forma, namentlich auf die von »Gestalt«. Kein wunder, laut Alberti bestand die Aufgabe eines Malers primär darin, auf einer Bildfläche die

789 philostratos, Imagines, 2, 3, s. 91 (Üs: Otto schönberger). 790 plinius, NH, XXXiV, 54, s. 44f.: »[…] tam eximiae pulchritudinis, ut formae cognomen acceperit«; vgl., mit einem Ovid­Zitat, Barbaro, Castigationes, Bd. iii, s. 1094: »›[…] Bellica phidiaca stat dea factu manu.« das werk von phidias konnte deshalb in rivalität zur Venus von Apelles gesehen wer­ den; s. 1451 in Barbaro, Epistolario, Bd. ii, s. 742: »ideoque te hotor ut non sicut Apelles Veneris caput summa arte perfecit, reliquam autem partem corporis […]«; pontano, Carmina, nr. 10, vv. 23–24, s. 454: »[…] multa Veneris quod arte /pinxit Apelles.« 791 lodovicus de Guastis, Epithoma, Br, Ms. 992, fol. 97v (zititert nach pfisterer, 1999, Anhang, s. 92, nr. 5): »[…] quem Venerem sive Minervam mirandae formae sculpisse«); ohne Betonung der schön­ heit Ghiberti, I commentarii, i, 6.23., s. 60. 792 Ovid, Heroides, XVi, vv. 69–70, s. 158: »arbiter es formae; certamina siste dearum, / vincere quae forma digna sit una duas!« 793 cropper, 1986, s. 183ff. und dempsey, 1992, s. 64; vgl. Bolzoni, 2010, s. 250, s. 351. 794 leonardo, Libro di pittura, iii, 291, Bd. i, s. 262: »nOn si FAcciA muscoli con aspra difinizione, ma li dolci lumi finiscano insensibilmente nelle piacevoli e dilettevoli ombre, e di questo nasce grazia e formosità.«

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Gestalt (»forme«) »der gesehenen dinge« abzubilden.795 den Begriff ›Gestalt‹ assoziierte leonardo – und nicht nur er –796 bevorzugt mit der porträtkunst, wobei ihm im parago­ ne daran lag, die Allgemeinverständlichkeit seiner Kunstgattung – im Gegensatz zu der, die die dichter betreiben – ins rechte licht zu rücken. sein Argument ist, dass die Ver­ ständlichkeit der dichter an die jeweilige landessprache gebunden sei, nicht so die spra­ che der Maler. leonardo meinte das prominent bei Aristoteles (in De interpretatione), bei platon, später überdies in Augustins De magistro abgehandelte phänomen der Arbitrari­ tät, d. h. das der Beliebigkeit eines sprachlichen Zeichens bezüglich der Zusammengehö­ rigkeit von signifikant und signifikat. das problem liegt darin, dass worte nur signifi­ kanten sind, die nach Übereinkünften für etwas stehen, aber nicht die sache selbst ad hoc vorführen. Anders gesagt: für denjenigen, der nicht um die wortbedeutung weiß, ist das wort, jedenfalls Augustinus zufolge, nur leeres lautgeklingel.797 Angesichts dieser schwäche der wortkunst wirft leonardo die rhetorische Frage auf, was wohl näher am 795 Alberti, Della pittura, i, 12, s. 82: »e sappiano che [quando] con sue linee circuiscono la superficie, e quando empiono di colori e’ luoghi descritti, niun’ altra cosa cercarsi se non che in questa superficia si representino le forme delle cose vedute […].« nicht anders santi, La vita, XXii, cap. 91, vv. 322–323, Bd. ii, s. 672: »[…] costei in propria forma, e lei trasmuta, / in scorto ogni figura poi reduce […].« 796 der wunsch, die eigene Gestalt überdauern zu lassen, kam expressis verbis im bereits erwähnten ehe­ paar­diptychon des ›Maestro delle storie del pane‹ (zugeschrieben) zum Ausdruck (Abb. 56 a–b). Auf diesem ist zu lesen: »ut sit nostra forma superstes«; vgl. Ovid, Tristia, iii, 7, v. 50, s. 142/143 (Üs: w. willige): »me tamen extincto fama superstes erit,« (wenn ich erlosch, wird der ruhm doch meinen tod überstehn:«); vgl. auch Ovid, Amores, iii, 15, v. 20. – ein anderer Maler, Andrea previtali, brach­ te zum Memento mori­Motiv einer Bildnis­rückseite – einem totenschädel – (Abb. 121) die worte an: »hic hec FOrMA MAnet […]« (diese Gestalt bleibt bestehen […]); zu diesem Gemälde, das wir noch besprechen werden, s. cap. Vii.5.2. – hinzu kam, dass die um sophistische spielereien nie verlegenen humanisten bei der wesenserläuterung der rhetorischen forma oft den Vergleich mit der bildenden Kunst suchten. so brachte der Mailänder humanist Antonio da rho um 1442 folgen­ den Vergleich: der redner sei jenen Malern ähnlich, die, obwohl sie sich selbst von der natur und Kunst für mächtig ausgestattet hielten und sich bemühen mögen, die Formen und Bilder aller dinge wie ein Apelles oder Aglaophon darzustellen, letztlich doch nicht solche perfektion erreichen könn­ ten, obwohl sie es seit ihrer Kindheit noch so sehr gelernt hätten: »sed neque natura neque arte simul id quod quaerimus adipiscemur. deficiente etenim splendido et ornato viro, quem per vestigia in dice­ ndo passim insequamur, neque graves in sententiis neque elegantes sermonis in cultu splendoreque verborum esse poterimus, non dissimiles recte plerisque pictoribus, qui, cum natura et arte sese polle­ re arbitrentur rerumque omnium formas* et imagines quasi Apelles et Aglaophon effingere conten­ dant, non tamen res ipsas, cum a pueris prave didicerint, expolire poterunt, rudes omnino et ab omni cultu abhorrentes«; zitiert nach Müllner, 1899, s. 167–173; vgl. Baxandall, 1971, s. 65ff.; ähnlich Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 71. 797 Grundlegend das zweite Buch des Organon: Aristoteles, De interpretatione, cap. 1; vgl. Augustinus, De magistro; die sprachtheorie Augustins geht vom dualismus des zeichenhaften wortklanges und den gesehenen res aus; dazu Ulrich duchrow, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustin (hermeneutische Untersuchungen zur theologie 5), tübingen, 1965, s. 47, s. 62ff. und Joseph A. Mazzeo, »st. Augustine’s rhetoric of silence. truth versus eloquence and things versus signs«, in:

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Menschen sei, das wort ›Mensch‹ oder das Abbild des Menschen. das wort ›Mensch‹, so lautet die Antwort, wechselt nach verschiedenen ländern, aber die Gestalt [forma], sie ändere sich nicht, außer durch den tod.798 Vor diesem hintergrund ist es schwer vor­ stellbar, dass leonardo mit »FOrMA« nicht zugleich Ginevras Gestalt im sinne hatte, die er – zur provokation des Vergleichs – in zweierlei weise präsentiert hat: porträthaft, in Form ihrer individuellen physiognomie und, durchaus ein weiteres Mal durch die sache selbst, mit dem wacholder, der, visualisiert für ihren namen stehend, sofort begrif­ fen werden kann. Kurzum, das Bild ist direkter als worte, besser als worthülsen zumal.

3.2. Zwischen heraldik und Baumagon »[…] et credea che non le somiglianze de’ sermoni, ma le sustanze dell’operagioni fussono da esser ponderate et riguardate.« Bembo, Asolani, ii, cap. 3, s. 130

der wacholder, den leonardo malte, belebte eine zwar nicht umfängliche, aber existen­ te ikonografische tradition. sie zehrte primär von pausanias’ Bericht über die Aufstel­ lung eines Artemis­holzbildes in einem nach diesem auch benannten wacholderbaum (κέδρεατις).799 diese Quelle fiel für leonardos polyptoton ginevra – ginepro vermutlich mehr ins Gewicht als der von pisanello gemalte kleine wacholderzweig, der den Ärmel eines porträtierten estensischen jungen Mädchens ziert, von der keineswegs gesichert ist, ob es Ginevra d’este, die halbschwester des Fürsten leonello vorführt.800 wer sich der JHI, 23, 1962, s. 175–196. dieses thema der cognizione delle cose greift im cinquecento sperone spe­ roni auf, im zweiten teil seines Dialogo delle lingue. 798 leonardo, Libro di pittura, i, 19, s. 143: »[…] perchè se la poesia s’astende con le parole a figurare forme, atti e siti, il pittore si move con le proprie similitudini delle forme a contraffare esse forme. Or guarda qual’è più propinquo a l’omo, o ’l nome de omo, o la similitudine d’esso omo? il nome de l’omo si varia in varii paesi, e la forma non è mutata se non per morte. e se il poeta serve al senso per la via de l’orecchio, il pittore per la via de l’occhio, più degno senso.« die Grundlagen dieser Argumenta­ tion sind bislang nicht erkannt worden; vgl. Farago, 1992, s. 341ff. M. e. ist dieser passus eindeutig abhängig von platon, Kratylos, 439a–b, Bd. ii, s. 180 (Üs: schleiermacher): »wenn man also zwar auch wirklich die dinge durch die wörter kann kennenlernen, man kann es aber auch durch die sache selbst, welches wäre wohl dann die schönere und sichere Art, zur erkenntnis zu gelangen? Aus dem Bilde erst dieses selbst kennenzulernen, ob es gut gearbeitet ist, und auch das wesen selbst, des­ sen Bild es war, oder aus dem wesen erst dieses selbst und dann auch sein Bild, ob es ihm angemessen gearbeitet ist?« 799 siehe pausanias, Beschreibung Griechenlands, Viii, 12. 800 (paris, Musée du louvre, département des peintures, rF 766); mit der erwägung einer darstellung von lucia d’ este und der diskussion bisheriger identifizierungsversuche s. Pisanello, 1996, s. 187–190, Kat.­nr. 105; auf s. 190 der Verweis auf leonardos Ginevra; die Farbabbildung auf s. 189; in Ferrara schmückten wacholderzweige auch das defilee von leonellos erster Braut, Margherita Gonzaga.

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wacholder­ikonografie nähern will, für den ist die schmale reihe von renaissance­Bild­ nissen, in denen die pflanze (zeitlich nach leonardo) als Attribut auftaucht,801 weniger ersprießlich als der Blick auf die stereotype botanische charakterisierung des wachol­ ders im Quattrocento. diese kaprizierte sich, wie beispielweise bei Giovanni rucellai, auf die Zugehörigkeit zu den immergrünen Bäumen und auf seine eigentümliche härte und Festigkeit. Filarete sekundierte mit den wesenzügen »stark und stechend«.802 wäh­ rend Alberti in seiner liebespoesie den schatten des wacholders als locus amoenus emp­ fiehlt, hält leonardo die kläglichen Ausmaße dessen eher für ein hindernis, wenn es darum ginge, allzu kontrastreiche lichteffekte einzufangen.803 Markanter als in Battista Fieras herbarium von 1489, Coena de herbarum virtutibus,804 treten die Konturen des wacholders in einem Buch zutage, das aus der Feder savonarolas stammt, Compendium philosophiae naturalis. leonardo, der selbst ein »erbolaio grande« besaß,805 dürften ähn­ 801 ein wacholderzweig ist das Attribut des einst Bartolomeo Veneto zugeschriebenen Bildnisses eines Mannes (paris, privatsammlung); s. laura pagnotto, Bartolomeo Veneto. L’opera completa, Florenz, 1997, s. 316, nr. A. – rätselhaft ist die ikonografie der rückseiten­ oder deckelbemalung eines unbe­ kannten Bildnisses von piero di cosimo von ca. 1500 (washington, national Gallery of Art, samuel h. Kress collection 1939, inv.­nr. 271): die auf einer winzigen insel befindliche weibliche geflügelte Gestalt hält in der linken einen wacholderzweig, mit der rechten führt sie einen sich aufbäumenden hengst; im Vordergrund schwimmt eine nixe; einige abgebrochene wacholderzweige und ­nadeln treiben im wasser; s. dülberg, 1990, s. 291f., Kat.­nr. 325, taf. 71, Abb. 155. 802 die härte unterstreicht Alberti, De re aedificatoria, ii, cap. 6, s. 125: »subdivalibus trabeationibus et tecturis iuniperum omnibus praeferunt; et huic ait plinius eandem esse naturam atque cedro, sed solidiorem«; vgl. plinius, NH, XVi, 198; Alberti (ebenda, ii, cap. 7, s. 133) betont zudem die halt­ barkeit des wacholders bezüglich eines holzdaches von einem diana­tempel; rucellai, Zibaldone, s. 22: »e più, v’è uno pogiuolo, verde, d’ogni tempo, d’abeti e albori (ginepri, chorbezzoli, allori e ginestre, bossi), alto braccia octo, e gira d’intorno […]«; Filarete, Trattato, iii, Bd. i, s. 79: »il ginepro è forte e tegnente, perché se ne fa cerchi da botti.« Vgl. Francesco di Giorgio Martini, Trattati, Bd. i, s. 108, 207, 248, 323; und Hypnerotomachia Poliphili, fol. 8r, s. 289: »iuniperi, conducti topiaria­ mente in multiplici figurali expressi, cum minute et pongiente fronde, il marito dilla diva genitrice volenteri conservabile: […]«. 803 Alberti, Rime, nr. 16 (Io mir, Amor, la terra e i fiumi e l’onde), v. 13, Bd. ii, s. 48 »sedendo a l’ombra de’ginepri e faggi«; vgl. leonardo, Libro di pittura, V, 679, s. 400: »dove non si genera ombre di grande oscurità, non si può ancora generare lumi di gran chiarezza. e questo accade negli alberi di rare e strette foglie, come salici, scope, ginepri e simili, […]«; vgl. ebenda, V, 806, s. 460–461: »Alcuni con minutissime foglie, altri con rare, come il ginepro, e ’l platano e simili«; ebenda, Vi, 822ff., Bd. ii, s. 230ff. 804 Fiera, Coena de herbarum virtutibus, s. 11: »Bacca iuniperi. Gratia iuniperi baccis sitientibus ingens: pulmonem stomachumque igne tepente iuvant. seminanimé revocant matricé: bacca dolores: iuniperus flammis usta/venena fugat.« plinius, NH, Xii, 67 unterstreicht beim wacholder nur die Ähnlichkeit zur Myrrhe. 805 Vgl. leonardo, Codex Madrid II, fol. 2v.

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liche definitionen vertraut gewesen sein: »wacholder. das ist ein Baum, der bei uns der Zypresse ähnlich ist und nadeln anstelle der Blätter hat, die im sommer frisch und im winter grün sind […].«806 Bekanntlich bestimmten diese und andere eigenheiten des Baumes jene, für die ›pflanzenstadt‹ Florenz (»Fiorenza«) typischen diskurse, legenden und performative szenarien. sie waren so sehr mit dem lokalen selbstverständnis ver­ mengt, dass landino in seinem dante­Kommentar den rang der Arnostadt als zweites Athen mit der vermeintlichen etymologischen wurzel Athens, mit »anthos« (Blume), zu legitimieren suchte.807 nicht allein der lorbeer, der im Bewusstsein der Bürger in ihrem stadtoberhaupt lorenzo de’ Medici inkarniert zu sein schien,808 provozierte Allegoresen; selbst der name der Künstlerfamilie della robbia wurde mit mehr als nur vegetabilischer Bedeutung deshalb aufgeladen, da »rubia tinctorum« identisch mit der Färberröte oder auch Krapp­pflanze gewesen ist.809 die mithin verschrobensten impulse für diese vergnüglichen spielereien spendete ein althergebrachtes Genos, das, aus der tradierten rangstreitkultur kommend, im Florenz der Frühen neuzeit ein mächtiges echo erlebte, so wenig es von der Kunstgeschichte wahrgenommen wurde: der Baumagon. Äsop, Kallimachos oder columella ergötzten sich einst weidlich am Ausspielen typischer eigenheiten verschiedener Baumarten gegen­ einander, seien es schönheit, Blattreichtum, schnelligkeit im wachsen oder haltbar­ keit.810 leonardo, der drei verschiedene editionen der aesopischen Fabeln besaß, kannte

806 savonarola, Compendium philosophae naturalis, X, nr. 28, s. 187f.: »iuniperus. est arbor apud nos similis cypresso, spinas profoliis habens, virides aestate et hyeme virentes, grana pro fructu nigra; et dicitur quod confert attritioni lacertorum, et inde est quod lassi dormiunt in umbra eius; mundificat etiam et aperit operationes nutrimenti.« 807 landino, Comento, ›proemio‹, cap. 4, Bd. i, s. 238: »Ma credo veramente potere concludere nell’ornato del dire Fiorenza sequitare le vestigie della greca Athene. conviensi nel nome, se è vero quello che non ignobili scriptori greci referiscono che Athene non sia decta da Athena, i. Minerva, ma da ›anthos‹, i. ›fiore.‹« Mit botanischem Beiklang wird Florenz auch in Bartolomeo scalas Gedicht von ca. 1496– 1497 beschrieben, De arboribus (scala, Orationes, s. 426ff.). 808 Gentile Becchi, der erzieher von lorenzo de’ Medici, pflegte sich als »Zweig des lorbeers« zu bezeich­ nen; Briefe zeichnete er gelegentlich mit »Gentile di lorenzo« ab; dazu Mario Martelli, »nelle stalle di lorenzo«, in: ASI, 150, 1992, s. 267–302, s. 271, s. 282–286 und zur frühen panegyrik auf loren­ zo de’ Medici leuker, 2007, s. 199ff. 809 dazu Gentilini, 1992, Bd. i, s. 11–12. – Allegoresen dieser Art erfreuten sich auch außerhalb von Florenz einer enormen popularität. der zu ludovico il Moros devise gehörende Maulbeerbaum (im lateinischen »morus«, im italienischen »moro celso«) alludierte an die charakterisierung von plinius, NH, XVi, 102, s. 72 als der »weiseste Baum« »morus […] sapientissima arborum.« 810 Froleyks, 1973, s. 21ff.; drei Agone zwischen Bäumen auf s. 282; lukrez, De rerum natura, V, vv. 786ff. sprach von einem großen wettstreit der Bäume im emporzuwachsen.

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zumindest eine der antiken Quellen.811 nach dem durchaus typischen Verlauf eines Baumagons, dem zwischen einem lorbeer und Ölbaum bei Kallimachos, gießt der lor­ beer, als, wie er sich rühmt, Festschmuck, seinen spott über die Blätter des rivalen aus; und als bewährte heldische Grabesgabe (vv. 46–56), als Apolls lieblingsbaum und als schöpfung der Athena (vv. 64–69) kontert der Ölbaum siegreich mit der diskreditie­ rung des lorbeers als hervorbringsel der erde.812 Florentinische dichter, unter ihnen Alberti wie poliziano, riefen diese tradition zuhauf ins Gedächtnis zurück; 813 und man braucht nicht lange nach konkreten Zeugnissen für die rolle des wacholders in ihr zu suchen, wie es Albertis wortgefecht zwischen Iuniperus und einem pilz, Fungus, beweist. Verwundert über die stets bitteren wacholderbeeren, fragt der pilz nach deren reifezeit, woraufhin der wacholder, in einem ironischen Bekenntnis zur eigenen langsamkeit des wachsens, auf seine Antwort in vier tagen vertröstet.814 Zusammenfassend lässt sich sagen: leonardo hat Ginevra de’ Benci, wenn wir es so bezeichnen wollen, more fiorentino primär als Bürgerin von Florenz ausgewiesen, wie es auch ihre poetischen Minnen taten. sie alle applizierten die tugenden des wacholders auf die schöne Florentinerin. Bezeichnenderweise fanden diese – immergrün und stechend – 1592 selbst eingang in ein Il merito delle donne tituliertes Buch.815 das heraldische Miteinander von lorbeer und wacholder, mit dem die rückseite des Ginevra­porträts aufwartet, musste, den Vergleich stimulierend, zu folgender Feststellung führen: beide pflanzen kongruieren, die dichter wussten es, in ihrer immergrünen permanenz, in ihrer

811 leonardo, Codex Madrid II, fol. 2v vermerkt den »isopo i’lingua franciosa«, Äsop in Versen (»isopo in versi«) und die Fabeln des Äsop (»Favole d’isopo«); ein wettstreit zwischen eiche und schilfrohr in Äsop, Fabeln, nr. 70. 812 siehe frg. 194 in Kallimachos, Poemata, s. 334ff. 813 Alberti sprach unter rekurs auf columella von der tiefen Feindschaft zwischen dem Ölbaum und der eiche und der Freundschaft zwischen raute und Feigenbaum; Alberti, Della famiglia, iV, Bd. i, s. 268: »scrive columella tanta essere inimicizia tra l’olivo e il quercio, che ancora tagliata la quercia, le sole sue sotto terra radici estingueno qualunque ivi presso fusse piantato olivo« und »plinio troppo la ruta essere amicissima al fico, poiché insieme curano el veneno, e sotto el fico piantata escresce lietis­ sima, e più che in qual sia altrove luogo si fa ampla e verzosa.« poliziano kannte das unter dem namen Ovids überlieferte parodistische Klagelied, in dem angesichts eines nussbaumes, eigentlich eine Baum­ nymphe, von einem wettstreit unter Bäumen um den größeren ertrag die rede ist; s. poliziano, Opera omnia, Bd. ii, s. 178; (und an vielen stellen von Silvae, Bd. ii, s. 285ff.); und Epigrammatum liber, in: ebenda, Bd. i, s. 616: »in OleAM VitiBVs iMplicAtAM: / Quid me implicates, palmites / plan­ tam Minervae, non Bromi? / procul racemos tollite, / ne virgo dicar ebria.« Vgl. pseudo­Ovid, Nux (der nussbaum), vv. 7ff., s. 142: »at prius arboribus, tum cum meliora fuerunt / tempora, certamen fertili­ tatis erat;«. 814 Alberti, Apologhi, s. 82, nr. 37: »Fungus: ›heus‹ dixit ›o iunipere, audio multos te iam soles vidisse et usque acerbas baccas habes. Quandone igitur maturescent?‹. ›O dulcissime‹ inquit iuniperus ›tardus sum, iccirco post quatriduum responsum dabo‹.« 815 Fonte, Il merito delle donne, ii, s. 120: »[…] è verde tutto l’anno […] il pungente ginebro.«

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dauerhaftigkeit.816 der stechende, folglich als sinnbild der Keuschheit geeignete wachol­ der wies ein Mehr an härte und Unnahbarkeit auf – nicht zu denken an philostrats Behauptung, dass sich Bäume zuweilen vermählen.817 in seiner schrift Ambra dichtete lorenzo de’ Medici, dass vom stich des kleinen wachholders nur derjenige verschont werde, der ihn zu pflücken verstehe.818 wir dürfen vermuten, dass die ›pflanzlichen tugenden‹ beider persönlichkeiten – der Florentinerin und des Venezianers – in welchem rahmen auch immer, einen diskussionsstoff bildeten, von dem die rückseitenbema­ lung der Ginevra­tafel einen Abglanz bietet.

3.3. Zur Materialikonografie und imitation des porphyrs im Quattrocento »[…] virtù dell’erbe, pietre e piante […] senza lo aiuto delle lingue […].« leonardo, Libro di pittura, i, 34, s. 158

Auf der Bildnisrückseite, deren Farbskala recht reduziert wirkt, zeigt sich eine porphyr­ nachahmung, erkennbar an den charakteristischen roten einsprengseln auf schwarzem Grund. diese Gesteinsart, die bereits in der Kaiserzeit im ruf der erlesenheit stand, fei­ erte unter den Medici, unter dem maßgeblichen Zutun von leonardos lehrer Ver­ rocchio, eine Glanzzeit in der sepulkralkunst. sie wurde von beachtlichen porphyrimi­ tationen in der Buchmalerei flankiert. An diesen war Bembos enger Freund, der paduanische schreiber und Buchilluminator Bartolomeo sanvito – er war taufpate und vielleicht sogar der namensgeber von Bembos sohn – nicht unerheblich beteiligt.819 wäh­ rend jedoch die Buchmaler des 15. Jahrhunderts vorzugsweise kleine architektonische 816 Braccesi, Carmina, s. 76, nr. 7, v. 28: »hic viridis semper laurus, gratissima phoebo«; horaz, Carmina, ii, v. 15, s. 66: »laurus aeternos honores«. Bernardo Bembo pries den lorbeer als »mea laurus sempiterna […] hominum decus«; s. BA, Ms. Ambros. c 145, fol. 294v; zitiert nach Giannetto, 1985, s. 107; zur Auslegung des lorbeers enrico Maria dal pozzolo, »il lauro di laura e delle ›Maritate Veneziane‹«, in: Mitt. Florenz, 37, 1993, s. 257–292. 817 philostratos, Imagines, 9, 6, s. 111. 818 lorenzo de’ Medici, Ambra, vv. 15–16: »l’humil ginepro con acute foglie / la man non punge altrui, chi ben lo coglie.« die der palme zugedachte eigenschaft ist stereotyp das signum des sieges. so wird die pflanze selbst in einem Brief ausgewiesen, der 1490 an Ginevra de’ Benci adressiert ist. darin heißt es: »chè generosa è l’alma – Anchor verde è la palma – florida di victoria – nè pensa è la memo­ ria«; s. walker, 1967, s. 25; die ungewöhnliche spannkraft und stärke der palme betont plinius, NH, XVi, 42 (81), 223. 819 siehe Bartolomeo Sanvito. The Life and Work of a Renaissance Scribe, hrsg. v. Anthony hobson, paris, 2009; und wolf­dietrich löhr, »tätige trägheit. petrarca, Bembo, sanvito und das Buch als denk­ mal des Autors«, in: Autorbilder: Zur Medialität literarischer Kommunikation im Mittelalter und Früher Neuzeit (tholos. Kunsthistorische studien 2), hrsg. v. Gerald Kapfhammer et alt., Münster, 2007, s. 155–199; The Painted Page, 1994, nr. 19, nr. 49. – Zu Verrocchios Grab für cosimo de’ Medici

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porphyr­ oder sonstige Marmordenkmäler ins Bild setzten, die bald Buchtitel, bald capoversi trugen, herrschte in der tafelmalerei meist eine eigene note vor, die davon deutlich abweicht. sie wird von der Forschung zu Unrecht übergangen. so ambitioniert leonar­ do (und nicht nur er) bei der rückseitenmarmorierung seines Bildnisses vorging, diese imitation blieb wohlbemerkt bei der textur einer glatt polierten steinfläche stehen. weder trachtete leonardo nach der imitation eines echten rohlings von steinblock mit grober Oberflächenstruktur, geschweige denn nach der perspektivischen Ausdifferenzie­ rung eines wie auch immer behauenen steines. es ging folglich eben darum: um die Zurschaustellung eines ausdrücklich gemalten, flächenhaften Marmors mitsamt seinem Glanz und seiner schönheit. Vor diesen Qualitäten verschloss sich auch ein dichter wie cristoforo landino nicht, nachdem dante im Purgatorio angesichts der porphyr­Kon­ sistenz der dritten und höchsten stufe zum läuterungsberg die Farbwirkung dieses stei­ nes mit Feuer und Blut verglichen hatte, »das aus der Vene sprudelt«.820 der Vergleich der stein­Äderung mit echten Venen musste leben suggerieren, das diesem stein inne­ wohnt. in leonardos Gemälde avancierte das Material des Bildhauers zu einem Arte­ fakt. statt es (wie der Bildhauer) allein der natur zu entnehmen, schuf leonardo es nach Kräften als Maler eigenhändig. seit der ausgreifenden Monografie, die Butters 1996 vorgelegt hat, ist die Material­ ikonografie des porphyrs im italien des 16. Jahrhunderts – weit besser als die von anderen Bildhauer­werkstoffen – recht gut erfasst.821 sie krankt jedoch in einem beklagenswer­ ten Maße an der Auslassung einer Zusammenschau der kunsttheoretischen Zeugnisse aus dem Quattrocento. so muss für uns entscheidendes unklar bleiben, ob nämlich das und zum Grab für Giovanni und piero de’ Medici in der Alten sakristei von san lorenzo Butterfield, 1997, s. 35, Abb. 38; s. 44f., Abb. 54. 820 dante, Purgatorio, iX, vv. 100ff., Bd. ii, s. 110–111: »lo terzo, che di sopra s’ammassiccia, / porfido mi parea sì fiammeggiante, / come sangue che fuor di vena spiccia.« Zur Bedeutung der Kulthand­ lung der Kommentar von Gmelin in ebenda, Bd. V, s. 166. speziell zum porphyr bei dante auch susan McKillop, »dante and lumen christi: A proposal for the Meaning of the tomb of cosimo de’ Medici«, in: Cosimo ›il Vecchio‹ de’ Medici, 1389–1464, hrsg. v. Frances Ames­lewis, Oxford, 1992, s. 245–301, insbes. s. 289–291. landino, Disputationes Camaldolenses, iV, s. 207: »Marmor res dura est ac mirus in eo et candor et splendor apparet, unde ab eo, quod μαρμαίρειν Graeci splendere dicunt, nomen sumpsit.« 821 Zur Materialikonografie des porphyrs grundlegend Butters, 1996, Bd. i, s. 41ff.; zahlreiche Belege aus der Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts über den porphyr ebenda, Bd. ii, s. 398ff.; über leonar­ dos Ginevra ebenda, Bd. i, s. 109–110; über spezialwerkzeuge zur Bearbeitung des porphyrs ebenda, Bd. i, s. 149; und wendy stedman sheard, »Verrocchio’s Medici tomb and the language of Materi­ als«, in: Verrocchio and Late Quattrocento Italian Sculpture, hrsg. v. steven Bule et alt., Florenz, 1992, s. 63–69; e. James Mundy, »porphyry and the ›posthumous‹ Fifteenth century portrait«, in: Pantheon, 46, 1988, s. 37–43; zum materialikonografisch uneindeutigen porphyr Andreas Beyer, »Funktion und repräsentation. die porphyr­rotae der Medici«, in: Piero de’ Medici ›il Gottoso‹, hrsg. v. Andreas Beyer et alt., Berlin, 1993, s. 151–167; zuletzt Blumenröder, 2008, s. 114, 131, 214–215.

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mehrfach in Varchis enquête ausgespielte paragone­Argument der Bildhauer, dass die ungewöhnliche härte ihres werkstoffes porphyr einzig ihre Kunst gegen den Zahn der Zeit wappne, eine erwähnenswerte, in der Akzentgebung kohärente Vorgeschichte besaß. Unklar bleibt daher, ob uns mit dem porphyr, den leonardo fingierte, die revan­ che eines Malers vors Auge tritt.822 Bezeichnenderweise wartet keine studie zur Ginevra mit einem Befund aus leonardos schriften auf, was nicht heißen soll, dass es diesen nicht gäbe: eine notiz leonardos im Codex G – sie stammt von 1511 – beweist seine per­ sönliche Assoziierung des porphyrs mit »härte«, als es heißt: »Marmor di carrara sanza macule ch’ è della durezza del porfido o di più«.823 diese authentische erklärung seitens leonardos stellt den Konnex mit dem duratà­Argument im paragone auf festen Grund. Und im Libro dei sogni, verfasst vom ausgewiesenen leonardo­Kenner lomazzo, be­ kommt ›Leonardo‹ eine treffliche porphyr­charakterisierung in den Mund gelegt: eines steines nämlich, der »hart und rauh« (»crude et aspre«) sei.824 im Quattrocento beschäf­ tigten sich hauptsächlich die Architekturtheoretiker mit porphyren, nachdem sich Franco sacchetti bereits ein Jahrhundert zuvor seitenweise über »pietre preziose e loro virtù« geäußert hatte.825 die für Bildhauer typische sicht beginnt im Trattato Filaretes hörbar zu werden. er achtet die buntscheckigen porphyre als »höchst hart und wertvoller als andere Marmo­ re«, als »schwer zu bearbeiten« und schließlich als resistent gegen Feuersbrünste.826 nicht unbeteiligt am renommee des mit einspenglingen belebten porphyrs, den man in Ägypten finde, war der Architekturtheoretiker Francesco di Giorgio Martini. er hebt dessen äußerste härte und daher mühsame Bearbeitung hervor. Alberti insistiert in sei­ nem Architekturtraktat auf der Unverwüstlichkeit des steines, dem Feuer nichts anha­ ben könne.827 eine leonardo vertraute, eine rein praktische Funktion des porphyrs in 822 referiert von Bronzino im Brief an Varchi in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 500, 502; und vgl. lodovi­ co dolce im Brief an Ballini ebenda, s. 812. 823 leonardo, Codex G (paris, institut de France), fol. 1v mit der datierung auf den 2. Januar 1511; zitiert nach Beltrami, 1919, s. 135, nr. 212. 824 lomazzo, Libro dei sogni, V, Bd. i, s. 101. die wortwahl ist identisch mit der charakterisierung der Bildhauertätigkeit in Anton Francesco donis dialog Disegno (Scritti d’arte, 1971–1977, s. 560): »[…] l’operare in scoltura è aspro […].« 825 Franco sacchetti, I sermoni evangelici, le lettere ed altri scritti inediti o rari, hrsg. v. Ottavio Gigli, Flo­ renz, 1857, s. 262ff. 826 Filarete, Trattato, iii, Bd. i, s. 75: »[…] per li popolari sono quelle pietre che si chiamano porfidi di variati colori, cioè rossi, verdi e d’altri colori mischiati. Questi sono durissimi, e più preziosi che gli altri marmi benché non sieno bianchi, nonistante […]«; und ebenda, iii, Bd. i, s. 76 spricht Filarete von der Feuerprobe, die er an den porphyrsäulen der Kirche Aracoeli in rom gemacht habe, und sie hätten es ausgehalten. 827 Francesco di Giorgio Martini, Trattati, Bd. ii, s. 310: »Un’ altra diversità di pietra molto estimata, porfirio appellata, la quale fu trovata in egitto, per altro nome chiamato leuxticto, di grandissima sal­ dezza, durissimo e difficile a lavorare, quasi rosso, di bianco et incarnato ponteggiato, alcuno più

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Künstlerwerkstätten der renaissance begegnet infolge von Felice Felicianos Farbenbuch von 1460, Praecepta colorum. er empfahl sie dem Maler. schließlich wurde sie in einem holzschnitt des Büchleins Ortus Sanitatis illustriert, das 1491 die druckpressen verließ. Zu sehen ist ein handwerker, der mit einer porphyrplatte zugange ist (Abb. 104). Vorgeführt wird die nutzung des harten porphyrs zum Zerstoßen von Farben und Metallen – eine Funktion, die noch in den Abhandlungen cellinis und Biringuccios ihren platz zu behaupten vermag.828 Mit anderen worten: porphyr, das traditionelle Utensil zur Farbherstellung, wurde von leonardo mittels pul­ verisierter Farben glänzend nachgeahmt – ein Kniff, der nicht der ironie entbehrt. es ist sinnvoll, einen Blick auf Vorgängerwerke der Malerei mit umseitigen porphyrimitationen zu werfen 104 Handwerker mit einer Porphyrplatte, aus: Ortus Sanitatis, Mainz: Jacob – Vorgänger nicht im norden, nein, in italien. die nicht Meydenbach, 1491, cap. »de lapidibus«, zu Unrecht unternommenen Verweise der Forschung fol. GG1v auf die ersten rückseiten­Marmorierungen, mit denen Jan van eyck der Bildniskunst eine neue note gab, ver­ stellen meist den Blick darauf, dass italien, wenn auch in einem anderen Genre, in reli­ giösen werken, eine weit ausgefeiltere eigene tradition besaß, auf die Maler wie leonardo alcuno altro meno oscuro.« (Francesco di Giorgio versah gegen 1460 die rückseite des Gemäldes Die Hl. Dorothea und das Christuskind mit einer Marmorimitation; s. Francesco di Giorgio, 1993, Bd. s. 120); die Unverwüstlichkeit betont Alberti, De re aedificatoria, ii, cap. 11, s. 153: »At nos de porphirite lapide compertum habemus non modo flammis non excoqui, verum et contigua quaeque cirumhereant saxa intra fornacem reddere, ut ignibus ne quidquam satis excoquantur.« – der porphyr ist auch thematisiert in einem Giovanni Accolti gewidmeten Gedicht von Fonte, Carmina, s. 12, v. 8: »nunc ad porphyreas devintas aere columnas,« und in den Antiquarie prospettiche Romane, fol. 1v, i, vv. 66–68: »Que de serpentino marmo e chreta / di porfido alabastro et altre gemme / di man di phi­ dia praxitele leta«. 828 Feliciano, Praecepta colorum, fol. 16r, s. 63 empfiehlt das Zerreiben der Feilspäne von eisen auf por­ phyr (»trida sul porpido la limatura del ferro«); und Ortus Sanitatis, cap. »de lapidibus«, fol. GG1v; vgl. Biringuccio, De la pirotechnia, Vi, cap. 5, fol. 85v; niello soll laut cellini auf einem Amboss oder porphyrstein zerstoßen werden; s. cellini, Due trattati, s. 603: »di poi piglierai il detto niello, e pesta­ lo in su l’ancudine o in su il porfido […]«; vgl.: »e’ sono stati alcuni che hanno pesti gli smalti in su le pietre di porfido o di serpentino, le quali pietre son durissime, e ve li pestavano sù asciutti; […]«; ebenda, iii, s. 618; der porphyrstein zur Zubereitung der Farbe für diamanten ebenda, iX, s. 648; über das Zerstoßen sämtlicher Materialien auf dem bestens geeigneten porphyr ebenda, Xii, s. 684: »macinale in su la pietra e con la pietra, o porfido o altra pietra che tu possi avere, benché il porfido si è la meglio di tutte.«

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105 lippo Memmi, rückseite von: Thronende Madonna mit Kind, ca. 1340–1350, Altenburg, lindenau­Museum

106 Giovanni di paolo, rückseite von: Madonna mit Kind, um 1440–1445, Altenburg, lindenau­ Museum

zurückgreifen konnten. tatsächlich erweisen sich kunstvoll marmorierte Gemälde­ rückseiten im trecento nicht als seltenheit, wie eine schöpfung des sienesischen Malers lippi Memmi deutlich vor Augen führt (Abb. 105).829 der ebenfalls in siena behei­ matete Giovanni di paolo hat vor 1450 kunstvoll, mit erkennbaren dünkeln als Maler, die rückseitenbemalung (Abb. 106) einer einzeltafel vorgenommen, einer Madonna mit Kind, und er hat eben diese, mit seinem pinsel erzeugte porphyrfläche obendrein mit »∙ OpVs·/ iOhAnnis ∙« signiert, er hat sie mit einem illusionistischen Goldrahmen eingefasst, d. h. er präsentierte sie unter Verweis auf seine Urheberschaft wie ein auto­ nomes Gemälde.830 ergänzend nachzutragen unter den antiken erwähnungen von 829 (Altenburg, lindenau­Museum, inv.­nr. 43); die signierte tafel, es ist die linke seite eines ursprüng­ lichen diptychons, stammt von ca. 1340–1350; s. Kult Bild. Das Altar- und Andachtsbild von Duccio bis Perugino. Cult Image – Altarpiece and Devotional Painting from Duccio to Perugino, Ausstellungska­ talog (Frankfurt, städel Museum, 07.07.–22.10.2006), hrsg. v. Jochen sander, petersberg, 2006, s. 185, Abb. 49, Kat.­nr. 42. Zu Jan van eycks Marmorierungen statt vieler dülberg, 1990. 830 die tafel von circa 1440–1445 in Altenburg, lindenau­Museum, inv.­nr. 76; s. Kult Bild, 2006, s. 185, Abb. 51, Kat.­nr. 43. Unklar bleibt, ob die rückwärtige Anbringung der signatur auf den bereits erwähnten topos von den geheimen namenszügen des phidias am standbild der Athena Parthenos anspielt; manche Quellen sprechen von einer Vorkehrung des Künstlers, die dafür gesorgt

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pflanzlichem Zierat auf steinen ist eine Äußerung in der Naturalis historia. Von steinen mit palmzweigartiger Zeichnung wird berichtet,831 während plinius der Jüngere von marmornen wandpaneelen weiß, welche die Maler geradezu zu einem wettstreit mit den Marmorbildnern zu verführen vermochten. wir lesen in dieser nicht unbedeuten­ den sequenz nämlich, dass ein Gemälde, »das Zweige darstellt«, »der Anmut des Mar­ mors« in nichts nachstehe.832 leonardo malte beides zusammen, Marmor und Zweige. so gesehen liegt in der rückseitenbemalung der Ginevra­tafel eine über dekoratives hinausweisende Ambition. Gemalte Zweige auf einem Marmor, dessen hervorbringung sich seinerseits einem Maler verdankt, belegen, dass leonardo, der über steinimitatio­ nen zu theoretisieren pflegte, keinen Frieden mit der profanen Marmorbildnerei machte, sondern das dem rufe nach äußerst schwer zu bearbeitende Material porphyr höchst ele­ gant und (im Gegensatz zum Bildhauer) ganz ohne körperliche Mühsal entwarf. nur die geistige fatica kam zum tragen.833 in seiner Argumentation, dass die Malerei, obgleich sich schriftsteller unzureichend ihrer nobilität annahmen, dennoch edel sei, vollzog leonardo auch den Brückenschlag zu steinen und pflanzen. die Malerei an sich besitze, unabhängig von schriftzeugnissen über sie, ihren wert, vergleichbar mit der natur, in der die steine und pflanzen ja auch, ohne die hilfe von Zungen oder Buchstaben, ihre eigenschaften (»virtù«) besäßen.834 Und tatsächlich: der porphyr, der wacholder und leonardos Malerei – sie alle bekunden im Porträt der Ginevra de’ Benci ihre jeweilige virtù. Jacomettos ›Rehbock‹ und Lorbeer: Interpretationshilfen aus Venedig Jennifer Fletcher meldete 1989 ihre starken Zweifel an, ob leonardos Ginevra je nach Venedig gelangt sei. weshalb sollte der Kenner Marcantonio Michiel – so ihre Argu­ mentation – die erlesene tafel nicht gegen 1530 in seiner Beschreibung der Kunstsamm­

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habe, dass eine entfernung der signatur mit dem preis der Zerstörung des gesamten Kunstwerkes hätte bezahlt werden müssen; s. petrarca, De remediis/Keßler, ii, 88, s. 237 und pseudo­Aristoteles, De mirabilibus auscultationibus, 846a und De mundo, 399b. Giovanni di paolos Anbringung seiner signatur auf einer rückseite dürfte mitunter Vorbild für Filaretes signatur sein, die er 1445 auf der Bronzetür von sankt peter in rom anbrachte. das nach Art einer Medaille gestaltete zweiteilige selbstbildnis weist auf der ›rückseite‹ die inschrift »OpV/s/ AntO/nii« auf; s. warnke, 1992, s. 1001–112, s. 101 und s. 109, Abb. 1–2 und App. iV/B, nr. 5. plinius, NH, XXXV, 134. plinius d. J., Epistularum libri, V, 6, 22, s. 264–265 (Üs: helmut Kasten): »[…] nec cedit gratiae marmoris ramos insidentesque ramis aves imitata pictura.« Über grazia als wert in der Bildhauerkunst Ghiberti, I commentarii, i, 7.5. Zu den beiden Arten der fatica leonardo, Libro di pittura, i, 35, 36; zu dieser Opposition Mendel­ sohn, 1982, s. 115. Zur steinnachahmung leonardo, Codex Madrid II, fol. 73v, s. 137: »per fare pietre miste come diasspro« (Um wie Jaspis gesprenkelte steine herzustellen); vgl. lomazzo, Trattato, Bd. ii, s. 187: »per il rosso la pietra rossa detta ›apisso‹, la quale era usitatissima da leonardo Vinci.« leonardo, Libro di pittura, i, 34, s. 158.

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lung pietro Bembos erwähnt haben? 835 näher besehen existieren triftige Gründe für die entgegengesetzte position. die porphyr­rückseiten, mit denen der venezianische tafel­ und Miniaturmaler Jacometto im ausgehenden Quattrocento einige Bildnis­diptychen verzierte, spielen dabei eine schlüsselrolle. sie könnten den ikonografischen Gehalt von leonardos Ginevra noch mehr erhellen. Michiel wollte allein drei der Gemälde Jacomet­ tos in den Gefilden von Bernardo Bembos sohn pietro gesehen haben. in seiner Auf­ zählung, die er 1543 angefertigt hat, vergaß er auch jenes diptychon Jacomettos im Besitz Michele contarinis nicht, das links eine schleiertragende junge Frau präsentiert und auf der rückseite des porträts ihres männlichen Gegenübers – er identifiziert den dargestellten als Alvise contarini – das Motiv eines rehbocks (Abb. 5). das vor einem ›porphyrierten‹ hintergrund positionierte tier hat sich auf einem zerklüfteten erdsockel niedergelassen; es ist an einer zentralen, runden Goldplakette angekettet.836 der knappe, gräzisierende wortlaut, der dieser plakette eingeprägt zu sein scheint, »Für immer« (»Ai ei«), verleiht der hoffnung Ausdruck, die nicht zuletzt an das Gemälde selbst geknüpft ist.837 Für deren einlösung trat der Maler Jacometto dezidiert mit dem porphyr ein, dem Garanten der ewigkeit. wie bis heute nicht erkannt wurde, zählte der rehbock (lat.: »cervus capreolus«) aufgrund seiner ikonologischen Verschmelzung mit dem hirsch (lat. ebenfalls: »cervus«) (wie der perhennierende porphyr) zu jenen, der Zerstörung und der hinfälligkeit trotzenden Zeichen, deren sinn vom zeitgenössischen Betrachter erahnt werden konnte. Abgesehen davon, dass ein wild, das wie der rehbock der Gat­ tung der »cervi« angehört, als Motiv für ein klappbares diptychon deshalb geeignet erscheinen mochte, da plinius die wundersame Beweglichkeit eines Bronzehirsches

835 Fletcher, 1989, s. 813: »there is no reflection of it in Venetian portraiture of around 1475–1500.« 836 es heißt bei Michiel, Notizia, s. 84: »Vi è uno ritratto piccolo di M. Alvise contarini con M che morse già anni, e nell’istesso quadretto v’è il ritratto d’una Monaca di s. secondo, e sopra la coperta di detti ritratti un paese, e nella coperta di cuoro di detto quadretto fogliami di oro masenato, di mano di iacometto, opera perfettissima.« die rückseite fand im späteren Bericht erwähnung, als das werk in die sammlung Vendramin gelangt war: »[…] una carretta [cervietta] in un paese […] di mano di iacometto, opera perfettissima.« in der sammlung Bembos befand sich v. a. ein Bildnis pietro Bem­ bos; ebenda, s. 18: »el retratto dell’istesso [pietro Bembo], allora che l’era d’anni undici, fu de mano de iacometto, in profilo«, ein nicht näher bestimmtes kleines Gemälde (ebenda, s. 19): »el quadretto in più capitoli, che contiene la Vita de < …> fu de mano de iacometto« und ein Bildnis von carlo Bembo als Kleinkind (ebenda): »el retratto de M. carlo Bembo puttino fu de mano de iacometto, fatto allora ch’el naque, essendo M. Bernardo ambassador al duca carlo circa al 1472.« 837 Mit weiterführender literatur in Virtue and Beauty, 2001, Kat.­nr. 19, s. 154f. mit der datierung auf ca. 1485–1495; dülberg, 1990, Kat.­nr. 183, Abb. 78; pope­hennessy, 1966, s. 209–210; Brown, 1998, s. 119 erkannte die Verwandtschaft der Ginevra mit den werken Jacomettos; seine nicht über­ zeugende Frühdatierung von leonardos werk brachte ihn in die Verlegenheit, an dessen inspiration durch den Venezianer zu glauben; shearman, 1992, s. 118, Anm. 29 schloß nicht aus, dass die rück­ seitenbemalung der Ginevra von Jacometto stamme; ebenso elam, 2013.

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(»cervumque«) in didyma beredet,838 und abgesehen vom latenten Konnex zwischen dem gehörntragenden tier und dem Familienamen des porträtierten Mannes: cornaro (ital. »corno« heißt ›Geweih‹), erschöpfte sich in diesen Konnotationen offenbar nicht die Bedeutung, die Jacometto dem tier beizulegen wünschte.839 in der Antike sprich­ wörtlich, in der renaissance nie vergessen, wurde eine mutmaßliche eigenschaft des »cervus« hochgehalten: seine langlebigkeit, übrigens auch der Grund für die wahl der hirsche als Zugtiere des Triumphus Temporis. Auf hesiod rekurrierend, staunte plinius der Ältere über die hohe, bis zu hundert Jahren reichende lebenserwartung des hirsches, die viermal so groß wie die der Krähe sei. erwiesenermaßen, heißt es, fing man manch einen hirsch nach vollen hundert Jahren erst ein, wie es goldene halsketten, einst ange­ legt von Alexander dem Großen, bezeugen würden.840 Jacometto alludierte demzufolge mit der Goldkette des rehbocks an diese Anekdote, die petrarca im Canzoniere mit einer hirschkuh variiert.841 Und eine von cicero kolportierte nachricht, die den Bezug 838 Über das werk des Bildhauers Kanachos heißt es, in Ferse und Zehen sei eine bewegliche spitze so angebracht gewesen, »daß sie beim Zurückschwingen wechselseitig wieder zurückspringt«: plinius, NH, XXXiV, 75, s. 58/59 (Üs: roderich König): »[…] ita vertebrato dente utriusque in partibus, ut a repulsu per vices resilitat.« – es sei dahingestellt, ob bei Jacometto die Klangähnlichkeit zwischen den lateinischen worten »cervus« (hirsch) und »cervix« (rücken) eine rolle hinsichtlich des hir­ sches als rückseitenmotiv spielte. 839 dülberg, 1990, s. 125 und s. u. 840 plinius, NH, Vii, 153, s. 106: »hesiodus, qui primus aliqua de hoc prodidit, fabulose, ut reor, multa de hominum aevo referens, cornici novem nostras attribuit aetates, quadruplum eius cervis, […].« Und ebenda, Viii, 119, s. 92: »vita cervis in confesso longa, post c annos aliquibus denuo captis cum torquibus aureis, quos Alexander Magnus addiderat […].« Vgl. hesiod, frg. 171 und plutarch, Moralia, cap. »de defectu oraculorum«, 11, 415c; die langlebigkeit des hirsches auch in Juvenal, Satiren, XiV, v. 251 und Alberti, Momus, ii, s. 181. die Kette eines hirsches besingt auch Ovid, Metamorphosen, X, v. 110. 841 die Auffindung einer weißen hirschkuh mit einem wie folgt beschrifteten halsband: »noli me tan­ gere, caesaris sum« (Berühre mich nicht, ich gehöre cäsar) in petrarca, Canzoniere, nr. 190, vv. 1–4, 9–11, s. 518 (Üs: Gabor/dreyer): »Una candida cerva sopra l’erba 1 verde m’apparve, con duo corna d’oro, fra due riviere, all’ombra d’un alloro, levando ’l sole, a la stagione acerba. […] ›nessun mi tocchi’‹ al bel collo dintorno scritto avea di diamanti et di topazi; 10 ›libera farmi al mio cesare parve‹« der hirsch bei petrarca ist ein symbol für die reinheit von laura. eine ca. 1490 entstandene illustra­ tion zum Triumphus Mortis (zu nr. 323, s. 826: »Una fera m’ apparve […] con fronte humana«) zeigt eine hirschkuh, der ein Frauengesicht verliehen worden ist (london, library of Major J. r. Abbey, Ms. 7368, fol. 98v); s. Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 101, Abb. 6. Vgl. die devise »nessUn Mi tOcchi« zum Bild einer hirschkuh, die an einem Baum befestigt ist, in Jacopo Gelli, Divise – motti e

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

zum Menschen herstellte, ließ keinen porträtmaler kalt: theophrast hatte in seiner todesklage die lang­ lebigkeit des hirsches mit der Kurzlebigkeit des Men­ schen verglichen.842 in diesem sinne versteht sich Jaco­ mettos bildhafte Gegenüberstellung des Menschen mit dem tier als latentes memento mori – ein sinn, der jedoch von einer prätention, die dem porphyr anhaftet, unterlaufen wird, wohl getreu der hoffnung, die 1508 im sentenzenwerk des humanisten Filippo Beroaldo laut wird: »ultra cervos vixit« (er lebte länger als hir­ sche).843 diese Beobachtungen legen folgenden schluss nahe: da Jacometto, darin vielleicht dem berühmten, rückwärtig mit einem hirschen verzierten WiltonDiptychon nacheifernd,844 mit einer Ansammlung ide­ eller Bürgen die dauerhaftigkeit des Menschen wie der Kunst beschwor, kündete der porphyr­dekor von leo­ nardos Ginevra aus immergrünen, also immerwähren­ den pflanzen genau diesen Anspruch. diese these kann 107 Jacometto Veneziano, rückseite von: Bildnis eines Mannes, ca. 1490, london, mit Blick auf ein weiteres, mit dunklem Marmor rück­ national Gallery wärtig hinterfangenes Männerbildnis von Jacometto (Abb. 107) fundiert werden, dessen Zierat engstens mit dem der Ginevra­tafel verwandt ist.845 Zwei sich kreuzende, goldene lorbeerzweige, die eine schlaufe verbindet, ergänzt eine devise, präziser, ein Zitat aus den Oden des horaz. es ist die Ostentation der Unvergänglichkeit der liebe: »dreimal selig sind die allein, die untrennbar ein Band vereint«.846 ein symbolhaftes Bildarsenal, das für dauerhaftigkeit stand, unterstützt dies augenscheinlich. Funktionalisiert waltet es nun im reich der

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imprese di famiglie e personaggi italiani, [Mailand, 1928] Mailand, 1976, s. 342–343, nr. 1232. der hirsch als Keuschheitssymbol auch gegen 1510 im Buch von Antonio Fregoso, Cerva bianca, 1, s. 169. cicero, Tusculanae disputationes, iii, 69, s. 228f.: thephrastus autem moriens accusasse naturam dicitur quod cervis et cornicibus vitam diuturnam, quorum id nihil interesset, hominibus, quorum maxime interfuisset, tam exiguam vitam dedisset; […].« Beroaldo, Oratio proverbialis, fol. 52r unter Berufung auf plutarch. Vgl. 1498 das sprichwort in poly­ dorus, Proverbiorum libellus, fol. 17v–18r: »homo durae cervicis.« in diesem diptychon, das gegen 1400 entstand, liegt ein weißer hirsch auf Ginsterzweigen; s. dül­ berg, 1990, Abb. 22, s. 101. (london, national Gallery, inv.­nr. 3121); Virtue and Beauty, 2001, Kat.­nr. 20 mit der datierung auf ca. 1480/1485, s. 158–159; dülberg, 1990, s. 228, Kat.­nr. 168, s. 111, 131. »Felices ter et AMpliVs / QVOs / irrVptA tenet cOpVlA«; vgl. horaz, Oden, i, 13, vv. 17–18.

3. Die Rückseitenbemalung

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Malerei. wie exemplarisch der Marmor zeigt, adaptierten die Maler teils bevorzugt gat­ tungsfremde Qualitäten, um die Malerei, jedenfalls nach der seherfahrung, vom Makel des zeitlichen Verfalls zu befreien. so verwandelt sich die Malfläche unter Zuhilfenahme von wirkungsmechanismen, die an späterer stelle noch zu klären sein werden, in ein erprobungsterrain der Ansprüche des Malers, obgleich die taktile erfahrung diese jedoch stets neu zu untergraben droht. die faktische persistenz, sie bleibt der Malerei vorenthalten. Bestimmt nicht erst Vasaris ›proemium‹ zur gesamten Vitenausgabe stellte den Bezug zum paragone her. Aber eine Bemerkung von Vasari, der die hochgepriesene ewigkeit der Bildhauerkunst mit einem signifikanten tier­ und pflanzenvergleich ad absurdum führt, lässt erahnen, welches Vorstellungsgut leonardo und Jacometto im Betrachter günstigenfalls abriefen. Vasari, der die skulpturale dauerhaftigkeit, ganz in den spuren leonardos, als bloßes Verdienst des Materials abtat, dieses deshalb als paragone­Kriteri­ um ablehnte, schnitt ein lieblingsthema der humanisten an, die Unsterblichkeit der seele: »[…] wenn die lebenslänge der seele hochwertigkeit verleihen würde, dann hät­ ten die pinie unter den pflanzen und der hirsch unter den tieren eine sehr viel hoch­ wertigere seele als der Mensch.«847 nicht weniger zynisch, jedoch im gleichen tenor und unter einbeziehung des porphyrs im paragone bemächtigte sich schließlich raffaelo Borghini 1584 des hirsch­Beispieles.848 Mehr als ein Jahrhundert zuvor, gegen 1470, will der dichter callimaco esperiente von einer hirschkuh wissen, die kein Geringerer als Apelles gemalt habe. diese tierdarstellung wetteifert in esperientes distichon mit der natur und siegt: »in cervam pictam tam similem vive cerve me pinxit Apelles, Ut similis vivens sit sibi cerva minus.« 849 (Auf die gemalte hirschkuh. / Apelles hat mich der lebenden hirschkuh so ähnlich gemalt, / dass eine lebende hirschkuh ihr weniger ähnlich ist). die Quelle für ein Apelles­Gemälde dieses inhalts ist nicht zu ermitteln. Vielleicht bereite­ te der von plinius erstellte Konnex zwischen der Goldkette des hirsches und Alexander dem Großen den Boden dafür, dass ein Maler, der das ›aufgefundene‹ tier im Gemälde

847 Vasari, Le vite, Bd. i, s. 96: »non niegano l’eternità, poichè così la chiamano, delle sculture; ma dico­ no questo non esser privilegio che faccia l’arte più nobile ch’ella si sia di sua natura, per esser semplice­ mente della materia; e che se la lunghezza della vita desse all’anima nobilità, il pino tra le piante, e il cervio tra gli animali, arebbon l’anima oltramodo più nobile che non ha l’uomo.« 848 Vgl. raffaelo Borghini, Il Riposo, Bd. i, s. 35: »[…] che quella del porfido men lodevole, oltre à che se dal molto vivere la nobilità à nascesse, ne seguirebbe che il corbo, e il cervio, che molto più dell’huomo vivono di lui fossero più nobili, e che un huomo plebeo, e ignorante […].« 849 callimachus, Carmina, s. 195, nr. 66.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

festhielt, als sein lieblingsmaler erscheinen mochte. Quellen dieser Art mögen Jacomet­ to beflügelt haben.

3.4. plinus: Bilder der seele statt pomp »[…] la vera gloria non è nelle mura, nè ne’ sassi, ma nelle virtudi.« petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, Bd. i, cap. 118, s. 420

die Argumentation, die leonardo zur diskreditierung der skulpturalen, allein von der Materialität des Marmors profitierenden eternità einbrachte, zehrte maßgeblich von einem plinius­passus, der den Auftakt des fünfunddreißigsten Buches der Naturalis historia bildet. ihm lag er in landinos Volgare­Fassung vor. plinius skizziert darin krass das Bild einer Ära, die der dekadenz und der Verschwendungssucht verfiel, in der gemalte, auf tiefgang beruhende porträts keinen rechten platz mehr fänden; die Oberhand hät­ ten nun kostbare, allein dem oberflächlichen prunk verschriebene Materialien. »die Malerei«, so klagt er, »eine einst berühmte Kunst […], welche auch jene anderen adelte, die der nachwelt zu überliefern sie für würdig hielt; jetzt aber ist sie gänzlich von den Marmorarten, ja sogar vom Golde verdrängt, und nicht nur so, daß man die wände ganz bedeckt, sondern auch mit durchbrochenem Marmor bearbeitet und in bunten einlagen Bilder von Gegenständen und tieren herstellt.«850 Mundy war es, der diesen passus, zu dem eine parallelstelle bei petronius existiert851 (plinius­Kommentatoren wie ermolao Barbaro wussten ihn auszuschmücken),852 erstmals mit vollends marmorierten rückseiten einiger Gemälde in Verbindung brachte, die Jan van eyck schuf.853 »Bilder

850 plinius, NH, XXXV, 5, s. 12f. (Üs: roderich König): »[…] pictura, arte quondam nobili […] et alios nobilitante, quos esset dignata posteris tradere; nunc vero in totum marmoribus pulsa, iam quidem et auro, nec tantum ut parietes toti operiantur, verum et interraso marmore vermiculatisque ad effigies rerum et animalium crustis.« Vgl. plinius/landino, Historia naturale. 851 Für petronius gehört die Blüte der Malerei nicht minder der Vergangenheit an: einst hätten die »ech­ ten Künste« in Blüte gestanden, und unter den Menschen herrschte ein »begeisterter wetteifer, nichts lange unsichtbar zu lassen, was den nachfahren dienen konnte«; s. petronius, Satyrica, i, 88, s. 180 (Üs: Müller/ehlers): »[…] quaedam argumenta mihi obscura simulque causam desidiae praesentis excutere, cum pulcherrimae artes perissent, inter quas pictura ne minimum quidem sui vestigium reliquisset. tum ille ›pecuniae‹ inquit ›cupiditas haec tropica instituit. priscis enim temporibus, cum adhuc nuda virtus placeret, vigebant artes ingenuae summumque certamen inter homines erat, ne quid profuturum saeculis diu lateret. […].« 852 Vgl. den plinius­Kommentar von Barbaro, Castigationes Plinianae, Bd. iii, s. 1116: »›spatia montis in cubiculo dilatantia‹. legendum puto: ›spatia montis in cubiculo delitentia‹, hoc est non placere iam sylvas et innata montibus nemora, id est intestina opera et sublicia, coepisse pingi lapides; proinde paulo infra: ›Montium – inquit – haec subsidia deficientium.« 853 Mundy, 1988, s. 37–43, s. 37 unterstellt ein »specific funeral meaning«.

3. Die Rückseitenbemalung

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von Gegenständen und tieren« – was soll uns glauben lassen, dass Jacometto und leo­ nardo nicht ihrerseits und voller ironie an dieses ersterben der Kultur alludierten, dessen resultat plinius zufolge bloß eine hinterlassenschaft gleichsam der »Bilder ihres Geldes« waren? wenn es ferner heißt, unter claudius habe man, geradezu als Gipfel des kul­ turellen niederganges, angefangen, selbst auf den stein zu malen, dann fragt man sich, wie der stein, den die beiden Virtuosen des Quattrocento bemalten, erlebt wurde – etwa nur als gemalter stein, ohne Materialwert? Offenbar waren sie als Maler des Gedankens nicht entwöhnt, »Bilder des Geistes« zu schaffen. diese mussten wie ironische Kontra­ fakturen zur keineswegs obsolet gewordenen dekadenz erscheinen, wenn man bedenkt, dass piero de’Medici auf dem Altarüberbau des 1448 renovierten denkmals für san Giovanni Gualberto in SS. Annunziata die inschrift anbringen ließ: »der Marmor allein kostete 4000 Florins«,854 oder, dass sich lorenzo Valla in De voluptate hedonistisch an echten »Marmorpreziosen« ergötzte.855 Vor diesem hintergrund fällt es leicht, die Aktualität des Material­diskurses im Quattrocento nachzuvollziehen. während Gio­ vanni da san Miniato versichert, der wahre ruhm liege weder in Mauern noch in stei­ nen, sondern in den tugenden,856 und Alberti in einem Gedicht (Venite in danza, o gente amorosa) einen schatz besingt, der kein wertvolles Metall meint, nicht elfenbein nicht Gemmen, vielmehr lorbeer,857 nahmen sich die Maler dem ideellen auf ihre weise an. 854 Vgl. ernst h. Gombrich, »the early Medici as patrons of Art«, in: Italian Renaissance Studies. A Tribute to the Late Cecilia M. Ady, hrsg. v. ernest Fraser Jacob, london, 1960, s. 279–312, s. 299: »costò fior. 4 mila el marmo solo«. 855 Valla, De voluptate, i, 21, 1, s. 72/73 (Üs: peter M. schenkel): »Quo enim natura produxit […] pre­ ciosaque marmora nisi ad nostram exornationem? cuius ita a vero mens aversa est ut de hoc dubitet?« (wozu denn sonst hat die natur […] Marmorpreziosen hervorgebracht, wenn nicht dazu, uns auszu­ schmücken? so sehr ist ja wohl niemandes Geist der wahrheit abgeneigt, daß er daran zweifelte?). 856 petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, Bd. i, cap. 118, s. 420: »[…] la vera gloria non è nelle mura, nè ne’ sassi, ma nelle virtudi.« 857 Alberti, Rime, vv. 84ff., Bd. ii, s. 30: »[…] ed usar fra le schiere degli amanti, 85 quali con risi e canti osservan fra loro un maraviglioso tesoro: non metali cari né avoglio non gemme né pitto spoglio, 90 né coniato auro, sed ched è? – un verde lauro a mezzo un fonte,«. Vgl. auch derselbe, Theogenius, i, Bd. ii, s. 74: »[…] laude, gloria, immortalità? non con pompa, non con ostentazione, non con molto populo d’assentatori asseguirete vera e intera laude, ma solo ben meritando con virtù.« nicht anders pontano, Antonius, s. 238 (Üs: hermann Kiefer): »luxus obest

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

4. hälften zur Komplettierung 4.1. lukians ›panthea‹ und das ideal des zweiteiligen Frauenbildnisses aus verschiedenen Kunstgattungen »Omne adeo genus exempli certamine pulchro eccitat […].« Marullo, Institutiones principales, i, vv. 270–271, s. 34

was das changieren zwischen Kunstgattungen betrifft, eben die für das Ginevra–Bild­ nis charakteristische Zwitterhaftigkeit von Malkunst, Marmorbildnerei und wortkunst, so eröffnete ein werk lukians leonardo die Möglichkeit, aus ihm einen schatz von Anregungen heben. es ist ein dialog, der zwischen ›Lycinus‹ und ›Polystratus‹ geführt, unter dem titel Είκόνες (Die Bilder) kursierte. die editio princeps erschien 1496. Anläss­ lich eines porträtvorhabens – es richtet sich auf eine exquisite schöne mit dichterischen neigungen – reift in diesen enkomion das Konzept des gattungsübergreifenden Bildnis­ ideals heran. wenngleich nicht unbeachtet, so hat lukians panegyrikus seitens der kunst­ historischen Forschung eine nur stiefkindliche und detailorientierte Behandlung erfah­ ren, wiewohl er in studien über ekphrasen, über die darstellbarkeit des seelischen und über porträtkonzepte gleichermaßen einen exponierten rang beanspruchen darf.858 Mit panthea von smyrna, der Geliebten des Kaisers lucius Verus, steht eine der gefeiertsten schönheiten ihrer Zeit, darin vergleichbar mit Ginevra de’ Benci, im Zentrum; auch Xenophon pries eine panthea als die schönste Frau Asiens.859 das postulat, das lukian formae, forma est contenta pudore, / ipse pudor veri iura decoris habet.« (prunk schadet der Form [formae], die Form ist zufrieden mit Zucht [pudore], / Zucht hat das Anrecht auf wahren schmuck). 858 Virtue and Beauty, 2001; unberücksichtigt auch in land, 1994 und in Concepts of Beauty in Renaissance Art, hrsg. v. Frances Ames­lewis et alt., Aldershot, 1998; auf die existenz des dialoges verwei­ sen an marginaler stelle cropper, 1976, s. 374–394, s. 388, Anm. 81 und cranston, 2000, s. 203, Anm. 68; über lukians »panthea« Borg, 2004, s. 48–49; ausgiebig – unter Akzentuierung der politi­ schen Bezüge – caroline Vout, Power and Eroticism in Imperial Rome, cambridge, 2007, cap. 5: »Misstress as metaphor: a dialogue with panthea«, s. 213–239. – Zur Verbreitung von lukians Die Bilder willi hirdt, Gian Giorgio Trissinos Porträt der Isabella d’Este. Ein Beitrag zur Lukian-Rezeption in Italien (studien zum Fortwirken der Antike 12), heidelberg, 1981, s. 43ff.; allgemeine Angaben zur lukian­rezeption im Quattrocento s. cap. iii.2.3. und Marsh, 1998, Valeria Andò, Luciano critico d’arte, palermo, 1975, s. 56ff.; Grafton, [2000] 2002, s. 87f. 859 lukian, Die Bilder, 1–23, s. 256–295. die von Xenophon gewürdigte panthea gilt als Gattin des Abradatas, des angeblichen Königs von susiana, s. Xenophon, Kyropädie, Vi, 11; vgl. philostratos, Imagines, ii, 9: über das Gemälde der »schönen pantheia« – eine Frau, die Xenophon erwähne, s. 198–203. – da smyrna, die angebliche Geburtsstätte homers, als herkunftsort von lukians pan­ thea angegeben wird, ist die wendung in landinos elegie Quaeris, Bembe, diu sileat cur nostra Thalia nicht unerheblich: »die einwohner von smyrna werden sagen, dass du, göttliche Bencia, / Für den Gesang ihres dichters würdig bist […];« (L, nr. Vi, vv. 41–42). – Mit der Betonung der größten

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bezüglich dieses porträts erhebt, ist in sehr vielen Facetten in leonardos Ginevra­tafel groß vertreten, namentlich die angemessene darstellung der wohlgestalt und tugend der schönen, der einbezug von stein­Konnotationen, des Attributes der schriftrolle,860 vor allem aber die Gattungsinterferenzen, genauer, die Option, dass Malerei, skulptur und poesie im Verbund – zugunsten eines ganzheitlichen porträts aus zwei hälften – bemüht werden. schier Unmögliches obliegt dem porträtisten in Anbetracht seines Modells: panthea ist von »preisträchtiger perfektion« (11 u. 22), ebenso schön wie tugendhaft (23). sie gleicht mit ihrer liebe zur poesie einer der Musen (14) und wegen ihrer schönheit der versteinernd­magischen wirkung Medusas (1 u. 14). was lukian zur legitimierung der notwendigen synthese der Kunstgattungen im eingeforderten porträt aufbietet, wirkt, salopp gesprochen, wie ein Ansturm gegen den Unsagbarkeitskopos. die Unzulänglich­ keit der worte zur Beschreibung von pantheas schönheit schlägt in dieselbe Kerbe wie die nur leidlich gelungenen porträts seitens der bildenden Kunst, gleichgültig, ob sie von Apelles, Zeuxis, parrhasios, phidias oder Alkamenes stammen (3). nach der Besinnung auf die berüchtigt schönen werke der Bildhauerkunst – schöne Frauen wie die Knidische Aphrodite (3–5), die Aphrodite des Alkamenes und die Athena Lemnia des phidias – nimmt lukian die paragone­Frage insofern vorweg, als er an Bildhauerwerken die beschränkte Farbskala beanstandet: schwärze, wo kein schwarz sei und ein weiß, wo kein weiß hin­ gehöre (4–7).861 deshalb bedürfe jede Kunstgattung einer komplementären ergänzung durch die Vorzüge der nachbarkünste. das Bildnis pantheas verlangt nach einem Künstler mit kompensatorischer Kraft: er müsse homer gleichen, dem dichter, der, dem Gemeinplatz gemäß, traditionell als ›bester Maler‹ gilt (8).862 das eklektische Vorgehen, das lukian zur erzielung der idealen weiblichen schön­ heit empfieht – er spricht von einer »Methode, aus vielen Bildern eines zu machen« (15) –, ist ein rekurs auf die von Zeuxis konsekrierte Methode, eine donna sintetica zusammen­

schönheit einer stadt oder region stehen Panthea und Ginevra freilich in der tradition der schön­ heitsagone; zu diesem Genre s. Franco sacchettis um 1352 verfasste schrift zum lobe der costanza strozzi La battaglia delle belle donne di Firenze (sacchetti, La battaglia); als Martino Filetico In corruptores Latinitatis hinsichtlich des parisurteils die Aeneis (i, v. 27) zitiert, ist von forma die rede: »iudici­ um paridis spretaeque iniuria formae« (Filetico, In corruptores Latinitatis, ii, 14, s. 15f.); zum antiken schönheitsagon Valla, De voluptate, i, 19, 1f., s. 64f. 860 lukian, Die Bilder, 9, s. 273: »[…] sie hatte eine schriftrolle […], an beiden enden aufgerollt.« 861 dass dem stein die Farbe fehlt, bereits in Ovid, Metamorphosen, Xi, vv. 404ff. und Apuleius, Apologia, s. App. i/c. 862 siehe vor allem Borg, 2004, s. 48f. Zur rezeption des topos von homer als Maler im Quattrocento s. cap. iii.1. die schönheit als Anstoß zur rangstreitfrage besitzt tradition: Angesichts einer schönen Frau namens theodote, deren wohlgestalt über alle Beschreibungen hinausgehe, gibt Xenophon (Memorabilien, iii, 11, 1ff.) den Malern auf Kosten der dichter den Vorzug; nur vom hören erfasse man ihre schönheit nicht.

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zustellen.863 während Zeuxis die Körper leibhaftiger Frauen, d. i. der krotonianischen Jungfrauen, nach dem jeweils schönsten part durchmaß, legt lukian seinem porträt­ künstler die Auslese allein der besten teile aus Kunstwerken ans herz. Beispiele illus­ trieren es: der Kopf der Knidischen Aphrodite, die Augenbrauen, wie von praxiteles geschaffen (6). doch sodann, infolge dieses einfalls, stellt sich die ernüchterung ein: selbst diese exquisiten details aus Bildhauerwerken machen die fehlende Farbigkeit nicht wett. es bedürfe auch der imitatio des Kolorites. diese wird erneut als eine Auslese imaginiert, aus der gekonntesten Farbgebung, die verschiedene Maler (polygnot, euph­ ranor, Apelles und Aetion) (7) hervorzubringen imstande sind. indem lukian selbst die inneren werte pantheas, aus dem Arsenal von heroinen wie sappho, eklektisch heraus­ filtert,864 gelingt schließlich selbst die Überbietung der helena. diese fällt hinter pan­ thea ab als rein äußerliche schönheit (22). entscheidend im hinblick auf leonardos Ginevra ist, dass lukian die zweifache schönheit pantheas in ein dichotomes Bildkonzept überführte. eingedenk ihrer auch inneren werte fordert er, ihm zugleich »ein Bild ihrer seele vorzumalen«. eine Begrün­ dung bleibt nicht aus: so vermeide man die Gefahr, nur die »hälfte« von ihr einzufan­ gen (12). Mit anderen worten: das fertige porträt, wie es lukian ersann, besteht aus zwei hälften. so inspirierend diese bildhafte Vorstellung für künftige leser sein musste, sie ist nie im Zusammenhang mit dem Genre zweiseitig bemalter Bildnisse gesehen wor­ den. eine umfassende Untersuchung über den einfluss des corpus–animus­Modells lukianischer prägung auf renaissance­Bildnisse aus zwei ›hälften‹ ist im rahmen unse­ rer studie freilich nicht zu leisten. Aber die Motivation für einen Bildniskünstler, auf den dialog lukians zu rekurrieren, liegt auf der hand: es hieße gegebenenfalls, Front gegen den altbekannten, seit der Antike gehegten Vorbehalt zu machen, die Menschen­ darstellung des bildenden Künstler erschöpfe sich in der wiedergabe des Körpers; die seele erfasse er im Gegensatz zum dichter nicht.865 es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass platon im Kratylos­dialog entscheidende Grundlagen für lukians dichotomes Bild­ nis­Konzept gelegt hatte, indem er – mit den altbekannten platonischen Vorbehalten gegen die bildenden Künste – ein porträt des Kratylos imaginierte, das, anders als die hervorbringsel der Maler, nicht allein dessen Farbe und Gestalt nachbilde, sondern alles 863 Vgl. die antiken Quellen zur Zeuxis­Anekdote sind cicero, De inventione, ii, 1–3, der bereits eine rivalität zur rhetorik herstellt, plinius, NH, XXXV, 64 und Xenophon, Memorabilien, iii, 10, 2. 864 lukian, Die Bilder, 18, s. 288 nennt mit sappho, theano und diotima drei intellektuelle Frauen; für ihn beruht die Vorbildfunktion von sappho auf der Anziehungskraft ihrer lebensform, die von theano auf ihrem hochgeistigen niveau und die von diotima auf ihrer allgemeinen intelligenz nebst ihrer Befähigung zum erteilen von ratschlägen (18). 865 Unter dem eindruck lukians (und des simonides­diktums) steht vielleicht Fonte, Il merito delle donne, s. 160: »la pittura sia un corpo estinto ed il verso sia l’anima senza il corpo;«. in der literatur der Frühen neuzeit war der corpus­animus­topos, der zu Ungunsten der bildenden Kunst ausfiel – v. a. unter rekurs auf seneca, cicero und sallust – omnipräsent; s. pfisterer, 1998, s. 221, Anm. 90.

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innere »mit denselben Abstufungen der weichheit und der wärme«, wie Maler sie zuwe­ ge brächten, »und dann auch Bewegung, seele und Vernunft«, sodass man von einem Bildnis von zwei Kratylos sprechen könne.866 Kehren wir zum einfluss lukians auf leonardos Porträt der Ginevra zurück: leonardo hat mit der beidseitigen Bildbemalung nahezu wörtlich eingelöst, was lukian zufolge mit den beiden porträthälften geschehen soll. die empfehlung lautete: »so, wenn es dir beliebt, setzen wir aus dem Bilde, das du von ihrem Körper model­ liertest und denen, die ich von ihrer seele malte, ein einziges zusammen und überge­ ben es allen zum Bewundern, nicht nur denen, die jetzt leben, sondern auch denen, die künftig leben werden.«867 das kunstvoll erdachte Frauenbildnis verdient also nicht nur seiner Grundthematik wegen Bewunderung, sondern zudem durch den Anspruch, eine dauerhafte wirkung zu entfalten. Mit diesem Vorzug steche es selbst die Glanzleistungen des Apelles, parrhasios und des polygnot aus. nicht aus vergänglichen Materialien, nicht aus holz, aus wachs oder Farben, sei es gebildet, sondern, kein leichtes Unterfangen und daher angewiesen auf die Mithilfe von Malern, Bildhauern und philosophen (12): aus Gedanken. nie­ mand Geringeres als die Musen flößen es ein. Keine Frage, lukian hatte in seinem rhe­ torisch­eklektischen entwurf der idealtypisch schönen den wettstreit mit Zeuxis im hinterkopf. er nennt ihn explizit, er lobt ihn an anderer stelle dafür, ein sujet »auf eine mannigfaltige und so angenehm konstrastierende Art« bewältigt zu haben.868 selbst­ redend involvierte dies für jeden lukian­rezipienten das latente spannungsverhältnis zwischen der wort­ und der Bildkunst. Folgendes lässt sich für die Ginevra­tafel feststellen: sie wirkt wie ein wettstreit mit beiden Vorbildern. Besser als Zeuxis’ Helena ist leonardos Ginevra deshalb, weil sich ihre schönheit nicht im Äußerlichen erschöpft – übrigens besingt auch landino die Überbietung helenas (L, nr. 1, v. 35) –; aber Ginevra überflügelt lukians Panthea nicht minder, indem leonardo, offensichtlich universal, im Alleingang ein porträtkonzept zu bewerkstelligen weiß, das lukian allenfalls dem ausgeklügelten Zusammenspiel unter­ schiedlicher Virtuosen zutraute. leonardo, der die Auffassung vertrat, »pittura è filosofia«, folglich selbst die philosophie für sich vereinahmte, brachte in der Ginevra­tafel genau diese prätention der universalen Malerei zur Anschauung, eines seiner hauptargumente im paragone.869 der wettstreit mit Zeuxis wurde zu leonardos lebzeiten neben dona­ 866 867 868 869

platon, Kratylos, 432a–c, Bd. ii, s. 173 (Üs: schleiermacher). lukian, Die Bilder, 23, s. 294. lukian, Zeuxis oder Antiochus (Üs: c. M. wieland). leonardo, Libro di pittura, i, 9, s. 136. Von einer philosophisch zu nennenden tätigkeit des Malers und Bildhauers ging Guarino bereits 1411 im Brief an Manuel chrysoloras aus. denn sie würden den Gegenständen ihren Geist mitteilen; s. Michael Baxandall, »Guarino, pisanello und Manuel chryso­

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tello mitunter sandro Botticelli nachgesagt.870 diese Unterstellungen kamen nicht von ungefähr, nachdem sich petrarca und Boccaccio prominent in die Vorstöße des antiken Malers hineingedacht hatten. in der revision seines eigenen positiven Urteils – Zeuxis ist in Boccaccios helena­Vita die einzige Ausnahme in der reihe porträtierender Ver­ sager unter Malern, Bildhauern und dichtern – kritisierte Boccaccio in seinem dante­ Kommentar die Anmaßung des Zeuxis, es gar mit der schreibfeder aufnehmen zu wol­ len, sofern es um die erfassung des schönen gehe.871 der Canzoniere­dichter stellte in einem sonett, einen ›besseren Meister‹ als Zeuxis in Aussicht.872 welche Quellen leo­ nardo auch immer greifbar waren, die Zeuxis­Anekdote fand eingang in Matteo pal­ mieris traktat Della vita civile, ein Buch, das leonardo besaß. wegen des verwendeten Modells der selektiven imitation wird Zeuxis von palmieri, in Belebung eines alten loras«, in: JWCI, 28, 1965, s. 183–204, s. 197; vgl. auch die position von chrysoloras in derselbe, 1971, s. 82. die Apostrophierung eines Malers, Mantegnas, zum philosophen in Fiera, De iusticia pingenda, s. 434: »[…] iam mihi pictor ultra non habeberis, sed philosophus maximus […].« castig­ lione, Cortegiano, ii, cap. 39, s. 173–174 (Üs: willemsen) auf leonardo bezogen, dass »einer unter den ersten Malern der welt« die Kunst verachte, in der er einzigartig sei und philosophie betreibe; in dieser habe er so seltsame Begriffe und neuartige hingespinste, dass er sie mit seiner ganzen Malerei nicht darzustellen vermochte; leonardo als philosoph auch in cellini, Discorso, s. 819. 870 Flavio Biondo, Italia illustrata, fol. B3r: »decorat etiam urbem Florentiam ingenio uterque laudibus respondente donatellus eracleonti zeusi aequiparandus ut vivos iuxta Vergilii verba ducat de mar­ more vultus.« Verino, De illustratione urbis Florentiae, ii, v. 456, s. 351: »nec Zeuxi inferior pictura sander habetur«. 871 Boccaccio, De claris mulieribus, cap. 37, Bd. X, s. 146: »Fatigavit enim – ut reliquos sinam – divini ingenii virum homerum, ante quam illam posset secundum precepta satis convenienter describere carmine. preterea pictores et sculptores multiplices egregii omnes eundem sumpsere laborem […]. Zeusis heracleotes […].« (selbst das göttliche Genie eines homer – von anderen ganz zu schweigen – ermattete über der Aufgabe, helena in seinen Versen nach allen regeln der Kunst angemessen zu beschreiben. Und viele andere große Maler und Bildhauer haben neben ihm alle das gleiche werk in Angriff genommen […]. einer von ihnen war Zeuxis! […]«; Üs: erfen/schmitt). Boccaccio, Esposizioni, zu V, v. 103, Bd. Vi, s. 305: »Fu la bellezza di costei tanto oltre ad ogni maravigliosa, che ella non solamente a discriversi con la penna faticò il divino ingegno d’Omero, ma ella ancora molti solen­ ni dipintori e più intagliatori per maestero famosissimo stancò: […]«; und nach der Beschreibung des Unterfangens von Zeuxis heißt es: »[…] ma come possiam noi credere che il pennello e lo scarpello possano effigiare la letizia degli occhi […].« Bei Klemens von Alexandria, Paidagogos, ii, 125 eine Anekdote über die Unfähigkeit eines Malers zur wiedergabe helenas, was die Kritik von Apelles auf sich zog. 872 petrarca, Canzoniere, nr. 130, vv. 9–11, s. 388: »et sol ad una imagine m’attegno, che fe’non Zeusi o prasitele o Fidia, 10 ma miglior mastro et di piú alto ingegno.« Vasari, Le vite, cap. »Mino da Fiesole«, Bd. iii, s. 115–116: der menschliche Fleiß könne nie die natur erreichen: »und wenn man auch das Beste auswählt, so ist es doch der Kunst unmöglich, die Gestalt eines Körpers zusammenzusetzen, welcher den der natur überträfe«; (Üs: schorn/Förster).

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werturteils, das Alberti (und auch lukian) fällte, als »bester Maler« gefeiert, als »bester Meister und wahrer richter der gut gestalteten schönheit«. die sprache des Vegetabi­ lischen fließt ein, als es heißt, dass Zeuxis bei jeder der fünf Jungfrauen denjenigen teil auswählte, der »mehr blühte« (»più fioriva«).873 es war vor allem dezidiert einer prunk­ rede des sophisten Gorgias zu entnehmen, dem später von pietro Bembo übersetzten 873 palmieri, Della vita civile, ii, s. 94–95: »seguitando in questo lo exemplo di Zeusis, sommo / pictore, il quale condocto con gran prezo a cutrone, che in que’ tempi abandava d’ogni bene più che altra città italica, et volendo in uno loro celebrato et degnissimo tempio dipignere la imagine de helena, la quale era famosa sopra tutte le belle mai in terra vedute, et vedendo le donne di cutrone belle sopra ogni altre di italia, domandò volere, mentre dipignea, vedere la forma et dilicate fattezze delle più belle vergini aveano, et così per publica provisione gli furono nude monstre tutte le vergini loro. di quelle elesse cinque, la cui fama ancora nel mondo dura, come di belle nel numero delle belle, electe per più belle da sommo maestro et giudice vero della bene formata belleza. così non potendo in uno solo corpo trovare pulito dalla natura ogni parte cercava alla perfecta belleza, da ciascuna prese la parte in che più fioriva; et di tutte formò una imagine tanto pulitamente in ogni parte perfecta che di tutto il mondo concorrevano noblissimi pictori a vederla come cosa mirabile, che più tosto di cielo venuta che in terra facta si confermava.« der Besitz von palmieris Buch ergibt sich aus leonardo, Codex Madrid II, fol. 2v. Zeuxis galt auch lukian, Zeuxis oder Antiochus (lukian, Hauptwerke, s. 201) als der »erste Maler seiner Zeit«. palmieri stellte sich mit seiner hohen wertschätzung von Zeuxis in eine florentini­ sche tradition; s. App. Schema 2a. im Anschluss an die bevorzugte nennung bei Boccaccio, Filippo Villani (De origine, XlVi, 4) und 1396 den lobesworten von salutati, Epistolario, Bd. ii, s. 114f. war Zeuxis für Alberti, De pictura, iii, 56, s. 300 der hervorragendste, gelehrteste und kenntnisreichste aller Maler und seine schöpfung der helena (ihren namen nennt er nicht) ein exemplum für die Bedeutung des naturvorbildes; in Alberti, De statua, 17 das Bekenntnis zur Vorbildhaftigkeit von Zeuxis für sich selbst; vgl. Alberti, De re aedificatoria, iX, cap. 11, Bd. ii, s. 863; für Filarete, Trattato, XXiii, Bd. ii, s. 662 ist Zeuxis der »antichissimo e dottissimo pittore«; Zeuxis und helena sind lapi­ dar erwähnt von Manetti, De dignitate; ii, s. 59; Ghiberti, I commentarii, i, 8.5., s. 69 bezieht einen Vers des Zeuxis auf dessen Helena­Bildnis, dass dieser wegen ihm mehr neider als nachahmer habe. es heißt bei Francesco patrizi, De regno et regis institutione, ii, cap. »Formas quasdam primarias«, s. 62: »[…] Zeusis heracleotes pictor ille eximius, qui ex pluribus diversisque puellarum formis per­ fectam pulchritudinem delibavit. nec unius exemplar satis esse putavit ad illius foemine simulacrum pingendum, cuius formam universa Grecia admirata sit, et omnes poetae laudibus eam extulerint, proque ea Asia omnis, et europa certaverit, nec inventus sit uspiam sculptor, aut pictor, qui illius imaginem arte sua aequare poterit. eadem diligentia usus dicitur idem artifex cum Agrigentinis fac­ turus esset tabulam illam, quam in templo iunonis luciniae publice dicaverunt.« Beeinflusst von Valerius Maximus, Facta et dicta, iii, 7, ext. 3f. zeigt sich Maturanzio, Orationes, nr. 1, s. 138: »Zeux­ is quoque depictam a se helenam his homeri carminibus laudavit […];« und ebenda, nr. 26, s. 146: »Zeuxis quidem heraclotes helena, quam pinxerat pulcherrimam, usque adeo delectatus est, ut quid de eo opere sensuri homines essent minime exspectandum duxerit, sed ad illos homeri versus proti­ nus sese adiecerit.« die erwähnung von Zeuxis unter einer Vielzahl antiker Maler in piero della Fran­ cesca, De prospectiva pingendi, iii, s. 129. Zu den krotonianischen Jungfrauen als thema der Kunst (mit einer äußerst begrenzten Auswahl an schriftquellen aus dem Quattrocento) sabbatino, 1997, s. 7ff.; vgl. Wettstreit der Künste, 2002, s. 61, Abb. 5, s. 229–230, Kat.­nr. 37; winner, 1957, s. 7f., s. 21; die Besprechung einiger Quellen aus dem trecento in Baxandall, 1971, s. 35ff.

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Lobpreis der Helena, dass die ureigene Aufgabe des Malers – ausdrücklich nicht des Bild­ hauers – in der hervorbringung eines einzigen, aus vielen Körpern und Farben beste­ henden Kompositums bestehe, das Genuss bereite: »indes die Maler, wenn sie aus vielen Farben und Körpern einen einzigen Körper und Umriss vollendet hervorbringen, bereiten dem Anblick Genuss; die schöpfung von statuen und die herstellung von Bildwerken bietet für die Augen eine Krankheit der lust. so schmerzt das eine und weckt Verlangen das andere von sich aus in einem Anblick. Vieles aber erregt in vielen nach dem eros Verlangen, nach sachen und nach Körpern.«874 wir wissen nicht, ob und gegebenenfalls wann und auf welchem wege leonardo mit lukians Panthea in Berührung kam. tatsache ist, dass es nicht die einzige lukian­ rezeption leonardos – man denke an lukians Traum – gewesen wäre.875 tatsache ist ferner, dass sich die charakterisierungen dieser schönen »leuchte des Frauenruhmes« in der italienischen literatur spätestens häuften, seitdem Francesco Barbaro in De re uxoria die nachahmung dieser, wie er sie nennt, »probe der tugend« empfohlen hatte; 876 »la bella […] panthea« war für pietro Bembo ein Begriff.877 Vielleicht erlangte Bembo des­ halb 1524 die schlüsselrolle als einer der beiden sprecher in einer ans plagiat grenzenden Panthea­rezeption, in Gian Giorgio trissinos Buch Ritratti, in dem das ekphrastische porträt von isabella d’este, der Markgräfin von Mantua, ersteht. Originalität vermag allenfalls da aufzuscheinen, wo ein etymologischer Kniff als erklärung für das lukia­ nische Bildniskonzept herhält: für das Zusammenspiel von ›isos‹ und ›bella‹ als Begrün­ 874 Gorgias, Lobpreis der Helena, 18, s. 15 (Üs: thomas Buchheim); vgl. pietro Bembos lateinische Übersetzung, die 1513 erschien: Gorgiae Leontini in Helenam Laudatio, s. 16: »enim vero cum ex diver­ sis coloribus ac membris pictores unum recte corpus unamque figuram effingunt, oblectatur visus; ast hominum statuae ac exornatae effigies quantam oculis suavitatem praebuerunt! Atque ita ex iis quae videmus, quaedam odisse, quaedam amare ab ipsa natura compellimur; multa vero sunt quae in pluri­ bus plurimarum rerum amores desideriaque operantur.« nicht unbeeindruckt von diesem Gorgias­ passus zeigt sich collenuccio, Misopenes, s. App. iii/B, nr. 17. in der widmungsepistel an Ferdinand von Aragon stellt sich pietro Bembo als »Bern(ardi) fil(ius) vor; ebenda, s. 4. – ein plädoyer für die selektive imitatio zur erzeugung einer schönen Gestalt auch bei Xenophon, Erinnerungen an Sokrates, iii, 10, 2; dass für den Maler nicht der Materialwert der Farben entscheidend sei, sondern das rechte Zusammenfügen zu einem schönen Gesamtwerk, auch in plutarch, Moralia, 618a. 875 leonardo, Libro di pittura, i, 36–37; zur Übersetzung von lukians Traum ins lateinische s. App. i/B; und cap. iii.2.3.;Farago, 1992, s. 393. 876 Barbaro, De re uxoria, i, cap. 2, A7v »[…] pugiles virtute. […] panthiae lumina gloriae […]« und ii, cap. 1, d6v. ein Actio Panthea aus der Feder von colombino Veronese ist für das Jahr 1484 verbürgt; näheres in der einleitung von Folengo, Elegiarum liber, s. 13. 877 Bembo, Gli Asolani, i, cap. 16, s. 36 (vgl. s. 101, s. 235): »Fece il somigliante laodamia nella morte del suo, fece la bella asiana panthea, fece in quella del suo amante la infelice giovane di sesto questa medesima pruova, fecero altresì di molt’altre.«

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dung ihrer umfassenden, sich aus zwei teilen konstituierenden schönheit.878 wenn man bedenkt, dass leonardo ausschließlich die Möglichkeiten der Malkunst aufbot, um Ginevras schönheit einzufangen, dann wirkt das mit worten evozierte ›Bildnis‹ des Vicentiner literaten trissino wie eine retourkutsche. der ambitionierte Versuch ist erkennbar, die ›wortkünstler‹ auf Kosten der Maler zu rehabilitieren, nun mit petrarca statt mit homer, als dem »noblissimo di tutti e pictori«. Allein petrarca sei, erprobt durch laura, imstande, isabellas haar farbgerecht zu zeichnen, nicht die Maler.879 trissino sparte in seiner Volte gegen diese Konkurrenten nicht die namen aus: leonardo und Apelles (»[…] et a questo fare, […] ne il Vinci, ne Apelle […]«). wie trissino wissen musste, hatte leonardo selbst seine porträtkunst an isabella d’este erprobt. Gegen 1500 fertigte leonardo eine porträtskizze von ihr an. sie sollte ihm als Vorlage für ein geplan­ tes porträtgemälde dienen.880 so scheint der Appell aus lukians Die Bilder Gehör gefun­ den zu haben: mehr von diesen Bildern zu malen (19).

4.2. Zwei hälften eines Gemäldes, der skulptur und entzweite in liebe bei landino »das ist eben nicht so leicht zu begreifen, wie zwei herkulesse so zusammengesetzt werden konnten, daß sie nur einen ausmachten.« lukian Totengespräche, XVi (Üs: c. M. wieland)

leonardo betrat im diskurs kein neuland, als er sich 1492 im paragone zwischen den figurativen Künsten über die Frage der vedute ausließ. Autoren wie plinius der Ältere oder lukian gingen nicht mit stillschweigen über die konventionellen Gegebenheiten hinweg, dass ein Malwerk – anders als die rundansichtige statue – nur eine Ansichtsseite besitzt: die Front. piero della Francesca hatte sich vorzugsweise mit den ›seiten‹ von Gegenständen und deren Übertragung in die Fläche beschäftigt. im cinquecento schließlich avancierte die unentbehrlich werdende deutungskategorie der vedute bei 878 trissino, Ritratti (hirdt, 1981, s. 23): »›isa‹ ne la lingua Greca (come sapete) suona, quanto ne la nos­ tra equale; tal che così composto altro non dice, che equalmente, et in ogni parte bella.« hirdt (eben­ da, s. 51) hat lukians Die Bilder als Grundlage der Ritratti erkannt. 879 ebenda, s. 22: »[…] il quale [petrarca] primieramente colorirà le chiome, come fece quelle de la sua laura […].« 880 es handelt sich um die Kreidezeichnung im louvre; s. Goffen, 2002, s. 50f., Abb. 22 und ausgiebig in Francis Ames­lewis, Isabella and Leonardo. The Artistic Relationship between Isabella d’Este and Leonardo da Vinci, new haven conn., 2012; hirdt, 1981, s. 104. isabella d’este hatte cecilia Gallerani am 26. April 1496 brieflich darum gebeten, ihr das porträt, das leonardo von ihr gefertigt habe, aus­ zuleihen (s. AsM, Archivio Gonzaga, ii, Busta 2992, c. 9, n. 169, fol. 54); vgl. Goffen, 2002, s. 48–49.

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leonardo zu einer der Kernfragen des paragone. leonardo bemaß selbst dichtwerke, genauer: Buchseiten, nach diesem Kriterium und verlieh der stereotypen diskussion (geprägt vom stolz der Bildhauer auf die schier unbegrenzte Ansichtsvielfalt ihrer statu­ en und dem der Maler auf die Qualität der einen Ansicht) eine eigene note. in seinem persönlichen diskreditierungsversuch der Bildhauer existieren keine unbegrenzten An­ sichtsseiten einer statue, sondern nur zwei seiten: »due mezze figure« (i, 43), die der Bildhauer aus diesen teilen (»due figure«) zum rund zusammenfüge (»compongono una figura tonda«),881 ein Kompositum aus der Vorder­ und der rückseite einer Figur. wie erklärt sich dieses imaginierte Modell? in der Forschung wurde verschiedentlich die Überzeugung laut, leonardos position stehe unter dem eindruck des Bearbeitungs­ prozesses von Marmorfiguren.882 die im Quattrocento oft nachlässig ausgearbeiteten rückseiten von Marmorbüsten machen die Fragwürdigkeit dieser these jedoch emp­ findlich fühlbar. immerhin berichtet Alberti in De statua vom Gedankenexperiment der Zerlegung einer phidias­statue in zwei hälften,883 und Vergleichbares offenbart er im Momos­dialog, als er den demiurgen aufs Korn nimmt, inspiriert vom traditionsreichen, mitunter bei cusanus vertretenen topos von Gott als Münzmeister.884 Bei der Men­ schen­erschaffung habe der creator den »stoff zwischen zwei bronzene siegel gepreßt«, daraus sei »die Brust, das Gesicht und alles andere, das man auf dieser seite sieht« ent­ standen; die andere hälfte enthalte »den hinterkopf, den rücken, die Gesäßbacken.«885 881 leonardo, Libro di pittura, i, 43, 37, 38; ohne Analyse Farago, 1992, s. 409f.; larsson, 1974, s. 20. 882 so beispielsweise pfisterer, 2002, s. 390–391, s. 391; pfisterer erliegt der suggestivkraft von leonar­ dos idee, wenn er behauptet, im primo Quattrocento sei man beim herstellungsprozess von Marmor­ skulpturen meist nur von der auf dem quadratischen steinblock skizzierten Vorder– und rückenan­ sicht ausgegangen. Überzeugender ist der Vorschlag von summers, schablonen und reliefs hätten leonardos Vorstellung beeinflusst; dazu david summers, »›Figure come fratelli‹. A transformation of symmetry in renaissance painting«, in: AQ, n. s., 1, 1977, s. 59–88, s. 65; vgl. white, 1967, s. 43f.; Kwakkelstein, 1999, s. 181–198 und Fusco, 1982, s. 175–194; zur reduktion der skulptur auf zwei seiten meint Freedman, 1989, s. 236 (und s. 237): »this shows how he despises the sculptor’s craft.« 883 Alberti, De statua, 16, s. 166: »nam esto, secutur exemplar statuae phidiae in partes duas […].« 884 Vgl. über Gott als monetarius cusanus, De ludo globi, ii, 115, s. 91f.; der Mensch als Münze Gottes auch in der hebräischen Bibel (mSanh 4, 5). An dieser stelle sei noch einmal an den von pope­hennes­ sy, 1966, s. 208–209 mit recht konstatierten einfluss der Medaille auf zweiseitig bemalte Bildtafeln erinnert. – Auch leonardos Vergleich des Bildhauers mit einem topfdreher (leonardo, Libro di pittura, i, 43) steht unter dem eindruck des topos von Gott als Künstler ( figulus); vgl. Jes 29, 16. 885 Alberti, Momus, iV, s. 354f. (Üs: M. Boenke): »sic enim aiebat pictor, tanti operis artificem selegisse et deputasse id quo esset hominem conditurus; id vero fuisse aliqui limum melle infusum, alii ceram tractando contepefactam, quicquid ipsum fuerit, aiunt imposuisse sigillis aeneis binis quibus altero pectus, vultus et quae cum his una visuntur, altero occiput, tergum, nates et postrema istiusmodi impressarentur.« ein ironisches spiel mit der Zweiseitigkeit der Medaille betrieb Filarete 1445 mit seiner Selbstbildnismedaille auf der Bronzetür von st. peter in rom, indem der beide seiten (Avers und revers) gleichzeitig auf der Außenseite er tür anbrachte; dazu warnke, 1992, s. 101, Abb. 1–2; vgl. auch die Selbstbildnismedaille von lysipp dem Jüngeren, die auf dem Avers das profil des Medailleurs

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ein witz dieser Art speiste sich auf einer sachlichen ebene einerseits aus diffusen Mythen der Menschenschöpfung – sie klingen beispielsweise in Manettis traktat De dignitate hominis an –,886 andererseits aus einem Genre, in dem sich Alberti (seine Ars aeraria ist verloren) persönlich hervortat, übrigens auch leonardo, als er sich gegen 1490 in gusstechnische Belange vertiefte, sein projektiertes reitermonument für Francesco sforza im hinterkopf.887 Gemeint sind Abhandlungen über den erzguss. Obgleich por­ cellio pandonis Abhandlung De arte fuxoria diesen themenkreis nicht berührt,888 kön­ nen wir im Quattrocento die Vertrautheit mit einem recht simplen Kniff zum Figuren­ guss voraussetzen. Unter den Gussexperten des 16. Jahrhunderts empfiehlt Biringuccio dem Metallgießer den Figurenguss in zwei hälften, und er illustriert dieses prinzip mit zwei Gussschalen für eine Glocke (Abb. 108).889 cellini wird konkreter. er stellt sich im Vorfeld des Gusses die Figuren der länge nach aufgespalten vor, dann fertigt er zwei komplementäre schalen für den Guss.890 leonardo selbst skizzierte gegen 1493 ein halbier­

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mit der Aufschrift präsentiert: »DI LA IL BEL VISO • E QVI IL TVO SERVO MIRA« (Bewundere auf einer seite dein eigenes schönes Gesicht und auf der anderen das deines dieners); suggeriert wird, dass der glatte, blank polierte revers wie ein spiegel zu verstehen ist; nicht abwegig war daher die these von Ames­lewis, 2000, s. 227, Abb. 122, dass die Medaille der Geliebten (oder Gattin) des Medailleurs zugeeignet gewesen ist; hingegen argumentiert pfisterer, 2008a, s. 395–396, s. 370ff. für eine Freundschaftsgabe an Alessandro cinuzzi; The Currency of Fame, 1994, s. 121. so sah Manetti in den beiden nasenlöchern des Menschen den Beweis, dass ihn Gott »in zwei hälf­ ten geteilt« hat. er fährt fort (Üs: leppin): »daran können wir erkennen, wie viel die Zweizahl […] zur vollendeten Gestalt der dinge beiträgt« (i, 19). wie Gott entweder vom »einfachen her doppelge­ staltig« ist oder »von der doppelheit her eingestaltig« (i, 20), so seien alle teile im Körper »aus zwei hälften zusammengefügt«; Manetti, De dignitate, i, 19, s. 15–16: »At id veluti pariete per medium ducto intersepsit atque divisit, fecitque ipsa duplicitate pulcherrimum. […] sicut ipso mundo summa rerum vel de simplici duplex vel de duplici simplex et gubernat et continet totum, ita in corpore de duobus universa compacta indissociabilem pretenderet unitatem.« Über die zwiespältige natur des Menschen auch Giovanni pico della Mirandola, De dignitate, s. 40. Über den erzguss leonardo, Codex Madrid II, fols. 142r–157v und auf fol. 141r, s. 287f. »A gittare medaglie«. siehe porcellio, De arte fuxoria; dazu pfisterer, 2002, s. 121ff. und schlosser, [1924] 1985, s. 128 und 130. Albertis traktat Ars aeraria galt vermutlich der Münzkunst und wird erwähnt in Gauricus, De sculptura, cap. 6, s. 210–211; der Benediktinermönch Gerolamo Aliotti, ein Freund Albertis, berief sich 1460 im Brief an niccolo corbizio auf die gegen Mitte des Quattrocento verfassten traktate Libellus de arte fusoria – gemeint war der traktat von porcellio – und auf den Tractatus in super artis aerariae; s. Aliotti, Epistolae, Bd. i, s. 406ff. Zur Glocke Biringuccio, De la pirotechnia, Viii, cap. 4, fol. 120v; zu zwei Gussformen für eine Figur ebenda, Vi, cap. 2, fol. 78r; vgl. iX, cap. 8, fol. 139r; in Vii, cap. 1 auch über leonardo und seine Gussversuche in Mailand. so heißt es in Buch iii über die Bildhauerei: »e con questi pezzi si va compartendo bene tanto che e’ si pigli la metà delle figura; i’dico la metà per lungezza […]« und »[…] finisci l’altra metà della figura […]«, »[…] il farle di dua pezzi […]«; cellini, Due trattati, XXV, s. 757ff.; und im traktat über die Goldschmiedekunst (ebenda, XXV , s. 733) heißt es: »così le braccia si fanno di due pezzi; il medesimo

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108 Illustration zum Guss einer Glocke, aus: Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia. Libri X., Venedig: Venturino roffinello, 1540, Viii, cap. 4, fol. 120v

109 leonardo, Entwurf für den Guss eines Pferdes in zwei Hälften, detail aus: rl 12524, ca. 1493, windsor castle, royal library

tes pferd, um sich die inwändige Gussvorrichtung transparent zu machen (Abb. 109).891 Ob das eingangs erwähnte Bildnis des Zwergen Morgante (Abb. 6a–b), das Bronzino schuf, als schalkhafte caprice, etwa als Verballhornung des riesen Morgante aus pulcis Versepos zu verstehen ist, oder mehr als ein Bilddokument, das auf den reiz des physio­ gnomisch nicht Alltäglichen abhebt – Bronzinos zweiteilige, jeweils ›hälftige‹ präsenta­ tion des Zwerges gehorcht ohne Zweifel dem strukturprinzip, das Bildgießer anwandten. dieses liebäugeln mit dem herstellungsprozess der Bronzefiguren dürfte Bronzinos ›paragone­Bild‹ m. e. erst eigentlich die pointe geben.892

le gambe di dua altri pezzi, e la testa similmente di dua pezzi.« Zur Gusspraxis im 16. Jahrhundert cole, 1999, s. 215–235. 891 (windsor castle, royal library, inv.­nr. 12349); das gesamte Blatt zeigt verschiedene entwürfe und techniken für den Guss eines Bronzepferdes, zweifellos im hinblick auf das reiterdenkmal für Fran­ cesco sforza; s. Leonardo da Vinci. Master Draftsman, 2003, Kat.­nr. 64, die Abb. auf s. 431; clayton, 1996, s. 49, Kat.­nr. 27, Abb. s. 53; auch die skizzierte Gussvorrichtung für den schwanz des pferdes geht vom zweiteiligen Guss aus; s. leonardo, Codex Madrid II, fol. 145r. 892 siehe die Beschreibung von Vasari, Le vite, Bd. Vii, s. 601: »ritrasse poi Bronzino […] Morgante nano, ignudo tutto intiero, ed in due modi […].« Grundlegend im Kontext des paragone holder­ baum, 1956; vgl. larsson, 1974, s. 56; dülberg, 1990, s. 166, Abb. 683–684; meine these zum iro­ nischen Bezug auf pulci in hessler, 2002, s. 90; vgl. hendler, 2013, s. 166ff.;man beachte die erst

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Kehren wir zu leonardo zurück. Zum Zeitpunkt, als leonardo seine Vorstellung von zwei seiten der statue niederschrieb, war sein Ginevra­porträt vollendet – auch die­ ses, wenn man so will, ein Bildnis, das sich zwei hälften verdankt. Aber anders als in Bronzinos Ganzfigurenbildnis ist die reizvolle Vervollständigung der Frontalansicht jene ›hälfte‹, die Allusionen auf die amor – amicitia zu Bembo enthält. Braccesi ist es, der explizit einen »alten Freundschaftsbund« beredet, der indirekt das herzensbündnis zwi­ schen Ginevra und Bembo herstelle.893 die topologie der Freundschaft, wie sie in Florenz in seltener dichte 1441 im Certame coronario zum Ausdruck kam, übrigens unter Anwe­ senheit des damaligen venezianischen Botschafters,894 erwies sich durchaus als ein sam­ melbecken für die Allegorik der Verschmelzung von zwei hälften zu einem Ganzen, sei es in Form des aristotelischen Freundschaftsideals von einer seele in zwei leibern895 oder, ganz ähnlich, mitunter greifbar in Barbaros De re uxoria, unter Bemühung des einheitsstiftenden elementes der Freundschaft – sie lässt aus zweien eines werden –; 896 und darüber hinaus zeitigte das alte, bei Augustinus mit persönlichen empfindungen durchtränkte Bild vom Freund als alter ego seine wirkung. der rekurs auf dieses begeg­

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jüngst – dank der restaurierung des Gemäldes – zum Vorschein gekommenen inhaltlichen details und Jagd­Attribute des Zwerges, wie sie unsere Abbildung wiedergibt. sie weichen, eine Konzession an die varietà und die zeitliche sukzession, in der Vorder­ und rückseitenbemalung voneinander ab; mehr dazu Bronzino. Pittore e poeta alla corte die Medici, Ausstellungskatalog (Florenz, palazzo stroz­ zi, 24.09.2010–23.01.2011), hrsg. v. carlo Falciani et alt., Florenz, 2010, s. 214f., Kat­nr. iV.7. Zur 1582 gegossenen Kleinbronze des Morgante (auf einer Meerschnecke) von Giovanni Bologna holder­ baum, 1956, Abb. 26–27 und zur 1560 gemeißelten Brunnenfigur Valerio ciolis ebenda, Abb. 28; der von Bronzinos Morgante deutlich abhängige, stehende Morgante von Giovanni Bologna in Avignon (Musée calvet) war holderbaum offenbar nicht bekannt. – die von Malern des Quattrocento oft spiegelbildlich nebeneinander gezeichnete Vorder­ und rückenansicht von Figuren erklärt pfisterer, 2002, s. 388 mit schablonen oder plastischen modelli und mit Anfängen der paragone­diskussion. B, nr. 3, vv. 7–8: »[…] veteris quem foedere iunctum / novit amicitiae protinus esse tibi.« landino thematisiert anlässlich des Abschieds seine eigene Freundschaft mit Bembo und lässt die berühmten antiken Freundespaare revue passieren (L, nr. 5, vv.21ff.). BMl, Ms. pl. Xc, inf. 38, fol. 519: »[…] lo ambasciador di Vinegia […].« Zum Certame coronario s. cap. iV, 3.3. De vera amicitia, 1993, passim; grundlegend Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1161b, 1168b; vgl. petrarca, Canzoniere, nr. 48, vv. 5–6, s. 136: »Amor, tu che’ pensier nostri dispense, / al qual un’alma in due corpi s’appogia« und derselbe/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 53: »della assen­ zia degli amici«, ii, s. 197: »Orazio chiama Vergilio la metà dell’anima sua«. die diskussion der zwei­ fachen natur des Menschen nach Aristoteles in pontano, Charon, 7, s. 56; vgl. diogenes laertius, Leben, ›Aristoteles‹, V, 20; dante, Convivio, i, 6, 5. Unter Berufung auf pythagoras Barbaro, De re uxoria, ii, cap. 1, fol. d5v: »sic denique velim cum viris suis vivant, ut et quodammodo animum misceant, et si fieri posset (quod vult pythagoras in amicitia) unus fiat ex duobus«; im Certame v. a. in Mariotto d’Arrigo davanzati, vv. 100–101 und in Antonio degli Agli, v. 173, in: De vera amicitia, 1993, s. 257 und s. 233: »e pittagora vuol che tal trovare / si debb’uom senza amico qual sanz’alma«. Vgl. über die liebe petrarca, Triumphus Cupidinis,

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net in leonardos Malerbuch: »[…] ist dir einer ein wahrer Freund, so ist er dein anderes selbst [altro te medesimo].«897 pietro Bembo nimmt sich dieses topos zur Ausfaltung seiner liebestheorie in Gli Asolani an.898 die durch cicero verbreitete Gleichung »amor […] amicitia«, zwei Begriffe, die leonardo dokumentierbar für synonyme hielt, war dazu angetan,899 fließende ikonografische Übergänge bei liebes­ und Freundschaftsbil­ dern nach sich zu ziehen. die lateinischen Begriffe »coniux« für den Angetrauten oder »coniugare« für das Knüpfen der Freundschaft implizieren indes, dass etwas zusammen­ gehört oder zusammengefügt worden sei. niemand wird bestreiten wollen, dass die auf manchen diptychen angebrachten ehepaar­ und Freundschaftsbildnisse nicht trium­ phe eines gestalterischen willens wären, diesem phänomen mit einem spezifischen Bild­ medium beizukommen. tatsächlich suggerieren die zusammengefügten Bildflügel die iii, vv. 162, s. 500: »l’amante nel amato si trasforme;«. die persönliche Vervollständigung durch den geliebten ehemann spricht aus der rahmeninschrift von Jan van eycks Porträt der Margarete van Eyck, in der es hieß: »cOi[ni]VX Ms JOhes Me c[om]pleVit […]«; s. dhanens, 1980, s. 302– 306, Abb. 189 und ausgiebig Karin Gludovatz, »Vom ehemann vollendet. die Bildwerdung der Mar­ gareta van eyck«, in: (En)gendered. Frühneuzeitlicher Kunstdiskurs und weibliche Porträtkultur nördlich der Alpen, hrsg. v. simone roggendorf et alt., Marburg, 2004, s. 18–37. 897 leonardo, Libro di pittura, ii, 65, Bd. i, s. 177: »[…] s’egli è vero amico, egli è un altro te medessimo, […].« die von Aristoteles (Nikomachische Ethik, 1161b), Zenon und cicero verwendete Metapher explizit in Anselmo calderoni, v. 30, in: De vera amicitia, 1993, s. 287; vgl. Alberti, Della famiglia, iV, Bd. i, s. 285: »[…] un altro sé stessi […].« die Zweiheit als Maßstab der Freundschaft, der Freund als anderes selbst und als der andere von zweien bei plutarch, Moralia, 93e; die im wortlaut abwei­ chende definition vom Freund als zweites ich in cicero, De amicitia, XXi, 80. Anlässlich des schmerzlichen Verlustes eines Freundes hatte sich Augustinus verwundert gezeigt, dass er selbst, »da […] doch ein zweiter er gewesen«, noch am leben sei; und er begriff den Freund als hälfte der eige­ nen seele in einem zweiten leib. Mit dem tod des Freundes verbinde sich deshalb soviel leid, schrieb Augustinus, da er nicht »hälftig leben« wolle; Augustinus, Confessiones, iV, 6, s. 154–155 (Üs: Joseph Bernhart): »Mirabar enim ceteros mortales vivere, quia ille, quem quasi non moriturum dilixeram, mortuus erat, et me magis, quia ille alter eram, vivere illo mortuo mirabar. Bene quidam dixit de ami­ co suo: dimidium animae suae. nam ego sensi animam meam et animam illius unam fuisse animam in duobus corporibus, et ideo mihi horrori erat vita, quia nolebam dimidius vivere, […]«; vgl. die Bemerkung des horaz, Oden, i, 3, v. 8 über den Freund als teil seiner seele. 898 es geht Bembo um das idealbild der liebe als Komplementarität und um die liebesentstehung infol­ ge des wiedererkennens eines teiles von sich im Gegenüber. so spricht Gismondo: »[…] poi che non è il tutto quello […] che sanza altrettanto non può stare […]. così è sanza fallo alcuno: essi sono la vostra dolce metà et voi la loro, sì come io quella della mia cara donna et essa la mia. la quale se io amo, […], ma se io amo lei et se ella me ama, non è tuttavia che alcuno di noi ami altrui, ma se stesso; […].« Bembo, Gli Asolani, ii, cap. 12, s. 142. Vgl. die position von leonardo, Libro di pittura, ii, 77. 899 cicero, De amicitia, Viii, 26, s. 140 (vgl. den Kommentar von Guarino, De amicitia, sBB pK, Ms. lat. 509, fol. 233r–240v); über typen der Freundschaft horaz, Ars poetica, vv. 312ff.; die Austausch­ barkeit beider Begriffe für leonardo zeigt sich, wenn er hass und »amicizia« – gemeint ist liebe – als die wichtigsten triebfedern der Menschen ausweist; s. leonardo, Libro di pittura, ii, 65e, s. 176: »[…] odio e amicizia sono doi de’più potenti accidenti che sieno apresso alli animali.«

4. Hälften zur Komplettierung

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entstandene eintracht.900 Vergleichbare tendenzen schlugen sich früh nieder in einem heute verlorenen ›Freundschaftsbild‹ von 1449, das als doppelseitig bemalte einzeltafel dem Ginevra­Bildnis viel näher stand. Mantegna malte auf einer seite leonello d’este und umseitig seinen intimus Folco da Villafora.901 eben diese Funktion, Verbindungen herzustellen, schrieb Guarino Veronese erato zu, der Muse der liebesdichtung. sie ist diejenige, welche »die Bande der ehe und der wahren liebe knüpft«. in diesem habitus hat sie Agostino di duccio dargestellt (Abb. 110).902 Und an erato richtet landino kaum zufällig wiederholt seinen Musenaufruf: »[…] erato hat mir befohlen, spielerisch elegien

900 Man betrachte unter diesem Gesichtspunkt den Abbildungsteil von dülberg, 1990, besonders die Abb. 29–31, 75–78, 85–87, 112–113, 201–204 etc. eine parallele bietet die Medaillenkunst mit auf Avers und revers verteilten ehepaarbildnissen. dabei dürfte die Metapher eines ›zusammenge­ schweißten‹ paares mitschwingen; Beispiele sind die Marescotti zugeschriebene Bronzemedaille von Vittore und Taddea Pavoni von ca. 1470 (s. hill, 1930, nr. 90), Anticos Bronzemedaille des Gianfrancesco Gonzaga und der Antonia del Balzo von 1479 (?) (ebenda, 1930, nr. 211), die Giovanni candida zugeschriebene Bronzemedaille von Maximilian I. und Maria von Burgund von ca. 1477 und Fra Anto­ nio da Brescias Bronzemedaille des Niccolò Michiel und seiner Frau Dea Contarini von ca. 1500 (The Currency of Fame, 1994, s. 123f., Kat.­nr. 37a und s. 106f., Kat.­nr. 29). – ein Beispiel für die dar­ stellung von Freunden sind die Bildsäulen der tyrannen Harmodios und Aristogeiton, die Ghiberti zitiert (Ghiberti, I commentarii, i, 6.8., s. 55: »Gli Atteniensi non prima d’ognuno puosono le statue Armodio et Arigosteto tiranni«); vgl. plinius, NH, XXXiV, 70. das Material hinsichtlich ihres Zusammenhaltes spielt eine rolle, wenn diogenes laertius, Leben, cap. ›diogenes‹, iV, 50 berichtet, der Kyniker diogenes habe auf die Frage eines tyrannen, welches erz am besten für eine Bildsäule tauge – bezugnehmend auf Antenors Bronzeplastik auf der Agora – geantwortet, es sei dasjenige erz, aus dem Harmodios und Aristogeiton gegossen worden seien. Als inspirator der frühneuzeitlichen Freundschaftsbildnisse gilt petrarca, Familiarum rerum libri, Bd. iV, s. 79ff. 901 Vgl. lightbown, 1986, s. 457; es heißt in der Zahlungsanweisung vom 23. März 1449 (Modena, Archivio di stato, Memoriale dell’anno 1449, fol. 47): »[…] uno quadro lungo incastrado e incornisa­ do e terzessado e rassàdo da tuti dui i lati lo quale fiece tore lo illustrissimo nostro. s. per farse retrare dal naturale a m° Andrea da padoa dipintore da uno lato dal altro lato folcho da villafora […].« dazu auch cranston, 2000, s. 66. 902 Zum Erato­relief (ca. 1453) im Templum Malatestianum: Il tempio Malatestiano, hrsg. v. Antonio paolucci, 2 Bde. Modena, 2010, Bd. ii, s. 171, Abb. 156; schröter, 1977, s. 358–359, tafel 36, Abb. 85, zur ikonografie – als sinnbild der liebe, ehe – s. 355–364; zu Guarinos 1447 verfassten pro­ grammentwurf für den Musenzyklus von Belfiore: »erato coniugalia curat vincula et amoris officia recti«; zitiert nach Baxandall, 1971, s. 159; landino im horaz­Kommentar: »erato ab amore qui graece eros appellatur. haec advenit nuptias.« wie eine weiterentwicklung wirkt eines der planetenbilderre­ liefs vom Florentiner campanile; es stammt von einem nachfolger des Andrea pisano: Auf der hand der Venus steht ein eng umschlungenes liebespaar; s. poeschke, 2000, Bd. ii, Abb. 224. Vgl. die bibli­ sche Grundlage zur ehe, die Gott stiftet, in Mk 10, 8 und Mt 19, 5–6.

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110 Agostino di duccio, Erato, ca. 1453, rimini, san Francesco (tempio Malatestiano), capella delle Muse e delle Arti liberali

111 Bucheinband von Commentarium Marsilij Ficini Florentini in Convivium Platonis de amore, ca. 1480, Oxford, Bodleian library, Ms. canon. class. lat. 156, hinterdeckel

von den herzen der liebenden / zu singen, die von cupidos pfeil entflammt wurden« (L, nr. 1, vv. 23–24).903 ein anthropozentrisches erklärungsmodell, das trotz aller phantasmagorischen ra­ dikalität unter dem leitgedanken der liebe beinahe alle genannten Aspekte in sich ver­ eint – den zweiteiligen Guss, den Akt des trennens und des Zusammenfügens –, ist der aristophanische Kugelmythos aus platons Symposion. wie sehr dieses von ›Cristoforo Landino‹ eloquent in De amore entfaltete Mythologem der Geschlechter­ und liebesent­ stehung in die nähe einer techne rückt, vermag uns nicht allein sein satz vorzuführen:

903 Vgl. auch: »Komm nun [erato], lass uns Bembos liebe rühmen, / aber nur diese, die von der himmli­ schen Venus selbst gebilligt ist« (L, nr. 3, vv. 1–2) oder: »sag, erato, [welches mögen die Flammen sein, die] das herz der liebenden / erregen, [denn du] allein kannst es sagen.« (L, nr. 2, vv. 25–26).

4. Hälften zur Komplettierung

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»ein jeder von uns ist nur die hälfte eines Menschen, gleichsam durchgeschnitten, […].«904 es gibt weitere Anhaltspunkte. das Urmenschengeschlecht, die harmonisch­ganzheit­ liche inkarnation des weiblichen und Männlichen (»ex utrisque compositum«), beschreibt ›Landino‹, getreu nach platon, als ein zweiköpfiges und rundes (»rotunda«) Geschöpf mit vier Armen und vier Beinen, als es von seinem schicksal ereilt wird: »Ursprünglich gab es bei den Menschen drei Geschlechter: nicht nur wie jetzt das männliche und weibliche, sondern auch ein drittes, aus beiden zusammengesetztes. in unversehrtem Zustande war die Gestalt des Menschen rund; […]. Zeus aber zer­ schnitt sie, einen jeden der länge nach, und machte aus je einem von ihnen zwei. […]. nachdem nun die Menschennatur dergestalt getrennt war, suchte ein jeglicher seine hälfte. […]. so ist die gegenseitige liebe der Menschen zwecks wiederherstel­ lung des ursprünglichen Zustandes entstanden, aus dem Bestreben nämlich, zwei zu einem zu verbinden […].«905 Zwei zu einem zu verbinden – dieser grandiose Gedankenflug zur ›natur des Menschen‹ war in Bernardo Bembos De amore­Autograf nicht allein nachzulesen, das Ornament des ledernen Bucheinbandes (Abb. 111), auf dem zwei Kreise mit einer Knotenmuste­ rung miteinander verbunden sind, alludiert an liebesknoten, die die liebespoesie so gerne beschwor, und deren sinn petrarca wie folgt benennt: »con bel nodo d’amor teco congiunge.«906 Vorbildgebend für Ficino, wuchs dem Zusammenfügen der beiden Men­

904 Ficino, De amore, 4, cap. 1, s. 96/97 (Üs: richard Blum): »est enim quisque nostrum dimidium hominis utpote sectus […].« Zum Kugelmythos wind, [1958] 1987, s. 230ff. 905 Ficino, De amore, s. 94–97 (Üs: richard Blum): »principio tria hominum erant genera, non solum que nunc duo, mas et femina, verum etiam tertium quoddam aderat ex utriusque compositum. preterea, integra erat cuiusque hominis speties atque rotunda […]. ideo iupiter singulos in longum secuit, duosque fecit ex uno […]. postquam natura hominum ita divisa fuit, quisque sui dimidium cupiebat. […] hinc utique mutuus hominibus innatus est amor, prisce nature conciliator, annitens unum ex duobus efficere […].« Vgl. platon, Symposion, 189eff.; zur Verwebung dieser Vorstellung mit Orphik wind, [1958] 1987, s. 232. der Mensch ist als androgyne schöpfung interpretiert von Origi­ nes, In Genesim, i, 15 (PL, Bd. Xii, sp. 58); vgl. Augustinus, De trinitate, Xii, 7; verwandt sind die biblischen Vorstellungen von der schöpfung der Frau aus Adams rippe in Gen, 2, 21ff. und von der ehelichen liebe als Verschmelzung zu einem Fleisch in Gen 2, 24; vgl. auch den passus zur entste­ hung der doppelgeschlechtlichkeit des hermaphroditen infolge des wunsches der Quellnymphe sal­ macis nach Verschmelzung mit ihm in Ovid, Metamorphosen, iV, vv. 285ff., vv. 73ff. über mythische Mischgestalten, zu denen neben hermaphrodit auch leukippos, teiresias und andere zählen. 906 petrarca, Triumphus Cupidinis, ii, v. 24, s. 488. Felice Feliciano verwendete Knotenmuster gegen 1465 zur Verzierung einer Trionfi­Ausgabe; s. Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 276 und Kat.­nr. iV.20; zum »caritatis nodo« auch landino, Disputationes Camadulenses, i, s. 47; andere textstellen zu den nodi der liebe in Marianne Koos, »Amore dolce­amaro. Giorgione und das ideale Knabenbildnis der venezianischen renaissancemalerei«, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 33, 2006, s. 113– 174, s. 126. Bembos Autograf befindet sich in Oxford, Bodleian, Ms. canon. class. lat. 156; erwähnt

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schenhälften in platons Symposion der rang einer künstlerischen leistung zu. Kein Geringerer als der schmiedegott hephaistos schickte sich an, dem Begehren der Getrennten, erneut vereint zu werden, mit seiner Kunstfertigkeit nachzukommen. er schlug vor, sie zusammenzuschmelzen und in eins zusammenzuschweißen.907 es war nicht der einzige Vergleich, den platon mit einem skulpturalen werk anstellte: eine Zer­ spaltung mehr, heißt es nicht frei von sarkasmus, und das Aussehen dieser Menschen gleiche einer Figur auf Grabsteinen, deren spalt mitten durch die nase verlaufe (193a). Kaum zufällig gilt eros als trefflicher Künstler, der alles hervorbringen könne, was zur Kunst der Musen gehöre (196e). Vorstellungen über das Zusammenschmieden enger Freunde, auch von Verliebten, überlieferte plutarch.908 sie schlugen sich bildhaft – mit der Zentralfigur Vulkan – in der emblematik des 16. Jahrhunderts nieder (Abb. 112).909 horaz kennt die liebe bereits als jene Kraft, »die entzweiten ins Joch ehern zusammen­ schirrt.«910 ein später Kulminationspunkt – nach fortwährenden Amplifikationen dieses Vorstellungsgutes – stellte sich mit Biringuccios De la pirotechnia ein: der technologi­ schen Ausrichtung dieses Metallurgiebuches zum trotz füllt das letzte Kapitel ein exkurs über Amor, den erzeuger des weitaus mächtigsten Feuers.911

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wird der einband von hobson, 1989, s. 20, Abb. 14, mit der datierung auf ca. 1470. das Knotenmu­ ster erinnert zudem an leonardos Ausschmückung der Sala delle Asse; dazu Zöllner, 1999, s. 55, Abb. auf s. 59. platon, Symposion, 192dff. – dieses Motiv wurde gerne in liebestraktaten des cinquecento reflek­ tiert, v. a. – unter Berufung auf pietro Bembo – von Flaminio nobili, Trattato dell’amore humano, fols. 23v–24r: »et il Bembo altresì con sommo affetto disse / la fera, che scolpita nel cor tegno, / così l’havefas’io vivo entro le braccia. /. perche non dubita Aristophane appresso platone, che gli Amanti vorrebbono trovare qualche Vulcano, che gli fondesse insieme colla cosa amata, per divenir con quel me solamento di due uno, più che possibil folse; […].« Als sprecherin in sperone speronis 1528 ver­ fassten Dialogo d’amore charakterisiert die dichterin ›Tullia von Aragon‹ (1508/10–1556), selbst Auto­ rin eines von platons Symposion inspirierten dialoges, ihre Verbindung zu Bernardo tasso wie folgt: »[…] che’l nostro amore sia perfetto in maniera, che’l tasso, e io siamo quasi uno ermafrodito«; spe­ roni, Dialogo d’amore, Bd. i, s. 7. einen Beweis für die von der natur gewollte Bruderliebe sieht plutarch, Moralia, 478d in den doppelt vorhandenen teilen des leibes, wie in den händen, Füßen, Augen, Ohren etc.; in 491a vergleicht er das Zusammenlöten der zersprungenen Bronze mit dem Zusammenhalt von Freundespaaren und in 619a das Zusammenkommen von im Feuer erhitztem erz mit dem von Verliebten. so heißt es 1589 in Juan de horozco y covarrubias, Emblemas Morales, iii, nr. 43: »[…] ser uno mis­ mo dos segun refieren / de los dos que se fueron mano a mano / a la yunque y martillo de Vulcano«; vgl. Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, hrsg. v. Arthur henkel et alt., stuttgart, [1967] 1996, sp. 1757. »Quid si prisca redit Venus / diductos iugo cogit aeneo«; horaz, Carmina, iii, 9, vv. 17–18, s. 132/133 (Üs: hans Färber). Biringuccio, De la pirotechnia, X, fols. 167r–168r.

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112 Vulkan beim Zusammenschmieden von zwei Freunden, aus: Juan de horozco y covarrubias, Emblemas Morales […], segouia, 1589, iii, nr. 43

nach literarischen reflexen auf den Kugelmythos bei Beccadelli, in stanzen von Girolamo Benivieni und vor allem seinem Ausleger Giovanni pico della Mirandola,912 war es pietro Bembo, der sich in Gli Asolani erkühnt, die Verbindung zwischen dem Kugelmythos und der Malkunst herzustellen. Unter dem walten des parodierenden Mythografen ›Gismondo‹ ergreift die Fabel kurzerhand von der pflanzenwelt Besitz.

912 Allenfalls Andeutungen tauchen bei Beccadelli auf, der cosimo de’ Medici gegen 1425 mit einer recht obszönen epigrammsammlung bedachte, die den titel Hermaphroditus trug; er erhielt wenige Jahre später die dichterweihen für sie; Beccadelli, Hermaphroditus, nr. 42, s. 73: »in binas partes diduxi, cosme, libellum: / nam todidem partis hermaphroditus habet.« der Florentiner Girolamo Benivieni deklarierte sein gegen 1480 verfasstes Gedicht, Amor dalle cui man’sospeso el freno, als rekurs auf pla­ tonisches Gedankengut; und der platonisierende, gegen 1486 verfasste Commento aus der Feder seines engen Freundes Giovanni pico della Mirandola (1463–1493) begleitete mitsamt einem Symposion­ Kommentar die posthum, 1519 in Florenz bei Giunta publizierte Ausgabe des Œuvres von Benivieni; s. Giovanni pico della Mirandola, Commento sopra una canzone, die stanzen Benivienis auf s. 2–19; zum Kugelmythos iii, cap. 4, s. 146: »la fabula di Aristofane, posta nel convivio di platone«; dazu Olga Zorzi pugliese, »Variations on Ficino’s ›de amore‹. the hymns to love by Benivieni and casti­ glione«, in: Ficino and Renaissance Neoplatonism, hrsg. v. Konrad eisenbichler, Ottawa, 1986, s. 113– 121 und s. 348, Anm. 10. Antonio Benivieni d. J. hatte die existenz einer schrift Girolamo Benivie­ nis und picos über platons Convivio bezeugt: »convivio di platone da Girolamo tradotto, e dal pico poscia, sopra quella istesso testo, dichiarato« (in AsF, carte Gianni, Ms. 43).

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Gefragt nach seiner Meinung zum zweigeteilten Menschen, verunglimpft ›Perottino‹ den aristophanischen Kugelmythos als eine reine »spielerei der Menschen […], als Malereien [dipinture] […] oder eher […] niedere erfindungen und einfälle«. Forsch weist ›Gismondo‹ diese Kritik zurück: »es sind nicht diese Malereien von Menschen [dipinture de gli huomini], noch niedere erfindungen, […]«; die natur selbst verfahre so, nicht der Mensch.913 Und da es der natur ein leichtes gewesen sei, »uns wie Bäume einheitlich zu formen, teilte sie uns nur, als wären wir zwei hälften einer nuss und verlieh jeder hälfte ein eigenes Geschlecht […].«914 der liebende, so vernehmen wir in einer von petrarca abhängigen wendung, erblicke in jedem stein, in jedem Ast das Gesicht des Gelieb­ ten.915 Beachtung verdient, dass sich auch landinos Amor als kreativer helfer der natur zu bewähren weiss. in der elegie Nobilitas prisco si forte a sanguine surgit heißt es, gemünzt auf das florentisch­venezianische liebespaar: »Ohne dich, süße liebe, tut die natur, die Mutter der schöpfung [rerum natura creatrix] / nichts, noch bewegt sie ihre geschickten hände.« (L, nr. 6, vv. 45–46). Ob die geschickten hände der von liebe beseelten natur für die spaltung von Mann und Frau oder für die potenzielle rekonstruktion ihres

913 »per aventura […] giuochi de gli huomini, dipinture et favole et loro semplici ritrovamenti più tosto et pensamenti che altro. […]. non sono queste dipinture de gli huomini, né semplici ritrovamenti, […]. la natura stessa parla et ragiona questo cotanto che io t’ho detto, non alcuno huomo.« Bembo, Gli Asolani, ii, cap. 11, s. 275 (Üs: Michael rumpf); pietro Bembos Auseinandersetzung mit der Fabel erstreckt sich über die cap. 11–12 von Buch ii von Gli Asolani; sein Ausgangspunkt ist die erklärung der selbstliebe und die der komplementären Verschiedenheit der Geschlechter. – in mittelalterlichen Miniaturen von natur als Künstlerin figuriert sie meist, wie durch Aristoteles, De generatione animalium, V, 8, 789b6–13 nahegelegt, als schmiedin; dazu Modersohn, 1994, Bd. i, s. 219–229, s. 220. 914 Bembo, Gli Asolani, ii, cap. 11, s. 276 (Üs: s. o.): »la natura […] agevolmente d’una maniera sola for­ mare come gli alberi, quasi una noce partendo ci divise in due, et quivi nell’una metà il nostro et nell’altra il vostro sesso fingendone, […].« inspiriert war das Beispiel der halbierten nuss durch pla­ tons (Symposion, 190e1) Metapher des zerspaltenen eies. – in diesem Zusammenhang sollte die Mate­ rialität des Bildträgers der Ginevra, nussbaumholz (das heißt der teil eines Baumes), nicht uner­ wähnt bleiben. – Baumhälften spielen eine ›einheitsstiftende‹ rolle in zwei porträts, die zweifellos ein diptychon bildeten, das Porträt eines jungen Mann und das Porträt einer jungen Frau; sie werden seba­ stiano Mainardi zugeschrieben und entstanden im ausgehenden Quattrocento: die Baumhälften, in der Mitte des diptychons, sind auf zwei Flügel verteilt. wohlbedacht scheint zu sein, dass diese bei­ den Baumhälften in einem bestimmten winkel, beim leichten Zusammenklappen des diptychons, wenn der Blick des Mannes endlich die Geliebte trifft, miteinander verschmelzen, sozusagen ›zusam­ menwachsen‹; s. (Berlin, staatliche Museen, preußischer Kulturbesitz, inv.­nr. 86 und 83), Best.-Kat. Berlin, 1996, s. 460, nr. 288–289; eine Variante des diptychons, die domenico Ghirlandaio zuge­ schrieben wird, in Virtue and Beauty, 2001, s. 194–195, die Abb. auf s. 196–197. – ein hermaphrodit, der einen Baumstamm bildet, versinnbildlicht 1552 in einem emblembuch die ehe; das Motto lautet: »MAtriMOnii tYpVs«; s. Barthélemy Aneau, Picta poesis ut pictura poesis erit, paris: Mathiam Bonhomme, 1552, s. 14f. (abgebildet in: Emblemata, [1967] 1996, sp. 1631–1632). 915 Bembo, Gli Asolani, ii, cap. 33, s. 177: »in ogni sasso, in ogni tronco, in ogni riva, pure che essi vi mirino, vede l’amante la faccia dolce della sua bella donna et essa quella del suo signore.«

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Ursprungszustandes auch in der genannten elegie in Anspruch genommen werden, bleibt offen.916 hatte mitunter leonardo diesem Vorstellungsgut mit seiner doppelansichtigen Ginevra­tafel den weg geebnet? ein indiz, das für sein denken in komplementären hälf­ ten angeführt werden kann, ist, wenn man so will, die Verteilung des weiblichen und des männlichen teiles auf zwei Bildseiten: Ginevra ist weiblich, der umseitige wacholder, ginepro, im italienischen männlich. Man könnte an eine verstiegene und allzu bemühte interpretation glauben, wenn sich nicht, wie erwähnt, landino in seiner elegie Hoc age nunc, Bembi referamus amore mit dem wortspiel Bembo – Bemba (L, nr. 3, v. 116) dersel­ ben flexionsändernden Konvention befleißigt hätte, der stilfigur des polyptotons. es ist dies eines der stärksten Argumente für einen direkten Zusammenhang zwischen leo­ nardos porträt und landinos elegien.917 Zudem klingen manche wendungen landinos wie auf leonardos Komposition gemünzt: Ginevra wohne inmitten von Bembos herz (»[…] medio corde Ginevra sedet«; L, nr. 3, v. 12), oder Bembo sei angezogen von Ginevras männlicher tugend in ihrer weiblichen Brust (»virtus muliebri in corde viri­ lis«; L, nr. 4, v. 17). diese worte sind Anverwandlungen von berühmten Versen aus petrarcas Canzoniere, in denen unter rekurs auf den topos von Amor als Maler zu lesen ist: »Quel dolce pianto mi dipinse Amore, / anzi scolpío, et que’detti soavi / mi scrisse entro un diamante in mezzo ’l core«; Benedetto Varchi zitiert diesen reim petrarcas in seiner paragone­lektion.918 im Bereich der Kunst bewähren sich Komplementaritäts­ metaphern seit alters her: so nehmen sich, in der Beschreibung durch plinius, gefolgt von poliziano, die beiden polyklet­statuen Diadumenus und Doryphorus wie bewusst auf den Gegensatz des weiblichen und männlichen Ausdruckes abgestimmte pendants aus.919 916 wie sehr nicht nur das Zusammenfügen, sondern auch die spaltung von Mann und Frau als Akt der Kunst verstanden werden konnte, belegt eine illustration aus einem 1470 in speyer gedruckten werk; es ist von (pseudo­)Franciscus de retza (gest. 1425), Defensorium, fol. 16, nr. 58 (unterhalb der Abbildung heißt es: »homo si in lapide vi celi pingi valet«): Zwei mit dem Auseinandersägen einer steinplatte, einem in der natur aufgefundenen Zufallsbild, beschäftigte Männer durchtrennen – mit dem ergebnis einer diptychischen Bildnisform – das aus ihr reliefartig heraustretende doppelbildnis bekrönter häupter, die einander zugewandt sind. Alberti hatte von Königsgesichtern auf Marmor­ stücken als Zufallsbildern gesprochen (Alberti, Della pittura, ii, s. 110: »Anzi la natura medesima pare si diletti di dipignere, quale veggiamo quanto nelle fessure de’marmi spesso dipinga ipocentauri et più facce di re barbate e crinite«). 917 Zu dem auf Abwandlung der Flexionsform beruhenden polyptoton lausberg, [1960] 31990, § 640– 648; über wortspiele castiglione, Cortegiano, ii, cap. 61. und extensiv platon, Kratylos, passim 918 petrarca, Canzoniere, nr. 155, vv. 9–11, s. 448/448 (Üs: Gabor/dreyer): »es hat mir Amor dieses süße Klagen / gemalt, ja mit dem Meißel eingehauen / und in mein herz in diamant geschlagen«; vgl. Varchi, Due Lezzioni, s. 532; zu diesem topos s. cap. Vi. 5.1. 919 plinius, NH, XXXiV, 55, s. 46/47 (Üs: roderich König): »polyclitus sicyonius […] diadumenum fecit molliter iuvenem […] idem doryphorum viriliter puerum« (polykleitos von sikyon […] schuf den mit einer Kopfbinde sich schmückenden Jüngling [diadumenus] von weichlichem Ausdruck

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Und in der Hypnerotomachia Poliphili durchschreitet der held polifilo, auf der suche nach seiner Geliebten, die beiden porphyrsäulen einer Magna Porta – sie werden teils als männlich (der unbehauene säulenschaft), teils als weiblich (die konkave Kannelierung) ausgewiesen; es ist die pforte zum tempel, der »dem einen wie dem anderen Geschlecht« gewidmet ist.920 Mustergültiges – nomen est omen – dient als latentes indiz der Zusam­ mengehörigkeit des liebespaares: polifilos Geliebte heißt lautverwandt polia. leonardos empfänglichkeit für den dualismus androgyner Kompositionen bewei­ sen mehrere Federzeichnungen in Oxford aus den Jahren 1483–1485: eine von ihnen zeigt ein doppelwesen mit zwei Oberkörpern (Abb. 113), die hüftabwärts in einen ein­ zigen frontal gegebenen Männerkörper einmünden. Zwei Köpfe besitzt dieses zwitter­ hafte Geschöpf. im profil voneinander abgewandt, ist der eine Kopf fast feminin, jung und heiter, der andere männlich, alt und traurig. wie die Beischrift belehrt, symbolisie­ ren sie das ineinanderwirken von »Freude« und »schmerz«, in leonardos worten: von »piacere« und »dispiacere«.921 Abermals bildete demnach für leonardo die lautverwandt­ […], ferner einen speertragenden Knaben [doryphorus] in männlicher haltung); wörtlich zitiert 1481 in poliziano, Commento Stazio, s. 444. – Auf Komplementarität beruht es auch, wenn Ficino Bembo und seinen Freund Antonio Vinciguerra (alias cronico) als castor (Bembo) und pollux (cro­ nico) bezeichnet; Ficinos Brief in Ficino, Opera, Bd. i/2, s. 810. 920 Hypnerotomachia Poliphili, Bd. i, s. 41: »le due prompte porphyrice columne dorice […]. questa superexcellente fabrica overo tempio, ad uno sexo et l’altro doveva essere ritualmente dedicato, […]. et però gli periti antiqui patri al sexo femineo maiore parte di cavatura attribuivano che al mascolo il rudentato, perché quella lubrica natura excede la virile in lascivia.« – ein Beispiel aus der pflanzenwelt für die Vorstellung von weiblichen Geschlechtsteilen als inversion der männlichen übermittelt plini­ us, NH, XXii, 20: die wurzel einer pflanze namens »hundertkopf« weise entweder Ähnlichkeit mit dem einen oder dem anderen Geschlechtsteil auf. 921 (Oxford, christ church, inv.­nr. 0034v). Oberhalb der Zeichnung ist zu lesen: »piacere e dispiacere / fannosi binati p[er]che maj luno e sanza . laltro cho/me se fussin appiccati volta[n]si / le schiene p[er] che so[n] co[n]trari«; unter dem linken Fundament steht das wort »fango« und rechts »oro«. die worte unterhalb der Komposition besagen: »se piglieraj il piacere sap[p]i che lui a djrieto asse che porgiera / tribolatione e pe[n]time[n]to«; zitiert nach Leonardo da Vinci. Master Draftsman, 2003, Bd. ii, Kat.­nr. 54, s. 401. Frei übersetzt heißt dies: »Freude und schmerz sind als Zwilling darge­ stellt, als wären sie miteinander verbunden, denn es gibt nie den einen ohne den anderen; und sie wenden sich den rücken zu, da sie gegensatzlich zueinander sind. sie wachsen aus demselben (Baum­) stamm, da sie ein und dieselbe Grundlage haben, denn die Grundlage von Freude ist Arbeit mit schmerz und die von schmerz eitle und laszive Freuden.« siehe auch leonardo, Scritti scelti, s. 91. das schilfrohr wird mit »eitlen und lüsternen Freuden« konnotiert. die fehlende erklärung zu den Zweigen rechts spricht für eine gängige ikonografie. es gibt eine Beschreibung lomazzos zu diesem Blatt, die nur in geringem Maße über leonardos text hinausgeht. Allerdings beginnt sein Abschnitt über ambigue Figuren unter Verweis auf die ›Verleumdung des Apelles‹, weil er den neid, den der Maler erntete, auf dessen tugend zurückführt. Und lomazzo benennt den Zweig rechts, nicht ganz schlüssig, als »ramo di siepe con spine di rose« (Zweig einer hecke mit dornen einer rose). Auf­ schlussreich ist, wenn er »fatica« synonym für »dispiacere« verwendet. der Anklang der homo-bivio­ thematik wird auf diese weise offensichtlich (lomazzo, Trattato dell’arte, cap. 55, Bd. ii, s. 390); das

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113 leonardo, Allegorie der Freude und des Schmerzes, 1483–1485, Oxford, christ church

schaft die Grundlage für ein dichotomes Geschöpf – in diesem Fall eines, für das ein inhärenter Gegensatz den Ausschlag gab. entsprechend verschieden fallen die jeweils zugeordneten vegetabilischen Attribute aus: der junge Mensch hält – nach leonardos Fundament aus Gold vielleicht übernommen von plutarch, Moralia. 86a. Zu dieser Zeichnung, die in der Forschung noch keine schlüssige deutung erfahren hat; s. The Literary Works of Leonardo, 1977, Abb. liX u. lXi; Arthur e. popham, The Drawings of Leonardo da Vinci, london, 1994, nr. 107– 108. – Auf dem recto des Blattes existiert eine zweite, sehr ähnliche zeichnerische darstellung leo­ nardos von einem mit pflanzlichen Attributen ausgestatteten doppelwesen – die Allegorie des Neides und der Tugend (Oxford, christ church library, inv.­nr. 0034r), wobei das haupt der tugend von einem Olivenkranz gekrönt wird. Auch in diesem Fall thematisiert die Allegorie die Abhängigkeit zweier Aspekte voneinander, wie dem Kommentar von lomazzo zu entnehmen ist (lomazzo, Trattato dell’arte, cap. 55, Bd. ii, s. 390–391): »i quali si dipingono insieme perché non mai l’uno è separato dall’altro […].« siehe Leonardo da Vinci. Master Draftsman, 2003, Bd. ii, Kat.­nr. 54; Martin Kemp, »science and the poetic impulse«, in: Journal of the Royal Society for the Encouragement of Arts, 133, 1985, s. 196–214, s. 201, Abb. 4 und The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 385.

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Kommentar als Ausdruck der liederlichkeit – ein langes schilfrohr, der Greis hingegen ein edles Zweig­ensemble: einen palm­ und einen laubzweig, vielleicht lorbeer, viel­ leicht ein Ast mit Früchten. eine Bestätigung der positiven Konnotationen mag man darin erkennen, dass unterhalb dieses Geästes rundliche Blätter oder Früchte – wie eine ernte – auf ein solides Fundament aus Gold (»oro«) hinabfallen, während sich der Boden gegenüberliegend als sumpfig erweisen dürfte; man beachte die Beischrift »schlamm« (»fango«). Motivzitate aus der homo­bivio­thematik verhalfen leonardo folglich zu die­ ser ambivalenten, auf die Veranschaulichung der Korrelation zweier Gefühle angelegten Allegorie, die deshalb so interessant ist, weil sie antithetisch pflanzensymbolik mit Zuge­ ständnissen an den aristophanischen Urmenschen miteinander verknüpft. An diesen erinnern die ›doppelköpfigkeit‹ und die vier Arme.922 leonardo dürfte demnach den Kugelmythos gekannt haben. immerhin ist insofern sein Glaube an die liebe als die ein­ heitsstiftende Kraft dokumentiert, als im Codex Trivulziano, einem seiner frühesten hand­ schriften, zu lesen ist: »der liebende wird vom geliebten Objekt bewegt wie die sinne von sinneseindrücken, und sie vereinen sich und werden ein und dieselbe sache.«923 diese Beobachtungen veranlassen uns zu schlussfolgerungen: die doppelseitige Bild­ bemalung, die in seinem schmalen Œuvre an Gemälden ein Ausnahmefall bleibt, ver­ half leonardo (dem gusstechnische Gepflogenheiten seiner eigenen Zeit eine wichtige heuristische Fiktion bei der Beurteilung von statuen als werken aus »zwei hälften« bil­ deten) zu einer Ausdrucksform für die amor – amicitia zwischen Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo und auch latent für den eros als virtus unitiva – ein kreativer Akt, bei dem leonardo die zentrale rolle der liebe in antiken erfindungsmythen der Malerei nicht gleichgültig lassen konnte.924 nicht fern von synkretistischen neigungen haben ihm dabei einige Mythen, Freundschaftsbilder und werkstattgepflogenheiten Flügel verlie­ hen. 922 Mit recht ist ein sehr ähnliches Zwitterwesen als reflex auf den aristophanischen Kugelmythos gedeutet worden: es schmückt den revers der Medaille des Marcantonio Passeri und stammt von Gio­ vanni cavino; s. wind, [1958] 1987, s. 231, Abb. 66–67; Karin Orchard, Annäherung der Geschlechter. Androgynie in der Kunst des Cinquecento (Kunstgeschichte 10), Münster und hamburg, 1992, s. 63ff., Abb. 53. Ausschlaggebend für die Janusgestaltigkeit war die herkunft des philosophen aus Genua (»de ianua«). – Zur homo-bivio­tradition panofsky, [1930] 1997. 923 leonardo, Codex Trivulziano, fol. 6r; The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. ii, 1202, s. 248: »[…] come il senso e la sensibile« mit der datierung auf 1487–1490 (vgl. Br. M.205b von circa 1506–1508: »lomo a desiderio dijn/[ten]dere sella femmina / ecedijbile alla djma[n]da/ta lussuria e (nello) / (poi) e intendendo djsi / e come ell a desiderio dellomo elli la richie/de e mette inopra il suo de/siderio e jnt­ en/dernol / po seno(n?) /confessa / e confessando fotte.« Zu dieser textstelle Kemp, 1985, s. 199 unter Berufung auf dionysius, De divinis nominibus, V, 12, wonach die liebe die einheitsstiftende Kraft sei; vgl. dante, Convivio, iii, 2, 3. 924 laut plinius, NH, XXXV, 151 zeichnete die tochter des töpfers Butades den Umriss ihres Geliebten, bevor er Abschied nahm. leonardo war dieser Mythos bekannt (vgl. leonardo, Libro di pittura, ii, 129); zu diesem themenkreis stoichita, 1999, s. 11ff. und einige darstellungen in Abb. 7, 43, 48–49.

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die intensivierte Auseinandersetzung mit ambivalenten Figuren, die leonardo in den frühen achtziger Jahren des Quattrocento eigen ist und die, wie ich behaupte, mitunter die spätdatierung der Ginevra in die Zeit von Bembos zweiten Florenz­Aufenthalt unter­ streicht, ist vielleicht erhellend für die Kritik, die dem einzigartigen Maler zuteil wurde, den der Libro del cortegiano beschreibt. in ihm hat bereits cian die Züge von leonardo erkannt, einem Maler nämlich, der plötzlich neigung für die philosophie hege und so seltsame concetti und neuartige hirngespinste hervorbringe, dass »er sie mit seiner ganzen Malerei nicht darzustellen« vermochte. dieser charakterisierung, der eine invektive Gas­ paro Viscontis vorangegangen ist,925 ist bei aller übertriebenen häme ein gewisses histo­ 925 castiglione, Cortegiano, ii, cap. 39, s. 173–174: »Un altro de’ primi pittori del mondo sprezza quell’arte dove è rarissimo ed èssi posto ad imparar filosofia, nella quale ha così strani concetti e nove chimere che esso con tutta la sua pittura non sapria depingerle.« der Kommentar von cian ebenda. Vgl. auch die vorangehende Kritik, die der Mailänder hofdichter Gasparo Visconti gegen einen schlechten, allzu egozentrischen Maler richtete; Kemp, 1985, s. 199 erkannte ihn ihm mit recht die Züge leo­ nardos; Visconti, I canzonieri, nr. 168, s. 117–118: »in malum pictorem. Un depentor fu già che non sapea 1 desegnare altra cosa che un cupresso, per quel che Orazio nei suoi versi ha messo dove insegnar poetica intendea. Un n’hanno questi tempi che in la idea 5 tien ferma sì la effiggie di se stesso, ch’altrui pinger volendo, accade spesso che non colui ma se medesmo crea. e non solo il suo volto, ch’è pur bello secondo lui, ma in l’arte sua suprema 10 gli acti e’suoi modi forma col penello. Vero è che lascia quel che più par prema, ciò è l’andare a spasso del cervello ciascuno volta che la luna scema: unde a far bon poema 15 e far che quadri tutta l’opra bene, mancano i ceppi, i lacci e le catene.« (›Auf einen schlechten Maler‹ / einst gab es einen Maler, / der nichts anderes als eine Zypresse zeichnen konnte, / entsprechend zu dem, was uns horaz in seinen Versen sagt, / wo er uns lehrt, die dichtung zu verstehen. / es gibt heutzutage einen, der in seiner Konzeption so das Bild seiner selbst fixiert hat, / dass, wenn er einen anderen zu malen wünscht, / es oft vor­ kommt, dass er nicht diesen, sondern sich selbst malt. / Und nicht nur sein Gesicht, das ganz schön / nach ihm [selbst] ist, sondern in seiner erlesenen Kunst / formt er mit seinem pinsel die eigenheiten und Arten [von Menschen]. / es ist wahr, dass er das, was von mehr Gewicht scheint, vernachlässigt, / das heißt, sein Gehirn geht jedesmal schweifen, / wenn der Mond abnimmt: / Also, wenn es darum geht, ein gutes Gedicht zu machen / und Gemälde, die als Ganzes zusammenstimmen, / fehlen ihm Fesseln, Bande und Ketten.).

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risches Gewicht deshalb zuzubilligen, da castiglione, als er zwischen 1496 und 1499 am sforza­hof eine militärische Ausbildung durchlief, mit leonardo konfrontiert worden sein dürfte. Auch pflegte castiglione Briefkontakt mit Bernardo Bembo, ganz zu schwei­ gen vom Auftritt ›Pietro Bembos‹ im Libro del cortegiano als Unterredner über die Freund­ schaft.926 Bei aller Originalität waren die prioritäten leonardos, als er kurzweilig Abschied vom einansichtigen Gemälde nahm, nicht ohne Vorgeschichte. schon in der Generation Ghib­ ertis hatten ambigue Gestalten und Kompositionen wegen ihrer varietas verschärft para­ gone­diskussionen entfacht. Ghibertis reaktion auf die Bergung der hermaphroditen­ statue von san celso in rom ist nur ein Beispiel dafür. der Bildhauer zeigte sich überaus fasziniert von jener, von einem einzigen werk vereinnahmten »natura virile et la natura feminile«, deren genaue sinnliche wahrnehmung er jedoch, der dreidimensionalität wegen, allenfalls der tastenden hand zugestand; dem Gesichtssinn bleibe vieles verborgen.927 die im hinblick auf den paragone bedeutungsvollste elegie, die cristoforo landinos verfasste,

Bei horaz (Ars poetica, i, v. 19) ist die Zypresse, die zwar täuschend echt abgebildet werden könne, aber nicht zu einem seestück passe, ein Beispiel für das einer plausibilität entbehrende Unpassende in der Malerei und für den Maler, der es nicht versteht, ein Ganzes hinzustellen (ebenda, v. 34, s. 540). Über Viscontis polemik Frank Zöllner, »Ogni pittore dipinge sé. leonardo da Vinci and Automime­ sis«, in: Der Künstler über sich, 1992, s. 137–160, s. 147, der das sonett zwischen 1497 und 1499 datiert. Gegen den strich gelesen, ergibt sich aus diesen Angriffen freilich das positive profil des inge­ niösen Malers; vgl. auch Bolzoni, 2010, s. 140f.; hilfreich Kemp, 1977, s. 347–398; leonardo über die Zypresse in leonardo, Libro di pittura, V, 806. 926 Über die Korrespondenz zwischen castiglione und Bernardo Bembo Giannetto, 1985, s. 87. der Auftritt von pietro Bembo in castiglione, Libro del Cortegiano, i, cap. 29. 927 Ghiberti, I commentarii, iii, 3.1., s. 107–108: »ncora ò veduto, in una temperata luce, cose scolpi­ te molto perfette e fatte con grandissima arte et diligentia, fra∙lle quali vidi in roma, nella olimpia quattrocento quaranta, una statua d’uno ermofrodito di grandeza d’una fanciulla d’anni tredici, la quale statua era stata fatta con mirabile ingegno. […] essa statua era in su detto pannolino et era svolta in modo mostrava la natura virile et la natura feminile, e le braccia posate in terra el incrocicchiate le mani, l’una in su l’altra e distesa tiene l’una delle gambe; col dito grosso del piè aveva preso el pannoli­ no, in quella tirata del panno mostrava mirabile arte. era sanza testa, nessuna altra cosa aveva manco. in questa era moltissime dolceze; nessuna cosa il viso scorgeva, se non col tatto la mano la trovava.« diese position steht ganz im widerspruch zu der von Manetti, der die Beurteilung von Gemälden, Bildwerken und getriebenen Arbeiten als »sache der Augen« betrachtete; Manetti, De dignitate, i, 10, s. 11: »primum enim oculi in his artibus quarum iudicium est oculorum, in pictis fictis celatisque formis […] multa cernunt subtilius.« nach plinius, NH, Vii, 34, s. 34/35 dienen hermaphroditen dem Vergnügen. – der Autor der Hypnerotomachia Poliphili ergötzte sich an janusartigen Gesichern – sie sind auch illustriert; s. Hypnerotomachia Poliphili, Bd. ii, s. 26–27: »Vidi poscia ancora dal’altro lato molti adolescenti (opera dill’ artifice praedicto in tutto perfecta in una figura uniforme alla praer­ ecitata, bellissimamente undulata et la undiculatione d’ambe due le figure investita di exquisita foglia­ tura) intenti a colgliere fiori tra molte herbe et arbusculi; inseme molte facete nymphe, scherciando solatiose, da quelli blandivole gli rapiavano.«

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ist wie gesagt diejenige, die das wortspiel Bembo – Bemba enthält. im rahmen vieler, mit antiken Maler­ und Bildhauervirtuosen verquickten Überbietungstopoi erntet in ihr aus­ gerechnet die Knidische Aphrodite die volle Bewunderung, eben jene statue des praxiteles, die infolge des lobes, das antike Autoren ihrer betörend­schönen rückenansicht spende­ ten, wie kein zweites antikes werk die Überlegenheit der vielansichtigen skulptur im para­ gone­disput stützte.928 nur Ginevra, so landino, vermochte dieses Marmorwerk auszu­ stechen, als sie Bembo »mit einem Band [bzw. Kranz]« ums haar erschien. Gleichgültig, ob man »redimita« mit »umwunden« oder mit »bekränzt« übersetzt, man kommt nicht umhin, zugleich an den Kopfschmuck zu denken, den die schöne in leonardos porträt aufweist. ein haarband trug die Knidische Aphrodite ebenfalls. Ohne details poetischer tiraden zu Gegebenheiten stempeln zu wollen – dieses sehr konkrete detail in landinos Ansprache an Bembo arbeitet der these zu, dass tatsächlich ein wie auch immer gelagerter Zusammenhang zwischen leonardos porträt und seinen elegien bestanden haben könnte: »Bewundere mit erstaunten Augen antike statuen, ob sie Abbilder von Menschen oder Göttern sind, oder ob einige Gemälde mit dem Glanz von der Kunst des parrhasios leuchten, oder ob die Farbe von der des Apelles herrührt. Aber einst sahst du Abbilder der Venus von Knidos, durch die geschulte hand des praxiteles freigelegt; und bis dahin hast du kein italienisches, französisches oder anderes Mädchen gesehen, die dieser gleichen würde. Aber als Bencia neulich mit einem Band [bzw. Kranz] um ihr goldenes haar erstmals vor deine Augen trat, da sind alle anderen schönheiten, im Vergleich gewöhnlich, von deinem herzen gewichen!« (L, nr. 3, vv. 19–28) 928 nach pseudo­lukian, Erotes, 13 (und Valerius Maximus, Facta et dicta, Xiii, 11, ex. 4 wie plinius, NH, XXXVi, 20) wurde die wohlbedacht in einem tempel auch von hinten sichtbare nackte statue zum Gegenstand der statuenliebe; touristen sollen sie, erotisch betört, ›befleckt‹ haben. stimulierend für die Vielansichtigkeitsdiskussion im paragone war die Bemerkung von plinius (ebenda, s. 26/27; Üs: roderich König). er betonte, dass das Bild der Göttin »von allen seiten betrachtet werden kann […]. Von welcher seite auch immer man sie sieht: sie verdient die gleiche Bewunderung« (»[…] ut conspici possit undique effigies deae […] nec minor ex quacumque parte admiratio est.«); dazu hinz, 1998, s. 17ff. und Freedberg, 1989, s. 330–331; zur rolle dieser statue im paragone – v. a. bei raffaello Borghini – larsson, 1974, s. 24. Manetti spielt auf die statuenliebe an, als er schreibt, ihre schönheit sei so groß gewesen, dass ihre sicherheit und ehre kaum vor gierigen Blicken bewahrt werden konnte (Manetti, De dignitate, ii, 40, s. 60: »[…] ut vix a libidinosis traneuntium conspectus tuta pudica servaretur«); vgl. tortelli, De orthographia, s. v. »praxiteles«; Ghiberti, I commentarii, i, 6.33.; Filarete, Trattato, XiX, Bd. ii, s. 577; Hypnerotomachia Poliphili, i, fol. d7v; eine Allusion auf den rücken der Knidischen Aphrodite in pontano, Asinus, 3, s. 625.

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landino könnte allein die schönheit der Knidischen Aphrodite vorgeschwebt haben, mehr nicht – nicht zwingend ihre Ansicht a tergo; aber falls er diese beschwört, dann wäre ein bewusster wink auf leonardos rückseiten­ bemalung denkbar. landino stand in enger freundschaftlicher Verbindung mit leon Bat­ tista Alberti, dem einstigen initiator des Certame coronario,929 und landino selbst war in ihm als rezitator der Gedichte eines Verwandten von Alberti in erscheinung getreten. Vor die­ sem hintergrund fällt auf, dass bei landino und Braccesi nun erneut eine Gedichtserie um die Freundschaft kreist: eine ganz konkrete 114 Matteo de’pasti, revers von: Medaille der Isotta Freundschaft. Aber anders als 1441 beherrschte degli Atti, 1446, Bologna, Museo Archeologico ein spezielles Genos das Feld, die liebeselegie, eine Gattung, deren Konturen im Quattrocen­ to, nicht zuletzt unter dem Zutun cristoforo landinos, aus einer mit dem Petrarchismo überformten properz­rezeption erstanden war.930 wer würde leugnen wollen, dass die Melancholie, die leonardo in die Gesichtszüge der porträtierten hineinlegte, nicht eine parallelerscheinung zum genus elegiacum darstellt? Mit diesem nahm es der Medailleur patteo de’ pasti offenbar schon 1441 auf. er versah ein geschlossenen Buch auf dem revers der Medaille der Isotta degli Atti mit der Umschrift »eleGiAe« (Abb. 114).931 die Überschneidungen zwischen den ›Ginevra­Gedichten‹ und leonardos porträt spre­ chen denn auch sehr für entstehungsbedingungen agonalen Zuschnitts. wohlbemerkt 929 landino rezitierte die Verse von Francesco d’Altobianco Alberti; s. De vera amicitia, 1993, s. 192. 930 einer Anekdote zufolge hatte Giovanni pontano 1440 in einem weinkeller ein properz­exemplar aufgefunden; dazu und über landinos Anteil an der popularisieung der liebeselegie Jörg robert, »lateinischer petrarkismus und lyrischer strukturwandel. die Autorisierung der liebeselegie im licht ihrer rinascimentalen Kommentierung«, in: ›Questo leggiadrissimo Poeta‹. Autoritätskonstruktionen im rinascimentalen Lyrik-Kommentar (pluralisierung und Autorität 6), hrsg. v. Gerhard regn, Münster, 2004, s. 111–154, s. 121ff. – hingegen war ein entscheidender wesenszug des Certame coronario von 1441 die größtmögliche varietas der Metrik, die sich offenbar vom Konkurrenten unter­ scheiden sollte. dieses Faktum – es hat noch keine Beachtung gefunden – zeigt sich in so unterschied­ lichen reimformen wie dem sonett, der Kanzone, capitoli, Oktave, hexameter und (mit leonardo datis drittem Gedicht, Eccomi; i’son qui dea degli amici) auch einer sapphischen Ode; De vera amicitia, 1993, s. 146ff., s. 366ff.; die Konzentration auf ingeniöse Formen des Gedichtes spiegelt sich auch im Akronym »AMicitiA VerAce« in den initialien der capoversi von lorenzo damianis Gedicht (ebenda, s. 474). 931 (Bologna, Museo Archeologico); s. pollard, 2007; hill, 1930, nr. 35–36; pernis/Adams, 1996, s. 47, Abb. 7.

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war selbst Ficinos De amore – durchaus in der tradition von platons Symposion – nichts anderes als ein mit rivalisierenden Konzepten zum eros aufwartender redewettstreit.932 Man möchte an eine spielerische eprobung der Optionen des elegischen angesichts von Bembos endgültigem Abschied aus Florenz denken oder an eine ›Belebung‹ von Ficinos De amore mit einem konkreten amor honestus. der dichter carlo Marsuppini war es in der oratio quinta, der sich in seiner lobrede der neuplatonischen Gleichung schönheit und tugend annahm.933 Vielleicht dürfen wir es als nachspiel der genannten Vorstöße von leonardo als ›Maler der liebe‹ werten, wenn ein angebliches porträt, das er von costanza d’Avalos, der herzogin von Francavilla, gefertigt haben soll, in einem sonett als ein gelungenes Zusammenspiel zwischen ihm und Amor gepriesen wird. der emilianische dichter enea irpino brachte es Jahrzehnte später zu papier: »se’l sommo pregio il VinciO or’ha di questo, l’ha con Amor; chè prima Amor ritrasse il volto e sì begli occhi, et egli il resto.«934 (wenn der Vinci nun durch dieses [porträt] den höchsten preis innehat, dann hat er ihn [gemeinsam] mit Amor; denn zuerst hat Amor das Gesicht und so schöne Augen gemalt, und er [leonardo] den rest).

5. Zweiseitigkeit und varietas 5.1. Ginevra als ›neue laura‹ in seiner elegie Quaeris, Bembe, diu sileat cur nostra Thalia gibt cristoforo landino ein wichtiges indiz auf der ideengeschichtlichen spurensicherung: Ginevra übertreffe mit ihrer Keuschheit, Güte, Mäßigung selbst laura. dabei bringt er modifiziert den ›Alexan­ der­Achill­topos‹ ins spiel; statt homer erhält petrarca als lobesspender den prioritäts­ 932 siehe platon, Symposion, 177aff. 933 Ficino, De amore, V, s. 124ff. 934 das Gedicht Qual nobile e sublime zitiert nach Benedetto croce, »Un canzoniere d’amore per costan­ za d’Avalos duchessa di Francavilla«, in: Atti della Accademia Pontaniana, 33, ser. 2, 13, 1903, mem. nr. 6 [1963], s. 12–14; man vergleiche auch die Zeilen aus enea irpinos Madrigal auf das gleiche porträt – mit Amor als Korrektiv zu leonardo: »Mirand’il VinciO in sé Madonna, ratto / Gli disse Amor: – troppo alto è ’l tuo concetto. / […]« (vv. 1–2); zitiert nach Albrecht­Bott, 1976, s. 106–107; vgl. auch shearman, 1988, s. 124; zu Amor als Maler Bolzoni, 2010, s. 57f. insgesamt dichtete irpino vier sonette und zwei Madrigale auf dieses Bildnis. irpino gehörte zum intellektuellen Zirkel um costanza auf ischia. Falls dieses Bildnis je gemalt wurde, dann wohl während des rom­Aufenthaltes von leonardo, in den Jahren 1513–1516.

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115 ›Filocolo­Meister‹ und Gaspare da padova, Petrarca, Amor und Laura, ca. 1465, aus: petrarca, Rime e Trionfi, london, British library, Ms harley 3567, fol. 9 (detail)

anspruch. einmal mehr tritt das profil dieses Gemeinplatzes als Variante des Unsagbar­ keitstopos zutage: »Ach, wird sie sagen, warum stieß die knappe und glückliche sprache petrarcas nicht auf eine solche Göttin zur rechten Zeit? denn in ihrer Keuschheit, schönheit, Güte, Mäßigung und ihren ehrwürdigen sitten übertrifft sie laura.« (L, nr. 4, vv. 45–48) die Floskel, die landino einstreut – übrigens hielt er 1467 petrarca­Vorlesungen am Studio Fiorentino –,935 wäre im Quattrocento nicht weiter von Belang, wenn leonardo durch sein bildhaftes spiel mit dem pflanzennamen der Ginevra nicht seinerseits aus dem stoffreservoir des Canzoniere­dichters schöpfen würde, des epochemachenden erneuerers der litterae. seit croppers fundamentalen Aufsatz über den einfluss des Petrarchismo auf Frauendarstellungen der renaissance war es nur eine Frage der Zeit, bis die von petrarca ersonnene homonymische Gleichung Laura – lauro als entscheidendes referenzmodell erkannt wurde, auf das leonardo Bezug nahm, als er Ginevra vor den

935 landino, Proclusione Petrarchesca, in: landino, Scritti, Bd i, s. 31–40.

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wacholderstrauch ›verpflanzte‹.936 tatsäch­ lich entspricht sie mutatis mutandis einem typus, der im Quattrocento vor allem in Trionfi­illuminationen (wie beispielsweise einer aus Mantua stammenden Miniatur) (Abb. 115) vertreten war, bis ihn Giorgione 1506 als ›close up‹ zum halbfigurenbildnis einer offenherzigen schönen heranholte (Abb. 116).937 die erwähnte Miniatur, dem ›Filocolo­Meister‹ und Gaspare da padova zugeschrieben und zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Besitz des Bartolomeo sanvito, des Freundes von Bernardo Bembo, gelangt, zeigt – an der seite petrarcas und Amors – die sitzende laura, ein lorbeer­ kranz in händen, vor einem rosenhag, ein sinnfälliges szenarium für ihre Keuschheit. trotz des schlechten erhaltungszustandes der Miniatur ist hinreichend das ihren Kopf 116 Giorgione, Bildnis einer Frau (Laura), 1506, hinterfangende laub (eines lorbeerbau­ wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie mes?) zu erkennen. Unverkennbar ist auch leonardos mutmaßliche Vorzeichnung zur Ginevra in windsor (in der die dargestellte einen Zweig hält) der heldin des Triumphus Pudicitiae gefolgt. Vor diesem traditionshintergrund mutet es denn auch nicht wirklich überraschend an, dass alle dichter, die sich der Ginevra­liebe widmeten, expressis verbis dem ›namen‹ Beachtung schenken, so auch naldo naldi, insofern er Ginevra wie folgt anspricht: es geschehe »[…], dass die dichter neue lieder über dich singen / und jeder 936 cropper, 1976, s. 374–394. der Analogieschluss vom leitmotivischen lauro – Laura bei petrarca zu Ginevra – ginepro bei leonardo erfolgte durch cropper selbst, nachdem bereits warburg die namen­ sallusion – ohne erkenntnis der Verortung im petrarca­diskurs – durchschaut hatte, in dieselbe, 1986, s. 175–190, s. 183; ergänzend Koos, 2006, s. 113–174. 937 Zu Giorgiones Laura statt vieler helke, 1999, s. 11–79, s. 12ff. und cranston, 2000, s. 30. die Man­ tuaner petrarca­handschrift von ca. 1465 – der schreiber war Matteo contugi aus Volterra – (petrar­ ca, Rime e Trionfi, Bl, Ms. harley 3567, fol. 9) trägt die devisen des Kardinals Francesco Gonzaga (ca. 1463–1483); s. Kristeller, 1963–1996, Bd. iV, s. 174; trapp, 1996, Abb. 13. Folgende weitere, mit leonardos Ginevra vergleichbare laura­darstellungen in illuminierten Canzoniere­codices wären zu nennen; sie zeigen laura eben nicht im strengen profil: die Frontaldarstellung von ca. 1380 (Manchester, John rylands University library Ms. ital. 1, fol. 3), s. trapp, 2001, s. 55–192, s. 68, Abb. 41 und laura, von Kopf bis Fuß hinterfangen von lorbeer (Venedig, Museo correr, Ms. 1494, fol. 1, von ca. 1410), s. ebenda, s. 71, Abb. 44.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

deinen namen zu den sternen erhebt« (N, nr. 1, vv. 10–11). Und Braccesi unterstreicht: »ihr dichter, die ihr einen namen für ewige Zeiten wünschet, / um von der nachwelt immer gelesen zu werden«, sie sollten den von Ginevra wählen (B, nr. 1, vv. 17–18). Als dreh­ und Angelpunkt für die ewigkeit ihres namens erweist sich wiederum die mit laura konnotierte Unverwüstlichkeit des lorbeers, die, wie wir sahen, im resistenten wacholder ihre würdige entsprechung erhielt und folgerichtig auf metapoetischer ebe­ ne die ewigkeit des von Ginevra handelnden dichterwortes meint. worin lag der sinn von leonardos imitatio Petrarcae, oder, allgemeiner formuliert, seiner imitatio poetarum? Offensichtlich doch trat leonardo als Maler wissentlich in Konkurrenz zum Canzoniere­dichter. er tat dies in Form einer translatio, denn seine Malerei, die um die liebe kreist, ist anstelle des originären Genres getreten, der liebes­ lyrik. während Braccesi und landino die Unmöglichkeit beklagen, als poeten Ginevras tugenden angemessen würdigen zu können – landino stilisiert sich gar zum ikarus –,938 scheute leonardo nicht die herausforderung, seine Gaben als Maler in die waagschale zu werfen. dabei konnte ihm die von petrarca inaugurierte, sich um den virtus­Gedan­ ken drehende laurea­theorie nicht gleichgültig lassen, deren Fundament wiederum im homonym laura lag. petrarca sah in paraphrasierung eines passus aus der Achilleis des statius den erhalt des lorbeerkranzes allein für denjenigen vor, der auf dem Gebiet der unmittelbaren körperlichen praxis oder auf dem des Geistes Großes vollbracht hatte.939 inspirierend für bildende Künstler musste sein, dass petrarca seine Fähigkeiten im hin­ blick auf laura prüfte und nach Außerordentlichem strebte, um sich ihr als würdig zu erweisen.940 wie wir uns erinnern, hatte petrarca selbst mit seinen beiden sonetten auf simone Martinis beseeltes, den polyklet überbietendes Bildnis der laura die wendung ins Anschaulich­Ästhetische wie auch in richtung des paragone vollzogen.941 speziell ein 938 Vom wagnis, Ginevra in seinen Versen zu erwähnen, spricht Braccesi (B, nr. 1, v. 7); landino als ikarus in L, nr. 1, v. 20. 939 statius, Achilleis, i, vv. 15–16. petrarca, Collatio laureationis, s. 327; über die Begegnung mit laura als Movens seines ruhmesstrebens s. derselbe, Secretum, iii, 32, s. 282: »Quam ob causam tanto opere sive cesaream sive poeticam lauream, quod illa hoc nomine vocaretur, adamasti, ex eoque tempore sine lauri mentione vix ullum tibi carmen effluxit […].« Zu diesem thema eingehend Keßler, 1978, s. 52ff. mit weiteren Quellenangaben. 940 Vgl. petrarca, Collatio laureationis, s. 323–327; derselbe, Africa, iX, vv. 108–123; derselbe, Privilegium, in: derselbe, Opera, s. 1254f. 941 petrarca, Canzoniere, nr. 77, nr. 78, s. 234–236; zu diesen Gedichten mit weiterführender literatur s. cap. Vi.5.1. die entstehung der sonette vor 1336 ist der terminus ante quem für das Laura­porträt. Quellenkundliche Zeugnisse zu diesem werk bei Andrew Martindale, Simone Martini, Oxford, 1988, s. 50, Kat.­nr. 6, s. 183; Bettini, 1984, s. 224–227; trapp, 2001; walter/Zapperi, 2007, s. 7–26, s. 12ff., s. 22ff.; vgl. warnke, 1985, s. 30ff. und Baader, 1999, s. 177–188; petrarcas Gedicht auch besprochen von sabba da castiglione, Ricordi, fol. 69v; im paragone des cinquecento Varchi, Lezzione, 1, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 40; nach lomazzo, Libro dei sogni, cap. 5, Bd. i, s. 98 hatten petrarcas sonette den effekt, »[…] che in etterno di sé durerà il nome.«

5. Zweiseitigkeit und varietas

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echo leonardos auf diesen topos mag da aufscheinen, wo er in seinem Libro di pittura auf die Unterlegenheit von paradies­darstellungen insistiert, welche die dichter zu papier bringen: »se tu dirai: io ti discriverò […] ’l paradiso […] ’l pittore ti supera […].«942 wie unschwer zu erkennen ist, bilden die Qualitäten der Ginevra, die leonardo explizit nennt, »schönheit« und »tugend«, ein Korrelat zu der von petrarca besungenen dichotomie, die simones laura auszeichnet: »beltà« und »alma«. Franceso Filelfo, der den ersten Canzoniere­Kommentar schrieb, fiel denn auch unter der Fülle zeitgenössi­ scher Ausdeutungen der laura die virtus ein: bald halte man laura für die dichtung, bald für die seele, bald für die leibhaftige tugend, notierte er nicht ohne spott.943 wir dürfen vermuten, dass die im Canzoniere populäre viva pietra­Metapher prägekraft für den kleinen wacholder auf dem porphyrgrund gewann, war doch eine von lauras Facet­ ten die eines lebendigen steines, »viva pietra«,944 an anderer stelle, die eines in lebendi­ gen lorbeer skulpierten »idolo«: »i’temo di cangiar pria vólto e chiome / che con vera pietà mi mostri gli occhi / l’idolo mio scolpito in vivo lauro«.945 landino schmälert den rekurs auf petrarca nicht, wenn er Bernardo Bembo kraft eines Medusengesichtes »in neuen harten stein« verwandelt glaubt (L, nr. 2, v. 28). spätestens an diesem punkt müssen wir feststellen, dass sowohl die dichter, die der Ginevra lob spendeten, als auch leonardo den wettstreit mit petrarcas laura kunstvoll ausreizten. der Zufall will es, dass uns eine Quelle erhalten blieb, die Bernardo Bembos persönli­ che Affinität zu petrarcas laura detailliert verbürgt. sie stammt aus den siebziger Jahren des Quattrocento. enthalten ist sie in einer bibliophilen Kostbarkeit aus Bembos Biblio­ thek, in einem autografen petrarca­codex von De vita solitaria. er bildet wegen seines

942 leonardo, Libro di pittura, i, 25, s. 150. 943 Filelfos Kommentar von 1447 zu Canzoniere, nr. 77: in petrarca, Rime, Bologna: Baldassare Azzogui­ di et sigismondo de’ libri, 1476, fol. eviv: »[…] alchuni […] vogliono per madonna laura sintendi alcuni la poesie altri lanima: et altri la virtu […].« 944 petrarca, Canzoniere, nr. 5, v. 78. 945 ebenda, nr. 30, vv. 25–27, s. 92/93: »eh wandeln sich mir Angesicht und locken, / bevor mir mit­ leidvoll zukehrt die Augen / mein lieb, gemeißelt in lebendigen lorbeer.« Über den Vergleich mit dem statuenhaften robert durling, »petrarch’s ›Giovene donna sotto un verde lauro‹«, in: Modern Language Notes, 86, 1971, s. 1–20. der Medusa­topos bereicherte noch trissinos ekphrastisches por­ trät der isabella d’este. Verschreckt über deren göttliche schönheit, läuft er Gefahr, wie einst jene beim Anblick der Medusa in stein verwandelt zu werden: »Meco medesimo mi meraviglia de la divina bellezza d’una donna; la quale, non è molto, ch’io vidi; per cui poco vi mancò che anchor io, come coloro, che videro anticamente Medusa, non mi sia converso in sasso.« siehe hirdt, 1981, s. 20. des­ sen Grundlage war petrarcas Canzone nr. 366 (vv. 111–112, s. 962) mit dem laura­Medusa­Ver­ gleich: »Medusa et l’error mio m’an fatto un sasso / d’umor vano stillante: […].« Zu diesem topos auch Kenelm Foster, »Beatrice or Medusa«, in: Italian Studies Presented to E. R. Vincent, hrsg. v. char­ les peter Brand et alt., cambridge, 1962, s. 41–56.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

117 Anonym, Abgezeichnetes Fresko Simone Martinis in der Vorhalle der Kirche Notre-Dames-des-Doms von Avignon, 17. Jahrhundert, BAV, Ms. Barb. lat. 4426, fol. 49

hohen textlichen standards die Grundlage für viele kritische textausgaben.946 in diesem codex brachte Bembo den konkreten Anlass seiner laura­Begeisterung zu papier: »Avignon. in der Vorhalle der Kathedrale der heiligen Maria haben sich junge Mäd­ chen aus der Umgebung dem rachen des drachens ausgesetzt, [eine] mit den Zügen der Madonna laura [und] Verse von petrarca zum lob des hl. Georg.«947

946 die handschrift – BAV, Ms. Vat. lat. 3357 – ist im späten 16. Jahrhundert in den Besitz von Fulvio Orsini übergegangen; dazu pierre de nolhac, La bibliothèque de Fulvio Orsini, paris, 1887, s. 293. die Kriterien seines hohen textlichen standards dargelegt von De vita solitaria, 1990, s. 7f. mit der schei­ dung zwischen drei Marginalhänden. 947 BAV, Ms. Vat. lat. 3357, fol. 30v: »Avinioni. in frontispitio hostii ecclesiae maioris divae Mariae, e regione puelle exposite faucibus draconis, sub facie do. laure carmina petrarce divum Greorgium equitem deprecantia«. nolhac, 1887, s. 128 las das letzte wort irrtümlich als »celebrantia«. die emendation erst durch Giannetto, 1985, s. 128; auf s. 79 der hinweis, dass Bernardo Bembo in sei­ nen Jugendjahren als petrarca­Anhänger zu dessen Grab nach Arquà gepilgert sei.

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Mit anderen worten: eine unmittelbar emphatische Kunsterfahrung könnte den impuls liefern, d. i. Bembos Konfrontation mit simone Martinis 1828 zerstörten Fresko des drachenkämpfers sankt Georg. Kunstliebhaber bewunderten es einst in der Kirche Nôtre-Dame-des-Doms von Avignon. eine anonyme, aus dem 17. Jahrhundert gesicherte Zeichnung bietet allenfalls eine vage Vorstellung von der Komposition (Abb. 117).948 Fraglos sah Bembo das wandgemälde während seiner diplomatischen Mission in Burgund (1471–1474). ein teil der Faszination, die simones werk auf ihn ausübte, erklärt sich aus zwei Missverständnissen. Vielleicht irregeführt von Gerüchten, wie sie ein gewisser luigi peruzzi zwischen 1439 und 1446 kolportierte, meinte Bembo in der kappadoki­ schen prinzessin die Züge von petrarcas (d. i. simone Martinis) Laura zu erspähen949 und in der versifizierten Beischrift (faktisch ein Zitat aus einem hagiografischen werk des Kardinals Jacopo stefaneschi) die authentischen worte petrarcas. euphorisiert tran­ skribierte Bernardo Bembo denn auch diese Zeilen: »Miles in arma ferox, bello captare triumphum et solitus vastas pilo transfigere fauces, serpentis tetrum spirantis pectore fumum occultas extingue faces in bella Georgi«.950

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Jahre sollten vergehen, und der Kunstkenner Marcantonio Michiel erging sich in tiraden der Bewunderung für ein Laura­Bildnis, das er im hause Bembo in padua zu Gesicht bekam. trotz der erfolgten Ausführung in loco, in Avignon, so weiß Michiel korrigie­ rend einzuwenden, stelle das Bild in wirklichkeit nicht laura dar, sondern eine »santa Margherita«, die sich auf der Mauer unter dem besagten Gemälde befand. Michiel mein­ te die hl. Margareta von Antiochien, um die ihrerseits ein drachen­Mythos rankte.951 948 BAV, Ms. Barb. lat. 4426, fol. 49; zuletzt erwähnt in trapp, 2001, s. 103, der den Flehensgestus und die haarfülle betont; vgl. Martindale, 1988, s. 181f., Abb. 107. 949 peruzzi behauptete nicht nur, dass der prinzessin die Züge lauras einverleibt seien; er hielt das Fresko zudem für den Anlass der beiden sonette petrarcas zum lobe simone Martinis; s. nino Quarta, »A Valchiusa, in cerca di un colle«, in: La Rassegna, 45, 1937, s. 133–151; vgl. trapp, 2001, s. 101f. Zu den identifizierungsversuchen der Gemalten mit laura Martindale, 1988, s. 47 und s. 182. 950 Bembos transkription der Beischrift im Ms. Vat. lat. 3357, fol. 30v. die identifizierung der eigentli­ chen Quelle gelang Giacomo de nicola, »l’affresco di simone Martini ad Avignone«, in: L’Arte, 9, 1906, s. 336–344, s. 338: Jacopo stefaneschi, Liber S. Georgi (Asp, Ms. c 129, fols. 81v–82r); in den oben zitierten Versen heißt es, der soldat könne mit seinen waffen unbändig dreinschlagen, er sei es gewohnt, im Kampf den triumph zu holen und mit einem speer den tiefen schlund des drachens zu durchbohren; im Kampf des heiligen Georg sei das feuerspeiende Ungeheuer zu vernichten). 951 diese notizen fallen in die Zeit zwischen 1521 und 1543: Michiel, Notizia, s. 18–19: »el retratto de Madonna laura amica del petrarca fu de mano de tratto da una santa Margarita, che è in Avi­ gnon sopra un muro, sotto la persona della qual fu ritratta Madonna laura.« die Betonung des Kopie­ charakters durch lauber, 2002, s. 104 und Andrea Bevilacqua, »simone Martini, petrarca, i ritratti di laura e del poeta«, in: Bolletino del Museo Civico di Padova, 68, 1979, s. 107–150.

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Michiels Bericht erhellt zum einen die nicht unerhebliche dimension des interesses, das Bembo an der hehren dichter­Muse hegte. es reichte so weit, dass er sich kurz vor sei­ nem Florenz­Aufenthalt eine Kopie ihres mutmaßlichen porträts anfertigen ließ. Zum anderen verdient in unserem Zusammenhang das Kriterium der Verwechslung Auf­ merksamkeit. es hat die Forschung nicht beschäftigt.952 leider verzichtete der Zeichner, der das Fresko ins Visier nahm, auf details. Begünstigte der rechts in der Ferne auf­ ragende laubbaum hinter der prinzessin die Verwechslung? Aufgrund der zu erwarten­ den pflanzen­Allusion (Laura – lauro) mag es sein, dass Bembo diesem irrtum aufsaß. trifft dies zu, so musste sich in Bembo – nicht ohne seitenblick auf die vom Petrarchismo geprägten Frauenporträts seiner Zeit – der Glaube verdichten, die herrin des Canzoniere sei primär eine Art Archetyp für die von einer vegetabilischem Folie hinterfange­ nen Frau mit pflanzennamen gewesen.953 Als Bestätigung dieser these vermag allein schon dem titel nach ein Gedicht aus der Feder des Girolamo Bologni (1454–1517) aus treviso gelten: In Archetypa Laurae Effigies in pictura Jacopi Bellini. die Verse auf ein Laura­Bildnis, das dem Venezianer Jacopo Bellini zu verdanken ist – sie sind Bernardo Bembo dediziert –, beziehen sich mit hoher wahrscheinlichkeit auf die Kopie der ›laura‹ aus Avignon, von der er wunschgemäß eine Kopie zu erhalten hoffte: »die echten erscheinungsformen der laura im Gemälde des Jacopo Bellini wenn das Gesicht so ist wie das Mädchen auf dem wunderbaren Gemälde, wurde petrarca für dich kaum hinreichend gelobt. wenn es nicht laura selbst gewesen ist, die petrarca mit seinen Gedichten lobt, welches ist das geringere Bild? nun aber ist es weit entfernt und beide Gaben sind so würdevoll, dass ihr nicht für Menschen gehalten wurdet, O Maler und dichter, ebenbürtig an ruhm. ich bewundere das göttliche ingenium beider, aber sie [laura] gab den Anlass zu dichten,

952 exemplarisch Giannetto, 1985, s. 128, Anm. 101: »del collegiamento fra laura e la s. Margherita di cui parla il Michiel non mi risulta ci siamo tracce nella tradizione degli studi petrarcheschi […].« 953 Zu diesem typus zählt Andrea del Verrocchios Dame mit dem Blumenstrauß; die Blumen werden heute nicht mehr für Violen gehalten; vgl. Virtue and Beauty, 2001, Kat.­nr. 162; vgl. auch das Porträt einer Frau mit einem Blumenstrauß von Bacciacca ebenda, Kat.­nr. 37. – Faktisch herrscht beson­ ders in Buch­illuminationen, die laura zeigen, eine erstaunliche Beliebigkeit in der Ausprägung ihres lorbeers vor. Botanisch ist er oft nicht zu identifizieren; so beispielsweise im (BM) Ms. inc. Ven. 546, fol. 9, wo laura mit einem lorbeerkranz unter einem lorbeerstrauch sitzt; dessen Blätter wirken eher wie Getreide; s. die Abb. in Petrarca e il suo tempo, 2006, s. 102.

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ihr himmlischer stern leuchtet unter den hohen, und laura beneidet ihre diana nicht mehr.«954 demnach fasste bereits Bolognis Gedicht, das vermutlich vor Bembos weggang nach Florenz entstand, die imitatio Petrarcae von seiten eines Malers als einen rangstreit mit der dichtung auf. Bologni versäumt es indessen nicht, ihn versöhnlich, in Anerkennung des göttlichen ingeniums beider, ausklingen zu lassen. petrarkistischen Geist atmet die­ ses sonett hingegen nicht. im Zuge der in liebeslyrischen Genera und diskursen längst

954 das lateinische Gedicht zitiert nach Federici, 1803, Bd. i, s. 225: ›in Archetypa laurae effigies in pictura Jacopi Bellini‹ si tali facie fuit puella 1 Qualem mira refert tabella: per te Vix laudata satis fuit petrarca: sin talis fuit ipsa laura, quale laudans carminibus tuis petrarca 5 est pictura minor; proculque distat Atqui munus ut[r]umque tam decorum est Ut vos non homines ratus fuisse O par gloria pictor et poeta. divinum ingenium utriusque miror 10 sed quae materiam dedit canendi caeli sydera lucet inter alta Jam non laura suae invidens dianae.« nicht berücksichtigt von Giannetto, 1985. – Auch ein auf 1530 datiertes sonett pietro Bembos über ein (heute verlorenes) Bildnis von Maria Savorgnan, seiner einstigen Geliebten – Giovanni Bellini malte es –, spielt auf das Laura­Bildnis von simone Martini an: »O imagine mia celeste e pura che splendi più che’l sole agli occhi miei e mi rassembri il volto di colei che scolpita ho nel cor con maggior cura credo che’l mio Bellin con la figura t’abbia dato il costume anco di lei che m’ardi, s’io ti miro, e per te sei freddo smalto, a cui giunse alta ventura e come donna in vista dolce, umile, ben mostri tu pietà del mio tormento; poi, se mercè ten prego, non rispondi. in questo hai tu di lei men fero stile, né spargi sì le mie speranze al vento, ch’almen, quand’io ti cerco, non t’ascondi.« Bembo, Rime, s. 521–522; dazu auch land, 1994, s. 83; Albrecht­Bott, 1976, s. 50f.; zur dokumen­ tenlage rona Goffen, Giovanni Bellini, new haven und london, 1989, s. 196

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Mode gewordenen figuralen Bezüge auf laura955 beziehen die ›Ginevra­Gedichte‹ und leonardos Ginevra­porträt aus dem ›anzitierten‹ berstenden stoffreservoir des Canzoniere ihr agonales pathos, indem ihnen ein voltenreicher dialog mit petrarcas Muse einge­ schrieben ist. petrarca hatte den Canzoniere­leser mit der eindringlichkeit der reim­ form, zwischen »verde […] non perde«,956 von lauras Unsterblichkeit überzeugt. laura ist nicht nur ewig­grün; sie verwandelt sich in den »Arbor victoriosa triumphale«, in den siegreichen triumphbaum, der alle herrscher und dichter ehre. Anders gesagt: laura ist fähig zur wandlung ihrer Gestalt (»cangiato […] forma«).957 Auf der rückseite von leo­ nardos Ginevra­tafel ist explizit »FOrMA« zu lesen. im Folgenden soll daher geprüft werden, inwiefern im porträt nicht auch eben diese zweite wortbedeutung von forma, »Gestalt«, im sinne von Verwandlung virulent ist.

5.2. »cOnVersiO ∙ VArietAs ∙ MUtAtiO«: in der tradition von Verwandlungsmythen in seinem Gedicht Hoc age nunc, Bembi referamus amores beschwört cristoforo landino auf dem Fundament einer vagen namensanalogie die tiefe seelenverwandtschaft zwi­ schen Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo. nur zwei Buchstaben würden fehlen, sinniert er, und Bencia werde sich in eine Bemba wandeln: »bald ist sie [sc. Ginevra] begierig, zum Zeichen der ewigen liebe gemacht zu werden, und wünscht den berühmten namen eines auserlesenen hauses. Und wenn zwei Buchstaben ihres Familienstamm[baum]es ausgetauscht worden sind, wird das, was einst Bencia war, der name Bemba sein.« (L, nr. 3, vv. 113–116). es ging landino bei diesem euphonischen effekt folglich nicht um die beliebige Amal­ gamierung zweier namen, auch nicht wirklich um etymologische spielereien; nicht frei von erotischen Konnotationen trachtete er vielmehr nach einer Angleichung der beiden Familiennamen: Bembo – Bemba, genauer: nach der Verwandlung ihres namens in ein weibliches pendant zu Bembo. nach seinem Zibaldone geurteilt, kannte Bernardo Bem­ 955 in Florenz war diese Art der liebeslyrik prominent vertreten durch naldo naldi, luigi und luca pulci, poliziano, Ugolino Verino und lorenzo de’ Medici; instruktiv walter/Zapperi, 2007, s. 38ff.; allgemein zu diesem Genre chrysa damianaki romano, »›come se fussi viva e pura‹. rittratista e lirica cortigiana tra Quattro e cinquecento«, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance, 60, 1998, s. 349–394. 956 petrarca, Canzoniere, nr. 23, vv. 39–40, s. 54. 957 ebenda, nr. 51, v. 4, s. 148; vgl. auch nr. 339, vv. 5–6, s. 882, wo ebenfalls lauras wandlungsgabe beredet wird: »[…] l’altre tante sí strane et sí diverse / forme altere, celesti et immortali«. speziell dem phänomen der laura als nova figura in der entstehung der liebesdichtung hat Aldo s. Bernardo, Petrarch, Laura, and the Triumphs, new York, 1974, s. 163ff. ein Kapitel gewidmet.

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bo drei synonyme für den wandlungsprozess: »cOn­ VersiO ∙ VArietAs ∙ MUtAtiO«.958 es ist kon­ kret die stilfigur der paronomasie, derer sich sowohl landino als auch im übertragenen sinne leonardo in ihrer künstlerischen Annäherung an die Florentiner schöne bemächtigten (Bembo – Bemba; Ginevra – ginepro). das paronomastische spiel des dichters sensibili­ siert uns dafür, dass die Veränderung der porträtierten zu dem, was die Bildnisrückseite bereithält, einer wand­ lung gleichkommt, der wandlung in einen kleinen wacholder (ginepro). was liegt dieser sophistischen, ins Bildhafte übertragenen wortumbildung anderes zugrunde, als jene wandlung auf der Basis von Klang­ ähnlichkeiten, für die petrarcas laura den prototyp abgab? ein wandlungsprozess, sofern leonardo die wirksamkeit eines solchen zu suggerieren wünschte, kam nicht ohne rezeptionslenkung des Betrachters aus. Auffallend ist das hervorleuchten von Ginevras blassem inkarnat aus einem eher summarischen waldi­ gen dunkel. Zu diesem bildet ihre haarpracht keinen rechten Kontrast – im Gegenteil, aus dem haarge­ schmeide ihres nackenknotens schlängelt sich ein wil­ 118 leonardo, detail von: Bildnis der Ginevra de’ Benci: die haare der Ginevra der strudel kleiner löckchen dem wacholderbaum vor Bäumen entgegen (Abb. 118). es ist so, als verdankten beides, strauch und haar, ihr üppiges Gedeihen einer einheit­ lichen Kraft. so assimiliert sich der wacholder dem haarkranz, der haarkranz dem wacholder. dieses changieren zwischen pflanzlichem und Menschlichen tangiert den Bereich der Metamorphose. Für diesen war eine Frau mit pflanzennamen geradezu prä­ destiniert. sollten diese tendenzen wirklich als bewusster künstlerischer schritt in das Feld der Verwandlungsmythen zu werten sein? soweit überschaubar, existiert kein einziger antiker Verwandlungsmythos, der die Metamorphose einer Frauengestalt in einen wacholder zur darstellung brächte, wohl aber deren wandlung in eine Vielzahl anderer Baumarten. so verwandelt sich die nym­ phe Baucis in einen lindenbaum, dryope in einen lotosbaum und die heliaden in pap­ peln.959 das weithin prominenteste Beispiel in der gesamten renaissancezeit bleibt indes

958 Bembo, Zibaldone, fol. 305v. Vgl. Gauricus, De sculptura, iii, s. 135: »Varium, ac Mutabile semper,«. 959 Vgl. Ovid, Metamorphosen, Viii, vv. 719ff.; iX, vv. 326–393; ii, vv. 340ff.

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der lorbeer und der mit ihm verbundene daphne­Mythos.960 dieser in seiner populari­ tät nie erloschene Verwandlungsmythos bot sich aufgrund einer Fülle von Bildquellen als Muster für leonardo am ehesten an, so sehr daphne, deren Fabel – nach regns tref­ fender Formulierung – »die innere poetische Mitte des Canzoniere« bildet,961 petrarcas laura nicht allein präfigurierte, sondern ihr merklich in der ikonografie zumeist bis zur symbiose glich. naldis eklogendichtung Daphnis ist nur ein Beispiel unter vielen für dieses äußerst fruchtbare spannungsfeld.962 daphne, im deutschen »lorbeer« und der Anfang vegetabilischer namensallusionen,963 war bekanntlich die vor Apollon und sei­ ner liebe fliehende nymphe, die auf ihr Gebet hin in einen lorbeerbaum verwandelt wurde. Gewiss kannte leonardo darstellungen dieser episode, wie sie Antonio pol­ laiuolos kleinformatiges Gemälde repräsentiert (Abb. 119).964 in ihm haben sich teile von daphnes ansonsten unversehrtem Körper – in diesem Fall die Arme – schon zu rei­ chem laub ausgebildet. Auf das involvieren ihrer haare in diesen prozess verzichtete pollaiuolo im widerspruch zur literarischen Vorlage. in dieser ging die Umbildung der haare zeitlich der ihrer Arme voran. so heißt es bei Ovid: »zäher Bast umspinnt das Fleisch des geschmeidigen leibes; / wie Blätter die haare, so wachsen die Arme als Zweige«.965 Viele Künstler, die diese szene vor pollaiuolo visualisierten, bewiesen mehr texttreue, sie zeigen, wie Francesco Bonsignori gegen Mitte des Quattrocento (Abb. 120), 960 Zum daphne­Mythos Ovid, Metamorphosen, i, vv. 452ff. Besonders informativ noch immer die Monografie von Yves F.­A. Giraud, La Fable de Daphné. Essai sur un type de métamorhose végétale dans la littérature et dans les arts jusqu’ à la fin du XVIIe siècle (histoire des idées et critique littéraire 92), Genf, 1968. Giraud unterscheidet zwischen verschiedenen Verwandlungstypen bei Ovid; daphne zählt zur »métamorphose préventive« (ebenda, s. 22ff.). empedokles (Aelian, Historia animalium, 12, 7) glaubte an selige lose, die dem tugendbegabten Menschen erfüllung bringen: v. a. die Verwand­ lung in einen lorbeerbaum. 961 siehe Gerhard regn, »petrarca und die renaissance«, in: Renaissance – Episteme und Agon, 2006, s. 11–45, s. 25. 962 Bernardo Bembo besaß eine handschrift von Daphnis in seiner Bibliothek (Ms. eton college 157); vgl. Giannetto, 1985, s. 336. eine darstellung lauras als daphne und von petrarca als Apollo in einer Buch­illumination von Francesco d’Antonio del chierico von ca. 1460 (BAV, Ms. chigi l. iV. 114, fol. 10; trapp, 2001, s. 76f., Abb. 51; vgl. Abb. 58) weist sie als zeittypisches phämonen aus. 963 Zum lorbeer plinius, NH, XV, 127. Über die etymologischen Ursprünge informiert Giraud, 1968, s. 26ff. 964 (london, national Gallery, inv.­nr. 928); wright, 2005, s. 94–98 mit der datierung in die späten sechziger oder frühen siebziger Jahre des Quattrocento; und s. 520, Kat.­nr. 46; luba Freedman, »Apollo und daphne by Antonio del pollaiuolo and the poetry of lorenzo de’ Medici«, in Memoirs of the American Academy in Rome, 56/57, 2011/2012, s. 213–242; zur daphne­ikonografie statt vieler schröter, 1977, teil i, s. 67, s. 274, s. 278, 308. 965 Ovid, Metamorphosen, i, vv. 549–550, s. 32/33 (Üs: erich rösch): »mollia cinguntur tenui praecor­ dia libro, / in frondem crines, in ramos bracchia crescunt«. davon inspiriert – die Verwandlung von haar zu Fuß zu Armen – petrarca, Canzoniere, nr. 23, vv. 42–43ff., s. 54: »de la trasfigurata mia perso­ na, / e i capei vidi far di quella fronde / […].«

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119 Antonio del pollaiuolo, Apoll und Daphne, rückseite oder deckel eines unbekannten Bildnisses (?), späte sechziger oder frühe siebziger Jahre des Quattrocento, london, national Gallery

zentral die im wandel begriffene Mähne der Fliehenden. Und sein Versuch, das prozes­ suale der Metamorphose in einer simultandarstellung zu meistern, endet rechts mit dem gänzlich verwandelten lorbeerbaum, den Apoll statt der verlustig gegangenen Verehrten umfasst.966 ikonografische Vorarbeiten dieser Art mochten leonardo zu einer ganz eige­ 966 (Florenz, Villa i tatti, Berenson collection, inv.­nr. p 16); es handelt sich um das seitenteil eines Cassone-Bildes; s. La Raccolta Berenson, hrsg. v. Franco russoli, Mailand, 1962, s. lXXiX; wright, 2005, Abb. 69. die Hypnerotomachia Poliphili, i, fol. l2v, Bd. i, s. 166 führt in einer illustration, die sieben nymphen zeigt, stufenweise die Verwandlung in einen Baum vor, die erste nymphe mit einem

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120 Francesco Bonsignori, Apoll und Daphne, ca. 1450, cassone­Bild, Florenz, Villa i tatti, sammlung Berenson

nen, von einer simultanen Bewältigung der Metamorphose abgekommenen Variante verleitet haben. die auffällige, um den wacholderstiel als Achse vollzogene windung des schriftzuges »FOr/MA« unterstreicht gegebenenfalls den mit der Umdrehung der Bildtafel einhergehenden Verwandlungsakt.967 wie Ginevra, so betörte einst daphne nicht minder durch ihre außerordentliche schönheit. in Ovids carmen perpetuum verwandelt sich daphne in den lorbeer, der erst­

Zweig, der vom Kopf abgeht. der daphne­typus, dessen haare sich zuerst zu Blättern formen, ist sehr verbreitet. ihm entspricht die illustration in der ersten illustrierten Ausgabe der Metamorphosen, die sich in leonardos Besitz befand (leonardo, Codex Madrid II, fol. 2v: »Ovidio metamofoseos«): Giovanni dei Bonsignoris, Ovidio Metamorphoseos vulgare, Venezia: Zoan rosso, 1497, fol. 7r; vgl. auch die von Apoll verfolgte daphne in der Miniatur von Francesco d’Antonio del chierico (in Fran­ cesco petrarca, Rime e trionfi, von ca. 1469; Mailand, Biblioteca trivulziana, Ms. 905, fol. 2r; vgl. löhr, 2007, s. 186, Abb. 151) und daphne im holzschnitt von liberale da Verona; s. Giraud, 1969, s. 247– 248. 967 Vgl. dazu leonardos Zeichnung (ca. 1508–1509) eines runden emblems, dem das Motto zugehörig ist: »destinAtO riGOre« (Bestimmende Kraft): ein vergleichbares Band ist um die Achse einer zahnradbetriebenen drehvorrichtung mit sternaufsatz geschlungen; dieser wird von einem stern beschienen; leonardos randbemerkung klärt den sinn: »nOnA reVOlVtiOne chiAttAle / stellA eFFissO« (er wird nicht umhergewirbelt, der solch einen befestigten stern hat); windsor castle, royal library, inv.­nr. 12701; s. clayton, 1996, Kat.­nr. 59, die Abb. auf s. 110.

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mals zur Krönung eines dichters dient: zur Zierde der lockenumrahmten schläfen Apolls (i, vv. 450–451). es soll an dieser stelle nicht unerwähnt bleiben, dass Verse des dichters Francesco Buzzacarini Bembo in die nähe von Apoll rücken.968 wegen der drastik und Konsequenz von daphnes Flucht – sie reicht bei Ovid bis zum metamor­ phischen entzug – geriet daphne zum inbegriff jungfräulicher Keuschheit – auch dies eine parallele zu Ginevra. nicht umsonst hat daphne, fast eingeholt von ihrem Verfolger Apoll, in einem Flehensruf ihre schönheit verwünscht: »[…] hilf! wenn Macht einem Flussgott gegeben, / wandle, verdirb die Gestalt, durch die zu sehr ich gefalle!«969 Anders als an dieser stelle hieß »Gestalt«, wie in vielen passagen der Metamorphosen, nicht »figu­ ra«, sondern »forma«: so beispielsweise gleich zu Beginn des Buches, mit der bekenntnis­ haften Äußerung Ovids zur inspiration als seiner Antriebskraft zum Künden von ver­ wandelten Gestalten: »in nova fert animus mutatas dicere formas / corpora […].«970 Kein wunder, wenn Antonio Filarete – er wünschte den daphne­Mythos als Fassadenmotiv in Sforzinda – ihre Verwandlung in eine »altra forma« beschreibt.971 während petrarca über das Aufgehen daphnes im Grün der wälder seufzte,972 brachte der humanist poli­ ziano ihr schicksal lapidar auf den punkt: »ea conversa est in laurum«.973 Vielleicht ist es übertrieben, in die ›Umklammerung‹ des wacholders durch den lorbeer­ und palmzweig des Venezianers die Bedrängung der schönen durch Apoll hineinzulesen (wie in den wacholder das unausweichliche resultat), aber soviel wird man sagen dürfen: Vor dem hintergrund der selbst­Vertröstung Apolls – »›Kannst du […] nicht Gattin mir werden,

968 enthalten in einem plutarch­codex aus dem 15. Jahrhundert; München, Universitätsbibliothek, Ms. 2° 550 (= cim. 3): »perpetuos felix Bernardus vivet in annos, 1 progeniem Bembam qui super astra feret. hoc ego vaticinior vobis praesagus Apollo edere cui soli fata futura licet. si quis et hanc phoebi vocem non esse putabit, 5 dicat: quis carmen tale poeta dedit? […].« 969 Ovid, Metamorphosen, i, vv. 545f., s. 32–33 (Üs: erich rösch): »›[…] opem! si flumina numen habentis / qua nimium placui, mutando perde figuram!‹« 970 ebenda, i, vv. 1–2, s. 6. »Forma« fiel auch – um nur wenige Beispiele herauszugreifen – anlässlich der Verwandlung von narziss in eine Blume (iii, v. 503) oder der von Galanthis in einen wiesel (ebenda, iX, v. 321, s. 334: »forma est diversa priori«). 971 Filarete, Trattato, XXiV, Bd. ii, s. 674: »e così la paurosa dapne, quando phebo le correva dietro, e così […] vuole essere in altra forma dipinta […]«; vgl. ebenda, iX, Bd. i, s. 260: »e nelle facciate da canto vorrei fare alcune cose, ch’io ò lette, cioè come phebo andava dietro a dapne, [che] si convertì in uno alloro […].« 972 petrarca, Canzoniere, nr. 22, vv. 34–36, s. 50/51: »et non se transformasse in verde selva / per uscirmi di braccia, come giorno / ch’Apollo la seguia […].« 973 poliziano, Commento, s. 42.

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sollst mein Baum du doch sein‹« –,974 musste die daphne­Allusion als geistreicher, ja überaus geglückter einfall bestechen: als Allegorisierung von Ginevras Keuschheit und als Ausdruck der ungestillten leidenschaft Bernardo Bembos für die vergebene Florentiner schönheit – einfälle, die es mit der dichterischen imagination auf­ nehmen konnten. Zur Fundierung unserer Annahme, dass eine Verwandlung von Bildseite zu Bildseite impli­ ziert sein könne, sei auf einige ikonografische dispositionen im Bereich von rückseitenbema­ lungen verwiesen. Und es gibt sie, so sehr in dülbergs ansonsten vorzüglicher studie der ein­ druck entstehen könnte, Bildnisrückseiten seien primär als bloßes supplement des umseitigen porträts zu werten, sei es im heraldischen, allego­ rischen oder im emblematischen sinne. Vom 121 Andrea previtali, Memento mori, rückseite weiterspinnen eines, wenn man so will, ›hand­ von: Bildnis eines Mannes, 1502, Mailand, Museo lungsfadens‹, zeugt hingegen, bereits erwähnt, poldi pezzoli das Memento Mori­Motiv auf der rückseite von Andrea previtalis Porträt eines jungen Mannes (Abb. 121).975 sollte dieses Vanitas­Mahn­ bild, genauer, ein totenschädel mit der Beischrift »FOrMA« (Gestalt), nicht an die drohende Verwandlung des umseitig porträtierten anspielen? deutlicher kommt dies im wortlaut eines vergleichbaren rückseitenmotivs zum Ausdruck. einst auf 1513 datiert, ist es nur noch durch eine inventarnotiz greifbar. es heißt: »MOrs OMniA VersAt« (der tod verwandelt alles).976 im Fall von previtalis porträt ist die wohlkalkulierte, mit 974 Ovid, Metamorphosen, i, vv. 557–558, s. 34 (Üs: erich rösch): »cui deus ›at quoniam coniunx mea non potes esse, / arbor eris certe‹ dixit ›mea semper habeunt […].‹« 975 siehe Anm. 796, s. 503; die signatur »AndreAs ∙ c ∙ A ∙ di ∙ iO ∙ B ∙ p«, 1502; dazu Best.­Kat. Mailand, 1982, Kat.­nr. 222, Abb. 256–257. 976 nach einem 1685 erstellten inventar der Gemäldesammlung des heidelberger schlosses; näheres in dülberg, 1990, Kat.­nr. 303. – sehr treffend ist dülbergs Beobachtung hinsichtlich des Vanitas­ rückseitenmotives eines gegen 1500 gemalten Idealbildnisses von Girolamo Casio, wohl ein werk sei­ nes Freundes, des lombardischen leonardo­schülers Giovanni Antonio Boltraffio. der Mailänder dichter casio (1466/7–1516) wird unterhalb des totenkopfes inschriftlich genannt: »insiGne sVM ierOnYMi / cAsii« (ich bin ein Zeichen für Girolamo casio). dülberg weist hier auf das personalisierte denkbild hin, denn die latinisierung von casios Vornamen zeigt, dass der totenschä­ del als bekanntes Attribut des namensheiligen hieronymus in Anspruch genommen wird; zum Gemälde (in chatsworth, collection duke of devonshire) ebenda, s. 156, Kat.­nr. 208, Abb. 235/236)

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dem wenden der tafel einhergehende Kausalität um so naheliegender, als das rücksei­ tenmotiv auf dem Kopf steht. Mit anderen worten: es muss zur richtigen wahrneh­ mung zweifach gedreht werden: von der Vorder­ zur rückseite und kopfüber nach unten. Bedenkt man die sich in dülbergs Materialsichtung deutlich abzeichnende Beliebtheit von Memento Mori­rückseiten –977 Bernardo Bembo selbst besaß ein Gemäl­ de dieses Zuschnitts von Memlings hand –,978 dann bietet sich folgende verlockende these an. Zumindest für die Vanitas­Gruppe der zweiseitig bemalten Bildtafeln des Quattrocento gilt, was für leonardos Ginevra mit guten Argumenten unterstellt werden kann: die rückseitenbemalung, als erkanntes Mehr an entfaltungsmöglichkeit des Malers, stand im dienst einer auf variatio bedachten Bild­Kombination, die sich in Form von changierenden Gestalten oder identitäten, von kausalen bis zu metamorphi­ schen Bildfolgen niederschlug.979 die mittels drehbarkeit erreichte Variabilität eines Gemäldes war keineswegs ein novum; es gab im Altertum Vorbilder. das belegen nach­ richten über den Athener Maler pauson, wie sie plutarch und Aelian überliefern. dem Geheiß folgend, ein sich wälzendes pferd zu malen, düpierte pauson seinen Auftraggeber mit dem Gemälde eines galoppierenden pferdes. Amüsiert über die spontane empörung, die ihm entgegenschlug, drehte pauson die tafel um sechzig Grad, bis sie auf dem Kopf stand. nun schien das pferd nicht mehr im Galopp zu sein, sondern sich zu wälzen. nicht erst ein Kunstgriff Benozzo Gozzolis, den Vasari diesem beim Malen eines esels

und Maria teresa Fiorio, Giovanni Antonio Boltraffio. Un pittore milanese nel lume di Leonardo, Mai­ land, 2000, s. 91 (Farbabbildung); ein ebenfalls von Boltraffio gemaltes Idealbildnis Girolamo Casios als Apoll (lorbeergekrönt und mit pfeil) befindet sich im timken Museum of Art, san diego; s. eben­ da, s. 94–95, Kat.­nr. A8. 977 Vgl. dülberg, 1990, Abb. 24, 120, 218, 221, 224, 226, 228, 230, 231, 234, 236, 238, 242, 245, 248, 249, 252, 255, 258; der explizite hinweis auf die »Gestalt« auch auf der rückseite eines Männerbild­ nisses von circa 1550 aus dem Umkreis des Bartholomäus Bruyns d. Ä., Abb. 260 (mit der inschrift »der MYnsch is erd Vnd wYrt VerZert. / lieFlich GestAlt nYer lAnG en wert«), Abb. 262, 263, 265, 267, 269, 270, 271, 272, 274, 278, 281, 282, 283, 284, 286, 287, 289, 290, 298. 978 es handelt sich um die rückseite der tafel mit Johannes dem Täufer (München); dazu s. cap. Vii.1. Auch wenn in diesem Fall kein Bezug auf ein porträt vorliegt, so impliziert der wortlaut unter dem totenschädel – »MOrieris« (du wirst sterben) – immerhin eine andere zeitliche dimension. 979 es würde den rahmen dieser studie sprengen, die Konnotationen weiterer Bildnisrückseiten an die Verwandlung darlegen zu wollen; zu denken wäre beispielsweise an Jacomettos Rehbock; er weckt im weitesten sinne die erinnerung an Aktäon­Mythos; s. leonardo Bruni und Filarete (Filarete, Trattato, iX, Bd. i, s. 260: »[…] diana convertì Anteon in cervio«; Bruni, Ad Petrum Paulum Histrum, i, 23, s. 246: »[…] Actaeonem illum, qui ex homine in cervum conversus est.«); oder dürers darstel­ lung von ca. 1497: Lot und seine Töchter (s. dülberg, 1990, Abb. 326 und Kat.­nr. 341); im hinter­ grund ist die Folge der verbotenen Umdrehung zu sehen: die zur säule erstarrte Mutter (vgl. Fiano, Contra ridiculos oblocutores, s. 134: »At si transmutationes poetarum videantur eis fabulosa mendacia, cur non ita quod uxor loth mutata fuerit in statuam salis?«).

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unterstellt, »der sich nach allen seiten zu wenden scheint« (»[…] per tal maniera, che si volta per ogni banda; […]«),980 re­ flektiert dieses Kunstwerk, sondern mög­ licherweise auch einige pferde, die pisa­ nello skizziert hat (Abb. 122): zwei von ihnen wälzen sich, zwei weitere springen durch die luft. würde man die tafel dre­ hen, wäre es umgekehrt.981 ein Maler mit einem ganz ähnlich klingenden namen, pausias, übte sich laut plinius dem Älte­ ren in einer anderen Art der variatio, näm­ lich im »äußerst mannigfachen wechsel « von pflanzen. Ver­ liebt in seine Mitbürgerin Glykera, der erfinderin der Kränze, habe pausias mit ihr gewetteifert und sie in einem sehr be­ rühmten werk sitzend mit einem Kranz gemalt. An anderer stelle – ein exemplar der Volgare­edition landinos illustriert sie 1476 mit der Kranzwinderin im Grü­ 122 pisanello, Pferdestudien, ca. 1438, paris, Musée du nen (Abb. 123) – bekräftigt plinius vehe­ louvre ment den wetteifer des pausias mit seiner herausforderin. Aus ihm habe sich nicht weniger als »ein wettstreit zwischen Kunst und natur« ergeben. Zudem wollte er von einer eigenen Bezeichnung für dieses Genre (»co­ rollae«) wissen, das bald aus vergoldetem oder versilbertem dünnen Kupferblech gefer­ tigt worden sei.982 980 Vasari, Le vite, Bd. iii, s. 48; plutarch, Moralia, 396e (weshalb die pythia nicht mehr in Versen weiß­ sage); der Vergleich zwischen den Argumentationen des sokrates und dem pferde­Bild des pauson in Aelian, Varia historia, 14, 15; unberücksichtigt in larsson, 1974. – das Altertum kannte die varietas von Gemälden auch hinsichtlich der Bedeutungsvielfalt einer Figur. ein von euphranor gemalter Alexander Paris mit vielen Bedeutungsfacetten in einer person in plinius, NH, XXXiV, 77, s. 58: »euphranoris Alexander paris est, in quo laudatur, quod omnia simul intelleguntur, iudex dearum, amator helenae et tamen Achillis interfector.« das changieren der Mimik des dargestellten je nach Blickpunkt des Betrachters galt für das Gesicht einer gemalten Artemis, das den eintretenden traurig, den weggehenden heiter erschienen sein soll; s. plinius, NH, XXXVi, 13; vgl. ebenda, XXXV, 56. 981 Pisanello, 1996, s. 243–244, Kat.­nr. 149, s. 236, Abb. 149. 982 plinius, NH, XXXV, 125, s. 92 (Üs: roderich König): »amavit in iuventa Glyceram municipem suam, inventricem coronarum, certandoque imitatione eius ad numerosissimam florum varietatem perduxit artem illam. postremo pinxit et ipsam sedentem cum corona, quae e nobilissimis tabula est,

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wir werden nicht mit definitiven Bewei­ sen eruieren können, ob leonardo den wett­ eifer mit pausias aufnahm und ob er gar eine illustration aus landinos Übersetzung kann­ te. die Kranzwinderin posiert jedenfalls wie Ginevra, umringt von Bäumen im Freien, wobei auch in ihrem Fall das rund einer Baumkrone ihren Kopf hinterfängt. in weit größerer nähe zu leonardos Kompositions­ prinzip zeigt sich die Vorliebe zur varietas in einem Florentiner halbfigurenbildnis einer jungen Frau. es wird neuerdings Agnolo di domenico del Mazziere zugeschrieben (Abb. 124a).983 Unter der etwas stumpf ins leere blickenden Frau, die wie Ginevra ein 123 Die Kranzflechterin (vgl. ›stephanoplókos‹ in: geschnürtes Kleid trägt, ist auf einer Brüs­ plinius, NH, XXi, 4–5 und XXXV, 125), aus: plinius/ landino, Historia naturale, Venedig: nicolaus Jenson, tung die inschrift zu lesen: »nOli Me 1476, fol. 247v tAnGere«. die Bildnisrückseite könnte von der daphne­ikonologie zehren. sie zeigt, der Betrachter mochte es ahnen, lorbeer, konkret: einen lorbeerkranz (Abb. 124b).984

appellata stephanoplocos, ab aliis stephanopolis, quoniam Glycera venditando coronas sustentaverat paupertatem«; und ebenda, XXi, 4–5, s. 20f.: »[…] sicyone ingenio pausiae pictoris atque Glycerae coronariae dilectae admodum illi, cum opera eius pictura imitaretur; illa provocans variaret, essetque certamen artis ac naturae; quales etiam nunc exstant artificis illius tabellae atque in primis appellata stephaneplocos, qua pinxit ipsam; idque factum est post Olympiada c. […] paulatimque et romae subrepsit appellation corollis inter initia propter gracilitatem nominatis, mox et corollariis, postquam e lamina tenui aerea inaurata aut inargentata dabantur.« die illustration zu plinius (NH, XXi, 4–5) in plinius/landino, Historia naturale, fol. 247v. 983 (Berlin, Gemäldegalerie, inv.­nr. 80); s. zuletzt Gesichter der Renaissance, 2011, s. 67, Abb. 1; Virtue and Beauty, 2001, s. 90–91; Gemäldegalerie Berlin. Gesamtverzeichnis, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, bearbeitet von henning Bock et alt., Berlin, 1996, s. 82 mit der datierung um 1485/1490 und s. 471, Abb. 2164; bei dülberg, 1990, Kat.­nr. 169 noch die alte Zuschreibung an lorenzo de’ credi. 984 das nahezu identische Motiv des mit sich wellenden schnüren zusammengehaltenen lorbeerkranzes, dem ein wappen eingeschrieben ist, befindet sich als intarsienmotiv im urbinatischen studiolo; s. cheles, 1986, Abb. 88. die nachträgliche Anbringung der inschrift »nOli Me tAnGere« ist unwahrscheinlich, denn das kleine Ziermotiv ähnelt sehr dem rahmenmotiv der besagten intarsien. Und nicht das Verbot, aber die Aufforderung zum Berühren eines Kunstwerks begegnet in einer Quelle aus dem 4. Jahrhundert, in den Epigrammata Bobiensia, hrsg. v. wolfgang speyer, leipzig, 1963, s. 18: Über ein Marmorwerk des skopas hieß es: »[…] tange: digito cesserim.« ein lorbeer­ kranz (auf porphyrgrund) als rückseitenmotiv ziert rogier van der weydens Bildnis einer jungen Frau

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124a Agnolo di domenico del Mazziere zugeschrieben, Bildnis einer jungen Frau, ca. 1485/1490, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie

124b Agnolo di domenico del Mazziere zugeschrieben, rückseite von: Bildnis einer jungen Frau, ca. 1485/1490, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie

ergänzt wird er durch moralisierende sprüche, die im mythologischen Kontext mit daph­ ne plausibel wären: »tiMOre d’inFAMiA e / sOlO disiO d’OnOre« (Furcht vor schande und einzig das sehnen nach ehre). in petrarcas Triumphus Pudicitiae, dem diese worte entnommen sind, huldigen sie der Keuschheit als höchster schönheit (»som­ ma Beltate«),985 während weitere inschriften Fatalistisches implizieren: »FV che idiO VOlle / sArA che idiO VOrrA« (es geschah, was Gott wollte; es wird geschehen, was Gott will); »piAnsi GiA / QUellO ch’iO VOlli’/ pOi ch’iO l’eBBi« (das, was ich wollte, habe ich schon beweint, als ich es hatte). der Vers »piansi già quel ch’io volsi, poi ch’io l’ebbi« entstammt einem 1452 verfassten sonett, das lomazzo, enthalten (Berlin, staatliche Museen, Gemäldegalerie, Kat.­nr. 545d). es handelt sich jedoch, wie man neuer­ dings meint, um eine in italien ausgeführte ergänzung, die erst gegen Mitte des 16. Jahrhunderts ausge­ führt wurde; s. Der Meister von Flemalle und Roger van der Weyden, Ausstellungskatalog (Frankfurt, städel Museum, 21.11.2008–22.02.2009 und Berlin, Gemäldegalerie, 20.03.2009–21.06.2009), hrsg. v. stephan Kemperdick et alt., Ostfildern, 2008, s. 278, Abb. 150; dülberg, 1990, Kat.­nr. 144, Abb. 46. 985 petrarca, Triumphus Pudicitiae, i, v. 87, s. 512.

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in einem exkurs über doppelbegabungen, irrtümlich leonardo zugeschrieb. in wirk­ lichkeit floss es aus der Feder des dichters Giovan Matteo di Meglio, eines heroldes der Florentiner signoria.986 nach all dem wird deutlich, welcher reiz und welche herausforderung für einen Maler von ambiguen wie proteischen Gestalten ausging, seien es daphne, der herm­ aphrodit,987 Janus, Vertumnus oder chamäleon. wegen der in aller schärfe akut werden­ den schwierigkeit, eine wandlung in der Flächenkunst Malerei zu meistern, wetteiferten diese Vorstöße nicht allein mit der dichtung, sondern immer auch mit statuen, die in Anbetracht ihrer rundansichtigkeit zunächst überlegen erscheinen, den Betrachter aber nie mit wirklich vergleichbaren Überraschungen in ihren Bann zu ziehen vermögen wie rückseitenbemalungen von Gemälden. dies geschah im einklang mit einem Men­ schenbild, das seinerseits der wendigkeit frönte. so verlieh Giovanni pico della Miran­ dola 1486 in seiner programmatischen schrift De dignitate hominis seiner Bewunderung für die wandlungsfähigkeit des chamäleons Ausdruck, dessen wechselhaftes, sich selbst

986 lomazzo, Trattato, Vi, cap. 2, in: lomazzo, Scritti, Bd. ii, s. 245–246: »chi non può quel che vuol, quel che può voglia, 1 ché quel che non si può, folle è volere. Adunque saggio l’uomo è da tenere, che da quel che non può su voler toglia; però ch’ogni diletto nostro e doglia 5 sta in sì e no saper voler potere. Adunque quel sol può, che col dovere ne trae la ragion fuor di sua soglia. né sempre è da voler quel che l’uom puote, spesso par dolce quel che torna amaro. 10 piansi già quel ch’io volsi, poi ch’io l’ebbi. Adunque tu, lettor di queste note, s’a tu vuoi esser buono e agl’altri caro, vogli sempre poter quel che tu debbi.« dazu der Kommentar Milanesis in Vasari, Le vite, Bd. iV, s. 19. die Verse sind m. e. mitunter abhän­ gig von dante, Convivio, i, 2, 15–16, s. 14/15 (Üs: thomas ricklin): »Movemi timore d’infamia, e movemi disiderio di dottrina dare, la quale altri veramente dare non pùo. temo la infamia di tanta passione avere seguita […]« (Mich bewegt die Furcht vor Verleumdung und mich bewegt der wunsch, lehre, die ein anderer zuverlässig nicht geben kann, zu vermitteln. ich fürchte die Verleumdung, so vieler leidenschaft gefolgt zu sein). 987 so ist es vielleicht kein Zufall, dass die im Besitz von lorenzo de’ Medici befindliche Gemme aus dem Quattrocento mit einem liegenden hermaphroditen auch auf der rückseite geziert ist: sie trägt die Kürzel »lAV/r/Med« (neapel, Museo nazionale; inv.­nr. 26997); s. die Abbildungen in Il Tesoro di Lorenzo il Magnifico, Repertorio delle gemme e dei vasi, hrsg. von nicole dacos et alt., 1980, Abb. 4–5. Über die allegorische Auslegung des hermaphroditen in juristischen texten seit dem tre­ cento Kantorowicz, [1957] 1994, s. 34; über die androgyne Ausdeutung des phönix s. 388f.

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veränderndes wesen in Gestalt des proteus in Mysterien gefeiert werde.988 er zitierte die chaldäische definition des Menschen als lebewesen von verschiedenartiger, vielförmi­ ger und sprunghafter natur.989 nachdem bei leonardo Bruni die »versutia«, die wen­ digkeit, je nach situation und Kontext, für das ingenium des literaten gestanden hat­ te,990 übertrug landino schließlich diese Qualitäten auf das Feld des Künstlerischen, indem er seinen universalen Freund leon Battista Alberti, seiner stilistischen wendig­ keit wegen, unter den literaten als chamäleon der neuzeit feierte; allerdings hatte wohl­ bemerkt bereits patrizi gegen 1450 das beschönigende Antigonos­Gemälde des Apelles als Ausdruck der listigen wendigkeit (»versutia«) eines Malers (!) gewertet.991 der poliziano­schüler crinitus huldigte einem doppelgesichtigen Janus­standbild, vielleicht weil ihm ein von plinius gewürdigter gegossener Janus als symbol des Friedens aber auch des Krieges erinnerlich war.992 in Kunsttraktaten feiert vor allem Filarete, der 988 pico della Mirandola, De dignitate hominis, s. 8: »Quis hunc nostrum chamaeleonta non admiretur? […] Quem non immerito Asclepius Atheniensis versipellis huius et se ipsam transformantis naturae argumento per proteum in mysteriis significari dixit.« 989 ebenda, s. 32: »idest homo variae ac multiformis et desultoriae naturae animal.« Zuccari wird die proteus­Gestalt mit der wandlungsfähigkeit der Malerei vergleichen; s. Federico Zuccari, Idea de’pittori, scultori et architetti [turin, 1607], ii, Vi, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 1039: »[…] altri rilevati ingegni adattorno questa istessa favola all’arte della pittura, che similmente in molte e varie cose si trasmuta.« 990 Bruni, Ad Petrum Paulum Istrum, i, 8, s. 238: »[…] ingenium […] versutiusque reddat.« eine Grund­ lage bot die horazsche empfehlung, den Griffel möglichst oft zu wenden – »stilum vertas« (horaz, Sermones, i, 10, vv. 72ff., s. 330: »[…] »saepe stilum vertas, iterum quae digna legi sint / scripturus«) – und auch cicero, De officiis, iii, 10, 25. 991 Zu patrizi s. teil ii, Anm. 57; landino, Comento, ›proemio‹, cap. 4, Bd. i, s. 237: »tornami alla mente lo stilo di Baptista Alberto, el quale chome nuovo chameleonta sempre quello colore piglia el quale è nella cosa delle quale scrive«; in Bezug auf den Farbwechsel des tieres; Alberti, De pictura, i, 7, s. 206; dazu Grafton, [2000] 2002, s. 160. 992 crinitus, De honesta disciplina, cap. 10, s. 71; vgl. die erwähnung eines von König numa gewidmeten Janus in plinius, NH, XXXiV, 33. nicht unbeeindruckt davon sind janusgesichtige Menschen – die eine seite lachend, die andere weinerlich – in einem auch illustrierten relief zum thema »AMissiO« (Verlust) in der Hypnerotomachia Poliphili, Bd. i, s. 25: »Ad lato dextro da poscia coelate erano alcune figure di homini et di damigelle, chorogianti, cum due facie per uno. Quella dinanti ridibonda, la posteriora lachrymosa.« Zu erwägen wäre auch der einfluss der Janus­ikonografie auf Mantegnas verschollenes doppelporträt der Freunde Janus (!) pannonius und Galeotto Marzio da narni. M. e. spricht der Vorname des dichters, ›Janus‹, einmal mehr für die these, dass kein diptychon vorlag, sondern eine doppelseitig bemalte einzeltafel, auf deren Vorder­ und rückseite sich die Bildnisse ver­ teilten. im dankesgedicht des pannonius auf Mantegna fällt das wort: »[…] / talis cum Jano tabula Galeottos in una, / spirat inabruptae nodus amicitiae […] / tu facis ut nostri vivant in saecula vultus, / Quamvis amborum corpora terra tegat«; s. pannonius, Elegantiarum liber, s. 100f.; zum 1458 gemal­ ten doppelbildnis lightbown, 1986, s. 459f.; zuletzt erwähnt, ohne sich für ein diptychon oder eine doppelseitig bemalte einzeltafel zu entscheiden – auch der name Janus bleibt unberücksicht – pfiste­ rer, 2008a, s. 327 und Birnbaum, 1992. Zur Janus­ikonografie wind, [1958] 1987, s. 263. Über die

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eine Vielzahl von Metamorphosen in die Kunsttheorie integriert, extensiv die proteische wandlungsgabe; und Braccesi dichtet: »in tante forme proteo mutarsi«.993 properz, des­ sen elegische distiche Bembo allzu gerne zitierte und den Braccesi in einem seiner ›Ginevra­Gedichte‹ nicht vergaß,994 präsentierte in seinem vierten elegienbuch anläss­ lich einer statue des Vegetationsgottes Vertumnus (sie stand am Zugang zum Vicus Tuscus) geradezu einen hymnus auf ein figürliches Kunstwerk, das viele hybride Facetten in einer einzigen Gestalt zu vereinnahmen vermag. Man beachte die von der sprechenden statue gebotenen sinnverflechtungen von »vertere«, »forma« und »decus«: »du staunst, daß mein Körper so viele verschiedene Figuren [formas] in sich vereint? […] Mein wesen paßt sich allen Gestalten an: verwandle [verte] mich nach wunsch in irgendeine; sie kleidet mich gut [decorus ero]. […]. weil ich mich als ›ein wesen‹ in alle Gestalten zu ›verwandeln‹ pflegte [formas unus vertebar in omnis], hat mir die Muttersprache, den tatsachen entsprechend, diesen namen verliehen.«995 properz unterstrich die lebensnähe dieser statue (sie ist angesichts ihres sprechver­ mögens ohnehin impliziert) mit der Fähigkeit zum chamäleonartigen wandel ihrer Klugheit von cosimo de’ Medici sagt landino, Comento, ›proemio‹, cap. 2, Bd. i, s. 228: »chostui con gl’ochi del bifronte iano tanto previde […]«; über Janus mehrfach Ovid, Fasti, V, v. 424 und Vi, v. 123, s. 250: »[…] videt ianus, quae post sua terga gerantur:« Janus könne sehen, was sich hinter dem rücken abspiele; ebenda, i, vv. 64ff. Alles habe zwei Gesichter, eins hierhin, eins dorthin: »omnis habet geminas, hinc atque hinc, ianua frontes«; ebenda, i, v. 135; lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, Bd. i, s. 137: »una testa di iano bifronte«. 993 Filarete, Trattato, XiX, Bd. ii, s. 569–570, s. 570: »[…] lui si trasformerebbe in molti e variati ani­ mali […]. si trasmuta in diverse cose, quando in fiume […], quando in arbore, quandi in animale e quando in un altro«; Braccesi, Soneti e canzone, s. 23, nr. 18, v. 137; vgl. Giovanni pico della Miran­ dola, De dignitate hominis, s. 30; »ambiguum« ist proteus für Ovid, Metamorphosen, ii, v. 9, s. 44. Bedeutend der dialog zwischen Proteus und Menelaus über die Gabe des Verwandelns in lukian, Seegöttergespräche, nr. 4, und plutarch, Moralia, 97a. 994 Zu den wiederholt von Bernardo Bembo zitierten Versen zählt die Beschwörung des neides aus pro­ perz, Carmina, ii, 25, v. 34; s. die notiz in Bembos berühmter Commedia­handschrift (Ms. Vat. lat. 3199, fol. c. br) und im Ms. Vat. lat. 3365, fol. iiir; dazu Giannetto, 1985, s. 334 u. 330; ferner s. 378, s. 382. – B, nr. 1, v. 11. 995 properz, Carmina, iV, 2, v. 1, vv. 21f., vv. 47–48, s. 222f. (Üs: Georg luck): »Qui mirare meas tot in uno corpore formas, / […] opportuna mea est cunctis natura figuris: / in quamcumque voles verte, decorus ero. / […] / At mihi, quod formas unus vertebar in omnis, / nomen ab eventu patria lingua dedit.« Und ebenda, v. 59, v. 60, v. 63–64, s. 224, s. 226: »stipes acernus eram properanti falce dola­ tus, […] / at tibi, Mamurri, formae caelator aenae, […] / qui me tot docilem potuisti fundere in usus. / unum opus est, operi non datur unus honos.« Man beachte die vergleichbare wortwahl Ovids in der charakterisierung von Vertumnus: Ovid, Metamorphosen, XiV, vv. 684–685, s. 546: »adde, quod est iuvenis, quod naturale decoris / munus habet formasque apte fingetur in omnis«; zur Vertumnus­ ikonografie Matthias winner, »pontormos Fresko in poggio a caiano«, in: ZfK, 35, 1972, s. 153–197, s. 167ff.

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Form. es war ausdrücklich dieses, die Verwandlung verheißungsvoll im namen tragen­ de Kunstwerk, dem der elegiendichter überdies nachsagte, es besitze eine sich verändernde Konsistenz: »ich war ein Ahornklotz, wurde von einem flinken Messer geschnitzt« (v. 59). diese aus einem bescheidenen Baum (!) geschnitzte statue des Vegetationsgottes avanciert dann zu einem (dem Material nach wertvolleren) Bronzewerk. dafür erntet der Bildhauer lobeshymnen: »Mamurrius, schöpfer meines Bronzebilds [formae caela­ tor aenae] […] du hast es verstanden, mich so zu gießen, daß ich geschickt so viele rol­ len spielen kann. das werk ist eins, doch mehr als eine ehrung [honos] wird dem werk zuteil« (vv. 61f.).996 dass leonardo sein Frauenporträt, das er auf nussbaumholz malte, wie eine kostbare Marmortafel aussehen ließ, ist auch vor dem hintergrund solcher Vor­ stellungen zu sehen. letztlich war es ein Baum, der den werkstoff für das porträt der ›Baumfrau‹ Ginevra stiftete. Francesco Melzis Gemälde Vertumnus und Pomona (Abb. 125), von leonardos Karton der Maria Selbdritt inspiriert, spiegelt die Beschäfti­ gung mit dem themenkreis der transformation im Umfeld seines lehrers.997 die varietas, laut Alberti der Auslöser von »höchster Freude«, oder, in Volgare gespro­ chen, des diletto, hatte sich als wertkriterium seit De pictura in der italienischen Kunst­ literatur breitgemacht. dies war vorzugsweise der rezeption Quintilians zu verdanken, der vergleichend zur rhetorischen varietas auf statuen und Gemälde verwies, die den Betrachter dank der Abwechslung in haltung, Miene und stellung, ja dank der Abwei­ chung vom Gewöhnlichen, faszinierten.998 die warnung des rhetors vor der einförmig­ keit des Vortragsstils, bedingt durch die fehlende Modulation der stimme, richtete sich expressis verbis gegen den »unus aspectus«.999 diese Art der Begrifflichkeit half der argu­ mentativen Assimilierung der varietas für den paragone auf die sprünge. einmal mehr bestätigt sich bei näherem hinsehen der offenkundige Zusammenhang zwischen der varietas und dem Aspektkriterium.

996 properz, Carmina, vv. 59, 61, 63, s. 224–226 (Üs: s. o.); zitiert in Anm. 995. 997 Best.-Kat. Berlin, 1996, Kat.­nr. 222, s. 472, Abb. 2175. – leonardo konnte über sein diogenes laer­ tius­exemplar von demokrits Autorschaft einer schrift Über verschiedene Gestaltungen und Über Gestaltenwechsel erfahren haben (diogenes laertius, Leben ›demokrit‹, iX, 47). dion von prusa, Olympische Rede, 45, s. 79 berichtete über die von Zeuxis und polygnot abgelegten proben ihrer Kunst mit der »variationsreichen darstellung von Göttern«. 998 wir beschränken uns auf den zentralen teil des langen passus: Quintilian, Institutio oratoria, ii, 13, 8–11, Bd. i, s. 224: »expedit autem saepe mutare ex illo constituto traditoque ordine aliqua, et interim decet, ut in statuis atque picturis videmus variari habitus, vultus, status; […]. mutant enim aliquid a recto atque hanc prae se virtutem ferunt, quod a consuetudine vulgari recesserunt.« Alberti, De pictura, ii, 40, s. 264f.: »primum enim quod in historia voluptatem afferat est ipsa copia et varietas rerum. […]. idcirco in pictura et corporum et colorum varietas amena est.« 999 Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 3, 44, Bd. ii, s. 624; zur varietas Baxandall, 1971, s. 18–19; sum­ mers, 1981, s. 87, 92, 94, 166, 172, 181 bei leonardo s. Fehrenbach, 1997, s. 48–49.

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125 Francesco Melzi, Vertumnus und Pomona, ca. 1518/1522, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie

Für leonardo war die doppelseitige Bildbemalung das rüstzeug, um ein Mehr an Ansichten zu erreichen, ohne von einer rundansichtigen statue die fließenden Übergänge in Form von kontinuierlichen Bewegungszügen zu borgen. im Gegenteil, er nutzte die Zäsur zwischen Bildseiten inszenatorisch. das rückseitenmotiv kann frappieren: die ›Ver­ baumung‹ einer – im Gegensatz zu daphne – irdischen, vielleicht euhemeristisch imagi­

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nierten tugendheldin, deren Vergöttlichung zumindest ihre Minnen nicht versäumen.1000 wer zuerst das reversbild mit dem wacholder sah, staunte nicht schlecht nach dem wenden der tafel über die ›fleischgewordene‹ Ginevra, eine inszenatorische pointe, die ihre wirkung nicht verfehlt haben kann.1001 Aus dieser sicht stellt sich Ginevras mutmaß­ liches Attribut, der wacholderzweig, wie ein bedeutungsträchtiger wink auf eine Art von ›narrativer‹ Kohärenz dar. die für einen Maler unerhörte difficultà, eine Figur jen­ seits einer simultandarstellung der Verwandlung zu unterziehen, gelingt durch evokati­ on. der phantasiebegabte und gebildete Betrachter wird förmlich eingeladen, das inter­ vall zwischen zwei klar kontrastierenden erscheinungsformen der Ginevra mit sinn zu füllen. dieser Kunstgriff erinnert an das Geschick, das plinius dem Maler parrhasios nachsagte, der die äußere Kontur einer Gestalt so abzusetzen wusste, »daß sie anderes erwarten läßt und hinter sich [post se] auch das zeigt, was sie verbirgt«.1002 leonardo lag landinos Übersetzung dieser sequenz vor, in der sich sogar die ergänzung findet, dass ein dreidimensionaler effekt das Bestreben gewesen sei.1003 wir wissen nicht, ob leonar­ do Albertis perspektivierung von narziss als erfinder der Malerei kannte, geschweige denn, wie er diese Metapher gegebenenfalls verstand, ob er in ihr, in Albertis sinne, pri­ mär ein Bild für die Malerei als Flächenkunst sah,1004 oder ob er glaubte, der schlüssel für diese Katachrese läge in der Affinität zum wandel. das am meisten Alberti ver­ pflichtete spiegel­Gleichnis im Libro di pittura deutet indes letzteres an. wenn leonar­

1000 die »göttliche Ginevra« beispielsweise in L, nr. 2, v. 8. 1001 Über die Bedeutung der Fleischdarstellung in der Kunsttheorie seit cennini Kruse, 2000, s. 305ff. Unklar bleibt, ob vergleichbar inszenatorisches hinsichtlich der ›Fleischwerdung‹ Bronzinos Gemäl­ de der ovidischen episode Pygmalion und Galatea (Florenz, Uffizien) zugrunde lag, nach Vasaris worten einst der porträtdeckel zu pontormos (verschollenem) Bildnis des Francesco Guardi; die Fleischwerdung betont auch Vasari, Le vite, Bd. Vi, s. 275: »[…] perchè la sua statua, ricevendo lo spirito, s’avviva e divenga (come fece, secondo le favole di poeti) di carne e d’ossa«; zu Bronzinos Gemälde Bolzoni, 2010, s. 280, Abb. 40; vgl. Ovid, Metamorphosen, X, vv. 243ff. 1002 plinius, NH, XXXV, 67, s. 56/57 (Üs: roderich König): »[…] sed in quo multi gloriam tulerint; extrema corporum facere et desinentis picturae modum includere rarum in successu artis invenitur. ambire enim se ipsa debet extremitas et sic desinere, ut promittat alia post se ostendatque etiam, quae occultat.« 1003 »sono pochi, invece, quelli che hanno saputo trovare un modo di contornare le figure con linee per produrre l’effetto delle tre dimensioni. perché le linee di contorno devono incurvarsi come per girare attorno alla forma e suggerire perfino quello che non si vede.« plinius/landino, Historia naturale. der plinius­passus bahnte den weg zum ideal der figura serpentinata; zu diesem summers, 1981, s. 80ff. 1004 Alberti, De pictura, ii, 26, s. 236/237: »[…] consuevi […] dicere picturae inventorem fuisse […] narcissum illum qui sit in florem versus […]. Quid est enim aliud pingere quam arte superficiem illam fontis amplecti?« diese Metapher gilt als erfindung Albertis; vgl. ebenda, s. 31, Anm. 93; dazu Aurenhammer, 2009. – leonardo besaß Albertis Architekturtraktat und dessen schrift Ludi matematici; vgl. leonardo, Codex Madrid II, fol. 2v, fol. 3r.

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do schreibt, es sei geboten, dass der Geist des Malers dem spiegel gleiche, weil dieser imstande sei, sich in alles zu verwandeln (»trasmuta«) – es folgt die definition des guten Malers als »allseitig« im nachbilden sämtlicher Formen –, dann geht die spiegel­Meta­ pher mit der zentralen Kategorie varietà einher; vom Bezug auf die Flächenhaftigkeit fehlt jede spur.1005 eine Bestätigung für die tragweite des Verwandelns für leonardo bietet ein Gedankenexperiment im paragone. in ihm tritt ein dichter als herausforderer eines Malers auf; der wettstreit dreht sich um die darstellung einer »schönheit«. der dichter, heißt es, könne auf seine weise die »Verwandlung der Formen« (»trasmutazione di forme«) herbeiführen, und doch überzeuge die leistung des Malers mehr.1006 Mit anderen worten: die verschiedenen ›Formen‹ der dargestellten, mit denen leonardo ganz nebenbei den wetteifer mit Ovid eröffnet, entsprachen seinem ideal der Malerei; sie lässt selbst die Möglichkeiten der dichtung und der rundansichtigen skulptur hinter sich. die quasi­mythologische inkarnation der Zeitgenössin als ›neue daphne‹ liebäugelt mit höfischen Geschmacksvorstellungen, wie sie durch Bernardo Bembos sohn pietro dokumentiert sind. nachdem pietro Bembo Gedichte von Marchetto cara erhalten hat­ te – sie kreisen um Venus und Amor –, beteuerte er 1502 in einem Brief an Francesco Gonzaga, dass ihm »[…] aber mehr noch eine darstellung von Venus und Mars nach eurem Bild gefallen« würde.1007 im sinne eines Gegenentwurfes zu leonardos Konzept vergleicht landino Ginevra mit der Königstochter phyllis (sie wurde in einen unbelaub­ ten Mandelbaum verwandelt); sie treibe (nach dem wiedersehen mit ihrem Geliebten) neue Blätter, während Ginevra, untröstlich, über Bembos Abschied weine (L, nr. 5, v. 6).

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leonardo, Libro di pittura, ii, 56, s. 171–172: »l’inGeGnO del pittore vol esser a similitudine dello specchio, il quale sempre si trasmuta nel colore di quella cosa ch’egli ha per obbietto, e di tante similitudine s’empie, quante sono che li sono contraposte. Adunque conoscendo tu pittore non poter essere bono se non sei universale maestro di contraffare con la tua arte tutte le qualità delle forme che produce la natura […]«; und ebenda, ii, 73, s. 181: »AlcUni si pÒ chiaramente dire che s’ingannano, i quali chiamono bono maestro quel pittore il quale solamente fa ben una testa o una figura.« Zum spiegel als Korrektiv des Malers ebenda, iii, 407–408; beeinflusst von Albertis nar­ ziss­passus ist jedoch, wenn leonardo sagt, ein Gemälde lasse sich – ebenso wie der spiegel – nicht mit den händen umgreifen: »[…] la pittura è impalpabile in quanto che quello che pare tondo e spiccato non si può circondare co’le mani, e lo specchio fa il simile«; ebenda, iV, 408, s. 302. diese Formulierung ist abhängig von der oben zitierten wendung Albertis: »mit Kunst jene Oberfläche des Quellteichs zu umarmen«. 1006 ebenda, i, 19, s. 144: »pongasi il poeta a figurare una bellezza […] col pittore; faccia a suo modo, come vole, trasmutazione di forme, che ’l pittore non satisfaccia più.« 1007 der Brief vom 2. september 1502 publiziert von cian, 1887, s. 81–136, s. 90: »Ma piu mhariano piacuti [sic] fusseno stati di Venere a Marte figurando la persona vostra vero simulacro desso […].«

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›Verso‹ und Vers: Verskunst auf Bildnisrückseiten »proelia versu« pseudo­Ovid, In Ibin, v. 45

wir müssen aus unseren Beobachtungen den eindruck gewinnen, dass das Begriffsfeld, das mit der Bildnisrückseite und deren perzeption im Quattrocento verbunden war, nicht unerheblich dafür gewesen sein kann, wie leonardo das spiel mit forme ästhetisch organisierte. »Verwandeln« heißt »versare«, das drehen und wenden der Bildseiten »ver­ tere«,1008 und leonardo selbst (wie auch andere Künstler im paragone) bezeichnete die Ansichtsseite eines Kunstwerkes mitunter als »verso«.1009 das heißt zudem aber auch: er verwendete einen Begriff, der recht eigentlich im Felde der poesie beheimatet war, denn »verso« stand in erster linie für den Vers des dichters. wurde hier im Quattrocento ein Zusammenhang gesehen oder konstruiert? Zunächst ist festzustellen, dass es auf Grund antiker Quellenaussagen nicht an Anreizen für Maler gefehlt haben kann, Verse auf Gemälden anzubringen. Allein plini­ us der Ältere führt im fünfunddreißigsten Buch der Naturalis historia sechs prominente, meist agonal aufgeladene Beispiele auf, in denen explizit der Begriff »versus« im Zusam­ menhang mit Malern fällt. Meist sind es Maler, die sich ihrer bedienen: der Maler Apollodoros verfasste einen Vers auf einen Kollegen, der besagt, Zeuxis habe diesem die Kunst entwendet und trage sie nun bei sich (62); Zeuxis habe unter das Bild eines wettkämpfers den Vers gesetzt, es sei leichter für jemand, herum­ zunörgeln als nachzuahmen (63); parrhasios legte sich einen Beinamen zu, in dem er sich als verwöhnten lebemann bezeichnete und in anderen Versen als Fürsten der Kunst, die er zur Vollendung gebracht habe (71); das lob von Apelles Aphrodite Anadyomene in griechischen Versen stellte das werk in den schatten und machte es noch berühmter (91); Apelles übertrifft mit dem Gemälde des reitenden Antigonos selbst die Verse homers über dieses Motiv (96); die plastiker und Maler damophilos und Gorgasos brachten in griechischer sprache Verse an, die mitteilen sollten, dass sich die werke des einen links, die des anderen rechts befanden (154).1010

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Über »vertere‹ und »versare« harri Meier, Die Entfaltung von lateinisch vertere/versare im Romanischen. Beiträge zur Geschichte einer etymologischen Großfamilie (Analecta romanica 47), Frankfurt a. M., 1981, s. 1ff. leonardo, Libro di pittura, i, 36, s. 159: »Ma in vero questo non aggionge fatica all’artefice, conside­ rando che lui, sì come ’l pittore, ha vera notizia de tutti li termini delle cose vedute per qualonche verso; […].« plinius, NH, XXXV, s. 52 (»in eum Apollodorus supra scriptus versum* fecit, artem ipsis ablatam Zeuxim ferre secum«), s. 54 (»adeoque in illo sibi placuit, ut versum* subscriberet celebrem ex illo […]«), s. 58 (»cognomina usurpavit habrodiaetum se appellando aliisque versibus* principem artis et eam ab se consummatam«), s. 70 (»versibus* Graecis tali opere, dum laudatur, victo«), s. 74

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in leonardos Libro di pittura existiert eine sequenz, in der er eine Annäherung zwischen dem Vorgehen des Malers und dem des Verskünstlers unternahm. Oft würden die poeten, lesen wir, beim Gedichteschreiben ihre Verse wieder durchstreichen. so solle auch der Maler fortwährend um Verbesserung bemüht sein.1011 in der Parte prima fällt, ohne wirklich etwas Abweichendes zu meinen, ein anderer Begriff: sentenzen. der dichter behaupte, dass er »schöne sentenzen« präsentiere, und der Maler antworte, es stehe ihm frei, das Gleiche zu tun, und in diesem punkt sei auch der Maler ein dichter (!).1012 dieser bemerkenswerte Gedanke speiste sich aus dichter­definitionen, wie sie der

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(»quibus vicisse homeri versus* videtur«), s. 110 (»versibus* inscriptis Graece«). Außerdem berichtet plinius von einem Gedicht über einen Malerwettstreit (58), von nützlichen Malern, die auf per­ gamente malten (69), über den Meister des tempels zu Ardea, ein Maler, der mit einem Gedicht beschenkt wurde, das sich auf dem Bild selbst befand (115). Freilich fanden diese sequenzen ihr echo in der Kunstheorie, so zum Beispiel bei Ghiberti, I commentarii, i, 8.4., s. 68–69: »et contro a Zeusis sse versi Apollodoro in questa sententia: – Zeusis seco porta l’arte da me tolta«; und zum Helena­Gemälde: »nelle quale piacque scrivere uno famoso verso in questa sententia: per questa pictura credo essere qualche maestro invidiante più tosto che seguitante.« leonardo, Libro di pittura, ii, 189, s. 222: »Or non hai tu mai considerato li poeti componitori de’ lor versi, alli quali non dà noia il fare bella lettera, né si cura di canzellare alcuni d’essi versi, rifacen­ doli migliori?« im paragone macht er Äußerungen zum Versmaß (»misura ne’ versi«); ebenda, i, 25, s. 149. der Vergleich zwischen dem Verseschmied und dem Maler und Bildhauer auch in pontano, Actius, s. 412 (Üs: hermann Kiefer): »nolim tamen intelligatur ars mea antequam lectorem mei carminis in admirationem eius traxerim; at postquam factus est illius admirator vel introspiciat ipse consilia, laudet, commendet, extollat quaecumque etiam lineamenta. Quis statuarius, fusor, pictor vult se videri dum inumbrat, dum colores primos linit, dum primas illas quasi lituras effigiat? post vero consummatum opus exponit illud et ambit publice laudari praeponique ob adhibitum studium coeteris artificibus omnibus.« (doch möchte ich nicht, daß meine Kunst eingesehen werde, bevor ich den leser meines Gedichtes zur Bewunderung gebracht habe; nachdem er jedoch ein Bewunde­ rer des Gedichtes geworden ist, soll er auch in die pläne einblick haben, sie loben, preisen und auch alle linien darin verherrlichen. welcher Bildhauer, erzgießer und Maler möchte gesehen werden, solange er den entwurf macht, die ersten Farben mischt und sich gleichsam die ersten Verbesserun­ gen ausdenkt? nach der Vollendung aber stellt er sein werk aus und wirbt darum, öffentlich gelobt und wegen seines angewandten eifers allen anderen Künstlern vorgezogen zu werden). im cinquecento lassen die Konfrontationen nicht nach; s. zum Beispiel raffaelo Borghini, Il Riposo, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 346f.: »[…] che veramente pochi son oggi, che scrivano secondo le regole di poesia, […] pensandosi che solamente il nascer versificatore a scriver bene sia bastevole, sicome si danno ad intendere molti pittori che il fare le figure ben composte di membra e di bei colori sia a bastanza […], se ben non hanno avuto considerazione al luogo dove dipingono […].« leonardo, Libro di pittura, i, 25, s. 149: »dice ’l poeta de descrive una cosa, che ne rapresenta un’altra piena di belle sentenze. il pittore dice avere in arbitrio di fare il medesimo, e in questa parte anch’egli è poeta.« Man vergleiche die horazische Vorstellung von der Funktion des Gedichtes: es verkünde sprichworte und wegweisenden lebensrat; s. horaz, Ars poetica, vv. 403–404, s. 568: »[…] dictae per carmina sortes / et vitae monstrata via […]«; zur rolle von sentenzen huizinga, [1919] 1987, s. 271f.

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humanist und staatssekretär von Florenz leonardo Bruni 1436 in seiner dante­Biografie zum Besten gab; zehn Jahre später lag die editio princeps vor: »wer werke in Versen [opere in versi] entwirft und bestens und höchst exzellent im Zusammenstellen [nel com­ porre] solcher werke ist, den nennt man ›poet‹«;1013 und: »das wort ›poet‹ bedeutet, exzellenter und bewun­ dernswerter stil in Versen […]« (»il nome poeta sig­ nifica eccellente ed ammirabile stile in versi, […]«).1014 Als der Florentiner dichter Bernardo Bellincioni lorenzo il Magnifico mit einem sonett in das wesen der Verskunst unterwies, gab er seine Überzeugung preis, dass der dichter die Verse mit der Feder gleich­ sam male.1015 diese Aussagen im Ganzen genommen machen es wahrscheinlich, was leonardo im Motto der Ginevra­tafel primär gesehen haben muss, na­ mentlich: einen Vers, mit dem er willentlich in Kon­ 126 Jacometto Veneziano, rückseite von: Bildnis einer Frau, ca. 1480/1490, philadel­ kurrenz zu den poeten trat, so sehr er sich mit dem phia, philadelphia Museum of Art rückwärtigen Zierat zugleich in der tradition der (Münz­ oder) Medaillenkunst wähnen durfte. eine reihe italienischer Maler sind leonardo gefolgt, unter ihnen jener Maler, der Gedicht­ zeilen des herolds di Meglio zitiert (sc. Agnolo di domenico del Mazziere) (Abb. 124b) und Jacometto, der, wie erwähnt, eine Bildnisrückseite mit einem horaz­Vers versah (Abb. 107); eine weitere (Abb. 126) trägt eine lateinische sentenz, die besagt: »sättige die seele mit Genüssen, nach dem tode gibt es keine wonnen mehr«; Genüsse (»delizie«) 1013

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Bruni, Vita di Dante, s. 48f.: »chi compone opere in versi, ed è sommo ed eccellentissimo nel com­ porre tali opere, si chiama poeta.« Zum größeren Kontext Lyriktheorie(n) der italienischen Renaissance (pluralisierung und Autorität 30), hrsg. v. Bernhard huss et alt., Berlin und Boston, 2012, s. 1ff. ebenda. Bellincioni, Rime, sonett 47, Bd. ii, s. 53: »A lOrenZO de Medici MOstrAndO l Arte dellA riMA, e QUellO che BisOGnA A dir Bene in Versi«: »natura per sè fa il verso* gentile, 1 studio le rime, e ricche le ’nvenzioni: Vere scienzie solvon le quistioni, e il dilettarsi poi fa dolce stile; […] chi pensa il vero e poi compone il verso*, 12 eterno con la penna si dipigne, e poi morendo ha più reputazione.« in einem weiteren Gedicht (ebenda, nr. 139, s. 192) klagt Bellicioni über flausenhafte sonette ohne tiefgang, mit denen selbst Fassaden von Gasthäusern bemalt seien.

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übrigens sind es, die der Maler laut leonardo besser als der dichter darstellen könne.1016 dass es in italien nicht an frühen Versuchen mangelte, es mit den Verskünstlern aufzu­ nehmen, zeigt, enthalten in Franco sacchettis Trecentonovelle, ein heftiger, nach dem tenor »schuster bleib bei deinem leisten« verlaufender streit, der zwischen dante und einem Florentiner schmied entbrennt. Am Amboss stehend, trällert dieser allzu frei dantes Verse.1017 Angesichts von Künstlern, die sich in das Feld des anderen, von Malern nämlich wagen, bestand Gregorio correr in seinem Liber satyrarum so früh wie 1431 mahnend darauf, dass die dichtkunst allerdings doch »einen ihr gemäßen Künstler« erfordere, für den Metrik kein leeres wort sei.1018 ein vollendetes pferd von donatello und Verse über dieses denkmal schließlich verleiteten pomponio Gaurico zur paragone­ Frage, nicht ohne sich an eine wurzel der diskussion in der Olymischen Rede des dion von prusa zu erinnern.1019 1016

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leonardo, Libro di pittura, i, 25, s. 150. Auf Jacomettos Bildnis heißt es: »V llll F / delitiis AniMVM / eXple / pOst MOrteM nVllA VOlUp/tAs«; es handelt sich um das Bildnis einer Frau (philadelphia, philadelphia Museum of Art, John G. Johnson collection); dülberg, 1990, Kat.­nr. 167, Abb. 119–120 und Virtue and Beauty, 2001, s. 161.; und dülberg, 1990, Kat.­ nr. 168, Kat.­nr. 167, Kat.­nr. 171. eines der frühesten Bildnisse, mit wahlsprüchen auf der rück­ seite, ist rogier van der weydens (werkstatt) gegen 1436 gemaltes Porträt eines Mannes (london, courtauld institute); zuletzt in Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden, 2008, Kat.­nr. 41, Abb. 197; ein weiteres frühes exemplar in dülberg, 1990, Kat.­nr. 156, Abb. 93–94); hilfreich zur Vergegenwärtigung der tradition Arwed Arnulf, Versus ad picturas. Studien zur Titulusdichtung als Quellengattung der Kunstgeschichte von der Antike bis zum Hochmittelalter, Berlin, 1997. sacchetti, Trecentonovelle, nr. 114. der pikierte dante schleudert die werkzeuge des schmiedes – hammer, Zange, waage – auf die straße, woraufhin der empörte schmied klagt, dass der dichter seine werkzeuge ruiniere. dante entgegnet, dass der schmied Gleiches mit seinem handwerk tue. die episode ist m. e. abhängig von horaz, Epistolae, ii, 1, vv. 114–115, s. 508: »[…] tractant fab­ rilia fabri: / scribimus indocti doctique poemata passim.« diesen Vers zitiert Bernardo Bembo in seinem Zibaldone, fol. 53r zum stichwort »ArtiFeX«. sacchettis Buch befand sich in leonardos Besitz, auch in dem von Verrocchio; dazu Kemp, 1981, s. 156 und Butterfield, 1997, s. 6. der kata­ chrestische Gebrauch für das Verseschmieden wurde mitunter begünstigt durch horaz, Epistolae, ii, 2, v. 92, s. 528, der angesichts einer Gedichtschöpfung von den »meißelnden neun Musen (»cae­ latumque novem Musis«) sprach, in der Ars poetica von der Feile des dichters (v. 291) und vom dichter als wetzstein, der zwar nicht selbst schneiden könne, aber für das schärfen von eisen sorge (vv. 304–305). laut horaz übertreffen die siegesverse pindars in der wertigkeit mehr als hundert statuen; horaz, Carmina, iV, 2, vv. 1–24, vv. 19–20, s. 176: »dicit et centum potiore signis / mune­ re donat; […]«; landino kannte diese sequenz; s. landino, Comento, Bd. i, s. 253: »È ne’ versi lyrici per comune consenso di tutti supremo pyndaro, […]«; vgl. Quintilian, Institutio oratoria, X, 1, 61. ein Bildhauer, ein Meister nicolaus, versah das Zobiakusportal der sagra di san Michele um 1130 mit der inschrift: »VOs leGite VersVs QVOs descripsit nichOlAVs«; s. poeschke, 1998, s. 84. siehe App. iii/B, nr. 3. es geht um die Frage der größeren lebendigkeit Gaurico, De sculptura, cap. 1, s. 67: »Amabo vos, nunquid viuaciorem intelligetis ipsum donatelli equum, Quo nihil quidem perfectius esse volunt

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Als leonardo im zweiten Buch seines Libro di pittura seine Vorbehalte gegenüber dichtwerken mit der Begründung äußert (i, 23), dass der so eingeforderte leseakt »ver­ so per verso« verlaufe,1020 sind seine eigenen erfahrungen, die nach seinem Ginevra­por­ trät zur raschen Abkehr von der sukzessiven erzählweise führten, nachvollziehbar: der Maler kann, sofern es ihm beliebt, wie ein dichter verfahren, zumal die Buchstaben, die man zwar nicht anbete (i, 26), als eine »Art Zeichnen« integraler Bestandteil der Malerei seien (i, 33). Aber nur das porträt – es überwältigt ad hoc – vermag durch den Appell an den vornehmsten sinn, den Gesichtssinn (i, 23), den Betrachter heftig mit Gefühlen zu affizieren (i, 25). die wirkung der worte kann nicht schritthalten. die reihe, in die sich leonardo mit seiner Ginevra einst stellte, liegt auf der hand: der dichter blättert zur nächsten Buchseite, der Medailleur hat das revers seiner Medaille, der Maler verfügt über zwei Bildseiten. Aber leonardo brachte nach der ›Zäsur‹ (der ersten seite) mit imi­ tiertem Marmor ein weiteres Medium ins spiel. was soll uns zweifeln lassen, dass mit der Verdoppelung der Ansichtsseiten nicht auch gerade die Konkurrenz mit den versi – den Ansichtsseiten – der skulptur eröffnet wird?1021

5.3. leonardos ›Ginevra‹, pietro tomàis ›iuniper‹ und die ars memorativa im paragone »habens colores pro pictore.« Giovanni Fontana, Secretum de thesauro, s. 153

eine these steht am Anfang: wissentlich oder nicht, leonardo machte sich mit seinem auratisch ewigen Gemälde die typischen Mittel, die leitfäden und die Grundannahmen einer erprobten ars zunutze. diese ars, altbewährt, fundierte zudem seine position zur eternità im paragone, denn die Grundlage für das Fortdauern im Gedächtnis liegt in einem rein geistigen prozess, den Maler sehr wohl hinsichtlich der perzeption ihrer wer­ ke in ihre dienste nehmen konnten. die Bildhauer hingegen verließen sich auf die halt­ barkeit ihrer werkstoffe. es handelt sich um das aktive erinnern auf der Grundlage des künstlichen Gedächtnisses. das Verfahren, das dem zugrunde liegt, ist ein regelsystem,

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An hunc qui conterranei mei versibus sis exprimitur?« es folgt das Gedicht von statius, Silvae, i, 1, vv. 46–51. Vgl. auch comanini, Il Figino [1591], Scritti d’arte, 1971–1977, s. 390 in bezug auf eine darstellung von Flora und Vertumnus: »[…] poeti che l’hanno imitata col verso, e da altri pittori che l’hanno dipinta; […].« leonardo, Libro di pittura, ii, 49, s. 169. nur eine Auswahl von Belegen sei genannt; ebenda, i, 26, s. 150: »O tu, poeta, che ti fai ancora tu imitatore, perché non rapresenti tu con le tue parole cose che le lettere tue contentrici d’esse parole ancora loro sieno adorate?«; und i, 33, s. 157: »[…] tutte l’arti che passano per le mani delli scrittori, la quale è spezie di disegno, membro della pittura.« Zu leonardos ideal der simultaneität Fehren­ bach, 2002, s. 169ff.

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das sich aus einer raffinierten Kombinatorik von Orten (loci) und Bildern (imagines) konstituiert. es ist die in der Antike durch die Rhetorica ad Herennium und Quintilian in schwung gekommenene, nie obsolet gewordene ars memorativa. Yates hat ihr eine bedeutende Abhandlung gewidmet.1022 in leonardos Ginevra­tafel stoßen wir auf Anzeichen ihres Gebrauchs, indem sie einige Kernelemente der Mnemonik auf sich ver­ eint: erstens die Konnotationen von »FOrMA« – forma zählte neben nota und simulacra zu den synonymbegriffen für die imagines, d. h. für jene zeichenhaften Gedächtnisbilder, kraft derer das erinnern an Gegenstände stattfindet,1023 zweitens die explizit genannte tugend. listen von tugenden und lastern als ›Gedächtnis­Zeichen‹ illustrieren land­ läufig die Ars memorativa­traktate, so beispielsweise das Buch des in Bologna wirkenden Boncompagno da signa aus dem dugento.1024 drittens entbehrt der wacholder selbst nicht des potentials für das Memorieren, denn Bäume, nicht minder Kränze erfreuten sich als Memorialschema einer außerordentlichen popularität. Man denke an die 1435 zu papier gebrachte Memoria artificiale des Florentiners Michele di nofri del Giogante, der, nebenbei bemerkt, als einer der teilnehmer in Albertis Certame coronario in erschei­ nung trat.1025 schließlich ist viertens möglicherweise die zweiseitige Bildbemalung, wie wir sehen werden, ihrerseits im Kontext von bewährten Memorierungstechniken ver­ ankert.

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Yates, [1966] 31994; Rhetorica ad Herennium, iii, 16, 29ff. und Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 2, 1ff. Vgl. Rhetorica ad Herennium, iii, 16, 29, s. 166: »imagines sunt formae quaedam et notae et simula­ cra eius rei, quam meminisse volumus; […].« Vgl. dolce, Dialogo […] del modo, fol. 42v: »idea, sec­ ondo santo Agostino, possiamo latinamente dire o forma, o spetie: percioche ella si deriva da (eidos) voce Greca, che spetie & forma di nota.« sie hatten nach Boncompagnos traktat (von 1223) die Funktion von wegweisern; Boncompagno, Rhetorica novissima, s. 251f.; dazu Yates, [1966] 31994, s. 59ff.; vgl. auch ebenda, s. 87 über Matteo de’ corsinis ethiktraktat Rosario della vita (1373), der listen aus tugenden und lastern mit Axio­ mata enthielt. der lorbeerkranz zum Memorieren in del Giogante, Memoria artificiale, s. 345: »Un alloro inghil­ lardato«; näheres zu dieser handschrift (Ms. ricc. 1159) bei dale Kent, »Michele del Giogante’s house of Memory«, in: Society and Individual in Renaissance Florence, hrsg. v. william J. connell, Berkeley, 2002, s. 110–138. in Matteo de’ corsinis Rosario della vita von 1373 rangieren Bäume auf Feldern unter den natürlichen Gedächtnisorten; s. Yates, [1966] 1994, s. 162ff.; eine Grundlage des arbor bona und arbor mala bot Mt, 7, 15–20. Zum Baum als Memorialschema, für das auch Bona­ venturas Lignum vitae ein Beispiel ist, wenzel, 1995, s. 85ff.; die holzschnitt­illustration eines homiletischen werkes von 1490, Geiler von Kaysersbergs Ein heylsame lere und predig, straßburg: peter Attendorn, 1490, fol. 1v, zeigt einen dozierenden unter einem mnemonischen Baum; um die Baumkrone sind die Buchstaben des Alphabets arrangiert; vgl. wenzel, 1995, s. 87, Abb. 12. Über Bilder, die wie mit Kränzen ausgeschmückt werden sollten, Rhetorica ad Herennium, iii, 22, 37, s. 176–177: »[…] aliquid agentes imagines ponemus; si egregiam pulcritudinem […] eis adtribue­ mus; si aliquas exornabimus, ut si coronis aut veste purpurea, quo nobis notatior sit similitudo.«

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

Als Grundvoraussetzung, die legitimiert, leonardo überhaupt mit der ars memorativa in Verbindung zu bringen, sind folgende Fakten zu erwähnen: leonardo besaß mit der Rhetorica ad Herennium, die ihm in Form der anonymen Volgare­Übersetzung Della memoria locale zur Verfügung stand, das antike hauptwerk über praktikable regeln der Gedächtniskunst.1026 die memoria beschäftigt leonardo in seinem Libro di pittura. Und ein frühneuzeitliches Ars memorativa­traktat zumal, 1491 in Venedig gedruckt, weist so frappierende Berührungspunkte mit leonardos Ginevra wie auch mit Bernardo Bembo auf, dass es lohnend ist, dieses eingehender zu betrachten. die rede ist von dem in der wirkung weitreichendsten Mnemonik­traktat des Quattrocento, pietro tomàis Fœnix. das opusculum fand seine Verbreitung im Anschluss an so fundamentale editorische Großtaten in der lagunenstadt wie die erstausgabe der Rhetorica ad Herennium (1470) und die erste publizierte Monografie über die ars memorativa überhaupt, Felicis artis memoriae modus.1027 die konzise subsumtion angestammter antiker und mittelalterli­ cher Gedächtnislehren – unter den angebotenen imagines fehlen weder der Baum (»arbo­ rem in loco ponam«) noch der Kranz (»corona«) –1028 verdankt sich einem Mann, über den heute dürftige Kenntnisse herrschen, obgleich er einst vielerorts von hochrangigen persönlichkeiten konsultiert wurde: pietro tomài alias petrus von ravenna (petrus ravennatis) (ca. 1448–1508).1029 Als student an der Universität von padua ein Kom­ militone Bernardo Bembos – der name eines gemeinsamen lehrers fällt im Fœnix –,1030

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so wörtlich der titel auf der liste von leonardo, Codex Madrid II, fol. 2v; vgl. s. 102–103; zu der seit dem trecento kursierenden italienischen Übersetzung Yates, [1966] 1994, s. 86. die Abhandlung Felicis artis memoriae modus erschien 1482 als Appendix von Jacopo publicos Brief­ lehre Oratoriae artis epitome (1482 und 1485, Venedig). Folgende frühe handschriften zur ars memorativa wären zu nennen: von 1432 (überliefert im Ms. Marc. lat. cl. iX, nr. 24, fols. 54v–57r) die fünfzehn mnemonischen regeln des leonardo Giustinian, Regulae artificialis memoriae, s. 121– 127; Jacopo ragone, Artificialis memoriae regulae von 1434 mit der widmung an Francesco Gonza­ ga (Bl, Additional 10, 438 und BM, Ms. Vi, 274, fols. 15–34, fols. 53–66); Michele di nofri del Giogante, Memoria artificiale, s. 340–354; über die rolle der imagines petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 8 (»della memoria«), Bd. i, s. 73–76, s. 75. der Baum erwähnt in tomài, Fœnix, fol. 8, der Kranz auf fol. 7. Über tomài Yates, [1966] 1994, s. 107–109, 112, 118, 228, 230, 239, 252, 254. tomài stand im Kontakt zum dogen Agostino Barbarigo, zum herzog von pommern, zum Kurfürsten Friedrich iii. von sachsen und, wenn auch nur aufgrund einer verschmähten einladung seitens tomàis ver­ bürgt, zum König von dänemark; dazu pietro rossi, »la memoria, le immagini, l’enciclopedia«, in: La Memoria del Sapere. Forme di conservazione e strutture organizzative dall’antichità a oggi, hrsg. v. pietro rossi, roma und Bari, 1990, s. 211–237, s. 214ff. zur wirkungsgeschichte des Fœnix­trakta­ tes; es fand 1496 Aufnahme in Gregor reischs Margarita philosophia (lib. iii, tract. ii, cap. 23); s. Yates, [1966] 1994, s. 107f., Anm. 19; demnach erschien das werk 1492 in Bologna, 1506 und 1608 in Köln, 1526 und 1533 erneut in Venedig, 1541 und 1600 in wien, 1600 in Vicenza. tomài, Fœnix, fol. 8: »excellentissimum omnium aetatis nostrae Medicum Magistrum Gerardum Veronensem posui«. Gerardo aus Verona war einer der examensprofessoren von Bembo in padua;

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wurde pietro tomài ebenso wie Bembo ein Jurist und, nach Bekunden seines namens­ vetters tomaso tomài in der Historia di Ravenna, ein bedeutender,1031 der als rechts­ dozent in Bologna, Ferrara, pavia, später an der Universität von wittenberg wirkte. dass Bernardo Bembo, der »gentil’huomo Veneziano di singolari virtù«, in eben dieser raven­ natischen stadtgeschichte, die von 1580 stammt, seinerseits eine würdigung erfuhr, soll nicht unerwähnt bleiben. natürlich fanden die Verdienste, die Bembo um dantes Memoria aufwies, Aufmerksamkeit.1032 inwiefern sich Bembo bei der inangriffnahme dieses projektes in die ars memorativa vertiefte und welche rolle pietro tomài als Mann aus ravenna in diesem Zusammenhang spielte, entzieht sich der Überprüfung. Von egi­ dio da Viterbo über lodovico dolce bis zum philosophen Giordano Bruno herrscht hin­ gegen einigkeit über den exquisiten rang pietro tomàis als Mnemonik­lehrer. die Historia di Ravenna feiert ihn als »ma[e]stro della memoria«. wortreich wird versichert, er habe sich in dieser als so kundig erwiesen, »dass kein ihm ebenbürtiger zu finden war, weil er, wenn man in seiner Gegenwart ein Buch las, das er noch nie gehört noch gesehen hatte, es am ende der lektüre aus dem Gedächtnis heraus, ohne in einem wort zu irren, rezitiert hat.«1033 ein teil der durchschlagskraft von tomàis Fœnix bestand in der Aufstellung ebenso prägnanter wie obendrein praktikabler regeln für den Memorierenden. Unter ihnen verdient die dritte direktive besondere Beachtung. in der Rhetorica ad Herennium wohl­

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dazu, s. den eintrag für den 25. Oktober 1455 im Ms. Marc. lat. ii 55 (= 2922), fol. 34v, zitiert in Giannetto, 1985, s. 95, Anm. 41. tomài, Historia di Ravenna, iV, cap. 3, fols. 177v–178r: »nelle leggi fù molto famoso al suo tempo pietro tomai, qual legge oltre à molti studi d’italia, publicamente longo tempo in padoa, & scrisse alcune opera sopra le leggi canonoche, & era tanto potente, particolarmente della memoria, che non trovava eguale à lui, perche, se si leggeva alla sua presenza un libro, che gia mai havesse più udito, ne veduto, finito di leggerlo, lo recitava alla mente, senza errarne parola, onde perchiò, & per molte altra prove fatte da lui alla presenza d’infiniti principi, & altri gran signori, meritò da tutti essere chiamato, il ma[e]stro della memoria, & per tale l’adimanda lancilotto Giurisconsulto in una sua epistola scritta al detto pietro, il quale frà molte opere scritte da lui, compose un’operetta chiamata la Fenice, ove insegna artificiosamente il modo che si deve osservare à far buona memoria. egli fù molto amato da Masimigliano imperatore, in servigio del quale morì nella città di collonia, lasci­ ando Vicenzo suo figliuolo, dell’una, e l’altra legge dottore, & huomo molto dotto in altre scienze, qual mancò in roma […].« – nach der Storia di Ravenna starb tomài in Köln in den diensten Kaiser Maximilians 1519 (im gleichen Jahr wie Bernardo Bembo); nach anderen stimmen soll tomài die stadt Köln vor seiner definitiven rückkehr nach italien, kurz vor seinem tod, passiert haben; vgl. rossi, 1990, s. 215. die Zitierung sämtlicher Grabinschriften füllt ein ganzes Kapitel von tomài, Historia di Ravenna, fols. 35r–41r, besonders fol. 36v: »honorata sepultura di marmo fino, vicino alla chiesa di santo Francesco. […] Bernardo Bembo gentil’huomo Venetiano, huomo di singolari virtù, gli ne fece un‘ arto, che dice in questa forma. exigua tumuli dantes […].« siehe oben; die Aussagen sind abhängig von einem Gedicht egidio da Viterbos auf pietro tomai (BM, Ms. lat. 274, class. Vi, fol. 84v).

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

bewandert, empfiehlt tomài die goldene regel, reale Menschen aus dem direkten Umfeld für die Mnemonik dienstbar zu machen. dem leser wurde bedeutet, lebendige Bilder (»imagines vivas«) anstelle von Buchstaben des Alphabetes zu setzen, beispiels­ weise einen Vertrauten namens Antonius für »A« oder einen Benedikt für »B«. so gelän­ ge es, sich einer sache optimal zu erinnern.1034 tomài selbst kaprizierte sich dabei, nicht frei von nostalgischen Beimischungen, auf eine Flamme aus seiner Jugendzeit, nament­ lich ›iuniper‹ aus pistoia. ihre betörende schönheit war es, die sich ihm nachhaltig ins Gedächtnis grub. Mit anderen worten: sie hieß Ginevra: »Und ich nehme gewöhnlich für Buchstaben besonders schöne Mädchen [formosissi­ mas puellas]: Jene nämlich ermuntern mein Gedächtnis sehr, und sehr häufig habe ich mir, als ich jung war, die liebste Ginevra aus pistoia an Orte gesetzt. Und glaube mir, wenn ich als Bilder besonders schöne Mädchen setzen werde, dass ich um so leichter und schöner diejenigen rezitieren kann, die ich Orten anvertraut habe. habe also im künstlichen Gedächtnis einen sehr nützlichen geheimen Ort! lange habe ich dies aus scham verschwiegen. wenn ich begierig bin, mich schnell zu erinnern, rufe ich die sehr schönen Jungfrauen auf. das Gedächtnis wird nämlich durch die Anord­ nung der Mädchen wunderbar stimuliert, und wer [sie] sieht, hat das Zeugnis völlig in sich aufgesogen. diese nützliche weisung wird andererseits nicht durch jene genutzt werden können, die Frauen hassen und verdammen. einem solchen ist indes­ sen der Gewinn dieser Kunst schwieriger zu erreichen. Gleichwohl mögen mir sehr religiöse und keusche Männer verzeihen. ich habe nämlich die pflicht, nicht eine weisung zu verschweigen, die mir in dieser Kunst zu ehre und lob verholfen hat.«1035 »Formosissimas puellas« – tatsächlich gilt als die wirkungsvolle Konsolidierung der Mnemonik spätestens seit der Rhetorica ad Herennium der rekurs auf eine »herausragen­

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tomài, Fœnix, fol. 8: »tertia est aurea conclusio, quia pro literis alphabeti homines habeo, & sic imagines vivas: pro litera enim a Antonium habeo: pro litera b Benedictum: & sic personas in qua­ rum nominibus prima litera est illa quam colloca revolo: […]«; vgl. Rhetorica ad Herennium, iii, 17, 30; vgl. Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 30; Michele di nofri del Giogante, Memoria artificiale, s. 350–351 nennt dieses Figurieren anstelle von Buchstaben »fighura significativa«; zu den bei Quintilian nicht vertretenen »agentes imagines« Rhetorica ad Herennium, iii, 22, 37. tomài, Fœnix, fol. 9: »[…] et ego communiter pro literis formosissimas puellas pono: illae enim multum memoriam meam excitant & frequentissime in locis iuniperam pistoriensem mihi charis­ simam dum essem iunvenis collocavi. & mihi crede si pro imaginibus pulcherrimas puellas posuero, facilius & pulchrius recito quae locis mandavi. secretum ergo habe utilissimum in artificiosa memo­ ria quod diu tacui ex pudore: si citò meminisse cupis virgines pulcherrimas colloca: memoria enim collocatione puellarum mirabiliter commovetur, & qui vidit testimonium perbibuit: hoc autem utile praeceptum prodesse non poterit illis qui mulieres odiunt & contemnunt: sed isti artis huius fructum difficilius consequentur. Veniam tamen mihi dabunt viri religiosissimi & castissimi: prae­ ceptum enim quod in hac arte mihi honorem & laudem attulit tacere non debui […].«

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de schönheit« (»egregiam pulchritudinem«), neben anderem Ungewöhnlichen, Bedeu­ tenden oder Unglaublichen ein außerordentlicher Anreiz für die Affekte, und in der Bildform als agentes imagines war die schönheit geeignet, um im Gedächtnis »etwas in Bewegung zu bringen«. diese Qualität unterscheidet die agentes imagines – der Rhetorica ad Herennium zufolge – von »stummen« (!) Bildern.1036 Aber das Gesehene, so ist seit Quintilian häufig vernehmbar, bleibe besser haften als das Gehörte, so schärfte es auch petrarca seinen lesern ein, darin wiederum einer der Vorboten von leonardo.1037 dieser kündet im paragone, als stehe er unter dem eindruck mnemonischer lehren, dass das imaginierte nicht außerhalb des senso comune existiere, »es sei denn, es dringe in das Gedächtnis [memoria] ein, und dort bleibe es stehen und vergeht, wenn die vorgestellte sache nicht von großer Vortrefflichkeit ist«.1038 namen zählten zu den konventionellsten hilfsmitteln zur Kanalisierung der erinnerung. tomài befleißigte sich indes des Grund­ 1036

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Rhetorica ad Herennium, iii, 22, 37, s. 176/177: »[…]; si non mutas nec vagas, sed aliquid agentes imagines ponemus«; vgl. iii, 21, 35, s. 174; vgl. dolce, Dialogo […] del modo, fols. 47r–47v: »havrai dunque per regola, che la imagine sia maravigliosa, dilettevole, ridicolosa, o crudele, di rara qualità, e timida: maravigliosa, cioè di gesto atroce e crudele, di volto, che rappresenti aspetto di chi stupisce, e ripiena di tristezza; o altrimenti, comunque vuoi, singolare: in guisa, che la natura non si conced­ erà di verne, vergognoso e temperato Virgilio: crudele nerone, […]: le imagini de’quali potremo formar della qualità di quelle, che veduto habbiamo.« die vorbildgebenden Forderungen von Quin­ tilian, Institutio oratoria, Xi, 2, 22, Bd. ii, s. 594 sind: lebhaft (»agentibus«), einprägsam (»acribus«) und auffallend (»insignitis«). Vgl. auch senecas Auffassung von Bildnissen als »incitamenta animo­ rum«, 1397 übernommen von Vergerio, Epistolario, nr. 81, Bd. i, s. 196; zur Aufmerksamkeitserre­ gung der ars memorativa durch Köder der neugier peter von Moos, Rhetorik, Kommunikation und Medialität. Gesammelte Studien zum Mittelalter (Geschichte, Forschung und wissenschaft 15), Ber­ lin, 2006, s. 269. petrarca/Giovanni da san Miniato, De rimedii, i, cap. 30 (»de’ varii giuochi«), Bd. i, s. 157: »niuna cosa più fortemente si ficca nella mente che quella che entra per lo vedere. Agevolmente le cose udite volano via, ma le imagine delle cose vedute si stanno più nella mente […].« Vgl. dante, Paradiso, XXVii, v. 92, Bd. iii, s. 324: »da pigliar occhi, per aver la mente«; vgl. Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 3, 67. »Ma la immaginazione non esce fuori d’esso senso comune, se non in quanto essa va alla memoria, e lì si ferma e lì muore, se la cosa immaginata non è de molta eccellenzia.« leonardo, Libro di pittura, i, 15, s. 139; im Gegensatz zur oben dargelegten sicht hält Farago, 1999, s. 199, Anm. 50 memoria an dieser stelle für einen der Optik entlehnten terminus. – es gab Argumente für leonardo zur Bemühung der memoria: Zur Fundierung des geistigen Anstrichs des Malens und Bildhauerns wur­ de im Quattrocento nicht selten der Zusammenhang zwischen dem zuerst im Geiste imaginierten und dann realisierten Kunstwerk beteuert, beispielsweise bei landino und collenuccio; landino, Disputationes Camaldulenses, i, s. 39: »neque enim aut pictor aut sculptor opus recte conficient, nisi et artem prius optime norint et iis instrumentis abundent, quibus opus iam mente conceptum com­ mode absolvere possint […].« Gegen 1490 schrieb pandolfo collenuccio, Filotimo, s. 71: »›BERRETTA‹: ›[…] sí come il pittore e il scultore fanno le imagini e le statue simili a quelle che prima ne la mente avevano concepute, e l’omo savio fa le opere simili a li savi pensieri che prima ne l’intelletto ha avuto‹.« dazu – mit anderen Quellen – noch immer ein Gewinn warnke, 1987, s. 55–61.

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127 Memorialschema für Namen, aus: lodovico dolce, Dialogo nel quale si ragiona de modo di accescere et conservar la memoria, Venedig: enea de Alaris, 1562, fol. 61r

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prinzips der Bilderalphabete, die infolge von Boncompagnos »imaginärem Alphabet« im 15. Jahrhundert, beispielsweise in Fontanas Buch Secretum de thesauro, in Form von aus­ schmückenden Beschreibungen kursierten.1039 sie hallen noch nach in späteren Bildversionen – wie 1562 in lodovico dolces Dialogo nel quale si ragiona del modo di accrescere et conservar la memoria. in diesem opusculum be­ steht das Bild­repertoire, beispielsweise, um den namen »laura« in sicheren Gewahrsam zu nehmen (Abb. 127), aus Zahlen und Zei­ chen, mitunter einem ewigkeitssymbol: dem Bild einer sich ringelnden schlange. sie beißt in einen Kranz oder einen ring, eben­ falls eine populäre imago.1040 die erwähnte rückseitenbemalung, die der Venezianer Jacometto (Abb. 5) hervorbrachte, entbehrt nicht minder der Allusionen an die Mnemo­ nik. die am rande profilierte Bronzeplaket­ te, an der die Kette des rehbocks befestigt ist, erinnert mit den eingeprägten Buchsta­ ben (»Ai ei«) – trotz ihrer simulierten Kon­ sistenz aus Metall und nicht aus wachs – in hohem Maße an einen siegelabdruck. infolge einer sequenz aus platons erkenntnistheo­ retischem dialog Theaitetos, die in der ars

Boncompagno, Rhetorica novissima, s. 270: »de alphabeto imaginario«; dazu Yates, [1966] 1994, s. 111ff.; Fontana, De secretum de thesauro, fol. 84r, s. 153: »exemplum est ut, si de patre meo, Michaele nominato, velim memorari, propiam eius statuam ymaginem in loco quodam bene michi noto aliquod agentem […]«; vgl. das assoziationsorientierte Konzept auch von Augustinus, Confessiones, X, 19, 28, s. 532–533: »tamquam si homo sive conspiciatur oculis sive cogitetur et nomen eius requiramus, quidquid aliud occurrerit non conectitur, quia non cum illo cogitari consuevit ideoque respuitur, donec illud adsit, ubi simul adsuefacta notitia non inaequiescat. et unde adest nisi ex ipsa memoria?« die Berufung auf Augustinus und petrarca als Autoritäten im ›proemium‹ von tomài, Fœnix, fol. 4. 1040 der ring als imago Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 2, 4; Aristoteles, De memoria et reminiscentia, 450b 1­10. schemen zum Memorieren bestimmter Vornamen dolce, Dialogo […] del modo, fols. 61r und fols. 62r–v. Zur schlange als sinnbild der ewigkeit – bereits auf dem revers der Medaille des Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici – wind, [1958] 1987, s. 307f., Abb. 21.

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memorandi nie in Vergessenheit geriet, avan­ cierte der siegelabdruck zur Metapher schlechthin für erinnerungsspuren, die bes­ tens ins Gedächtnis eingeprägt werden. so früh wie in Boncompagnos lehrbuch wurden die siegel beachtenswerterweise in einem Abschnitt präsentiert, der den titel trägt: »Von den Übertragungen, die für Gemälde oder skulpturen gemacht werden.«1041 dass der Jurist und redner Bernardo Bem­ bo, ob nun beflügelt von lodovico da pira­ nos dozentur in padua oder nicht, die ars memorativa ›tomàischer prägung‹ beherrscht haben muss – 1042 wie übrigens auch pietro 128 Leda mit dem Schwan, ca. 1480 (?), Anfangs­ Bembo –,1043 darauf deutet die Anfangsini­ initiale von Bernardo Bembos Abschrift von: cristoforo tiale seines Xandra­exemplars hin, bestehend landino, Xandra, Ms. Vat. lat. 3366, fol. 3r aus leda mit ihrem schwan (Abb. 128).1044 nach dem überzeugenden Vorschlag von Giannetto handelt es sich um eine Allusion auf Bembos paduanische Jugendliebe Magdalena. in seinem aufscheinenden sinn für Kapri­ cen hatte Bembo sie wiederholt als »altera leda« bezeichnet oder auch als »Magnaleda virginis formosissimae«. dass die worte »os porphirites« oder »os porfis« (nicht eindeu­ tig lesbar) in Bezug auf diese Angebetete fallen, soll nicht unerwähnt bleiben.1045 diese Art der Besinnung auf eine schöne gemahnt an die sehr schöne Jugendliebe des pietro tomài, ›iuniper‹. Man wird nicht fehlgehen, in den namensspielen, die Bembo betrieb, das gleiche rhetorische stilmittel zu erkennen, dessen sich leonardo beim wandel zwi­ 1041

Boncompagno, Rhetorica novissima, s. 284: »de transumptionibus que fiunt per imagines vel sculp­ turas«. Über den siegelabdruck im Gedächtnis platon, Theaitetos, 191c–d; vgl. Rhetorica ad Herennium, iii, 30. 1042 der Mnemonik­lehrer lodovico da pirano unterrichtete seit 1422 in padua; vgl. Yates, [1966] 1994, s. 103. 1043 pietro Bembo hatte engen Kontakt zu Giulio camillo delminio, im 16. Jahrhundert der bedeu­ tendste Autor der memoria artificiale. dieser widmete ihm ein Gedicht (Bn, Ms. lat. 8139, item 20); Briefe Bembos an camillo im AsV, Fondo Borghese, s. i, n. 175. 1044 BAV, Ms. Vat. lat. 3366, fol. 3r.; der hinweis auf die Miniatur in Giannetto, 1985, s. 335. die datierung der handschrift ist unklar; der Xandra­Zyklus entstand seit 1443/1444 und wurde bis in die siebziger Jahre immer wieder revidiert. 1045 siehe Bembo, Zibaldone, fol. 43v: »Magna laeda«; 1457 lautet das namensspiel im Ms. Marc. lat. XiV 124 (= 4044), fol. 147r: »Bernardus Bembus, Magnaledae virginis formosissimae et suavissi­ mae non mediocri amore correptus, ad patavium, urbem clarissimam, quod [sic] recta longe pros­ picitur, dulci ipsius memoria usque salutandum compulsus est«. Vgl. Giannetto, 1985, s. 103–104 u. s. 335. leda ist auch erwähnt in L, nr. i, v. 51: »pulchrior at ledae […].«

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schen Ginevra zu – umseitig – ginepro bediente, oder im sublimen Bildnis der Cecilia Gallerani (Abb. 129), der lieb­ lingsmätresse ludovico sforzas.1046 wie längst erkannt, gebrauchte leonardo das stilmittel der paronomasie, der vergnüg­ lich leichten wortveränderung, indem er zu dieser Frau namens Gallerani, vor allem der lautgestalt wegen, einen her­ melin (griech. »γαλη« [d. h. wiesel]) ge­ sellte. ein Gebildeter vermochte dergestalt ihre identität zu erschließen. er vermoch­ te dies m. e. umso mehr, insofern ihm die rahmenhandlung der Äsopischen Fabel »das wiesel und die Göttin Aphrodite« gegenwärtig war. die liebe ist in dieser Fabel die Kraft, die zur Verwandlung des tieres in einen schönen Menschen führt. schwer vorstellbar, dass leonardo diese Geschichte nicht kannte. drei verschie­ dene Äsop­Ausgaben lagen ihm vor.1047 die paronomasie entstammt wohlbe­ 129 leonardo, Bildnis der Cecilia Gallerani, um 1490, Krakau, czartoryskich Muzeum merkt ebenfalls dem bewährten haushalt mnemotechnischer strategien. während sie 1432 in den Regulae artificilis des Venezianers leonardo Giustinian unter »de muta­ tione« verbucht wird, zählt tomài sie zu den direktiven im Umgang mit silben.1048 eine

1046 Zusammenfassend Gesichter der Renaissance, 2011, s. 70ff. Zur Forschungsgeschichte Mariani, 1989, s. 62, Kat.­nr. 12; Arasse, [1997] 2002, s. 397ff.; tiere als imago sind aufgelistet im traktat von del Giogante, Memoria artificiale, s. 343. 1047 Zu den drei exemplaren im Besitz von leonardo s. cap. 3. Bei Äsop, Fabeln, nr. 50, s. 56–59, s. 96 »Гαλη χαì ’АΦρoδíτη« verwandelt sich das tier wegen seiner liebe zu einem schönen Mann in eine schöne Frau. die Forschung hat den Bezug auf diese Fabel noch nicht erwogen, obgleich er sich gut mit der gängigen Überzeugung verträgt, der hermelin sei eine Allusion auf ludovico sforza, der das tier zu seiner heraldik zählte; vgl. Zöllner, 1999, s. 45; zu recht hat Goffen, 2002, s. 50 auf die widersprüchlichkeit zwischen dem hermelin als traditionellem Keuschheitssymbol und »the ani­ mal’s phallic appearance« in leonardos Gemälde hingewiesen. 1048 die von Giustinian, Regulae artificialis, s. 123 unter »de mutatione« genannten Beispiele für die geringe wortveränderung beweisen, dass Ginevra – ginepro exakt diesem typus entsprechen würde: »uro ora, cano cana […]«; tomài, Fœnix, fol. 10; zur ambiguitas­Qualität der paronomasie cicero,

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Bestätigung für leonardos Kompetenz auf diesem Feld mag man bei aller topik und bei allem, was der Urfunktion des porträts ohnehin entspricht, aus den Versen seines Mai­ länder dichter­Freundes Bernardo Bellincioni herauslesen, der einen wettstreit zwi­ schen der natur und der Kunst imaginierte. das ingenium und die hand des Bildnis­ malers der cecilia Gallerani hätten es bewerkstelligt, die schöne zum integralen teil der nachwelt zu werden zu lassen, was die natur selbst, nicht aber ars, ihr verwehre.1049 Ganz ähnlich bekundete leonardo im paragone seinen stolz auf die Gabe, gerade als Maler als ein guter Bürge für die wahrung der schönheit agieren zu können: »Aber die schönheit von einer solchen harmonie«, so schrieb er, »zerstört die Zeit in wenigen Jah­ ren, was nicht bei derjenigen schönheit geschieht, die der Maler nachahmt, denn die Zeit bewahrt sie lange.«1050 Keine funktionierende thesaurierung ohne die Kombination der imagines mit Orten (loci), denn die Memorierwirkung beruht auf Gewohnheiten des Zusammendenkens! schon der paduaner humanist Giovanni Fontana, der, wie wir uns erinnern, ein Male­ reitraktat verfasste, sollte in einem anderen werk, Secretum de thesauro, gegen 1430 in dieser dichotomen Kombination eine wesenhafte Überschneidung mit der Malkunst

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De oratore, ii, 250–256 unter rekurs auf Aussprüche des cato; vgl. lausberg, [1960] 1990, s. 322f., § 637. Vgl. dolce, Dialogo […] del modo, fols. 50r–v: »[…] e parimente paragone, fingimento, trasla­ tione, inscritione«. im relevanten teil des sonettes (»sOprA il ritrAttO di MAdOnnA ceciliA, QUAl Fece leOnArdO«) von Bellincioni, nr. 45, vv. 7–14 (Bellincioni, Le rime, Bd. i, s. 72) heißt es: »[…] pensa quanto sarà più viva et bella, più a te fia gloria in ogni età futura. ringratiar dunque ludovico or poi e l’ingegno et la man di leonardo 10 che a’posteri di lei voglian far parte. chi lei vedrà così ben che sia tardo, Vederla viva, dirà; basti ad noi comprender or quel che è natura et arte.« (erwäge, dass, je lebendiger und schöner sie [cecilia Gallerani] ist, / um so mehr wird dir ruhm in allen künftigen Zeiten vergönnt sein. / sei also ludovico dankbar oder vielmehr / dem ingenium und der hand von leonardo, /sie macht es dir möglich, ein teil der nachwelt zu sein. / wer sie sieht, auch wenn es zu spät sein wird, / sie noch lebend anzuschauen, wird sagen: das genügt uns, / um zu begreifen, was natur und was Kunst ist). eine eingehende deutung des sonettes und seiner Allusionen auf petrarcas worte über simone Martinis Laura in shearman, 1992, s. 120; vgl. Albrecht­Bott, 1976, s. 72. leonardo, Libro di pittura, i, 23, s. 147: »Ma la bellezza di tal armonia il tempo in pochi anni la destrugge: il che non accade in tal bellezza imitata dal pittore, perché il tempo longamente la con­ serva […]«; an anderer stelle spricht er – wetteifernd mit der natur – von den »hinfälligen reizen der sterblichen« s. ebenda, i, 29, s. 153: »O maravigliosa scienzia, tu riservi in vita le caduche bellez­ ze de’ mortali, le quali hanno più permanenzia che l’opere de natura […]«; vgl. i, 30; i, 31b.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

erkennen, die wie keine andere Kunstgattung Verbindungslinien zur Mnemonik auf­ weise.1051 einen Anhaltspunkt für leonardos einblick in die wirksamkeit der loci bietet die Mona Lisa, deren porträt – es ist an späteren Kopien zu ersehen – ursprünglich mit flankierenden halbsäulen geplant war (Abb. 130). Auf diese weise entsprach das Bildnis geradezu klischeehaft der topischen Forderung der ars memorativa, wie sie die Rhetorica ad Herennium vermittelt. diese empfiehlt als locus zur gedanklichen platzierung der imago einen raum zwischen zwei säulen (»intercolumnium«). diese Forderung blieb, auch bei tomài, allenthalben dominierend in der themenbezogenen traktatistik, und sie kann ihr echo in der porträtkunst der renaissance nicht verleugnen.1052 es ist vor allem die dichotomie, die uns an leonardos Übertragung der loci auf zwei Bildseiten glauben lässt. das will erläutert sein. traditionell spielte die Zweiteiligkeit im Veredeln der imagines in verschiedener weise eine rolle, sei es die angesichts der assoziativen, die Analogizität voraussetzenden Bildfindung (wobei die sache selbst und die dazugehörige Assoziation die erinnerung wecken soll), die Zweigliedrigkeit des Gedichtes, da Verse wegen rhythmischer Bindungen besser als prosa zu memorieren seien,1053 oder auch das

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in Fontanas Mnemoniktraktat heißt es: »et ut breviter loquar, ne nimium exemplis utar quibus dietim utimur, dico quod uniuscuiusque similis rei signum propium habe posimus, si antiquas ysto­ rias pictas inspicimus: ibidem rerumymagines inveniemus nobis plurimum servientes, neque ulla ars vel scientia est magis artifitiali memo sit conformis quam pictoria: propie et ipsa locis et ymagi­ nibus indiget sicut ista, et una alteram multum insequitur, ideo ad illam artem depingendi quando­ que pro exemplis occur est satis utile: depingimus et nos etiam cum figuramus ymagines in locis.« Fontana, Secretum de thesauro, fol. 88r, s. 153; der Vergleich mit der tätigkeit des Malers ist abhängig von cicero, De oratore, ii, 87, 358, s. 436: »[…] pictoris cuiusdam summi ratione et modo formarum varietate locos distinguentis.« das Vorstellungsbild als eine Art gemaltes porträt, als dauerzustand dessen, was wir als Gedächtnis beschreiben, in Aristoteles, De memoria et reminiscentia, 450a 30. Zur ursprünglich mit säulen geplanten Mona Lisa Zöllner, 1994, s. 24, auf Abb. 7 die im louvre befindliche Kopie der Mona Lisa aus dem 16. Jahrhundert. Vgl. die Forderungen in der Rhetorica ad Herennium, iii, 16, 29, s. 166; tomài, Fœnix, fol. 5: »loca sunt fenestrae in parietibus positae, columnae, anguli & quae his similia sunt.«; und die mehrfach bei del Giogante angeführten säulen (s. in der liste von Kent, 2002, nr. 42, nr. 44). – Besonders im Œuvre von Memling, auch in seinem Umfeld, sind porträtierte, die zwischen säulen figurieren, verbreitet; s. das Bildnis eines alten Mannes und das Bildnis einer alten Frau (Berlin, Gemäldegalerie und paris, louvre) in campbell, 1990, Abb. 59, oder der rechte Flügel des Portinari­tripychons (Florenz, Uffizien) (vgl. de Vos, 1994, Kat.­nr. 79, s. 285) oder das Porträt eines Mannes mit rotem Hut; ebenda, Kat.­nr. 7, s. 96. pro­ minente Beispiele aus der italienischen Malerei bieten raffael (Die Dame mit dem Einhorn; rom, Museo Galleria di Villa Borghese) und sandro Botticelli (Frau am Fenster (Smeralda Brandini?; london, Victoria and Albert Museum); s. Virtue and Beauty, 2001, Abb. 14, Kat­nr. 25. Quintilian, Institutio oratoria, Xi, ii, 39, Bd. ii, s. 602: »nam sicut facilius versus ediscimus quam prosam […].«

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zweifache Memorieren. das zwei­ oder dreimalige repetieren, heißt es, ermög­ liche schließlich das ersetzen der worte durch Bilder.1054 die doppelseitige Bild­ bemalung, die eine rezeptionssituation schafft, in der die wahrnehmung und Vergegenwärtigung der Bilder in einer sukzessiven Abfolge vonstatten geht, genügt den Anforderungen des regel­ systems zudem, weil der Memorierende die imagines von jedem beliebigen Ort und jeder beliebigen seite aus (»quam­ libet partem«) erinnern müsse (»[…] quoquo loco libebit, […] imagines sequi […]«).1055 interessanterweise heißt der Akt des Zusammenstellens der imagines »imagines conparare«.1056 leonardo und seine Zeitgenossen mochten darin eine parallele zum ingeniösen ›Zusam­ menfügen‹ von Mischwesen erkennen, in der diktion cennino cenninis: »legare imsieme«. Für diesen Akt, in 130 Kopie von Leonardos Leonardos Mona Lisa, 16. oder 17. Jahrhundert, paris, Musée du louvre dem nach dem berühmten horaz­dik­ tum jene Freiheit, die dichtern und Malern gleichermaßen gestattet sei, liegt, fand leonardo in der Parte prima folgende worte: »[…] und in dieser freien erfindung ist der dichter dem Maler ebenbürtig.«1057

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Rhetorica ad Herennium, iii, 21, 34ff., s. 172f.; zum Aspekt der doppelung in der Mnemotechnik auch Memoria, 1993, s. 8. Rhetorica ad Herennium, iii, 18, 30, s. 168. ebenda, iii, 23, 39, s. 178: »Quare sibi quemque suo commodo convenit imagines conparare.« leonardo, Libro di pittura, i, 32, s. 156: »[…] et in questa tal finzione libera esso poeta s’è equipa­ rato al pittore […].« Vgl. horaz, Ars poetica, vv. 1–13; s. App. iV/A.; vgl. cennini, Libro dell’arte, cap. 1, s. 3–4: »[…] un arte che si chiama dipignere, che conviene avere fantasia e operazione di mano, di trovare cose non vedute […] a dimostrare quello che non è, sia. […] che ’l poeta, con la scienza prima che ha, il fa degno e libero di potere comporre e legare insieme sì e no come gli piace, secondo sua volontà. per lo simile al dipintore dato è libertà potere comporre una figura ritta, a sedere, mezzo uomo mezzo cavallo, sì come gli piace, secondo sua fantasia.« Bembo, Asolani, ii, cap. 8 spricht – anstelle von Malern und dichtern – von Verliebten und dichtern.

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

die genannten indizien mögen genügen, um den massiven einfluss der Mnemonik auf leonardos Bildkonzept der Ginevra wahrscheinlich zu machen. die parallelen zu tomàis ›iuniper‹ sind verblüffend. eine direkte Abhängigkeit – in welche richtung auch immer – lässt sich hingegen nicht mit unwiderlegbarer stringenz beweisen. ein der editio princeps angefügter Brief vom 12. september 1480 lässt jedenfalls auf eine entste­ hung schließen, die mindestens zehn Jahre zurückliegt.1058 Konnte das drehen und wenden der doppelseitig bemalten Ginevra­tafel, wie es zur vollständigen rezeption von Vornherein einkalkuliert war, nicht dem prinzip des repetierens verpflichtet sein? leonardo schätze es, insofern er dem Maler im Libro di pittura den rat erteilte, sich dinge durch wiederholtes durchgehen ihrer Formen (»forme«) im Gedächtnis ein­ zuprägen.1059 dass leonardo sich an vier stellen seines paragones dem chiastischen wort des simonides von Keos widmet, des legendären erfinders der Gedächtniskunst, Male­ rei sei stumme dichtung und diese sprechende Malerei,1060 stützt zumindest seine Ori­ entierung an einer autoritativen instanz der Ars memorativa­traktatistik. leonardo hat es indessen nicht versäumt, den die schwesterkünste betreffenden Analogieschluss für einen paragone der sinne agonal aufzuladen.1061 Unter Verwertung früher Ansätze aus 1058 1059

der Brief von der Comune von pistoia in BM, Ms. Marc. lat. 274, class. Vi, fols. 82rff. leonardo, Libro di pittura, ii, 67, s. 178: »[…] andare con la imaginativa repetendo li lineamento superfiziali delle forme per l’addietro studiate, o altre cose notabili da sottile speculazione comprese, [e è] questo proprio un atto laudabile e utile e confermarsi le cose nelle memoria.« Vgl. über die mit dem Geist erfassten und im Geist verharrenden Gegenstände der natur ebenda, i, 33. 1060 simonides als erfinder der ars memorativa in plinius, NH, Vii, 89 und Quintilian, Institutio oratoria, Xi, 2, 14–16; Fontana, Secretum de thesauro, s. 144; petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 8 (»della memoria«), Bd. i, s. 75 und in Manetti, De dignitate, ii, 45–46; über simonides Yates, [1966] 1994, s. 34ff. das simonides­diktum ist überliefert durch plutarch, Moralia, 346f–347a (daraus übernahm es Alberti, De re aedificatoria, Vii, cap. 10) und die Rhetorica ad Herennium, iV, 28, 39; dazu lee, [1940] 1947, s. 197, 216 und pfisterer, 1996, s. 109ff.; s. auch teil i, hier Anm. 14; speziell in horaz­Kommentaren ebenda, s. 113, Anm. 22. simonides als disputant über die poesie in petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, i, cap. 150 (»della memoria povera ed inferma«), Bd. i, s. 345: »[…] e simonide, d’etade della sua vita, già d’anni ottanta non avrebbe preso quella disputazione della poesia con uno fervore d’animo giovanile.« 1061 leonardos Auseinandersetzung mit dem diktum kommt ohne dem namen des simonides aus: leonardo, Libro di pittura, i, 18, s. 142: »e se tu dici che la pittura è una poesia muta per sé, se non v’è chi dica o parli per lei quello che la rapresenta, o non t’avedi tu che ’l tuo libro si trova in peggiore grado?« diese, den akustischen Faktor berücksichtigende schriftkritik ist m. e. übernommen von platon, Phaidros, 274d, Bd. iV, s. 56 (Üs: schleiermacher): die Malerei als schweigende Kunst, die ihre Ausgeburten als lebend hinstelle; schweigend seien aber auch die schriften: »du könntest glau­ ben, sie sprächen, als verständen sie etwas, fragst du sie aber lernbegierig über das Gesagte, so bezeich­ nen sie doch nur stets ein und dasselbe. […].« leonardo, Libro di pittura, i, 19, s. 143: »se tu diman­ derai la pittura muta poesia, ancora il pittore potrà dire la poesia orba pittura«; und ebenda, i, 20, s. 144: »lA pittUrA è una poesia che si vede e non si sente, e la poesia è una pittura che si sente e non si vede. Adonque queste due poesie, o voi dire due pitture, hanno scambiati li sensi, per li quali

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Francesco Barbaros traktat De re uxoria, der die Malerei im hinblick auf den Gesichts­ sinn als »schweigende dichtung« pries, war leonardo – nach dem derzeitigen Quellen­ stand – der erste simonides­interpret, bei dem die Malerei obsiegte, nachdem ludovico carbone die hierarchiebildung im gleichen Kontext noch wenige Jahre zuvor wegen der Göttlichkeit der dichter umgekehrt, zu Gunsten der dichtung, betrieben hatte.1062 in gewählter distanz zu simonides hielt leonardo Gemälde bei weitem nicht für die stummsten werke. es seien die Bücher der dichter, die, um sprechend (sc. hörbar) zu sein, eines lesers bedürften. in despektierlicher Verzerrung der simonides­Maxime will er der dichtung keineswegs das Korrelat zugestehen, eine ›sprechende Malerei‹ zu sein. sie muss sich mit dem epitheton ›blind‹ bescheiden; und selbst unter Anerkennung der idee zweier Malereien, die eine stumm, die andere sprechend, entgehe dem Blinden doch mehr als dem stummen, so die Argumentation. halten wir fest: in erkenntnis ihres wirkungspotentials hat sich leonardo der instrumentarien der Gedächtniskunst zur potenzierung der Memorialwirkung seines Bildnisses bedient. das mnemonische thesaurier­Verfahren schürte seit jeher ein rein

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esse dovrebbono penetrare allo intelletto«; und ebenda, i, 21, s. 145: »lA pittUrA è una poesia muta, e la poesia è una pittura cieca […].« diese Abschnitte werden auf ca. 1492 – 1508/10 datiert; vgl. The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. i, s. 85. Quellenkritisch liegt das Feld von leonardos deutung des simonides­diktums so gut wie brach; nur deskriptiv Farago, 1992, s. 341–342. Vor leonardo wird anlässlich des simonides­diktums höchst selten eine hierarchie zwischen den schwesterkünsten erstellt. carbone ist gegen 1475/1476 tatsächlich eine der wenigen Ausnahmen: ludovico carbone, De amoenitate, s. 34f.: »›[…] cum pictura poema tacitum sit, poemata vero picturae loquentes.‹ […] ›sic vere affirmare possumus pictores humanos esse; poetas vero divinos.‹« Meines wissens ist der früheste reflex auf das diktum im Quattrocento (1415) der von Barbaro, De re uxoria, ii, cap. 2, fol. e2r: »Quo circa oculis, quorum etiam in pictura quam tacentem poesim vocant, sensus acerrimus est, & nutu ac reliquo corporis habitu decorum & honestum retineant.« (dennoch mögen sie [die Frauen] mit den Augen, deren sinn auch in der Malerei, die man schwei­ gende dichtung nennt, der schärfste ist, und mit winken und dem übrigen Gehaben des Körpers Anstand und ehrbarkeit wahren; Üs: Grothein). – das Gros der paraphrasierungen des simonides­ diktums im Quattrocento belässt es bei dem Analogieschluss. dazu zählen folgende Quellen: vor 1446 leonardo Giustinian (vgl. Baxandall, 1971, s. 161f.), 1455 Facio, De viris illustribus, cap. »de pictoribus«, s. 163, 1465–1471 Francesco patrizi; und vor 1480 bei Maturanzio, Orationes, nr. 34, s. 217–218 als Auftakt zu einem paragone der sinne: »si pictura, quam quidam ex sapientibus mutam poeticem dixerunt esse, mentes nostras mira voluptate, id quod in se experitur unusque, per­ fundit, quid poeticem, quae est quaedam pictura loquens, facere par est? et pictura quidem rerum ac colorum varietate naturam ipsam, quoad eius fieri potest, imitatur et repraesentat. poetice vero eamdem, omnes eius perscrutata recessus, tantum non nudat, oculis subicit et loquentem facit. pic­ tor deos, homines, bruta animalia, loca quaevis pigmentis effingit, poeta eadem omnia verborum cultu et suavitate ac gravitate orationis exprimit. pictura magis pascit, poetice aures magis demulcet; / picturae, cum ab ea te averteris, voluptas pene evanescit, poeticae descriptiones et sententiae veluti infixae mentibus haerent diutissime. […].«

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

geistiges erinnern mit hilfe jener Bilder, die im ruf standen, nicht stumm zu sein (imagines agentes). daher wundert es nicht, wenn sie dem paragone in wort und Bild man­ cherlei Anregung stiftete. die Marmorrückseite der Ginevra­tafel, die durchaus den konventionellen mnemonischen loci zugerechnet werden kann,1063 ist, als nur gemalte Zierde, auch nach leonardos dafürhalten kein von der natur gestellter dauerhafter werkstoff. dieser Marmor basiert allein auf der Fiktionsleistung seiner Kunst, der Male­ rei und heischt im rekurs auf die ars memorativa nach dem lob, das im Purgatorio ech­ ten Marmorwerken vorbehalten schien: »che non sembiava imagine che tace« (daß es nicht schien, es sei ein Bild, das schweiget).1064 das visibile parlare, wie leonardo es ver­ stand, erhielt somit eine von der ars memorativa angestoßene dimension. leonardo defi­ nierte die Malkunst nicht von ungefähr als etwas Mentales (»la pittura è mentale«).1065 in bewusster distanz zu bloßer Abbildlichkeit setzte er auf ein Verfahren und auf den wertanspruch der inneren Visualisierung, ausgehend von der normativen leitinstanz der Memoria, mit der sich Bilder dem rufe nach der seele einprägen.1066 Fassen wir zusammen: Besonders in der doppelseitig bemalten einzeltafel von leo­ nardo, aber nicht nur in seiner, wurde erkennbar, dass es dem Maler gegenwärtig war, auf diese weise ein Kompositum zu kreieren, einen ›Kunstbau‹, der auf »Fügen und Bin­ den« (horaz, Ars poetica, v. 242) beruhte. er versucht, mit poetischer elaboriertheit schrittzuhalten und diese zu Überbieten. trotz der erweiterung der einen Bildseite um

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im Fœnix dient die imago der ›iuniper‹, kombiniert mit einem der loci – innerhalb der körperorien­ tierten technik der mnemonischen hand – zur Beschwörung weiterführender erinnerungen; tomài, Fœnix, fol. 16: »[…] qui in manu dextra cortinam teneat, quam pulcrae puellae ostendat, illamque in manu dextra recipiat: puellam enim desponsatam pro quarto digito, & sic pro quarto & nono numero colloco: si de poenitentiis distinctione quarra meminisse volvero, sacerdotem senem, non invenem cui peccata confiteatur iunipera collocabo: & ipsa mirabile faciet: sacerdotem namque absolvet capiti suo manum dexteram imponens«; zu dem an der Fünfzahl der Finger orientierten Merksystem der mnemonischen hand wenzel, 1995, s. 74ff. – porphyr als Gedächtnisstütze für eine steinerne stimme in dolce, Dialogo […] del modo, fol. 49r: »come volendo ricordarci di questa voce pietra, ponendo per lei un vero sasso, […] e cosi mi potrebbe venire in mente una pietra di porfido […].« 1064 dante, Purgatorio, X, v. 39, Bd. ii, s. 116/117 (Üs: Gmelin); als lob der Bildhauerei gewertet von landino, Comento, Bd. iii, s. 1203: »›dinanazi a noi parea s’verace‹: è gran lode della sculptura, che essendo loro dinanzi a quella, dove non dovea parere altro che una imagine muta et inanimata, nientedimeno dimostrava con somma suavità parlare. et però dice ›non sembiava, i.‹ non somigliava, ›imagine, che tace‹, ma imagine che parli. et adiveniva, perché et la imagine dell’agnolo parea, che parlassi.« dazu collareta, 1997, s. 102–104; Kablitz, 1998, s. 309ff.; pfisterer, 2002, s. 259ff. 1065 leonardo, Libro di pittura, i, 31c, s. 155; vgl. Fontana, Secretum de thesauro, s. 147: »nunc de arti­ fitioxa memoria que magis in mente nostra residet dicendum est.« 1066 es war traditionell eine prätention der rede, dass sie gar nicht in die Ohren eindringe, sondern sich der seele einpräge; s. cicero, De oratore, ii, 355.

6. Ginevra de’ Benci und die Dichtkunst

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eine zweite entfernte sich die Flächenkunst keineswegs von dem selektiven prinzip, das für sie charakteristisch ist (und das sie von der rundansichtigen skulptur unterscheidet), selbst wenn die Maler darauf abzielten, ihre Gattung mit hilfe des strukturprinzips der variatio gegen die Monotonie zu feien. wie wir sahen, reichte dieses im äußersten Fall bis zur ›Verwandlung‹. Mit der Zweiseitigkeit, die bestens geeignet war, um formal wie auch inszenatorisch jedweder Art von distinctio habhaft zu werden, entfaltete sich im Augenblick, da die Maler elemente der nachbargattungen in ihre eigene Kunst malend einbetteten, ein sinnlich verführerisches, auf superatio angelegtes spiel mit Gattungs­ qualitäten. Ganz anders als in den im Quattrocento in der religiösen sphäre nicht selte­ nen gattungsübergreifenden Komposita – in diesen bildeten skulpturen mit Gemälden ein komplementäres ensemble – koexisieren im besagten typus doppelseitig bemalter Bildnistafeln die Gattungen nicht einfach nur. ein parteiischer, durch die Vereinnah­ mung alles Malbaren ins expansive strebender Vorstoß indiziert den schritt zum para­ gone. selbst wenn sich gemalter stein dem tastsinn nicht erschließt, so involvierte der für die wahrnehmung einer zweiseitigen Gemäldetafel notwendige Akt ihres wendens und drehens durchaus ein Mehr an haptischer, an sinnlicher erfahrung, ganz zu schwei­ gen vom Moment des erstaunens, mit dem kalkuliert werden konnte. die rückseiten­Marmorierungen in der porträtkunst des nordens (Jan van eyck) dürften italienischen Malern in den meisten Fällen denn auch nur oberflächlich eine Orientierung geboten haben. wenn beispielsweise laura/daphne als Muster einer Kom­ binatorik diente und Gedichtzeilen statt wahlsprüche Gemälde­rückseiten schmücken, dann treten die eigentümlichkeiten schärfer heraus, die die italienischen Maler ihren doppelseitigen werken beilegten.

6. Ginevra de’ Benci und die dichtkunst 6.1. stilfragen: ein ›capoverso‹ von Ginevra und die Frau mit steinproprietäten »delectus ipse verborum poetae nobilitat supelectilem […].« pontano, Actius, s. 408

im Zusammenhang mit dem paragone ist die Frage nicht unerheblich, ob die nicht wenigen tribute an die dichtkunst im Porträt der Ginevra de’ Benci in irgendeiner weise auch persönlichen Bezügen der dargestellten zu dieser Gattung rechnung tragen. Abwegig ist diese these nicht, denn nach einem 1909 von carnesecchi publizierten Brief, adressiert an »madonna Genevra donna di luysio niccolini«, flossen aus Ginevras Feder Gedichte in elaborierter diktion. dieser Brief, der auf den 17. August 1490 datiert und in rom mit den kryptischen, bis heute nicht entzifferten Kürzeln »G + h« unterzeichnet

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VII. Leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci

worden ist, enthält die Bitte, Ginevra möge ihre sestine, die folgenden capoverso trägt, in die ewige stadt senden: »chieggio merzede e sono alpestro tygre«.1067 der Verfasser des Briefes berichtet, abends zuvor in einer Frauenrunde mit theodorina, der tochter von papst innozenz Viii., unter einer schattigen loggia gespeist zu haben. Als die Frage auf­ kam, was Frauen liebenswert mache, habe er zu einer lobeshymne auf Ginevra de’ Benci als exemplum der toskanischen Frauen angehoben. Allseits bedrängt, auch einige worte dieser Gepriesenen lesen zu dürfen, erbitte er sich nun von Ginevra jene, ihm schon in Abschrift andernorts vorliegende sestine als »erstes Geschenk« – soweit die dokumen­ tierbaren Fakten. Zunächst fällt auf, dass Ginevra erneut als exemplum rangiert, nun als eines von überregionalem ruf in höfischen Zirkeln. wie immer man den rang und die Bedeu­ tung der poetischen Aspirationen von Ginevra de’ Benci einzuschätzen geneigt ist, allzu dilettantisch dürften ihre Vorstöße nicht ausgefallen sein. wie sonst erklärt sich ihre wahl der sestinenform, das heißt einer Metrik, die formal höchst diffizil zu konstruie­ ren ist? die neugierde der Frauen auf Ginevras poetische ergüsse, die durch das enko­ mion in rom geweckt wurden, lässt darauf schließen, dass der redner Ginevras ingeni­ um gekonnt in den Blick rückte. Viel erfahren wir abgesehen von der existenz einer in volgare gehaltenen sestine nicht. Allenfalls ist aus dem capoverso der große Zug einer schmerzliebe im sinne des dulce malum herauszuhören. eine solche Behauptung will erläutert sein. sie verspricht zudem rückschlüsse auf die intellektuelle persönlichkeit von Ginevra de’ Benci: wie einige andere raubtiere zählte der tiger (»alpestro tygre«) seit der Kaiserzeit zum topischen Bestand der liebespoesie. Mit ihm konnotiert wird die wildheit und, vorzugsweise bei Ovid, die hartherzigkeit und Grausamkeit – ja meist der tigerin.1068 noch die Mehrzahl der Quattrocento­dichter schrieb sich, wie beispielsweise Gaspare 1067

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siehe carlo carnesecchi, »il ritratto leonardesco di Ginevra Benci«, in: Rivista, d’Arte, 6, 1909, s. 291–296; der Brief abgedruckt und ins englische übersetzt in walker, 1968, s. 24. eine Analyse des capoverso fehlt; in der Forschung wird er beiläufig zitiert; nur stedman sheard, 1995, s. 124 spürt in ihm den Ausdruck von Verlassenheit. der tiger, gefühllos wie eisen und mit steinernen Klippen im Busen, besungen von Ovid, Metamorphosen, Vii, vv. 32; vgl. ebenda, Xi, v. 245; vgl. del Giogante, Memoria artificiale, s. 345: »il tigre crudele«; »wilde tigerinnen« (»saevas tigridas«) in Ovid, Heroides, X, v. 86, s. 98. »la tigressa« war wegen ihres temperamentes der spitzname von caterina sforza, der Frau von Girolamo sforza und herrin über imola und Forlì; sie lebte übrigens – wie Ginevra in späteren Jahren – im Florenti­ ner Kloster le Murate; dazu Joachim Brambach, Die Borgia, München, [1988] 21995, s. 177. – in den Kontext dieser Metaphorik gehört il Bacchiaccas Bildnis einer Frau mit Pantherkatze von ca. 1540 (Berlin, Gemäldegalerie, staatliche Museen Berlin; inv.­nr. 267A): das exotische tier auf dem schoß der unterkühlt dreinblickenden holden mag auf familiärer heraldik oder dem Famili­ ennamen (della Gatta ?) beruhen; offensichtlich stimulierte es den Maler zur typisierung der dar­ gestellten; s. robert G. la France, Bachiacca. Artist of the Medici Court, Florenz, 2008, s. 202, Kat.­ nr. 52, Abb. 37.

6. Ginevra de’ Benci und die Dichtkunst

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Visconti, die liebespein in Anbetracht einer unwirsch­grausamen, sich leicht maliziös gebärdenden herzensherrin von der seele, in der das herz eines tigers schlage.1069 humanisten wie Bruni, polenton, Fontius und landino wurden überdies nicht müde, den auf tiger so besänftigend wirkenden lockreiz zu bereden, den der Gesang und die dichtung eines Orpheus oder Amphion ausüben, oft im gleichen Atemzug mit der wir­ kung der poesie auf Bäume und steine, denen man nachsagte, sich sodann auf wunder­ same weise in Bewegung zu setzen.1070 darin, in diesem tertium comparationis von Berg und tiger, sah dante, sekundiert von landino, den Beweis, dass »der weise mittels des instrumentes seiner stimme die harten herzen zahm und demütig mache«. die unter­ stellte kulturstiftende Kraft der poesie ist zu vernehmen, wenn wir im Convivio lesen, dass Orpheus »jene seinem willen entsprechend bewege, die kein der wissenschaft und Kunst entsprechendes leben führen.«1071 landino gedachte in nuce der Florenz obwal­ tenden Blüte der dichtkunst, als er die harmonie ihrer Bürger mit dem paradiesischen, vom Kitharodenspiel des Orpheus erzeugten Frieden verglich.1072 diese ihm als dichter 1069

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Visconti, I canzonieri, nr. 24, v. 24, s. 22: »pur che non abbia il cor de tigre o d’orso«; oder ebenda, nr. 47, v. 6, s. 39: »un cor d’un tigre sazio.« Vgl. petrarca, Canzoniere, nr. 283, v. 14 und tasso, Aminta, i, vv. 74–75 und ii, v. 173, s. 660 und s. 663): »il vidi, quando tu fuggisti, o fera / più che tigre crudel, […]« und »mio duro alpestre core«. seit petrarca sind tiger und Bär in dieser Bedeu­ tung austauschbar; s. Ariost, Orlando Furioso, XiX, 7, vv. 1–2, Bd. i, s. 665: »come orsa, che l’alpestre cacciatore / la pietrosa tana assalita abbia,«; zitiert in lomazzo, Trattato, Bd. ii, s. 352. ein Gedicht landinos, das an eine Ginevra adressiert ist, klagt über ihre härte, die ihn, schlimmer als die einer löwin, düpiere; s. landino, Carmina, s. 33, nr. 26, vv. 8–9: »sed fastus inimica saepe duros / opponis mihi saevior leaena.« polenton, Liber scriptorum illustrium, ii, s. 45: »Quid habet rei prometheus, quid deucalion, quid Orpheus, quid Amphion, qui tigres, leones, apros, montes, silvas, saxa poetarum fictione in homines converterunt, ni quadam horum prudentia, consilio, persuasione factum ut quae hominum multi­ tudo dispersa et silvestris esset bestialique ritu per silvas et montes sine domicilio vagaretur et viver­ et, ea congregata sit tandem unum in locum humanumque ad cultum ac civilem ad vitam ducta?« die Quellen zu Orpheus als Bezauberer von tigern sind v. a. Vergil, Georgica, iV, v. 510; vgl. horaz, Ars poetica, vv. 392ff. und Fonte, Carmina, s. 27; durch Zimberln gereizte tiger in Barbaro, De re uxoria, ii, cap. 1. die wirkung der dichtung auf steine in Quintilian, Institutio oratoria, i, 10, 9; plinius, NH, Viii, 62 und Bruni, Vita di Dante, s. 46. dante, Convivio, ii, 1, 3, Bd. ii, s. 8/9 (Üs: thomas ricklin): »sì come quando dice Ovidio che Orfeo facea con la cetera mansuete le fiere, e li arbori e le pietre a sè muovere; che vuol dire che lo savio uomo con lo strumento de la sua voce fa[r]ia mansuescere e umiliare li crudeli cuori, e fa[r]ia muovere a la sua volontade coloro che non hanno vita di scienza e d’arte: […].« landino in seiner widmungsrede seines Comento an die signoria (landino, Scritti, Bd. i, s. 169): »né altro significano e’ poeti inducendo che Orfeo di tracia antichissimo poeta greco col dolce suono della sua citera potessi fermare e’fiumi e muovere e’sassi e mitigare e fare mansueti gl’orsi, e’lioni, e’tigri, se non che tanto poté el parlare suo […] che e l’animi concitati de’ furibondi, e’quali come fiume per diluvio cresciuto trascorrono in ogni crudeltà, ripremessi, ed e’tardi e grossi ingegni degli indotti e quasi insensati amaestrassi ed e’superbi e crudeli mitigassi, in forma che con comune carità insieme vivessino.«

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der Gegenwart zu Gebote stehende wirkung schwebte poliziano in seiner giostra­stanze gleichermaßen vor: Io fo cadere al tigre la sua rabbia (ich bringe den tiger dazu, seinen Zorn aufzugeben).1073 Mit anderen worten: die selbstbezeichnung der lyrischen ich­persona als »alpestro tygre« belebt das Klischee der hartherzigen, günstigenfalls kraft der dichtung zu bezäh­ menden herrin. es ist leicht zu eruieren, dass »alpestro« und »aspro« nicht erst seit der Frühen neuzeit fast synonym verwendet wurden, insbesondere in den expositionen des mit der prodikosfabel verbundenen höhenkultes, sofern der rechte, der steile tugend­ weg in den Blick rückte. An diese via ardua spielte der rückseiten­dekor von leonardos Porträt der Ginevra nicht minder an, wie wir eingangs feststellten. Für petrarca blieb der dornige, schwierige pfad zur Besteigung des Berges, den man zum wahren werte erklim­ me, dornig (»spinoso«) und steinig (»alpestra«).1074 der hohe turm der weisheit führe ihn zu bergigen Orten (»luoghi alpestri«),1075 das hieß freilich zum Musenberg parnass. die widrigkeiten dieses weges, so petrarca, vermag einzig die liebe zur poesie zu über­ winden.1076 inwiefern das Familienwappen der Benci, zwei löwen beim erklimmen eines schematisierten Felsens, auf die selbstbezeichnung als »Bergtiger« zusätzlich aus­ strahlte, bleibt offen (Abb. 131).1077 »ich bitte um Gnade, und ich bin ein Bergtiger« (Chieggio merzede e sono alpestro tygre) – diese Gedichtzeile enthält, passend zum hart sich gerierenden Frauentyp und pas­ send zur rauen Konsistenz von stein und Berg, eine reihe von stilqualitäten der rime

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poliziano, Stanze, i, 24. petrarca, Canzoniere, nr. 25, vv. 12ff., s. 68: »[…] è spinoso calle, / et quanto alpestra et dura la salita / onde al vero valor conven ch’uom poggi.« in der Divina Commedia begegnet »alpestro« mehrfach in der Bedeutung von »felsig«, so in dante, Inferno, Xii, v. 2 und im Paradiso, Vi, v. 51; im Purgatorio, XiV, v. 32 ist das wort ein epitheton von »monte« mit der Bedeutung von »hochgebirge«. petrarca, Canzoniere, nr. 37, vv. 103–104, s. 114: »torre d’ alto intellecto, / mi celan questi luoghi alpestri e feri;«. Ovid, Metamorphosen, i, v. 316; weitere Quellen schröter, 1977, s. 16, 85, 162. petrarca, Bucolicum carmen, nr. 3, vv. 46f., s. 94–96: »[…] sed cogit amor, perque ardua victum / luctantemque rapit. […]«; Bernardo Bembos Bucolicum carmen­exemplar, Ms. Vat. lat. 3358, stammte aus petrarcas eigener Feder. in seiner dichterkrönungsrede huldigte petrarca, Collatio, s. 311 mehrfach dem Ver­ gils Georgica entnommenen Motto: »sed me parnasia deserta per ardua dulcis raptat amor« (Aber mich reißt durch des steilen [ardua] parnassus einsame Gipfel / süße Gewalt); vgl. Vergil, Georgica, iii, vv. 291–292, s. 160/161 (Üs: J. und M. Götte); vgl. horaz, Carmina, iii, 24, v. 44, s. 156: »virtutisque viam […] arduae«. das stereotyp ist noch 1603 herauszuhören aus der »Merito«­per­ sonifikation in ripa, Iconologia, s. 314f., in der der Ort eines lorbeergekrönten mit szepter und aufgeschlagenem Buch explizit »alpestre del monte, cioè quella della virtù« ist. in anderem Kontext präsentiert von Megan holmes, »Giovanni Benci’s patronage of the nunnery, le Murate«, in: Art, Memory, and Family, hrsg. v. Giovanni ciappelli et. alt., cambridge, 2000, s. 114–134, die Abb. auf s. 119. es ist das wappen von Ginevras Großvater Giovanni d’Amerigo de’Benci an der Florentiner Benediktinerabtei le Murate; in ihr wollte er eine Kapelle gründen.

6. Ginevra de’ Benci und die Dichtkunst

aspre, deren klangmagisch­spannungsgeladenen wort­Kontraste aus literaturhistorischer sicht dantes vorläufige Abkehr vom stilideal des dolce stil novo markierte, zweifellos nach dem leitbild des von dante über alle Maßen geschätzten provenzalischen troubadours Arnaut daniel. daniel war für ihn der unein­ geschränkte sieger (»soverchio tutti«) im Genre der liebesdichtung. dantes berühmte Kata­ chrese – Arnaut als »bester [Verse­]schmied seiner Muttersprache« –1078 wird Benedetto Varchi in seiner paragone­lektion erinnerlich bleiben. wir können die provokation ermes­ sen, die vom Feilen an dieser höchst artifiziel­ len ›rauen‹ dichtungsart für jeden ausging, der etwas auf den werkprozess eines Artefak­ tes gab.1079 schließlich vereinnahmten auch bildende Künstler, vor allem Bildhauer, aspro als eigenschaft ihrers werkverfahrens.1080 An den rime aspre haftete ein entschieden melan­ cholisches Flair: »wenn ich die harten, rauhen Verse hätte«, heißt es im Inferno, »wie sie dem 1078

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131 Wappen von Giovanni Amerigo de’ Benci, ca. 1461, Florenz, Benediktinerabtei ›le Murate‹

dante, Purgatorio, XXVi, vv. 117ff., Bd. ii, s. 314: »Fu miglior fabbro del parlar materno. […]«; vgl. Varchi, Lezzione, 3, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 53; vgl. dante, De vulgari eloquentia, ii, cap. 2, 56 und 59; nicht anders petrarca, Triumphus Cupidinis, i, 4, vv. 40–42, s. 501: »[…] il primo Arnaldo daniello, / gran maestro d’amor, ch’a la sua terra / ancor fa onor col suo dir strano e bello.« Zu Arnaut daniel curtius, [1948] 101984, s. 107 und A1, s. 356, s. 393, A4; über seinen einfluss auf dante salvatore Battaglia, Le rime ›petrose‹ e la sestina, neapel, 1964, s. 27ff. daniel gehörte zur lektüre Bernardo Bembos; dazu Giannetto, 1985, s. 129. nach plinius, NH, XXXV, 83, s. 62 stellte sich der Bildhauer theodoros in seinem selbstbildnis zur Betonung der Feinheit, zu der er fähig war, mit einer Feile dar. Brunetto latini erschien das Ver­ seschmieden als ein schwieriger, der tätigkeit eines Bildhauers vergleichbarer werkprozess, als es hieß, die gereimte sprache müsse sich einer Feile anpassen, die alle worte so ordne, wie es der reim verlange; s. Brunetto latini, Tesoretto, vv. 411–414, s. 104. – »rauheit« ist nach pontano in der Vers­ kunst das Gegenteil von »sanftheit«; s. pontano, Actius, s. 364: »[…] est et lenitati contraria asperi­ tas […].« Besonders häufig fällt aspro im Kontext der Marmorbearbeitung; s. Anton Francesco doni, Disegno, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 560: »[…] l’operare in scoltura è aspro, duro, faticoso e colmo d’ogni austerità« und der synonymbegriff alpestro in Gedichten Michelangelos; s. summers, 1981, s. 198f.; leonardo verwendet »crudele et aspra« als Ausdruckswert in der schlachtendarstellung, s. leonar­ do, Libro di pittura, ii, 148, s. 208.

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traurigen Abgrund ziemen würden, / Zu welchem alle Felsen führen, / so könnte ich den saft aus meinem stoffe / viel besser pressen […].«1081 diese gewünschte Kohärenz von thema und sprachstil löste dante selbst, nachgeahmt von petrarca,1082 mit einer Gruppe von vier sestinen ein. er gebrauchte demzufolge die reimform, der sich auch Ginevra, zumindest im genannten Fall, verpflichtet wusste. sie handeln von der Qual der unerfüllten liebe zur ›steinfrau‹ pietra (o. a. petra): die sogenannten Rime petrose.1083 deren schroffheit war, gleich einem poetologischen Manifest, dantes wunsch: »so rau von wort zu sein bin ich gewillet, / wie jene schöne steingestalt von that.«1084 Kaum zufällig ist die Vorprägung der in Ginevras sestine formulierten Bitte um Gnade in den Rime petrose festzustellen. »Merzè chiamando« lautete der Flehensruf dantes zu Amor eingedenk der erkenntnis seiner Ausgeliefertheit an donna Pietra.1085 deren animalische wildheit bleibt kein Geheimnis: »erwies sie sich als jeder härte [crudelità] herrin, / daß sie das herz nicht zeigt der milden herrin, / nein, jenes wilden tieres, das ganz an liebe

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dante, Inferno, XXXii, vv. 1–4, Bd. i, s. 376/377 (Üs: Gmelin): »s’io avessi le rime aspre e chiocce, / come si converrebbe al tristo buco / sovra il qual pontan tutte l’altre rocce, / io premerei di mio concetto il suco« (und derselbe, Convivio, iV, 2, 11–13); vgl. auch die Verbindung von traurigen Versen verschmähter liebender mit dem sprechen mit Bäumen und einsamen tieren in Bembo, Gli Asolani, i, cap. 26, s. 54: »[…] talhora in qualche trista rima spingnendo fuori alcuno de’suoi rin­ chiusi et infiniti dolori, con qualche tronco secco d’albero o con alcuna soletaria fiera, come se esse l’entendessero, parlando et aguagliando il suo stato.« 1082 es sind folgende sestinen: petrarca, Canzoniere, nr. 22, nr. 30, nr. 66; s. Battaglia, 1964, s. 105–111. 1083 dantes vier Rime petrose sind: Io son venuto al punto de la rota (nr. 1), Al poco giorno e al gran cerchio d’ombra (nr. 2), Amor, tu vedi ben che questa donna (nr. 3) und Così nel mio parlar esser aspro (nr. 4); s. Battaglia, 1964, s. 73–75 (nr. 1), s. 83–84 (nr. 2), s. 89–91 (nr. 3), s. 94–96 (nr. 4); die profundeste studie zu den petra­canzonen ist Time and the Crystal. Studies in Dante’s Rime Petrose, hrsg. v. robert M. durling et alt., Berkeley, los Angeles und Oxford, 1990. – Zur Fokussie­ rung von Berg und stein s. beispielsweise die häufung von »hügel« (»colli«) im dritten Gedicht, v. a. auch die wendung »sotto tramontana« (nr. 3, v. 27), in der zweiten sestine »colli« mit dem epithe­ ton »altissimi« (nr. 2, v. 30); vgl. Battaglia, 1964, s. 72ff. 1084 ebenda, nr. 4, vv. 1–2; nach der Übersetzung von Kannegießer/witte: Dante Alighieri’s Lyrische Gedichte, übersetzt und erklärt von Karl ludwig Kannegießer und Karl witte, leipzig, 1842, s. 71; im Original heißt es: »così nel mio parlar voglio esser aspro / com’è ne gli atti questa bella petra […]«; vgl. Battaglia, 1964, s. 94. 1085 ebenda, nr. 4, vv. 38–39, s. 95: »merzè chiamando, e umilmente il priego; / ed ei d’ogni merzè par messo al niego« (Um Gnade fleh’, und mit demütigen Klagen, / Und er scheint Gnade standhaft abzuschlagen); nach der Übersetzung Kannegießer/witte, s. 72; vgl. petrarca, Canzoniere, nr. 126, vv. 34–37, s. 356: »già terra infra le pietre / vedendo, […] / sí dolcemente che mercé m’ impetre«. – pietro Bembo sollte sich von dieser sprechart nicht unbeeindruckt zeigen. eines seiner beiden sonette auf das porträt seiner Geliebten, die Giovanni Bellini gemalt hatte, O imagine mia celeste e pura, spiegelt die schroffheit der Petrose­dichtung; die schweigende porträtierte verweigert sich ihm selbst nach seiner Bitte um Gnade: »poi, se mercè ten prego, non rispondi. // in questo hai tu di lei men fero stile, / […].« Zitiert nach pietro Bembo, Prose e rime, nr. 19, vv. 11–12, s. 521f.

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kalt.«1086 spätestens diese wendung vermag uns die nähe des in rede stehenden sesti­ nen­Verses zur Rime petrose­dichtung ins Bewusstsein zu heben. das müsste uns nicht weiter interessieren, wenn stein­Qualitäten und Melancholie als personale eigenheiten, die in einer konkreten Frau ineinanderspielen, nicht bildkräf­ tig sichtbar in dem porträt wiederkehrten, das leonardo von Ginevra de’ Benci gemalt hat. eine selbstverständlichkeit ist diese traurigkeit, wie daniel Arasse mit recht beton­ te, keineswegs, wie leicht aus der Gegenüberstellung mit den Ausdruckswerten zu erse­ hen ist, die leonardo in andere Frauenbildnisse hineinlegte, sei es in die Mona Lisa oder die Dame mit dem Hermelin.1087 ist die Melancholische auf der ›porphyrtafel‹, auch unab­ hängig von der Frage ihres dichtertums, nicht maßgeblich von jenen steinproprietäten bestimmt, die dante und petrarca auf eben diese literarische Figur applizierten, die da wären: durezza, bellezza, freddura und crudeltà? einer der wenigen Kunsthistoriker, der die Rime petrose als dichtung eigenen Gepräges in ihrem einfluss auf die renaissance­ Malerei bedachte, war John shearman, wenn auch nur im naheliegenden Kontext der Medusen­ikonografie.1088 sie dürfte bei weitem nicht ihre tragweite, wahrscheinlich noch nicht einmal ihren entscheidenden Geltungsbereich abdecken, so sehr auch landi­ no von einem »Medusengesicht« wissen will, das den Venezianer Bembo »in neuen har­ ten stein« verwandelt habe (L, nr. 2, v. 27f.). An spuren der Rime petrose in der dicht­ kunst der renaissance mangelt es nicht, von Alberti über die Hypnerotomachia Poliphili zu Michele Marullo und niccolò da correggio.1089 Aber donna Pietra prägte auch manch ein Frauenporträt, dessen mit steinimitation veredelte Unterkühltheit ihr hauptmerk­ 1086 1087

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Battaglia, 1964, nr. 3, vv. 6–8, s. 89 (dtsche. Üs: s. o.): »[…] d’ogne crudelità, si fece donna; / sì che non par ch’ell ’abbia cor di donna / ma di qual fiera l’ha d’amor più freddo«. Völlig zu recht hat Arasse, [1997] 2002, s. 408–409 auf die für das porträt­Genre ungewöhnliche Betonung der traurigkeit hingewiesen, die viel zur Originalität der Ginevra beitrage. Zur Melan­ cholie als beherschendem Zug in Knabenbildnissen Giorgiones Koos, 2006. siehe shearman, 1992, s. 49, s. 139. Medusa ist Gegenstand der Rime petrose (nr. 4, v. 15); es heißt, es gäbe keinen Ort, wo ihr Blick ihn nicht fände. Über petrarcas stein­Frau und die Kunst emison, 2004, s. 163. – Zu leonardos künstlerischer Beschäftigung mit Medusa; s. Vasari, Le vite, Bd. iV, s. 46; ein Medusen­Gesicht auf einer gemauerten wand zeigt die illustration eines Manuskriptes von Fontius in Oxford, Bodleian library, Ms. lat. misc. d. 85, fol. 134f. siehe Albertis (Alberti, Rime, Bd. ii, s. 46, v. 5) Klage im Gedicht Chi vòl bella victoria e star sicuro über das herz aus hartem Marmor (»Amor dinanci al cuor è un marmo duro«) und poliphilos hoff­ nung auf das entflammen des steinernen und kalten herzens von polia durch eine ins wasser getauchte Fackel (Hypnerotomachia Poliphili, Bd. ii, s. 210): »cosi come l’aqua questa arsibile face extinguerà, per il modo medesimo il foco d’amore il suo lapificato et gelido core reaccendi.« Marullo widmete ›petra‹, einem keuschen, den Marmor übertreffendes Mädchen, eine hymne, s. Marullo, Carmina, nr. 25 (»Ad petrAM«), vv. 1–3, s. 39: »et petra es, mea lux, et vere petra vocaris, / et peream si quo nomine digna alio es: / non tam quod parium certas evincere marmor […]«; und niccolò da correggio, Rime, s. 249f., nr. 286, vv. 1–5 und vv. 13–14 schrieb Verse über eine Frau, die, gemeißelt in »pietra viva«, nie erbarmen zeige; bezeichnenderweise fällt das wort »mercede«:

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132a Filippo lippi, Profilporträt einer jungen Frau, ca. 1450–1455, Berlin, staatliche Museen zu Berlin

132b Filippo lippi, rückseite von: Profilporträt einer jungen Frau, ca. 1450–1455, Berlin, staatliche Museen zu Berlin

mal in der Kunst bilden dürfte. eines ihrer frühesten reflexe in der Florentinischen tafelmalerei ist Filippo lippis Profilporträt einer jungen Frau (Abb. 132a). die rote rück­ seiten­Marmorierung (Abb. 132b) gibt Kunde von einer Akzentgebung dieser Art.1090 den Kulminationspunkt stellten schließlich sebastiano del piombos Frauenporträts auf echte steinerne Bildträger dar, mit denen er seit etwa 1530, wie Zeitzeugen überliefern,

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»non sia più che sculpisca, pinga o scriva 1 umane forme né divine ancora; copri pur, Fidia, Apollo e Apelle, Flora, ché moderna opra oggi de fama i priva. Questa è una donna sculpta in pietra viva 5 […] ché è pietra viva e fa de omini sassi, né in pietra credo io mai trovar mercede.« Von ca. 1445 laut Best.-Kat. Berlin, 1996, s. 70; Virtue and Beauty, 2001, s. 110, Kat.­nr. 4.

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die oft gepriesene größere durezza der skulptur zu hintertreiben trach­ tete. sebastiano verhalf auf diese weise einem paragone­diskurs zur Blüte,1091 dessen saat der Rime petrose­schöpfer Jahrhunderte zuvor ge­ streut hatte. sebastiano stimulierte ihn mitunter durch eine schöne auf holz (Abb. 133), die bedeckten hauptes, ihr Kopftuch besitzt fast metallischen Glanz, hinter einer Marmorbrüstung ins leere starrt, den Betrachter mit frostiger Miene ehrerbietung und distanz abtrot­ zend. Mit dem lorbeer, den sie mit gespreizten Fingern an ihre Brust schmiegt, wird überdies ein mit poetischen Anwandlungen behafte­ tes Canzoniere­Motiv vernehmlich. petrarca drückt dies so aus: Amor pflanze dem dichter in die »Mitte des herzens lorbeer« ein.1092 Ge­ meint ist zweifellos das für den 1091

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133 sebastiano del piombo, Bildnis einer Frau mit Lorbeer, ca. 1530, rom, Museo nazionale del palazzo di Venezia

Zu dem damit verbundenen kunsttheoretischen diskurs Mendelsohn, 1982, s. 103ff.; Wettstreit der Künste, 2002, s. 93, s. 295f., nr. 92; hessler, 2006, s. 18ff. Auch Michelangelos, von Benedetto Varchi 1547 interpretiertes sonett Non ha l’ottimo artista alcun concetto beschwor die durezza (v. 10) der angebeteten Frau und setzte sie gleich mit der härte des Marmors; s. die erste lektion von Var­ chi; erwähnung fanden sebastianos porträts auf stein in Varchi, Lezzioni, 2, in Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 40ff. petrarca, Canzoniere, nr. 228, vv. 1–2, s. 608: »[…] piantòvi in mezzo ’l core / un lauro verde […]«; und in nr. 359, vv. 7–8, s. 926/927 (Üs: Gabor/dreyer) heißt es: »Un ramoscel di palma / et di lauro trae del suo bel seno,« (des palmbaums einen stengel / zieht sie aus ihrem schönen Busen, eines des lorbeers); vgl. auch Varchis Besprechung des petrarca­sonettes (petrarca, Canzoniere, nr. 155, v. 10, s. 448) im paragone »Quel dolce pianto mi depinse Amore, anzi scolpío«, s. Varchi, Lezzione, 1, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 40. Zu dem zitierten Frauenporträt (von ca. 1530) sebastianos, das zuweilen für ein Bildnis der Vittoria colonna gehalten wird, s. hirst, 1981, s. 118f. mit der datierung in die späten dreißiger Jahre, s. 147, Abb. 191. – der einfluss der Rime petrose zeigt sich ferner im Bildnis einer Frau mit Buch (ca. 1530–1535) von pier Francesco di Jacopo Foschi (Madrid, thyssen­Bornemisza Museum, inv.­nr. 145). die züchtig gekleidete Frau – flan­ kiert von pilastern, reckt sie sich vor einer steinkulisse und wirkt unterkühlt; s. Best.-Kat. Madrid, 1992, s. 212, Abb. s. 213.

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ersehnten Ornat der laurea ersprießliche Gewächs. leider ist bis heute noch nicht einmal in Ansätzen die Vorgeschichte dieses stoffkreises in Buchilluminationen gesichtet, sofern es diese überhaupt gab. Auf den ersten Blick betrachtet, erwies dante jenen Bildhauern, die sich später im paragone behaupten sollten, mit dem in der donna Pietra angelegten potenzial einen dienst, ist sie doch aus schönem stein gemacht (»fatta d’una bella petra«; nr. 3, v. 11); sie ist so schwer zu erweichen wie stein (»non la move, se non come petra«; nr. 2, v. 9); ihr herz ist aus Marmor (»core un marmo«; nr. 1, v. 72); sie kann wunden zufügen wie ein stein (nr. 3, vv. 16–17); sie ist sichtbar im stein (»la veggio in petra«; nr. 3, v. 41), und der liebende hält schließlich fest an ihrem Bild aus stein (»tener forte imagine di petra«; nr. 1, v. 13).1093 Auch ihre schönheit und tugend bestehen nicht einfachhin ohne den stein­Vergleich: »la sua bellezza ha più virtù che petra« (nr. 2, vv. 19). Mit anderen worten: der paragone war dieser literarischen Figur seit Anbeginn inhärent. Aber ver­ wunderlich ist es nicht, wenn sich vorweg die Maler ihrer annahmen, im wetteifer mit der poesie und der Marmorbildnerei. Man bedenke die Aporie, die den Bildhauer umtrieb: wie hätte ein Virtuose, der ohnehin mit stein operiert, die ›steinfrau‹ als sol­ che kenntlich machen sollen? es ist dies der Moment, in dem der stein versagt. in der porträtmalerei finden wir daher die geglücktesten kompensatorischen reaktionen. leo­ nardos wahl des porphyrs bietet ein Korrelat zur Frau von »höchster härte«; es erfüllt aus dieser sicht das convenevolezza­postulat,1094 wie auch der stimmungswert der land­ schaft hinter Ginevra de’ Benci, rauheit und Kühle, die charakteristiken der Rime petrose­Vegetation aufnehmen. Vorzugsweise besteht diese aus winterharten Bäumen, besonders aus solchen, deren stechende nadeln die »crudele spina« (nr. 1, v. 49) als Ver­ ursacherin bleibender liebeswunden gegenwärtig halten.1095 der Betrachter mochte Ginevras krauses, sich diesem Grün angleichendes haar als fast wörtliches Zitat aus einer stein­sestine empfinden (»perche si mischia il crespo giallo e ’l verde«; nr. 2, v. 15) (Abb. 118); und der leicht leoninische einschlag, der Ginevras physiognomie eigen ist,

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Zum steingedanken Time and the Crystal, 1990, s. 32ff. Zu ihrer »maggior durezza« Battaglia, 1964, nr. 4, v. 4, s. 94; die sich gegenseitig relativierenden Ausnahmen waren »marmo« (nr. 1, v. 72), das Adjektiv »cristallina« (nr. 3, v. 26) und der Jaspis (»diaspro«) (nr. 4, v. 5). die präferenz dieser Art der Vegetation ist der ersten sestine zu entnehmen, in der dante von der Zeit der Verborgenheit grüner Blätter spricht (»rame di foglia verde a noi s’asconde«; v. 43), vom lorbeer (»lauro«), den nadelbäumen pinie (»pino«), der tanne (»abete«) und anderen, »die des ste­ ten laubs sich freun« (»o in alcun che sua verdura serba«); s. Battaglia, 1964, s. 74 (nr. 1, vv. 43ff.); plinius, NH, XVi, 90, s. 64 betont, dass der wacholder dornen anstelle von Blättern trage (»iunipe­ ris spina pro folio est«). Man beachte auch die epitheta des waldes im eingangsszenario von dante, Inferno, i, v. 5, Bd. i, s. 10: »una selva selvaggia ed aspra e forte«.

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bekräftigt leonardos Orientierung an der donna aspra­typologie.1096 trifft dies zu, dann ist leonardo, keineswegs singulär in seinem Œuvre, dante gefolgt,1097 der wiederum nicht unbeeindruckt vom mittelalterlich­rhetorischen schema der rota Virgilii agierte. in diesem Modell der genera dicendi wurden passend zur jeweiligen stilart (stilus materiae) tiere und Bäume zugeordnet, beispielsweise zu dem erhabenheit anvisierenden stilus gravis das pferd und der lorbeer.1098 Allein der name Ginevra, der stets mit dem immerzu als arbor aspra bezeichneten wacholder assoziiert wurde (die mittelalterliche enzyklopädie des petrus Bechorius, Reductorium morale, ergänzt den Bezug vom wachol­ der zum schmerz),1099 mag als Anstoß für eine nach Kriterien des parlar aspro stilisierte herzensherrin genügt haben, wobei deren beigesellte Bildelemente sich, genau besehen, als wellen ein und desselben stilistischen stromes erweisen. Keine ›stilwidrigkeit‹ stört diese Färbung.

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Zum referenzmodell der »asperitatem mulierem«, die in Bezug zu einem weiblichen und männ­ lichen sprachklang gesetzt wird, s. dante, De vulgari eloquentia, i, cap. 14, 2­3 (im Gegensatz zur engelsgleichen Frau des dolce stil novo). wie sehr in porträtdarstellungen der name und die eigen­ heit der Figurierenden eine rolle spielten, beweist die 1507 gefertigte Selbstporträtbüste des padua­ ner Bronzebildners Andrea Briosco, genannt riccio (wien, Kunsthistorisches Museum, inv.­nr. 5516) oder latinisiert »crispus« (Krauskopf) (so bei Gaurico, De sculptura, s. 261). der seinem ruf­ namen alle ehre machende, im porträt sehr übertriebene Krauskopf gerät zum individuellen erken­ nungsmerkmal dieses Bildhauers; abgebildet in erna Fiorentini, Ikonographie eines Wandels. Form und Intention von Selbstbildnis und Porträt des Bildhauers im Italien des 16. Jahrhunderts, Berlin, 1999, s. 125, Kat.­nr. 7, Abb. 7. Als erstes ist die ca. 1516 zu datierende Kreidezeichnung des zur seite deutenden, heiteren Mäd­ chens in windsor castle zu nennen (inv.­nr. rl 12581), die, vor idyllischer landschaft im wasser stehend, einen Blumenstrauß zu halten scheint; Meller hat sie überzeugend mit ›Matelda‹ identifi­ ziert, dantes Führerin im irdischen paradies (Purgatorio, XXViii, vv. 40ff.), s. peter Meller, »leo­ nardo da Vinci’s drawing to the divine comedy«, in: Acta Historiae Artium Hungarium, 2, 1955, s. 135–168; Zustimmung erntete er nicht nur von Arasse, [1997] 2002, s. 485; Kemp, 1985, s. 200, Abb. 3 stellte fest (s. 199): »[…] there do seem to be clear references to love poetry in his practise of painting«. eine Anekdote über den 1503 nach Florenz zurückgekehrten leonardo, der von Gebilde­ ten zur Auslegung dantes befragt wird, im Anonimo Magliabechiano, s. 122: »e passando ditto lionardo, insieme con Giovanni da Gavine, da santa trinita, dalla, pancaccia delli spini, dove era una ragunata d’uomini da bene, e dove si disputava un passo di dante, chiamaro detto lionardo dicendogli che dichiaresse loro, quel passo […].« Zu diesem ursprünglich hierarchischem schema, das vom Vergil­Kommentar des donatus, aus­ gehend von Vergils werken (Bucolica, Georgica, Aeneis), hergeleitet ist, s. curtius, [1948] 101984, s. 207, A 3, s. 238; im hochmittelalter vertreten in der poetik des John of Garland, Poetria, cap. 2, 115–123, s. 38; cap. 1, 394ff., s. 24. Berchorius, Reductorium morale, Xii, cap. 79 (»de iunipero«), Bd. ii, s. 821ff.: »iuniperus est arbor aspera, et pungitiva in locis desertis, et incultis crescens, et dicitur iuniperus secundum isidor […]. est ergo mundus arbor aspera, quia vere suae tribulationes […] dolores, ipsum faciunt asperum.« Vgl. auch Ijob, 30, 4.

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Kehren wir zu Ginevra als dichterin zurück. der capoverso einer einzigen sestine ist fraglos unzureichend für rückschlüsse auf ein dichterisches Œuvre, sofern ein solches – im konventionellen sinne – überhaupt existierte. wer sagt uns, dass die Florentinerin zum Zeitpunkt, als sie leonardo Modell saß, d. h. mindestens zehn Jahre vor dem Brief aus rom, bereits zur Feder griff? Man mag einzig aus den Versen landinos vielleicht mehr als einen hinweis auf die Anmut ihrer stimme heraushören, wenn zu lesen ist: »als sie [Ginevra] sprach, / hättest du geschworen, dass die Grazien worte ihrer eigenen lippen entströmen ließen«. Mehr Gewicht als diese phrase besitzt eine sequenz der elegie Quaeris, Bembe, diu sileat cur nostra Thalia: »Aber, glaube mir, dass nicht goldenes haar oder dunkle Augen einst der Grund für so großen liebeswahn waren, sondern männliche tugend in einer weiblichen Brust und die zu erinnernde Kraft ihres talentes, die mich mehr bewegt haben.« (L, nr. 4, vv. 15–19) Allenfalls der wacholderzweig, der sich, wie wir vielleicht aus der windsor­Zeichnung (Abb. 99) folgern dürfen, einst in Ginevras hand befand, konnte den Betrachter sub­ kutan einladen, etwas vom Flair einer dichterin zu ahnen, erinnert dieser Zweig doch an eine schreibfeder (an den aus einer pflanze – dem rohr – gefertigten calamus) oder einen Griffel, den stilus, der in der dichtkunst längst zur Metynomie für die individuelle stil­physiognomie avanciert war.1100 Freilich mag leonardos stilisierung von Ginevra als modern variierte wiedergängerin lauras zur evokation einer musa/poetessa genügt 1100

Über calamus, pinna (d. i. eine nebenform von penna) und stilus, siehe s. v. in isidor, Etymologiarum libri, Vi; vgl. eberlein, 1995, s. 124ff. mit weiterführender literatur; die begriffliche entwicklung des stilus vom schreibinstrument zum stil nachgezeichnet bei pfisterer, 2002, s. 40ff. – ein Zeugnis der verinnerlichten Verbindung zwischen dem schreibinstrument und dem Vegetabilischen war die Bronze­Scrivania des Andrea riccio, bestehend aus einer wurzeltrouvaille (eiche?) (einst in Berlin, Kaiser­Friedrich­Museum, inv.­nr. 2595), s. Natur und Antike, 1985, s. 198ff., die Abb. auf s. 199. – während schreibwerkzeuge von dichterinnen oft literarisch beredet werden (v. a. der calamus der dichterin cornificia in Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 86, Bd. X, s. 338), sieht es mit Bild­ zeugnissen, abgesehen von denjenigen aus der Antike, spärlich aus. inspirierend für darstellungen war allenfalls, neben den Zweigen als Attribut lauras, der lorbeerzweig des Apollo-Musagetes (wie in den sogenannten Tarocchi des Mantegna (coburg, Kunstsammlungen der Veste coburg, Gra­ phische sammlung, inv.­nr. Xiii, 332, 11); s. Tarocchi, 1989, Abb. auf s. 55 und Kat.­nr. 55, oder der in Agostino di duccios Marmorrelief im Templum Malatestianum, s. 260–261, s. schröter, 1977, Abb. 46; zu Allusionen an das instrument des dichters in Bildnissen des cinquecento Koos, 2006, s. 146–147. Mit dem szepter in Morettos Porträt der Tullia von Aragon (Brescia, pinacoteca civica tosio Martinengo, inv.­nr. 81) zeichnet sich gegen 1535 m. e. eventuell eine Allusion auf den stift einer dichterin ab. dies gilt insofern, als der blättrig­geschwungene szepter­Knauf zwar nicht ihrem faktischen stilmodus, so doch ihrer individualität Anschaulichkeit verleihen könnte: »tullia« klingt wie (ital.) »tuia«, der lebensbaum und erinnert gleichwohl an (ital.) »tulpiano«, die

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haben. Unsere Beobachtungen zeigen andererseits, dass die konkreten Ausdruckswerte der Ginevra einer genuin dantesken typenbildung unterworfen waren. Mit den stein­ proprietäten, die leonardo dem Bildnis der Ginevra einverleibte, ist dieses nicht allein von einem paragone mit der poesie motiviert; es provozierte diesen wiederum im rezi­ pienten, der diese werte unerwartet betrachtend vernahm, nicht lesend.

6.2. Bembos sappho­Verehrung und die schönheit des Geistes »At qualem ostendit personam?« poliziano, Ennaratio in Sapphus epistolam, s. 77

in Anbetracht des Mangels an identifizierten dichterinnen­porträts, in denen nachweis­ lich eine Virtuosin der Frühen neuzeit figuriert, bleibt das Bestreben, eine von ihnen, überdies eine nur dilettierende, im Bildnis dingfest machen zu wollen, fraglos mit einer großen problematik behaftet. dem typus der dilettantin entsprach dokumentierbar die Adlige isotta nogarola (1418–1466), von der seit 1497 ein schematisiertes Autorinnen­ bild kursierte; es ist beileibe kein porträt.1101 der dichtung aus der Feder von Frauen haftete in der renaissancezeit eine Besonderheit an, laut pietro Bembo – er stand in sehr enger tuchfühlung mit poetinnen wie Vittoria colonna und Veronica Gambara – sei sie um so wertvoller, da Frauen diesem drang seltener nachgäben.1102 was die Forschung auf der Grundlage einiger dichterinnen­porträts des cinquecento sehr wohl erkannte, sind die nachwehen von petrarcas laura, d. h. die sich breit machende tendenz zur Überlagerung des Bildes der poetin mit dem der Muse (wenn man so will, gemäß der spätestens seit homer dokumentierbaren doppelrolle der vates als ruhmesträger und – spender).1103 Zusätzlich verkompliziert wird der Gegenstand durch eine, wegen der abwei­

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tulpe, eine Blume, die im 16. Jahrhundert nach europa gelangt ist; s. Vittoria Colonna, 1997, s. 209ff., Kat.­nr. ii. 37, eine Farbabbildung auf s. 211. Zu sehen ist das strenge profilbild der in Verona gebürtigen dichterin am lesepult; der holzschnitt ziert das Buch von Jacopo Foresti, De plurimis claris selectisque mulieribus, Ferrara: laurentius de rubeis, de Valentia, 1497, fol. cli. nogarola, die in Venedig verstarb, war schülerin Guarinos. Zur problematik der dichterinnen­Bildnisse cropper, 1986. Vittore carpaccio scheint ein porträt der dichterin Girolama corsi ramos gemalt zu haben; jedenfalls schrieb sie selbst Verse, die diesem porträt gewidmet waren; Angaben über Bildetails sucht man in ihnen vergebens; s. Albrecht­Bott, 1976, s. 144. Bembo, Gli Asolani, ii, cap. 25, s. 163. Grundlegend homer, Ilias, Vi, v. 359. – tatsächlich ist für Bernardo Bembo »MUsA« das pendant für »pOetA«; s. Bembo, Zibaldone, fol. 250r. das seit alters her, noch in der renaissance nahezu obligatorische Attribut der Musen, ein Musikinstrument je nach Genre, färbte ab auf die dichte­ rinnen­ikonografie. das belegen frühe Buchilluminationen, s. beispielsweise der von Johann Zainer

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chenden geschlechtsspezifischen rollenerwartung, mit der Bildtradition männlicher dichterbildnisse zwar nicht brechenden, aber mehr latent sich entfaltenden ikonografie, deren frühneuzeitliche Anfänge undurchsichsichtig bleiben. wenn leonardos Ginevra ikonografisch tatsächlich an der Grenzscheide zwischen musa und poetessa zu stehen scheint, dann weniger wegen ihrer mit einer dichter­corona verwandten ›wacholder­ Aureole‹ (selbst in der Antike konnte deren pflanzliche Beschaffenheit je nach literaturgat­ tung, der sich ein dichter verdingte, variieren),1104 als wegen der nach topischen Krite­ rien des idealen dichterortes gestalteten staffage. wir müssen uns fragen: welche porträtierte Frau des Quattrocento, abgesehen von ihr, sitzt nach bewährter dichter­ ikonografie unter einem kühlen Baumschatten? Ginevra, deren Züge in wünschens­ werter eindeutigkeit die seit Ficino engstens mit dem Geniekult und dem Künstlertum assoziierte seelische Gemütsverstimmung der Melancholie spiegelt,1105 befindet sich zuseiten eines Gewässers, ganz ähnlich wie die lorbeergekrönte Poesie der sogenannten der Tarocchi des Mantegna (Abb. 134), deren verdrehte Augen dem wahnhaft göttlichen furor Ausdruck verleihen, den die dichter allein für sich reklamierten – ein traditions­ reiches Argument, das leonardo übrigens im paragone vollends überging.1106 dieses Gewässer lässt an die aonische, von pegasus (Bembos wappentier) erweckte Musenquelle

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gefertigte holzschnitt der kitharaspielenden sappho (neben Büchern im studierzimmer) aus Libri Johanis Boccacij de Certaldo, de mulieribus claris, ad andreã de acciarolis de florencia alteuille comitissam Rubrice incipiunt Feliciter, Ulm: Johannes Zainer, 1473, fol. 48v; mit dem liebespaar im hin­ tergrund wird die nähe zur Muse erato ersichtlich; vgl. auch raffaels Sappho mit der lyra, s. schrö­ ter, 1977, Abb. 108. Zu vorbildgebenden Musen­darstellungen aus dem Quattrocento, s. Tarocchi, 1989, passim und schröter, 1977, passim. in Guarinos Musenprogramm von 1447 ist der lorbeer­ kranz ein Attribut Kalliopes, s. ebenda, s. 318ff.; auch die Poesia der Tarocchi (ca. 1465) trägt den lorbeerkranz (s. Tarocchi, 1989, s. 60f., Kat.­nr. 58); zum einfluss auf dichterinnen­darstellun­ gen Vittoria Colonna, 1997, passim. so wünschte properz von den pegasiden den weichen (»mollia«) Kranz des elegikers, da ihm ein harter Kranz (»dura corona«) – ein derartiges literaturgenre war impliziert – schlecht zu Gesicht stünde; s. properz, Carmina, iii, 1, vv. 19–20 (vgl. ebenda, iV, 1, vv. 61–62 die Feststellung, dass ennius seine dichtung mit einem stacheligen Kranz umflechte, aber er, properz, efeu wünsche); auch zitiert in poliziano, Enarratio in Sapphus epistolam, s. 20; vgl. auch Ovid, Tristia, i, 7, vv. 1ff. – nach rezenter Forschungsmeinung ist die erste unverhohlene darstellung einer poetessa laureata in der Frühen neuzeit kaum vor dem zweiten drittel des cinquecento anzusetzen; mehr dazu s. Vittoria Colonna, 1997, s. 140. Zu dieser Materie noch immer raymond Klibansky, erwin panofsky, Fritz saxl, Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und der Kunst, [engl. orig. london, 1964] Frankfurt a. Main, 1990, s. 367ff. die Vorstellung, dass der dichter von göttlichem Odem beflügelt werde, begegnet vor allem in Ficinos Brieftraktat De divino furore, auch bei salutati (De laboribus Herculis, i, 3) und, bereits vor 1404, in Fiano, Contra ridiculos oblocutores, s. 137: »poete quidem, quorum divina ingenia celestis afflavit spiritus […]«; s. zum furor poeticus Brann, 2002. Zur Poesie der Tarocchi, 1989, Kat.­nr. 58; zu einem Fest­Auftritt der lorbeergekrönten Poesie 1475 in pesaro schröter, 1977, s. 120ff., Abb. 107.

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denken, zu der, zumindest in der gegen 1430 ver­ fassten parnassvision Filomena, die poeti fiorentini unter der Führung von dante pilgerten.1107 dass die adäquate Örtlichkeit für Ginevra statt eines locus amoenus ein, um mit dante zu spre­ chen, »luogho aspro« ist, könnte als personalisti­ sches argumentum a loco bewertet werden.1108 wir könnten es bei diesen Gedanken bewen­ den lassen, wäre da nicht eine erwähnenswerte Verbindung zwischen dem Auftraggeber von leonardos porträt und der wichtigsten projek­ tionsfigur für alle frühneuzeitlichen dichterin­ nen, namentlich sappho, von der übrigens kein zweites gemaltes Bildnis so sehr durch die Köpfe der humanisten geisterte wie das des antiken Malers leon;1109 und mehr als nur ein Gedicht­ fragment sapphos klingt wie die Vorwegnahme der rime aspre (»Gliederlösender eros treibt wie­ der mich / um, süß­bitter, unzähmbar, ein wildes

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134 Die Poesie (»pOesiA«), ca. 1465–1475, aus der serie der sog. Tarocchi des Mantegna, hamburg, Kunsthalle

siehe Giovanni Gherardi da prato, Filomena, s. 406; vgl. Ovid, Heroides, XV, vv. 157–158 und dersel­ be, Metamorphosen, V, vv. 260–265. die topoi zum dichterort – unter Angabe älterer Quellen aus der bukolischen poesie – vor allem in petrarca, De vita solitaria, ii, 66; zum kühlen Baumschatten s. 488– 489, zum Felsenschatten s. 552–554; vgl. curtius, [1948], 101984, s. 195–199. – der prototyp in der bildenden Kunst ist das lagerungsmotiv Apolls unter dem lorbeerbaum, s. den Abbildungsteil von schröter, 1977, besonders Abb. 39, 40, 53, 55, 57, 70, 72, 108; dieser darstellungstypus gilt auch für andere dichter; s. die von petrarca selbst in Auftrag gegebene Vergil­darstellung simone Martinis als Frontispiz seines Vergil­codex (BA, Ms. s.p. Arm. 10, scat. 27, fol. 1); trapp, 1996, s. 73, Abb. 54 und Martindale, 1988, Kat.­nr. 15, Abb. 15. – Als rückzugsort des dichters war der lorbeerbaum keineswegs verbindlich; die Carmina Burana (nr. 19, str. 1) sprechen beispielsweise vom einem Ölbaum. der Unverwüstlichkeit des lorbeers wurde bereits in der Antike die von anderen pflanzen entgegen­ gehalten; Ovid, Amores, i, 15, 37 wünschte sich als dichter den frostscheuenden Myrtenkranz. lausberg, [1960] 31990, § 382–384, s. 210–211. währende härte (»[…] omnibusque his dura facies semper«) war laut plinius, NH, XVi, 96, s. 68 ein charakteristikum des wacholders. Man denke auch an das geflügelte wort Silva placet Musis, s. petrarca, Epistole metriche, ii, 3. – die wirkung von sap­ pho auf steine in der ekloge von Boccaccio, Bucolicum Carmen, Xii, vv. 75–76, Bd. V/2, s. 836: »lau­ dibus hi saphon, resonantibus undique saxis, / vocibus et calamis pariter, super astra ferebant«; die Berge galten als ihre Gefilde ebenda, s. 840, vv. 107–108: »Quid montes habitat saphos?« plinius, NH, XXXV, 141, s. 102: »pinxit […] leon sappho, […]«; wiederholt von Bernardo Bem­ bos Freund Barbaro, Castigationes Plinianae, Bd. iii, s. 1141–1142: »distinguendum ita ut intelligas

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tier«).1110 sapphos ovidischer heroidenbrief – man hielt ihn wegen der eigentümlichen Überlieferungssituation in der renaissance irrtümlich für ihre authentische, von Ovid nur übersetzte epistel –1111 bildete einen Markstein im intellektuellen leben Bernardo Bembos. wie von diesem nicht übersehen wurde, kommt in jenem Brief explizit dem Begriff »forma« eine schlüsselrolle zu. Allein der fünfzehnte heroidenbrief Ovids, ein fiktiver liebesbrief sapphos an phaon, bildete nach dem Bekenntnis Bernardo Bembos einen teil seines ersten transkribierten codex.1112 der datumseintrag 1450–1451 wird ergänzt durch den stolzen hinweis des Bildungsbeflissenen auf das Vorliegen seiner erstschrift: »haec sunt primiciae meae«!1113 wie noch Gaspare Visconti und poliziano gegenwärtig war, besaß Ovids epistel wesentlich die Kennzeichen einer traurigen liebe (»flendus amor«).1114 die tragische, an der Abwesenheit ihres Geliebten phaon leidende heroine von Ovids epistel bekundet, unter dem diktat von »[…] pegasus Freundinnen [sc. den Musen]«1115 liebeselegien (!) zu schreiben. dass sie daher von der Muse erato vereinnahmt sei, hielt noch lomazzo für ausgemacht.1116 der Angelpunkt von sapphos Brief ist die leitmotivische Verwendung von forma als diaphora, das heißt als steigernd­ semantische Unterscheidung durch Zweitsetzung des gleichen wortkörpers.1117 Zwei­ fach wird diese dichterin durch forma ausgezeichnet, einerseits wegen des Fehlens ihrer äußeren schönheit (»formam«), andererseits kraft ihres individuellen Vorzugs, der

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ipam sappho quam pinxit psaltriam fuisse, auctor non suidas modo (§ 108), sed Athenaeus quoque qui sappho meretricem eressiam quae phaonem admaverit alteram ab illa poetria videtur existimas­ se […].« – pausanias berichtet vom Bildnis der dichterin telesilla mit Büchern zu ihren Füßen; s. pausanias, Beschreibung Griechenlands, 20, 8. sappho, Lieder, 137d, s. 95; im ton vergleichbar das sappho­Zitat in plutarch, Moralia, 81d und pseudo­longinos, Vom Erhabenen, X, 2. dem Mittelalter war der sappho­Brief Ovids – im Gegensatz zum restlichen teil der Heroides – unbekannt; zu seiner entdeckung in den ersten Quattrocento­dekaden sabbadini, 1905–1914, Bd. ii, s. 238. BM, Ms. Marc. lat. ii 55 (= 2922), fol. 34r: »[…] la saphos mulieris poetissae ad amasium epistola traducta per Ovidium nasonem […]«; Bembos Abschrift der sappho­epistel von fols. 8r–14v. ebenda. Ovid, Heroides, 15, v. 7, s. 140; auf eine griffige Formel gebracht von Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 47, Bd. X, s. 192: »uti feliciter studuit, sic infelici amore capta est«; vgl. poliziano, Silvae, vv. 619ff., s. 233: »[…] sed enim lyricis iam nona poetis / Aeolis accedit sappho, quae flumina prop­ ter / pierias legit ungue rosas unde implicet audax / serta cupido sibi; […]«; oder Visconti, I canzonieri, nr. 47, vv. 124–125, s. 42: »safo dentro a l’orechie ognor me dice: / – Va’, misero amator, va’cerca presto / fiaccarte il collo giù d’una pendice!« Ovid, Heroides, 15, vv. 27–28, s. 142–143: »at mihi pegasides blandissima carmina dictant; / iam canitur toto nomen in orbe meum«. ebenda, v. 7, s. 143 (Üs: Bruno häuptli): »traurig ist meine liebe: elegische Verse sind traurig«; lomazzo, Della forma delle Muse, Bd. ii, s. 621: »[…] da erato, saffo […].« Zu diesem auch distinctio genannten stilmittel Quintilian, Institutio oratoria, iX, 3, 65f. und laus­ berg, 31990, s. 333f., § 660–662.

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135 Seite aus Sapphos Brief an Phaeon (d. i. Ovid, Heroides) mit Anstreichungen Bernardo Bembos, ca. 1450–1451, Venedig, Biblioteca Marciana, Ms. Marc. lat. ii 55 (= 2922), fol. 9v

schönheit (»formae») des Geistes, der ein kompensatorischer impetus innewohnt: »hat mir auch die natur mißmutig schönheit verweigert«, sinniert sie, »wiege [ich] mit mei­ nem Geist leibliche Mängel doch auf!« die einzige Anstreichung, die Bernardo Bembo in seiner epistel­Abschrift aus 220 Verszeilen (sie erstreckt sich über vierzehn Buchseiten seines libretto) unternahm, betrifft (in roter tinte wie die initialen) eben diese Versfolge (Abb. 135). er betonte sie mit einer Klammer und einer manicula.1118 in weiterführung der eingeführten distinktion beteuert sappho, sie wünsche keine persönlichkeitsbeur­ teilung nach ihrem Aussehen – deshalb der fehlende Juwelenschmuck (v. 74) und ihr schlichtes Kleid (v. 75) –, sondern eine nach den Früchten ihrer »schönen« Geisteskraft, 1118

Ms. Marc. lat. ii 55 (= 2922), fol. 9r, vgl. Ovid, Heroides, 15, vv. 31–32, s. 143 (Üs: Bruno häuptli): »si mihi difficilis formam natura negavit, / ingenio formae damna repende meae«. die Art der Klammer mit manicula entspricht dem usus scribendi Bembos; man vergleiche etwa Bembos seneca­ handschrift Ms. eton college 135, fol. 35r und vor allem 102v (Giannetto, 1985, Abb. 6 u. 7).

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ihren literarischen ergüssen. einzig in dieser perspektive wähnt sie sich schön: »[doch] als du meine werke lasest, schien ich dir schön [formosa] […].«1119 Ovid hat hier in sehr bezaubernder weise den alten, in der Automimesis­idee verankerten späteren paragone­ topos in Form einer Antithese auf die spitze getrieben, dass nämlich die optimale Gelehrtendarstellung auf das schriftwerk verweisen müsse, ja allein in diesem verankert sei. in diesem zeige sich das wahre ›Bildnis‹, nicht in einem auf bloß Äußerliches konzen­ trierten gemalten oder gemeißelten Antlitz.1120 wir müssen uns in Anbetracht eines Zeitalters, in dem das literarisch tradierte Bild der sappho, die in aller Munde war,1121 die für Jahrhunderte die conditio sine qua non für nahezu jede dichterinnen­darstellung bildete (selbst deren Vermengung mit der Musen­ikonografie war genuin sappho geschul­ det),1122 fragen: inwiefern prägte Ovids diaphorische Verwendung von forma leonardos Ginevra? trug die beidseitige Bemalung der Antithese von äußerer und geistiger schön­ 1119

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Ovid, Heroides, 15, v. 41, s. 144–145 (Üs: Bruno häuptli): »at mea cum legeres, etiam formosa videbar;«. der Automimesis­Gedanke, besonders von der epistolartheorie kultiviert, übernommen von Boccaccio, De mulieris claris, cap. 47, Bd. X, s. 190f.: »sane, si studium inspexerimus, quod annositas abstulit pro parte restitutum videbimus, […].« Zu diesem topos, der tatsächlich engstens mit der epistolartheorie verbunden ist, statt vieler zusammenfassend walter ludwig, »das bessere Bildnis des Gelehrten«, in: Philologus, 142, 1998, s. 123–161 mit weiterführender literatur; markant vertreten in Martial, Epigrammaton liber, Vii, nr. 84; iX, nr. 74. nr. 76; Ovid, Tristien, i, 7, vv. 11; in der Frühen neuzeit auf sappho bezogen von Boccaccio, De mulieris claris, cap. 47, s. 190f.: »[…] nec amplius sue originis posteritati relictum est. sane, si studium inspexerimus, quod annositas abstulit pro parte restitutum videbimus, […]«; all­ gemeiner petrarca, Familiarum rerum libri, Bd. iV, s. 118ff. – Zum Automimesis­Gedanken v. a. bei leonardo, ausgehend vom toskanischen sprichwort ›Ogni pittore dipinge sé‹, s. Zöllner, 1992, s. 137–160 mit der nennung der entscheidenden Quellen auf s. 137, Anm. 2 u. 3; vgl. Arasse, 1997, s. 7ff. Zu sappho Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 47, Bd. X, s. 190–193. – Zu Boccaccios Bild der intellektuellen Frau s. ferner seine Vita der dichterin cornificia (cap. 86), die von proba, der mut­ maßlichen Verfasserin des Vergil­cento (cap. 97) und von isis, der erfinderin der schrift (cap. 8). – ein gelehrtes Mädchen ist sappho für petrarca, Bucolicum carmen, 10, v. 89; 1425 heißt es in Bruni, De studiis et litteris liber, s. 6: »[…] et saphoos poemata et libri summo in honore apud Graecos propter singularem facundiam et scribendi artem habiti sunt«; nach poliziano, Ennaratio in Sapphus epistolam, s. 4 erklomm sie mit leichtigkeit ihren rang als höchste dichterin; piccolomini, Commentarii, X, z. 20, Bd. ii, s. 573: »[…] cum his et sappho claruit admiranda mulier et poeticae peritissima, cui post tot secula non est reperta que posset equari.« Fregoso, De dictis, Viii, cap. 3 (»de foeminis quae doctrina excellerunt«), fol. hh6r, s. v. »de sapho lesbia.« ihre Vorzüglichkeit in der poesie betont castiglione, Cortegiano, iii, cap. 28, s. 288; die hervorhebung ihrer Gelehrtheit und leistungskraft in Ariost, Orlando Furioso, XX, 1, vv. 7–8. Gemeint ist die auf platon zurückgehende Apostrophierung von sappho als ›zehnte der Musen‹ (überliefert durch AG, Bd. iX, sp. 506; vgl. poliziano, Ennaratio in Sapphus epistolam, s. 4. sie war in der renaissance populär: Gasparo Visconti titulierte die Mailänder herzogin Beatrice d’este als ›zehnte der Musen‹; s. Visconti, I canzonieri, ›prefazione‹, s. 7: »[…] tu sei tra le Grazie la quarta, tra le Muse la decima […]«; 1525 münzte Mario equicola den topos in De natura de amore auf isabella

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heit rechnung? ein ambitionierter Maler würde freilich sein Metier verraten, sofern er dem schriftzeugnis einer dichterin den Vorzug gegenüber ihrem (d. h. seinem) ›äußerli­ chen‹ porträt gäbe. eine lösung in Ovids sinne und mit nachhaltiger wirkung präsen­ tierte raffael mit seiner durchaus schönen Sappho im parnassfresko der stanza della seg­ natura (Abb. 136). die Abwendung ihres Gesichtes, eine bewusste dissimulatio, steht im Gegensatz zur Ostentation ihres werkes, genauer, zu ihrem, auf den Betrachter hin aus­ gerichteten lyra­spiel und ihrer Buchrolle, die ihren Autorennamen (»sApphO«) preis­ gibt. dergestalt wurde ein strukturelles Korrelat zum nacherleben der Option ersonnen, ihr Geliebter möge sie auch ohne ihren namen, alleine an ihrer handschrift erkennen: »hast du, als du die handschrift […] erblicktest, / etwa sogleich meine hand mit dei­ nen Augen erkannt? / Oder«, und nun wird raffaels Ovid­Kenntnis ersichtlich: »hättest du nicht den namenszug ›sappho‹ gelesen, / wüßtest du nicht, woher wohl dieses knap­ pe werk stammt?«1123 Für den Ovid­Kommentator poliziano stellte sich im Quattrocen­

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d’este; s. Vittoria Colonna, 1997, s. 119. – Zum sappho­Bild als richtschnur der dichterinnen­ ikonografie s. unten die Anm. zu raffaels Sappho. »ecquid, ut adspecta est […] littera dextrae, / protinus est oculis cognita nostra tuis – / an, nisi legisses auctoris nomina sapphus, / hoc breve nescires unde movetur opus?«; Ovid, Heroides, XV, vv. 1–4, s. 142/143 (Üs: Bruno häuptli); auch ihr lyra­spiel bei raffael folgt Ovid (s. ebenda, v. 181 und v. 183, s. 150: »GrAtA lYrAM pOsUi tiBi, phOeBe, pOetriA sApphO«); präg­ nanter poliziano, Ennaratio in Sapphus epistolam, s. 10: »[…] cum dissimulanter ab illo quaerit an, cum litteram docta manu scriptam viderit, statim intellecturus sit esse eam sapphus, an magis titulo ipso et nomine egeat, ut auctorem eius epistolae possit agnoscere.« – im diesem Kontext ist winners Beobachtung nicht unerheblich, dass auf der schriftrolle von raffaels Sappho nicht nur ihr name zu lesen ist, sondern darüber eine halbe schriftzeile, als würde es sich um einen signierten Brief han­ deln; s. Matthias winner, »lorbeerbäume auf raffaels parnaß«, in: L’Europa e l’arte italiana (colla­ na del Kunsthistorisches institut in Florenz, Max­planck­institut 3), hrsg. v. Max seidel, Venedig, 2000, s. 186–209, s. 188. Filarete stellte beachtliche reflexionen über den individualstil von schreibern [und bildenden Künstlern] an, der an seinen Buchstaben wiedererkannt werden könne; s. Filarete, Trattato, Bd. i, s. 27f. Abhängig von raffaels dissimulatio­typus sind auch die sappho­ Zeichnungen von cesare da sesto (louvre 6781) und von paolo Farinati (Sappho und Amor, ca. 1560; Frankfurt, städelsches Kunstinstitut, inv.­nr. 4141), ferner, deutlich durch die Abwendung einer herben, nicht eben mit schönheit gesegneten dichterin: Bronzinos Bildnis der Laura Battiferri; die Abhängigkeit dieser pose von Ovids sappho ist noch nicht erkannt worden; instruktiv Victo­ ria Kirkham, »dante’s Fantom, petrarch’s specter. Bronzino’s portrait of the poet laura Battiferra«, in: ›Visibile parlare‹. Dante and the Art of the Italian Renaissance, Lectura Dantis, 22/23, 1998, s. 63–139. – eines der Motive, das infolge von Ovids sappho (Ovid, Heroides, XV, vv. 121–122) schule machte, ist das der entblößten Brust: es begegnet auf der Medaille der Vittoria Colonna (und auf Ferrante d’Avalos) von ca. 1525 (wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, inv.­nr. 6922bß; s. Vittoria Colonna, 1997, s. 137, Kat.­nr. 54), in Giorgiones Laura und in der »poesia« von ripa, Iconologia, s. 406. – die intellektuelle Aura von sappho war groß genug, um selbst von bil­ denden Künstlerinnen in Anspruch genommen zu werden. Über die charakterisierung der Bild­ hauerin properzia de’rossi nach Zügen der sappho, s. Federika h. Jacobs, Defining the Renaissance ›Virtuosa‹, cambridge, 1997, s. 79ff. das sappho­Bild war m. e. auch tonangebend für einige

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136 raffael, Sappho, ca. 1510/1511, detail aus: Parnass, rom, Vatikanischer palast, stanza della segnatura

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to daher an diesem punkt die paragonale Grundsatzfrage: »At qualem ostendit per­ sonam?«1124 Möglicherweise wünschte bereits Giovanni di paolo diese Frage in seinem erwähnten doppelseitigen Gemälde an den Betrachter zu richten. denn er präsentierte diesem, der ihn auf der Vorderseite (sc. einer Madonna mit Kind) an seinem individual­ stil als Maler erkennen mochte, umseitig zum Vergleich seine geschriebene signatur (»OpVs iOhAnnis«) (Abb. 106).1125 Man wird die zitierte rivalisierende Abwägung, die Ovid unternahm, mitunter als einen der Vorläufer für leonardos Parte prima in den Blick nehmen müssen: die Abwägung von wort gegen [schrift­]Bild, d. h. für leonar­ dos rhetorische, auf die schwächung des selbstbewusstseins der dichter abzielende Fra­ ge, was denn näher am Menschen sei, der schriftzug »Mensch« oder das Abbild des Menschen.1126 was lässt sich über die Geltung des sappho­Briefes in leonardos Umfeld eruieren? nur soviel: Ovids Heroiden-Briefe befanden sich im nachlass von leonardos lehrer Andrea del Verrocchio.1127 Kristeller ist der hinweis zu verdanken, dass ein Heroides­

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selbstbildnisse der Malerin sofonisba Anguissola, möglicherweise wegen der Klangähnlichkeit von ›sophon‹ und ›sappho‹: »sOphOn pVellA« heißt es in einer inschrift auf ihrem Selbstbildnis vor der Staffelei (Mentana, sammlung Zeri): »MVsAs ApelleM A[e]QVAVi sOphOnisBA pVellA cOlOriBVs FVnGens cArMiniBVsQVe Meis« (den Musen und Apelles bin ich, das Mädchen sofonisba, durch den Gebrauch von Farben und liedern gleichgekommen). Man beachte die stilisierung sowohl zur Muse als auch zur dichterin bzw. sängerin. Überdies belebt die selbstbezeichnung als »puella« das Klischee des »Mädchens« sappho, das Boccaccio und petrarca wirkungsmächtig kreiert haben; s. »puella lesbia et poeta« oder als »docta puella« Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 47, s. 190. – Aus zwei weiteren selbstbildnissen sofonisbas lässt sich bildhaft der (sapphische?) wunsch ablesen, an ihrer handschrift erkannt zu werden. so hält sie im Selbstbildnis von 1554 (wien, Kunsthistorisches Museum) ein aufgeschlagenes opusculum mit den Zeilen: »sophonisba / Anguissola / virgo / seipsam / fecit / 1554«; und ihr Selbstbildnis, in dem sie einen clipeus vor sich hält (Boston, Museum of Fine Arts) zeigt ein kryptisches Monogramm; s. die Abbil­ dungen in Gunter schweikhart, »Boccaccios ›de claris mulieribus‹ und die selbstdarstellungen von Malerinnen im 16. Jahrhundert«, in: Der Künstler über sich, 1992, s. 113–136, s. 123; Abb. 6 (s. 131) und Abb. 10 (s. 134). – die Frisur des antiken sappho­porträts beeinflusste nicht nur diejenige von raffaels Sappho, auch einige Medaillen auf Vittoria colonna geben ihrem witwenschleier die struktur der ondulierten locken sapphos. dies ist zudem freilich eine Allusion auf den namen »colonna«; s. Vittoria Colonna, 1997, s. 143, Kat.­nr. i. 58. Abhängig von Ovids dichotomie ist vermutlich die Grabinschrift der 1555 verstorbenen dichterin Olimpia Morata: »Olympia Fulvia Morata – von der Form [forma] eines weibes, vom Geist eines Mannes […]« (»Olympiae Fulviae Moratae, forma quondam muliebri, ingenio homine maiori […]«); zitiert auf dem Frontispiz von Olimpia Morata, Opera omnia cum eruditorum testimoniis, Basel: petri pernae, 1580. poliziano, Ennaratio in Sapphus epistolam, s. 77. siehe cap. Vii.3.3, s. 512. leonardo, Libro di pittura, i, 19. das dokument vom 5. november 1490 im AsF, tribunale della Mercanzia, Atti in cause ordinarie [23.07.1490–03.05.1490]; zitiert nach dario covi, »Four new documents concerning Andrea del Verrocchio«, in: ArtBull, 48, 1966, s. 97–103, s. 103: »[…] le pistole d’Ovigio […].«

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Fragment in der Bodleian library, das die handschrift Alessandro Braccesis trägt, einem Konvolut von Briefen dieses dichters angefügt ist.1128 Bedeutungsvoll oder nicht, als Unterredner in lomazzos Libro dei sogni ist es ›Leonardo‹, der sappho unter den Koryphäen der dichtung nennt.1129 richten wir vor der Folie des sappho­Briefes unser Augenmerk erneut auf leonardos Ginevra: Grundsätzlich wäre es möglich, dass der kleine wacholder die dargestellte in ihrer eigenschaft als dichterin meint;1130 auch könnte gegebenenfalls ein Attribut wie ein Zweig, verstanden als stilus, auf ihre hand­ schrift und stileigenheit verweisen, an der ihr venezianischer Verehrer Bembo sie und ihre geistige »FOrMA« erkennen möge. in diesem Fall wäre ein wandel der diaphora zur zweifachen schönheit einer dichterin vonstatten gegangen. er würde einzig den ver­ wundern können, der die für Ovid vorbildgebenden beiden sappho­Gedichte nicht kennt. eines von ihnen, ein Fragment, ist mitsamt einer antiken Kommentierung über­ liefert: »›habe ich (doch nie) die schönheit ge(tadelt): denn was hatte ich denn (selbst) größeres?‹ ›[Zitat] (sie meint, daß in der schönheit auch) von sittlicher tugend ein gut teil enthalten ist: vielleicht aber will sie sagen, daß (sie selbst einst) sehr schön (war)‹«.1131 in einem anderen reim wägt sappho zwei Arten der schönheit gegeneinander ab: »zwar der schöne ist schön, – nur soweit, wie sein Anblick zeigt: / der rechtschaffene wird bald aber gleichfalls ein schöner sein.«1132 nachdem Bembos enger Freund, der Filelfo­schü­ ler Giorgio Merula, dem sappho­Brief 1474 eine Kommentierung beigesteuert hatte – es ist derselbe Merula, den der hofdichter Bellincioni neben leonardo, dem Medailleur caradosso und dem bombardiere »Gieronimo« zu den vier göttlichen sternen am hofe ludovico sforzas küren wird –,1133 folgte ihm 1481 eingedenk seiner projekte für das 1128

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siehe Ms. Bodl. Auct. F. 2.17, fols. 150–154v und fols. 194v–211v; vgl. paul Oskar Kristeller, »An Unknown correspondence of Alessandro Braccesi with niccolò Michelozzi, naldo naldi, Bartolo­ meo scala and other humanists (1470–1472) in Ms. Bodl. Auct.F.2.17«, in: Classical Mediaeval and Renaissance Studies in Honor of Berthold Louis Ullman, hrsg. v. charles henderson, rom, 1964, s. 311–359, s. 318. ein reim Braccesis über sappho auch im Gedicht für niccolò ceco: »né sì soave in lesbo resonava / colla sua cetra sapho, […].« Braccesi, Soneti e canzone, nr. 25, vv. 12–13, s. 29. lomazzo, Libro dei sogni, 5, Bd. i, s. 155: »[…] e nel versificare […] safo […].« ein horaz­Gedicht über einen Baum würdigt »sappho puellis«, s. horaz, Carmina, ii, 13, v. 25, s. 88. sappho, Lieder, 90lp, s. 15 (Üs: Max treu). ebenda, ii, 49d, s. 51. leonardo und Merula werden nacheinander genannt: Bellincioni, Rime, Bd. i, nr. 76, s. 106: »in lAUde di QUAttrO UOMini FAMOsi nUtriti sOttO All’ OMBrA del MOrO

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Florentiner Studio poliziano.1134 das von poliziano anlässlich von sapphos forma refe­ rierte geflügelte platon­wort von der »schönen sappho«1135 unterhöhlte die diaphora stark, stärker noch als es vordem Boccaccio tat, der, nicht ohne eindruck des καλοκάγαθíα­ ideals, die geballte schönheit der dichterin – neben der inneren auch die äußere – reha­ bilitierte.1136 Mit dieser neuen distinctio war, unter dem Vorzeichen der Bewährung, zwecks besserer Unterscheidung der weg zur Begriffsverlagerung der inneren forma zur virtus hin geebnet. Boccaccios sappho bewährte sich »in ihrer blühenden schönheit« (»florens et forma«) nach Kräften, indem sie in unablässiger Mühe über beschwerliche Abgründe hinweg den hochaufragenden parnassgipfel erklommen, lorbeerhaine durch­ quert und sich zu den Musen gesellt habe.1137 sappho erscheint in dieser Valorisierung wie ein zweiter herkules oder besser: als inkarnation der vorbildhaft für den rechten weg werbenden Virtus.1138

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[…]. // del Vinci s’suoi disegni e suoi colori / e moderni e gli antichi hanno paura. / che diren di quel sole Alessandrino [d. i. Giorgio Merula d’Alessandria della paglia], / che di lettere greche e di latine A’peregrini ingegni ha fatto lume? / […] perchè son quattro stelle oggi divine.« der Buchtitel von Merulas Ovid­Allegorese lautete In Sapphus epistolam interpretatio, Venedig: Giovanni da colo­ nia und Johann Manthen, 1474–1475. Merulas dion chrysostomus­Übersetzung für Bembo war übrigens Bestandteil von Bembos codex mit landinos elegien auf Ginevra de’ Benci (Ms. Ferr. ii, 162). – die vermehrte popularität des sappho­Briefes in den siebziger und achtziger Jahren des Quattrocento spiegelt v. a. domizio calderinis Commentariolus in Sappho Ovidii (Brescia, 1474). – ein pietro Bembo gewidmetes Gedicht auf sappho von navagero, Carmina, s. 189, nr. 36, v. 13: »nota lesboae lyra blanda sapphus:«. Auf Grundlage des in der staatsbibliothek München aufbewahrten Ms. lat. 754: poliziano, Enarratio in Sapphus epistolam«, s. 3ff. ebenda, s. v. »FOrMOsA«, s. 48; vgl. platon, Phaidros, 235c, Bd. iV, s. 17. Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 47, Bd. X, s. 192. ebenda, cap. 47, Bd. X, s. 192: »[…] adeo generose fuit mentis ut, etate florens et forma, non con­ tenta solum literas iungere novisse, ampliori fervore animi et ingenii suasa vivacitate, conscenso studio vigili per abruta parnasi vertice celso, se felici ausu, Musis non renuentibus, immiscuit; et laureo pervagato […].« das speziell auf Frauen gemünzte virtus­postulat sprach aus Boccaccios dedikation von De claris mulieribus an die Gräfin von Altavilla: Anders als es die Mehrzahl der Frauen glauben ließe, sei die Zierde (»decoranda«) weiblicher schönheit (»formositas«) nicht die schminke, sondern ehrbarkeit, Frömmigkeit und gute werke – topoi, durch die angeregt poliziano die dichterin cassandra Fedele hofieren wird; ebenda, Bd X, s. 22: »memor non pigmentis – ut plereque facitis mulieres – decoran­ da formositas est, sed exornanda honestate sanctitate et primis operibus; […].« Vgl. polizianos cha­ rakterisierung Fedeles; s. cassandra Fedele, Clarissimae feminae Cassandrae Fidelis venetae epistolae et orationes, hrsg. v. Giacomo Filippo tomasini, padua, 1636, s. 156: »pauci quoque virorum caput altius in literis extulerunt, unicam te tamen existes puellam, quae pro lana librum, pro fuco cala­ mum, stylum pro acu tractes, et quae non cutem cerussa, sed atramento papyrum linas« (»in dieser Zeit«, schrieb poliziano, da »auch von den Männern nur wenige in der literatur hervorragen, bist du [sc. cassandra Fedele] dennoch das einmalige Mädchen, das statt der wolle ein Buch, statt der

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6.3. nachhall eines concetto? das dante­Grabmal in ravenna die tribute an die dichtkunst im Porträt der Ginevra führen uns in Anbetracht der Gemeinsamkeit von Bembos Auftraggeberschaft abschließend zum dante­Grab nach ravenna, wo Bembo seit september 1481, direkt im Anschluss an seinen Florenz­Auf­ enthalt, als der berufene lokale capitano das ehrwürdige restaurationsprojekt verantwor­ tete.1139 wenn landinos Gedichte nach unserem neuesten erkenntnisstand in jene Zeit gehören, als Bembo endgültig seinen Abschied von Florenz nahm, was soll uns glauben lassen, dass leonardos porträt, das in einem deutlichen spannungsverhältnis zu den ›Ginevra­Gedichten‹ landinos steht, nicht ebenfalls dieser phase zuzurechen ist? der Blick auf die lapidar erwähnte Bembo­devise in ravenna – sie weist durch die durch ein kleines zentrales, vermutlich nun auf dante zugeschnittenes pflänzchen die größte nähe zum rückseiten­dekor der Ginevra­tafel auf (Abb. 137) – vermag diese these zu erhär­ ten.1140 dieses reliefierte Marmorfragment, das ursprünglich zum sacello dantesco gehört haben muss, und das sich heute, arg verwittert, an der Außenwand des benachbarten Franziskanerklosters befindet, weist ein schriftband (mit der Aufschrift »VirtVs et hOnOr«) auf, das den Keimling in vertrauter Manier umfängt, während ein von der lorbeer­palmbekrönung herabhängendes rundschild mit dem wahlspruch »his / nOn cedO / MAlis« in wünschenswerter deutlichkeit das pythagoreische Y­signum beerbt, das übrigens auch landino nicht kalt ließ.1141 so wird nicht allein zu verstehen gegeben, dass der mit tugend und ehre beschrittene weg nicht ins Übel führe, sondern – jenseits botanischer Kategorien –1142 die tiefere Bedeutung des kleinen Gewächses mit lanzettförmigen Blättern erhellt. die Vorstellung von der Baumgestalt des Y­signums rekurrierte nämlich auf den sagenhaften Zweig, dessen Auffindungsort Vergil zufolge unter doppelt belaubter Baumkrone lag; ist der goldene Zweig des Aeneas.1143 wies der Zweig diesem einst den weg durch die Unterwelt, so geleitete eine demutspflanze

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schminke den Kiel [calamum], statt der nadel die Feder [stylum] zur hand nimmst und nicht das Gesicht mit puder, sondern das papier mit tinte bestreichst). der terminus ante quem für Bembos Amtsausübung in ravenna ist der 24. März 1482; nähere Angaben zur dokumentenlage von Giannetto, 1985, s. 152ff. die Abbildung des Fragmentes bei corrado ricci, Il sepolcro e le ossa di Dante, ravenna, 1977, s. 21, Abb. 5; nach dessen (ebenda, s. 20) Angabe befand sich die devise vor 1823 am Klosterportal. Ob dies die ursprüngliche platzierung gewesen ist, bleibt fraglich. der heutige räumliche Kontext des Fragmentes ist am besten nachvollziehbar in der Abbildung von Felice Mazzeo, Dante e Ravenna, Bologna, 1987, Abb. 44. landino, Disputationes Camaldolenses, iii, s. 121. Man ist geneigt, das kleine, botanisch nicht klar identifizierbare Gewächs mit lanzettförmigen Blät­ tern für eine kleine palme oder den sproß eines Ölbaumes zu halten, nicht aber für die am ehesten zu erwartenden Zweige klassischer dichterkränze: lorbeer, efeu oder Myrte. Vergil, Aeneis, Vi, vv. 137ff.; Vi, v. 203, s. 232: »gemina super arbore sidunt.«

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137 pietro lombardo, Das Wappen Bernardo Bembos (mit dem Motto »his nOn cedO MAlis«), ca. 1483, ravenna, san Francesco, seitenportikus (einst: am dante­Grabmal)

(»umile pianta«) dante am eingang des Purgatorio zum Paradiso, genauer ein schilfge­ wächs; und kaum anders konnte die Bedeutung des sprosses am dante­Grab gesehen worden sein.1144 die – mutatis mutandis – Vorwegnahme dieses Motivs durch leonardo gibt rätsel auf. Offenkundig besteht ein wie auch immer gearteter Zusammenhang. erklärt sich die poetologische einfärbung des ginepro etwa doch durch Ginevras status als Muse oder gar als spätes Glied der von dante präludierten reihe der poeti fiorentini? wir wis­ sen es nicht. in den hybriden Facetten, die sich in Ginevra mischen, Virtus, diotima, sappho, daphne, petrarcas laura oder dantes donna Pietra, bleibt tatsächlich als sub­ strat die ihr einverleibte rolle der Muse – mit dantes wort: der diva Pegasea (Paradiso, 18, v. 82). nur folgerichtig mutet es daher an, ein zu den »pierides« gehöriges wesen – eine diva Pegasea – in einer Bildtafel freundschaftlich paktierend mit einem schöngeist 1144

Vollzogen durch Vergil, bestand der ritus in der Umgürtung dantes mit jener demutspflanze, die – unter Beibehaltung der resistenz und Verweisfunktion des »ramus aureus« – als konkretisiert wurde (»giunco schietto«, i, v. 95); mit Verbalreminiszenzen an Vergil hieß es: »[…] chè qual egli scelse / l’umile pianta, cotal si rinaque / subitamente là onde l’avelse.« ([…] denn sobald er aus­ gerissen / die demutspflanze, sah man neu sie wachsen / im Augenblick und an der gleichen stelle); dante, Purgatorio, i, vv. 134–136, Bd. ii, s. 16 (Üs: Gmelin). vgl. den ritus in Vergil, Aeneis, Vi, vv. 143f.; dazu Gerhard B. ladner, »Vegetation symbolism and the concept of renaissance«, in: De Artibus Opuscula XL. Essays in Honor of Erwin Panofsky, hrsg. v. Millard Meiss, 2 Bde, new York, 1961, Bd. i, s. 303–322, s. 315. – in Michelinos 1465 ausgeführten dante­Gemälde im Florentiner dom figuriert der dichter vor der um den läuterungsberg erweiterten stadtkulisse von Florenz, wobei der Berg von schilfgewächsen umsäumt wird; s. dazu Joachim poeschke, »›per exaltare la fama di detto poeta‹. Frühe dantedenkmäler in Florenz«, in: Deutsches Dante-Jahrbuch, 67, 1992, s. 63–82, s. 72f., Abb. 3.

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zu finden, der sich mit pegasus identifizierte.1145 Beider wohnstätte war der parnass als »pierius mons«.1146 ein vergleichbarer pakt schwebte bereits dem jungen transkribenten des sappho­Briefes vor, als er, in ironischer Abwandlung des berühmten diktums des Antipatros von sidon, den exponierten rang sapphos als poetin unterstrich. wie der griechische epigrammdichter stellte Bembo sapphos lied über die lieder sämtlicher dichterinnen, aber in Umgehung von homer als höchsten repräsentanten der lieder der Männer verstieg sich Bembo zur kessen Behauptung: »sappho überbot mit den lie­ dern die Mädchen, wie ich mit denen meines Ovid über die Männer siegen werde.«1147 Zum Greifen nahe in diesem superioritätsanspruch ist der überbordende ehrgeiz des Venezianers, der als podestà von ravenna, die schöne last der selbst von den Florentinern abgesegneten lizenz schulterte, das in staub gefallene Grabmal von dante durch ein neues, ein besseres zu ersetzen. es kann gar nicht genug betont werden, dass sich Bembo in der besagten humoresken superatio zum männlichen Gegenpart einer dichterin bzw. Muse stilisierte und dergestalt vielleicht einem concetto vorgriff, auf den leonardo Jahre später mit einem originellen Bild­Arrangement geantwortet haben mag. Jedenfalls kam es zu wiederholten, im Verbund mit einer Florentiner persönlichkeit erfolgten selbstver­ ewigung des homme des lettres Bernardo Bembo;1148 zuerst seite an seite mit der Muse 1145

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pegasus fungiert seit der zweiten Quattrocento­hälfte auf einigen dichter­Medaillen als Genius­ sinnbild; s. hill, 1930, Bd. i, nr. 406 u. Bd. ii, taf. 76, Abb. 406a; vgl. schröter, 1977, s. 250. das mehrfach Bernardo Bembos handschriften zierende Bildmotiv wurde von seinem sohn unter Beru­ fung auf die wundersam zum himmel gleitenden Flügel als sinnbild der Unsterblichkeit des Geistes gepriesen. pietro Bembos Angabe über »pegasus equus paternum insigne« in Bembo, Opera omnia, Basel, 1577, s. 180: »pegasus equus paternum insigne / Graecia cum celeres mihi daedala fingeret alas / esse homines vobis, dixit, in astra viam«. das pegasus­Motiv ziert v. a. die vor 1492 entstande­ ne horaz­Ausgabe Bernardo Bembos (Ms. cambrigde, King’s college library, nr. 34, auf fol. 1r) des ersten Buches der Carmina zwei mit Bembos Motto, Virtus et honor, kombinierte pegasus­ Miniaturen); vgl. Giannetto, 1985, s. 300 und s. 379; vgl. Bembo, Zibaldone, s. v. »peGAsUs«, fol. 286v. siehe die definition der »pierides« in poliziano, Enarratio in Sapphus epistolam, s. 24f.; vgl. schrö­ ter, 1977, s. 46f. BM, Ms. Marc. lat. ii 55 (= 2922), fol. 14v: »tAntVM eGO cArMiniBVs sVperAVi[t] sAphO pVellAs MAe OVides QVAntVM Vi[n­] cerA Ante VirOs.« das vorbildgebende Zitat in AG, Vii, nr. 15. Vgl. auch die Bewertung durch den sophisten hime­ rios, Reden, 28, 7ss. (nach sappho, Lieder, s. 109): »sappho […] wählte zum thema ihrer lieder die schönheit und Anmut des jungen Mädchens«). die Behauptung, die Auftraggeberschaft für ein mit trefflichen Versen geschmücktes standbild sei ebenso ehrenvoll wie das eigene Figurieren im standbild, da man sich denken könne, dass derjenige selbst im Besitz »aller tugenden [virtutibus]« sei, »wer sie bei andern so liebevoll« anerkenne, in pli­ nius d. J., Epistolarum, i, 17, 4, s. 44f.: »scias ipsum plurimis virtutibus abundare, qui alienas sic

6. Ginevra de’ Benci und die Dichtkunst

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Ginevra de’Benci, dann unverholen neben dem dichter­idol, namentlich dem Autor des poema sacro dante. dies beschwört die verlockende these herauf, dass leonardos Freundschaftsbild, diese Zelebration der amicitia zwischen einer Florentinerin und einem Venezianer, in direktem Zusammenhang mit der Berufung Bernardo Bembos zum schirmherrn des restaurationsprojektes in ravenna stehe, das sowohl von der Serenissima als auch dem Magnifico verantwortet wurde. dies gilt um so mehr, als das dorti­ ge, 1483 von Bembo schließlich ersonnene dante­epitaph wissen lässt, er habe das Grabmal »von den etruskischen Musen entflammt« dem am meisten verehrten Florenti­ ner dichter angedeihen lassen.1149 die dokumentenlage steht dieser these jedoch ent­ gegen. die Florentiner hegten bis einschließlich August 1481, wenn auch mit zuneh­ menden Verdruss, hoffnungen auf die repatriierung der Gebeine ihres exilanten.1150

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amat. redditus est l. silano debitus honor, cuius immortalitati capito prospexit pariter et suae; neque enim magis decorum et insigne est statuam in foro populi romani habere quam ponere.« ein vergleichbares phänomen in plinius, NH, Vii, 114. der wortlaut dieses auf den 6. Juni 1483 datierten epitaphs – er befindet sich auf der rechten wand des sacellum (auch notiert im Ms. lat. 3199 der BAV, fol. 80v; zitiert in ricci, 1987, s. 304; vgl. Giannetto, 1985, s. 156–157): »eXiGVA tVMVli dAntes hic sOrte iAceBAs sQVAlenti nVlli cOGnite pene sitV At nVnc MArMOreO sVBniXVs cOnderis ArcV OMniBVs et cVltV splendidiOre nites niMirVM BeMBVs MVsis incensVs ethrVscis hOc tiBi QVeM in priMis hAe cOlVere dedit Ann[O] sAl[Vtis] McccclXXXiii. Vi KAl[endAs] iUn[ii] BernArdVs ∙ BeMBVs ∙ prAetOr ∙ Aere ∙ sVO ∙ pOs[Vit]« (du ruhtest hier, o dante, im zu geringen Grabhügel, / beinahe von keinem erkannt, wüst liegen gelassen. / Aber jetzt wirst du unter diesem Marmorgrab geborgen sein / und der Glanz durch allen schmuck strahlender. / dies hat Bembo, ohne Zweifel von den etruskischen Musen entflammt, / dir, der vor allen verehrt wird, gewährt. // im Jahr des heiles, am 6. Juni 1483 / der prätor Bernardo Bembo hat dies auf seine Kosten errichtet). der terminus post quem für die definitive entscheidung zugunsten von ravenna ist das publikati­ onsdatum von landinos Comento. in ihm pochte landino noch immer recht unversöhnlich auf eine würdige Bestattung dantes in Florenz (vgl. landino, Comento, ›Orazione alla signoria‹, Bd. i, s. 110f.) in seinem widmungsexemplar für Bembo feierte landino den Venezianer jedoch als ini­ tiant des gelungenen ravennatischen Grabmonumentes; alle Florentiner stünden daher in seiner schuld; s. die rückseite des Vorsatzblattes von Bn, Ms. rés Yd 17; abgedruckt in debra pincus, »A drawing for the tomb of dante attributed to tullio lombardo«, in: BurlMag, 148, 2006, s. 734– 746, Abb. 8, der gesamte wortlaut zitiert auf s. 746: »[…] Quamobrem universus populus Florenti­ nus plurimum se tibi debere fatetur, qui civem suumque poetam ex squalore in splendorem revo­ caveris. […]«; vgl. Giannetto, 1985, s. 156, s. 159. im september des Jahres ist Bembo zum capitano von ravenna avanciert, nachdem sich schon 1476, zu erschließen aus einem Brief Antonio Manettis an lorenzo de’ Medici (vom 13. April), die hohen erwartungen an Bembo in der dante­Frage abzeichneten, angeblich wegen eines Versprechens, das er gegeben habe. die einzige handlungs­

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das heißt: nur im Fall der äußersten spätdatierung von leonardos Ginevra (d. h. nach dem definitiven Votum für ravenna) hätte das Bedeutungsgefüge dieses Frauenporträts – als eine Art präludierendes programmbild – in den sog des übermächtigen dante­pro­ jektes geraten können. das ist aber unwahrscheinlich. Auch stellen die Gedichte landi­ nos und Braccesis, wiewohl elegien, an keiner stelle den Bezug zu dante her. nichtsdestotrotz: Über dantes Grabmal prangt auf roter Marmorfolie (Abb. 138) ein weiteres Mal Bembos devise; die Ausgestaltung der heraldik ist eng verwandt, die Konzessionen an hehres dichtertum, an schwermut und Memoria – es ist diese Kumu­ lation von Gemeinsamkeiten, durch die wir nicht umhinkommen festzustellen, dass sich in leonardos Ginevra, wohlbemerkt im Kleinen, im sehr privaten und im Medium der Malerei, etwas abzeichnet, das in nicht allem, jedoch in sehr entscheidenden wesens­ zügen den ikonografischen Grundstock für die Gestaltung der stirnwand von dantes Grabmonument bereitstellte. Unter dem bedeutenden, in Venedig ansässigen Bildhauer pietro lombardo geriet dieses repertoire in ravenna, nun transferiert ins Monumenta­ le, ins Öffentliche und in die Gattung skulptur, zum steinernen Fanal gegen das Ver­ gessen, das kein noch so vom campanilismo verblendeter Florentiner mehr als Ausverkauf patriotischer interessen geißeln konnte.1151 denn der große sohn der Florentiner, der, wie in lombardos Flachrelief (Abb. 139), in Umgehung von Gepflogenheiten sepulkra­ ler würdigungen von Gelehrten, nicht als aufgebahrt entschlafener ins Bild gesetzt ist, sondern ad vivum als fortlebende dichter­ikone,1152 dieser Mann würde hinlänglich

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option zu diesem Zeitpunkt waren Bemühungen, die rückführung der Gebeine zu bewirken. der Brief – er nimmt Bezug auf Bembos erste Abreise – zitiert in isidoro del lungo, »Un documento dantesco dell’Archivio Mediceo«, in: ASI, 1874, 3. ser., 19, 1874, s. 4–8, s. 3: »i’ò inteso, per lettera di costì, come lo ’nbasciadore vinziano s’è tornato a casa. il perchè, ricordandomi quello che la Mag­ nificenza Vostra mi disse una sera, tornando a visitarlo, poco dopo l’esequie di Matteo palmieri, cir­ ca casa Antonio di puccio, voglio che Voi intendiate che Voi v’apponesti; e per un piacere a’mia dì, non so quale io mi potessi averlo magiore, che vedere ripatriare quell’ossa, che, per la Magnificenza di detto ambasciadore, dopo la tornata sua vi furono promesse: massime perchè io mi rendo certis­ simo che con quella gratitudine e magnificenza per Voi si preparerà, che, per quanto si può fare, merita uno uomo tanto eccellente, circa ricevere quelle degnissime ossa, la corona, la sepoltura e luogo. Al magnanimo s’appartengono la gran cose: ma qual può essere magiore che questa?« Zur denk­ baren schlüsselrolle des Florentiner humanisten niccolò Angeli, der am 25. März 1483, zwei tage vor einweihung des dichter­Monumentes, nach ravenna kam, s. Giannetto, 1985, s. 160–161. eine Unzahl von Quellen selbst im Quattrocento zeugt vom tauziehen zwischen Florenz und ravenna. so lästerte Bellincioni in einem Gedicht an lorenzo de’Medici (Bellincioni, Rime, Bd. ii, s. 92–93, nr. 86): »dante mel disse: io son col cuojo all’osso / sanza polpa e famoso, onde dir posso / che per antichità sono intignato. / e’m’è addosso un tetto rovinato / […]«; mit größerem ernst polenton, Liber scriptorum illustrium, iV, s. 129. dabei konnte lombardo freilich auf eigene erfahrungen zurückgreifen; so hat er, ein revolutionärer Akt, den dogen pietro Mocenigo auf seinem Grabmonument in ss. Giovanni e paolo in Venedig als stehende Figur dargestellt; s. luchs, 1996, s. 32ff. und Abb. 35.

6. Ginevra de’ Benci und die Dichtkunst

138 pietro lombardo, Das Dante-Grabmal, ca. 1483, ravenna

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139 pietro lombardo, Bildnis von Dante, ca. 1483, ravenna, dante­Grabmal

einen ubiquitären, nicht an Florenz, nicht an ravenna, noch einen sonstigen lokalen hegemonialanspruch gebundenen nachruhm entfalten können. Mit ganzer entschie­ denheit vermittelt die topik des paragone, in welcher weise dies zu erwarten wäre: das relief, das dante in bewährt strenger profilansicht zentral in den Blick rückt – beson­ nen, vor einem lesepult, in einer studierraum­Abbreviatur –, ist ohne Zweifel dem typus des Autorenbildes nachempfunden; dessen Größensteigerung zu einem aus istri­ schem Marmor gemeißelten denkmal indiziert die durchlässigkeit verbindlicher Gat­ tungsgrenzen. wie pincus luzid beobachten konnte, bekräftigt die Bildhauerinschrift pietro lombardos diesen eindruck. sie fand ihren platz rechts auf dem Marmorrahmen des reliefs. in römischen Kapitalen gehalten und zeilenweile sich nach unten verjün­ gend, entspricht diese signatur, die mit einer dreiblättrigen efeuranke unterlegt ist, einem Kolophon, dem typografischen ›schlussbild‹ eines Buches – eine letzte humanisti­ sche pointierung im Zeichen der litterae:1153 1153

Vgl. pincus, 2006, s. 734–746, s. 736. wenngleich älter, pflegte besonders die Offizin von Manutius diesen typus; s. zum Beispiel Tiziano, 1995, Abb. 101; und ein Kolophon als ›Anfangsbild‹ eines Buches in Leon Battista Alberti, 1994, Abb. 60.

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O p [V s] petri lOM BΛr di diese massiven Übergriffe in die Buchkultur offen­ baren implicite das Bestreben, jenen Verblichenen, der einst im Florentiner Baptisterium so verhei­ ßungsvoll »durante« getauft worden war, auf ewig in dem ihm eigenen Kosmos zu vororten, nament­ lich in der welt der Bücher. Als pars melior seiner persönlichkeit in die vorderste Bildebene des reliefs gerückt, nehmen sich die Bücher wie Bausteine eines monumentum aus (Abb. 140).1154 Offenbar spielte pietro lombardo absichtsvoll mit der Ambi­ 140 pietro lombardo, Bücher, detail von: valenz dieses Begriffes. so wurde der horazsche Bildnis von Dante, ca. 1483, ravenna, Gemeinplatz beim wort genommen, ein »monu­ dante­Grabmal mentum« zu errichten, das dauerhafter sei als erz.1155 im festen Glauben an die überlegene Macht des wortes hielt schon Boccaccio das, was er der nachwelt durch seine Feder verbürgte, namentlich die einst ersonnenen, versäumtermaßen aber nie in den stein gehauenen Grabinschriften für dante, für »kein Grabmal im körperlichen sinne«, aber für einen andauernden »Bewahrer seines [sc. dantes] Andenkens«.1156 wiewohl löhr beizupflich­ 1154

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heutzutage ist aus frontaler sicht der Blick auf die untere, die dritte reihe der Bücher durch den sarkophag verstellt. nur so ist zu erklären, dass diese eigenheit von pietro lombardos Komposition keine Aufmerksamkeit beschieden war. die lombardo zugeschriebene entwurfszeichnung für die stirnseite (Bn, Ms. rés. Yd. 17) sieht dieses detail nicht vor; die Bücher befinden sich im hinter­ grund; s. pincus, 2006, Abb. 6. ein aufgeschlagenes Buch im Vordergrund einer Frontaldarstellung dantes bot zuvor, 1452, Benozzo Gozzoli in san Francesco in Montefalco; kurioserweise wird der Betrachter als »lectOr« angesprochen; s. cap. V.2., Anm. 715. horaz, Carmina, iii, 30, v. 1, s. 170. im Zibaldone ist »monimentum« für Bembo das synonym für »sepulcrum«, s. Bembo, Zibaldone, fol. 209r. – Unter dem eindruck des horaz steht ein dichter­ bildnis aus erz vom ausgehenden Quattrocento; es ist die – wie die Bücher des dargestellten – von hand zu hand gehende Bronzemedaille des Galeazzo Marzio (gest. 1494?), das werk eines anony­ men Meisters. Umseitig zum Avers mit dem profilbild des lorbeergekrönten erziehers von Matthias corvinus (»pOetA clAr s MAtheMAticVs et OrAtOr GAleOttVs MArtiVs«) ist ein quadratisches Feld mit zwei regalreihen voller Bücher zu sehen; die Umschrift lautet: »sVpe­ rAtA / tellVs si/derA / dOnAt«; hill, 1930, nr. 1132. Boccaccio, Trattatello, Bd. iii, s. 459: »[…] ciascuno per sé fece versi, li quali, posti per epitafio alla futura sepultura, con debite lode facessero la posterità certa chi dentro da essa giacesse; […].«»[…]

6. Ginevra de’ Benci und die Dichtkunst

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ten ist, dass der leicht gesenkte, vom Arm abgestütze Kopf des dichters einmal mehr die Verpflichtung gegenüber Autorenbildern preisgibt, so wenig ist damit die eigentümliche, über die verbreitete Melancholiker­pose von denkern weit hinausgehende extraversion der Melancholie erfasst. Fast wirkt es, als habe der Betrauerte die trauer um sich selbst internalisiert. Zwei Gesten schüren diesen eindruck maßgeblich: die Finger, die so ver­ zagt an die lippen gelegt sind und die torsion des Kopfes zur seite, die sich wie ein bewusstes entziehen ausnimmt.1157 Man mag dies als eine vom memento mori hergeleitete, dank der Bücher jedoch in ein memento vivi umgemünzte pose des exilierten verstehen. darin muss der große coup des donators Bembo gelegen haben, dass er, nicht ohne berechnende liebesdienerei gegenüber den Florentinern, im Bildprogramm tunlichst jedweden direkten Verweis auf eine Grablege mit der Absicht mied, die Frage nach der legitimation des topografischen Ortes zur Beanspruchung der Gebeine des großen dichters episode werden zu lassen. Bembo gerierte sich als posthumer erfüllungsgehilfe von dantes sehnsucht nach Anerkennung. er ließ die unter invokation Apolls im Paradiso formulierte hoffnung dantes auf die ihm zu lebzeiten verwehrte lorbeerkrönung in lombardos relief realität werden.1158 wie ein zweiter Apoll mochte Bembo sich füh­ len, indem er in der lunette seinen eigenen wahlspruch dativisch auf dante bezog: »den tugenden und den ehren [von dante]«. Bembo gefiel sich augenscheinlich darin, jenes laurea­ritual, das er dem Florentiner angedeihen ließ, mit seinem parnassischen lor­ beer(zweig) zu vollziehen, wie auch sein palmzweig dante zum sieg und zur ehre gerei­ chen konnte. dieses symbolträchtige Geäst erhielt in ravenna nun das Flair der idumäi­ schen palme, mit deren heimführung sich seit der Georgica die hoffnung auf die rückführung der Musen verband – so denn bei Vergil, dantes väterlichem Führer, ver­ lautet: »ich will als erster mit mir ins Vaterland, reicht nur mein leben, / vom aonischen Gipfel hinab geleiten die Musen, / […] bringen als erster dir heim die palme des sieges,

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per qual cosa e il fare il sepolcro e il porvi li mandati versi si rimase. li quali versi stati a me mostrati poi più tempo appresso, e veggendo loro [non] avere avuto luogo per lo caso già dimostrato, pensan­ do le presenti cose per me scritte, come che sepoltura non sieno corporale, ma sieno, sì come quella sarebbe stata, perpetue conservatrici della colui memoria; imagini non essere sconvenevole quegli aggiugnere a queste cose. Ma, perciò che pìu che quegli che l’uno di coloro avesse fatti (che furo più) non si sarebbero ne’marmi intagliati, così solamente quegli d’uno qui estimai che fosser da scrivere; […].« siehe auch App.iii/d, nr. 4. Zum tradierten Melancholiker­Gestus des aufgestützten Kopfes Klibansky/panofsky/saxl, [1964] 1992, s. 409ff., passim. Autorenbilder dieses typus in liebenwein, 1977, Abb. 32–35; vgl. löhr, 2007, s. 191, Anm. 191. dante, Paradiso, i, vv. 13–30, Bd. iii, s. 6–8: »Oh buono Apollo […] domandi a dar l’amato alloro […] O divina virtù, se mi ti presti / tanto che l’ombra del beato regno / segnata nel mio capo io manifesti / Venir vedra ’mi al tuo diletto legno, / e coronarmi allor di quelle foglie / che la materia e tu mi farai degno. / si rare volte, padre, se ne coglie / per trionfare a cesare o poeta, / colpa e ver­ gogna delle umane voglie«; s. auch die deutung dieses passus durch schröter, 1977, s. 64–75.

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/ will im grünen Gefild einen tempel aus Marmor erbauen«.1159 wie gut diese Anma­ ßung dem Mann zu Gesicht stand, der das dichterroß oder auch »aspro cavallo«1160 pegasus zu seinem wappentier erkor, bedarf keiner erörterung, meinte der huftritt des geflügelten pferdes doch symbolhaft den Auftakt der dichtkunst. pietro lombardo bot am dante­Grab eine Zurschaustellung dessen, was ein Bildhauer, sofern er nicht auf den rückhalt der Buchkunst verzichtet, zu prätendieren vermag. er verfuhr mutatis mutandis nicht anders als leonardo, der mit seinem Porträt der Ginevra de’ Benci den Beweis für die leistungsfähigkeit des Malers im Felde des poetischen antrat. Keine einzige schriftliche stellungnahme pietro lombardos zum paragone ist uns gesichert. Aber er teilte gewiss die Meinung, die sein sohn tullio, der ihm in ravenna als Gehilfe zur seite stand, 1526 brieflich kundtat: die Malerei sei nur »eine hinfällige und flüchtige sache«, die skulptur hingegen, eine »ewige erinnerung«; sie sei über jeden Vergleich erhaben, ja auf »keine weise mit der Malerei zu vergleichen«.1161 das Bild vom jungen leonardo, der vor Beginn seines wirkens am sforza­hof der streitfrage des paragone unbedarft oder desinteressiert gegenüberstand, hat mit seiner doppelseitig bemalten porträttafel der Ginevra deutliche risse bekommen. Allem Anschein nach begründete die suche nach einer angemessenen darstellungsform für die Florentiner ›Muse‹ leonardos kühnes, in seinem Œuvre, wie es sich darstellt, einmaliges Unterfangen, es als Maler mit der sukzession von Buchseiten in Form eines gemalten Gegenentwurfes aufzunehmen. dass er sich später, in der Parte prima, von diesen Bestre­ bungen vollends lossagte, steht auf einem anderen Blatt. ein leonardo, der bezüglich des paragone wechselnde Überlegungen anstellte, Meinungen wieder verwarf, die sich nicht als tragfähig genug erwiesen, oder verschiedene phasen der positionierung durch­ lief, steht quer zur opinio communis der Forschung, sein paragone sei eine Art argumenta­ tiver Monolith. immerhin hat Fehrenbach durch die artikulierte schwierigkeit, eine rekonstruktion von leonardos gedanklichen Genesen im paragone leisten zu können,

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Vergil, Georgica, iii, vv. 10–13, s. 144–145 (Üs: J. und M. Götte): »primus ego in patriam mecum, modo vita supersit, / Aonio rediens deducam vertice Musas; / primus idumaeas referam tibi […] palmas, / et viridi in campo templum de marmore ponam […].« dante hatte im Inferno seinem wunsch nach ehre (»onore«) Ausdruck verliehen; er glaubte sie aufgrund seiner stilnachahmung Vergils (»lo mio maestro e’lo mio autore«) verdient zu haben: »tu sei solo colui da cui io tolsi / lo bello stile che m’ha fatto onore«, s. dante, Inferno, Bd. i, vv. 86–87, i, v. 85 und ebenda, iV, vv. 46–50, Bd. i, s. 16 u. s. 50: »dimmi, maestro mio […].« Boccaccio, L’Ameto, Bd. XVii, s. 980. in tullio lombardos Brief vom 18. Juli 1526 (an Marco casalini von rovigo) liest man: »rispondo che sara una bella opera finita, et sara una memoria sempiterna, come vostra nobelta poi giudicare perche la pictura e cosa caduca et instabele, la scolture e molto piu senza comparatione, et non da paragonarsi con pictura per niun modo: perche degli antichi si ritrova fina alli nostri tempi delle sue scolture, et picture veramente nulla si poi vedere«; s. luchs, 1995, s. 157, Anm. 94; der nachsatz folgt petrarca, s. App. iii/A, nr. 3.

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eine Genese überhaupt ins Auge gefasst.1162 Meinungsbildungsprozesse beruhen nicht zwingend auf einer linearen entwicklung. Aber leonardos legte ein für die aemulatio symptomatisches Muster an den tag: Am Anfang des paragone stand ein liebäugeln mit der Kunstgattung, die die größere Anerkennung besaß. das Bestreben des Bild­ künstlers lag in der Vereinnahmung ihrer Qualitäten, ihres renommees. infolge eines erstarkenden Bewusstseins der eigenen Möglichkeiten konnte ein Führungsanspruch laut werden, mit dem alsdann offensiv Front gegen die Konkurrenz gemacht wurde. dieser skizzierte dynamische prozess ist es, der in leonardo die Abkehr von werten begünstigt haben muss, die dem Geltungsanspruch der Malkunst letztlich zuwiderliefen. ein wohlwollender mochte die nachzeitigkeit von Bildern, die, selbst im druckzeitalter, wie Buchstaben aufziehen und verlöschen,1163 gerade nicht als eine mit Zerstreuungseffekten behaftete wahrnehmungsweise begriffen haben, sondern als eine strategie, die eine mnemonische wirkung auszufalten half. ein skeptiker dagegen ahnte den Autoritäts­ verlust der Malerei. Konfrontiert mit dem Gerede der dichter am Mailänder hof, beschlich leonardo wohl die Ahnung, dass nicht derjenige die poesie bezwingt, der an ihrem Vorbild maßnimmt. Und hieße dies nicht wirklich auch, dem dichter das letzte wort zu überlassen?

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Vgl. Fehrenbach, 2002, s. 202; Arasse, [1997] 2002, s. 15. Vgl. leonardo, Libro di pittura, i, 9 und 23; abhängig von horaz, Ars poetica, vv. 68–72.

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Viii. schlussbetrachtungen

1. Zur entwicklung des paragone im Quattrocento im Verlauf des Quattrocento bildete sich dank unterschiedlichster Faktoren und impulse zunehmend die Brisanz des paragone heraus. der disput wurde in der schriftlich fixier­ ten Kunsttheorie durch keinen anderen als leonardo da Vinci entscheidend semantisch angereichert, indem er den werkstattjargon der Goldschmiede einfließen ließ. Mit die­ sem gab er einer diskussion sophistischen Zuschnitts den Anstrich des empirischen. die häufigkeit von leonardos Verwendung des Begriffs paragone ist, wie manches sei­ ner synonyme, daher lediglich ein indikator für diesen strang der von ihm angestoße­ nen entwicklung. Als Bezeichnung für den disput über die realtive wertigkeit der Künste kennt er ihn nicht. die wortwahl für den paragone­disput in der Kunstliteratur der renaissancezeit offenbart rekurse auf geflügelte worte der tradierten streitkultur. nicht zuletzt auf diesem wege avancierte der diskurs zum integralen teil der humanis­ tischen erudition. weit entfernt davon, vorbildlos zu sein, existierten außerdem ereignisgeschichtliche impulse dafür, dass leonardo das probier­Vokabular auf die sphäre des Agonalen übertrug. sie liegen in keinem geringeren lokalen ereignis als dem Florentiner Bronzetürwettbewerb von 1401 begründet. dieser wurde vielleicht seit Anbeginn, jedenfalls dokumentierbar seit den retrospektiven schilderungen Ghibertis und des Brunelleschi­Biografen Manet­ ti, mit paragone umschrieben. die einstige Mitgliedschaft der beiden hauptkonkurren­ ten in der Florentiner Goldschmiedezunft mag dieses Bild im Gedächtnis der nachwelt geformt haben. erkennbar bei näherem hinsehen ist eine gewisse Analogie in der the­ menstellung der beiden bedeutendsten Florentiner Künstlerwettbewerbe des 15. Jahr­ hunderts, des Bronzetürwettbewerbes von 1401 und des Certame coronario. das tertium comparationis war die erprobung – im ersten Fall die des stammvaters Abraham, im zweiten die des Freundes. Auch dieser Umstand begünstigte die Übertragung jener Meta­ phorik, die sich seit alters her mit der erprobung des Menschen wie des Goldes verband, auf die ›erprobung‹ der Virtuosen. Mit den vitalen, öffentlichkeitswirksamen Künstler­ wettbewerben des Quattrocento, die als gattungsinterne wettbewerbe zuvörderst dem individualsstil der Künstler (d. h. ihrer Unverwechselbarkeit) rechnung trugen, bildete

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VIII. Schlussbetrachtung

sich zugleich das Verständigungsvokabular über die einzelnen Kunstgattungen und ihre jeweiligen Vorzüge aus – ein Faktor, der die zunehmende Vereinnahmung dieses Voka­ bulars durch den paragone­diskurs ebenso glücken ließ wie die vieler tradierter elogen auf einzelgattungen. dieser prozess, bis zum Abflauen des paragone im vollen Fluss, wurde dank früher Kunsttheoretiker wie Alberti und Ghiberti verschärft. deren trakta­ te lasen sich denn auch in teilen wie ›programmschriften‹ zur propagandierung der eigenheiten und der Vorzüge einzelner Kunstgattungen. seitdem sich mit dem Giotto­ Kult und vielen expandierenden Vorstößen zu ressorts der nachbargattung hinsichtlich der figurativen Künste die tendenz breitmachte, zunächst die einzelne Kunstgattung zu einem Ansehen zu verhelfen, florierte infolge der gruppenspezifischen selbstwahrneh­ mung der Bildkünstler bald auch das Bestreben, gattungsspezifische eigenheiten in bonam et malam partem zu durchdenken. was sich klar zum Kernstück des paragone im primo Quattrocento herausbildete, war das eternità­Argument – in der frühen phase nichts anderes als ein von dichtern gepfleg­ tes epideiktisches eigenlob ihrer schriften als (zu lasten der Bildkünste) bestes Medium zur Verewigung, als ruhmeskünder, darin ein spiegel der Buchstabengläubigkeit und der prioritäten der humanisten. Aus der sepulkraltopik erwuchs ein beträchtliches Argumentationspotenzial, das Bildkünstler bald aus ihrer warte in wort und Bild inter­ pretierten, wie mitunter den ›Alexander­Achill­topos‹ und viele altbekannte Memorial­ und Gedächtnislehren. All dies spitzte sich in einer denkfigur petrarcas zu: der Meta­ pher vom ›zweiten tod‹. wo der Zerfall von Kunstwerken ›zweiter tod‹ heißt, ist, so die ungewollte pointe, der Gedanke vorherigen ›lebens‹, der einer Kunstart innewohnt, impliziert. so spitzte sich ein Konflikt zu, in dem ambitionierte Maler und Bildhauer einmal mehr unter Beweisnot standen. Allein den tönenden schriften, nicht aber den stummen Bildkünsten, wurde leben, seele und Geist unterstellt. es konnte deutlich gemacht werden, dass die Maler in der Kunstpraxis auf diesen Kritikpunkt des ebenso bescheidenen wie oberflächlichen Kaprizierens auf das rein Kör­ perliche unter rekurs auf ein ideal antworteten, das plinius der Ältere in Anbetracht des niederganges der Bildniskunst seiner Zeit programmatisch eingefordert hatte: mit animorum imagines. Kaum zufällig in porträts, deren sinn im Bewahren der wesenszüge für die nachwelt lag, bildeten die Maler im laufe des Quattrocento eine eigene, elabo­ rierte ikonografie mit dem Ziel aus, ein rein ideell­geistiges Überdauern, mit hilfe des dergestalt aktivierten Gedächtnisses, zu schüren. Zitate aus anderen Kunstgattungen, relikte der sepulkralkultur: der stein, die inschriften – sie dienten in diesen Gemälden nur noch als Zeichen, als »Außenhalt der erinnerung«, um es mit einer Formulierung Jan Assmanns zu sagen. der Grund für die indienstnahme der ars memorativa liegt auf der hand: sie stand seit jeher im ruf des erzeugens von inneren, unvergänglichen Bil­ dern in der seele. so haben sich Maler der Frühen neuzeit dieser strategien in der Absicht befleißigt, als schöpfer von Beseeltem den superioritätsanspruch der dichter zu unter­ graben. dieses tradierte Vorstellungsgut verlieh der Malerei den guten leumund nicht

1. Zur Entwicklung des Paragone im Quattrocento

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zuletzt als stifterin von Gemeinschaften. die­ ser topos kam vor allem den Freundschafts­ bildern zugute, denn sie spielten bevorzugt (im sinne von Albertis berühmter wendung) mit der paradoxie der Anwesenheit des por­ trätierten in Abwesenheit. leonardos Porträt der Ginevra de’ Benci, eine huldigung an eine konkrete amor-amicitia, ist ein paradebeispiel für diese suggestivkraft der Malerei durch Mittel, wie sie Mnemonik­traktate eines Giovanni Fontana oder pietro da ravenna empfahlen. entgegen den bisherigen Vermutungen gründet Albertis Brückenschlag von der Ma­ lerei zur Freundschaft, wie auch die agonale Aufladung der amicitia, nicht auf cicero. was neben epistolografischen reflexionen – beson­ ders einer seneca­sequenz, die den Freundes­ Brief gegen das porträt des Freundes stark macht – ins Gewicht fiel, war ein paragone­ Motiv petrarcas. die tragweite dieses Zeug­ nisses für den frühen rangstreit zwischen den figurativen Künsten ist kaum zu unterschät­ 141. Antonio Filarete, Das goldene Buch, ca. 1461–1464 zen: es ist die qualitative Abwägung zwischen aus: Filarete, Trattato di architettura, BncF, codex einem ins herz gemalten Freundesbildes und Magliabecchianus, ii, 1, fol. 108 v (detail) einem, das auf ewig wie in Marmor ins herz gemeißelt sei. darin zeigt sich nicht allein die selbstverständlichkeit, mit der die gattungsmäßige trennschärfe selbst im Bereich des Metaphorischen am walten war; Bemerkungen wie diese halfen indirekt einmal mehr im hinblick auf manche Marmorimitation bei der Fundierung des ideellen Anspruchs der Malerei auf ewigkeit. wenn es in der Kunstpraxis des 15. Jahrhunderts ein Genre gab, das mit größerer Konsequenz als alle anderen die eternità­diskussion, wie sie für den frühen paragone typisch ist, spiegelt, indem es dezidiert einen wettstreit mit dem Buch als Überliefe­ rungsträger anstimmt, dann waren es Bildnisdiptychen und porträts mit rückseiten­ bemalungen. die Möglichkeit des wendens dieser auf varietas angelegten tafeln eignete sich bestens zum bildhaften repetieren zwecks Forcierung der memorativen wirkung. während die Bildhauer, wie schon leonardo monierte, dazu neigten, sich auf die halt­ barkeit ihrer verwendeten Materialien zu verlassen, tendierten die Maler gezwungener­ maßen zu kompensatorischen reaktionen. darunter fallen die Vereinnahmungsver­

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VIII. Schlussbetrachtung

suche von topischen Vorzügen der epistolografie, der ars memorativa, der dicht­ und der Buchkunst. den Malern wie auch den Medailleuren des Quattrocento diente das Buch, in Anbetracht ihrer versuchten teilhabe an den mit den litterae verknüpften wertigkei­ ten, in vielerlei hinsicht als leitbild. wenn Filarete in seinem traktat das aufgefundene »goldene Buch« mit der Aufschrift »MeMOriA • in/GenGnO • i/ntellet/O« (Abb. 141) versah, dann nannte er durchaus exemplarisch für einen denker seines Zeit­ alters die werte, die mit dem Medium Buch konnotiert wurden.1164 Ohne einschrän­ kung war das Buch für die autoritativen humanisten das »Beispiel aller dinge«, um ein treffendes wort von Guarino Veronese aufzunehmen.1165 seitdem die rückseitenbema­ lung, zumal von Bildnisdiptychen, als inszenatorische steigerungsmöglichkeit der Male­ rei erkannt wurde, haben sich Maler mit immer poetischerer Gebärde an Gegenentwür­ fen zum Buch erprobt. eine Buchnachahmung, die sich, durchaus im Verein mit ›seiten‹, in der Übertragung vertrauter literarischer stoffe in die Malkunst erschöpft und dies unter weitestgehendem Verzicht auf das hauptmerkmal des Buches: die schrift –, eine solche nachahmung will sich fraglos der hilfe einer anerkannten tradition versichern. Auf dieser Grundlage präsentiert sich eine ›andere dichtung‹, eine, die mit dem vor Augen Gestellten, unmittelbar und farbenreich wie dies ist, das Gemüt des Betrachters mehr affiziert. darüber hinaus führen uns unsere Beobachtungen die notwendigkeit vor Augen, die rolle der dichtung im wettstreit der Künste differenzierter als bisher zu sehen: ers­ tens nämlich liegt im frühen paragone häufig keine Orientierung an der dichtung selbst vor, sondern am Buch als Objekt, zweitens gibt es wiederum manchen Fall des viel kon­ kreteren Maßnehmens an der Verskunst. wie wir sahen, liegt die erklärung mitunter an dichter­definitionen, wie sie leonardo Bruni im Anschluss an seneca traf: dichter sei jeder schöpfer von Versen. in literarischen Zeugnissen aus dem Quattrocento reicht der paragone mit der Verskunst mindestens so weit zurück wie eine Meinungsäußerung von Gregorio correr (ca. 1430). in der Kunstpraxis zeugt die Vielzahl an Gemälden, die Maler mit Versen versahen, vom Versuch, eine aemulatio mit den dichtern anzustrengen. die Maler scheuten nicht vor inkonsequenzen zurück: wo der poetologische Anspruch der Malkunst durch den einbezug von worten in ein Gemälde, also in dictis, bekundet werden muss, hat er streng genommen bereits seine Berechtigung eingebüßt. Aber so wurden diese Vorstöße offenbar nicht aufgenommen. im Gegenteil – da sie in besonde­ rer häufigkeit ihren platz auf rückseiten doppelseitig bemalter Gemälde fanden, konnte das Anschauliche der Bilder im sinne einer superatio als Gewinn empfunden werden, der über die worte hinausging oder sie ausstach.

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Filarete, Trattato di architettura, BncF, codex Magliabecchianus, ii, 1, fol. 108v. Guarino, Epistolario, Bd. i, nr. 256, s. 399: »[…] rerum omnium usum […].«

1. Zur Entwicklung des Paragone im Quattrocento

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dieser Anspruch tritt programmatisch in pieros Montefeltro­Diptychon zutage, einer freien, mit der Biografie der Montefeltro überformten Anverwandlung von petrarcas Trionfi, ob man dies nun primär als Übertragung eines dichtwerks in die Malerei betrachtet, als gemalte ›parallelbiografie‹ oder als Konkurrenzwerk zu den damals all­ gegenwärtigen Trionfi­illuminationen. der in der sockelinschrift für die verstorbene Fürstin von Urbino zitierte, tröstende Gemeinplatz aus dem ennius­epitaph über die Allgegenwart des nachruhmes drückt im Verbund mit dem ›gemalten Buch‹ kaum etwas anderes aus, als den wunsch, den dichtern den rang ablaufen zu wollen. Als syn­ krisis, mit steten rückbezügen auf die Geschichte von petrarca und laura aufgezäumt, kann die gemalte Montefeltro­Vita – sie setzt einen Betrachter von erudition voraus – den schatten des mittelalterlichen stigmas von Bildern als litterae laicorum abschütteln. dieses Anliegen wird die Kunstliteratur im cinquecento nicht mehr tiefergehend beschäftigen. piero lieferte dem urbinatischen herzog mit dem ›stückwerk‹ aus vier panoramasegmenten, das sich allein durch Meditation zum weltenrund des Triumphus Eternitatis (d. h. zur Gottesschau und zur schau der seligen Battista sforza) fügt, zugleich einen ›Behelf‹ für ein humanistisches ritual: für das mitunter von petrarca in De vita solitaria beschriebene Büchergespräch, das in der einsamkeit gepflegt werde. die vielen tribute an die Buchkunst: die diptychische Form des Bildträgers, das wie mit einer Buchrolle (Tolle, lege) augustinisch inszenierte ›Buch der welt‹ und die rezeption eines der berühmtesten Bücher italiens –, diese indizien zusammen könnten darauf hindeu­ ten, dass pieros diptychon eine zentrale rolle in der fast zeitgleich ausgestatteten illusio­ nistischen Bücherwelt des urbinatischen studiolo einnahm. ikonografisch engstens ver­ wandt, simulieren die über raum und Zeit hinweg kommunizierenden uomini illustri den für die vita solitaria ebenfalls empfohlenen Usus des ›hohen Geistergesprächs‹. so spricht einiges für diese hypothese. der einfluss, den pieros compatrioto dionigi da Borgo san sepolcro auf das augustinische panorama­Konzept nahm, muss uns davon über­ zeugen, wie sehr ein vom campanilismo des Malers und Kunsttheoretikers befruchtetes denken einzug hielt; es wurde selbst als Faktor im gattungsmäßigen Kräftespiel um den rang als weltenschöpfer prägend. die verbreitete aber irrige Ansicht, der ›Bevorzugungstopos‹ sei nur im Argumenta­ tionsfeld der individualstile verhandelt worden, ist revisionsbedürftig. eine bislang un­ beachtete Quelle verändert das Bild. es ist der griechische rhetor himerios von prusa, der explizit einen »wettbewerb« zwischen dem Maler (Apelles) und dem Bildhauer (lysipp) in die überlieferte episode hineinlas. Bereits die vorangehenden antiken Aus­ legungen hatten latent dem Gedanken an konkurrierende repräsentanten der figurati­ ven Künste Flügel verliehen. nicht nur in der Fülle an Filiationen dieses duells seit der Frühen neuzeit – von petrarca über carbone bis collenuccio – schwingt ein paragone mit. wir können selbst in jenen Fällen, in denen nur einem der bevorzugten Virtuosen gehuldigt wird, eine bewusst parteiische wertsetzung nicht ausschließen. die besondere historische tragweite der himerios­sequenz liegt vor allem darin, dass sie die einzige

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VIII. Schlussbetrachtung

antike Quelle ist, die explizit einen gattungsübergreifenden wettbewerb zwischen Ver­ tretern der figurativen Künste unterstellt. Anders gesagt: es handelt sich um das früheste uns bekannte schriftzeugnis dieser Art. Mit dem nachweis von fünf weiteren Konfrontationen der Malerei mit der Bildhau­ erkunst im corpus der schriften petrarcas darf nicht alleine seine rolle als initiant eines neuen Kurses in der Bewertung der Kunstgattungen und, bei aller sachtheit im Ange­ hen des themas, als polarisierer zweier wertbereiche, als bar jeden Zweifels gelten; auch sein renommee, zu dem ihm maßgeblich Jacob Burckhardt verholfen hatte, erhält ein breiteres Fundament: das von petrarca als einem »der frühesten völlig modernen Men­ schen«.1166 petrarca war es denn auch, der als erster die Aspirationen der Virtuosen seiner Zeit thematisierte, ein anderer polyklet sein zu wollen, d. h. das alter ego einer histori­ schen Bildhauergestalt der Antike; und petrarca erfand das paragone­Beispiel des Blin­ den. die erstmals deutlich gewordene summe von leonardos Anleihen an petrarca im paragone ist schwer vorstellbar ohne seine Kenntnis von petrarcas Glücksbuch. das Malereitraktat, das Alberti schrieb, mag einzelne kunsttheoretische reflexe im Libro di pittura nach sich gezogen haben, aber von Albertis paragone­sequenzen zeigte sich leo­ nardo aus Gründen, die wir nicht kennen, unbeeindruckt. leonardos Konzessionen an die dialogform, sein extensiver sinnen­paragone, die für ihn so zentrale Antinomie zwi­ schen dem Materialwert auf der einen und dem Kunstwert auf der anderen seite, sowie die Unterscheidung zwischen körperlicher und geistiger Mühe des Kunstschaffenden –, für alle diese eigenheiten der Parte prima hat petrarcas moralphilosophisches handbuch die Maßstäbe gesetzt, so gravierend leonardos Akzentverschiebungen im einzelnen sein mochten. der geistesgeschichtlich weitaus bedeutendste schritt in leonardos paragone, der einer wende, vielleicht sogar einem traditionsbruch gleichkommt und der die Parte prima zum reifsten Zeugnis des Kunstrangstreites im Quattrocento macht, betrifft die schwesterkünste. niemand vor leonardo ist innerhalb eines großangelegt­zusammen­ hängenden Versuches, die Malkunst von der Vorrangstellung der poesie zu emanzipie­ ren, in dieser schärfe gegen die poesie zu Felde gezogen. Und niemand hat, überdies mit der ersten eindeutig hierarchischen Auslegung des simonides­diktums, das zugunsten der Malerei ausfiel, die für die humanisten gültigen stärkeverhältnisse zwischen den schwesterkünsten so mutwillig durchkreuzt wie er. das eigentlich Überraschende aber an leonardos poesie­Kritik ist, wie wenig er sich in diesem punkt von den allgegenwär­ tigen Kategorien – man denke an die (platonische) Fiktionskritik – leiten ließ, wie sie leicht ex negativo aus den vielen Verteidigungsschriften der dichtkunst seit dem trecen­ to zu entnehmen waren. Originell fielen leonardos (genau besehen oft augustinischen) denkmuster dennoch nicht aus. Aber vor dem hintergrund vieler eigener einstreu­

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Burckhardt, [21869] 1988, s. 215.

2. Epilog: Überlegungen zur Geltung von Topoi in der Renaissance

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ungen mussten sie sich für den zeitgenössischen leser als etwas unverbraucht Authenti­ sches darstellen. in den innovativen Kunstwerken des Quattrocento, in denen man jahrhundertelan­ ge Gattungsgrenzen sich schier überleben sah, drückte sich nicht zuletzt die lukianische sehnsucht nach einer Kunstform aus, die alles kann und, wie in jeder extremen selbst­ vergewisserung, die suche nach identität. Je intensiver Maler eine imitatio poesis oder sculpturae und Bildhauer eine imitatio picturae betrieben, desto mehr sahen sie sich auf sich selbst und auf ihre Kunst zurück verwiesen. Verwunderlich ist es denn auch nicht, was am ende der Ära der Unterscheidungen, dissoziationen und differenzierungen im paragone stand: es war beileibe nicht Vasaris einsicht in die Gemeinsamheit der Kunst­ gattungen, es war die erkenntnis ihrer Unvergleichlichkeit.

2. epilog: Überlegungen zur Geltung von topoi in der renaissance was bedeuten diese einzelergebnisse in einem erweiterten Blickfeld? welche grundsätz­ lichen einsichten sind von ihnen abzuleiten? eines der auffallendsten Merkmale jener Kunstwerke, die den paragone reflektieren, ist der gezielte, ja wertende einsatz von topoi, oder sprechen wir (wegen ihrer Übertragung in Kunstwerke) von ›visuellen topoi‹, um einen just in unseren tagen eingeführten terminus für einen Gegenstand zu verwenden, der seitens der Kunstgeschichte in den letzten dezennien (zumindest zu einzelnen loci communes) so ertragreich beleuchtet worden ist, dass, wer noch immer meint, den nach­ weis der Virulenz der topoi in den Bildkünsten erbringen zu müssen, eulen nach Athen trägt.1167 ein berauschend gemalter weltentwurf, oder, um mit castiglione zu sprechen, eine »machina del mondo«, Frauen der renaissancezeit, die im porträt (in der nuance der dantesken donna Petra) als versteinert­abweisende herzensherrin den Betrachter auf distanz halten – es ist die summe visueller topoi, die nach einer neubestimmung des­ sen verlangt, was die allgemeine Bedeutung der topik im renaissancezeitalter ausmacht. 1167

Jahrzehnte trennen uns von der fragwürdigen position von curtius, die Bildkünste seien, anders als die rhetorik, nicht imstande, topoi auszubilden, da sie an das Gebot der sprachlichen seinserhel­ lung gebunden seien, und noch immer konzentriert sich die Forschung bevorzugt auf die entkräf­ tung dieser hypothese, als würde sie den eigenen erträgen misstrauen; dazu Visuelle Topoi, 2003, s. 22f.; die Abqualifizierung der Bildkünste in ernst robert curtius, »topik als heuristik«, in: Toposforschung (wege der Forschung 395), hrsg. v. Max l. Baeumer, darmstadt, 1973, s. 19–21, s. 19 [zuerst in: Zeitschrift für Romanische Philologie, 58, 1938, s. 197–199]: »[…] immer sind es sprachgebilde, von denen man ›betroffen‹ wird«; s. auch derselbe, [1948] 101984, s. 24: »[…] weil die literatur […] träger von Gedanken ist, die Kunst nicht.« indirekt wird der problemkreis der leistungskraft der Bildkünste angesprochen in Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit (pluralisierung und Autorität 9), hrsg. v. Gabriele wimböck et alt., Münster, 2007.

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VIII. Schlussbetrachtung

die Fesseln des ursprünglich rein literarisch­rhetorischen wirkbereiches der topik erwie­ sen sich als abgelegt; die topoi entfalteten eine neue, eine klärungsbedürftige dimension. wie können ins Bild transferierte topoi, sofern sie Blindformeln sind, und her­ kömmlich gelten sie als solche, überhaupt klare wertungen in einem so zwingend auf wertsetzungen angelegten sujet wie dem paragone vermitteln? liegt die paradoxie nicht auf der hand? diese problematik zeigt sich auch im Feld der literatur. Baxandall steht nicht alleine, wenn er Zweifel hegt, dass echte Überzeugungen in den mit topoi durch­ setzten Kunsturteilen der frühen humanisten vorliegen. er begründet ihren Gebrauch mit einem ritual humanistischer erudition.1168 die Bedeutungslosigkeit der rezipierten formula bestätige sich mehrfach, zum einen in ihrem technisierten Gebrauch. so ließen die loci communes der Kunsttraktate eine sehr geringe Gegenstandsgebundenheit erken­ nen. Geringfügig modifiziert, seien sie in renaissanceschriften über völlig andere themen eingedrungen.1169 Zum anderen mindere die Vorprägung der topoi ihre akute Bedeu­ tung. Vorformulierte wendungen teilen nun einmal nicht die direktheit und Authenti­ zität individueller und spontaner Meinungskundgaben,1170 mag auch der rekurs auf sie an eine gewisse substantielle Glaubwürdigkeit gebunden sein. diese Vorstellung erwies sich als erkenntnisleitend. Jeder nachgewiesene topos schien den eindruck des rein rhe­ torischen charakters des paragone­disputs zu bekräftigen.1171 soweit die herkömmliche position – unsere ergebnisse vermitteln einen anderen eindruck. sofern die topoi, aus schrifttestimonien entnommen, auch Kunstwerke anteilig mit­ bestimmen, ja selbst die lebenswelt, das heißt: neuzeitlich bewegte, lebendige Geschichte, ermangelt es ihnen doch wohl nicht an einer faktischen Bedeutung. die gängigsten stu­ fenfolgen ihrer rezeption lassen sich rekonstruieren: Kunsttheoretiker und andere lite­ raten der renaissance assimilierten (in ihrem Bemühem um die Anwendung rhetori­ 1168

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siehe Baxandall, 1971, s. 51ff. und s. 66; Baxandall attestierte petrarcas Bemerkungen über Kunst einen »[…] lack of critical effort […]«; erst in dessen nachfolge erreichten sie »[…] an accumulative effect […]«; nicht anders O’Malley, 1979, s. 5. das von Baxandall (ebenda, s. 72) in diesem Kontext angeführte Beispiel ist Filippo Villanis stadt­ geschichte von Florenz mit dem wiederholt auftauchenden topos von der Überlegenheit zeitgenös­ sischer Virtuosen im Vergleich mit antiken Vorgängern: Villani behauptete sowohl die Überlegen­ heit Giottos gegenüber antiken Malern als auch die seines Zeitgenossen pagolo de’dagonari gegenüber antiken Astronomen. die verwendeten formula unterschieden sich sehr gering. Generell zur Funktion der topoi Moss, 1996, s. 2ff. Baxandall, 1971, s. 72ff. diese Argumentation ist verbreitet – ähnlich die Bewertung von topoi in der literaturwissenschaft, etwa s. v. »topos«, in: Sachwörterbuch der Literatur, hrsg. v. Gero von wilpert, stuttgart, [1955] 8 2001, s. 837. Von wilpert meinte, dass die existenz literarischer traditionslinien von bestimmten denk­ und Ausdrucksformen die romantische sicht von der poesie als unmittelbarer, individueller Gefühls­ und seelenaussprache berichtigen müsse. carl Goldstein, »rhetoric and Art history in the italian renaissance and Baroque«, in: ArtBull, 73, 1991, s. 641–652, s. 652ff. hat hellsichtig die problematik einer solchen sichtweise angesprochen.

2. Epilog: Überlegungen zur Geltung von Topoi in der Renaissance

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scher prinzipien auf die Bildkünste) bewährte formula für neue Zusammenhänge,1172 Künstler bedienten sich ihrer und übertrugen sie in traktate, Kunstwerke und in das öffentliche leben. in seltener deutlichkeit erhellt der Florentiner Baptisteriumstüren­ wettbewerb von 1401 diesen Vorgang. da sich die zweifache einwirkung der topik – d. h. mithin als impuls für die Ausrichtung dieses wettbewerbes und post festum als Grundton der wettbewerbsschilderung – in Zugriffen auf das gleiche Findungsarsenal zeigt, liegt die tragweite klassischer topoi mitunter in der wiederbelebung von riten und deren topischer reflexion. wenig anders im Fall von piero della Francesca: er bewies mit dem Antigonos­rekurs die tugend seiner Malerei ›nach Art des Apelles‹, nicht ohne den Betrachter seiner Zeit zum Vergleich mit seiner eigenen, auf superatio angelegten Bildfassung einzuladen. das hermeneutische potenzial dieser Version wurde von der Kunstliteratur aufs neue ausgewertet. in dieser eigentümlichen, in der renais­ sance immer wieder auftauchenden Verzahnung zweier Verwendungsweisen rhetorischer formula stiftete tradiertes das Modell für ein Kunstwerk oder ereignis, und dieses wur­ de sodann zum (neuen) exemplum stilisiert. wir sind gewohnt, topoi als Gemeinplätze zu verstehen. im paragone bewiesen sie Kombinationskraft, oder, nach einem wort von Koselleck, »historische elastizität«.1173 wir sind ferner gewohnt, topoi als literarische erscheinungsform zu begreifen. im paragone scheint diese Grenze überwunden. wie sind diese widersprüche aufzulösen? ist ein topos­Begriff unter diesen Voraussetzungen überhaupt angemessen? einsichten ergeben sich erst nach dem Aufräumen mit einem Missverständnis, das auf ernst robert curtius zurückgeht und das trotz heftigem widerspruch seit den fünf­ ziger Jahren noch immer durch die Köpfe geistert. curtius, bekannt als der Begründer der historischen, als heuristik angewandten topik, hatte den topos­Begriff – in einer durch Quellen nicht legitimierten Verwendung – mit der modernen Vorstellung von Gemeinplatz gleichgesetzt.1174 nach antikem Verständnis, verbürgt durch Aristoteles

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sehr früh, 1446, übertrug Guarino die klassische einteilung der rhetorik – inventio, dispositio, elocutio – auf Vorgehen eines Bildhauers; s. Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 460. Ob diese sequenz, wie pfisterer, 2002, s. 304 behauptet, tatsächlich die erste Übertragung dieser prinzipien auf die Bild­ künste ist, bleibt offen. Bernardino daniello folgte Guarino 1536 in seinem poesietraktat, Della poetica (s. Bernard weinberg, Trattati di poetica e retorica del Cinquecento, 4 Bde., Bari, 1970–1974, Bd. i, s. 272); vgl. summers, 1981, s. 207. im Quattrocento bietet meines wissens callimachus experiente das extensivste Beispiel mit einem Maler in einem rhetorik­traktat; s. callimachus experiente, Rhetorica, s. 115–117: es ist ein Maler, der emsig »Gewitter und schiffbrüche« (»tempe­ states et naufragia«) malen kann und angeklagt wird, er würde das staatswohl verletzen; das Bei­ spiel dieses Malers bereits im Buch von Georg von trapezunt, Rhetoricorum libri, ii, s. 153–156. Vgl. die terminologie von Koselleck, 1979, s. 38–66, s. 39. siehe curtius, [1948] 101984, s. 77. die heutige toposforschung ist noch immer wesentlich an cur­ tius’ topikverständnis orientiert; sie kennt im Gegensatz zur klassischen tradition keine deduzie­ rende systematik, noch arbeitet sie mit exakten Begriffsdefinitionen. die Forschungsgeschichte zur

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VIII. Schlussbetrachtung

und sämtliche römisch­antiken nachfolger, war topos aber vielmehr eine suchformel, ein hilfsmittel und Verfahren zum Auffinden geeigneter Gedanken, oder, weit wichti­ ger im Fall des paragone, von zugkräftigen Argumenten, wie einst für den redner cice­ ronischen Bildungsideals.1175 die Geschichtlichkeit der topoi schloss allenfalls die Mög­ lichkeit ihrer Verfestigung in sich ein. Auf bestimmte Gebrauchsbedingungen, einen modus operandi zurückgehend, wurden Metaphern, Motive, redewendungen und Bil­ der demnach erst in topoi transferiert, wie sich aus der definition von ciceros De inventione ergibt.1176 Früh hatte dantes lehrer Brunetto latini mit seiner Rettorica eine teil­ übersetzung dieser schrift geliefert.1177 niemand zur renaissancezeit sollte so anschaulich auf diese Funktion der loci anspielen wie Francesco sansovino, der sohn eines namhaf­ ten Bildhauers und im cinquecento neben dolce und pietro Aretino der wohl wichtigs­ te Funktionär des venezianischen druckgewerbes. in sansovinos Buch über die Materia dell’arte hieß es: »i luoghi sono stanze de gli argomenti.«1178 der paragone zur renais­ sancezeit war sehr viel mehr in diesem authentischen sinne topisch als nach unserer heutigen anachronistischen topos­definition. nicht allein die textfunde einschlägiger rhetorik­Manuale im primo Quattrocento setzten die zunehmende Vertrautheit mit der ars inveniendi in der Frühen neuzeit in

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Kritik an curtius wird mit weiteren Argumenten referiert im Vorwort von Toposforschung, 1973, s. Viiff. cicero, Topica, ii, 6, s. 8 hatte die Unterteilung der »ratio diligens disserendi« in zwei teile unter­ nommen: »unam inveniendi alteram iudicandi«. es bleibt unklar, ob nur eine Allegorisierung geisti­ ger tätigkeit vorliegt. die inventio, bei cicero zusammenfallend mit der topik, gliederte sich – aus­ gehend von der Gerichtsrede – in fünf teile: 1. einleitung (exordium oder proemium); 2. erzählung (narratio); 3. Beweis (argumentatio oder probatio); 4. widerlegung gegnerischer Behauptungen (refutatio); 5. schluss (peroratio oder epilogus); vgl. lausberg, [1960] 31990, § 26, s. 147. Vgl. auch Aristoteles, Topik, 105a 21–23; weitere antike Belegstellen in lausberg, [1960] 31990, § 260, s. 146; § 373, s. 201; § 1244, s. 740; über topoi zur renaissancezeit catherine Atkinson, Inventing Inventors in Polydore Vergil’s ›De inventoribus rerum‹ (spätmittelalter und reformation. neue reihe 33), tübingen, 2007, s. 16ff. die römer nannten topoi loci oder im sinne von Fundgruben für den Gedankengang sedes argumentorum; vgl. Quintilian, Institutio oratoria, V, 10, 20 und cicero, De inventione, ii, 7. in ciceros verkürzender darstellung galten nur noch die prämissen der Gesamt­ argumentation als topoi. cicero, De inventione, ii, 15, 48, s. 204: »haec ergo argumenta quae transferri in multas causas pos­ sunt, locos communes nominamus.« Vgl. auch die loci­definition in cicero, Orator, 46; die Beto­ nung dieses Aspektes durch Manfred hinz, Rhetorische Strategien des Hofmannes. Studien zu den italienischen Hofmannstraktaten des 16. und 17. Jahrhunderts, stuttgart, 1992, s. 21: »wenn ein topos erst im Akt seiner interpretation existiert, gibt es auch keine rhetorik jenseits ihres Gebrauchs.« Brunetto latini bot in der Rettorica eine Übersetzung der ersten siebzehn Kapitel mit einem Kom­ mentar; dazu Moos, 2006, s. 246 und Yates, [1966] 1994, s. 99. Francesco sansovino, In materia dell’arte libri tre ne quali si contien l’ordine delle cose che si ricercano all’oratore, Venedig, 1561, fol. 12r; zitiert nach hinz, 1992, s. 217. die herleitung dieser Metapher von den argumentorum sedes (Quintilian) ist offensichtlich.

2. Epilog: Überlegungen zur Geltung von Topoi in der Renaissance

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Gang; neben der 1491 gedruckten editio prima der ersten selbständigen systematischen Abhandlung über die dialektische topik, Boethius’ De topicis differentiis, waren zudem einige der heuremata­literatur nahestehende schriften für die humanisten beflügelnd. Unter ihnen war die wirkmächtigste die des polydore Vergil aus Urbino von 1499.1179 Und je mehr sich, nicht zuletzt auf Betreiben polizianos (er arbeitete bis zu seinem tod an einer Übersetzung der aristotelischen topik), die auf Aristoteles rekurrierende ethi­ sche dimension der epideiktischen rede entfalten konnte, desto größeres Gewicht bekam die praxisrelevanz der topik.1180 nicht zu vergessen hielt auch ciceros Findungs­ lehre den leser zur notwendigen Verschränkung der rhetorica docens mit der rhetorica utens an.1181 es war ein kleiner schritt, bis die humanisten auch paragone­topoi und – argumente mit der confirmatio/reprehensio­ oder laus/vituperatio­technik entwickeln sollten.1182 es ist interessant, dass der rangstreitdisput aber auch eingang in literatur­ gattungen fand, die in anderer weise als die epideiktische rede ihren praxisbezug preis­ gaben. die Forderung, die der Grieche Georg von trapezunt gegen 1433, im ersten

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polydore Vergil widmete sein werk De inventoribus rerum 1499 lodovico Odasio, dem tutor von Guidobaldo da Montefeltro; an Vorgängerwerken fehlte es im trecento keineswegs, so von Giovan­ ni Gorini da san Gimignano (De artificalibus et rebus artificialibus) und Guglielmo da pastrengo da Verona (De originibus rerum libellus); näheres in Atkinson, 2007, s. 73, s. 32 und curtius, [1948] 10 1984, s. 531; s. die von nikitas besorgte kritische textausgabe von Boethius, De topicis differentiis. siehe Maїer, 1966, s. 372. Zur praxisrelevanz Markus h. wörner, Das Ethische in der Rhetorik des Aristoteles (praktische philosophie 33), München, 1990, s. 206ff. und s. 229ff. Vgl. cicero, De inventione, i, 29, 49. – petrarca zufolge sollten tugend und wahrheit als stimulans zur nachahmung publik gemacht werden. er begründete damit sein in Anlehnung an seneca geführtes Gespräch mit Azzo im Vorwort seines Glücksbuches (petrarca, De remediis/Keßler, s. 52f.): »sed quoniam et virtus et veritas publicae sunt neque studium antiquitatis obesse debet posteritatis industriae, cui excitandae atque adiuvandae noscitur institutum, de hoc ipso tecum loqui aliquid […].« in seiner Auseinandersetzung mit cicero in De sermone wies Giovanni pontano der rhetorik politische Aufgaben zu; s. Ioannis Ioviani Pontani De sermone libri sex, hrsg. v. sergio lupi, lugano, 1954, Bd. ii, s. 4. cicero (Topica, i, 14, 19) spricht von confirmatio (d. i. der Beweis der eigenen Argumente) und reprehensio (d. i. die widerlegung der gegnerischen thesen), Quintilian (Institutio oratoria, iii, 7, 1) von laus und vituperatio (vgl. lausberg, [1960] 31990, § 1127g, s. 542); zur confirmatio callimachus experiente, Rhetorica, s. 42f.; zum genus demonstrativum im Kontext von öffentlichen statuen s. 147. dass sich die Argumente Für und wider von Kunstgattungen aus diesen prinzipien herlei­ ten, geben noch die systematisierungsversuche der Argumente im cinquecento preis. das gilt neben dem Unterfangen Varchis auch für Versuche der poesietheorie, vor allem Francesco patrizis Della poetica, la deca disputata (1587) und Benedetto Fiorettis Proginnasmi poetici (1620–1639). Zum laus–vituperatio­prinzip bekannte sich castiglione, Cortegiano, i, cap. 13, s. 105: »dico che in ogni cosa tanto è difficil il conoscer la vera perfezion, che quasi è impossibile; e questo per la varietà de giudìci […]. e così ciascuno lauda e vitupera secondo il parer suo, sempre coprendo il vicio col nome propinqua virtù, o la virtù col nome del propinquo vicio; come chiamando un prosuntuoso, libero; un modesto, àrrido; un nescio, bono; un scelerato, prudente; e mediesimamente nel resto.«

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VIII. Schlussbetrachtung

umfassenden rhetoriktraktat der Frühen neuzeit erhob, sprich: die Anpassung der loci communes an die circumstantiae,1183 sollte durch die im 16. Jahrhundert in schwung kom­ mende hofmannstraktatistik meisterlich eingelöst werden – ein Genre, das zu recht das etikett einer »[…] pragmatischen literaturgattung mit metapoetischen Ansprüchen […]«1184 verdient. denn das thema und das darstellungsmedium waren identisch: die versierte Konversation. Um deren perfektionierung voranzutreiben, führte die von dol­ ce redigierte Ausgabe des Libro del Cortegiano seit 1556 sogar die loci des textes als randnoten auf. so gestaltete sich auch der Zugriff auf den paragone.1185 dabei darf nicht vergessen werden, dass sich diese gebrauchsorientierte note im Kontext des gleichen themas mit petrarcas handbuch De remediis angekündigt hatte, das dem leser aus­ drücklich »überall und jederzeit« (»[…] in […] omnibus locis ac temporibus […]«) griff­ bereit zur Verfügung stehen sollte (»[…] in promptu habeas […]«), oder, wie der Autor mit einem cicero­Zitat anpreist, »zu unser beider gemeinsamen Gebrauch« (»[…] uter­ que nostrum communiter […]«).1186 so kam es in einer reihe von schriftquellen zum paragone zu einer praktischen exemplifizierung rhetorischer lehren, wenn man so will, zu literarisch vorgeführten handlungsmodellen. die renaissanceforschung, die uns belehrt hat, wie sehr sich die humanisten bis ins detail gehend, in Kleidung, Gesten und sprache, an überlieferten Attitüden klassischer Vorbilder orientierten, hat es versäumt, hinreichend der Funktionsweise der topik in

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Georg von trapezunt, Rhetoricorum libri, fol. 70v: »[…] omnes oratoriae facultatis locos in circun­ statijs fundari […]«; im späten Quattrocento bereicherte callimachus mit seinem rhetorikbuch die diskussion, s. callimachus experiente, Rhetorica. tatsächlich waren die loci in der renaissance vor­ rangig gleichbedeutend mit den circumstantiae (vgl. lausberg, [1960] 31990, § 399, s. 220); das macht eine Ausrichtung auf die Umstände der Konversation wahrscheinlich; dazu sister Joan Marie lechner, O.s.U., Renaissance Concepts of Commonplaces, new York, 1962, s. 86. Vgl. hinz, 1992, s. 12 und s. 193ff. hinz erkannte die Abhängigkeit dieser Konversationstheorie von der klassischen risus­lehre, deren darlegung in cicero, De oratore, ii, 216ff. erfolgt ist; cas­ tiglione, Cortegiano, ii, cap. 41, s. 259 nannte als Ziel der Konversation den »diletto continuo«; die Kernfrage für die dialogteilnehmer sei daher »[…] come abbiamo ad usar le facezie […]« (ebenda, ii, cap. 42, s. 260). hinz, 1992, s. 199, Anm. 254 ging zu recht davon aus, dass der richtige Gebrauch der »facezie« vom erwerb der grazia abhängig sei. wichtiger ist aber die erkenntnis, dass dem – wie auch immer gearteten – Gebrauchsmodus zentrale Bedeutung bei der Konversation zukam. so klärt castiglione: »[…] né altro vol dir il parlar antico che la consuetudine antica di par­ lare […].« Befähigt zur »bona consuetudine« seien nur Menschen mit »ingegno«, die mit »dottrina ed esperienzia« den »bon giudicio« erreichen würden; s. castiglione, Cortegiano, i, cap. 37, s. 150 und i, cap. 35, s. 148. siehe Il Cortegiano, del Conte Baldessar Castiglione, nuovamente con diligenza revisto per M. Lodovico Dolce, secondo l’esemplare del proprio autore. Con l’aggiunta de gli Argomenti per ciascun Libro, e in margine apostillato, e con la Tavola delle cose notabili, Venedig: Gabriel Gioliti de’Ferrari, 1556, i, cap. 49–52. Vgl. petrarca, De remediis/Keßler, s. 54; vgl. cicero, Cato maior de senectute, i, 2.

2. Epilog: Überlegungen zur Geltung von Topoi in der Renaissance

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Kunstwerken und im Künstleralltag in diesem skizzierten kulturellen erfahrungsraum nachzuspüren.1187 Freilich ist nicht zu verkennen, dass topische schilderungen nicht immer auf historisch verifizierbare Bedingtheiten zurückzuführen sind. das ließ Alberti auf frappante weise erkennen, als er in De pictura konstatiert, dass die schöne erfindung schon per se, auch ohne Umsetzung in die Malerei, fesseln könne.1188 die Begründung spricht für sich: Maler, dichter und redner bedienten sich zum erreichen einer treff­ lichen Komposition identischer Mittel.1189 der schlüssel zur regelhaftigkeit, die dem Gebrauch der topik im Quattrocento zugrunde liegt, ist zweifellos – und erst recht, da 1187

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Ähnlich, aber ohne konkreten Bezug auf die topik, hatte carl Goldstein moniert: »it has been shown, then, that renaissance art criticism owed a large debt to classical rhetoric. what has not been shown, or not with equal clarity, is how this language­based system is to be understood in rela­ tion to the visual arts it purports to define and evaluate«; s. Goldstein, 1991, s. 643. – summers, 1981, s. 88–89 sah zwar die Abhängigkeit der »fundamental critical attitudes« der renaissance­ Autoren von der rhetorik, betonte aber, dass Ziel und Zweck von Malerei oder poesie nicht in jeder hinsicht rhetorisch gewesen sei. dass die humanisten die parallelisierungsversuche von rhetorik und Malerei (beziehungsweise skulptur) zunächst über vergleichbare stilentwicklungen begannen, diese these vertrat berechtigt patz, 1986, s. 271. Man beachte in diesem Kontext den für den para­ gone vielleicht stimulierendsten Vergleich zwischen der rhetorik und den figurativen Künsten in ciceros De oratore: Obgleich beide, Mal­ und Bildhauerkunst, je eine Kunst seien, gäbe es doch – mit Myron, polyklet und lysipp beziehungsweise Zeuxis, Aglaophon und Apelles – verschiedene, auf ihre weise perfekte Meister; ebenso sei es in der rede; cicero, De oratore, iii, 26, s. 462: »[…] una fingendi est ars, in qua praestantes fuerunt Myro, polyclitus, lysippus, qui omnes inter se dis­ similes fuerunt, sed ita tamen, ut neminem sui velis esse dissimilem; una est ars ratioque picturae, dissimillimique tamen inter se Zeuxis, Aglaophon, Apelles, neque eorum quisquam est, cui quicquam in arte sua deesse videatur. et si hoc in his quasi mutis artibus est mirandum et tamen verum, quanto admirabilius in operatione atque in lingua? Quae cum in eisdem sententiis verbisque versetur, summas habet dissimilitudines; non sic, ut alii vituperandi sint, sed ut ei, quos constet esse laudandos, in dispari tamen genere laudentur.« die defizite bisheriger Forschungen, die dem ein­ fluss der rhetorik nachgehen, beklagte – im hinblick auf die argumentatio – auch Frank Büttner, »›Argumentatio‹ in Bildern der reformationszeit. ein Beitrag zur Bestimmung argumentativer strukturen in der Bildkunst«, in: ZfK, 57, 1994, s. 23–42, s. 23. »Atque ea [inventione] quidem hanc habet vim, ut etiam sola inventio sine pictura delectet.« Alberti, De pictura, iii, 53, s. 294. ebenda: »proxime non ab re erit se poetis atque rhetoribus delectabuntur. nam hi quidem multacum pictore habent ornamenta communia. […].« Vor allem pico brachte inventio und ornatio im Kontext der eristik ein: »poteris enim inventionem quampiam de re ab aliis traditam, vel aemulari, vel supe­ rare: poteris disponere melius, eloqui etiam ornatius.« Vgl. auch Le Epistole ›De imitatione‹ di Giovanfrancesco Pico della Mirandola e di Pietro Bembo, hrsg. v. Giorgio santangelo, Florenz, 1954, s. 31; vgl. cicero, De inventione, ii, 15, 48. Zur humanistischen rezeption des compositio­Begriffs, zu dem sich cicero unter anderem im Brutus (cicero, Brutus, Viii, 34) äußerte, s. Baxandall, 1971, s. 130; die Auflistung weiterer antiker Quellen in Aldo scaglione, The Classical Theory of Composition from its Origins to the Present. A Historical Survey, chapel hill, 1972, s. 25f. Große Bedeutung erhielt der compositio­Begriff in der renaissance vor allem durch Gasparino da Barzizzas traktat De compositione von 1420. Barzizza, rhetoriklehrer ciceronischer Ausrichtung in padua, wirkte mit seinem

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VIII. Schlussbetrachtung

es sich um eine Art der Quellenorientiertheit handelt –, im epochentypischen Bezug zum Altertum zu suchen. dieses bot die Gewähr für tragfähige normen. laut Marek steckt im Verhältnis, das die renaissance­Kunsttheorie zur Antike aufwies, ein dilem­ ma: einerseits habe man die antike Kunst »[…] als Maßstab für den eigenen Anspruch […]« benötigt, andererseits sei der Kunst des Altertums »[…] die rolle einer Folie zuge­ wiesen […]« worden, »[…] von der sich die moderne Kunst abheben […]« sollte.1190 Von einem dilemma kann jedoch nicht die rede sein, wenn beispielsweise leonardo topoi aus platons Sophistes herausfilterte, um sie im neuen Zusammenhang kreativ zu entfal­ ten. Vielmehr zeigt sich – im weitesten sinne zu verorten im intervall von historie und empirie – die ganz typische Verschränkung, die die Findungslehre in der renaissance als ergebnis zeitigte. »denn dahin darf es nicht kommen […]«, entfährt es petrarca in De remediis, ein wort des Brutus aufgreifend, »[…] dass etwa der einzelne sich seine Meinung über etwas nicht gemäß dem eindruck, den er von der sache hat, bilden sollte. […]. das respektvolle durchmustern der Urteile so bedeutender Menschen und aller, die ihrer Meinung sind, habe ich hinter mir, wenn ich über mein eigenes Urteil sprechen möchte«,1191 führt petrarca aus. es ist klar, dass die stilisierungspraxis von Kunsturteilen die Verifizierbarkeit von Aussagen und wahrnehmungen für uns zu einem fast unlös­

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traktat maßgeblich auf Alberti ein; dazu George w. pigman iii, »Barzizza’s studies of cicero«, in: Rinascimento, ser. 2, 21, 1981, s. 123–163. Vgl. Michaela J. Marek, Ekphrasis und Herrscherallegorie. Antike Bildbeschreibungen bei Tizian und Leonardo (römische studien der Bibliotheca hertziana 3), worms, 1985, s. 7. im Gegensatz dazu erkannte Marek allerdings an anderer stelle in diesen schier gegenläufigen tendenzen ein »Verfah­ ren« (ebenda, s. 9) oder die Aufgabe und das Ziel der imitatio (ebenda, s. 14). Für die renaissance­ zeit hat panofsky die Vereinigung der ursprünglich unvereinbaren geschichtlichen Zielvorstellun­ gen von der rückkehr zur Antike und der rückkehr zur natur konstatiert. Vereinfacht habe man antiquus (o. a. antiquo) als »etwas Altes« und das vermutlich von cassiodor geprägte wort modernus (o. a. moderno) als »etwas neues« aufgefasst und beides miteinander verbunden. panofsky führte die anachronistische Modernisierung antiker Vorlagen im hoch­ und spätmittelalter auf ein »disjunk­ tionsprinzip« zurück und meinte die durch eine interpretatio Christiana entstehende disjunktion von substanz und Funktion. ein offener Anachronismus habe hingegen nicht in der Absicht der renaissance gelegen; ein wörtlichnehmen autoritativer Quellen habe vielmehr zuweilen zu einer »[…] Überkomplizierung der Kompositionsmuster […]« geführt; vgl. panofsky, [1960] 1990, s. 46f. und s. 206. petrarca, De remediis/Keßler, ›epistolaris praefatio‹, s. 50: »›neque enim impetrari potest, quin, quale quidque videatur ei, talem quisque de illo opinionem habeat‹: Marci Bruti sunt verba scriben­ tis ad Atticum, quibus vix aliquid verius dici reor. Quid enim de re qualibet iudicare possum nisi quod sentio? nisi forte compellar, ut iudicio iudicem alieno; quod qui facit, iam non ipse iudicat, sed iudicata commemorat. ego igitur reverenter tantorum hominum omnium sic sententium iudicia praetervectus, si de proprio loqui vellem.« das eingangszitat ist ciceros Briefwechsel mit Brutus entnommen (Brief 17).

2. Epilog: Überlegungen zur Geltung von Topoi in der Renaissance

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baren problem machen kann. Zu wenig sind wir gewohnt, auf die artifiziellen Mittel und auf die raffinierten Bezüge zu achten, die das wesen der topik ausmachen. das Aufspüren dieser strukturen in einem breiteren rahmen stellt eine Aufgabe dar, die von avancierten kunstgeschichtlichen studien noch zu leisten ist.1192

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ein Aufsatzband sieht sich diesem Anliegen verpflichtet; s. Topik und Tradition. Prozesse der Neuordung von Wissensüberlieferungen des 13. bis 17. Jahrhunderts (Berliner Mittelalter­ und Frühneu­ zeitforschung 1), hrsg. v. thomas Frank et alt., Göttingen, 2007.

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Appendices

Appendix i. Belege und texte

Appendix I/A Okkurrenzliste von »paragone« (bzw. »paragonare«) in leonardos Libro di pittura (codex Urbinas Vaticanus 1270)* Bezug: cap. ii.1.2. Ms.: BAV, codex Urbinas Vaticanus 1270 1.

»[…] e parangonare* [1] l’una con l’altra, […].« Leonardo, Libro di pittura, II, 70, fol. 37r, S. 180

2.

»dicO AncO che nelle istorie si debbe mischiare insieme vicinamente i retti contrari, perché danno gran parangone* [2] l’uno a l’altro; […].« Ebenda, II, 187, fols. 61r–61v, S. 221

3.

»Ora attendi, che se tu voi fare una eccellente oscurità, dàlle per parangone* [3] una eccellente [bian­ chezza], e così la eccellente bianchezza farai con la massima oscurità, e ’l pallido farà parere il rosso di più focosa rossezza che non parrebbe per sé in parangone* [4] del paonazzo.« Ebenda, II, 190, fol. 62v, S. 222

4.

»della natura de’ parangoni* [5]. li VestiMenti neri fanno parere le carni de’ simulacri umani più bianche che non sono, e li vestimenti bianchi fanno parere le carni oscure, e li vestimenti gialli le fanno parere colorite, e le vesti rosse le dimostra pallide.« Ebenda, II, 238, fol. 72v, S. 240

5.

»il lUMe del fuoco tinge ogni cosa in giallo; ma questo non apparirà essere vero, se non v’è al parangone* [6] le cose aluminate dall’aria; e questo parangone* [7] si potrà vedere vicino al fine della giornata, o sì veramente dopo l’aurora, et ancora dove, in una stanza oscura, dia sopra l’obbietto uno spiracolo d’aria et ancora uno spiracolo di […]. Ma senza tal parangone* [8] mai sarà cognosciuta la lor differenzia […].« Ebenda, II, 248, fols. 74r–74v, S. 243

6.

»[…] poi colorisci il tuo disegno in modo che per colore e forma stia a parangone* [9] l’uno dell’altro, o che tutti duoi, chiudendo un occhio, paino depinti, e sia detto vetro d’una medesima distanzia; […].« Ebenda, II, 261, fol. 78r, S. 249

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Appendix I: Belege und Texte 7.

QUAndO tU voi vedere se la tua pittura tutta insieme ha conformità co’la cosa ritratta di naturale, abbi un specchio, e favvi dentro specchiare la cosa viva, e parangona* [10] la cosa specchiata co’la tua pittura, e considera bene se ’l subbietto de l’una e l’altra similitudine ha conformità insieme.« Ebenda, III, 408, fol. 132r, S. 302

8.

»e prima è il paragono* [11] che in sé ha natura di mostrare le cose tanto più perfette nelle specie de’ loro colori, quanto esse sono più disforme; […].« Ebenda, V, 628, fol. 188v, S. 386

9.

»QUAndO ritrAi alcuno corpo, ricordati, quando fai parangone* [12] della potenzia de’lumi delle parte aluminate, che spesso l’occhio s’inganna, parendoli più chiara quella ch’ è men chiara; e la causa nasce mediante li parangoni* [13] delle parte che confinano con loro, […].« Ebenda, V, 670, fol. 196r, S. 397–398

10.

»Quel che fan le ombre co’lumi nelli paragoni* [14].« Ebenda, V, 708, fol. 207r, S. 414

11.

»dA’ priMA una ombra universale per tutta la parte contenente che non vede il lume, po’ li dà ombre mezzane, e le principali, a parangone* [15] l’una de l’altra, e così da’ il lume contenente di mezzano lume, dandoli puoi i mezzi e principali similmente a parangone* [16]. Ebenda, V, 758, fol. 224v, S. 441

12.

»[…] e puoi col dito più presso o più lontano fare ombre più scure o più chiare, le quali sempre parangona* [17] co’ la tua.« Ebenda, V, 761, fol. 225r, S. 442

13.

»l’OMBrA che s’interpone infra il lume incidente e ’l lume reflesso sarà di grand’ oscurità e si dimostrerà più oscura ch’ ella non è, per del parangon* [18] del lume incidente che con lei confina.« Ebenda, V, 780, fol. 228v, S. 448

14.

»il lUMe particulare è causa di dare migliore rilevo alli corpi ombrosi, che l’universale, come ci mostra il parangone*[19] d’una parte di campagna aluminativa dal sole, et una ombrata dal nuvolo, che solo si alumina del lume universale dell’aria.« Ebenda, V, 790, fol. 231r, S. 452

15.

»l’essemplo principale si dimostra nel bianco veduto in parte dal sole, la parte del quale aluminata pare più candida al parangone* [20] dell’ombra, e l’ombra più oscura al parangone* [21] del chiaro; […].« Ebenda, V, 816, fol. 240r, S. 465

16.

»Quello che hai a fare in tal caso a volere adoperare con certezza, come si conviene alle matematiche dimostrazioni, è che tutti li colori che tu hai da imitare parangoni* [22] l’imitante co’ l’imitato à un medesimo lume […].« Ebenda, V, 819, fol. 240v, S. 466

17.

»Metti li tuoi colori al sole, e alla veduta di quello fa la tua mistione di colori imitabili, e parangona* [23] al medesimo lume solare, tenendo il tuo colore scontrato col colore imitato; […].« Ebenda, V, 819, fol. 240v, S. 466

I/B: Lapo da Castiglionchio d. J., Luciani liber de somnio

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18. »[…] per la quale cosa li rami luminosi, non si dimostrando con sicuro pragone* [24] come prima, vengono a parere oscurati; […].« Ebenda, VI, 861, fol. 254r, S. 486

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Belegnummer am Zeilenanfang, Okkurrenznummer in [ ], d. h.: »[1]« im Zitat bezeichnet beispiels­ weise den 1. Beleg von »paragone« im codex Urbinas 1270.

Appendix I/B lapo da castiglionchio d. J., Luciani liber de somnio in Latino conversus ad Eugenio summum Pontificem (ca. 1434) Bezug: cap. iii.2.3. Ms.: BrF, Ms. ricc. 149, fols. 1r–7r transkription von lapos Übersetzung von lukians Traum ins lateinische und von lapos wid­ mungsbrief an papst eugen iV. (s. die sogenannte ›handschrift F‹: Florenz, Ms. ricc. 149, fols. 1r–7r). (die professionelle transkription des textes verdanke ich dem philologen dr. carsten schmieder).

a.

der widmungsbrief (fols. 1r–2r):

» Ad b[eati]ssimum patrem et dominum eugenium, sanctae romanae ecclesiae pontificem sum­ mum, lapi castelliunculi praefatio. Vetustissima consuetudo fuit, beatissime pater et ab heroicis usque, ut opinor, profecta temporibus, ut fruc­ tuum primitias diis immortalibus, quibus auctoribus eos se percepisse non dubitabant, primum persolv­ erent. nec ab illis inventa et tradita per multa secula tanto a posteris cultu, sanctitate, religione pronata est ac retensa [a]ut ea neglecta aut imprudentius praetermissa. si quis gravior postea sibi aut civitati casus ince­ disset si morbus si fames si bellum si promptus inde omnia sibi conflata ac profecta esse opinaruntur. Atque id mihi saepe numero mente et cogitatione repetenti cum ceteris rebus tum hac potissimum sapientissimi illi videri solent qua apparet eos nec ingratos in deum nec immemores extitisse. Quapropter hanc consuetudi­ nem propter vetustatem relictam atque absoletam, nunc tot post saeculis revocandam mihi atque recolen­ dam putavi. nam cum decrevissem in his humanitatis studiis ab adulescentia usque ad hanc aetatem silen­ tio taciturnitateque versatus aliquid litteris mandare, ut ex his meis scriptis, quod per me fieri posset, studiosi homines aliquem fructum caperent; visum est mihi officii religionisque esse, ut tuae isti sacratissi­ mae maiestati maximeque divinae, qua nil post deum maius habemus, meorum laborum ac vigiliarum quasdam quasi primitias dedicarem. ses cum statuissem solonis sapientissimi philoso phi et publicolae clarissimi principis romani vitas ex plutarcho tibi interpretari. quod erat res longa et perdifficilis, meum in sanctitatem tuam studium et voluntatem nimis remorari videbatur. Quare hos duos luciani libel­ los, quod et breves erant nec mea quidem sententia iucundi, ex tempore tibi in latinum converti, tuaeque beatudini mittendos curavi. horum ille in altero urbanissime eas superstitiones reprehendit, quae ab imper­ etis hominibus in funeribus observari solent; quas quod scirem te pro tua summa sapientia singularique religione vehementer detestari, existimavi eorum tibi inprobationem haud ingratam futuram. At in altero, quoniam scribit ille quo pacto ad studia litterarum accesserit quantumque in illis profecerit, non mediocris ad studia exhortatio praesertim inopibus contineri visa est; quam etsi opinor te pro tuo singulari erga stu­ diosos homines amore libenter lecturum, tamen id non tua solum causa sed etiam mea velim facias. intue­ bere enim in illa non modo luciani fortunam sed etiam quodam modo meam. nam quemadmodum ille tenui inopique principio profectus ad hec studia se contulit, ita et nos, non tamen ut ille ex genere tenues et

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Appendix I: Belege und Texte

obscuri, sed gravissimis et acerbissimis casibus nostre civitatis casibus? in has difficultates compulsi. Atque hoc deterior est nostra quam luciani conditio, quod ille ait sibi ab his studiis splendorem maximum et glo­ riam comparasse. Mihi vero adhuc ea nihil praeterquam laborem inanem et inopiam attulerunt. sed tuam spero humanitatem et praecipuam in omnes bonos beneficentiam his meis incommodis subventuram, ut non magis me quam luciani horum studi orum laborisque paeniteat. Accipe igitur, beatissime pater, accipe inquam laeto animo hoc munusculum meum. est enim non maiestati tuae conveniens sed conditioni meae, idque pro tua humanitate legas; et quemadmodum ii qui vina aut fructus emunt, ante degustant quam adpretii pactionem accedant, ita et tu hoc quasi degustationem quandam huius meae facul­ tatis esse putes. Quam si tibi placere intelligam, propediem id opus quod dixi quodque assidue lucubratur tuo nomine, ad te mittendum curabo, et alia etiam maiora tuo iudicio gravissimo confirmatus, conabor attingere. Quod nunc reliquum est, pater beatissime, me totum sanctitati tuae commendo atque trado, meaque omnia studia et facultatem omnesque meas cogitationes, vitam denique in tua potestate et esse et fore profiteor, confirmo atque recipio. et te oro atque obsecro, ut si optimas semper disciplinas atque artes adamasti, si earum studiosos summa semper beneficentia prosecutus es[t]. id nunc etiam facias, et me virum illis deditissimum et tui nominias tuaeque amplitudinis amantissimum eam quoque pro tua clementia et facultate experiri patiare. […].«

b. lapo da castiglionchios lateinische Übersetzung von lukians Traum (fols. 2r–7r): » luciani liber de somnis per lapum castelliunculum cum primum essem ad pubertatem aetate ipsa provectus et puerili institutioni iam modum statuissem pater consilium capiebat habitis amicorum colloquis in quam me potissimum disciplinam perdiscendam tradu­ ceret. horum igitur compluribus litterarum studia et disciplinae liberalis visa sunt et laboris plurimi et temporis nec parvi sumptus indigere, non nihil etiam secunda fortuna ad ea opus esse, at ea nobis prohibere rei familiaris facultates quae cum tenues ad modum angustaeque forent. subitum aliquod desiderare subsidium videbantur. Quod si vulgarium artium unam aliquam suscepisse fore ut statim ex ea mihi satis amplas copias compararem quae mihi ipsi suppeterent ad victum et ad cultum et hoc ipso sump­ turem domesticam levarent. eam denique rem patri non parum voluptatis que ex ea emolumenti aliquod quotidie caperet esse allaturam. secundo igitur ut consequens fuerat in eam considerationem venerunt quae artium ceterarum optima quaeque perceptione facillima et homine digna esse perquirerent. Unde etiam adiungebant quae aliarum quam celerimos et quam promptissimos haberent proventus et quae nec desideri­ osa esset nec laboriosa nimis. cum igitur alius aliam conlaudasset ut quisque aut animi iudicio aut experien­ tia cognorat. tum pater ad avunculum conversus. Aderat enim et ipse matris meae frater qui et sculptor erat et inter eius rei artifices plurimum praestare putabatur. haud fas est inquit ceterarum artium ullam te pre­ sente isti tuae a nobis anteferre. Age vero hunc me ostendens facerudias curaque ac †enitare† ut in optimis lapidibus tractandis et fi[n]gendis imaginibus tua opera studio et diligentia, inquam, eruditissimum virum invadat. est enim ad eam rem quam optime, ut scis, a natura ipsa institutus ex cera namque quam per ludum tractare consueveram coniecturam faciens. et etenim cum licebat per magistros animum relaxare ceram molliens aut boves ex ea aut equos aut me hercule homines effingebam perpulcre quidem ut patri ipsi videbatur. Atqui erat ea quidem tunc eximii et excellentis ingenii laus pro quibus mihi magistri verbera infringebant. ex eo vero effingendi ministerio optimam spem animo capiebant fore ut eam artem brevi perdiscerem. simulque constituta dies est qua ad eam artem tractandam iturus eram et ego avunculi curae a patre commendatus sum nec me hercule eam rem graviter tuli. Verum ludum quendam haud sane mihi iniucundum continere videbatur. Accedebat etiam ad equales ostentatio quaedam si viderent me aut deos expressisse aut parvas aliquas imagines effinxisse aut mihi ipsi aut eis quos mihi prae ceteris delegissem. Atque id quod incipientibus evenire solet mihi quoque initio accidit. nam cum caeltem mihi avunculus dedisset iussit me crustam in medio positam sensim et leniter actenuare, vulgatum illud addens: medium

I/B: Lapo da Castiglionchio d. J., Luciani liber de somnio

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totius est principium. duriter vero cum ob inexperientiam †deferior† crustam fregi. Qua de re ille ira pera­ tus scuticam arripiens prope appositam neque humaniter neque docentis more me caedere occepit ut mihi lacrimas eius initium artis afferret. ex eo igitur loco disfugiens eiulatu domum me refero suffusique lacrimis oculi mihi abortis erant. enarro quo pacto in me scuticam exercuerat signaque plagarum ostendens vehe­ menter eius crudelitatem ac saevitiam incusabam affirmabamque haec illum ob invidiam effecisse veritum ne illum in ea arte superarem. Quibus rebus mater vehementer commota multis fratrem maledic­ tis obiurgavit. cum autem advenisset nox nec dum cessantibus lacrimis in cubiculum abiens accubui tota­ mque noctem illam in ea fui cogitatione defixus, in quam mihi artem incumbendum foret. Atque haec ipsa quae a me hactenus dicta sunt ridicula ac iuvenilia fuere, at quae sequuntur nequaquam nobis erunt ut abitror contemnenda, sed quae hominum animos erectos audiendi studio retinere debeant. dico enim ut homericum illud usurpem. [»]nocte sub ambrosia dives mihi somnia somnus actulit[«] fuitque adeo clarum ac prospicuum ut nihil sibi ad veritatem dixisse videretur et ut mihi etiam nunc tanto post tempore illius visionis ante oculos versetur imago. et audita a me tum vox adhuc circumsonet aures ita se mihi manifeste omnia ostenderunt. duae enim mulieres me arreptum manibus ad se utraque summa vi trahere nitebantur ut parum abfuerit quin me discerperent. cum in ea concertatione diutius ad invicem perstitissent, et enim primum quidem altera victrix evasit meque omnino fere in potestatem habebat nec multo post alia me obtinuit. conclamant vero ipsae inter se haec quidem me ut suum possidere se velle altera frustra illam alienis de rebus in certamen venisse. erat autem earum altera ut quidem videbatur in opere laboreque versata aspectu virili coma conrepta et squalida manibusque contractis callis obduratis atque veste succin[c]ta, pulvere omnino reculus cum in lapidario opere versabatur. Ast aliae venusta ad modum facies erat decorusque habitus ac ve stitus dignitatis et splendoris plurimum afferebat. postremo igitur mihi quam earum potissimum in uxorem vellem libere deligendi potestatem effecere. tum horrida illa et virilis hunc in modum me primum est alloquuta. equidem, dilecte puer, staturia adsumars quam pridie tute primum discere accepisti consuetudineque tecum et affinitate coniuncta. Avus enim tuus – matris meae patrem nuncupans – statuarius fuit atque eiusdem duo filii tibi avunculi ad eandem se contulerunt discipli­ nam. inqua quidem materia opera plurimum clarueunt. Quod si huiusce nugas in anesque blanditias socia ostensa dimittere statueris me vero sequi et in matrimonio tibi coniungere primum apud me ingenue nutri­ eris umerosque robustos et tollerantes habebis. Ab invidia vero tibi protinus abesse continget quin etiam patriam incoles assidue nec in alienam tibi migrandum erit propria amicis ac familiaribus destitutis. nec ob verba laudem ab hominibus consequere sed nec vire corpus et abiectum et humilitatem vestium parvi facias. Ab his enim initiis orsus Fidias ille iovem formavit, ac polycletus iunonis effinxit imaginem, ab his laudatus Myron, ab his praxiteles admirationi est qui omnis cultu et honore proxime ad deorum immortalium numen accedunt. si igitur ex iis aliquis esses profecto et ipse apud omnis homines gloria potirere et patrem tuum beatum efficeres, patria vera tuo splendore clarior atque illustrior haberetur. haec atque his plura ars illa balbutiens ac barbare pleraque pronuntians obloquuta summo studio me in sententiam suam conabatur adducere sed nec plura equidem memini, plurima etenim memoria excidere. Ubi vero illa dicendi finem fecit, alia hunc in modum dicere aggressa est. ego vero, fili, ea sum disciplina quam cum tibi iam pridem usus ac necessitudo fuit et si me minus absolute penitusque perceperis gratia igitur bona sis habitu­ rus si lapidarius fias ipsa ante ex posuit. nihil erit enim quod non tibi facundum sit corpus assidue fatiganti, et in hoc omnem spem vitae collocandi. Atqui cum ipse obscuro loco natus sis, si parva ad id quaedam et contemnenda adieceris, tum animo abiecto humilique sis nec facultatibus ullis †humn† des, nec amicis praesidio, aut inimicis terrori esse possis, nec inter cives praeclare alicuius rei gloria excellere ceteris videare. sed tantum operarius quidam et ex media plebe unus, semper prae potentem aliquem reformides eique dicendi facultate et copia valeat famulare ac leporis vitam viventi, semper tibi digniorum voluntati et com­ modis obsequendum sit, etiam si phidiae ac polycleti facultatem assecutus fueris, multaque praeclara et admiranda tui ingenii monumenta confeceris, artem quidem ipsam laudabunt omnes, sed nemo erit qui quidem aliquod sapiat qui tui similis esse velit. Vulgare quidem et sordidum ministerium delegis se videbere

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Appendix I: Belege und Texte

quippe qui tibi e labore ac manu victum pares. †Quod† si meis parere consiliis volueris primum omnium tibi ostendam maiorum facta ac res gestas ad miratione dignissimas, eorumque orationes in medium referam hisque omnibus ut ita dicam mea opera doc tior atque eruditior evades omnisque tuus id quod abste plurimi sit, multisque a me optimisque ornamentis pudicitiae, iustitiae, pietatis, mansuetudinis, clementiae, tollerantiae excoletur optimarum vero rerum atque honestissimarum amore flagrabit. hoc enim vere dicam incorruptum animi decus et ornamentum existimari decet, nec te quippiam ex omni antiquitatis memoria fugiet, nec quid temporibus his virtuti et honestati sit consentaneum, sed una mecum rerum decentia intuebere. denique ex me brevi rerum omnium et divinarum et humanarum cognitionem percip­ ies. et quo numero rerum omni um, premeris inopia eundem si ad hanc adeo generosam artem animum intenderis. posthac brevi tempore clarum ac beatum iudicatum et rerum optimarum cognitatione florentem omnes et honore et laudibus prosequentur. Videbisque eorum qui genere et opibus praevalent oculos in te esse conlectos, atque huiusmodi ornatus veste, suam ostendens splendidam, enim ad modum gestabat, prin­ cipatu ac praesidentia dignus ab omnibus iudicaberis. †Quod† si †quando† tibi a patria longius abesse con­ tigerit nec in externis quidem atque alienis locis incognitus aut in obscuro eris, eas etenim tibi inprimam notas ut intuentium quisque propinquum admonens digito te ostendat. hic ille est ingens. Quod si qua res studio ac diligentia providenda erit sive ad amicos id sive ad r[em] p[ublicam] universam pertineat ad te unum spectabunt omnes sic ubi quod dixeris stupore quodam affecta multitudo te audiet admirabiturque, et te beatum ea eloquentia praedicabit. nec solum te verum etiam patrem tuum in optima for­ tuna esse collocatum et quod dici solet ut ex hoc minibus quidam immortales fiunt. hoc me tibi allaturam esse recipio. et enim cum e[x] vita discesseris numquam ab eruditorum virorum congressu unquam ab opti­ morum consuetudine aberis. tenesne memoria demosthenes ille quo patre natus quantum mea opera nominis sit assecutus [?] tenesne Aeschynem quem tympanistriae filium coluit tamen summa observantia phylippus [?] socrates autem et ipse sub hac statuaria enutritus ut primum per aetatem praestantioris artis dignoscendae compos fuit. et ab ea diffugiens ad me transfuga inde confugit; audisne quibus ab hominibus laudibus efferatur [?] tune igitur tales ac tantos viros abste contepnendos putabis tam praeclaras res gestas tam eruditos sermones, decorum habitum, honorem, gloriam laudes, praesidentias, opes, principatus denique eloquentia florere et ob sapientiam dici beatum atque esse parvi pendens [?] sordida indueris veste servilemque accipiens habitum necribus sculptoriis caeltibusque atque aliis eiusmodi instrumentis manus terens in infimo opere, demisso ore versabere humique te abieciens ac prosternens depressa tantum adam­ abis et omni ratione contemnenda nec te unquam attolles, nihil virile nihil libero homine dignum cogitabis. sed ut opera ipsa continuitatem et compositionem suam et propriam teneant enitere. Ut autem ipse concin­ nus fias et clarus minimam diligentiam adhibebis, sed te lapidibus ipsis abiectiorem effiecies. haec cum adhuc illa loqueretur haud equidem quousque ad orationis exitum perveniret expectans. sed assurgens statim sententiam dixi informemque illam et operariam obmittens alacri ad modum animo ad disciplinam me contuli ac maxime ubi scutica mihi venit in mentem utque illepridie incipientem me ver­ beribus haud mediocriter affecisset. haec autem destituta ab initio vehementer indoluit collisisque manibus ac dentibus infrendens denique quod de niobe accepimus rigore contracto in lapidem est conversa. Quod si incredibile videatur hoc illi accidisse nolite admirari. rerum enim mirabilium fictor somnus esse solet. Ast alia tum ad me conversa: tu, inquit, ex me huius iudicii gratiam reportabis per pulcre enim rem ipsam et causam iudicasti; sequere igitur me currumque hunc quam primum conscendas. Ostendens currum quen­ dam alatum cum equiis quibusdam pegaseo illi simil limis ut perspicias nisi me sequutus esses quarum rerum et quam maximarum cognitione in posterum caruisses. Ubi vero currum conscendi illa impellens aurigae munus obruit. ego autem in aethera sublatus ab aurora incipiens usque ad occidentales urbes con­ templabar gentes ac populos veluti triptolemus ille terrae semen quoddam infundens. Verum quod semen id fuerit haud sane memoria teneo praeter quam hoc tantemque inferius homines suspicientes laudibus efferabant et in quoscumque inciderem me probatum laudatumque dimittebant. cum mihi igitur res tantas meque ipsum laudantibus ostendisset haud eadem qua profectus eram veste domum reduxit, sed mihi ipsi

I/C: Apuleius, Apologia

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multis ac variis coloribus ornatus redire visus sum. Quare et patrem apprehendens vestem illam intueri iussit meque ispum qualis accederem. deinde et quae de me paulo ante consilia cepisset in memori­ am reduxit. haec dum me in pubi adhuc essem vidisse memini mihi visum esse me plagarum metu vehe­ menter esse turbatum, haec tantisper dum dicerem hercules quidam quam longum insomnium est et quam iudiciarium inquit. deinde alius carpens hiemale quidem somnium nobis exposuit †quia† eius temporis noctes quam longissimae sint aut forte trium noctium est qualem herculem fuisse commemorant. Quid igitur illi in mentem venit? †vehas† apud nos nugas tam fatue loqueretur et in puerilis noctis vetustorum quae etiam pridem obsolenttium somniorum mentionem incideret. Varia est enim et inanis frigida oratio. num igitur nos fingendis somniis delectari existimavit? Minime vero, bone, vix? nec vero Xenophon ipse eum pro arbitrio suo imsomnium exponebat et in paterna domo atque alia quae sequuntur. nec enim nos fugiat illum nec fingendi gratia somnium simulasse nec ut nugas nobis exponeret praesertim in bello aut proelio imminentibus hostibus et desperatione rerum huiusmodi res memoriae prodidisse, sed utilitatis pro­ fecto aliquid eius narratio continebat. ita nunc et ego eius rei causa hoc vobis somnium exponendum putavi, ut iuvenes ad meliora se studia convertant, in disciplinasque liberales sibi omni studio incumbendum putent, ac maxime si quis eorum impeditus inopia rei familiaris ad deteriorem aliquam artem deferatur, nature bona haud ingenerosa corrumpens, se ipsum colligat atque confirmet. nec vero dubito quin ille que hanc fabellam audierit, sufficiens me sibi exemplum esse arbitretur, secum ipse memoria repe­ tens quantum ego ab initio facultatibus copiisque munitus hanc optimorum studiorum rationem sim ingressus, a qua me summa discendi cupiditate incensum haud eius temporis inopia absterrere potuit, quibusque ad vos preditus ornamentis redierim. Qui si nil aliud peperi aut assecutus sum, sculptorum pro­ fecto me nullus gloria antecellit.«

Appendix I/C Apuleius, Apologia (o. a. Pro se magia) die Verteidigung des Apuleius gegen den Besitz eines spiegels (158 n. chr.; editio princeps 1469) Bezug: cap. iii.2.5. »13 (5) sequitur enim de speculo longa illa et censoria oratio, […] 14 (1) quod tandem crimen est imaginem suam nosse eamque non uno loco conditam, sed quoquo velis parvo speculo promptam gestare? (2) an tu ignoras nihil esse aspectabilius homini nato quam formam suam? equidem scio et filiorum cariores esse qui similes videntur et publicitus simulacrum suum cuique, quod videat, pro meritis praemio tribui. (3) aut quid sibi statuae et imagines variis artibus effigiatae volunt? nisi forte quod artificio eleboratum laudabile habetur, hoc natura oblatum culpabile iudicandum est, cum sit in ea vel magis miranda et facilitas et simili­ tudo. (4) quippe in omnibus manu faciundis imaginibus opera diutina sumitur, neque tamen similitudo aeque ut in speculis comparet; (5) deest enim et luto vigor et saxo color et picturae rigor et motus omnibus, qui praecipua fide similitudinem repraesentat, cum in eo visitur imago mire relata, ut similis, ita mobilis et ad omnem nutum hominis sui morigera; (6) eadem semper contemplantibus aequaeva est ab ineunte pueri­ tiae ad obeuntem senectam, tot aetatis vices induit, tam varias habitudines corporis participat, tot vultus eiusdem laetantis vel dolentis imitatur. (7) enimvero quod luto fictum vel aere infusum vel lapide incussum vel cera inustum vel pigmento illitum vel alio quopiam humano artificio adsimultatum est, non multa inter­ capedine temporis dissimile redditur et ritu cadaveris unum vultum et immobilem possidet. (8) tantum praestat imaginis artibus ad similitudinem referundam levitas illa speculi fabra et splendor opifex.«

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Appendix I: Belege und Texte

Übersetzung: (13 (5) es folgt nämlich jetzt die lange und gestrenge rede über den spiegel, […] 14 (1) wenn ich auch zugebe, hineingesehen zu haben, was in aller welt ist das für ein Verbrechen, sein eigenes Bild zu kennen und es nicht nur an einem platz verborgen zu haben, sondern, wohin man lust hat, es in einem kleinen spiegel, stets griffbereit, mit sich zu tragen? (2) Oder weißt du nicht, dass für einen Menschen nichts mehr der Betrachtung wert ist als die eigene Gestalt? ich weiß jedenfalls, dass von den söhnen diejenigen einem lieber sind, die dem Aussehen nach einem ähneln, und dass jedem zur Belohnung für seine Verdienste das eigene standbild von staats wegen errichtet wird, das er anschauen kann. (3) Oder was haben die statuen und die von den verschiedenen Künsten hergestellten Bildnisse für einen sinn? es müsste denn gerade das, was, mühsam durch Kunst geschaffen, als lobenswert gilt, als tadelswert anzusehen sein, sobald es von der natur geboten wird, während doch bei ihr sowohl die leichtigkeit wie die Ähnlichkeit in der darstellung ganz besonders ist. (4) denn bei allen von Menschenhand geschaffenen Bildern wird lange Mühe darauf verwandt, und dennoch erscheint die Ähnlichkeit nicht ebenso wie im spiegel; (5) dem ton fehlt die Fri­ sche, dem stein die Farbe, dem Gemälde das plastische und allen Materialien die Bewegung, die doch die Ähnlichkeit besonders treu wiedergibt, während man im spiegel das Bild wundersam wiederholt sieht, nicht nur ähnlich, sondern auch beweglich und jedem wink des dargestellten Menschen angepasst; (6) es entspricht auch immer der Altersstufe des Betrachtenden vom Beginn der Kindheit bis zum Ausgang des Greisenalters, es kann so vielfachen wechsel des Alters mitmachen, nimmt teil an so verschiedenen haltun­ gen des Körpers, ahmt so vielfachen Gesichtsausdruck desselben Menschen nach, ob er nun Freude, ob er schmerz empfindet. (7) dagegen, was aus ton geformt, in erz gegossen, in stein gehauen, in wachs gebrannt, mit Farbstoff aufgetragen oder sonst durch irgendeine menschliche Kunst ähnlich gemacht ist, das wird in einer geringen Zeitspanne unähnlich und besitzt wie ein leichnam nur einen einzigen, unbe­ weglichen Gesichtsausdruck. so sehr übertrifft, was die wiedergabe der Ähnlichkeit angeht, die kunstvolle Glätte und der schöpferische Glanz des spiegels alle bildenden Künste). Apuleius, Apologia, cap. 13, 5–14, 8, S. 36–39 (ÜS: Rudolf Helm)

Appendix I/D Martino Filetico, Iocundissimae disputationes: phidias und die ruhmessucht (liber ii, s. 226–228 (ca. 1462/1463) Bezug: cap. Vi.6.2–3 Ms.: Vat. Urb. lat. 1200, fol. 133r PHILETHICUS. BAPTISTA. PHILETHICUS. BAPTISTA.

›Quid sentis de Minerva ista phidiae?‹ ›Quod abs te accepi.‹ ›dic quale sit istud quod a me accepisse profiteris.‹ ›scutum a phidia factum et in arce palladis positum et quia sibi egregium videbatur suum nomen inscripsit, quemadmodum opifices nobilissimi solent avidi gloriae, ut ἒργον фειδίου.‹ PHILETHICUS. ›clipeum a phidia fabricatum concedo a me accepisse dicas et in arce positum palladis id quoque concedo, sed in eo scriptum phidiae nomen, bona pace dixerim, regina, a me numquam accepisti.‹ BAPTISTA. ›Abs te, inquam, audivi milies.‹

I/D: Martino Filetico, Iocundissimae disputationes

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PHILETHICUS. ›te miror quom istaec dicas; sed huiusmodi sunt ferme omnes qui sub aliquoius doctoris audiunt disciplina: quom male quid sentiunt culpa doctoris arguitur; quod probe memi­ nit iuvenalis noster quid enim scio? – culpa docentis scilicet arguitur. sed eorum ego te numero nec feci umquam nec faciunda es, quom de me in primis sis benemerita et plus litterarum acceperis quam ipse tradiderim.‹ BAPTISTA. ›Quorsum istaec tam multa? negas tu fortasse, praeceptor, a phidia suum nomen inscrip­ tum in clipeo?‹ PHILETHICUS. ›pernego.‹ BAPTISTA. ›Qua auctoritate niteris?‹ PHILETHICUS. ›Mea inquam.‹ BAPTISTA. ›Velim te alterum pythagoram, quoius nomen tantae fuit auctoritatis in Magna Graecia, quae nunc calabria dicitur, ut satis erat ad argumenti confirmationem dicere αὐτòς ĕφα!‹ PHILETHICUS. ›Faxint dii! sed iocabar tecum. nihil umquam nec tu nec aliquis quispiam audivit a me quod ego tutari non possim auctoritate plurimorum. tu quoniam non mea sententia acquiescis, lege tu primum Tusculanarum; ibi enim cicero sic habet: ›Quod enim phi­ dias sui similem speciem inclusit in clipeo Minervae quom scribere non liceret?‹. de his hactenus.‹« Übersetzung: ›Filetico‹: ›Battista‹: ›Filetico‹: ›Battista‹:

›Filetico‹:

›Battista‹: ›Filetico‹:

›Battista‹: ›Filetico‹: ›Battista‹: ›Filetico‹:

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was hälst du von dieser Minerva des phidias? was ich von dir gehört habe. sag’, was dies sein soll, was du angeblich von mir gehört hast. dass der schild von phidias gemacht worden ist und auf der pallas­Burg angebracht wurde, und dass er, weil ihm dieser vortrefflich erschien, seinen namen eingravierte, wie es die höchst berühmten Künstler aus ehrsucht zu tun pflegen, als ›werk des phidas‹. ich lasse es durchgehen, dass du sagst, von mir gehört zu haben, dass der rundschild von phidias gemacht worden sei, und ich billige zudem, dass er auf der pallas­Burg angebracht wurde. Aber, Königin, dass der name des phidias in diesen eingraviert sein soll, nimm es mir nicht übel, das hast du nie von mir gehört. ich betone es: ich habe es von dir tausendmal gehört. ich wundere mich, wie du solcherlei behaupten kannst, aber so sind nahezu alle, die durch Unterweisung irgendeines Gelehrten wissen aufnehmen. wenn sie etwas miss­ verstehen, wird die schuld des Gelehrten unterstellt. dessen gedachte unser Juvenal ganz bescheiden: ›was weiß ich schon? wohlgemerkt wird die schuld des Gelehrten unterstellt.‹1* Zu diesen aber habe ich dich weder je gerechnet, noch solltest du zu diesen gerechnet werden, da du in erster linie meine erlauchte Gönnerin bist und mehr wissen aufgenommen hast, als ich selbst beigebracht habe. wozu so viel davon? stellst du, mein lehrer etwa in Abrede, dass von phidias selbst der name auf dem schild geschrieben worden ist? ich leugne dies hartnäckig! Auf welche Autorität berufst du dich? Auf meine eigene, so möchte ich betonen!

Zitat aus Juvenal, Saturae, Vii, vv. 158–159.

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Appendix I: Belege und Texte

›Battista‹:

›Filetico‹:

ich wollte, du wärst ein zweiter pythagoras, dessen name so viel Autorität in Unterita­ lien, das nun Kalabrien genannt wird, besessen hat, dass es genügte, zur Bestätigung eines Argumentes zu sagen: ›er selbst hat es gesagt!‹ Mögen doch die Götter mir dies vergönnt haben! Aber ich scherze mit dir. niemals hast du oder hat irgendein anderer etwas von mir gehört, das ich nicht durch die Autorität vieler bestätigen könnte. da du dich über mein Votum nicht beruhigen kannst, lies das erste Buch der Tusculanen. in ihm spricht cicero nämlich so: ›warum hat phidias denn ein ihm ähnliches Abbild in den schild der Minerva einbezogen, wenn es ihm doch ver­ boten war, seinen namen anzubringen?‹ Aber genug davon!).

Appendix I/E Gedichte auf Ginevra de’Benci und Bernardo Bembo Bezug: cap. Vii. im Folgenden werden Gedichte über die amor­amicitia zwischen Ginevra de’ Benci und Bernardo Bem­ bo zitiert. Berücksichtigung finden nur die Gedichte mit gesichertem Bezug auf die beiden protagonis­ ten, d. h. die Verse von naldo naldi, Alessandro Braccesi und cristoforo landino. die zugrunde liegen­ den codices sind: BML, Ms. Plut. XCI, Sup. Cod. 41, 44v–45v BAV, Ms. Vat. lat. 3366, fols. 79v–87r BCA, Ms. Ferrarese 162, parte X, o. P.

die wiedergabe der texte folgt meist der transkription von della torre, 1900, s. 320–322. ihm war nicht jedes der Gedichte – nicht das von naldi – bekannt. die Konjekturen stimmen überein mit den ergänzungen von John F. c. richards (s. App. von walker, 1968, s. 28–37). Auch orientiert sich meine deutsche Übersetzung der Gedichte von Braccesi und landino in großen Zügen an richards englischer Übersetzung. nur offensichtliche Fehler bei der Übertragung aus dem lateinischen wur­ den korrigiert. eine Konzession an die Metrik des Originals wurde nicht versucht. die drei dichter werden im textteil bei Verweisen auf Gedichtsequenzen nur mit Kürzeln zitiert (N = naldi, B = Braccesi, L = landino); dabei folgt die numerierung ihrer Gedichte derjenigen in diesem Anhang.

naldo naldi (1436–ca.1513) 1.

›Ad Bernardum Bembum de Ginevra Bencia.‹ Quanvis summa tuae iam sit praestantia formae, Bencia, per cives concelebrata tuos, castaque sic etiam populo vociteris ab omni, pulchrior ut dubitent sis ne pudica magis, nulla tamen gravior laus est neque maior habenda nec mage quae famae conferat inde tuae, Quam grave iudicium Bembi, quo sanctior alter nemo nec in latio clarior orbe manet. cui formosa satis, cui cum videare pudica, in te cum summum Bembus utrunque probet,

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I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo evenit, ut de te cantent nova carmina vates, Quilibet ac nomen tollat in astra tuum.

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Naldi, Epigrammaton liber, S. 39, Nr. 121

(so sehr auch die Vortrefflichkeit deiner schönheit die höchste ist, Bencia – von deinen Mitbürgern gepriesen –, und so sehr du auch zugleich vom ganzen Volk so rein genannt wirst, dass sie schwanken, ob du wohl schöner oder keuscher bist, gibt es gleichwohl kein erhabeneres lob und keines, das höher zu schätzen ist, und daher keines, das mehr deinem ruhm huldigen könnte, als das erhabene Urteil Bembos. es gibt keinen anderen, der sittlicher ist, und auch keinen in ganz latium, der hervorragender seine position behauptet. dir, die du sehr schön bist, dir – weil du dich als keusch erweist, weil Bembo diese beiden höchsten [eigenschaften] in dir anerkennt –, kommt es zuteil, dass die dichter neue lieder über dich singen und jeder deinen namen zu den sternen erhebt.)

Alessandro Braccesi (1445–1503) 1.

›Ad Ginevram Benciam puellam formosissimam.‹ ille sali numerare licet pertentet arenas immensumque nimis aggrediatur opus, Qui morum et formae studeat tibi dicere laudes, te quibus haud unquam clarior ulla fuit. sic tamen et veneror simul atque admiror utrumque, Afficiorque adeo propter utrumque tibi, Ut memorare meis ausim te versibus, ore Quos precor ut placido, cara puella, legas. Bencia carminibus celebrari digna tibulli, dignaque divino carmine callimachi; Quam canat et Gallus, culti quam musa properti; digna sacris vatum protinus ingeniis. parcite vos reliquae tusca regione puellae; haec superat cunctas moribus et facie; illa fluentinis est unica gloria nymphis splendor et ornatus perpetuumque decus. Qui cupitis vates aeterna in saecula nomen, semper et a cupida posteritate legi, Aurea carminibus dicatur Bencia vestris, Bencia quae vestrum nobile reddet opus.

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BML, Plut. XCI, Sup. Cod. 41, fol. 44r; Della Torre, 1900, S. 320

(es würde einer versuchen, den sand des Meeresufers zu zählen und ein allzu großes werk anzugehen, der, wenn er auch strebte, das lob deines charakters und deiner schönheit auszusprechen, für die keine andere je berühmter gewesen ist als du. so verehre und bewundere ich gleichwohl beides [sc. charakter und schönheit],

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Appendix I: Belege und Texte und so bin ich eben wegen beidem von dir angetan, dass ich es gewagt habe, dich in meinen Versen zu erwähnen. Und ich bete, liebes Mädchen, dass du sie mit sanftem Antlitz lesen mögest. Bencia, die du würdig bist, in den liedern tibulls gefeiert zu werden und auch würdig, vom göttlichen lied des Kallimachos, auch Gallus besänge dich und die Muse des verfeinerten properz, würdig der heiligen Begabungen der dichter. hütet euch, ihr restlichen Mädchen im toskanischen land: diese übertrifft alle in charakter und schönheit. sie ist die einzigartige Berühmtheit unter den florentinischen nymphen, Glanz und schmuck und ewige Zierde. ihr dichter, die ihr einen namen für ewige Zeiten wünschet, um von der nachwelt immer gelesen zu werden: Möge die goldene Bencia in euren liedern besungen werden, Bencia, die euer edles werk berühmt machen wird.)

2.

›Ad clar. equitem Venetum Bernardum Bembum.‹ Bembe, tuum merito quis carpere possit amorem. Quisve faces valeat carpere iure tuas? Bembe, tuum magnis quis non extollat amorem laudibus, altisonis non celebretque modis? namque foves casto flammas in corde pudicas, turpeque nil sapiens illicitumque cupis. nec formosa tibi, nisi quae sit casta, videri Ulla potest, nisi sit clara pudicitia. castus amor tuus est: castas colis inde puellas nec tibi pulchra placet, sit nisi casta simul. nil igitur mirum, castas si Bencia tantum iniecit flammas pectus in omne tuum; namque pudicitiam si quis respexerit huius, haud neget hanc priscam vincere penelopem. illius at faciem si quis meditetur honestam, non eam inficias vincere tyndarida. sitne tamen formosa magis quam casta iuventus in dubio est omnis, lisque agitatur adhuc: pulchrior hac tota non cernitur urbe puella, Altera nec maior ulla pudicitia. ergo tuum merito quis carpere possit amorem Quisve faces valeat carpere iure tuas? Bembe, tuum meritis qui non extollit amorem laudibus, huic circum stat sua corda silex; impius est nimium, tristemque in pectore nutrit invidiam, ac totus ferreus ille vir est. BML, Plut. XCI, Sup. Cod. 41, fol. 45r; Della Torre, 1900, S. 320–321

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I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo

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(wer, Bembo, könnte deine liebe verdientermaßen tadeln, oder vermag es, mit recht deine [liebes­]Fackel zu tadeln? wer, Bembo, soll deine liebe nicht mit großem lobpreis rühmen und sie hoch­klingend feiern? denn du hegst keusche Flammen in einem reinen herzen. Und weise, wie du bist, begehrst du nichts schändliches und Unrechtes. Keine Frau kann dir schön erscheinen, wenn sie nicht auch keusch ist, keine, wenn sie nicht berühmt für ihre Keuschheit ist. deine liebe ist keusch: daher verehrst du keusche Mädchen. Und keine schönheit gefällt dir, wenn sie nicht gleichermaßen keusch ist. es ist also kein wunder, wenn Bencia so sehr keusche Flammen in deinem ganzen herzen verursacht hat. denn wenn jemand ihre Keuschheit bedenken würde, kann er nicht verleugnen, dass sie die antike penelope überbietet. wenn er über ihr edles Gesicht sinnierte, kann er nicht verhehlen, dass sie tyndaris überbietet. Aber alle Jugend ist in Zweifel, ob sie mehr schön als keusch sei, und der streit hält noch immer an. Kein anderes Mädchen wird in der ganzen stadt als schöner angesehen und keine andere als größer in ihrer Keuschheit. wer könnte also verdientermaßen deine liebe tadeln, oder wer vermag es, mit recht deine [liebes­]Fackel zu tadeln? wer deine liebe nicht mit lob emporhebt, Bembo, umgibt sein herz mit hartem stein. dieser Mann ist viel zu frevelhaft, er nährt den neid in seiner Brust oder ist gänzlich aus eisen.) 3.

›Ad eundem.‹ Mittimus has violos, digitis quas legit eburnis et dignata suo est Bencia nympha sinu. sit datus unde tamen nobis si forte requiras hic flos, in nostras incideritque manus, Bencia, dum peterem celeberrima templa verendae Virginis, est oculis obvia facta meis. Ut me corspexit, veteris quem foedere iunctum novit amicitiae protinus esse tibi. permisit violas manibus cecidisse solutis, credens ut legerem, Bembe, daremque tibi. Accipe dona igitur nutu tibi missa puellae delicias inter semper habenda tuas.

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BML, Plut. XCI, Sup. Cod. 41, fol. 45r; Della Torre, 1900, S. 321–322

(wir senden dir diese Veilchen, die die nymphe Bencia mit ihren Fingern weiß wie elfenbein gepflückt und an ihrem Busen für würdig befunden hat. Aber wenn du zufällig fragtest, von wem diese Blume übergeben worden sei und wie sie in meine hände gelangt ist: es war Bencia, die vor meine Augen getreten ist,

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Appendix I: Belege und Texte als ich den sehr berühmten tempel der achtungsgebietenden Jungfrau aufsuchte. Als sie mich gesehen hat, von dem sie wusste, dass er mit dir in einem alten Freundschaftbund verbunden ist, hat sie es zugelassen, dass die Veilchen aus ihren schützenden händen gefallen sind, im Glauben, dass ich sie aufheben, Bembo, und dir geben würde. nimm also die Gaben, die an dich geschickt wurden, auf Geheiß deines Mädchens an, Kleinod, das du immer unter ihnen [den Gaben] hegen musst.)

4.

›Ad eundem.‹ Bembe, decus Veneti clarum Bernarde senatus, delitiae patriae, splendor honosque tuae, Gratia frontis inest oris cui tanta sereni, cui nitor est morum tantus amabilium, ingenium tantum, virtus quoque tanta gerendis rebus, et eloquii pondera tanta gravis, Omnis ut observet florentina iuventus, sis patribus carus, sis in honore viris, (Ac tua sublimis tota resplendet in urbe Fama, velut radians lucifer ante diem), dii tibi dent patriae felicis carbasa portu colligere, ac patrios dent tetigisse lares, Ac tibi dent longae felicia tempora vitae et tibi dent annos vivere nestoreos, coniugis optatos amplexos, oscula nati, et dextris dextras iungere posse manus. Bencia te lacrimis Bembum comitetur euntem, Arguat inque suas numina surda preces, Atque moras cupiat longas, iter ardua tardent cuncta tuum superis supplicet illa deis, discessum adversis ventis gravibusque procellis Optet ut impediant astra benigna tuum.

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BML, Plut. XCI, Sup. Cod. 41, fol. 45v; Della Torre, 1900, S. 322

(Bernardo Bembo, berühmte Zierde des venezianischen senates, Freude, Glanz und ehre deines Vaterlandes, du hast so große Anmut in deinem heiteren Antlitz, so großen Glanz deines liebeswerten charakters, so großes talent, so große tugend in der staatsführung und so großes Gewicht an ernster Beredsamkeit, dass die gesamte Jugend von Florenz dich beobachtet. du bist den stadtvätern viel wert und wirst von den Menschen in ehren gehalten. (Und dein ruhm widerstrahlt aus der höhe der ganzen stadt, wie der Morgenstern vor tagesanbruch strahlt). Mögen die Götter es gewähren, dass du die segel im hafen deines glücklichen Vaterlandes zusammenziehen kannst und dass du die väterlichen laren erreichst. Und mögen sie dir das Glück einer langen lebenszeit gewähren und dich um Jahre so lange leben lassen wie nestor.

I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo

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Mögen sie dir die gewünschten Umarmungen deiner ehefrau und die Küsse deines sohnes gewähren und dich deren rechte hand umfassen lassen. Möge Bencia dich, Bembo, wenn du gehst, mit tränen begleiten. soll sie die Götter, die taub auf ihre Gebete waren, beschuldigen, soll sie lange Aufschübe wünschen und die Gesamtheit der oberen Götter anflehen, dass ihn ein beschwerlicher weg hemmen möge. Und soll sie wünschen, dass widrige winde und schwere stürme mit gewogenen sternen deine Abfahrt verhindern mögen.)

cristoforo landino (1424–1498) 1.

›Ad BernArdUM BeMBUM.‹ tale meo carmen resonet si pectore, quale ismario vati calliope dedit, non ego excelsos revocarem flumina fontes nec traherem fulvos per iuga summa lupos, blanda nec auritae sequerentur carmina quercus, nec premeret gressus lynx stupefacta suos; sed te, tyrrheno sidus salutare leoni, qui nuper Veneta missus ab urbe venis, sensibus amplectens imis et pectore firmo cantarem laudes, maxime Bembe, tuas, Bembe decus nostri, Musarum dulcis alumne, delitiae charitum, palladiumque caput. Quod mihi principium, meritos dum reddere honores conor, Bembe, tibi, quis mihi finis erit? Magna facit variis inopem me copia rebus, virtutes dubium me tenuere tuae, ne, dum plura feram, plura et referenda relinquam immensumque novo carmine crescat opus. stultus sed tenui sublimia sidera penna ire paro, icarias mox subiturus aquas; nam nec calliope rhodopei carmina vatis, nec lini nobis praebet Apollo lyram, sed curtis elegis erato me iussit amantum usta cupidinea ludere corda face. Quapropter Bembi castos ludemus amores, versibus ut surgat Bencia nota meis. Bembus, pulchra, tuam miratur, Bencia, formam, caelestes valeas qua superare deas, quam magnus Veneris Mavors praeponere amori, quam missa europa iuppiter ipse velit. sed magis antiquos mores pectusque pudicum miratur stupidus palladiasque manus. semper amore pio calet hic, contagia tetrae nec possunt illum tangere luxuriae.

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Appendix I: Belege und Texte nullam helenem laudat Bembus, nullamve corinnam, cynthia nulla sibi, lesbia nulla placet, nec si qua est castum quae ausit violare cubile coniugis, et firmam voluit esse fidem. Grata sed Alceste, grata et quae coniugis atros evadne voluit scandere viva rogos, grata et penelope, quam nec potuere parentes flectere, nec dites, turba proterva, proci, et quaecumque olim duro succumbere leto maluit et stygii nare per uda lacus, debita legitimi quam rumpere foedera lecti, solvere vel sancti vincula coniugii. Quapropter, tales artes imitata, puellis exemplar tuscis, Bencia pulchra, venis. notus amor paridis, fateor, [fur]orque lacaenae sed turpi tamen est notus adulterio. pulchrior at ledae partu iam, Benecia, cunctis gentibus, es rara not[a] pudicitia.

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BCA, Ms. Ferrarese 162, parte X, o. P.; Della Torre, 1900, S. 330

(wenn solch ein lied in meinem herzen erklänge, wie Kalliope dem dichter von ismarus geboten hat, soll ich nicht die Flüsse zu ihren erhabenen Quellen zurückrufen, noch die erzfarbenen wölfe über die höchsten Bergkämme ziehen, noch würden die hörenden eichen meinem schmeichlerischen liedern folgen, noch die luchse wie betäubt ihre schritte verkleinern. Aber es bist du, stern, der unlängst, gesandt aus der stadt Venedig, gekommen ist, um dem etruskischen löwen Aufwartung zu machen, den ich mit tiefen Gefühlen und einem starken herzen, großer Bembo, hochhalten sollte und dein lobpreis singen sollte, Bembo, unsere Zierde, liebster Zögling der Musen, Freude der Grazien und haupt des palladiums. was wird mein Anfang und was mein ende sein, wenn ich es wage, Bembo, dir ehre für deine Verdienste zu erweisen? die große Fülle deiner verschiedenen Beschäftigungen machen mich hilflos, deine tugenden haben mich in Zweifel gezogen, ob ich nicht, wenn ich viel erwähne, noch mehr weglassen soll, das berichtet werden muss und ein gewaltiges werk zu einem neuen lied wachsen soll. Aber als tor rüste ich mich, um auf Flügeln zu den sternen in die höhe zu gelangen, um bald in den wassern des ikarus unterzugehen. denn Kalliope gewährt mir nicht die lieder des dichters von rhodope und Apollon nicht die lyra des linus, aber erato hat mir befohlen, spielerisch elegien von den herzen der liebenden zu singen, die von cupidos pfeil entflammt wurden. daher werden wir von der keuschen liebe Bembos singen, damit Bencia, durch meine Verse berühmt gemacht, sich erheben möge. O schöne Bencia, Bembo staunt deine schönheit an,

I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo mit der du die Göttinnen des himmels überbieten kannst. der große Mars wollte dies für seine liebe, Venus, vorziehen, und Jupiter selbst wollte es und europa verlassen haben. Aber er [sc. Bembo] staunt mit Verwunderung mehr dein altehrwürdiges wesen an, ein keusches herz und deine hände, mit dem Können von pallas. er glüht immer durch fromme liebe und der einfluss des schändlichen luxus kann ihn nicht berühren. es ist keine helena, die Bembo preist, keine corinna, keine cynthia oder lesbia gefällt ihm, noch irgendeine, die es wagen würde, das keusche Bett ihres ehemannes zu entweihen, und er hat beharrliche treue gewünscht. Aber wert ist ihm Alceste und wert ist ihm euadne, die, lebend, während des furchtbaren Begräbnisses ihres Gatten gewünscht hat, am scheiterhaufen hinauf­ zuklettern; und wert ist ihm penelope, die weder ihre eltern noch die freche schar reicher Freier bewegen konnten. so auch ist irgendeine, die es einst vorgezogen hat, dem harten tod nachzugeben und durch die wasser des stygischen sees zu schwimmen, als die beiden Fesseln ihres gesetzesmäßigen Bettes zu zerreißen oder die Ketten der heiligen ehe zu lösen. daher, Künste wie diese nachahmend, kommst du, schöne Bencia, als Vorbild der toskanischen Mädchen. wohlbekannt, räume ich ein, ist die liebe von paris und die tollheit der spartanerinnen, aber bekannt für die schändlichen liebschaften. du, Bencia, bist wirklich schöner als ledas Kind, und allen Menschen für deine vortreffliche Keuscheit bekannt.) 2.

›Ad eUndeM‹ O te felicem! lux o qu[am lactea] signet gemma et natali non su[peranda tu] o, qua licuit dominam propter tibi, Bembe, sedere ludereque ac mutuo mille referre sales. Fare, age, quis pallor, quis te rubor una timorque corripuit, tremulo qualis in ore sonus, hospitis in mediis laribus nil tale putanti obvia cum facta est diva Ginevra tibi, cumque salutandi respondit pauca modeste, purpureus niveo crevit et ore calor. non ita concaluit, cum primum sestia virgo vidit Abydenum nare per alta virum; candida nec dido, viridi residentis in antro cernens dardanii membra decora ducis, ut tu divinae subito fulgore puellae arsisti tacita gaudia mente ferens. es tibi tunc visus pinnatis, Bembe, quadigis scandere lucentis regna superna poli,

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Appendix I: Belege und Texte colloquinoque frui divum coctuque dearum permixtus sanctos concelebrare choros. dic igitur: quae tunc renovatae in pectore flammae, et quibus, ab, durus ignibus ussit amor? sed dices nunquam; parvo namque igne calescit, qui quantum caleat dicere, Bembe, valet. dic erato [quae sint flammae quae] pectus amantum incutiant; [nam tu] sola referre potes; dic, quibus obstupuit verbis vel quae ora Medusae vertere eum in silicem sic potuere novam. surripuit phrygium puerum iovis ales in altum, misceat ut regi pocula caelicolum; Bencia sed Bembum divinae assistere mensae et dedit ambrosios sumere posse dapes. ludebat, lusum decuit; loquebatur, ab ore iurares charites fundere verba suo. Vidi ego post atros imbres, iam nube fugata, fulgentem subita luce redire diem; at modico risu si forte Ginevra refulsit, tunc soles geminos emicuisse putes. candida lux igitur niveoque notanda lapillo illa fuit, fateor; sed tamen una fuit. Quod si felici redeat nunc altera fato, Bembe, immortalem te mea Musa canet.

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(O, wie glücklich du bist! O licht, das eine milchig­weiße Gemme schmücken möge, eine, die nicht von deinem eigenen Geburtstag zu übertreffen ist, auf dem dir, Bembo, erlaubt war, neben deiner herrin zu sitzen und zu spielen und gegenseitig tausende von scherzen auszutauschen. Komm, erzähle mir, welche Blässe, welche röte und welche Angst dich überfallen hat, welcher Klang auf deinen zitterenden lippen lag, als im Zentrum des hauses deines Gastes, obwohl nie solche dinge zu erwägen waren, dir die göttliche Ginevra begegnet ist. Und als sie auf dein Grüßen eine knappe und bescheidene Antwort gab, hat sich auf ihrem schneeweißen Gesicht eine rosige wärme verbreitet. die Jungfrau von sextus hat sich nicht so erwärmt, als sie den Mann von Abydos durch tiefe Gewässer schwimmen sah, noch tat dies die reine dido, als sie, den anmutigen Körper des dardanischen Führers auf dem grünen Grab liegend erblickte, wie du, durch den plötzlichen strahl dieses göttlichen Mädchens in liebe entbrannt, während du deine stille Freude hegtest. damals, Bembo, hast du dir eingebildet, in einem geflügelten wagen zum hellen reich des himmels zu steigen, um die Unterredung der Götter zu genießen und, dich in die Versammlung der Göttinnen mischend, um den heiligen tanz mitzufeiern.

I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo sage also, welche Flammen wurden damals in deinem herzen erneuert, und mit welchen grausamen Feuern hat dich die liebe entbrannt? Aber du wirst es niemals sagen; denn er ist von einem kleinen Feuer erglüht, wer vermag es zu sagen, Bembo, wie sehr diese liebe glüht? sag, erato, [welches mögen die Flammen sein, die] das herz der liebenden erregen, [denn du] allein kannst es sagen. sag, über welche worte er erstaunt war, oder welches Medusengesicht ihn so in neuen harten stein hat verwandeln können. die Flügel Jupiters haben den phrygischen Jungen heimlich in die höhe entwendet, sodass er die Becher dem König der himmlischen Götter mischen möge. Aber Bencia hat es gestattet, dass Bembo am göttlichen tisch aufwarten und seinen teil der göttlichen speise annehmen kann. Als sie spielte, hat sie das spiel geziert, als sie sprach, hättest du geschworen, dass die Grazien worte ihrer eigenen lippen entströmen ließen. ich habe nach dunklem Gewitterregen, als die wolken sich schon verzogen haben, den leuchtenden tag mit plötzlichem licht zurückkommen sehen. Aber wenn Ginevra nur zufällig mit gemäßigtem lächeln zurückgestrahlt hat, würdest du meinen, dass doppelte sonnen auf dich herabgestrahlt hätten. dieses licht war also, wie ich gestehe, [so] hell, um in einem schneeweißen stein festgehalten zu werden; aber es war dennoch [nur] eines. wenn durch ein glückliches schicksal, Bembo, ein anderes licht wiederkehren sollte, wird meine Muse singen, dass du unsterblich bist.) 3.

›Ad eUndeM [Bernardo Bembo].‹ hoc age nunc, Bembi referamus amores, sed quos caelestis comprobet ipsa Venus. hic nihil obscenum est turpive libidine tetrum; castus amor castam postulat usque fidem. talis amor Bembi, qualem divina platonis pagina socraticis exprimit eloquiis. namque amor e pulchro cum sit, perculsa cupido pulchrum amat et pulchris gaudet imaginibus; at quodcumque bonum, pulchrum est, turpe omne nefandum: sic bona deposcit, sic mala vitat amor. his flammis Bembus talique accensus amore uritur, et medio corde Ginevra sedet. Forma quidem pulchra est, animus quoque pulcher in illa: horum utrum superet, non bene, Bembe, vides. ergo nil mirum est, nam maxima semina flammis virtus et dominae dant tibi forma tuis. teque etiam ingenio finxit natura benigno, sol[l]ertemque animum stella secunda dedit; hinc oculis priscas stupidis mirare figuras sive hominum, seu sint haec simulacra deum, si qua aut parrhasio fulget splendore tabella, ductus Apellea si quis ab arte color.

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Appendix I: Belege und Texte sed cnidiae quondam Veneris simulacra retecta praxitelis docta sunt tibi visa manu: his tu non italam, non Gallam, Bembe, puellam hactenus aut aliam conspicis assimilem. Bencia sed nuper flavos redimita capillos, cum primum est oculis visa Ginevra tuis, tunc ut plebeae reliquae de pectore formae cesserunt! visa est sola Ginevra dea. tunc mens insolita stuplit, Be[r]narde, figura, cernere supra hominem nescio quid reputans. sed neget alatum quis te volucremque, cupido quo celere est toto iam nihil orbe magis? conspectu ut primo stupuit Bernardus, ut illi corripuit subito pectora tota furor! Vidit, et internas irrupit flamma medullas, atque horrens subiit dura per ossa tremor. nam facies illi, qualem cum saepe videmus candida purpureis lilia mixta rosis, vel si phoenicio veniat suffusa colore indica erythraco gemma reperta mari. et Venus ipsa oculos divino spargit honore et charitum tota gratia fronte nitet. Ambulat: incessum iures iunonis in illa. est opus in manibus: palladis extat opus. Vidimus, horrisono Borea cessante, reducta candentem subito crescere valle nivem; at si cervicem spectes et colla Ginevrae, candentem poteris temnere iure nivem. Ardent purpurei vernali tempore flores; sed nihil ad dominae pulchra labella tuae. Quid frontem nitidam et dentes referamus eburnos, et posita in roseis lumina nigra genis? nec mores qui sint, nec quales ore lepores humano sperem posse referre sono. ergo si casu in talem, Bernarde, furorem incidis aeternum, sors memoranda datur; sin illam ex tota prudenter deligis urbe, quis prorsus, quisnam te mage, Bembe, sapit? es felix igitur, sed non minus illa beata, quae quondam tanto vivat amata viro. nam quis nobilior Veneto cui prisca senatu progenies multos enumeravit avos? est aetas viridis, pulchro est in corpore virtus, admixtusque decens cum gravitate iocus. smyrnaeo celebrem versu laudemus Ulixem, plurima qui magno viderat orbe loca.

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I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo hic passus diros ciconas belloque superbum ismaron, et forti proelia gesta manu. nam quid cyclopas referam vel quas polyphemus horrendo ferox edidit ore minas? hic vidit sociis falsa sub imagine captis [capsis] dissutis ventos utribus ire leves, laestrygonum et diras epulas, fugiendaque circes litora, et in varias corpora versa feras. sirenum fugit cantus, et nota charybdis furta, et scyllaeos, horrida monstra, canes. nec semel aequoreas enavit naufragus undas; sic, neptune, tibi, sic tibi, phoebe, placet. At si quas terras adiit, quos aequore tractus, dum peragit patriae iussa verenda suae, nunc referam, varias missus legatus in oras, dulichium poterit vincere Bembus iter. nam qua pyrene niveis ditata metallis splendida nubiferum tollit ad astra caput, herculis ad metas extremaque nomina calpes et Gaditano litora tunsa freto. innumeros populos variasque ex ordine gentes circuit, et variis moribus ingenia. nec tantum geminos noster cognovit iberos Bembus et occiduae litora longa plagae, sed quae sunt gelido septem subiecta trioni, damnata aeterno frigida rura gelu. nam iuga Gallorum rhodanumque et pervia ponte transivit rheni flumina caesareo, atque omnes quos magna colit Germania montes et Morinum sedes teutonicasque manus. Atque aucta Venetum sic maiestate senatum colligat externis foedere principibus. Magnarum hinc igitur sic experientia rerum egregium mira reddidit arte virum: hinc callet quicquid civilia dogmata poscunt, quid dux, quid miles, quidve senatus agat: quae belli, quae summa bonae sint munera pacis, curia quod mandet, causidicumve forum. te decus egregium, Veneti te nominis omnes plebei lucem patriciisque vocant. Magna domi praestas magno de pectore promens consilia in dubiis magnaque saepe foris. his facilis rebus iam iam commota Ginevra (dura nec humano pectore saxa gerit), perpetuo reddi cupiens insignis amore, optat adoptivae nomina clara domus,

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Appendix I: Belege und Texte mutatisque notis gentili e stire duabus, Bencia quae fuerat, Bembia nomen erit.

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(Komm nun [erato], lass uns Bembos liebe rühmen, aber nur diese, die von der himmlischen Venus selbst gebilligt ist. da ist nichts Unzüchtiges oder schändliches mit finsterer Begierde. eine keusche liebe fordert stets [keusche] treue. Bembos liebe ist von solcher Art, wie es die göttliche (Buch­)seite platos mit sokratischer Beredsamkeit ausdrückt. denn liebe, da neigung die schönheit sehr ehrt, liebt das schöne und erfreut mit Bildern des schönen. Und was immer gut ist, ist schön, alles schändliche unheilvoll. so fordert die liebe das Gute und vermeidet das Böse. Mit diesen Flammen und von solcher liebe ist Bembo entfacht und entbrannt, und Ginevra wohnt inmitten seines herzens. ihre Gestalt ist eben schön und ihre seele ist auch innen schön. welches von beiden überlegen ist, Bembo, siehst du nicht gut. nichts also ist verwunderlich, denn tugend und schönheit deiner herrin geben dir die höchste saat für deine Flammen. Und die natur hat dich auch mit einem gütigen Gemüt gestaltet, und ein begünstigender stern hat dir einen geschickten Verstand gegeben. Bewundere mit erstaunten Augen antike statuen, ob sie Abbilder von Menschen oder Göttern sind, oder ob einige Gemälde mit dem Glanz von der Kunst des parrhasios leuchten, oder ob die Farbe von der des Apelles herrührt. Aber einst sahst du Abbilder der Venus von Knidos, durch die geschulte hand des praxiteles freigelegt; und bis dahin hast du kein italienisches, französisches oder anderes Mädchen gesehen, die dieser gleichen würde. Aber als Bencia neulich mit einem Band [bzw. Kranz] um ihr goldenes haar erstmals vor deine Augen trat, da sind alle anderen schönheiten, im Vergleich gewöhnlich, von deinem herzen gewichen! Ginevra allein schien eine Göttin zu sein. dann, Bernardo, war dein Verstand erstaunt über eine so ungewöhnliche Gestalt, weil du dachtest, du sähest etwas Übermenschliches. Aber wer könnte leugnen, cupido, dass du fliegst und geflügelt bist und in der ganzen welt nichts schneller ist als du? Als Bernardo beim ersten Anblick erstaunt war, da hat ihn plötzlich Verzückung in der ganzen Brust ergriffen! er hat sie gesehen, und die Flamme ist in sein innerstes eingedrungen. Und ein schreckliches Zittern hat seine harten Knochen durchzogen. denn das Gesicht dieser ist, was wir oft sehen, wenn weiße lilien sich mit roten rosen mischen, oder wenn eine indische Gemme, gefunden im erythräischen Meer, mit purpurfarbe benetzt wäre.

I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo

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Und Venus selbst benetzt ihre Augen mit göttlicher ehre, und die ganze Anmut der Grazien glänzt aus ihrem Antlitz. wenn sie läuft, dann würdest du schwören, dass sie den Gang von Juno hätte. wenn sie Arbeit in händen hat, dann zeigt sich die von pallas. wir haben gesehen, dass, wenn der schauerlich tönende nordwind aussetzt, plötzlich weißer schnee in einem entlegenen tal wächst. Aber wenn du auf Ginevras nacken [bzw. hals] schaust, wirst du mit recht weißen schnee verschmähen können. Zur Frühlingszeit glühen rote Blumen wie Feuer, aber sie sind nichts im Vergleich mit den roten lippen seiner herrin. warum sollten wir ihr schneeweißes Antlitz erwähnen, ihre Zähne wie elfenbein und ihre sich zu rosigen wangen gesellenden dunklen Augen? ich sollte nicht hoffen, dass ich mit menschlicher stimme wiedergeben könnte, was ihr wesen ist oder welche Feinheit auf ihrem Munde liegt. Also, wie zufällig, Bernardo, verfällst du ewig einem solchen liebeswahn; ein bemerkenswerter Anteil wird von dir getragen. aber wenn du sie in deiner Klugheit aus der ganzen stadt [geradewegs] ausgewählt hast, wer wäre eher weise als du? daher bist du glücklich, aber sie ist nicht weniger beglückt, die, einmal von einem so großen Mann geliebt, lebt. denn wer ist edler als einer, für den ein altehrwürdiges Geschlecht viele Ahnherrn im venezianischen senat gezählt hat? du bist jung an Jahren, da ist Kraft in deinem gutaussehenden leib und du verbindest schicklich scherze mit würde. wir loben Odysseus, gefeiert in den Versen von smyrna, der die meisten Orte in der großen welt gesehen hat. er erduldete die unheilvollen Kiconen und ismaros, stolz, mit tapferer hand, in Krieg und schlachten kämpfend. warum sollte ich die Zyklopen oder das schreckliche erwähnen, das von den wilden lippen polyphems kam? er sah die winde leicht bewegen, als seine Kameraden von einem trugbild getäuscht wurden und den [genähten] sack aus haut auftrennten; er sah den schrecklichen schmaus der laistrygonen und die Küste Kirkes, von der geflohen werden muss und in verschiedene tiere verwandelte Körper. er floh vom Gesang der sirenen und der berühmten heimlichkeit der charybdis und diesen schrecklichen Monstern, den hunden von skylla. es war nicht nur einmal, dass er durch die wellen des Meerwassers als schiffbrüchiger schwamm. so gefällt es dir, neptun und so dir, phoebus. Aber wenn er [Bembo] – nun berichte ich –, während er die ehrwürdigen Befehle seines Vaterlandes ausführt, in irgendein land oder eine region über see gelangt ist, wird er als ein zu verschiedenen Küsten geschickter Gesandter die reise nach dulichium übertreffen können. denn wo pyrene, reich gemacht durch weißes Metall, die spitze wolkenbringend zu den glänzenden sternen erhebt,

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Appendix I: Belege und Texte so weit wie die Grenzen von herkules und die sehr entfernten namen von Kalpe und die durch die Meeresenge von Gades anstoßende Küstenlandschaft, hat er zahllose Völker und verschiedene Menschen der reihe nach bereist und Begabte verschiedenen charakters. Und unser Bembo kennt nicht nur die Menschen von iberia und die langen westlichen landschaften, sondern auch diese, die über dem eisigen Großen Bär liegen, ein kaltes land zu ewigdauerndem Frost verdammt. denn er hat die Gipfel der Gallier, die rhone und den rhein­Fluss, der durch cäsars Brücke gangbar war, überquert und alle Berge, die das große Germanien bewohnt, den sitz der Morini und die schar der teutonier. Und er vereint kraft eines Bündnisses den venezianischen senat vor fremden herrschern und vergrößert seine hoheit. dann also hat ihn seine erfahrung im Gemeinwesen zu einem erhabenen Mann von erstaunlicher Geschicklichkeit gemacht. so versteht er auch, was immer zivile dekrete fordern, was ein doge, was soldaten oder was der senat ausführt, was die höchsten pflichten des Krieges und die des guten Friedens sind, was der senat, das Forum oder Anwälte befehlen. Alle Bürger und patrizier nennen dich ehrwürdige Zierde und Glanz des venezianischen namens. Groß sind die ratschläge, die du aus deinem großen herzen in schwierigen lagen zuhause erteilst, groß sind auch die, die du oft aus der Ferne an den tag legst. Bald ist Ginevra von diesen dingen leicht bewegt (denn sie trägt keinen harten stein in ihrer menschlichen Brust), bald ist sie begierig, zum Zeichen der ewigen liebe gemacht zu werden, und wünscht den berühmten namen eines auserlesenen hauses. Und wenn zwei Buchstaben ihres Familienstamm[baum]es ausgetauscht worden sind, wird das, was einst Bencia war, der name Bemba sein.)

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›Ad eUndeM [Bernardo Bembo]‹ Quaeris, Bembe, diu sileat cur nostra thalia, nec Xandram nobis pagina muta sonet; idque putas causae, curis quod forte solutum insano sanum pectus amore vacet. At, mihi crede, prius pisanas tuscus in undas Arnus ab aereis desinet ire iugis, quam nostro auratae vellantur corde sagittae, meque sius faculis urere cesset amor. non Xandrae, ut quondam, flavent in vertice crines, nec tantus, fateor, fulget in ore nitor. sic voluit stabili fatorum lege potestas, ut quae sunt, ipso tempore nata cadant. sic formae decus omne perit fugiente iuventa, paulatim et faciem ruga senilis arat.

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I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo sed mihi nec flavi crines nec lumina nigra, crede, olim tanti causa furoris erant; sed mage me virtus muliebri in corde virilis movit, et ingenii vis memoranda sui. inque dies crevit virtus, crescentibus annis, inque dies nobis sic quoque crevit amor. nam quisquis sola forma vincitur amator, lubricus instabili nititur ille gradu; si quis at egregiam mentem, si diligit acre ingenium et variis corda referta bonis, hic pulchrum sequitur, quod nec vitiare vetustas, ulla nec a caelo magna ruina potest. discite mortales animo, non corpore formam optandam, et verum discite amare decus. hoc me iam sextum lustrum tenet, hocque tenebit dumque animus stabit, dum memor ipse mei. nunc quia prima pios aetas cantavit amores, et lusit dominae cygnea colla meae, quae posthac veniet maturis serior annis – nam sic, Bembe, decet – iam graviora canet. et tamen interdum dulcis tibi, Bembe, Ginevrae, sit modo Musa favens, nomen in astra feram. pierides, Bembo vos hoc praestabitis: orbe carminibus toto nota sit illa meis. hanc nostris soboles miretur Graia libellis, hanc stupeant latii me recinente viri. illi smyrnaeo dicent te carmine dignam, hique Maronco, Bencia diva, sono. Quaeque Fluentina florebit in urbe iuventus, illa modo de te carmina nostra legat: heu, dicet, tersi cur non secunda petrarchae incidit in talem tempore lingua deam; namque pudicitia, forma, comitate modoque haec lauram et sanctis moribus antevenit.

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BAV, Ms. Vat. lat. 3366, fols. 82v–83v; Della Torre, 1900, S. 325

(du fragst, Bembo, warum unsere thalia so lange schwieg und warum unsere [Buch­]seite stumm ist und nicht von Xandra singt; und du denkst, der Grund sei, dass mein herz vielleicht von Kummer befreit und geheilt sei und frei von wahnsinniger liebe. Aber, glaube mir, eher wird der toskanische Arno zu fließen aufhören, von den luftigen Gipfeln zu den wellen von pisa, als die goldenen pfeile aus unserem herzen gerissen werden, und die liebe aufhört, mich mit ihren Fackeln zu verbrennen. Xandras haare sind nicht mehr so blond vom scheitel oben herab, wie sie einst waren und der Glanz, der in ihrem Antlitz aufscheint, gestehe ich, ist nicht so groß. so hat es die Macht des schicksals mit festem Gesetz gewollt,

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Appendix I: Belege und Texte dass das, was geboren ist, mit der Zeit vergehen soll. so geht die ganze Zierde der schönheit zugrunde, wie die Jugend entschwindet, und allmählich furchen Falten des Alters das Gesicht. Aber, glaube mir, dass nicht goldenes haar oder dunkle Augen einst der Grund für so großen liebeswahn waren, sondern männliche tugend in einer weiblichen Brust und die zu erinnernde Kraft ihres talentes, die mich mehr bewegt haben. Und jeden tag ist diese tugend gewachsen, wie die Jahre gewachsen sind, und so ist die liebe in mir jeden tag gewachsen. denn jeder liebende, der von schönheit allein überwältigt wird, strauchelt auf schlüpfrigem Grund mit unsicheren schritten. Aber wenn irgendeiner einen erhabenen Verstand liebt, eine scharfe intelligenz und ein herz, angefüllt mit verschiedenen Vorzügen, dann folgt er dem schönen, das weder das Alter, noch irgendein größeres Verderben vom himmel schädigen kann. lernt, ihr sterblichen, dass nicht die schönheit des Körpers [allein nur] begehrt werden darf, und lernt ihre wahre Zierde zu lieben. dies ist, was mich schon für dreißig Jahre fesselt, und dies wird mich fesseln, solange mein Verstand beharrt und solange ich eingedenk meiner selbst bin. nun, da der erste teil meines lebens die fromme liebe besungen und spielerisch über den schwanartigen nacken meiner herrin geplaudert hat, wird der teil meiner reifen Jahre später, denn dies, Bembo, geziemt sich, von mehr ernstem singen. Und zuweilen, Bembo, sofern mich die Muse begünstigen sollte, werde ich den namen deiner süßen Ginevra in den himmel rühmen. O pieriden, dies werdet ihr Bembo gewähren: sie [Ginevra] möge in der ganzen welt durch meine lieder berühmt sein. die nachkommen Griechenlands mögen sie durch meine Büchlein bewundern. die Männer latiums mögen sie anstaunen, wenn ich sie [sc. die Büchlein] rezitiere. die einwohner von smyrna werden sagen, dass du, göttliche Bencia, für den Gesang ihres dichters würdig bist, die hiesigen [lateiner], für den des Maro. Und möge die Jugend, die in der stadt von Florenz blühen wird, nur unsere lieder über dich lesen: Ach, wird sie sagen, warum stieß die knappe und glückliche sprache petrarcas nicht auf eine solche Göttin zur rechten Zeit? denn in ihrer Keuschheit, schönheit, Güte, Mäßigung und ihren ehrwürdigen sitten übertrifft sie laura.)

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›Ad eUndeM [Bernardo Bembo].‹ non desiderio tali concussa thoantis, cum subito Argoam vidit abire ratem, nec tantum doluit phrygio delusa marito, cum lucem dura fugit elisa nece, nec tulit Actaeam gravius discedere classem in frondes phyllis mox abitura novas,

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I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo atque tuo deflet discessu, Bembe, Ginevra, et queritur surdos in sua vota deos. heu, surdos sua vota deos contemnere luget, orbari et castis Bencia delitiis. delitias, ah, maesta pias sanctumque furorem nunc nimium celeri luget abire fuga. sed tamen excelsi testatur numen Olympi, si qua fides sanctae est, Bembe, pudicitiae, se nunquam memori moturam pectore Bembum, nestoreos annos vixerit ille licet. ergo ibis, caros felix visure propinquos et dulcis natos coniugiumque pium; nam tandem exacto patria consistere lustro sede tibi, magno munere functe, datur. tu tamen infixum generoso in pectore condes, qua tibi landinus iunctus amicitia est. nec tantum Argivum pylades dilexit Orestem, cui comes horrendo factus in exilio est, castora nec pollux duris in caestibus audax, fortem nec fortis thesca pirithous, quanto ego nunc Bembi teneor devictus amore, quem iam nulla queat dissolvisse dies. Magna philoctetae potuit reverentia magnum Alcidem obsequio conciliare pio; tuque mihi Alcides, sed nec pietate fideque, Bembe, philoctetes me superare potest. namque ego te tota complector mente animoque: virtutes mirae sic voluere tuae. prudentem admiror, facilem te diligo, Bembe, te doctum stupeo, te fruor usque comi. Aetas germanum facit, at reverentia patrem te colit, ingenti natus amore venis. ergo perpetuum nostri sit pignus amoris, quae colit Aonium turba canora nemus. Vos, o piera doctae de rupe sorores, immo me Bembi condite corde mei; atque viri ingentem laudem aspirate canenti, spiritus ut grandi surgat in ore novus. tunc noscet ventura aetas, Venetusque senatus, quae fuerint civis munera magna sui, quid patriae dederit varias legatus ad urbes, eloquio ante omnes consilioque potens. BAV, Ms. Vat. lat. 3366, fols. 84r–85r; Della Torre, 1900, S. 327

(die tochter von thoas war nicht von so großer sehnsucht erschüttert, als sie plötzlich sah, dass das Argo­schiff verschwand, noch grämte sich elissa so sehr, als sie, getäuscht

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Appendix I: Belege und Texte von ihrem phrygischen Verehrer, aus dem licht in den harten tod floh, noch hat phyllis, die sich bald darauf in neue Blätter wandeln wird, schwerer ertragen, dass die Athenische Flotte auslief, als Ginevra, wenn sie bei deiner Abreise, Bembo, weint und sich beklagt, dass die Götter auf ihre Gebete taub bleiben. Ach, trauert Bencia, dass die Götter taub sind, ihre Gebete verschmähen und dass sie ihres keuschen Vergnügens beraubt ist. Ah, trauert sie, dass ihr frommes Vergnügen und ihre heilige Verzückung nun in eile, viel zu schnell, verschwinden. Aber sie ruft die göttliche Macht als Zeuge vom Olymp in der höhe auf, wenn da irgendein Glaube ist, Bembo, an heilige Keuschheit, dass sie Bembo nie aus ihrem erinnerenden herzen verdrängen wird, mag er auch um Jahre länger als nestor leben. du wirst also gehen, um glücklich deine lieben Verwandten zu besuchen, deine süßen Kinder und deine fromme Frau. denn schließlich ist es dir gewährt, in deinem Vaterland zu bleiben, nun, da fünf Jahre vollendet sind und deine große Aufgabe verrichtet ist. du aber wirst in deinem edlen herzen fixiert die Freundschaft wahren, durch die landino mit dir verbunden ist. pylades hat Orestes von Argos nicht so sehr geliebt, dem er Kamerad im schrecklichen exil wurde, noch hat pollux, kühn mit harten schlagriemen, Kastor so geliebt oder der tapfere pirithous den tapferen theseus, wie ich nun ergriffen werde und durch die neigung zu Bembo völlig besiegt worden bin, die keine Zeit zu zerstören vermag. die große Achtung philoktets hat die Gunst des großen herkules durch fromme hingabe gewinnen können. Für mich bist du, Bembo, ein herkules, aber philoktet kann mich in Frömmigkeit und treue nicht übertrumpfen. ich umarme dich nämlich mit dem ganzen herzen und Verstand: so wollen es deine wundersamen tugenden. ich bewundere deine Klugheit, Bembo, ich verehre die Gewandtheit, ich bin erstaunt über deine Bildung und genieße in einem fort deine Fröhlichkeit. das Alter macht dich zum Bruder, aber Achtung huldigt dich als Vater; du erscheinst von Geburt an mit gewaltiger liebe [ausgestattet]. daher sei die klangvolle Menge, die im aonischen hain ansässig ist, ein immerwährendes pfand unserer liebe. O, ihr gelehrten schwestern vom pierischen Fels, nehmt mich in mein herz von Bembo auf und inspiriert mich, wenn ich überaus großes lob des helden singe, dass sich ein neuer Geist in erhabener rede erhebt. dann wird die Generation, die kommen wird und der venezianische senat wissen, was die großen Aufgaben ihrer Bürger gewesen sind, was er als Gesandter in verschiedenen städten, machtvoll in Beredsamkeit und rat, seinem Vaterland gegeben habe.)

I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo 6.

›Ad eUndeM [Bernardo Bembo]‹ nobilitas prisco si forte a sanguine surgit, quod gravis usque tamen stoica secta negat, quis te plura tulit ramoso in stemmate, Bembe, nomina vel plures enumeravit avos? sunt alii, patriae qui si moderentur habenas publica vel populi munera magna gerant, sese troiugenas et cadmi semine natos cecropiumque putant exuperare genus. sed si prima urbis Venetae reperatur origo, quae latum imperium saecula longa tenet, nunquam Bemba manum domus a temone remisit, sed semper dubiis addita consiliis. At si sola potest virtus, nihil indiga rerum fortunae, quemvis noblitiasse virum, socrate iam gradibus convincam iudice Bembum omnibus exactum nobilitatis opus. namque illi est animus generoso incoctus honesto, quod sibi doctrina, quod sibi more parat. nam docilis subiens dudum penetralia sanctae naturae, ad verum iam sibi fecit iter. hic salibus lepidus variis, huic ore rotundo grandibus in rebus grandia verba sonat. publica si dubio tractantur munera casu, atque opus est celeri mente praeire malum, ingenii velox magni miramur acumen, rebus in ambiguis consiliumque grave. non aurum Xerxis, siculi non monstra perilli sperent robusto corde movere fidem; sirenas contra clausit nec firmius aures, cuius ob ingenium pergame cela iacent, atque voluptatum illecebras, Bernarde, dolosas et dirae circes noxia philtra fugis. sed nullum est maius generoso in pectore signum Musarum sacros quam coluisse choros. nam, quem pegaseo lavere in fonte sorores, ad gremium summi subvolat ille iovis, terrenasque obit [odit] labes, raptatur amore caelestum, et patrias gaudet inire domos, neve novum aut vilem iam, Bembe, putabis amorem: nil magis antiquum, nobiliusque nihil. Ante etenim caelos et clari sidera mundi stabat amor servans atria summa dei. et si quos habeat genitores forte requiris, forma parens illi est, et pater ipse decor.

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Appendix I: Belege und Texte te sine, dulcis amor, rerum natura creatrix nil agit, artifices nec movet illa manus. te duce, mortales imi licet infima mundi, heu, procul a patriis sedibus antra colant, caelestis quoniam sunt haec simulacra decori, pulchrum adamant, siquid daedala terra tulit. spiritus est homini superorum incensus amore, et cupit aeterno ponere fonte sitim. At loca dum silvae peragrat tenebrosa profundae, nec caelum in tanta cernere nocte valet, quae terrena sui genitoris imagine fulgent, haec amat, haec summi sunt simulacra boni. sic tu quam primum vidisti, Bembe, Ginevram, caelesti lapsam credis adesse choro. et certe aut diva est, aut munus tale deorum, quale hominum generi saecula rara ferunt. namque caput pallas dedit, et Venus aurea crines, a radiis oculi sunt sibi, phoebe, tuis. iuppiter impressit clementi in pectore castum propositum et sanctae iura pudicitiae. cornibus at demptis faciem semeleius affert, et charites deceat, quod facit, omne iubent. dulce loqui dulci risu ingenuoque pudore Mercurius facili sidere, Bembe, dedit; nam pudor et risus co¨eunt sic viribus aequis, ut rubeat fugor, fulgeat ore rubor. hinc radii veniunt oculos qui luce retundant, quique urant flammis mollia corda suis. talis enim fulgor, qualis percussa nitenti gurgite de tyrio purpura sole micat. Uni igitur cedit generosum pectus amori, nobilibusque animis imperat unus amor. Absit amor, nullae poterunt cohibere catenae nobile cor nullis viribus impar erit. Verum sponte sua sequitur meliora monentem, pulchrum amat; in pulchrum nam rapit altus amor. Quid, mala si mandent? non, si ruat arduus aether, parebit; quoniam turpia vitat amor.

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BAV, Ms. Vat. lat. 3366, fols. 85r–87r; Della Torre, 1900, S. 328

(wenn Adel etwa aus altehrwürdigem Blut erwächst, was aber die gewichtige stoische schule stets verneint hat, wer, Bembo, hat mehr namen als du in einem stammbaum von vielen Zweigen getragen oder mehr Ahnen gezählt? da sind andere, die, wenn sie die regierung ihres Vaterlandes leiten, oder große Aufgaben des Volkes führen, denken, dass sie trojaner sind und vom stamm des cadmus geboren sind,

I/E: Gedichte auf Ginevra de’ Benci und Bernardo Bembo Und das Volk des cecrops übertreffen. Aber wenn man zurück zu den Ursprüngen der stadt Venedig geht, die das weite reich auf lange Generationen hielt, hat das haus von Bembo nie seine hand von der deichsel genommen, sondern sich immer in schwierigen lagen den räten beigesellt. Aber wenn tugend allein, die nichts an Glück bedarf, irgendeinen Menschen nobilitieren kann, will ich mit sokrates als richter begründen, dass Bembo in allen Graden ein vollkommenes werk des Adels ist. denn er hat einen mit adeliger ehrenhaftigkeit gefärbten Verstand, den er sich selbst durch Bildung und charakter rüstet. denn längst trat er in das heiligtum der heiligen natur ein und da er gelehrig ist, hat er sich schon den weg zur wahrheit gebahnt. er hat witz und Feinheit in Vielem und lässt mit einer ausgefeilten sprache erhabene worte über erhabene dinge erklingen. wenn er staatsaufgaben in Gefahrensfällen handhabt, und es nötig ist, dem Übel mit schneller einsicht zuvorzukommen, staunen wir über die schnelligkeit und schärfe seines großen intellektes und seinen gewichtigen rat bei bedenklichen Angelegenheiten. weder das Gold von Xerxes, noch das Monströse [werk] des sizilianers perillus mögen hoffen, die treue aus seinem starken herzen zu bewegen; noch verschließt derjenige, wegen dessen talent das erhabene troja [pergamus] daniederliegt, seine Ohren stärker gegen die sirenen als du, Bernardo, vor den trügerischen Verführungen des Genusses und dem schädlichen liebestrank der unheilvollen Kirke, fliehst. Aber es gibt kein größeres Zeichen eines edelmütigen herzens, als die heiligen chöre der Musen gepflegt zu haben. denn der, den diese schwestern [sc. die Musen] in der Quelle des pegasus waschen, fliegt zum schoße Jupiters in die höhe. er hasst die schande der erde, er ist durch die liebe der himmlischen Götter entrückt und ist erfreut, in das haus seiner Väter einzutreten. Und du wirst nicht denken, Bembo, dass diese liebe neu oder wertlos ist: es gibt nichts Altehrwürdigeres und edleres. denn die liebe, die die höchsten Behausungen Gottes hütet, stand vor den himmeln und sternen des hellen Universums. Aber wenn du vielleicht fragst, welche eltern jene [sc. die liebe] hat, schönheit ist ihre Mutter und die Zierde selbst der Vater. Ohne dich, süße liebe, tut die natur, die Mutter der schöpfung, nichts, noch bewegt sie ihre geschickten hände. Mit dir als ihr Führer, obwohl, ach, die sterblichen weit von der heimat ihrer Väter in den untersten höhlen der welt verweilen, lieben sie, was immer an schönheit die Künstlerin erde hervorgebracht hat, da diese dinge Abbilder der himmlischen schicklichkeit sind. der Mensch hat einen Geist, der durch die liebe der oberen Götter entzündet wird und ist begierig, seinen durst in der ewigen Quelle abzulegen. Aber während er durch die dunklen Orte eines tiefen waldes wandert und es nicht vermag, den himmel bei nacht zu sehen, liebt er die dinge, die auf erden durch das Gleichnis seines Vaters strahlen,

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Appendix I: Belege und Texte denn diese Abbilder sind das höchste Gut. so glaubtest du, Bembo, als du Ginevra erstmals gesehen hast, dass sie dem himmlischen chor angehört und als stauchelnde hinabgefallen ist. Und gewiss ist sie sowohl eine Göttin, als auch solch ein Geschenk der Götter, wie es nur besondere Jahrhunderte der Menschheit hervorbringen. denn pallas hat ihr einen Kopf gegeben und die goldene Venus das haar und ihre Augen zeugen von deinen strahlen, phoebus. Jupiter hat einen keuschen plan und die Gesetze der heiligen Keuschheit in ihr mildes herz eingedrückt. Aber der sohn von semele bringt ihr sein Gesicht mit den abgenommenen hörnern, und die Grazien befehlen, dass alles, was sie tut, gutheißen soll. Merkur, Bembo, hat mit seinem freundlichen stern gewährt, dass sie süß mit süßem lächeln und aufrichtiger scham sprechen soll, denn scham und lächeln vereinigen sich mit gleicher stärke, sodass ihr strahlen errötet und ein erröten auf ihrem Antlitz stahlt. daher kommen die strahlen zum Vorschein, die Augen mit licht dämpfen und weiche herzen mit Flammen verbrennen. denn ihr strahlen ist von solcher Art wie purpur, das von der tyrischen tiefe aufstrahlt, wenn es von der brennenden sonne getroffen wird. Allein ein edles herz geht demnach mit liebe einher, und liebe fordert einen edlen Geist. wenn die liebe fehlt, werden keine Ketten ein edles herz zügeln können: es werden ungleiche stärken sein. Aber nach seinem eigenen willen folgt der, der einen besseren Kurs empfiehlt und das schöne liebt; denn er ist durch tiefe liebe vom schönen ergriffen. was wäre, wenn sie das Böse befehlen sollten? er wird nicht gehorchen, sogar wenn der hohe himmel herabstürzen sollte, da die liebe das vermeidet, das sittlich schlecht ist.)

Appendix ii Künstlerwettbewerbe und ­rivalitäten

nachstehend erfolgt die Auflistung von Quellen unterschiedlicher Art zu einer Auswahl meist berühmter Künstlerwettbewerbe oder ­rivalitäten. es wurde bewusst verzichtet auf die Unterscheidung zwischen lite­ rarisch­fiktiven und realen wettbewerben. nicht nur, dass eine solche Grenzziehung in vielen Fällen nicht möglich ist; sie ist angesichts einer Zusammenschau, die den Blick für die diktion und die topik des wett­ streites schulen soll, auch nicht sinnvoll. sofern die konsultierte Quellenedition (s. Bibliographie) auch eine deutsche Übersetzung enthält, wurde sie bei Zitaten übernommen. selbst in einigen wenigen Fällen, in denen allein bei Übersetzungen Zugriff auf eine deutschsprachige Ausgabe genommen wurde, bezieht sich die seitenzahl – auch in den Anmerkungen des textteiles – stets auf die in der Bibliographie genannte edition. die übrigen Übersetzungen sind meine eigenen.

Appendix II/A die Amazonenstatuen für das Artemision von ephesos Bildhauerwettbewerb (polyklet, phidias, Kresilas, Kydon und phradmon) Quelle: plinius d. Ä. 1.

1 Jh. n. Chr. plinius, Naturalis historia

»venere autem et in certamen laudatissimi, quamquam diversis aetatibus geniti, quoniam fecerant Amazonas; quae cum in templo dianae ephesiae dicarentur, placuit eligi probatissimam ipsorum artificum, qui praesentes erant, iudicio, cum apparuit eam esse, quam omnes secundam a sua quisque iudicassent. haec est polycliti, proxima ab ea phidiae, tertia cresilae, quarta cydonis, quinta phrad­ monis.« (Auch die berühmtesten Künstler kamen, obgleich sie zu verschiedenen Zeiten geboren waren, mit­ einander in wettstreit, da alle [statuen der] Amazonen geschaffen hatten; als diese im tempel der Artemis zu ephesos geweiht wurden, beschloß man, die schönste von ihnen durch das Urteil der anwesenden Künstler selbst auswählen zu lassen; dabei wurde es offenbar, daß es diejenige war, die alle ohne Unterschied nach ihrer eigenen als die zweitbeste beurteilt hatten. es war die des polyklei­ tus, die nächstfolgende die des phidias, an dritter stelle stand die des Kresilas, an vierter die des Kydon und an fünfter die des phradmon.) Plinius, NH, XXXIV, 53, S. 44–45 (ÜS nach der Ed. König/Winkler)

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 1430er Jahre Matteo palmieri, Della vita civile

»Ma ancora fia honorato a chi segue il sommo grado dell’opere virtuose rimanere nel secondo et, se non può, nel terzo. […] Fidia ancora lascia honorato policreto.« (Aber es wurde auch derjenige honieriert, der im höchsten Grad der tugendhaften werke zweiter bleibt und, sofern er es nicht vermag, dritter. […] phidias hat auch polyklet honoriert.) Palmieri, Della vita civile, I, S. 40–41

3.

1441 niccolò della luna, Capitolo dell’amicizia

»egli è suta [sc. stato] antica ottima consuetudine apresso ’nostri dottissimi e antichissimi padri, in tutte le excellentissime et florentissime ripubriche [così greche] come latine, de l’uso e degnissimo exercitio del certame; imperò che apresso a’ Greci phidias, Aristophanes, eschiudo e homero excel­ lentissimo di tutti, ebbono il certamine […].« (es ist eine alte beste sitte von unseren höchst gelehrten und antiken Ahnen – in allen sehr exzellenten und florienden griechischen wie römischen republiken – gewesen, die höchst würdige Übung des wettstreites zu betreiben; denn bei den Griechen pflegten phidias, Aristophanes, hesiod [o. a. Aischylos ?] und homer, der beste von allen, den wettstreit). BRF, Ms. 1939, fols. 18r–19v; Niccolò della Luna, Capitolo dell’amicizia [Rede anlässlich des Certame coronario], in: De vera amicitia, 1993, S. 494

4.

vor 1455 lorenzo Ghiberti, I commentarii

»Questi furono laudatissimi, vennono in combattimento dell’arte, benché in diverse età e’venissono, imperò che, in diversi tempi, si ferono nel tempio di diana ephesio Amazone. Qgni volta ch’elle si facevano, si togleva il più perfecto scultore che in quello tempo si trovasse. la prima e più perfecta fu quella di Fidia, la proxima a quella fu di policreto, la terza fu di cresille, la quarta di cydonio, la quinta di pardinone.« (diese [Bildhauer] waren höchst lobenswert, sie kamen, obwohl sie verschiedenen Alters waren, in einen wettkampf der Künste zusammen, obgleich aus verschiedenen Zeiten, schufen sie im tempel der diana von ephesos Amazonen. Jedesmal, wenn sie sie schufen, wählte man den vollendetsten Bildhauer, den es in dieser Zeit gab, aus. die erste und vollendetste war die des phidias, die nächste die von polyklet, die dritte die von Kresilas, die vierte von Kydon, die fünfte von phradmon). Ghiberti, I commentarii, I, 6.22, S. 59–60

5.

1465–1471 Francesco patrizi, De institutione reipublicae

»[…] laudem meruit, ut diligentia et decore policletus, cui plaerique palmam […].« ([…] lob verdiente sich für sorgfalt und Anmut polyklet, dem die meisten die palme [zuerkennen]). Patrizi, De institutione reipublicae, fol. 18v (der lateinische Wortlaut nach Pfisterer, 2002, S. 583)

II/A: Die Amazonenstatuen für das Artemision von Ephesos 6.

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um 1472 niccolò perotti, In P. Papinii Statii silvarum expositionem

»polycletus supra caeteros. quae polycleto defuerunt phidiae atque Al[c]ameni dantur.« (polyklet überragte die anderen [Bildhauer]; die dinge, die polyklet fehlten, waren dem phidias und Alcamenes gegeben.) BAV, Vat. lat. 6835, fol. 80r (mit ÜS zitiert nach Pfisterer, 2002, S. 584)

7.

1470er Jahre niccolò perotti, Cornucopiae

»polycletus, qui statuarius maximus fuit […].« (polyklet, welcher der beste statuenbildner war […].) Perotti, Cornucopiae, Sp. 377, z. 55–56

8.

1475 Giovanni tortelli, De orthographia

»cui quanquam a plerisque tribuitur palma […].« (dem, der indessen von den meisten die palme zuerkannt wurde […].) Tortelli, De orthographia, s. v. »Polycletus«

9.

1476 plinius/cristoforo landino, Historia naturale

»Venendo in contentione benche in diverse eta fussino nati Artefici noblissimi perché havendo facto figure d’Amazone lequali havendosi a dedicare nel tempo di diana ephesia piaque che se leggessino quelle le quali fussino più approvate dal giudicio degl’artefici e quali erono in quel tempo. et quella intesono essere noblissima la quale ciaschuno giudicio seconda dopo la sua. Fu adunque la prima quella di policleto et dipoi quella di phidia. la terza di cresile, la quarta di cidone, la quinta di phra­ dinone.« Plinius/Landino, Historia naturale, cap. 8-m (zu XXXIV, 53)

10.

1480–1481 Angelo poliziano, Commento Stazio

»plinius libro 34 cap. Vii: […]: Venere autem […], quinta phradmonis.« Poliziano, Commento Stazio, zu I, 1, s. v. »Atticus senior«, S. 174; vgl. ebenda zu II, 2, 67, S. 444

11.

1498 Filippo Beroaldo, Oratio proverbialis

»›Cum similis Philautia‹: et nimis sui amor apparuit in illis quoque laudatissimis artificibus et venien­ tes in certamen fecerunt ex aere amaconas et cum in templo ephesiae dianae dicarentur placuit eligi probatissimam ipsorum artificium qui praesentes erant iudicio. Quisque suam primam iudicavit. cum omnes secundam sua amaconem polycleti iudicassent, itaque illa cuntis praelata est et prima merito habita quae omnium iudicio secundas obtinebat. idcirco illi castigatione censoria digni vident: qui seipsos maxime amant qui graeco vocabulo φιλαντοι id est sui amatores appellant. si equidem in beneficiis dandis tunica pallio propior sit et genua crure proximus, ut scilicet in amicum magis quam in ignotum benefici simus: ut domesticum ut necessarium ut familiarem extraneis anteponamus: ut nostris prius et alienis opitulemur. haec est ordinata charitas: hic ordo diligendi. sed saepe multa

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten interveniunt propter quae magis peregrinusque civis extraneus quam domesticus sit fovendus sub­ levandusque. Quod nisi feceris male audies: infamiaque pulsaberis. Apud maiores hoc observatum est ut in opera danda officioque faciundo hospites cognatis affinibusque anteponerentur essentque potio­ res.« (›Mit gleicher Selbstliebe‹: Und die liebe kam sehr in jenen höchst gelobten Künstlern zum Vorschein. Und als diese im wettbewerb [gegeneinander] antraten, machten sie Amazonen aus Bronze. Als diese im tempel der diana zu ephesos geweiht wurden, beschloss man, die beste von ihnen durch das Urteil der anwesenden Künstler selbst auswählen zu lassen. Jeder beurteilte seine [eigene] als die erste. da alle diejenige von polyklet als die zweitbeste nach ihrer [eigenen] Amazone beurteilten, ist also diejenige, die von allen vorgezogen wurde und verdientermaßen als erste gilt, die, die durch das Urteil aller als zweite galt. deshalb scheinen jene die richterliche Zurechtweisung nötig zu haben: die sich selbst am meisten lieben, werden nach dem griechischen wort ›φιλαντοι‹, das ist ›liebhaber‹, genannt. wenn allerdings bei zu verleihenden Auszeichnungen ›das hemd mir näher ist als der rock‹ und das Knie dem schienbein am nächsten, sodass wir nämlich mehr dem Freund als dem Unbekannten gefällig sein wollen, ziehen wir das eigene, nahestehende wie Vertraute den fremden dingen vor, damit wir den Unseren eher als den Anderen beistehen. diese liebe ist geboten, die zu schätzende regel. Aber oft intervenieren viele in der nähe, dass mehr der ausländische und fremde als der hei­ mische Bürger gefördert und hochgehalten werden müsse. das wirst du, wenn du kein schlechter Mensch bist, zugeben und die schmach umgehen. dies ist bei den Ahnen zu beobachten, dass sie bei der anzubietenden tat und auszuübenden pflicht die Gäste den Blutsverwandten und Vertrauten vor­ gezogen haben würden und [sie ihnen] wichtiger gewesen wären). Beroaldo, Oratio proverbialis, fols. 53–54

Cinquecento (Auswahl) ca. 1560–1564: lomazzo, Libro dei sogni: »[phidias:] e per aver portato l’onore et il vanto dilla statova di l’Amazone che fecero, come ti ho detto, gli altri et io, che in quella opera ci mancò poco che non mi superasse; […].« (lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, Bd. i, s. 126); 1564: Andrea Gilio, Dialogo: »[…] a quello di diana efesia le nobilissime statue de l’Amazzone, fatte a paragone et a giudizio d’eccellentissimi artefici da policleto, da Fidia […]« (Gilio, Due dialogi, in: Trattati d’arte, 1960– 1962, Bd. iii, s. 106); 1568: Vasari, Le vite: »e prima si dice che furono fatte sette Amazzoni, le quali si consecrarono in quel tanto celebrato tempio di diana efesia a concorrenza da noblissimi artefici, benchè non tutte in un medesimo tempo; […].« (Vasari, Le vite, Bd. i, s. 58–59); 1584: raffaelo Borghini, Il Riposo: »Furono fatte a suo tempo di noblissimi artefici a concorrenza sette Amazzoni per ornamento di quel famoso tempio di diana efesia: e essendo ciascuna d’esse degna d’esser commen­ data, e bramandosi saper qual fosse la migliore, e la piu bella, fu diliberato quella doversi tenere in maggior pregio, che gli artifici stessi dopo la sua propria maggiormente commendassero: e ne fu dato il primo honore è quella di policleto, il secondo a quella di Fidia, […].« (Borghini, Il Riposo, iii, s. 259).

II/B: Das Mausoleum zu Halikarnassos

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Appendix II/B das Mausoleum zu halikarnassos Bildhauerwettbewerb (Bryaxis, leochares, skopas und timotheos) Quelle: Vitruv, plinius d. Ä. und ein rhetorischer wettstreit zum lob des Bauwerkes in Aulus Gellius (Noctes Atticae, X, 18) 1.

1. Jh. v. Chr. Vitruv, De architectura

»namque singulis frontibus singuli artifices sumpserunt certatim partes ad ornandum et probandum leochares, Bryaxis, scopas, praxiteles, nonnulli etiam putant timotheum, quorum artis eminens excellentia coegit ad septem spectaculorum eius operis pervenire famam.« (denn an jeder Frontseite übernahm ein Künstler im wettstreit seinen teil, um ihn auszuschmücken und beifallswerter scheinen zu lassen: leochares, Bryaxis, skopas, praxiteles, wie einige meinen auch timotheos. die ganz hervorragende Vortrefflichkeit ihrer Kunst führte dazu, daß die Berühmtheit dieses werkes es in die sieben weltwunder einreihte.) Vitruv, De architectura, VII, ›Praefatio‹, 12–13, S. 308–311 (ÜS nach Ed. Fensterbusch)

2.

1. Jh. n. Chr. plinius, Naturalis historia

»scopas habuit aemulos eadem aetate Bryaxim et timotheum et leocharen, de quibus simul dicen­ dum est, quoniam pariter caelavere Mausoleum. sepulchrum hoc est ab uxore Artemisia factum Mau­ solo, cariae regulo, qui obiit olympiadis cVii anno secundo. opus id esset inter septem miracula, hi maxime fecere artifices. […] ab oriente caelavit scopas, a septentrione Bryaxis, a meridie timotheus, ab occasu leochares, priusque quam peragerent, regina obiit. non tamen recesserunt nisi absoluto, iam id gloriae ipsorum artisque monimentum iudicantes; hodieque certant manus.« (skopas hatte zur selben Zeit als nebenbuhler Bryaxis, timotheos und leochares, die zusammen besprochen werden sollen, da sie gemeinsam das Mausoleum mit Bildhauerarbeiten geschmückt haben. es handelt sich um das Grabmal, das dem Mausolos, einem Kleinkönig Kariens, der im zwei­ ten Jahr der 107. Olympiade [352–349 v. chr.] starb, von seiner Gattin Artemisia errichtet wurde. daß dieses werk zu den sieben weltwundern zählt, ist vor allem diesen Künstlern zu verdanken. […]. die östliche seite versah skopas, die nördliche Bryaxis, die südliche timotheos und die west­ liche leochares mit Bildhauerarbeiten; bevor sie fertig waren, starb die Königin. dennoch hörten nicht auf, ehe vollendet war, indem sie es als denkmal ihres ruhmes und der Kunst betrachteten; und heute streitet man, welcher Meisterhand der Vorzug gebühre.) Plinius, NH, XXXVI, 30–31, S. 30–33 (ÜS nach der Ed. König/Winkler)

3.

1366 Francesco petrarca, De remediis utriusque fortunae

»comprobavit hoc maxime nobilis illa constantia eorum quattuor artificum, qui famosissimum illud opus, quod Artemisia cariae regina dilectissimi coniugis memoriae exstrui fecit magno pretio acciti: cum ante perfectum opus obisset regina ipsa, unde operis pretium sperabatur, perstiterunt tamen unanimiter in finem, nil iam aliud quam suum decus et facti memoriam cogitantes.«

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten (Am stärksten bewiesen hat dies die edle Beständigkeit jener vier Künstler (des Altertums): sie waren für das hochberühmte werk, das Artemisia, die Königin von Karien, zum Gedenken an ihren vielge­ liebten Gatten errichten ließ, zwar mit dem hohen preis geworben worden, haben aber, als vor der Vollendung des werkes die Königin selbst, von der der preis für das werk erwartet wurde, gestorben war, es trotzdem beharrlich und einmütig zu ende geführt – sie hatten ja eben nur noch ihre eigene Künstlerwürde und die erinnerung an ihre tat im sinn.) Petrarca, De remediis, II, cap. 88 (»De celebritate nominis importuna«), S. 648–649 (die Übersetzung zitiert nach der Edition von Keßler, S. 236–239)

4.

ca. 1361–1375 Giovanni Boccaccio, De mulieribus claris

»Vetus fuit consuetodo viris egregiis insignia sepulcra erigi; quod ut amori conforme appareret, opus Arthimisia mirabile nimis et sumptuosum, avaritia omni seposita, excogitavit; nec uno nec populari contenta artifice, scopam Briaxem thimotheum atque leocarem, quos eo seculo totius orbis con­ spectiores predicabat Grecia, […]. cuius quidem, eo quod tam arte inpensa omnia fere orbis edificia excesserit, et inter septem mundi miracula unum diu memoratum sit, […]. ceterum eam partem que spectat eoum scopam sculpisse dicunt; eam vero que in Boream vergitur Briaxem, cum eam que in occiduum versa est celandam sumpsisset leocares; quarta thimoteo relicta; qui in sculpendis statuis et hystoriis aliisque operi con­ tingentibus, tanta solertia vires ingenii expressere, cupientes singuli anteire magisterio reliquos, ut vivos e marmore vultus eduxisse nonnunquam a prospectantibus creditum; ac nedum tunc, sed multa post secula visum sit pro gloria manus ibidem decertasse artificium. nec contigit Arthemisiam opus tam celebre perfectum vidisse, morte subtractam. tamen ob regine obitum non reliquere opus artifices, quin imo arbitrantes illud futurum suorum ingeniorum posteri­ tati documentum certissimum, in finem usque quod ceperant deduxerunt.« (es war eine alte Gepflogenheit, für vortreffliche Männer ausgezeichnete Grabmonumente zu errich­ ten. Um für Mausolos etwas zu schaffen, das ihrer liebe ebenbürtig sein würde, verbannte Artemisia jeden Geiz und ersann ein wunderbares, verschwenderisches werk. weder zufrieden mit nur einem Künstler noch mit einem einheimischen, beauftragte sie skopas, Bryaxis, timotheus und leochares, die Griechenland in diesem Zeitalter als die größten [Künstler] in der welt rühmte. […] das Monu­ ment übertraf in schönheit wie in Kosten so ziemlich jedes andere Bauwerk auf dem Globus und wurde lange als eines der sieben weltwunder in erinnerung behalten. […] der teil, der nach Osten ausgerichtet ist, soll, wie berichtet wird, von scopas gemeißelt worden sein, der nach norden von Bryaxis, und der nach westen von leochares; der vierte teil wurde timotheus überlassen. Jeder Künstler zielte darauf, die anderen in Kunstfertigkeit zu übertrumpfen. Beim Meißeln der statuen und anderen angrenzenden Verzierungen drückten sie die Macht ihres ingeniums mit solcher Fein­ heit aus, dass die Betrachter von ihnen manchmal glaubten, dass sie lebende Gesichter aus dem Mar­ mor herausgezogen hätten. Und es schien nicht nur damals, sondern viele Jahrhunderte später, dass die hand des Bildhauers für die ehre gekämpft habe. Artemisia hat es nicht geschafft, die Fertigstellung ihres so gefeierten werkes zu sehen. dennoch ließen die Künstler beim tod der Königin ihre Arbeit nicht im stich. Ja vielmehr brachten sie zum Abschluss, was sie begonnen hatten, weil sie das Monument als den sichersten Beleg ihrer eigenen Fähigkeiten für die nachwelt betrachtet haben […].) Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 57 (»De Arthemisia regina Carie«), Bd. X, S. 234–236

II/B: Das Mausoleum zu Halikarnassos 5.

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1427 Francesco petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii dell’ una e dell’ altra fortuna

»Massimamente pruova essere vero questo la nobile costanzia di quegli quatro artefici, che, Artemisia di caria reina, condusse con grandissimo pregio e salario a fare uno famosissimo lavorio in memoria del suo diletissimo marito; i quali artefici, anzi che l’opera fosse compiuta, morendo la reina da cui speravano essere bene remunerati, nientedimeno di concordia seguirono il loro lavorio infino al fine; non sperando d’avere inde alcuno altro premio che l’onore loro e la memoria dell’opera e de’fattori d’essa. Onde tu vedi, che tutti gli uomini disriderano nominanza e fama; e tu solo nolla vuogli, veden­ do con quanto tedio e fatica s’aquistano.« Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, II, cap. 88 (»Della troppa fama«), Bd. II, S. 295–296

6.

ca. 1458–1460 Giannantonio porcellio, De arte fuxoria

»sOpa esuoi emoli in una medesima etade. Briaxis. timoteo. leochares scolpirono ilmansuelo quale monumento fe fare archissima moglie dinanselo onde e nominato et una disete cosse mirabile del mondo. QVestO mauselo era atorno piedi .cccl. overo pui. alto cubita .xxv. et e circundato di colonna .xxxv. daparte orientale fe molti lavori scopas. da septentrione Briaxis. da meridie. timoteo. da occidente leocares. prima che fussi fornito la regina morio equesti maestri non lassorono lopera cominciata per la sua magnificentia e per la gloria della loro arte. supervene aquesta opera tanto maravigliosa ilquinto arteficie chiamato Fitis scolpi suso elmauseleo una quadriga con quatro cavagli conlalteça colaquale fu alta tuta lopera piedi .cxl.« BAV, Ms. Ottob. lat. 2118, zitiert nach Porcellio, De arte fuxoria, S. 135

7.

ca. 1461–1464 Antonio Filarete, Trattato di architettura (Beschreibung von Gemälden im hause von Onitoan)

»eragli ancora quegli che fecero il masuleo de Artemisia, i quali parevano che fabricassino il detto masuleo, l’uno si chiamava timoteus, l’altro phiteus, satirus, leocares, caridas, Briases, philo bizan­ teos, prasiteles.« »eragli ancora dipinto il Masoleo, colli maestri che l’aveano lavorato, i quali infra gli altri emoli di scopa in uno medesimo tempo, Brasis, timoteo, leocrates, e scopas fece la parte orientale, e Briasis fece la parte settentrionale, timoteo fe’quella da mezzodì, leocares quella da occidente; […] fu tutta questa opera tanto maravigliosa, che si mette tra le sette cose mirabili che furono nel mondo.« Filarete, Trattato, XIX, Bd. II, S. 565, S. 580–581

8.

1473 coriolano cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum

»Ager Alicarnasseorum olim erat, quae civitas fuit regia principum cariae, in qua Artemisia regina Mausolo viro suo monumentum mirae magnitudinis ac opere insigne construxit, quod et ex viri nomine Mausoleum appellavit, et postea inter septem mirabilia mundi connumeratum est; ex quo etiam omnia monumenta praeclara Mausolea dicta sunt.« Cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum, I, S. 177

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| 9.

Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 1475 Giovanni tortelli, De orthographia

»[…] sane id opus teste plinio li. xxxvi. naturalis historiae. inter septem miracula conputatur. Quod maximi eius temporis sculptores scopas, Bryas, timotheus et leochares pariter caelavere. patetque ab austro et septemtrione sexagenos ternos pedes: brevis a frontibus: toto circuitu pedes quadingentos: undecim attolitur in altitudinem: vigintiqnque cubitis cingitur columnis trigintasex. ab oriente caela­ vit scopas, a septentrione Brysa, a meridie timothus, ab occasu leochares, et ut subdit priusque pagerent: regina Artemisia […] obiit. non tamen sculptores illi recesserut nisi absoluto. id gloriae ipsorum temporum artique monumentum iudicantes.« Tortelli, De orthographia, s. v. »Mausolus«

10.

1476 plinius/cristoforo landino, Historia naturale

»nOBiltitA d’ Opere et d’ ArtiFici in MArMO […] et del MArMO pAriO et MAUsOleO […] scopa hebbe emuli della medesima eta Bryaxe et timotheo et leochare de quali diremo insieme per­ che insieme feceno el Mausoleo. Questa e la sepultura facta a Mausoleo re di caria da Artemisia sua moglie et i elquale mori nel secondo anno della centesima olympiade: el quale fu tale opera che et enumerata fra septe miracoli. e dalla parte meridiana et septentionale, lxxiii. piedi: ma piu brieve e dalle fronti et tutto el sua circuito e di ccccxi piedi l’alteza e di xxv gomiti e cincto da xxxvi colonne. dalla parte orientale scolpi scopa, da septentrione Briasse, da mezzo di thimotheo, da occidente leochare. prima che il fornissino morì Artemisia. Ma nientedimeno non si partiono se non finita l’opera giudicando quello havere a essere la memoria della gloria et della arte loro. et anchora oggi contendono le mani.« Plinius/Landino, Historia naturale, cap. 5-t (zu XXXVI, 30–31)

11.

1477? Giuniano Maggio, De priscorum proprietate verborum

»›Mausolus‹ rex cariae, pro monumento mausoleum: de quo pli. XXXVi, 7 […].« Maggio, De priscorum proprietate verborum, s. v. »Mausolus«

12.

ca. 1480 Angelo poliziano, Silvae

»non cares, Mausole, tui caelamina busti«; […].« Poliziano, Silvae, v. 331, S. 40

13.

ca. 1483 Giovani santi, La vita e le gesta di Federico di Montefeltro duca d’Urbino

»e quindi gli [Arthemisia] hebbe cum gran spesa ordito un chiar sepulcro, el qual se fe’chiamare Maüsoleo, […] questo pur troverem denominato del mondo certo in fra i miracul soi, che fuoron sette, et esser elevato, pel magisterio e pel supremo ingegno, sopra tucti altri e de gran nome ornato.«

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II/B: Das Mausoleum zu Halikarnassos

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(Und sie [Artemisia] hatte daher mit großen Unkosten ein berühmtes Grab in Auftrag gegeben, das man ›Mausoleum‹ nannte […]. dieses werden wir auch gewiss unter den weltwundern, von denen es sieben gab, aufgeführt und – durch die Meisterschaft und das erlesene ingenium – über alle anderen erhaben finden und durch große namen geschmückt.) Santi, La vita, XIV, cap. 56, vv. 45–47, vv. 50–54, Bd. II, S. 415–416

14.

1497 Jacopo Filippo Foresti da Bergamo, De claris mulieribus

»[…] amabili viro insigne sepulchrum erexit: Quod plane opus nimis admirabile et sumptuosum fuit. eo quod tam arte, quam impensa omnia fere orbis edificia excesserit, ac inter septem mundi miracula seu mirabilia unum diu extiterit. Quod sane opus de mariti nomine Mausolaeum appellavit. A quo tanquam a digniori sequentium regum sepulchra Mausolaea denominata sunt. et non solum in hoc Arthemisia extollenda fuit: sed et virili robore et audacia ac militari disciplina plurimum valuit, ac multis triumphis maiestatem sui nominis plurimum exornavit. Quia ut legimus post viri mortem: ad tempus sepositis lachrymis bis arma suscepit. primo ut salutem patrie […] tutaretur: secundo ut socialem fidem requisita servaret. nam mortuo Mausolo cum indignarentur rhodii, non longe ab halicarnaso constituti eam mulierem preesse regno cariae, armata classe, quasi certa spe potiundi, frequentes ad occupandam eam, illuc venere. sane halicarnasus civitas mari imminens icareo, in loco natura munito sita erat, geminos habens portus: quam cum rhodii occupare tentassent, astutia Arthemisiae non solum prohibiti sunt, sed et eorum rhodiana civitas, ab ipsa foelicissime occupata est: Qua adepta, iussit omnes eorum principes cedi.« Foresti da Bergamo, De claris mulieribus, cap. 47 (»De Artemisia Cariae Regina«), fols. 45b–46a

15.

ca. 1486–1504 [1509] Battista Fregoso, De dictis, Vii, cap. 4 (»de Militaribus stratagematis«), s. v. »de Arthemisia cariae regina«: (erwähnung des Mausoleums)

16.

1499 Hypnerotomachia Poliphili

»toreumata sencio fallo, […] et alla pia Artemisia ancora, regina di caria, di tale praestante magiste­ rio di celti se praestorono anaglypti scaphes, Briaxe, timotheo et leochare et theon […].« (solch ein fehlerloses Basrelief ist nie [von einem Bildner] gemacht worden […]; der frommen Arte­ misia, Königin von Karien, wurde nicht solch ein kostbares Meisterwerk des Meißels durch scopas, Bryaxis, timotheus, leochares oder theon gegeben.) Hypnerotomachia Poliphili, I, fol. C6v, Bd. I, S. 46

Cinquecento (Auswahl) 1504: Gaurico, De sculptura: »scopas, timotheus, Byrax, leocares, in Mausolaeo celando aemuli […].« ([Zu erwähnen sind] skopas, timotheus, Bryaxis und leochares, die rivalen bei der Auschmü­ ckung des Mausoleums.) (Gaurico, De sculptura, cap. 7, s. 253); 1506: raffaele Maffei, Commentariorum: »theonem sculptorem addit, inter quinque qui Mausoleum celavere«; […]«; und s. v. »timo­ theus«: »timotheus sculptor nobilissimus. […] Unus qui cum leochare Briache et scopa Mausoleum Artemisiae caelavit, quadrato ab latere quisque suo: autor plinius.« (raffaele Maffei, Commentariorum, XX, s. v. »theon«, s. 456, s. 461); ca. 1537–1546: Anonimo Magliabechiano, s. 13, s. v. »scopa«; 1546: sabba da castiglione, Ricordi, overo ammaestramenti, fol. 21r: »il Mausolio che altro non fu che

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten un gran congerie di pietre ragungate da Artemisia […]«; ca. 1560–1564: lomazzo, Libro dei sogni: »[…] basterà alcuni ricordarti, che di maggior eccellenzia degli altri furo, come tra gli altri, sono quei quattro che sculpiro il mirabile Mausoleo che in lelegesse, luoco dilla siria, gli fece fare Artimisia regina, nel quale usaro sí mirando artificio, che tutto quel paese ne stupí, chiamandolo una dille sette cose principali dil mondo; gli nomi de questi sono: primi scopa, che la parte di oriente sculpí, e Bri­ axis che fece quella di settentrione, e timoeteo che fece da mezzodí; et il quarto, detto leo­ care, che l’ultima fece da ver l’occaso.« (lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, Bd. i, s. 132–133).

Appendix II/C die dioskuren: phidias – praxiteles Bildhauerwettbewerb (phidias – praxiteles) Quelle: petrarca Viele renaissance­Quellen zu den beiden rossebändigern in rom – durch die inschriften für [Kon­ kurrenz­]werke von phidias und praxiteles gehalten – sind durch die publikationen von Baxandall (1963), thielemann (1996) und pfisterer (1996, s. 144; 2002, s. 599f.) bereits erschlossen. Unter der Fülle von Belegen zu den Dioskuren werden im Folgenden nur diejenigen extensiver zitiert (mit dem Zeichen  hervorgehoben), die eine rivalität andeuten oder zum Vergleich animieren. 1.

 1337: petrarca, Familiarum rerum librii, Vi, 2, 105, Bd. ii, s. 58 (Brief an Giovanni colonna): »hoc praxitelis phidiaeque extans in lapide tot iam seculis de ingenio et arte certamen.« (dort hat der wettstreit des praxiteles und phidias hinsichtlich Begabung und Kunst in stein schon so viele Jahrhunderte überdauert; Üs: pfisterer)

2.

 1343: petrarca, Africa, Viii, vv. 907–910, s. 253 »inde Quirinalem superato vertice montem transierant, nudosque duos astare gigantes corpore conspiciunt – en quot certamina fame! prasitelis opus phidieque insigne supremi.«

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(den Gipfel des Quirinals erklimmen, worauf zwei nackte Giganten vor ihren Augen stehen, ein gefeiertes werk, das Menschen entweder – so stark ist wettkampf um ruhm – für das des gefeierten praxiteles oder des phidias halten.) 3.

1348–1360?: Giovanni dondi, Iter Romanum (s. thielemann, 1996, s. 235, r 11)

4.

vor 1411: Manuel chrysoloras, Brief an Johannes chrysoloras (PG, Bd. clVi, sp. 56b)

5.

1411: Manuel chrysoloras, Brief an demetrio chrysoloras (PG, Bd. clVi, sp. 57c)

6.

1416: cencio dei rustici, Brief an Francesco da Fiano (s. thielemann, 1996, s. 235, r 13)

7.

ca. 1427: niccolo signorili, Descripio urbis Romae (s. pfisterer, 2002, s. 602, nr. 12)

II/C: Die Dioskuren: Phidias – Praxiteles 8.

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 1433: lorenzo Valla, De voluptate, ii, 28, 8, s. 212–215 (Üs nach ed. peter M. schenkel) »eadem ratio est philosophorum, non dico mercatum sed celum ipsum terras ac maria contemplanti­ um que puerorum ac puellarum tabernas circumforaneans intuentium et ornamenta argentariorum, venustatem picturarum, decorem statuarum admirantium et inter se comparantium. At tu maiorem voluptatem capis ex ratione celi inventa quam ego ex ornatu fori. certe quia plus intelligis et re maiore delectaris. et ego quoque plus delector gemino simulacro phidie et praxitelis quam unus quidlibet puerorum quia utriusque artificis ingenium diversitatemque intelligo quod puer ignorat […].« (die philosophen, welche zwar nicht den Markt, aber himmel, erde und Meer betrachten, tun auch nichts anderes als die Buben und Mädchen, welche sich bei den Verkaufsbuden am Markt umschau­ en, die schmuckstücke der silberschmiede, die schönheit der Gemälde, die pracht der statuen bewundern und miteinander vergleichen. du ziehst freilich größeres Vergnügen aus dem Bau des himmels als ich aus dem putz des Markts, gewiss deshalb, weil du dabei mehr zum einsehen hast und dich an einer gewaltigeren sache erfreust. nun, ich erfreue mich auch mehr an den beiden Bildwerken des phidias und praxiteles als irgendeiner aus der Kinderschar, weil ich die eigenart der beiden Künst­ ler und auch ihre Verschiedenheit begreife, was das Kind nicht kann.)

9. 10.

ca. 1434–1436? (1445?): Alberti, De statua, 13, s. 162/163 1446: Biondo, Roma instaurata, i, cap. 99, fols. c3v– c4r und ii, cap. 18, fol. c6r (s. thielemann, 1996, s. 236, dok. r 17)

»constantinianas thermas ab Apollodoro traditum legimus fuisse in exq[u]iljis ubi nunc equi marmo­ rei praxitelis et phidie opera cernunt[ur].« 11.

1447–1448: poggio Bracciolini, De varietate fortunae, i, s. 98 »[…] duas stantes pone equos, phidiae ac praxitelis opus […].«

12.

ca. 1450: Giovanni rucellai, Zibaldone, s. 75

13.

 ca. 1458–1460: Giannantonio porcellio, De arte fuxoria, s. 134 (spricht von einem wettstreit) »prAXitelle scolpi che sono in roma colli nomi delli auctori uno cavallo comuna statua nuda assai maravigliosa ademulatione di quelle figure aveva inançi scolpito phidia.«

14.

 ca. 1461–1464: Filarete, Trattato di architettura, XiX, Bd. ii, s. 567, s. 576 »eragli dipinti Fidia e presitele con quelli due cavalli e uomini grandi di marmo, i quali oggi dì sono a roma.« »Ancora gli era appresso il cavallo e l’uomo di marmo che oggi dì si vede in roma, a presso a questo era quello di presitele, e ancora è oggi dì a roma, i quali sono tanto simili, che non è uomo, per intenden­ te che sia, che possa giudicare essere meglio fatto l’uno che che l’altro. Ma tutti e due nonché d’una mano d’uno maestro, ma se stati fussono come a improntare uno suggello medesimo in cera, così questi parevano fatti, e così degni quanto la natura mai facessi.«

15.

ca. 1463: decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 6, s. 426

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten  1464 [1502]: Francesco Filelfo, Epistula de opinionibus philosophorum (zitiert nach hankins, 1990, Bd. ii, s. 515–523, nr. 30, s. 518, z. 134f.) (im wettstreit mit der natur) »nonne idem de opificibus usu venire cognoscimus? num putemus vel praxitelen vel phidan, cum duos illos equos marmoreos et iuvenes item duos factos e marmore quos mira magnitudine atque pulch­ ritudine ab illis elaboratos vel hac tempestate in urbe roma intueri licet, aliquos esse exterius contem­ platos vel equos vel adolescentis, unde similitudinem capientes opera illa pulcherrima reliquerentur?« (erkennen wir denn nicht, dass das Gleiche auch bei den Künstlern vorkommt? Glauben wir etwa, praxiteles oder phidias hätten, als sie jene beiden Marmorpferde und ebenso die beiden Jünglinge aus Marmor geschaffen haben, die, in wundersamer Größe und schönheit von ihnen ausgearbeitet, sogar in unserer Zeit in der stadt rom betrachtet werden dürfen, außerhalb irgendwelche pferde oder Jüng­ linge gemustert, deren Gleichartigkeit erfassend sie jene bezaubernden werke hinterlassen hätten?)

17.

 1467: Anonymus von 1467 (Vergleichswerke; abhängig v. nr. 2: petrarca) »cumque Quirinalis superarem culmina montis urbis visa est fuit altera forma mihi: inspiciens circum, thermas post terga reliqui, quarum reliquiae praecipitare parant quadrupedes phidiae laceros comitisque videbam; amborum tantum scripta vetusta manent […].« (Und als ich den Gipfel des Quirinals überwand, war das erscheinungsbild der stadt, das sich mir bot, ein anderes: umherblickend, ließ ich die thermen hinter mir zurück, deren reste einzustürzen drohten, ich sah die beschädigten rosse des phidias und seines Gegenübers: nur die alten inschriften beider sind geblieben […].) (der lateinische Wortlaut nach Pfisterer, 2002, S. 602, Nr. 12)

18.  ca. 1467: paolo spinoso, Oratio urne invecte ad Sanctum Marcum ex ede Beate Agnetis (für sigis­ mondo Malatesta), vv. 43–44 (Bianchi, 2004, s. 165) (vgl. App. ii/c, nr. 17)

»praxitelis opus laceros phidieque videbam cornipedes: tantum scripta vetusta manent.« 19.

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ca. 1470: Gedicht für Bartolomeo platina, den Autor von Libellum de honesta voluptate (s. pfisterer, 2002, s. 601)

20. 1471: tortelli, De orthographia, s. v. »praxiteles« und s. v. »rhoma« 21.

 ca. 1470–1472: callimachus experiente, Carmina, s. 203, nr. 74, vv. 1–5; s. 204, nr. 75, vv. 1–4 (ohne Üs auch pfisterer, 2002, s. 601); (jeweils im wettstreit mit der natur) »in marmoreum equum praxitelis praxitelis fueram celis animatus et aura testis erat motis per mea colla jubis. Os dabat hinnitus, feriebat et ungula terras Ad pugnam fortes ere ciente viros. tempus edax animam rapuit gelidumque reliquit, et sum marmoreum nunc sine mente caput.«

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II/C: Die Dioskuren: Phidias – Praxiteles

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(Auf das Marmorpferd des praxiteles: ich bin durch den Meißel des praxiteles wie den [lebens­]hauch beseelt worden, der Betrachter war durch meine halsmähnen bewegt. das Maul stieß ein wiehern aus und der huf schlug den erdboden mit aufrufender tuba die tapferen streiter zum Kampf. die verzehrende Zeit hat die seele geraubt und kalt zurückgelassen, und ich bin jetzt ein Marmorhaupt ohne Geist.) »in marmoreum equum Fidie Quid frenare paras deceptus imagine saxum? phidiacum hoc opus est, spiritus omnis abest. Ars oculos fallit, manibus natura patebit: Visus equus, marmor postmodo tactus ero.«

1

(Auf das Marmorpferd des phidias: was lässt du dich, durch das Bild getäuscht, verleiten, den stein zu zügeln? dieses werk ist von phidias, allem fehlt der Geist. die Kunst ist Augentrug, die natur war durch die hände bloßgestellt: erblickt ward ein pferd, [aber] alsbald werde ich als Marmor ertastet sein.) 22. 1472: Bartolomeo Fonte, Epistolarum libri, s. 11 23. ca. 1475: Francesco Filelfo, De morali disciplina, i, fol. 12 (s. thielemann, 1996, s. 238, dok. r 24) 24. ca. 1480?: Antonio ivani, De antiquitatibus Romae (s. pfisterer, 2002, s. 601, nr. 10) 25.  1483–1491: Ugolino Verino, Epigrammaton liber

»[…] simonides scopam ditem laudavit et ambos tindaridas: quis nam praemia plura dedit?« Verino, Epigrammaton liber, Nr. 15, vv. 15–16, S. 482–483

26. 1490: Giovanni da tolentino im Brief an Baldassare taccone (s. richard schofeld, »Giovanni tolen­ tino goes to rome. A description of the Antiquities of rome in 1490«, in: JWCI, 43, 1980, s. 246– 256, s. 254, z. 21–23) 27.

 ca. 1495: leonardo, Codex Madrid Ms. I, fol. or; zitiert nach The Literary Works of Leonardo, 1977, Bd. ii, s. 240 (Vergleich mit werken der neuzeit) »settu n¯ovoj fare dj bronço perche hesse n¯o sieno ∙ tolte ∙ sapi che tutte le bone chose dj roma furono spoglie \ dj citta […] e no valse essere dj pesi mjrabili come fu laguchia e 2 cavallj […].« (wenn du sie nicht aus Bronze fertigen möchtest, damit sie nicht weggetragen werden könnten, erin­ nere dich, dass alle guten dinge roms aus der stadt geplündert wurden […] und dass es nicht ins Gewicht fiel, dass sie von ungewöhnlichem Gewicht waren, wie der Obelisk und die beiden pferde).

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten

28.  1496–1500 : Antiquarie prospetiche romane, i, vv. 7–11, s. 3, vv. 33–36, s. 9 (im wettstreit mit einem werk der neuzeit)

»facendo a nui visivo d’arte fusa sopr’ un caval el padre lodovico. sol’una machina e senza scarpello: Uchalion non ce ha tal natura; magnera quel de phidia e praxitello. […] di man di phidia, praxitel eleta sonci doi gran colos ambedo’ insieme con doi a’ piedi che lor fren tenea che son perfecti et de grandez’ extreme.«

10

35

29.  1497 [1509] : pacioli, De divina proportione, dedikationsbrief, s. 33 und cap. 71, s. 294 (s. cap. iV.3.3.2, Anm. 556) (im wettstreit mit einem werk der neuzeit; vgl. nr. 28) Cinquecento (Auswahl) 1506: raffaele Maffei, Commentariorum, s. v. »praxiteles«, li, s. 259: »inscriptio apud equos qui tiridatis regis existimantur Vnacum phidia falso apposita est cum diversis fuerint temporibus«; 1510: Albertini, Opusculum, s. 76f.; 1560–1564: lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, s. 125: »Ma per seguir, con più ordine, de scultori greci le laudate opere, serà bene che avanti a gli altri mi pongi, insieme con prasitele, il quale de dui salta a cavallo che ora sono a roma ne fece uno, et io l’altro […]«; 1564: Vincenzio Borghini, Selva di notizie, in: Scritti d’arte, 1971–1977, s. 639

Appendix II/D Apelles – protogenes Malerwettstreit (Apelles – protogenes) Quelle: plinius d. Ä. plinius, NH, XXXV, 81–82, s. 64–67 1.

1420–1426 leonardo Bruni, De interpretatione recta (die erwähnung beider Maler)

»Ut enim, si pictura quadam ornatissima et amenissima delectarer, ceu protogenis aut Apellis […].« Bruni, De interpretatione recta, 2, S. 74

2.

1424 leonardo Bruni, platon­Übersetzung: Phedrus, ›proemium‹ (an Antonio loschio)

»nisi forte Apelles et protogenes, quid rectum amenumque in pictura foret, non ex suo potius sensu quam ex aliorum opinionibus statuisse credantur!« Zitiert nach Bruni, De interpretatione recta, S. 272

II/D: Apelles – Protogenes 3.

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1435 Alberti, De pictura

»circumscriptio quidem ea est quae lineis ambitum fimbriarum in pictura conscribit. in hac parr­ hasium pictorem eum, cum quo est apud Xenophontem socratis sermo, pulchre peritum fuisse tra­ dunt, illum enim lineas subtilissime examinasse aiunt. […]; cuiusmodi Apellem pictorem exerceri solitum ac cum protogene certasse referunt.« Alberti, De pictura, II, 31, S. 246; vgl. 1436: derselbe, Della pittura, S. 112

4.

ca. 1450 Francesco patrizi, De regno et regis institutione

»Apelles cum protogenis pictoris ex tempore peregregii hospitalitatem optaret, rhodium (ubi ille age­ bat) perrexit, et confestim ad illius officinam properavit, aberat tunc ille relicta anicula quadam que tabulam ingentis magnitudinis picturae paratam asservabat. tum Apelles arrepto penicillo clam vetu­ la lineam ducit a summo ad imum usque per tabulam mirae tenuitatis, abiitque, reverso quam pri­ mum protogenis peregrini adventum, qui eum quaerebat, anus nuntiat. tum lineam forte conspicatus Apellem ex solertia venisse cognovit. noverat enim in alium quempiam tanti acuminis opus neuti­ quam cadere. tunc ducta teniore ex alio quodam colore linea discessit protogenes, redijt interea Apel­ les, et vinci erubescens tertio colore lineas per transversum fecuit nullum reliquens amplius subtilitati locum. At protogenes victum se confessus Apellem magna diligentia perquisiuit, quem tandem inven­ tum hilari vultu, ac grato iucundoque hospitio accepit. haec tabula romam perlata est, et magna admiratione spectata, in qua tres tantum linea¸e cernebantur prae nimia tenuitate aciem oculorum fugientes, quae gratiores ideo erant, quod duorum eximiorum artificum hospitalitatem testabantur.« Patrizi, De regno et regis institutione, VIII, cap. 13: »De hospitalitate«, S. 341–342

5.

vor 1455 Ghiberti, I commenarii

»Questo intra Apelle e protogine intervenne. A rodi habitava protogine, dove andò Apelle desideroso di concoscere l’opere di colui, le quali aveva conosciute per fama. Giunto in rodi, inmantanente andò alla casa di protogine, quando esso protogine non v’era, ma una vecchia guardante il luogo ove pro­ togine lavorava. era in detto luogo una grande tavola , la quale era ingessata per disegnarla. rispose, la donna anticha, protogine non esser in casa. l’anticha donna domandò Appelle chi egli era che ·illo dimandava: sanza altro dire tolse uno pennello di quel luogo e fece uno tratto sottilissimo nella tavola. tornato protogine, dalla donna fu riferito ciò che avea fatto. ›Questo à fatto Appelle‹. tolto protogine il medesimo colore, et allato a quella linea ne fè un’altra, molto più mirabile che quella d’Appelle. Allora protogine disse alla donna: ›Quando esso ritorna, digli ch’io el cercava‹. e di poi, Appelle tor­ nando, vedendo la linea di mano di protogine essere molto più sottile che la sua, si vergognò esser vinto. Appelles rifece una altra linea, tanto sottile che essa non potea essere più. protogine, veduta la linea fatta per le mani d’Appelle tanto mirabilmente, si confessò esser vinto. […] essendo ito a rodi, a casa protogine, trovando la tavola apparechiata e volendo mostrare Appelle la noblità dell’arte della pictura, e quanto egli era egregio in essa, tolse il pennello e compuose una con­ clusione in prospettiva appartenente all’ arte della pictura. tornando protogine, subito conobbe quel­ la essere cosa d’Appelle et egli, come docto, protogine ne fece un’altra conclusione, rispondente a quella. tornando Appelle alla casa di lui, esso protogine si nascose. Vide Appelle rifare un’altra con­ clusione di tanta perfectione e di tanta maravigla nell’arte, non era possibile a protogine agiugnere a essa, e vergognossi d’esser vinto. nondimeno, andando ritrovò Appelle.

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten […] piacque a protogine quella tavola, dove erano fatte le linie di mano d’Appelle, fosse veduta da tutto el populo, overo conclusioni appartenenti alla pictura, e spetialmente da’pictori e dagli statuarii, e da quelli erano periti.« Ghiberti, I commentarii, I, 8.11., S. 73–74, I, 8.13., S. 74

6.

ca. 1461–1464 Filarete, Trattato, XiX, Bd. ii, s. 566

»[…] prothogenes p., Apelles p. […].« ebenda, s. 584: »[…] pareva ci fusse ancora quello che sentendo la gran fama d’Appelle andò alla sua terra per conos­ cerlo, e non trovandolo in casa, solo una tavola vidde da lui cominciata e giù per una linea sottilissima da lui fatta, in quella medesima d’un altro colore ne fe’ con uno pennello un’altra.« Vgl. ebenda, XXII, Bd. II, S. 643 (mit der Verwechslung von Protogenes mit Zeuxis)

7.

1476 plinius/cristoforo landino, Historia naturale

»navigo in rodi Appelle cupido di vedere lo opere di protogene el quale conosceva solamente per fama. […].« Plinius/Landino, Historia naturale, cap. 10–d

8.

1498 perotti, Cornucopiae, s. 236 Cinquecento

9.

1502: leonardi, Speculum lapidum, iii, s. 47

10.

1528: castiglione, Cortegiano, i, cap. 28, s. 59

11.

ca. 1537–1546 Anonimo Magliabechiano, s. 26–27

12.

1546: sabba da castiglione, Ricordi, s. 81: »[…] maravigliose descrittioni da fare stupire un pro­ togene, et un’Apelle […].«

13.

1548: paolo pino, Dialogo di pittura, in: Trattati d’arte, Bd. i, s. 117–118: »la prontezza e sicurità di mano è grazia concessa dalla natura; in ciò fu perfetto Apelle, e si legge a questo proposito ch’eccitato Apelle dalla fama di protogene […].«

14.

1557: dolce, Dialogo della pittura, s. 150

15.

1589: stefano Guazzo, Lettere, Venedig: Barezzo Barezzi, 1590, s. 233

»[…] et con tutto che vostra signoria non m’habbia nominato l’autore, io però come protogene ad una sola linea ho riconosciuto il famoso Apelle.« 16.

1548: Francisco de holanda, Dialoghi, nr. 3, s. 118/119:

»e não ha mester mais, nem mais tempo, nem mais experiencias, nem esaminações, ante os olhos que o entendem e do que sabe que só numa dereita linha, foi conhecido Apelles de protogenes, imortaes pintores gregos.«

II/E: Zeuxis – Parrhasios

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(Für sehende Augen und für die, welche daran denken, dass Apelles an einer einzigen linie von pro­ togenes erkannt wurde – zwei Griechen von unvergänglichem ruhme – bedarf es nicht einer längeren Beweisführung oder Untersuchung, noch auch weiterer Beispiele). Holanda, Dialoghi, Nr. 3, S. 118/119 (ÜS: nach Ed. De Vasconcellos)

Appendix II/E Zeuxis – parrhasios Malerwettstreit (Zeuxis – parrhasios) Quelle: plinius d. Ä. plinius, NH, XXXV, 65, s. 54/55; eine Variante der episode, in der Geier auf den von parrhasios gemalten prometheus fliegen, in seneca, Controversiae, X, 34, 27; beide Maler zusammen erwähnt in Quintilian, Institutio oratoria, Xii, 10, 4; die Konfrontation unterschiedlicher Qualitäten von Zeuxis und parrhasios bei himerios, Reden, nr. 12, 5; die täuschend echt gemalte traube in AP, iX, nr. 761 1.

1433 carlo Marsuppini, Consolatio de obitu matris

»pingat, si quis potest […], quemadmodum Zeusis, aves fallat, tabulis atque linteo parrasium pro­ vocet […].« Marsuppini, Consolatio, S. 397; vgl. 1439: derselbe; s. Ilaria Pierini, »Ciriaco d’Ancona, Carlo Marcuppini e Mercurio«, in: Camenae, 10, 2012, S. 1–35, S. 15–16

2.

nach 1435 Antonio pacini da todi im widmungsbrief seiner Übersetzung von plutarchs timoleon­Vita an cosimo de’Medici (nur Zeuxis)

»et hoc clarissimus ille pictor Zeuxis ostendit […] puerum uvas ferentem egregie depinxit, quae qui­ dem uvae adeo sui similes erant propter summum hominis et artificium et ingenium, ut aves ad illas evolassent; […].« Ms. Urb. lat. 446; zitiert nach Pade, Bd. II, S. 87

3.

ca. 1450 Francesco patrizi, De regno et regis institutione

»de pictura certamen aliquando fuit inter Zeusim, et parrhasium, erant enim aetate aequales, et artis studio inter se aemuli, verum Zeusis pictas a se uvas in scoenam detulit tanta similitudine, ut ad eas edemdas aves advolarent. parrhasius autem pictum, protulit linteum, super quo levissimo pencillo tenuissimum velum duxerat, adeo simile, ut verum omnibus esse viderentur. tum Zeusis iudicio avi­ um elatior illum rogavit, ut remoto velo picturam ostenderet, risit parrhasius, et comiter in illum cavillatus est. qua ex re errorem suum intellexit Zeusis, ingenuoque pudore percitus victoriam illi praebuit, et facete ait. ›ego heri aves decepi, tu vero hodie me artificem fefellisti.‹« Patrizi, De regno et regis institutione, VI, cap. »De intellectu sive intelligentia«, S. 240

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten

4.

1452: Giannozzo Manetti, De dignitate hominis

»Alius tanta arte recentes uvas una cum racemis effingebat, ut volantes aves falsa specie deceptas parie­ tem pictum cum rostris pulsandum pascendi gratia compelleret.« Manetti, De dignitate hominis, II, 39, S. 59

5.

vor 1455 lorenzo Ghiberti, I commentarii

»Questo paras[s]o si pruovò con Zeusis, secondo che scrive prinio, archo dipinto uno linteo, e Zeusis uno grappolo d’uve, fatto con tanta maravigla che, essendo scostati, gl’uccielli andavano per beccarlo: Zeusis, leva lo intellecto tuo e non rimane nulla della tua pictura, ma di me rimane ing­ annati gli uccegli. co questa vergogna li concedette la victoria. poi si dice che Zeusis dipinse uno fanciullo portante uve, al quale quando gl’uccelli venivano per becchare dell’uve, Zeusis, considerato che la perfectione era nell’uve e non nel fanciullo, imperò che se il fanciullo avesse avuto la perfetta pictura arebbono temuto el fanciullo, quasi adirato, cerchò di racconciare la figura.« Ghiberti, I commentarii, I, 8.5., S. 69–70

6.

ca. 1461–1464 Antonio Filarete, Trattato di architettura

»e così ancora una pergola dove che erano uve; che uccegli dice che c’erano molte volte ingannati, e andavano per beccarle; credono che fussino vere; […].« Filarete, Trattato, XXIII, Bd. II, S. 665

7.

1469–1474 Marsilio Ficino, Theologia Platonica

»Uvas ita pinxit Zeuxis, ut aves ad eas advolarent.« Ficino, Theologia Platonica, XIII, cap. 3, Bd. II, S. 223

8.

ca. 1473–1474 Giovanni Ferabos, Epigramm

»[…] Qui capit aut falso palmite Zeuxis aves. parrhasius tabula, […].«

2

Ferabos, Epigramm (»Imago eiusdem Principis a Petro Burgensi«), fol. 113v, vv. 2–3

9.

1474–1482 nicodemo Folengo, Elegiarum liber

»[…] et quam uva luto Zeusis mersit iniquus abest, […].« Folengo, Elegiarum liber, S. 76, Nr. 6 (»AD DIVUM FEDERICUM URBINI DUCEM«), vv. 53–54

10.

1475 Giovanni tortelli, De orthographia

»Zeusis: […] parrhasius, qui descendisse cum Zeuside in certamen traditur: ut vidimus in dictione parrhasius. idem teste eodem plinius fertur pinxisse puerum uvas ferentem. ad quas cum advolarent aves. processit iratus operi et dixit: Uvas melius pinxi quam puerum. […].« Tortelli, De orthographia, s. v. »Zeusis«

II/E: Zeuxis – Parrhasios 11.

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1476 plinius/cristoforo landino, Historia naturale

»Uccelli inGAnnAti per pictUrA et che cOsA siA diFFicillissiMA nellA pictUrA »dicono che costui con tese del dipignere con Zeusi et havendo Zeusi arrecato uve dipincte tanto appuncto che gl’uccelli credendo che fussino vere uve vi volavano. nella scena lui produxe un lenzuolo dipicto el quale pareva tanto vero che Zeusi lo stimolava che rimovessi la vela et mostrassi la pictura et cognosciuto l’errore si chiamo vincto con ingenua vergogna perche lui haveva ingannato gli uccelli et parrhasio aveva ingannato lui el quale era artefice. dicono che dipoi Zeusi dipinxe un fanciuollo che portava uve allequali volando gli uccelli. con la medesima vergogna sadiro con l’opera sua dicendo ›io dipinxi meglio l’uve che el fanciuollo. imperoche se io havessi dipincto a perfectione el fanciuollo gli uccelli l’harebbono temuto‹.« Plinius/Landino, Historia naturale, cap. 10–d

12.

um 1490 Ugolino Verino, De illustratione urbis Florentiae

»eracleota licet Zeusis bene pinxeris uvas,«

25

Verino, Epigrammatum liber, S. 328, Nr. 23, v. 25

13.

1490 Battista spagnoli, Sylvarum libri »[…] protogenis tabulas et zeusidis uvas parrhasii quid cernis aves. […].«

40

Spagnoli, Sylvarum libri, II, sylva 6, vv. 39–40 (Kristeller, 1902, S. 491–493, Nr. 10, S. 492)

14.

1498 niccolò perotti, Cornucopiae

»Zeusis clarissimus pictor, cum in certamen picturae cum parrhasio descendisset, uvas tanto successu pictas in scenam detulit, ut aves ad eam advolarint. parrhasius vero pictam attulit linteum, ita veritate repraesentata, ut Zeusis alitum iudicio tumens, flagitaverit, tandem remoto linteo picturam ostendi, et intellecto errore palmam ingenuo pudore concesserit, quoniam ipse aves fefellisset, parrhasius autem se artificem. Fertur etiam postea Zeusis pinxisse puerum uvas ferentem, ad quas cum advolas­ sent aves, iratus est mira ingenuitate operi suo, et dixit: Uvas melius pinxi, quam puerum: nam si hunc consumassem, aves timere debuerant.« Perotti, Cornucopiae, s. v. »Pinxit«, Sp. 802

»hic noblissimus pictor fuit cum quo quum parrhasius alter excellens pictor in certamen descendisset, detulit uvas pictas tanto successu, ut in scenam aves advolarint. At parrhasius linteum pictum traditur detulisse, ita veritate repraesentata, ut Zeusis abtum iudicio tumens, flagitarit remoto tandem linteo picturam ostendi, intellectosque errore palmam concecisserit ingenuo pudore, quoniam ipse aveis fefellisset, parrhasius autem se artificem.« Perotti, Cornucopiae, s. v. »Zeusis«, Sp. 599

15.

um 1490 Ugolino Verino, De illustratione urbis Florentiae

»nec Zeusi inferior pictura sander habetur, ille licet volucres pictis deluserit uvis.« Verino, De illustratione urbis Florentiae, II, vv. 456–457, S. 352

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696

| 16.

Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten ca. 1497 ermolao Barbaro, Castigationes Plinianae

»›Zeuxis alitum iudicio timens‹. Vetus lectio ›tumens‹, non ›timens‹, quod et melius.« (›der auf das Urteil der Vögel stolze Zeuxis‹. Alte lesart ›tumens‹, nicht ›timens‹, was besser [wäre]). Barbaro, Castigationes Plinianae, 15, Bd. III, S. 1126

17.

ca. 1486–1504 Battista Fregoso, De dictis factisque memorabilibus collectanea

»Mira Zeusis atque parrhasius in pingendi arte iis contentionibus quas inter se exercuerunt ostendere. nam ad uvas quas zeusis pinxit aves specie deceptae advolarunt: ut eas manducarent. parrhasius autem cum pictam in tabula mappam qua tegi pictura in tabula videbatur ad zeusim tulisset: rogavit zeusis ut sublata Mappa tandem picturam ostenderet. sed mox errasse se magna mappae similitudine depre­ hendens: parrhasio primam laudem eius picturae concessit: fassus longe maius fuisse quod se picto­ rem parrhasius: cum quod ipse aves fefellisset: sed tam veteribus imissis ad recentiora transeamus.« Fregoso, De dictis, VIII, cap. 11 (»Quam ingentes sint quarundam artium effectus«), S. ll1v–ll2r, s. v. »De Zeusi atque parrhasio pictoribus«

18. 1498 luca pacioli, De divina proportione

»commo de Zeuso e parrasio se leggi in plinio de picturis che siando a contrasto del medesimo exerci­ tio con parrasio sfifandose de penello: quello feci una cesta duva con suoi pampane inserta e posta in publico. gliucelli vinse come avera a se getarse. e laltro feci un velo alora Zeuso disse a parrhasio avendolo ancor lui posto in publico e credendo fosse velo che coprisse lopera sua facta a contraso leva via el velo e lascia vedere la tua a ognuno commo fo la mia e così rimase vincto. perche se lui li ucelli animali irrationali e quello uno rationale e maestro ingannose forse el gran dilecto el summamore a quella (benche di lei ignaro) non minganna. e universalmente non e gentil spirito achi la pictura non dilecta. Quando ancor luno e laltro animal rationale e irrationale a se alice.« Pacioli, De divina proportione, cap. 3, S. 41

19.

ca. 1497–1517 Girolamo Bologni, Promiscuorum libri

»Zeusi parrhasium nova haec Apellem«

1

Bologni, Promiscuorum libri, IX, v. 1, [fol. 221v] S. 63

20. vor 1500 Marcantonio sabellico, De omnium gentium […]

»de Zeusi et parrhasio non minori propemodum iudicio Zeusidis et parrhasii aemulatio decisa est, in quo certamine non natura, sed ars ipsa est naturae aemule, iudicavit.« Marcantonio Sabellico, De omnium gentium, omnium[que] seculorum insignibus memoriaque […], X, cap. 6 (»De aemulatione«), Basel: Petri, 1563

Cinquento (Auswahl) 1502: camillo leonardi, Speculum lapidum, iii, s. 47; 1502: (vor 1500): Antonio Urceo, Sermones, nr. 1, s. 6v: »[…] ut uvae Zeuxides pictae aves et linteum parrasi Zeuxim«; 1506: raffaele Maffei,

II/F: Wettstreitmotive aus Dantes Commedia

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Commentariorum, li, s. 250, s. v. »parrhasios«: »pArrhAsius ephesium pictor venit in certame cum Zeusi. et cum ille detulisset Uvas pictas tanto successu ut in scenam aves advolarent. ipse Aves fefellisset parrhasius aut artifice symmetriam primus picturem dedit, primus argutias, primus gratiam capillor, confessione artificum in lineis exterius palmam adeptus«; 1509: Francesco lancilotti, Trattato di pittura, vv. 52–54 (Scritti d’arte, 1971–1977, s. 744); 1533: Filolauro da cave, Dialogo amoroso, XViii– XiX, fol. 118v: »né Zeusi haria la giovenil figura / fatta (con l’uva in man) co’i suoi pennelli, / cui, per tant’ accostarsi alla natura, / per prenderla volavano gli augelli; / e né parrasio, auttor di lor misura, / in tela bianca haria dipinto quelli, / di quai parea ciascun che ’l spirito havesse, / o che volasse o che volar potesse. // i quai Zeusi veggendo un grido mosse / (pensando che ciascuno il senso e l’alma / isspirito havesse et al volo atto fosse), / tal ch’egli allor di vergognosa salma, / essendo carco e con le guancie rosse, / diede a parrasio de i pittor la palma, / cui disse Zeusi: s’io a gli augelli inganno / con l’uva senza quei gabato m’hanno«; nach 1534: Matteo Bandello, Rime, hrsg. v. Masimo danzi, Modena, 1989, s. 246, nr. 194, v. 12; ca. 1537–1546: Anonimo Magliabechiano, s. 16, s. v. »Zeusi«, s. 17, s. v. »parrasio«; 1546: sabba da castiglione, Ricordi, overo ammaestramenti, fol. 51r; 1547: Benedetto Varchi, Due Lezzioni, nr. 2, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 38; 1557: dolce, Dialogo della pittura, s. 150; 1560–1564: lomazzo, Libro dei sogni, cap. 5, Bd. i, s. 93; 1567: Bocchi, Discorso sopra l’eccelenza dell’opere d’Andrea del Sarto, s. 128; vor 1588: sperone speroni, Discorso in lode della pittura (speroni, Opere, Bd. iii, s. 443)

Appendix II/F wettstreitmotive aus dantes Commedia wettstreit zwischen zwei Buchmalern (Oderisi da Gubbio – Franco Bolognese) und Malerwettstreit (cimabue – Giotto) Quelle: dante

a.

Oderisi da Gubbio – Franco Bolognese Dante, Purgatorio, XI, vv. 79–93

Dante-Kommentatoren: 1. 1324–1328 iacopo della lana, Comedia

»›O, dissi lui‹, questo Oderigi fu uno d’Agubbio, e fu un fino miniatore di libri, e desviziatore e allumi­ natore di libri, il quale veggendosi essere eccellente maestro, montò in grande superbia, ed avea opinio­ ne che migliore maestro di lui non fosse al mondo. Or a mostrare che la sua superbia si andava tempe­ rando, si loda lo detto Oderigi per migliore maestro essere stato un Franco Bolognese di lui, che fu di simile magisterio; e nota che l’autore dice: ›l’onor d’Agubbio‹, quasi a dire: di quel luogo non uscì mai persona nomata fuor che tue.« Lana, Comedia, Bd. II, S. 129

2. 1330–1340 Ottimo commento

»›Ascoltando io chinai ec.‹ Qui esemplificando, mostra la detta superbia non solamente procedere nelli mortali per radice d’antichità di sangue, e d’opera d’arme, e di costumi leggiadri; ma eziandio per eccel­

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten lenza d’arte manuale. e questo pruova per Oderigi d’Agobbio, miniatore ottimo del tempo dell’Autore, il quale vedendosi così eccellente nella sua arte, montò in grande superbia, ed aveva oppenione, che migliore miniatore di lui non fosse al mondo. Ora a mostrare, ch’elli ha diposta la superbia, e vestita umilitade, loda per migliore maestro essere stato Franco Bolognese di lui, che fu di simile mestiere. e nota, che l’Autore dice, ›l’onore d’Agobbio‹; quasi a dire, di quello luogo non usci mai persona nomata, fuori che tu. e dice, l’onore è ora tutto di Franco, e mio in parte; del tutto picciolo s’intende. se dicesse semplicemente parte, s’intenderebbe mezzo; quasi dica, la mia ›fama appena sen’conserva‹, e la sua è ora in capo. e non ti maravigliare, lettore, se l’Autore pone questi artefici meccanichi in onore ed in fama, che Valerio Massimo il fece elli apartamente. e nota, che le principali arti meccaniche, sotto le quali si comprendono tutte le altre, sono sette […].« Ottimo commento, Bd. II, S. 186–187

3. 1340–1341 pietro Aldighieri, Super Dantis ipsius genitoris comoediam commentarium

»item nominat Magistrum Odericum, propter cujus verba apostrophando exclamat auctor sic contra vanam gloriam nostram et cupiditatem, quam habemus ut nominemur in hac vita; quae fama et gloria vana ut ventus transit.« Aldighieri, Commentarium, Bd. II, S. 373

4. 1375 ›falso Boccaccio‹, Chiose sopra Dante

»[…] fu uno oderigjho daghobbio elquale fu insua vita ecielentissimo miniatore di libri e per questo era forte superbo e vanaglorioso intanto chegli nondava vanto averuno ese faciea migliore di tutti. Or quivi schusa adante e da qui ilibro delmaestro delminiare aunfranco dabolognia.« Chiose sopra Dante, S. 249

5. ca. 1375–1380 Benvenuto de rambaldis de imola, Comentum

»iste Oderisius fuit magnus miniator in civitate Bononiæ tempore autoris, qui erat valde vanus jacta­ tor de arte sua non credens habere parem; ideo dantes, qui optime noverat animum eius avidum lau­ dis et gloriæ, de industria commendat eum super omnes, ut experiatur si deposuit ventum, quo solebat esse inflatus, dicens: ›l’onor da Gobbio‹, quasi dicat, qui multum honoras patriam tuam et artem tuam; unde dicit: ›e l’onor di quell’arte‹, scilicet, miniandi, ›ch’alluminar è chiamata in Parisi!‹ parisius enim dicitur illuminare ubi italici dicunt miniare. et hic nota, quod miniare est magis proprium: sic enim dicitur a colore minio, qui olim fuit aliquando in maximo pretio; unde scipio Africanus ducens glo­ riosissimum triumphum, devicto hannibale, intravit urbem cum facie tincta minio, ut scribit plinius. – ›Frate‹. hic poeta ponit responsionem illius ad se, qui humiliter confitetur falsam gloriam quam quærebat, et concedit ipsam alteri. dicit ergo: ›diss’elli‹, scilicet, ille Oderisius dixit mihi: ›o frate, più ridon‹, idest florent, ›le carte che pennelleggia‹, idest, miniat cum pennicello, ›Franco bolognese‹: hic fuit alius miniator de Bononia excellentior eo concurrens secum, sicut adhuc apparet in quibusdam libris miniatis per eum; ideo dat sibi palmam huius artis, dicens: ›l’onor è tutto or suo‹, quia scilicet ipse tenet apicem, ›e mio in parte‹, solummodo; […].« Benevenuto de Rambaldis de Imola, Comentum super Dantis, Bd. III, S. 309–312, S. 309–310

II/F: Wettstreitmotive aus Dantes Commedia

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6. ca. 1385–1395 Francesco Buti, Commento

»›O, dissi lui‹; cioè a lui io dante, ›or non se’tu Oderisi‹; ecco che dante finge d’averlo cognosciuto e nominalo. Questo Oderisi fu d’Agobbio e fu buono miniatore di pennello, sicchè al tempo suo non era niuno si buono; e di questo prese tanta vanagloria […] ›L’onor d’Agobbio‹; et in questo si dimostra che in Agobbio non sia stato persona di valore famosa, se non costui, nel miniare […] ›più riden le carte‹; cioè più vegnano fiorite le carte e li libri, e più belli, ›Che pennelleggia Franco bolognese‹; questo Franco Bolognese anco fu finissimo miniatore e lodalo sopra sè; e perchè dice ›pennelleggia‹, mostra che miniasseno con pennello […].« Buti, Commento, Bd. II, S. 259–260

7. ca. 1395 Anonimo Fiorentino, Commento

»Qui introduce uno Oderigo da Gobbio, che fu miniatore in sommo grado; et però che fu cosi eccel­ lente, si e’montò in superbia: onde nota che superbia nasce nell’uomo, o per virtù che crede in sè avere, o per cose di fuori da sè, come o beni d’animo o beni naturali, o beni di fortuna, o beni acquisitivi – ›Vanagloria‹ È uno disordinato movimento d’animo, per lo quale alcuno per sua propria eccellenzia vuole essere onorato sopra gli altri, le cui spezie sono alterezza, superbia, arroganzia, impazienzia, contenzione, contumacia, dispregiamento degli altri, prosunzione, disubbidienza etc. – ›O, dissi lui‹. Qui il nomina l’Auttore; e ’l suo misterio, alluminare in Francesco, si è miniare di penna in latino– ›Frate, diss’elli‹ Qui nomina uno altro che miniò di pennello, cio fu Franco da Bologna, et qui tocca sua arroganzia dove dice: ›Ben non sarei‹ ec. ch’io avessi antimesso Franco a me – ›Di tal superbia‹. Qui mostra che non tardò a riconciliarsi con dio tanto quanto feciono quelli che purgono lor nigligenzia – ›O vanagloria‹. Qui esclama contro a questo vizio, et dice che tosto si secca, s’ella non è giunta dalle etati grosse, ciò è mature et perseveranti in virtù, e accoppiata con senno maturo et veccio.« Anonimo Fiorentino, Commento, Bd. II, S. 187

8. 1416–1417 Giovanni da serravalle, Translatio

»O, Oderisi dixit ego ad eum, nonne es tu Oderisius, onor eugubii, et honor illius artis que allumare vocatur in parisius? Ubi nos Ytalici dicimus miniare, parisius dicitur alluminare: quando liber est bene miniatus, parisius dicitur bene alluminatus. […] Frater, dixit ipse, magis rident carte, idest splendent, quas pennellegiat, idest cum pennello pingit, Francus Bononiensis: honor est totus suus, et meus in partem. […].« Giovanni da Serravalle, Translatio, S. 549

9. 1481 cristoforo landino, Comento sopra la comedia

»Odorisi fu d’Agobbio. et fu in quel tempo optimo miniatore; ›aluminar è chiamata in Parigi‹: perché el minio distingue, et illumina, la scriptura. ›Frate – dix’ello –‹ chome già pentuto dalla sua vana glo­ ria, non si prepone agl’altri, chome facea quando era occupato in tal vitio, ma è contento di credere a Franco da Bologna, chome maggiore maestro di lui. et però dixe ›piú ridon le carte‹, quasi meglio sono illuminate, ›che penneggiava Franco‹ i. le quali minia col pennello Francho; costui fu bolognese, et miglior miniatore; ›l’ honore tutto è hor suo‹: quasi dica: innanzi, che lui venissi buon maestro, io tene­ vo el primo luogho, né era chi a comparatione di me fussi in alchuno prezo. Ma dipoi fui vincto da chostui, in forma, che l’honore è tutto suo; nientedimeno perché dopo lui io ero innanzi agl’altri, non

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten sono rimaso sanza alchuna parte d’honore. né è superbia, che dica ›et mia in parte‹, perché havendosi preposto el bolognese, può liberamente narrare el vero di sé. ›Ben non sarei stato sí cortese‹: quando io ero nel peccato della vanagloria, non sarei stato sí liberale in lodare Franco. et certo è questo vitio negl’huomini, e quali hanno alcuna excellentia in sé, che non possono lodare un altro, che sia della medesima virtú. et par, che quello, che dessino di loda a colui, togliessino a sé medesimi; ›pel gran disio‹, per la gran cupidità, ›l’excellentia‹: del superare, et vincer, gl’altri. Onde io pago qui ›el fio‹, el tributo, i. la pena, ›et anchor non sarei‹: se lui mentre che fu in vita sempre havessi usato vanagloria, era necessario, che dopo la morte andassi a dannatione; ma dimostra, che si volse ›a Dio‹, i. a penitentia, ›potendo peccare‹, i. mentre che era in vita, nella quale si può meritare, et demeritare. ›O vanagloria de l’ humane posse‹: i. la quale gl’huomini pigliono delle loro virtù. Vanagloria da’ Greci è decta »cenodo­ xia«, che è quel medesimo, che in latino vanagloria. della quale isaia: »flos cadens gloria exultationis«. et el psalmista: ›mille anni ante oculos tuos sicut dies hesterna que periit‹; ›con’poco verde in sulla cima dura‹, i. chome pocho dura verde in sulla cima et in sua excellentia, ›se non è iuta‹, se non è aiutata, ›dall’etati grosse‹: la sententia è se non è inventa, i. trovata, che benché alchuno sia il primo in una scientia, o virtú, o arte, nientedimeno dura pocho tempo esser primo, perché viene dipoi qualchuno altro piú excellente di lui […].« Landino, Comento, Bd. III, S. 1222–1223

b.

cimabue – Giotto Dante, Purgatorio, XI, v. 79 und XI, vv. 94–96

Dante-Kommentatoren: 1. 1324–1328 iacopo della lana, Comedia

»Or qui mostra per esemplo e dice che quello pintore ch’ebbe nome cimabue, credette sempre essere nomato per migliore pintore del mondo, e ’suo credere fue così fallito, che nel tempo dell’autore era pur nomato uno altro ch’ebbe nome Giotto, e di quello cimabue non si dicea nulla.« Lana, Comedia, Bd. II, S. 130

2. 1330–1340 Ottimo commento

»[…] cimabue nel dipingere credette essere nominato per li migliore pintore del mondo; […]. Fu, ed è Giotto in tra li pintori, che li uomini conoscono, il più sommo.« Ottimo commento, Bd. II, S. 188

3. 1340–1341 pietro Aldighieri, Super Dantis ipsius genitoris comoediam commentarium

»et maxime modicum durat haec nostra fama, scilicet vanagloria, si aetates subtiles sequantur, ut patet in cimabove et Giotto pictoribus egregiis, et domino Guidone Guinizelli, et Guidone de caval­ cantibus, et ipso dante.« Aldighieri, Commentarium, Bd. II, S. 375

II/F: Wettstreitmotive aus Dantes Commedia

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4. 1375 ›falso Boccaccio‹, Chiose sopra Dante

»[…] dicimabue, ilquale fu fiorentino sommo dipintore, edietro allui venne giotto suo disciepolo ilquale venne più perfetto di lui. intanto cheessendo vivi amendue edessendo inapoli chore ruberto furono allapruova chi era di loro migliore maestro efurono date lonore ellelode agiotto.« Chiose sopra Dante, S. 249–250

5. ca. 1375–1380 Benvenuto de rambaldis de imola, Comentum

»[…] ›Credette‹. hic poeta confirmat dictum suum per exempla moderna, quae clare manifestant expositionem factam; et primo ponit exemplum duorum concivium suorum, quorum unus nomine cimabos fuit excellens pictor. Alter nomine Giottus fuit excellentior illo; ideo cito derogavit gloriae eius. Ad literam ergo, dicit poeta, vel Odorisius: ›Cimabue‹, tuus florentinus, ›credette tener lo campo nella pintura‹, idest, victoriam gloriae in arte pingendi, sed spes eius est delusa, quia non reperit se in aetatibus grossis, imo subtilioribus. Unde dicit: ›et ora ha Giotto il grido‹, idest, rumorem famae et glo­ riae, ›sì che la fama di colui‹, scilicet, cimabovis, ›oscura‹. et hic nota, lector, quod poeta noster merito facit commendationem Giotti, ratione civitatis, ratione virtutis, ratione familiaritatis. de isto namque Giotto faciunt mentionem et laudem alii duo poetae florentini, scilicet petrarcha et Boccatius, qui scri­ bit, quod tanta fuit excellentia ingenii et artis huius nobilis pictoris, quod nullam rem rerum natura produxit, quam iste non repraesentaret tam propriam, ut oculus intuentium saepe falleretur accipiens rem pictam pro vera. […] et sic nota, quod Giottus adhuc tenet campum, quia nondum venit alius eo subtilior, cum tamen fecerit aliquando magnos errores in picturis suis, ut audivi a magnis ingeniis. ista ars pingendi et sculpendi habuit olim mirabiliores artifices apud graecos et latinos, ut patet per plinium in naturali historia.« Benevenuto de Rambaldis de Imola, Comentum super Dantis, Bd. III, S. 312–313

6. ca. 1385–1395 Francesco Buti, Commento

»›Credette Cimabue‹; questo cimabu’ fu uno dipintore et ebbe grande nome ne l’arte del dipingere, e tenne lo nome in fin che venne Giotto che fu molto eccellente più di lui ne la dipintura, et ora anco lo tiene Giotto perchè la sua fama è stata vinta da l’età grossa in quella arte: imperò che nessuno è stato poi che in quell’arte sia valuto quando elli, non che più che elli; e però dice: ›ne la pittura Tener lo campo‹; cioè avere la gloria, come lo cavalieri che sta in sul campo vincitore, ›et or à Giotto il grido‹; cioè la fama, ›Sì che la fama di colui‹; cioè di cimabue, ›oscura‹; la fama di Giotto e falla parere nulla.« Buti, Commento, Bd. II, S. 261–262

7. ca. 1395 Anonimo Fiorentino, Commento

»[…] et dicesi che ’l padre di Giotto l’avea posto all’arte della lana, et ogni volta ch’egli n’andava a bottega si fermava e ponea alla bottega di cimabue il padre dimandò il lanajuolo con cui aveva posto Giotto, com’egli facea; risposegli, egli à gran tempo ch’egli non v’era stato: trovò ultimamente ch’elli si rimanea co’dipintori, dove la natura sua il tirava, ond’egli, per consiglio di cimabue, il levò dall’arte della lana, et poselo a dipigniere con cimabue. divenne gran maestro, et corse in ogni parte il nome suo […].« Anonimo Fiorentino, Commento, Bd. II, S. 187–188

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 8. 1416–1417 Giovanni da serravalle, Translatio

»credidit cymabò (nomen proprium) in pictura tenere campum, idest omnes excedere, et nunc habet Gioctus gridum, idest clamorem, quia ipse omnes excedit, ita quod fama illius est obscura. notandum quod tempore auctoris erat unus pictor, magister in arte pingendi, qui vocabatur cymabò, qui suo tempore habebat supremam famam in illa arte. demum subito cepit florere in eadem arte alter, voca­ tus Gioctus; et erant isti ambo decivitate Florentie; et fama istius Giocti in brevi sic et tantum crevit, quod fama illius cymabò deficit et facta fuit obscura. ecce quomodo fama, idest vanagloria, artis cymabò medicum duravit.« Giovanni da Serravalle, Translatio, S. 549

9. 1481 cristoforo landino, Comento sopra la comedia, ›proemio‹

»Fu adunque el primo ioanni fiorentino cognominato cimabue […]; ma molto maggiore la lasciava, se non havessi havuto sí nobile successore, quale fu Giocto fiorentino coetaneo di danthe. chostui fu tanto perfecto et absoluto, che molto dipoi si sono affatichati gl’altri che hanno voluto superarlo.« »et provalo per exemplo di cimabue, el quale obtenne l’honore, et el primo luogho nella pictura, tan­ to che Giotto venne tal maestro, che superò et vinse cimabue, chosí forse verrà in un altro tempo, chi vincerà Giotto. Adunque non debba pigliare alchuno vanagloria delle proprie posse. ›Cymabue‹: chos­ tui essendo la pictura in obscura la riduxe in buona fama. ›Giotto‹ divenne maggiore, et piú nobil maestro di cymabue; ›tenere el campo‹: rimanere vincitore, et è translatione dall’exercitio militare. ›Chosí ha tolto l’uno all’altro Guido La gloria della lingua‹: chome Giotto tolse a cymabue la gloria della pittura, chosí Guido cavalcanti tolse a Guido Guinizelli bolognese; ›et forse è nato‹: molti inten­ dono, che accenni di sé. Ma non si può riprendere d’arrogantia, perché non si può convincere, che parli piú d’uno che d’un altro. et niente afferma. ›Non è ’ l mondano romore altro ch’un fiato‹: fama, gloria, grido, et romore, piglia per una medesima chosa; ›romor mondano‹: fama delle chose mortali; ›altro ch’un fiato‹: perché vola, et per tutto in brieve si sparge. Onde Virgilio: ›fama malum quo non aliud velocius ullum: Mobilitate viget viget viresque aquirit eundo‹.« Landino, Comento, Bd. I, S. 241, Bd. III, S. 1223–1224

weitere Quellen: 10. 1309–1313 Francesco da Barberino, Liber documentorum amoris, i

»ridiculum enim esset picturam cimaboris et Giottis in accessionem vilissime tabule credere […].« Francesco da Barberino, Liber documentorum amoris, Bd. I, S. 94

11. vor 1397 Jacopo da Montepulciano, Fimerodia (zitiert nach pfisterer, 2002, s. 320)

»Alto ingegnio, Giotto dipintore, che lasciò cimabue tutto in disparte.« 12. ca. 1400 domenico Bandino, Fons memorabilium, s. v. »cimabue« (s. pfisterer, 2002, s. 319): »[…] ›O vana gloria […]‹«

II/F: Wettstreitmotive aus Dantes Commedia

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13. 1401 cino rinuccini, Responsiva

»Ora nell’ultimo non è da dimenticare lo ingegnoso Giotto, il quale de’ nostri maggiori sì le naturali efigie rapresenta, che continuo pungente alle virtù ci sospinge, e che non solo cimabue moderno, ma gli antichi copa, pulicleto, e prasitere avanza.« (Jetzt als letztes ist nicht der höchst begabte Giotto zu vergessen, der unter unseren Besten so sehr das natürliche Abbild wiedergab, dass, er, fortwährend die tugend stimulierend, uns vowärts treibt und der nicht nur den modernen cimabue, sondern auch die antiken [Künstler] scopas, polyklet und praxiteles übertrifft.) Rinuccini, Responsiva, S. 196

14. 1442 Angelo Galli, Gedicht für Pisanello (überreicht von Ottoviano Ubaldini della carda)

»se cimabò cum Giotto et cum Gentile, ch’a pinger puser l’honorata mano, et chi de l’arte fo mai più soprano tornasser hogge et crescesser lo stile, […].«

1

Galli, Canzoniere, S. 392, Nr. 284, vv. 1–4; vgl. Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, S. 101, Nr. 39

15. ca. 1461–1464 Antonio Filarete, Trattato di architettura

»e anche di Giotto si legge che ne’principii suoi lui dipinse mosche, e che ’l suo maestro cimabue ci fu ingannato, che credette che fussono vive, con uno panno le volse cacciare via. donde questo, se non dalla forza del sapere dare e’colori a’suoi luoghi? Queste cose maravigliose non si vede nella scultura.« Filarete, Trattato, XXIII, Bd. II, S. 665

16. 1469 Giovanni domenico da corella, Theotocon (über Fra Angelico)

»Angelicus pictor [Fra Angelico] quam finxerat ante Johannes. nomine, non iotto non cimabove minor, Quorum fama fuit tyrrhenas clara per urbes, Ut dulci dantes ore poeta canit.«

1

(der engelhafte Maler namens Giovanni, der weder Giotto noch cimabue unterlegen war, deren ruhm in den tyrrhennischen städten glänzte, seitdem er durch dante mit süßer sprache besungen worden ist.) Domenico da Corella, Theotocon, IV, S. 111 (nach Pfisterer, 2002, S. 55)

Cinquecento (Auswahl) 1524: summonte im Brief an Michiel, in nicolini, 1925, s. 159; ca. 1529: Giovio, Lamento sull ’Italia, s. 193: »Giotto, sotto cimabue come maestro ed emulo, restituì dignità alla pittura; […].« (Unter cimabue als lehrer und rivale setzte Giotto die würde der Malerei wieder ein); 1527/1528: paolo Giovio, Dialogus de viris et foeminis aetate nostra Florentinibus, in: paolo Giovio, Opera, Bd. iX, s. 184; 1547: Benedetto Varchi, Due Lezzioni, nr. 1, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 15; 1568 zitiert

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten in: Vasari, Le vite, cap. ›cimabue‹, Bd. i, s. 267; und in einer angeblichen Grabinschrift in santa Maria del Fiore (von einem der nini): »credidit ut cimabos picturae castra tenere; / sic tenuit vivens; nunc tenet astra poli.; in der Vita Giottos: Oderisi zitiert, ebenda, Bd. i, s. 385; 1560–1564: lomaz­ zo, Libro dei sogni, cap. 5, Bd. i, s. 97, s. 107; dantes Verse zu Giotto und cimabue vor 1563 zitiert in Giovanbattista Gelli, Vite d’artisti, s. 39.

Appendix II/G Zum wettstreit in der Bildniskunst: episoden in der Kunstliteratur des Quattrocento und des cinquecento a.

der ›Bevorzugungstopos‹: Apelles – pyrgoteles – lysipp und das Bildnis Alexanders des Großen Gattungsübergreifender wettstreit (Maler – Bildhauer – steinschneider) Quelle: plinius d. Ä. Unter der Fülle von Belegen zum ›Bevorzugungstopos‹ werden im Folgenden diejenigen extensiver zitiert und (mit dem Zeichen ) hervorgehoben, die eine rivalität andeuten. cicero, Epistulae ad familiares, V, 12, 7 (Apelles – lysipp) horaz, Epistolae, ii, i, vv. 239ff. (Apelles – lysipp) plinius, NH, Vii, 125, s. 125 (Apelles – pyrgoteles – lysipp): »idem hic imperator [sc. Alexander] edixit, ne quis ipsum alius quam Apelles pingeret, quam pyrgote­ les scalperet, quam lysippus ex aere duceret.«  plutarch, Alexander, 4 (Apelles – lysipp) »die äußere erscheinung Alexanders bilden am besten die statuen des lysipp ab […]. Apelles […] hat seine hautfarbe nicht getroffen […].« Plutarch, De Alexandri Magni fortuna aut virtute, 335a

 4. Jh. n. Chr.: himerios, Reden, nr. 31, 5, s. 232 (Apelles – lysipp) »es wird berichtet, daß auch Alexander für die alten Künste ein Gegenstand des wettbewerbs wurde, so daß auch lysipp und Apelles, die die Aufgabe, seine Gestalt darzustellen, übernahmen, das wesen des Königs darzustellen, der eine mit Farben, der andere mit Bronze. da aber die rede über die Gestalt des Körpers hinausgeht und auf schönheit und Anmut der seele eingeht, kann man sie auch als eine untrügerische Malerei ansehen.«

Zitiert nach Friedrich Dübner, Himerii sophistae declamationes, Paris, 1849, S. 34 (ÜS: nach Ed. Harald Völker)

II/G: Zum Wettstreit in der Bildniskunst

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 himerios, Reden, nr. 48, 14–15, s. 305–306 (skulptur – rhetorik – poesie) (nur lysipp) »seht, wie rede euch den Mann [hermogenes] darstellt! sie hat aus eigener Kraft das Bild genauer als jedes wachs und alle Farben ausgearbeitet. wenn nun auch jetzt noch alle Fertigkeiten der Bildhauerei und auch alle Künste, die sich um die darstellung von Körpern bemühten, in hohem Ansehen ständen, würde ich die darstellung deiner person als thema eines wettkampfes für die manuelle Geschicklichkeit Künstler vorschlagen. denn hat nicht dem lysipp die darstellung Alexanders einen derartigen namen und ruf gegeben, daß gerade die dichter sein hauptwerk sehr bewunderten? habt ihr nicht von dem epigramm auf die darstellung Alexanders gehört, ›O lysipp, Bildhauer aus sikyon, kunstvolle hand‹, [Anthologia Planudea, 119, 1] und was außerdem sonst noch von dem dichter zum ruhm des Künstlers [lysipp] verfaßt worden ist? […] hätte nicht im Gegenteil jedes lyrische Gedicht und jeder andere Bereich der dichtkunst dein Bild als werk schaffen können? ich jedenfalls hätte auch ein standbild in den atti­ schen heiligtümern neben der jungfräulichen Göttin aufstellen lassen […]. da nun weder lysipp noch irgend ein anderer von denen, die noch leben, in der lage ist, mit eigener hand ein werk zu schaffen, das des Vorbildes würdig ist, bemühen sich auch die neuen Künste um dich […] ich aber habe mich bemüht, dich mit einer rede zu zeichnen und mit meinen Farben, die keine Zeit jemals wagen wird zu beseitigen.« (ÜS: nach Ed. Harald Völker)

1. Mitte 14. Jh. petrarca, Canzoniere, nr. 232, vv. 1–4, s. 616 (Apelles, lysipp – pyrgoteles)

»Vincitore Alexandro l’ira vinse et fel minore in parte che philippo: che li val se pyrgotile et lysippo l’intagliar solo et Appelle il dipinse?«

1

(Bezwinger Alexander ward bezwungen vom Zorn, was gegen philipp minder helles licht ihm verleiht, ob auch lysipp, Apelles, pyrgoteles zu Bildnern er gedungen). (ÜS nach Ed. Dreyer, S. 232; Petrarcas Verse auch zitiert in Tasso, Il Porzio overo de le virtù, in: Tasso, Dialoghi, Bd. I, S. 1084)

2.a 1366 petrarca, De remediis utriusque fortunae, i, cap. 39 (»de gemmarum signis«), s. 150 und i, cap. 41 (»de statuis«), s. 154 2.b  ebenda, i, cap. 41 (»de statuis«), s. 141–142 (Apelles – lysipp – pyrgoteles)

»(siquidem una aetas et Appellem, et pyrgotelem, et lysippum habuit) quod hinc patet, quia hos simul ex omnibus, Alexandri Magni tumor maximus delegit, quorum primus cum pingeret, secundus sculperet, tertius fingeret, atque in statuam excuderet, edicto vetitis universis, qualibet ingenii, artis­ que fiducia, faciem regis attingere.«

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 3. um 1400 domenico Bandino, Fons mirabilium universi (nur lysipp)

»lisippus. arte sculptoria tantus fuit quod alexander magnus prout scribit valerius sub titulo Quam magni effectus artium sunt a nullo alio sculpi voluit […].« (›lysipp‹. er war in der Bildhauerkunst so groß und daher wollte Alexander der Große, wie Valerius unter der Überschrift ›wie groß die erfolge der Kunst sind‹ schrieb, von keinem anderen plastisch dargestellt werden.) Domenico Bandino d’Arezzo, Fons mirabilium universi, V, fol. 235v (der lateinische Wortlaut nach Pfisterer, 1999, S. 92, Dok. 4.)

4. 1424 Guarino da Verona, Brief an ludovico Gonzaga aus Montorio v. Juni (Apelles – lysipp)

»Quot arbitramur aetate sua mortales ›per ora virum volitare‹ solitos, quia vel ab Apelle picti vel a lysippo ficti visebantur!« (Von wie vielen sterblichen ihres Zeitalters glauben wir, dass sie ›im Munde aller Menschen zu sein‹ pflegten, weil sie entweder als von Apelles gemalt oder von lysipp plastisch dargestellt betrachtet wurden?) Guarino, Epistolario, Bd. I, S. 398, Nr. 256

5. 1425 Guarino da Verona, Brief an Vitaliano aus Verona (nur Apelles)

»Quod de Alexandro et de Apelle dici potest et dubitari licet; ille enim ceteris repudiatis pictoribus hunc unum delegit, Apelli vero non parum commendationis apud prius saeculum accessit et doctissi­ mi et gravissimi regis iudicio.« (was über Alexander und Apelles gesagt werden kann und bezweifelt werden darf. Jener [Alexander] nämlich wählte, nachdem er die übrigen Maler abgelehnt hatte, diesen einen aus. Bei Apelles aber kam genug an empfehlung in den Augen eines früheren Jahrhunderts hinzu, auch durch das Urteil eines äußerst gelehrten und bedeutungsvollen Königs.) Guarino, Epistolario, Bd. I, S. 459, Nr. 300

6.a 1427 Francesco petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii dell’ una e dell’ altra fortuna (nur pyrgoteles)

»e fra gli artifice di ciò pirgotiles prima ebbe fama; onde egli solo fra tutti i maestri di questa arte fu eletto da Alessandro a scolpire la imagine della sua faccia […].« Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, I, cap. 39 (»Delle figure delle tazze«), Bd. I, S. 192

6.b ebenda »però, che una medesima etade ebbe Apelle e pirgotile e lisippo; la quale cosa si manifesta però che la superbia grandissima d’Allessandro Magno scelse costoro insieme per migliore fra tutti gli altri artefi­ ci; de’quali il primo, Apelle, lo dipingesse, lo secondo, cioè pirgotile, lo scolpisse, lo terzo, cioè lisippo il formasse e recasselo in statua; […].« Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, I, cap. 41 (»Delle statue«), Bd. I, S. 196–197

II/G: Zum Wettstreit in der Bildniskunst

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7. 1430 Guarino da Verona, Brief an Antonio panormita v. 7. september (Apelles – lysipp)

»[…] et in Alexandro Apelles ac lysippus [nomen vivit].« (Und in Alexander lebt der name von Apelles und lysipp.) Guarino, Epistolario, Bd. II, S. 117

8. 1440 Francesco Barbaro, Brief an Francesco da crema v. Juli (Apelles – lysipp)

»et sicut Alexander ille ›ab Apelle potissimum pingi, a lysippo fingi‹ voluit, ita ego ad letitiam animi mei et ad memorie dignitatem in primis a te ornatissimo ac clarissimo philosopho laudari et commen­ dari delector.« (Und wie jener berühmte Alexander ›von Apelles gemalt oder von lysipp plastisch dargestellt werden‹ wollte, so werde ich zur Freude meiner seele und würde des Andenkens erfreut, vor allen von dir als dem höchst ehrenvollen und höchst berühmten philosophen gelobt und empfohlen zu werden.) Francesco Barbaro, Epistolario, Bd. II, S. 343–344, Nr. 154

9. vor 1446 leonardo Giustinian, Brief an die Königin von Zypern (nur Apelles)

»Alexander ille Magnus ab Apelle aetatis suae lectissimo potissimum pingi voluit. […].« (Jener berühmte Alexander der Große wollte aus seinem Zeitalter vornehmlich von dem höchst erle­ senen Apelles gemalt werden.) Zitiert nach Baxandall, 1971, S. 162

10. 1446 Gerolamo Aliotti, Brief an Andreoccio petrucci v. 3. Januar (nur pyrgoteles)

»praeclare quidem magnus ille Alexander vetuit edicto publico in gemma se ab alio sculpi, quam a pyrgotele, quid per id tempus ejus artis haberetur clarissimus.« (herrlich aber jener berühmte Alexander der Große, der durch eine öffentliche Verordnung verboten hat, sich von keinem anderen in stein schneiden zu lassen, als pyrgoteles, dessen Kunst zu dieser Zeit da für höchst berühmt gehalten wurde.) Aliotti, Epistolae, Bd. I, S. 203–204, Nr. 10, S. 204

11. 1447 pier candido decembrio, Vita Philippi Mariae Vicecomitis (auf pisanello bezogen)

»[…] cuius effiegiem [sc. Filippo Maria Visconti], quamquam a nullo depingi vellet, pisanus ille insig­ nis artifex miro ingenio spiranti parilem effinxit. […].« ([…] dessen Abbild, obgleich er von keinem gemalt werden wollte, pisanello, jener berühmte Künstler mit wunderbarem ingenium, dem lebenden gleich dargestellt hat.) Pier Candido Decembrio, Vita Philippi Mariae Vicecomitis (zitiert nach Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, S. 134, Nr. 60)

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 12. 1451  Francesco Barbaro, Brief an Bartolomeo Facio v. 15. september (Apelles – lysipp – pyrgoteles)

»Quam amplum et honorificum fuerit artificibus illis Alexandri Macedonis decretum satis constat, cum ab Apelle se potissimum pingi, a lysippo fingi, a pyrgotele ex ere duci iussit, tum quia illorum artem etiam sibi glorie fore declaravit, tum quia neminem eius imaginem pro dignitate exprimere posse censuit, nisi qui tantum in illo genere profecisset, ut alios omnis sine ulla dubitatione superaret.« (es steht zur Genüge fest, wie reich und ehrenvoll der Beschluss des Alexander von Makedonien für jene Künstler war, als er befahl, er solle am ehesten von Apelles gemalt, von lysipp gemeißelt, von pyrgoteles aus Bronze gegossen weden – bald, weil er erklärte, dass die Kunst jener Männer auch für ihn zum ruhm gereichen werden, bald, weil er der Meinung war, dass niemand sein Bild im Verhält­ nis zu seiner erhabenheit zum Ausdruck bringen könne, wenn nicht derjenige, der nur in dieser Gat­ tung erfolg gehabt hätte, weil er ja alle anderen ohne jeden Zweifel übertroffen hätte.) Barbaro, Epistolario, Bd. II, S. 740–741, Nr. 375

13. 1451 Bartolomeo Facio, Brief an Francesco Barbaro v. 26. september (Apelles – lysipp – pyrgoteles)

»Fateor quidem, id quod ipse scribis, Apelli lysippo pyrgoteli atque progeni summis artificibus per­ magno honori fuisse quod Alexandrum illum Magnum eorum operibus posteritati notum fecerint, nec mihi proponi potuisse materiam, in qua mihi minus deesse posset oratio, nec preterea sum nesci­ us Q. curtium non minus fere nobilitatum esse quod Alexandri res gestas litteris mandavit quam ipsum Alexandrum, qui illius scriptis commendatus ac celebratus fuerit; […].« (ich bekenne zwar, was du selbst schreibst, dass es für Apelles, lysipp und pyrgoteles und die größten Künstler überaus ehrenvoll gewesen ist, dass sie jenen Alexander den Großen mit ihren werken der nachwelt bekannt machten, und auch mir könnte keine Angelegenheit vorgelegt werden, in der mir die worte weniger fehlen könnten, und außerdem bin ich mir wohlbewusst, dass Quintus curtius kaum weniger berühmt geworden ist, weil er die taten Alexanders aufgeschrieben hat, als Alexander selbst, der in den schriften jenes Mannes beliebt gemacht und gefeiert wurde; […].) Barbaro, Epistolario, Bd. II, S. 745, Nr. 376

14. 1456  Guarino da Verona, Brief an poggio Bracciolini aus Ferrara v. 6. Juni (Apelles – lysipp)

»Quo ex facto Alexandri magni venit in mentem, qui de multis aetate sua praeclaris artificibus Apel­ lem ac lysippum ita delegit, quorum ›alter ipsum pingeret, alter fingeret‹, ut ceteris valediceret.« Guarino, Epistolario, Bd. II, S. 644, Nr. 901

15. ca. 1461–1464 Antonio Filarete, Trattato di architettura (auf porträts von Francesco sforza bezogen)

»ho veduto io dipintore e intagliatore ritrarre teste, e massime dell’antidetto illustrissimo signore duca Francesco sforza, del quale varie teste furono ritratte, perché era degna e formosa; più d’una da ciascheduno bene l’apropriano alla sua e asomigliarono, e niente di meno c’era diferenza. […] donde questa sottilità e proprietà e similitudine si venga lasceremo alli sopradetti speculativi dichiarare.« Filarete, Trattato, I, Bd. I, S. 28

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16. ca. 1466–1471  lodovico carbone, Facezie (Apelles – lysipp)

»[…] non ricordandosi che Alexandro non volse esser depinto se non da Apelle, perché era excellentis­ simo ne l’arte sua, né intagliato se non da lysippo, perché tutti gli altri avanzava in quel exercitio; […].« Carbone, Facezie, S. 26, Nr. 28

17. 1475 domizio calderini, Commentarii in Sylvas Papinii (nur lysipp)

»›lysippe‹ […] Vult igitur papinius videri lysippum praestantissimum, a quo solo Alexander opera sua sculpi voluit, ut ait plinius […].« Calderini, Commentarii in Sylvas Papinii, Rom: A. Pannartz, 1475, zu I, 1, v. 86

18. 1480–1481  Angelo poliziano, Commento Stazio (Apelles – lysipp)

»lysippeae, quae pellaeum fingebant Alexandrum. Mos est enim ut, priusquam in statuam confletur aes, effigies ceris exprimatur. domitius maluit legere ›Apelleae‹ contra fidem omnium codicum con­ traque rationem ipsam, quae dictat intellegendum de statuariis potius quam de pictoribus ac de eo in primis, cuius proxime fecerit mentionen.« Poliziano, Commento Stazio, zu I, 1, s. v. »Pellaeae cerae«, S. 170

 ebenda, zu i, 1, s. v. »pellaeae«, s. 173 (griechisches plutarch­Zitat zur Überlegenheit lysipps gegenüber Apelles als porträtist von Alexander; s. o.) 19. 1486 Francesco puteolano in: Giovanni simonetta, Commentarios rerum gestarum Francisci Sphortiae (Apelles – lysipp – pyrgoteles)

»[…] qui se vidisse affiret Alexandri qui in ea re studiosissimus fuit imaginem aut penicello in tabula expressam aut caelo elaboratam vel de neque auro argento aere conflatam, cum appelles lysippus et pyrgoteles diversissima laude inter sese pares praestantissimum regem plurimam veluti spirantem effinxerint.« (Und wirst du [auch nur] einen unter vielen finden, der behaupten würde, dass er das Bild von Alexander gesehen hätte – der in dieser hinsicht [sc. der sicherung seines Abbildes für die nachwelt] höchst beflissen war –, sei es mit dem pinsel oder dem Meißel ausgeführt oder in Gold, silber oder einem anderen gegossenen Metall, weil Apelles, lysipp und pyrgoteles, mit unterschiedlichem lob unter sich gleichwertig, das Bildnis dieses höchst hervorragenden Königs in vielen Arten wie lebendig nach­ geahmt haben?) Francesco Puteolanos Widmungsbrief (an Ludovico Sforza) von Simonetta, Commentarios, fol. Aiv (der gleiche Brief, von Landino ins Italienische übersetzt, in der 1490 in Mailand publizierten Volgare-Fassung von Simonettas Buch)

20. ca. 1482–1492 piero della Francesca, Libellus de quinque corporibus regularibus (Apelles – lysipp)

»inter antiquos pictores et statuarios, […] Apellem, lisippum, ceterosque qui nobilitatem ex arte sunt consecuti, […].« Piero della Francesca, Libellus, Widmung an Guidobaldo da Montefeltro, Bd. I, [fol. 1r] S. 7

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 21. 1483 pico della Mirandola im Brief vom 12. März an Angelo poliziano (Apelles – lysipp)

»Quod si is essem a quo in eiusmodi re tibi gratia referri posset, non tacerem Graecum illud: lysip­ pum Apellis et Apellem lysippi alterna opera vicissim uti solitum.« Bettinzoli, 2004, S. 368–409, S. 375

22. ca. 1489 Bartolomeo Fonte, Gedicht für den sohn des Matthias corvinus: Mathiae regis soboles Corvina, Ioannes (Apelles – lysipp – pyrgoteles)

»Ut meus in te ardens animus studiumque pateret, Munera cum vellem congrua ferre tibi Ac neque pyrgotelis gemmas, nec signa lysippi, nec quod Apelleis fulgeat in tabulis, nec vasa insignem referentia Mentora haberem:«

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Fonte, Carmina, S. 1, vv. 5–9

23. ca. 1490 pandolfo collenuccio, Filotimo (Apelles – lysipp)

»[…] io ho pur veduto e audito che molti príncipi de’nostri tempi e de li antiqui hanno alcuni artefici onorato, come Alessandro magno dinocrate architetto e Apelle pittore e lisipo statuario, […].« Collenuccio, Filotimo, S. 109–110

24. 1492 herzog Francesco Gonzaga, dekret vom 4. Februar 1492 zur schenkung eines Grundstückes an Mantegna (Apelles – lysipp)

»inter praeclara Alexandri edicta illud maxime celebratur quo ab alio quam ab Appelle pingi, ab alio quam a lysippo fingi se vetuit.« Kristeller, 1902, Dok. 115

25. vor 1494 Angelo poliziano, Epigrammata latina (lysipp)

»Vicit appeleas artes et signa lysippi; […].« Poliziano, Epigrammata latina, Nr. 88, v. 3 (Poliziano, Opera omnia, Bd. II, S. 157)

26. ca. 1480–1495 niccolò da correggio, Rime (Apelles – lysipp – pyrgoteles)

»Zeusi, lisippo, percotile o Apelle che avuto avesse a ritrar questa in carte, dovendo in lei mirar ciascuna parte e la grazia che è puoi mixta con quelle, como a guardar el sole o contar stelle la vista in lui seria mancata e l’arte, perché natura a l’occhio non comparte potenzie in quel che essa natura excelle. cusì, leOnArdO mio, se tuo cognome vòi conseguir, che ogni altro Vinci e excedi,

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coprili il viso e incomincia a le chiome, perché se a un tratto sue bellezze vedi, tu el ritratto serai, non lei, ché some d’occhio mortal non son, vo’che mi credi.« Niccolò da Correggio, Rime, S. 201, Nr. 189, vv. 1–14

27. 1497 ermolao Barbaro, Castigationes Plinianae (Apelles – lysipp)

»›nescio‹ – inquit – ›ut ismenias tibiis canere, ut Apelles pingere, ut lysippus fingere‹« Barbaro, Castigationes Plinianae, Bd. III, S. 1177 (Zitat aus Apuleius, De deo Socratis, XXI)

Cinquecento (Auswahl) 1502: leonardi, Speculum lapidum, iii, s. 48: »[…] plinio libro trigesimoseptimo habetur de pirgo­ tele quo imaginem Alexandri magni adeo optime sculpsit ut vetuerit se ab alio sculpsi«; 1504: Gauri­ co, De sculptura: »et que sola lysippum eo usque perduxit, ut ab alio se effingi etiam edicto vetuerit Alexander credendum est […]« (Gaurico, De sculptura, cap. 5, s. 205 (nur lysipp); 1506: raffaele Maffei, Commentariorum, XVi, s. 383, s. v. »lysippus«: »lysippus sicyonius nobilis sculptor in hono­ re apud Alexandrum, a quo tantum fingi volebat«; s. 417, s. v. »pyrgoteles«: »sculptor nobilis gemma­ rum a quo tantum Alexander sculpi volebat«; nicht erwähnt unter Xiii, s. 300, s. v. »Apelles«]; 1530: crinitus, De honesta disciplina, XVi, cap. 8, s. 246–247 (Apelles – pyrgoteles – polyklet); 1535–1538 [1545]: Matteo Bandello, Canti XI, Xi, 172: »puote il mastro gientil il bel profilo col martello formar del vago viso, qual il pittor che col pennello il filo d’un volto segna come sta preciso. Ma que’ begli occhi far non puote stilo, né la grazia mostrar del dolce riso: non pirgotele o lisippo n’Appelle far il potrian che fêr tant’opre belle.« Bandello, Canti XI, in: Matteo Bandello, Tutte le opere, hrsg. v. Francesco Flora, Mailand, 1952, Bd. ii, s. 1086–1087; 1560–1564: lomazzo, Libro dei sogni: »Fugli poi, al tempo di Alessandro Magno, lisippo sicionio, il quale fu di tanta ecelenzia che, essendo domandato da lui alcuni chi fusse statto il suo maestro, fece segno a una moltitudine di uomini, volendo inferire esser statto dissipulo dilla natura; e fu da Alessandro Magno di uno onoratissimo grado dignitato, cioè che niuno altro, per gran valent’uomo che si fusse, non lo potesse scolpire o far di getto, se non lui e pirgotele, che pari andava ne l’arte con esso lui.« (lomazzo, Libro dei sogni, cap. 6, Bd. i, s. 127); 1584: lamo, Discorso intorno alls scoltura e pittura: »[…] e tanto piacque all’istesso Alessandro l’eccellenza loro, che volle mai, che altri, che lisippo in bronzi, lo scolpissero, e che altri che Apelle il dipignessero. horatio. ›edicto cavit, ne quis se, praeter Apellem. / pingeret, aut alius lisippo duceret aera.‹« (lamo, Discorso intorno alla scoltura e pittura [cremona, 1584], s. 12–13).

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imaginärer wettstreit zwischen drei Malern um die Bewältigung eines porträts an einem tag Malerwettstreit Quelle: salutati 1398 coluccio salutati, Brief an Antonio da scarperia v. 6. Februar 1398

»et ut rem hanc figuraliter videamus, fingamus tres pictores unius et eiusdem diei spacio opus faciendi unius hominis vel alterius rei effigiem certis iuxta sui operis merita premiis promisisse et diem illam sic cuilibet sufficere, quod si vel modicum temporis amiserit, nequeat quod promiserit observare. nunc autem incipiat unus et arte graphica iaciat picture quam promiserit fundamenta; moxque facta delens aliud cogitet et intendat, quod, cum auspicatus fuerit, incumbere spongie faciens aliud initium meditetur. nonne sibi tempus eripit, ut licet ex magna parte tandem proficiat, implere tamen non valeat quod promisit? sin autem alter, rebus aliis vacans, cum advesperascere ceperit, pingendi pro­ positum assumet, quantum ad observationem promissionis pictureque perfectionem pertinet, nichil agit. tertius vero de satisfaciendo non cogitans, nisi prius sibi sol occuberit quam inceperit, nonne totum quod debebat omisit? nullus horum quod promisit effecit; prior tamen aliquid operatus est, incipiens multotiens quod debebat, precipue tamen de inconstantia reprehendendus. secundum autem sic incipientem, quod perficere nequeat, quis non irrideat ut insanum? tertium vero quis infide­ litatis et negligentie non accuset? ut si volueris attendere, magna pars operis culpabiliter elapsa sit illi, qui eripiens sibi tempus, tandiu circa principium laboravit; culpabilius autem et maximem operis partem amiserit ille, cui tantum diei subductum est, quod quodam modo nichil acturus, quod per­ ficere nequeat frustra, hoc est nichil agens, sero nimium inchoavit: tota vero dies cum omni plenitudi­ ne culpe lapsa fuerit occasum ante quam inceperit. expectanti.« (Und, damit wir diese Angelegenheit bildhaft sehen, stellen wir uns vor, dass drei Maler, die als werk das Bildnis eines einzelnen Menschen oder einer anderen sache im Zeitraum ein und desselben tages – gegen sichere Belohnungen, die dicht bei den Verdiensten ihres werkes lägen – zu schaffen verspro­ chen hätten und dieser tag jedem beliebigen so ausreichen würde, dass er, wenn er auch nur ein wenig Zeit verlieren würde, nicht befolgen könnte, was er versprochen hätte. nun aber soll einer [von ihnen] beginnen und die Grundlagen des Gemäldes, das er versprochen hat, mit der Zeichenkunst schaffen. Aber er würde bald, das Geschaffene zerstörend, sich etwas anderes ausdenken und planen, weil er, sobald er es begonnen hätte, erwägen würde, sich mit dem schwamm darauf zu stürzen und einen anderen Anfang zu machen. würde er nicht Zeit verlieren, da er, wenn er schließlich auch einen Großteil vorangekommen ist, trotzdem nicht das ausgerichtet hätte, was er versprochen hätte? wenn aber der andere [der zweite Maler], frei von anderen Belangen, wenn es Abend würde [nur] einen plan für das Malen fassen würde, täte er gar nichts, was sich auf die einhaltung seines Versprechens und die Vollendung des Gemäldes beziehen würde. wenn aber die sonne nicht untergegangen wäre, bevor der dritte [Maler], der nicht darüber nachdenken würde, ob sein werk auch zufriedenstellt, begonnen hätte, hätte er [dann] nicht alles verloren, was er schuldig war? Keiner von ihnen hätte durchgeführt, was er versprochen hat. der erste hätte zwar etwas angefertigt, indem er mehrfach angefangen hätte, was er schulden würde. er wäre besonders wegen der inkonsequenz zu tadeln. wer jedoch würde den zweiten, der so begonnen habe, dass er nichts fertigstellen konnte, nicht als spinner auslachen? wer aber würde den dritten nicht der Unzuverlässigkeit und der nachlässigkeit bezichtigen? Als ob man es hätte erwarten wollen, wäre demjenigen der, indem er Zeit verlor, so lange um den Anfang herum gearbeitet hätte, ein Großteil des werks schuldhaft entglitten. noch schuldhafter aber hätte auch

II/G: Zum Wettstreit in der Bildniskunst

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jener den größten teil des werkes verloren, dem so viel vom tag weggenommen wurde, dass er auf gewisse weise nichts in Angriff genommen hätte, weil er es grundlos nicht vollenden konnte. das heißt, da er nichts tat, begann er allzu viel zu spät. Aber der gesamte tag mit dem vollen Ausmaß des Verschuldens wäre demjenigen entgangen, der auf den sonnenuntergang gewartet hätte, bevor er begonnen hätte.) Salutati, Epistolario, Bd. III, S. 256–257 (vgl. Erasmus, Ciceronianus, Bd. VII, S. 111ff.); dieser Brief Salutatis auch in Baxandall, 1971, S. 145

c.

Jacopo Bellini – pisanello um das Bildnis von leonello d’este Malerwettstreit Quelle: Ulisse degli Aleotti, Angelo camillo decembrio 1. 1441 Ulisse degli Aleotti

»Ulixis. ›pro iacobo Bellino pictore‹. Quanto che glorïar te puoy, Bellino, che quel che sente il tuo chiaro intellecto la mano industrïosa il proprio effecto mostra di fuora gaio et pelegrino, sì che ad ogni altro insegni il ver camino del divo Apelle et nobel policleto, che se natura t’ha facto perfecto questa è gratia dal ciel e tuo destino però, se a la tua fama è degno nome, il vulgo invidïoso de onor privo alcuna volta stimola et contende; habi pietà de lo suo grave some e prendi omai questo exempio vivo che qualche nebia il sol talor offende.« »Ulixis. ›pro insigni certamine‹. Quando il pisan fra le famose imprese s’argumentò contender cum natura e convertir l’imagine in pictura dil nuovo illustre lïonel marchexe, Già consumato avea il sexto mexe per dare propria forma a la figura, alor fortuna sdegnosa, che fura l’umane glorie cum diverse onfexe, strinse che da degna e salsa riva movese il Belin summo pictore, novelo Fidia al nostro ziecho mondo, che la sua vera effiegie feze viva a la sentencia del paterno amore: onde lui primo, et il pisan secondo.«

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten (Ulisse. ›Auf den Maler Jacopo Bellini‹. / wie sehr du dich rühmen kannst, Bellini! / was dein klarer Geist spürt, / bringt die fleißige hand zur echten Geltung, / zeigt sich fröhlich und fremd, / sodass du jeden anderen in den wahren weg / des göttlichen Apelles und edlen polyklet unterweist. / denn wenn die natur dich perfekt gemacht hat, / dann ist dies die Gnade des himmels und dein schicksal. / Aber, wenn der name deines ruhmes würdig ist, / dann fordert es das neidische, der ehre ent­ wöhnte Volk / zuweilen zum wettstreit heraus. / hab’ Mitleid mit seiner schweren Bürde / und wähle nie dieses lebendige Vorbild, / das wie nebel die sonne bedroht. Ulisse. ›Auf den berühmten wettbewerb‹. / Als pisanello unter anderen Großtaten / sich vornahm, mit der natur zu wetteifern und das Bild / des neuen, erhabenen herzogs leonello / in Malerei umzu­ setzen, // da hatte er den sechsten Monat schon verwendet, um der Gestalt die wahre Form zu geben, / als das verächtliche, die menschliche ehre / mit mancher schmähung hindernde Glück // es fügte, dass von würdiger, salziger lagune Bellini kam, der vortrefflichste Maler, / ein neuer phidias in unsrer blinden welt: // lebendig machte er sein wahres Bildnis, / nach dem Urteil der väterlichen präferenz, / sodass er erster wurde und pisanello zweiter.) BNCR, Fondo Vittorio Emanuele, Ms. 293, fol. 6 (zitiert nach Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, S. 99–100, Nr. 38)

2. ca. 1463 Angelo camillo decembrio, De politia litteraria

»[leonello d’este:] ›erat autem optima priscorum tempestate de pictoribus poetisque eadem fere laus et munificentia. ipsi vicissim artifices opera sua demonstrantes emendabant, quos nunc mutua novi­ mus aemulatione lacessiri. Meministis nuper pisanum Venetumque, optimos aevi nostri pictores, in mei vultus descriptione variae dissensisse, cum alter macilentiam candori meo vehementiorem adiece­ rit, alter pallidiorem tamen, licet non graciliorem, vultum effingeret, vixque precibus meis reconcilia­ tos.‹« (in dieser edlen antiken Zeit wurden Maler und dichter gelobt und mit fast gleicher Großzügigkeit belohnt. Künstler würden sich gegenseitig ihr werk zeigen und es dann korrigieren. erinnerst du dich, wie pisanello und Bellini, die besten Maler unserer Zeit, sich kürzlich auf verschiedene weisen im porträtieren meines Gesichtes unterschieden? der eine fügte eine mehr vehemente spärlichkeit zu dessen schönheit, während der andere es blasser, dennoch nicht schmächtiger, darstellte; und sie waren kaum durch meine Bitten versöhnt.) Decembrio, De politia litteraria, VI, cap. 68, 7, S. 427

d.

wettstreit um das Bildnis der Geliebten von König Matthias [corvinus?] Gattungsübergreifender wettstreit (Maler – dichter) Quelle: leonardo ca. 1490–1492 leonardo, Libro di pittura

»pOrtAndO il dÌ del natale del re Mattia un poeta un’opera fattagli in laude del giorno ch’esso re era a benefizio del mondo , et un pittore gli presentò un ritratto della sua inamorata, subito il re rinchiuse il libro del poeta, e voltossi alla pittura, et a quella fermò la vista con grande admirazione. Allora il poeta forte isdegnato disse: O re, leggi, leggi, e sentirai cosa di maggiore sustanzia che una muta pittura. Allora il re, sentendosi riprender del risguardare cose mute, disse: O poeta, taci tu che non sai ciò che ti dica; questa pittura serve a miglior senso che la tua, la quale è da orbi. dammi cosa

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ch’io la possa vedere e toccare, e non che solamente la possa udire, e non biasmare la mia elezzione de l’avermi io messa la tua opera sotto ’l gomito, e questa del pittore tengo con due le mani, dandola alli miei occhi, perché le mani da lor medesime hanno tolto a servire a più degno senso che non è l’udire; […].« (Als ein dichter am Geburtstag des Königs Matthias ein werk überreichte, das er für ihn zur Feier des tages, an dem der König zum wohl der welt geboren worden war, angefertigt hatte und ein Maler ihm ein Bildnis seiner Geliebten gab, schlug der König sofort das Buch des dichters zu, wandte sich zur Malerei, und auf dieser blieb sein Blick mit großer Bewunderung. der dichter sprach dann sehr entrüstet: ›Oh König, lies, lies, und du wirst etwas von größerem Gehalt als eine stumme Malerei erleben.‹ Als sich der König ermahnt fühlte, stumme dinge anzuschauen, sagte er: ›Oh schweige dichter, du weißt nicht, was du da sagst. diese [gemalte] darstellung dient einem besseren sinn als die deine, die für Blinde ist. Gib mir etwas, das ich sehen und berühren kann und nicht nur hören, und tadle nicht meine wahl, dass ich dein werk unter den Arm klemmte und das des Malers mit bei­ den händen nehme, um es meinen Augen darzubieten. denn die hände haben sich von selbst dem würdigsten sinne verschrieben und nicht dem Gehör.‹) Leonardo, Libro di pittura, I, 27, fol. 14v, S. 151

e.

wettstreit um das Bildnis des einäugigen Königs Antigonos Malerwettstreit (polignot – skopas – diokles) Quelle: plinius, NH, XXXV, 90 1534–1535 paolo Giovio, Brief an Girolamo scannapeco aus rom v. 1534/1535

»mi pare non senza proposito di raccontarvi come al tempo di Antigono (il quale ebbe per sua virtù tante vittorie) furono tre eccellenti pittori, polignoto, scopa e diocle, della scuola di Apelle, i quali ad emulazione tolsero a ritrarre dal naturale il re e così separatamente ciascuno fece il suo quadro. era Antigono deformato da una ferita, per la quale aveva perduto l’occhio dritto; il che dava grande ansie­ tà a’pittori, come si dovessero governare in sodisfare all’arte e non offendere il re, il quale era assai colerico e non voleva che si burlasse dell’occhio suo. polignoto, come cervello bizzarro, si rivolse di non tener conto di rispetto alcuno e caminò per la strada battuta dell’arte della pittura, facendo Anti­ gono come proprio era, con l’occhio cavato; di modo che pareva vivo. scopa non s’assicurò d’andare al vero e per non fare ingiura all’arte fece il re con rughe e sentimenti di manco vecchiezza, ritirandolo a quella età nella quale non aveva ancora ricevuto la ferita; e così in faccia lo dipinse con due occhi, a giudicio d’ognuno similissimo all’effigie di quel tempo; e pensò d’aver trovato la via da superare i compagni e salvarsi in buona grazia del re, con intera lode dell’arte. Ora diocle, avendo rivoltato spesso nella fantasia la medesima difficultà di polignoto e i medesimi rispetti di scopa, non volle scherzare col re, né però adularlo; ma tenne la saluberrima via del mezzo e congiettura dell’onore, stringendosi a minor campo di poter mostrare la sua virtù; e fece il re in profilo con la gota destra verso la tavola; e quantunque poco artificio comportasse la semplice linea diritta dal filo della faccia, niente­ dimeno colse elegantemente quella parte di fuori, e occultò la difformità dell’occhio nell’ombra della tavola. il giorno diputato vennero tutti tre nella presenzia d’Antigono, e l’uno dietro l’altro presentò il suo quadro. Antigono, come vide quello di polignoto, tutto si conturbò, mirandosi essere sì brutto e mal trattato, e si fece levare d’avanti polignoto, scacciandolo colericamente di corte e del regno, perché con troppa maligna libertà aveva più tosto voluto servire all’arte che aver rispetto alla dignità regia. la tavola di scopa piacque grandemente, riconoscendosi Antigono in quella più fresca età, nella quale già

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten fu. pur gli nacque uno ingenuo arrossire di guancie, quasi come ucellato per troppo impudente adula­ zione del pittore, e gli disse: – l’adulazione è dolce, ma niente dee costare a chi la gode –. e così lo mando via senza premio, come sfacciato adulatore. Allora diocle cavò fuori il suo ritratto, il quale sodisfece egregiamente a tutti cortigiani, e specialmente ad Antigono, riconoscendo esso molto bene la modestia di diocle nello aver voluto più presto perdere della riputazion dell’arte, che mancare di moderato giudicio, per non parer discortese; e pareva proprio ch’el diffetto dell’effigie condotta in profilo, sempre più scarso che ’l piano a ricevere del pennello, gl’aggiungesse lode; di modo che Anti­ gono gli donò quattro talenti e lo ritenne onoratamente nella sua corte. Questo esempio è conveniente al caso nostro, perché gl’istorici scrivono le facende grandi a’dotti; e i pittori le dipingono al volto nelle mura. e dico che nello scrivere la virtù del Gravina non ho voluto assomigliarmi né a polignoto, né manco a scopa, per non restare sbandito, overo senza premio della fatica, ma sì bene al cortese diocle.« (Mir scheint es nicht ohne Absicht, euch zu erzählen, wie zu Zeiten von Antigonos (der durch seine tapferkeit so viele siege feierte) drei ausgezeichnete Maler – polignot, skopas und diokles – von der schule des Apelles existierten, die sich als wettkampf vornahmen, den König naturgetreu zu porträ­ tieren. Und so macht jeder unabhängig voneinander sein Gemälde. Antigonos war entstellt durch eine Verwundung, indem er das rechte Auge verloren hatte. das bereitete den Malern große Furcht, wie man es bewältigen sollte, der Kunst Genüge zu leisten und den König nicht zu beleidigen, der ziem­ lich cholerisch war und nicht wollte, dass man sich über sein Auge lustig macht. Als bizarrer Kopf entschied sich polignot, nicht irgendwelche rücksicht walten zu lassen, und er durchwandelte den eingeschlagenen weg der Malkunst, indem er Antigonos so schuf, wie er wirklich war: mit dem aus­ geschlagenen Auge, in einer weise, die lebendig schien. skopas versicherte sich nicht, zum wahren vorzustoßen, und, um der Kunst kein Unrecht zu tun, schuf er den König mit runzeln und eindrü­ cken von geringerem Alter, indem er ihn auf das Alter reduzierte, in dem er noch nicht die Verwun­ dung erhalten hatte. Und so malte er ihn mit zwei Augen im Gesicht, was nach dem Urteil eines jeden höchst ähnlich zum Aussehen in jener Zeit war. Und er dachte, den weg gefunden zu haben, die Gefährten zu überbieten und verschont zu bleiben, in guter Gunst des Königs, mit gänzlichem lob der Kunst. da er oft in der phantasie zwischen derselben schwierigkeit von polignot und denselben rücksichten von skopas geschwankt hatte, wollte diokles nun nicht mit dem König spaßen, ihn aber auch nicht anbeten. er schlug vielmehr den heilsamen Mittelweg und die Mutmaßung von ehre ein, indem er sich auf ein kleineres Feld beschränkte, um seine tüchtigkeit zeigen zu können. Und er schuf den König im profil mit der wange rechts in richtung Bildtafel. Und obwohl die einfache gerade linie der Gesichtskontur wenig Kunstfertigkeit verlangt, fing er diesen teil sogar elegant von außen ein und verbarg die entstellung des Auges im schatten der Bildtafel. Am vereinbarten tag kamen alle drei in Anwesenheit von Antigonos, und einer nach dem anderen präsentierte sein Gemäl­ de. Als er dasjenige von polignot sah, regte sich Antigonos völlig auf, weil er sich wunderte, dass er so hässlich sei und schlecht getroffen war. Und er bäumte sich vor polignot auf, verstieß ihn cholerisch vom hof und vom Königreich, denn mit zuviel boshafter Freiheit hatte er lieber der Kunst dienen wollen, als respekt vor der königlichen würde zu haben. die tafel von skopas gefiel Antigonos außerordentlich, da er sich in diesem frischeren Alter erkannte, in dem er schon gewesen war. doch ihm entstand ein naives erröten der wangen, fast wie gefoppt durch zuviel unverschämter Anbetung des Malers, und er sagte: ›die Anbetung ist süß, aber dem, der sie genießt, darf sie nichts kosten.‹ Und so schickte er ihn als unverschämten Anbeter ohne Belohnung weg. dann holte diokles sein Bildnis hervor, das alle höflinge vortrefflich zufriedenstellte und besonders den Antigonos, der in ihm sehr trefflich die Bescheidenheit des diokles erkannte, der, um nicht unhöfisch zu erscheinen, eher den ruf in der Kunst verlieren wollte, als auf ein maßvolles Urteil zu verzichten. Und es schien wirklich,

II/G: Zum Wettstreit in der Bildniskunst

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dass ihm der Fehler des ausgeführten Bildnisses im profil, das immer geringer als die Fläche, die den pinsel aufnehmen sollte, ist, ihm lob zuführte. so gab ihm Antigonos vier talente und behielt ihn ehrenvoll an seinem hof. dieses Beispiel ist unserem Fall angemessen, denn die historiker schreiben die großen taten für die Gelehrten und die Maler malen sie auf Mauerfassaden. Und ich sage, dass ich bei der niederschrift der tugend von Gravina weder gewünscht habe, mich dem polignot und noch weniger dem skopas anzupassen, um nicht zermürbt oder ohne lohn für die Mühe zurückzubleiben, wohl aber dem höfi­ schen diokles.) Giovio, Lettere, Bd. I, S. 174–179; Paolo Giovio, Scritti d’arte. Lessico ed ecfrasi, hrsg. v. Sonia Maffei, Pisa, 1999, S. 356f.

(Vgl. den Malerwettstreit um das Bildnis des triefäugigen Alexander des Großen zwischen timanthes – Zeuxis – Apelles: pedro calderón, Darlo todo y no dar nada, i, vv. 469ff.; s. curtius, [1948] 101984, s. 545) f.

wettstreit hinsichtlich des Gelderwerbs Gattungsübergreifender wettstreit (Maler – Musiker – literat – edelmann – Bote – sohn eines händlers) Quelle: doni 1552 Anton Francesco doni, Trattati diversi di Sendebar indiano filosofo morale allo illustrissimo ed eccellentissimo signor Cosimo de’Medici dedicati

(Vorangehender inhalt: Vor dem weg nach hause kommt der wunsch nach einer schönen Geschich­ te auf, die ein junger Mann erzählt: sechs edelmänner begeben sich gemeinsam mit dem sohn eines vertriebenen Fürsten auf eine abenteuerliche reise und bemühen sich nach wenigen tagen wett­ eifernd um Geld, wobei jeder versucht, aus seinem Beruf zugunsten aller profit zu schlagen. der erste, ein Bote, prahlt nach der Ankunft im lande mit seiner schnelligkeit und erntet eine gute summe für alle Kumpanen. der zweite, der sohn eines händlers, begibt sich auf ein schiff seines Vaters, das zufällig im hafen liegt. der nachweis seiner identität genügt zum erwerb vieler Münzen.) »[…] il terzo giorno toccò a un pittore il qual subito andò in piazza e s’offerse di ritrarre un gran maes­ tro meglio che uomo che pingesse mai, e lo disegnò in terra che pareva veramente quell’istesso, e cosí da quel grand’ uomo fu con i suoi compagni il giorno trattenuto; egli fece il ritrarro e fu mirabile, onde ne beccò su parecchi scudi. il quarto era musico, e facendosi conoscer valente come era, compose un canto e ne fu premiato abondantissimamente, tanto che ’l giorno fece trionfare la compagnia. […] il letterato, l’ultimo giorno della settimana, perché fu suo obligo, si pose a leggere in cattedra; ciascu­ no l’udí e lodò, ma non passaron più inanzi; egli si messe a disputare e fu vincitore, nientedimanco dal dire: ›egli è valente uomo‹ in fuori, non ne cavò altro; parla di qua, allega di là mostrati sapiente come ti piace, la cosa se n’andò in fumo, e se non eran i danari del pittore, del musico, del corrieri e del figli­ uolo del mercatante, egli non si cenava la sera.« (Am dritten tag kam ein Maler dran, der sofort auf einen platz ging und sich anbot, einen großen Meister besser zu porträtieren, als je ein Mensch gemalt habe; und er zeichnete ihn in den erdboden, dass es wirklich dieser selbst zu sein schien; und so wurde er von diesem großen Mann und seinen Gefährten den [ganzen] tag in Beschlag genommen. er schuf das Bildnis und es war wunderbar, woraufhin er dafür ziemlich viele scudi kriegte. der vierte war Musiker und da er sich in seiner tüchtigkeit zu erkennen geben wollte, komponierte er ein lied und wurde dafür reichlichst belohnt,

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten so sehr, dass er am tag seine Gefährten verköstigte. […]. Am letzten tag der woche, denn es war sei­ ne pflicht, begab sich der literat an das pult, um vorzulesen. Jeder hörte ihm zu und lobte ihn, aber weiter gingen sie nicht mehr. er fing zu diskutieren an und war der sieger, aber außer sprüchen wie: ›er ist ein wertvoller Mann‹ konnte man ihnen nicht entlocken. rede hier, zitiere dort, zeige dich weise wie es dir gefällt – die sache löste sich in luft auf. Und wenn nicht das Geld des Malers, des Musikers, des Boten und des sohnes vom händler wäre, hätte er am Abend nichts zu essen). Doni, Trattati diversi, VI, S. 98f.

(Vgl. Giovanni da capua, Directorium vitae humanae alias parabole antiquorum sapientium, straß­ burg: Johann prüß, nicht nach 1489, cap. 15 (»de filio regis et sociis eius«), hrsg. v. d. Joseph deren­ bourg, paris, 1887, Bd. ii, s. 300–305) g.

wettstreit um das Bildnis eines Fürsten Gattungsübergreigender wettstreit (Maler – Bildhauer) Quelle: lomazzo ca. 1560–1564 Giovan paolo lomazzo, Libro dei sogni

»e volendo in itallia un degno prencipe chiarirse di qual magiore eccellenzia fusse o la pittura o la scultura, per il contrasto che di quelle faceva l’un contra al altro un pittore e scultore, gli impose che ogniuno di loro faecesse un’opera: e che quella che più eccellente e di magior meraviglia fusse, l’avreb­ be tenuta in più reputazione, dandogli di quel contrasto la palma. et avendo, per acquistar l’onore, il scultore fatto una statova mirabile, che in una sala fu portata dove a vedere l’aveva, con tutti gli suoi savi e corteggiani, esso prencipe, il qual, vedutala, molto si maravigliò del grand’artificio che in quella usato aveva il scultore, che alora di soma allegrezza giubilava. il pittore, come di mirabile arteficio dotto, e difensore dela pittura, in una minima parte di ella volse superare il scultore, contrafacendo nella stessa sala, ma avanti che la statova portata gli fosse, un uschio, tanto al naturale simile, che essendo fatto et in certo modo coperto delle tapezerie, che d’indi intorno ataccate erano, onde il scul­ tore, sentendo laudare la statua sua ne’bei muscoli e dolcezze, con dissegno che in quella fato aveva, in ciò insuperbito, al pittore disse: ›e qual opera hai tu fatta al contrasto di questa mia statova, in pittura?‹ il qual pittore gli disse con bel modo: ›ella si è in quella camora dove l’ho conciata a l’aria sua‹. et acen­ nandoli che andar si dovea per l’uscio finto, che dipinto mirabilmente ad improviso aveva. Al qual andando il scultore, con animo di aprirlo, in presencia dil prencipe, e de tutti gli altri, diede dille mani nel anelo dil catenazzo dipinto, per aprirlo; onde ne rimase oltra modo vergognoso; per il qual si con­ cluse la pittura, sanza comparazione, dilla scultura essere di magiore arteficio et in ella esser più quello che si asconde che quello che si vede.« (Und da sich ein würdiger herrscher in italien klarmachen wollte, welche [Kunst] von höherer exzel­ lenz sei, die Malerei oder die skulptur, setzte er wegen des Unterschiedes einen Maler gegen einen Bildhauer an und gab ihnen den Auftrag, dass einjeder von ihnen ein werk machen solle, und dass dasjenige, das am exzellentesten und von höchsten erstaunen wäre, von ihm in mehr wertschätzung erhalten würde und in diesem Unterschied würde er die palme erlangen. Und nachdem der Bildhauer, um diese ehre zu erlangen, eine wunderbare statue geschaffen hatte, wurde sie in einen raum getra­ gen, wo sie zu sehen war und, als der herrscher sie mit allen seinen weisen und höflingen sah, erstaunte er sehr über die große Kunstfertigkeit, die der Bildhauer in diese verwandt hatte, sodass er dann vor höchster Freude jubelte. der Maler, der von wunderbarem Können und ein Verteidiger der Malerei war, wollte den Bildhauer in einem kleinen teil von ihr [der Malerei] überragen, ahmte im

II/G: Zum Wettstreit in der Bildniskunst

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gleichen saal, aber bevor die statue hineingetragen wurde, eine tür nach, die so wirklichkeitsnahe war, als sei sie angefertigt und in bestimmter weise mit tapeten bedeckt, dass die drum herum geklebt waren. daraufhin sagte der Bildhauer, nachdem er seine statue für die schönen Muskeln und Feinheiten mit dem entwurf, den er gemacht hatte, gelobt hörte, dem Maler überheblich: ›Und wel­ ches werk hast du als Gegenentwurf zu meiner statue in der Malerei gemacht?‹ der Maler sagte ihm höflich: ›sie ist in dem Zimmer, in dem ich sie von ihrem duft gelüftet habe‹. Und er zeigt ihm, dass man durch die fingierte tür gehen müsse, die unerwartet wunderbar gemalt war. im Beisein des herrschers und aller anderen geht der Bildhauer zu ihr, in der Absicht, sie zu öffnen, und er versucht, mit der hand in den ring der gemalten Verriegelung zu greifen, um sie zu öffnen. danach blieb er sehr beschämt zurück. daher schloss man, dass die Malerei ohne Vergleich und von höherer Kunst als die skulptur sei und in dieser [der Malerei] sei mehr, was man verberge, als das, was man sehe.) BL, Ms. Add. 12196, fols. 123v–124r; zitiert nach Lomazzo, Libro dei sogni, cap. 5, Bd. I, S. 94

h.

wettstreit um das Bildnis Karls V. Gattungsübergreifender wettstreit (Medailleur/Bildhauer [Alfonso lombardi aus Ferrara] – Maler [tizian]) Quelle: Vasari 1568 Giorgio Vasari, Le vite, cap. ›Alfonso lombardi aus Ferrara‹

»essendo il detto imperador carlo quinto in Bologna, e venendo l’eccellentissimo tiziano da cadòr a ritrarre sua Maestà, venne in desiderio Alfonso di ritrarre anch’egli quel signore; nè avendo altro commodo di potere ciò fare, pregò tiziano, senza scoprirgli quello che aveva in animo di fare, che gli facesse grazia di condurlo, in cambio d’un di coloro che gli portavano i colori, alla presenze di sua Maestà. Onde tiziano che molto l’amava, come cortesissimo che è sempre stato veramente, condusse seco Alfonso nelle stanze dell’imperatore. Alfonso, dunque, posto che si fu tiziano a lavorare, se gli accomodò dietro in guisa che non poteva da lui, che attentissimo badava al suo lavoro, esser veduto; e messo mano a una sua scatoletta in forma di medaglia, ritrasse in quella di stucco l’istesso imperadore, e l’ebbe condotto a fine quando appunto tiziano ebbe finito anch’egli il suo ritratto. nel rizzarsi dun­ que l’imperatore, Alfonso chiusa la scatola, se l’aveva, acciò tiziano non la vedesse, già messa nella manica, quando dicendogli sua Maestà: Mostra quello che tu hai fatto; fu forzato a dare umilmente quel ritratto in mano dell’imperatore; il quale avendo considerato e molto lodato l’opera, gli disse: Bastarebbeti l’animo di farla di marmo? sacra Maestà sì, rispose Alfonso. Falla dunque (soggiunse l’imperatore), e portamela a Genova. Quanto paresse nuovo questo fatto a tiziano, se lo può ciascuno per se stesso imaginare. io per me credo che gli paresse avere messo la sua virtù in compromesso. Ma quello che più gli dovette parer strano si fu, che mandando sua Maestà a donare mille scudi a tiziano, gli commise che ne desse la metà, cioè cinquecento, ad Alfonso, e gli altri cinquecento si tenesse per sè: di che è da credere che seco medesimo si dolesse tiziano. Alfonso, dunque, messosi con quel maggiore studio che gli fu possibile a lavorare, condusse con tanta diligenza a fine la testa di marmo, che fu giu­ dicata cosa rarissima. Onde meritò, portandola all’imperatore, che sua Maestà gli facesse donare altri trecento scudi.« (Als Karl V. in Bologna war und sich der ausgezeichnete tizian aus cadore aufmachte, seine Majestät zu porträtieren, kam in Alfonso der wunsch auf, auch selbst den herrn zu porträtieren. indem er keine andere Gelegenheit hatte, dies zu tun, bat er tizian, ohne zu offenbaren, was er vorhatte, er möge gnädig sein, ihn anstellle eines anderen, der ihm die Farben trage, zu seiner Majestät mitzunehmen.

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten da tizian, der Alfonso sehr mochte und jedem gegenüber immer wirklich sehr höflich war, nahm er ihn mit in die Gemächer des Kaisers. dort wählte Alfonso seinen platz im rücken des Malers, sodass dieser, höchst aufmerksam in seine Arbeit vertieft, ihn nicht sehen konnte, nahm eine kleine schach­ tel zur hand und führte in Gips in Form einer Medaille das Bildnis des Kaisers genau in der Zeit aus, in der tizian sein Gemälde vollendete. der Kaiser stand auf; Alfonso verschloss seine schachtel und verbarg sie in seinem Ärmel, damit tizian ihrer nicht ansichtig werde; seine Majestät aber sprach zu ihm: ›Zeige, was du gemacht hast.‹ Gezwungenermaßen legte er demütig sein werk in die hände des Kaisers. dieser betrachtete es, rühmte es sehr und fragte: ›würdest du Mut haben, es in Marmor aus­ zuführen?‹ – ›Ja geheiligte Majestät,‹ antwortete Alfonso. ›so tu es,‹ sprach der Kaiser, ›und bringe es nach Genua.‹ wie neu dies tizian erschien, kann ein jeder sich vorstellen. ich für mich glaube, dass es ihm erschien, als habe er seine tugend aufs spiel gesetzt. Aber noch seltsamer musste ihm dünken, dass seine Majestät ihm 1000 scudi sandte mit dem Auftrag, die hälfte davon, also fünfhundert, dem Alfonso zu geben und die anderen fünfhundert für sich zu behalten, wovon anzunehmen ist, dass es tizian schmerzte. Alfonso machte sich mit höchstem eifer, der ihm möglich war, an die Arbeit und führte den Marmorkopf mit solchem Fleiß aus, dass er als eine höchst ungewöhnliches werk geschätzt wurde. Anerkannt brachte er ihm dem Kaiser und erhielt dafür weitere dreihundert scudi.) Vasari, Le vite, Bd. V, S. 88–89

i.

wettstreit um das Bildnis eines Königs Gattungsübergreifender wettstreit (Bildhauer – Maler) Quelle: lomazzo 1584 Giovan paolo lomazzo, Trattato dell’arte della pittura, scoltura et architettura, Mailand: paolo Got­ tardo pontio, 1584

»percioché poniamo ch’un re commetta ad un pittore et ad un scultore che tutti due facciano di lui un ritratto: non è dubbio che l’uno e l’altro averà nel suo intelletto la medesima idea e forma di quel re e procederà ne la sua mente col medesimo discorso de la ragione e de l’arte, et in somma averà il medesi­ mo proponimento e scopo di fare il ritratto quanto più si posso simile a la persona del re. i mezzi ancora saranno i medesimi, perché tutti due si sforzeranno d’imitare la persona del re, servando la medesima quantità geometrica di lui, che è, per essempio, di dieci faccie, e servando tutti i suoi con­ torni, né più né meno, come quelli del re: e così osservaranno la quantità e contorno de la sua fronte, del suo naso, degl’occhi, de la bocca e finalmente di tutta la vita; et allora resterà il ritratto di punto simile al corpo del re. talché procedono questi due artefici per la medesima arte ne la loro mente et intelletto.« (setzen wir deshalb den Fall, dass ein König einen Maler und einen Bildhauer beauftragt, dass alle beide von ihm ein Bildnis fertigen sollen. es gibt keinen Zweifel, dass der eine wie der andere in ihrem Verstand die gleiche idee und Gestalt dieses Königs haben werden und in ihrem Geist mit dem glei­ chen diskurs der Vernunft und der Kunst verfahren werden; und insgesamt wird man den gleichen Vorsatz und das gleiche Ziel haben, das Bildnis der person des Königs so ähnlich wie möglich zu machen. die Mittel werden noch die gleichen sein, denn alle beide werden sich zwingen, die person des Königs nachzuahmen, indem sie die gleiche räumliche dimension von ihm bedienten, die bei­ spielsweise aus zehn Ansichten besteht und allen seinen Umrissen mehr oder weniger gerecht wird, wie denen des Königs. Und so werden sie das Ausmaß und den Umriss seines Gesichtes, seiner nase, der Augen, des Mundes und endlich vom ganzen lebewesen beobachten; und dann wird das Bildnis

II/H: Bildhauerwettbewerbe

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bis auf den punkt genau dem Körper des Königs ähnlich bleiben. so verfahren diese beiden Künstler in ihrem Geist und Verstand für die gleiche Kunst). Lomazzo, Trattato, ›Proemio‹, Bd. II, S. 17–18

Appendix II/H Bildhauerwettbewerbe 1298–1299: Auswahl von zehn Bildhauern für Arbeiten am dom von siena (Milanesi, 1854–1856, Bd. i, s. 163–165, s. 163, nr. 20) 1300–1310: Fassadentwurf des domes von Orvieto (s. Middeldorf Kosegarten, 1980, s. 176f.) Quattrocento a.

1401: der wettbewerb um die Bronzetüren des Florentiner Baptisteriums Bildhauerwettbewerb (lorenzo Ghiberti, Filippo Brunellschi, simone da colle, niccolò di luca spi­ nelli, Jacopo della Quercia, Francesco di Valdambrino und niccolò lamberti) Quelle: AsF ASF: Strozz. LI, I, Dig. 6 (Libro Grande dell’Arte de Mercatanti segnato C, dell’anno 1402) fol. 2 (zitiert nach Krautheimer, [1956] 1982, bes. S. 370, Dok. 33):

»dorassi il compasso della storia d’Abramo del testam.o vecchio per fare prova di diversi Maestri e pigliare che meglio facesse« (vgl. ebenda, s. 366ff., dok. 1–2, 26–35, 58, 60–66, 73). (1402: Auftrag an Ghiberti: ebenda, s. 366): »nencio di Bartoluccio orafo debbe fare la porta del Metallo«. 1. ca. 1440 Giovanni cavalcanti, Nuova opera (indirekter Bezug auf den wettbewerb?)

»[›Fantasia‹:] ›e perché altra volta [volontà?] fu in pippo di ser Brunellesco che non fu in lorenzo di Bartoluccio, e altra fantasia fu nel maestro Gientile [sc. Gentile da Fabriano] che non fu in Giuliano d’Arrigo, e cosí come sono deferenti le volontà cosí sono deferenti le fantasie e le lezioni negli huomini.« Cavalcanti, Nuova opera, S. 8

2. vor 1455 lorenzo Ghiberti, I commentarii

»non di meno, in questo istante, da miei amici mi fu scritto come i governatori del tempio di sanco Giovanni Batista mandano pe’maestri i quali siano doti, de’ quali essi voglono vedere pruova. per tutte le terre di Ytalia moltissimi docti maestri vennono per mettersi a questa pruova e questo conbat­ timento. chiesi licentia dal signore e dal conpagno. sentendo el signore il caso, subito mi diè licentia. insieme cogl’altri scultori fumo innanzi agli operai di detto tempio. Fu a ciascuno dato quattro tavole d’ottone. la dimostratione vollono i detti operai e governatori di detto tempio, ciascuno facesse una istoria di detta porta, la quale storia elessono fusse la inmolatione di Ysaach e ciascuno de’conbattitori facesse una medesima istoria. condussonsi dette pruove in uno anno e quello vinceva doveva essere dato la victoria. Furono e combattitori questi: Filippo di ser Brunellesco, symone da colle, nicholo

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten d’Arezzo, iacopo della Quercia da siena, Francesco di Valdombrina, nicholò lamberti. Fumo sei a ∙ffare detta pruova, la quale pruova era dimostratione di gran parte dell’arte statuaria. Mi fu concedu­ ta la palma della victoria da tutti i periti e da tutti quelli si provorono meche. Universalmente mi fu conceduta la gloria sanza alcuna exceptione. A tutti parve avessi passato gl’altri in quello tempo, sanza veruna exceptione, con grandissimo consiglo et examinatione d’uomini dotti. Vollono gli operai di detto governo el giudicio loro scritto di loro mano. Furono huomini molti periti, tra pictori e sculpto­ ri, d’oro e d’argento e di marmo. i giudicatori furono 34, tra della città e delle altre terre circunstanti: da tutti fu dato in mio favore la soscriptione della victoria, e consoli et operai e tutto il corpo dell’arte mercatoria la quale à in governo il tempio di sancto Giovanni Batista. Mi fu conceduto e determinato facessi della porta d’ottone pel detto tempio, el quale conducci con grande diligentia. e quale è la pri­ ma opera: montò collo adornamento d’intorno circa a ventidua migliaia di fi.« Ghiberti, I commentarii, II, 6.1., S. 93

3. ca. 1485 Antonio Manetti, Vita di Filippo Brunelleschi

»Occorse pure nella sua giovanezza e negli anni di christo 1401 e della sua età anni 24, mentre ch’egli stava e faceva el mestieri dello orefice, che gli Operai della fabrica del tempio di san Giovanni, per le sue ristorazioni ebbono allogare e fare le seconde porte del bronzo del detto tempio, che sono oggi dallo lato della faccia che guarda settantrione. ed intendono della fama de’maestri di getti di figure, e di fiorentini, per allogarle a quello che fussi el meglio, dopo più dibattiti e tra loro e richieste di cittadi­ ni e d’artefici, si fece concrusione, che’due e migliori che si trovassono erano amendue fiorentini, e che né in Firenze né altrove non era meglio di che s’avessi notizia. e questi due furono, l’uno el detto Filippo, l’altro lorenzo di Bartolo; che nelle porte è scritto: lorenzo di cione Ghiberti, ché di cione fu figliuolo. in questo tempo di questo prencipio della pratica delle porte, lorenzo era giovane ancora lui, ed era a rimino a providigione col signor Malatesta, e fu chiamato per questo caso a Firenze. e per cappare el meglio di loro, si prese questo modo. e’tolsono la forma d’uno de’quadri delle porte che v’erano del bronzo, che v’è la storia del san Giovanni, che si feciono per maestri forestieri nel secolo passato (benché el disegno delle figure che si feciono di cera fussi di Giotto dipintore), e dettesi in su quella a fare a ciascuno di loro una storia di bronzo, con intenzione di prencipio d’alogarle a quello che meglio facesse la detta pruova; le quali storie e’feciono, e sonsi mantenute insino al presente dì: una n’è nella Udienza de l’Arte de’Mercantanti, quella che è di mano di lorenzo, l’altra, di mano di Filippo, nel dossale dello altare della sagrestia di san lorenzo di Firenze; ed in ciascuno è la storia d’Abram quando sagrifica el figliuolo. Filippo fece la storia sua in quella forma che la si vede ancora al presente, e fecela presto, perché possedeva l’arte gagliardamente. Fatta che l’ebbe e netta e ripulita e tutto, e’non fu vago conferirla quasi con persona; ché, come io ho detto, non era borioso, e aspettava el tempo del paragone. lorenzo si disse che aveva piuttosto che no paura della virtù di Filippo, perché ella appariva assai, e a lui non gli parendo signoreggiare così l’arte; però andò adagio. e essendosi detto qualche cosa della bella cosa che era quella di Filippo, fece pensiero, come valente uomo, di valersi con industria, con umiliarsi chiedere consiglio a tutti quelli ch’egli stimava che per uomini intendenti l’avessono a giudicare, com’erano orafi, dipintori ed altri scultori ecc., acciò che la sua non mancassi al paragone. e mentre che la faceva di cera, sempre conferì e chiese consiglio, dichinandosi assai a quelli di questa condizione, ed investigò quant’e’poté per intendere come stava quella di Filippo. e riferendo co’detti di sopra, tante volte quante parve a’ più intendenti, tante volte e tutto e parte disfece e rifece, sanza recusare nessuna fatica, mentre che l’aveva per mano di cera, e con lunghezza di tempo la finì di tutto. e vennesi al paragone e al giudicio. […] e generalmente, non avendo alcuno veduto quella di Filippo, non credevano non che Filippo, ma pulicreto l’avessi potuta fare meglio; […].« Manetti, Vita, S. 60–62

II/H: Bildhauerwettbewerbe

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Cinquecento 4. ca. 1518 Antonio Billi, Libro

»[lorenzo Ghiberti] e benché le dette porte, e massimo quella di mezo ha più maestri, per la grandez­ za della opera e per il desiderio che li cittadini avevono che tale opera avessi la perfezione, nondimeno a llui fu atribuita la palma e la vittoria […].« Billi, Libro, S. 51

5. ca. 1537–1546 Anonimo Magliabechiano

»[lorenzo Ghiberti] e fu avvisato da sua amici di Firenze come i governatori del tempio di san Gio­ vanni Battista facevono per tutto cercare di maestri de’quali prova volevano vedere, e da ogni parte molti ne concorrevono. chiese detto lorenzo subito licenza dal signore e dal compagno, da’quali impetrò, intesa la causa del suo partire, e fu insieme con altri maestri dinnanzi a’detti governatori e operaî di detto tempio. i quali a ciascuno commissono che d’ottone facessino uno modello per la porta di fuori del tempio sopraddetto, nella quale elessono che fusse l’istoria della immolazione di isace, perché in tale storia assai figure s’intervengono, e vecchi e giovani, animali, montagne e arbori, per il che facilmente può mostrare ogni maestro quanto nella arte perfetto sia. e sette maestri concorrenti condussono ogniuno il suo modello per spazio di uno anno i quali furono: […] da trentaquattro uomini, eletti per giudicatori di tali modelli, che furono scultori, pittori e orafi, non solo della nostra città, ma ancora di tutte le circumvicine terre e di diversi paesi, fu a una voce giudicato e sottoscritto, come volsono detti governatori e operai, come il modello di lorenzo di Bartoluccio era il meglio e dettogli l’onore, dicendo che egli sopra ogni altro staturario de’sua tempi di gran lunga passava.« Anonimo Magliabechiano, S. 76–77

6.a [1550] 1568 Giorgio Vasari, Le vite

»erano già comparsi molti forestieri, e fattosi conoscere ai consoli dell’Arte: da’quali furoni eletti di tutto il numero sette maestri […]. ed elessero che dentro si facesse la storia, quando Abraam sacrifica isac suo figliuolo: nella quale pensorono dovere aver i detti maestri che mostrare quanto alle difficultà dell’arte, per essere storia che ci va dentro paesi, ignudi, vestiti, ed animali; […] Furono i concorrenti di questa opera Filippo di ser Brunellesco, […] e così, fatte le forme e gittatolo di bronzo, venne benis­ simo; onde egli, con Bartoluccio suo padre, lo rinettò con amore e pazienza tale, che non si poteva condurre nè finire meglio. e venuto il tempo che si aveva a vedere a paragone, fu la sua e le altre di quei maestri finite del tutto, e date a giudizio dell’Arte de’Mercatanti. perchè, vedute tutte da’consoli e da molti altri cittadini, furono diversi i pareri che si fecero sopra di ciò. […].« Vasari, Le vite, cap. »Ghiberti«, Bd. II, S. 224–227

6.b Ebenda »dopo queste cose, l’anno 1401, fu deliberato, vedendo la scultura essere salita a tanta altezza, di rifare le due porte di bronzo del tempio e battisteo di san Giovanni, perchè dalla morte d’Andrea pisano in poi non avevano avuti maestri che l’avessino sapute condurre. […] le quali storie finite l’anno medesi­ mo, e venute a mostrare in paragone, furon tutte bellissime ed intra sè differenti. […] Fu da’consoli pregato Filippo che dovesse fare l’opera insieme con lorenzo; ma egli non volle, avendo animo di volere essere piuttosto primo in una sola arte, che pari o secondo in quell’opera.« ebenda, cap. »Brunelleschi«, Bd. II, S. 334–336

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 6.c Ebenda »iacopo intanto, avendo inteso, avendo inteso che in Fiorenza l’arte de’Mercanti di calimara voleva dare a far di bronzo una delle porte del tempio di san Giovanni, dove aveva la prima lavorato, come si è detto, Andrea pisano; se n’era venuto a Fiorenza per farsi conoscere, atteso massimamente che cotale lavoro si doveva allogare a chi nel fare una di quelle storie di bronzo avesse dato di sè e della virtù sua miglior saggio.«

(nachdem Jacopo gehört hatte, dass die wollweberzunft in Florenz eine der Bronzetüren der Kirche s. Giovanni arbeiten lassen wollte, von der, wie schon gesagt wurde, Andrea pisano die erste verfertigt hatte, war er unterdessen nach Florenz gegangen, um sich [dort] einen namen zu machen, in der höchsten erwartung, dass diese Arbeit demjenigen übertragen werden solle, der in der Ausführung einer darstellung in Bronze von sich und seiner tüchtigkeit den besten Beweis erbracht hätte. […]). ebenda, cap. »Jacopo della Querica«, Bd. II, S. 112

7.a vor 1563 Giovanni Battista Gelli, Vita d’artisti

»[…] de’ quali 6 solamente lorenzo di Bartoluccio e Filippo di ser Brunelescho feciono l’opera […] e finalmente fu giudicato che quella di lorenzo di Bartoluccio, che è oggi nella aldienza di dettj consoli, fussi più bella che quella di Filippo. detto rinutiò la schultura come si dirà quando parleremo di luj e non volse dipoj maj più attendere a simile arte.« Gelli, Vite d’artisti, (»Ghiberti«), S. 49–50

7.b Ebenda »[…] Fu uno di queglj che furono chiamatj alla fabricha della porta di san Giovanni, et fecie a pruova di lorenzo di Bartoluccio ancora egli […].« ebenda, (»Brunelleschi«), S. 51–52

8. 1681 Filippo Baldinucci, Notizie

»[…] e che perciò aveva mandato a chiamare, oltre a’fiorentini, i primi maestri d’italia; a ciò si risolvè stimolato da Bartoluccio, e per desiderio che aveva di cimentarsi ancor esso con loro a fare un modello, siccome fece. Furono i maestri che in termine d’un anno, in conformità dell’ordine avuto, fecero i modelli, il Brunellesco, donatello, Jacopo della Querica, niccolò d’Arezzo suo discepolo, Francesco di Valdambrina, simone da cole detto de’Bronzi, ed esso lorenzo: e questo si portò così bene che donato e ’l Brunellesco, i migliori di tutti, si dichiarono di non aver luogo in quell’opera, ma che solo a lorenzo ella si dovesse dare, non ostante che appena avesse egli compito il xxii anno dell’età sua. nè fu gran fatto ch’l modello di lorenzo, al parere di questi grandi uomini e di 34 cittadini stati chiama­ ti, riuscisse tanto superiore in bontà a quelli degli altri; perchè Bartoluccio uomo di buon gusto, e lorenzo medesimo senza fidarsi della propria abilità, dello studio e delle fatiche durate per far bene, usarono, nel tempo che e’lo lavorava, d’introdurre a vederlo, e a dire lor parere, quanti e forestieri e Fiorentini gli davano alla mani, che di tal professione punto intendessero, arte che rare volte è usata anche da coloro che pure per iscarsezza di lor giudizio più d’ogni altro far lo dovrebbero: e quindi addiviene, che tanti pochi pervengono agli ultimi segni d’eccellenza nelle professioni loro […].« Baldinucci, Notizie, Bd. I, S. 353 (»Lorenzo Ghiberti«)

II/H: Bildhauerwettbewerbe b.

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1432: der wettbewerb um den reliquienschrein des hl. Zenobius (Florenz, dom) Bildhauerwettbewerb (u. a. Ghiberti, Brunelleschi) Quelle: AOF 1.

1432: 22. Februar: AOF, delib., 1425–1436, fol. 155 (Il duomo di Firenze, 1909, s. 177, dok. 903)

2. 1432: 3. März: AOF, delib., 1425–1436, fol. 155 (Il duomo di Firenze, 1909, s. 177–178, dok. 905) (Jury aus Meistern der Malerei, der skulptur, der Architektur und Gelehrten)

»[…] quod, ut decentius ut scientius ut maiorique sancti devotioni fieret, eligerunt non solum semel sed pluries clarissimos florentinos cives atque pitture sepultureque approbatos magistros sed etiam sanctarum litterarium egregios doctores examinandum; […] audirent omnes scultores pictores archi­ tectores ceterosque earum rerum eruditis et viderent designa atque exempla, quo facto et tritius cunctis examinatis res illorum iudicio concluderetur et firmaretur atque corroboraretur tali iure ut executioni traderetur.« c.

ca. 1441–1443: das reiterdenkmal für niccolò d’este in Ferrara Bildhauerwettbewerb: Antonio di cristoforo und niccolò Baroncelli Quelle: leon Battista Alberti 1. 1441 leon Battista Alberti, De equo animante

»nam cum instituisset cives tui parenti tuo equestres, magnificentissimis impensis, ad forum statuas ponere et in ea re optimi artifices contendisset, me quod pingendo fingendoque nonnihil delecter, tuo iussu, arbitrum cognitoremque delegere.« (da deine Bürger es in Angriff genommen hatten, deinen Vater, mit prächtigstem Aufwand, auf dem Marktplatz eine reiterstatue zu errichten, und insbesondere: da sich um diesen Aufwand die besten Künstler in einem wettstreit bewarben, wählte man mich – der ich selbst gerne male und bilde – als schiedsrichter und als sachverständigen.) Alberti, De equo animante, S. 42; (die ÜS nach der De pictura-Ed. Bätschmann/Schäublin, Dok. 6, S. 370–371) Lit.: Rosenberg, 1997, S. 54ff.; Grafton, 2002, S. 312f.

2. 1443 27. november 1443: Deliberazione degli Savi (FeAsc, serie patrimoniale, b. B, libro F, fol. 83): Urteil zugunsten von Antonio di cristoforo

»Facte sunt due imagines […]. Utraque ipsarum assimilatur dicto principi, per pulchre ambe sunt, adeo ut non nisi summo cum labore et a pertissimis picture de eis que aptior et melior sit iudicium fieri possit. Quod utraque a multis dictum est: placet hec uni, alii hec magis placet; eligenda altera est […]. Afferantur fabe albe et nigre, proponitur per iudicem cui magis placet imago facta per Magis­ trum Antonium albam fabam imponat […].« d.

1476–1477: das Forteguerri­Grabmal in pistoia Bildhauerwettbewerb: (1. phase: Andrea Verrocchio gegen fünf weitere nicht namentlich bekannte Bildhauer; 2. phase: piero pollaiuolo – Andrea Verrocchio)

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten Quelle: Archivio communale di pistoia Am 15.05.1476 entscheidet sich der stadtrat von pistoia für Verrocchios entwurf. Lit.: The Unfinished Monument by Andrea del Verrocchio to the Cardinal Niccolò Forteguerri at Pistoia, hrsg. v. Peleo Bacci, Northampton Mass., 1932, Dok. 1– 4, 6–7; vgl. Butterfield, 1997, S. 223–228, Kat.-Nr. 21

e.

ca. 1480: das reiterstandbild von Bartolomeo colleoni in Venedig Bildhauerwettbewerb Quelle: Antonio Montecatini 1. 1481 Antonio Montecatini im Brief an ercole d’este v. 12. Juli

»[…] uno maestro el quale voria atore a fare bartolamio da bergamo« ([…] ein Meister, der den Auftrag für [das standbild von] Bartolomeo colleoni gewinnen möchte […]). AS Modena, Cancelleria Ducale, Estero, Ambaciatori, Firenze, Carteggio di Antonio Montecatini, busta B (zitiert nach Butterfield, 1997, S. 233)

2. 1483 Felix Fabri, tagebucheintrag vom 3. Mai 1483

»[…] et ut hoc magnificentius fieret, quaesierunt in omnibus finibus eorum artifices sculptores, injungentes eis, ut quilibet equum faceret ex quacunque materia vellet et ipsi de tribus equis melioris formae equum eligere vellent secundum cum aeneum equum fieri oportere: illum vero artificem, qui formaliorem equum fecisset, ultra precium statutum muneribus honorare intenderunt. convenientes autem tres sculptores Venetias, unus fecit equum ex ligneo cooperiens corio nigro, qui stabat in cap­ pella praefata: et ita vivax erat hoc simulachrum, quod, nisi magnitudo insolita et immobilitas equum illum arte factum proderat, ipsum esse naturalem homo vivens aestimerat. Alius artifex equum finxit ex luto, et in fornace decoxit subtilissimae formae, ruffum colore. tertius ex cera compegit equum album elegantissim formatum. et hunc Venetii elegerunt tanquam magis artificalem, magistrumque remuneraverunt. Quid autem de equo fundendo aere fiet, non audivi; forse etiam dimittent; […].« (damit dies so prachtvoll wie möglich gemacht werden könne, fragten sie nach Bildhauern im ganzen land und legten ihnen auf, dass jeder von ihnen ein pferd machen solle, aus jedem beliebigen Materi­ al, das sie wollten; und sie wollten [dann] aus den drei besten pferden das [eine] pferd auswählen und dieses pferd in Bronze gießen lassen nach dem Modell von diesem. sie beabsichtigten, den Künstler, der das beste pferd gemacht hätte, über den preis der statue hinaus, mit bestimmten Gaben zu ehren. so trafen drei Bildhauer in Venedig zusammen, und einer von ihnen machte ein pferd aus holz, mit schwarzem leder überzogen, jenes, das in der zuvor genannten Kapelle steht, und dieses standbild war so lebensnah, dass, wenn nicht seine ungewohnte Größe und Unbeweglichkeit offenbart hätte, dass jenes pferd kunstvoll gemacht worden sei, ein Mensch annehmen konnte, dass es ein echtes lebendes pferd sei. ein anderer Bildhauer machte ein pferd aus ton und brannte es in einem hoch­ ofen. es ist bewundernswert geformt und aus roter Farbe. der dritte schmolz ein fein geformtes pferd aus wachs. die Venezianer wählten dieses letztere aus und belohnten den Meister. Aber was mit dem Bronzegießen vom pferd geschehen soll, habe ich [bis jetzt] nicht gehört: Vielleicht geben sie das letzte auf). Fabri, Evagatorium, Bd. I, S. 95–96 (vgl. Butterfield, 1997, S. 233)

II/J: Das Beispiel des Blinden im Kunsturteil

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Appendix II/I Giorgiones sogenannter hl. Georg Gattungsübergreifende rivalität (Bildhauer – Maler) Quelle: paolo pino (Vgl. 1524 : pietro summonte im Brief an Michiel v. 20. März über Antonio colantonios Hl. Georg nach einem niederländischen prototyp: »similmente fe’dell’imagine di san Georgio, che venne pure da Fianda, in tabula […]. in sinistra gamba riverberava la imagine del dragone, così ben rappresantata in la luce delle arme come in vetro di specchio.« nicolini, 1925, s. 162) 1.

August 1543: Marcantonio Michiel, Notizia (über eine Federzeichnung Giorgiones im hause von Michele contarini)

»il nudo a pena in un paese fu di man di Zorzi, et è il nudo che ho io in pittura de l’istesso Zorzi.« (der nackte in Federzeichnung in einer landschaft war von Giorgione, und es ist der nackte, den ich von demselben Giorgione als Gemälde habe.) Michiel, Notizia, S. 85; zitiert nach BM, Ms. It. XI, 67 (= coll. 7351, ol. Ap. Zeno 346), fol. 68v; zuerst in Lauber, 2002, S. 98–115

2.

1548: paolo pino, Dialogo di pittura, in: Trattati d’arte, 1960–1962, Bd. i, s. 131

3.

1564: Vincenzio Borghini, Selva di notizie, in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 652, s. 678

4.

1568: Vasari, Proemio di tutto opera und cap. ›Giorgione‹, in: Le vite, Bd. i, s. 101, Bd. iV, s. 98

5.

1584: raffaelo Borghini, Il Riposo, i, s. 31; iii, s. 373–374

6.

1587: lomazzo, Grotteschi, ii, s. 80

7.

1590: lomazzo, Idea, cap. 17, s. 293

8.

1648: carlo ridolfi Le maraviglie dell’arte, Bd. i, s. 106a

9.

1660: Marco Boschini, La carta del navegar pitoresco, Venedig: li Baba, 1660, 1, 38, vv. 11–14, s. 56.

Appendix II/J das Beispiel des Blinden im Kunsturteil Gattungsübergreifender wettstreit (Maler – Bildhauer) Quelle: petrarca Trecento 1.

1366 Francesco petrarca, De remediis utiusque fortunae Petrarca, De remediis, II, cap. 96 (»De caecitate«), S. 687; das Zitat in App. III/A, Nr. 7

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten Quattrocento

2.

1427 Francesco petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii dell’ una e dell’ altra fortuna

»Ma, se forse, tu avessi voglia d’apparare a fare l’arte della dipintura e scultura d’Apelle o lo sottile artificio di Fidia, io ti confesserò che qualche cosa tu abbi perduta; salvo che, se tu non riputassi a guadagno d’essere tratto a più altre cose, per non potere, per la ciechità, apparare quella arte.« Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, II, cap. 96 (»De essere cieco«), Bd. II, S. 330–335, S. 333

3.

1435 leon Battista Alberti, De pictura (die Maler ohne Ziel vor Augen ertasten mit dem pinsel wie ein Blinder mit dem stock ihnen unbekannte pfade)

»[…] dumque inter eas erroris tenebras versantur, meticulosi ac veluti obcaecati, penniculo, ut caecus bacillo, ignotas vias et exitus praetentant ac perquirunt.« Alberti, De pictura, III, 59, S. 304; vgl. derselbe, Della pittura, S. 162

4.

ca. 1497–1502 [1505] pietro Bembo, Gli Asolani (Blinder vor Malerei)

»[…] più di quello che potesse conoscere un cieco la bellezza d’una dipinta imagine, che recata gli fusse innanzi.« Bembo, Gli Asolani, III, cap. 6, S. 188

Cinquecento (Auswahl) (1525: Marsi, Dialogo dei tre ciechi, i, s. 48) 1546: tribolo im Brief an Varchi (in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 518f.) (Blinder vor der statue eines Mannes, einer Frau oder eines Kindes aus Marmor, holz oder erde und vor einer gemalten Gestalt)

(Vgl. 1547: Varchi, Due Lezzioni, in: Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 534; 1549: doni, Disegno, in: ebenda, Bd. i, s. 555f.; 1553: Aretino, Brief an pietro camaiani v. 1553, in: ebenda, Bd. i, s. 592; cellini, Sonetti, i, s. 601) 1564: Vincenzio Borghini, Selva (Scritti d’arte, 1971–1977, Bd. i, s. 614f.) (Blinder vor gemalten wolken, luft, Feuer, nebel, rauch und Blitzen) (ebenda, S. 616)

(Blinder vor Marmorstatue von Alexander dem Großen und vor einem Gemälde mit dem sieg Alexan­ ders d. Großen gegen darius) 1584: raffaele Borghini, Il Riposo (ebenda, Bd. i, s. 676, 681, s. 682) (Blinder vor einem Gemälde mit schönen Frauen, landschaften, städten, tieren) 1587: Bargagli, I trattenimenti, iii, Giuoco de’ciechi, s. 415–461

II/M: Wettstreit Maler – Dichter

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Appendix II/K 1498: streit der Fakultäten – »duello« – am sforza­hof von Mailand Gattungsübergreifender wettbewerb unter Beteiligung eines Malers und statuengießers (leonardo) und von Architekten Quelle: pacioli 1498 (9. Februar) [1509]: pacioli, De divina proportione, widmungsepistel an ludovico sforza, s. 32–33 (s. cap. iV.3.2.)

Appendix II/L wettstreit Maler – schneider Berufswettbewerb (Maler – schneider) Quelle: Angelo camillo decembrio ca. 1463 Angelo camillo decembrio, De politia litteraria

»indumentum forte pictor exquisitissimo artificio faciendum a sutore vicino proposuerat. Quod ut artifex politius efficeret, complurium dierum operam absumebat. At pictor morae longioris impatiens vehementius stomachari adiurareque eodem temporis spacio, quo ille vestimentum unum insueret, se picturas hominum triginta perfecisse. cui sutor: ›non mirum. Utriusque enim diversum est artifici­ um. nempe hoc in sagulo multo plures acuum puncturas, quam tu picturas, quas singulis pigmento­ rum deductionibus et liniamentis effingis.‹« (ein Maler hatte einem benachbarten schneider kühn vorgeschlagen, einen Umhang von höchst exquisiter Kunstfertigkeit zu machen, was, sofern es der handwerker fein hervorbrächte, ein werk mehrerer tage sein würde. Aber der ungeduldige Maler ärgerte sich wegen des längeren Aufschubes stärker und beschwor, dass er in denselben Zeitraum, in dem jener ein Gewand nähte, dreißig Gemäl­ de des Menschen vollenden würde. der schneider [entgegnet] ihm: ›Kein wunder! das handwerk von beiden ist ja verschieden. Allerdings [hat] dieses im Mantel viel mehr nadelstiche, als du Gemäl­ de durch Varianten und striche einzelner Farben hervorbringst.‹) Decembrio, De politia litteraria, II, cap. 13, S. 186; vgl. dazu den Kommentar von Witten, S. 93

Appendix II/M wettstreit Maler – dichter campano, De miseria poetarum (campano, Opera omnia, fol. ee5r) decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten

Appendix II/N dichterwettbewerbe Antike

ca. 8./7. Jh. v. chr.: homer – hesiod Quelle: zwei Auszüge aus hadrianischer Zeit aus Alcidamas Mouseion, in: AP, iV, 55

ca. 6./5. Jh. v. chr.: Aischylos – euripides Quelle: Aristophanes, Frösche, 830ff.

platon, Nomoi, 658a–d Vitruv, De architectura, Vii, 156ff. Juvenal, Satirae, Vi, vv. 435ff. Aulus Gellius, Noctes Atticae, XiX, 9 Martial, Epigrammaton liber, Vii, 42, vv. 1–2 Trecento ca. 1310: dichterrivalität als Purgatorio­Motiv dichterrivalität (Guido Guinizelli – Guido cavalcanti) Quelle: dante

»così ha tolto l’uno all’altro Guido la gloria della lingua; […]« Dante, Purgatorio, XI, vv. 97f., Bd. II, S. 132

Quattrocento a.

1406, spätsommer: »ludum certamine« in rom

dichterwettstreit (Francesco da Fiano – Antonio loschi – leonardo Bruni) Quelle: pier paolo Vergerio, Poetica narratio »[…] Franciscus [Fiano] cecinit prior; […] desiit ut cantu, pause brevis affuit hora. incipit Antonius gentili a nomine luscus, […] cunte adeunt, dubioque petunt certamine solvi. […] intentumque aliis leonardum poscere carmen, […].«

67 70

111 124

Vergerio, Epistolario, ›Scritti vari‹, S. 453–458, Nr. 7 Lit.: Leonard Smith, »Note cronologiche Vergeriane«, in: Archivio Veneto (Venezia), Ser. 5/4, 1928, S. 92–141, S. 134–137, S. 115)

II/O: Malerwettstreit b.

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1423: dichterwettstreit an Karneval über die liebe anlässlich des einzuges der sforza, Mailand, sforza­hof dichterwettstreit (einwöchig)

Lit.: Rodolfo Renier, in: Giornale Storico della Letteratura Italiana, 13, 1886, S. 382; und Neilson, 1898, S. 255; Farago, 1992, S. 40

c.

1441: Certame coronario in Florenz über die Freundschaft

dichterwettstreit Quelle: Alberti, niccolò della luna, etc.

Lit.: vgl. die Textsammlung in De vera amicitia, 1993, S. 192–513; s. Textteil I, cap. IV.3.4.

d.

nach 1450: dichterwettstreit in rimini am hofe der Malatesta

dichterwettstreit (porcellio – Basinio di parma – Aurelio trebanio) Quelle: Trium poetarum elegantissimorum Porcelii Basinii et Trebanii opuscula […], paris: simonem colinaeum, 1539 Lit.: Pernis/Schneider Adams, 1996, S. 46f.

e.

vor 1492: dichterwettstreit am Mailänder hof über Bramante

dichterwettstreit (Gaspare Visconti – Bernardo Bellincioni) Quelle: Gaspare Visconti Lit.: Bongrani, 1983, S. 215; Patetta, 2000, S. 616

Appendix II/O Malerwettstreit Antike a.

wettstreit zwischen panainos und timagoras aus chalkis in Korinth und delphi

Malerwettstreit (panainos – timagoras) Quelle: plinius d. Ä. 1. 1. Jh. n. Chr. plinius, Naturalis historia

»quin immo certamen etiam picturae florente eo institutum est corinthi ac delphis, primusque omnium certavit cum timagora chalcidense, superatus ab eo pythiis, quod et ipsius timagorae car­ mine vetusto apparet, chronicorum errore non dubio.« (Ja, zur Zeit seines höhepunktes wurde sogar ein wettkampf in der Malerei zu Korinth und delphi veranstaltet, und als erster von allen stritt er mit timagoras aus chalkis, unterlag aber diesem bei den pythischen spielen, wie ein altes Gedicht des timagoras selbst bezeugt, während die Geschichtsquel­ len zweifellos irren.) Plinius, NH, XXXV, 58, S. 50/51 (ÜS nach der Ed. König/Winkler)

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Appendix II: Künstlerwettbewerbe und -rivalitäten 2. vor 1455 Ghiberti, I commentarii, i, 8.2., s. 67: »e più ancora che a corintho et a delpho, el combattimento della pictura. el primo con chi e’combatté, con timogra calcedonese, Frytio, el quale fu vinto da esso, e thy­ mogora.« 3. 1476 plinius/landino, Historia naturale, cap. 9–f: »priMO cOMBAttiMentO dellA pictUrA […] instituto anchora a corintho el combattimento de pictura ne tempi che chostui fioriva. el primo che combatte fu pythe. chostui combatte con timagora chalcidense et fu vincto da lui.« Cinquecento (Auswahl) 1587: lomazzo, Grotteschi, ii, s. 128 (»Opere maravigliose antiche«), vv. 5–6: »di vincere peneo era presago / timagera […].«

b.

wettstreit zwischen parrhasios und timanthes um den streit des Aias mit Odysseus um die waffen des Achill

Malerwettsstreit Quelle: plinius d. Ä, Athenaios, Aelian (Variae historiae, iX, 11), eustathius (Ad Odysseam, 1698, 60) 1. 1. Jh. n. Chr. plinius, Naturalis historia

»ergo magnis suffragiis superatus a timanthe sami in Aiace armorumque iudicio, herois nomine se moleste ferre dicebat, quod iterum ab indigno victus esset.« (Als er daher mit großer stimmenmehrheit [bei der Beurteilung] von timanthes zu samos in einem Gemälde, das den Aiax und das ›waffenbericht‹ zeigte, übertroffen wurde, sagte er, dass er es im namen seines helden als peinlich empfinde, ein zweites Mal von einem Unwürdigen überwunden worden zu sein). Plinius, NH, XXXV, 72, S. 58ff. (ÜS nach der Ed. König/Winkler)

2. Ende des 2./Anfang des 3. Jhdts. n. Chr. Athenaios, Das Gelehrtenmahl

»einst trat er [parrhasios] auf samos in wettstreit mit einem geringeren Maler. es ging um die dar­ stellung des Aias, und er unterlag. Als die Freunde ihn deswegen bedauerten, meinte er, daß es ihn selbst wenig berühre, daß er vielmehr den Aiosbedaure, da dieser zum zweitenmal besiegt worden sei.« Athenaios, Das Gelehrtenmahl, XII, 62c, Bd. I, S. 146 (ÜS nach Ed. Claus Friedrich)

3. vor 1455 lorenzo Ghiberti, I commentarii

»costui fu poi vinto da tymante in Aiace, a samo; […].« Ghiberti, I commentarii, I, 8.6., S. 71

4. 1497 ermolao Barbaro, Castigationes Plinianae

»lego: ›herois nomine id se moleste ferre‹, hoc est non suam, sed Aiacis vicem dolere quod secundo victus esset: ab Ulixe cum viveret et a timanthe cum pingeretur; Athenaeus: [es folgt der Bezug auf zwei textstellen bei Athenaios über parrhasios und timanthes].« Barbaro, Castigationes Plinianae, Bd. III, S. 1127

II/Q: Wettstreitkultur im Norden Europas (ein Beispiel) c.

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wettstreit zwischen timanthes und Kolotes um Gemälde mit dem Opfer der iphigenie Malerwettstreit Quelle: Quintilian, Institutio oratoria, ii, 13, 13 1. 1435 leon Battista Alberti, De pictura

»laudatur timanthes cyprius in ea tabula qua colloteicum vicit […].« Alberti, De pictura, II, 42, S. 272; vgl. 1436: derselbe, Della pittura, S. 134

Quattrocento d.

1468 (21. dezember): wettstreit um die darstellungen der sieben tugenden in der sala dell’Udienza im palazzo della Mercanzia von Florenz

Malerwettstreit (Verrocchio, piero del pollaiuolo und Botticelli) Quelle: AsF, Mercanzia 305, fol. 165v (heute in den Uffizien)

Lit.: Jacques Mesnil, »Les figures de vertus de la Mercanzia«, in: Miscellanea d’arte, 1, 1903, S. 43–46, S. 45

Appendix II/P Antike Bildhauerwettbewerbe wettstreit zwischen zwei phidias­schülern um das standbild einer Aphrodite Bildhauerwettstreit (Alkamenes – Agorakritos aus paros) Quelle: plinius, NH, XXXVi, 17

Appendix II/Q wettstreitkultur im norden europas (ein Beispiel) der ›puy‹ der confrérie von puy notre­dame in Amiens um ›die priesterliche Jungfrau‹ (Virgo sacerdos) dichterwettbewerb (seit ca. 1388 alljährlich) Quelle: Archive 1437: »?« 1461: »lampe rendant en ténèbre lumière« 1462: »digne vesture au prestre souverain« […] 1470: »harpe [randant armonie?] so[u]veraine« Lit.: Jacques Dupont, »Le Sacerdoce de la Vierge. Le puy d’Amiens en 1437«, in: GazBArts, VIII, 1932, S. 265–274

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Appendix iii Quellen zum paragone in der literatur der Frühen neuzeit

der Appendix iii enthält die wichtigsten Belegstellen zum frühen paragone. ein Anspruch auf Vollständig­ keit kann nicht erhoben werden, noch ist er beabsichtigt. insbesondere die Gattungsvergleiche zwischen Malerei und dichtung sind im 15. Jahrhundert zahllos. es bietet sich nur ein repräsentativer Überblick an (s. App. iii/c). die sequenzen, die – über den Gattungsvergleich hinaus – eine parteiische wertung erken­ nen lassen, sind eigens (mit dem Zeichen ) gekennzeichnet. Unberücksichtigt bleiben Belege, die einzelne Kunstgattungen mit lob oder tadel versehen, obgleich auch sie ein integraler teil der Geschichte und Vor­ geschichte des paragone sind. (Viele weitere Quellen zum paragone sind dem vorangehenden textteil zu entnehmen.)

Appendix III/A petrarcas Gegenüberstellungen von Malerei mit skulptur, von Malern mit Bildhauern die für den Gattungsvergleich relevanten worte und namen sind im Folgenden mit Astericus (*) in Verbindung mit Kursivdruck hervorgehoben. 1.

1336 Francesco petrarca, Canzoniere

»per mirar Policleto* a prova fiso, […] Ma certo il mio Simon* fu in paradiso, […]«

1 5

Petrarca, Canzoniere, Nr. 77, v. 1, v. 5, S. 234

2.

1336 Francesco petrarca, Canzoniere

»Quando giunse a Simon* l’alto concetto […] Pigmalion*, quanto lodar ti dei«

1 12

Ebenda, Nr. 78, v. 1, v. 12, S. 236

3.

ca. 1347–1357 Francesco petrarca, De otio religioso (paragone der sinne)

»superedificasse etiam vel poetas, ut ille [cicero], vel illustres artifices, ut hic [lactantius], pictores* scilicet aut, quod idolo convenientius est, sculptures* tam proprie dictum est, ut ad errorum cumulum

III/A: Petrarcas Gegenüberstellungen von Malerei mit Skulptur

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nichil fingi possit efficacius, cum in altero oculorum, in altero sint aurium blandimenta, quibus preci­ pue sensibus veritas et falsitas in animam subit.« (dies wären selbst dichter, die aufstockend etwas aufgebaut haben, wie cicero will, oder berühmte Künstler, wie es lactantius sagt, also die Maler oder eher, was für Götzen passender wäre, die Bild­ hauer. das Gesagte ist so treffend, dass man sich den Zuwachs an Fehlern nicht deutlicher vorstellen könnte: Verführung des Blickes in einem Fall, des Gehörs im anderen, durch vornehmlich die sinne, mit denen die wahrheit oder die Falschheit in die seele eindringt.) Petrarca, De otio religioso, II, 5, 17, in: derselbe, Opere latine, hrsg. v. Antonietta Bufano, 2 Bde., Bd. I, S. 762

4.

ca. 1451  Francesco petrarca, Familiarum rerum libri (an Guido sette) »de Phidia* et Apelle* nusquam lectum est fuisse formosos; operum tamen illustrium alterius reliquie stant, alterius ad nos fama pervenit. itaque, tot interlabentibus seculis, utriusque artificis preclarissi­ mum vivit ingenium, varie licet pro varietate materie; vivacior enim sculptoris* quam pictoris* est ope­ ra; hinc est ut in libris Apellem*, Phidiam* in marmore videamus. […]. iottum, florentinum civem, cuius inter modernos fama ingens est, et simonem senensem; novi et sculptures aliquot, sed minoris fame – eo enim genere impar prorsus est nostra etas – […].« (Von Phidias* und Apelles* hat man nie gelesen, dass sie schön gewesen wären; und doch haben sich reste der berühmten werke des einen erhalten, vom anderen gelangte [allein] sein ruhm zu uns. deshalb, nach dem Verlauf von Jahrhunderten, lebt das glänzende ingenium dieser beiden Künstler so unterschiedlich fort, wie sich ihr Material unterscheidet. das werk des Bildhauers* nämlich ist dauerhafter als das des Malers*. deshalb ist es so, dass wir in Büchern etwas über Apelles* erfahren, aber Phidias* noch in Marmorwerken sehen können. […] Giotto,* einen Florentiner Bürger, der unter den Modernen einen exzellenten ruf genießt, Simone aus Siena* und einige, dem neuen gegenüber auf­ geschlossene Bildhauer,* die jedoch weniger berühmt sind, denn in dieser Gattung liegt unsere Zeit vollends im rückstand). Petrarca, Familiarum rerum libri, V, 17, 5, Bd. II, S. 39

5.

1356–1366  Francesco petrarca, De remediis utriusque fortunae

»›rAtiO‹: ›Artes variae […] ipsarum fons unus artium, unus finis, diversa materia. ›GAUdiUM‹: ›delectant statuae*.‹ ›rAtiO‹: ›Accedunt haec [statuae*] quidem ad naturam propius quam picturae*, illae enim videntur tantum, hae autem et tanguntur, integrumque ac solidum, eoque perennius corpus habent, quam ob causam picturae* veterum nulla usquam, cum adhuc innumerabiles supersint statuae* […]‹.« (›Vernunft‹: ›die Künste sind verschieden […], eine Quelle jener Künste [existiert], ein [gemein­ sames] Ziel, aber verschiedene Materialien.‹ ›Freude‹: ›statuen machen Freude.‹ ›Vernunft‹: ›Gewiss kommen diese [statuen] mehr der natur nahe als Gemälde. diese nämlich zeigen bloß den schein, jene aber lassen sich berühren und haben einen kompletten, festen und dauerhaften Körper; deshalb blieben nirgends antike Gemälde erhalten, aber bis heute unzählige statuen.) Petrarca, De remediis, I, cap. 41 (»De statuis«), S. 141

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| 6.

Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit ebenda »chous Aegei maris brevis insula, et poetam non ignobilem philitem tulit, et medicorum patrem et scultorum* ac pictorum* principes, hippocratem scilicet et Phidiam* et Apellem*. […].« (Kos, was eine kleine insel im Ägäischen Meer ist, hat den philetas hervorgebracht, der ein ehrwürdi­ ger dichter war und den hippokrates, welcher der stammvater der Ärzte war und [auch] Phidias* und Apelles*, welche die hauptmeister der Bildhauer* und Maler* waren.) ebenda, ii, cap. 5 (»de ignobili patria«), s. 408; vgl. 1427: petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 4 (»della patria vile«), Bd. ii, s. 47: »e cous, che è una picciola isola del mare egeo, generóe Filite; il quale fu poeta egregio, e ipocrate, che fu padre de’medici, e Fidia e Apellen, che furon principali maestri de’dipintori e de’scolpitori.«

7.

ebenda »Quod si picturam* forte sculpturamve* Apellis* aut Phidiae* artem tibi mente delegeras, amisisse te aliquid non negem, nisi hoc ipsium lucrum est, ab incepto humili retractum cogi altius.« (Aber wenn du vielleicht lust gehabt hättest, die Kunst der Malerei* und der Skulptur* des Apelles* oder des Phidias* auszuüben, dann werde ich dir versichern, dass du [nach der erblindung] etwas eingebüßt hast, außer wenn du es als Gewinn erachten würdest, mehr zu anderen dingen hingezogen zu sein, indem jene Kunst [wegen der Blindheit] nicht [mehr] ausgeübt werden kann.) ebenda, ii, cap. 96 (»de caecitate«), s. 687; vgl. 1427: petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 96, Bd. ii, s. 333: »Ma, se forse, tu avessi voglia d’apparare a fare l’arte della dipintura e scultura d’Apelle o lo sottile artificio di Fidia, io ti confesserò che qualche cosa tu abbi perduta; salvo che, se tu non riputassi a guadagno d’essere tratto a più altre cose, per non potere, per la ciechità, appa­ rare quella arte.«

8.

ebenda »unde [habeo?] statuas* ac tabulas pictas* nisi ā statuariis* atque pictoribus*?« (woher [werde ich] die Statuen* und die Gemälde* [haben], wenn nicht von den Malern* und von denjenigen, die die Statuen* fertigen?) ebenda, ii, cap. 117 (»de metu mortis«), s. 744; vgl. 1427: petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 117 (»della paura della morte«), Bd. ii, s. 389–390: »donde [avrò] le statue e le tavole dipinte, se non da dipintori e da quegli che fanno le statue?«

9.

ca. 1370  Francesco petrarca, Rerum senilium libri (an lombardo della seta) »›herent infixi pectore vultus Verbaque.‹ [Vergil, Aeneis, iV, vv. 4–5] itaque quod de absentium gaudio ille ait, potest id quidem verum esse in iis qui imagines amicorum leviter sibi in animo depinxerunt*; nam qui eas ibi solido quasi de marmore insculpserunt*, his non ›leve et evanidum‹ sed firmum gaudium de amico, non solum parvo terre spatio distante, percipitur sed de extincto etiam ac sepulto.« (›es haftet im herzen innig sein Antlitz und sein wort‹. was er [Vergil] über das Glück der Abwesenden sagt, kann demnach bei denjenigen zutreffen, die sich in den Geist weiche Bilder ihrer Freunde gemalt* [depinxerunt] haben. denn diejenigen, die sie sozu­ sagen wie in festen Marmor eingemeißelt* haben [de marmore insculpserunt], fühlen keine ›leichte

III/A: Petrarcas Gegenüberstellungen von Malerei mit Skulptur

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und ephemere‹, sondern eine dauerhafte Freude über den Freund, nicht nur, selbst wenn man ein stück erde von ihm entfernt ist, sondern auch, wenn er gestorben und begraben ist). Petrarca, Rerum senilium libri, XV, 3, Bd. IV, S. 341

10.

1372  Francesco petrarca, Rerum senilium libri (im Mai verfasster Brief an Francesco casini über das Buch De vita solitaria) (in Anspielung auf die Geschichte von Apelles und dem schuster; vgl. plinius, NH, XXXV, 85)

»›addo ergo: siquid laudatum a scientibus in precio habeatur‹, dicit idem [cicero]. et pictores* facere solitos, et sculptores*, quod specialiter de Apelle pictorum principe scriptum est.« Petrarca, Rerum senilium libri, XV, 3, 6, Bd. IV, S. 2074

(ich füge hinzu: diejenigen [dichter], die die Gelehrten des lobes für würdig befinden [korrigieren ihre werke nach dem Geschmack des publikums]. derselbe cicero sagt, dass die Bildhauer und die Maler das Gleiche tun, und es wird geschrieben, dass dies besonders auf den Größten der Maler, Apelles, zutrifft.) weitere Quellen aus dem Trecento 1.

vor 1330 hugo panziera (o. a. pantiera/Ugo da prato), Trattato della perfezione della mentale azione (Anwei­ sung zur passionsmemoria als quasi inkarnatorischer Vorgang)

»nel primo tempo nel quale la mente cominci colle infrascritte circunstanzie di christo a pensare christo pare nella mente e nella imaginativa scritto. nel secondo pare disegnato. nel terzo pare dis­ egnato e ombrato. nel quarto pare colorato e incarnato. nel quinto pare incarnato e rilevato.« I mistici del Duecento e del Trecento, hrsg. v. Arrigo Levasti, Mailand, 1960, S. 273; s. Antoine, 1988, S. 541–615, S. 586

2.

1357–1363 Boccaccio, De claris mulieribus

»Fatigavit enim – ut reliquos sinam – divini ingenii virum homerum, ante quam illam posset secun­ dum precepta satis convenienter describere carmine. preterea pictores et sculptores multiplices egregii omnes eundem sumpsere laborem […]. Zeusis heracleotes […].« (selbst das göttliche Genie eines homer – von anderen ganz zu schweigen – ermattete über der Auf­ gabe, helena in seinen Versen nach allen regeln der Kunst angemessen zu beschreiben. Und viele andere große Maler und Bildhauer haben neben ihm alle das gleiche werk in Angriff genommen […]. einer von ihnen war Zeuxis! […].) Boccaccio, De claris mulieribus, cap. 37, Bd. X, S. 146 (ÜS nach der Ed. Erfen/Schmitt: Giovanni Boccaccio, De claris mulieribus, Stuttgart, 1995, S. 109)

3.

1373–1375 Boccaccio, Esposizioni sopra la comedia di Dante (fast identisch mit der oben genannten sequenz)

»[…] ma ella ancora molti solenni dipintori e più intagliatori per maestero famosissimo stancò: […].« (sie [helena] forderte [neben homer mit ihrer schönheit] auch viele ehrwürdige Maler und noch mehr Bildhauer durch ihre Meisterschaft heraus). Boccaccio, Esposizioni sopra la comedia, Bd. VI, S. 305; zu Inferno, V, v. 102

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| 4.

Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit 1375 sog. ›falso Boccaccio‹, Chiose sopra Dante, zu Inferno, iX, bes. v. 53 (Vermengung der Kampaspe­epi­ sode von Apelles mit der versteinernden wirkung der Medusa)

»e sinarra cheilre alessandro dimacedonia fu huomo molto luxurioso echesempre teneva assai giovane assua ghuardia econchupiscienza eposta fralequale nebbe una che avanzava tutte laltre di bellecca eaveva nome chapaspa. e abiendo alessandro andare illontani paesi sissifecie venire inanzi unsuo dip­ intore chaveva nome appelles coe ilmigliore dipintore chavesse ilmondo inquel tempo. e alessandro glidisse segli darebbe ilquore dipigniere una fighura propia ripuse disi. Alessandro allora fecie venire dinanzi asse ealdipintore questa chapaspa e disse apelles chegliela dipignesse e faciesse unastatua chel­ la voleva portare secho. il dipintore volendola dipigniere lafecie ispogliare ignuda e disse alessandro allui chegli lapigniesse propiochomellera. il dipintore ispecchiandosi in costeiu dalchapo apiedi egli divenne dipietra impero cheperle bellecce dichostei glimancho e perde tutti isentimenti e istava dinanzi adalexandro chome una istatua di marmo. Veggiendo allexandro questo sidispuose nellanimo suo chavare chostei [s. 77] dipenna ecchavossi uno anello didito e dopo molte parole glieledie per moglie diciendo io truovo che glialtri sono luxuiosi chomio. e per altore fecie di questa medusa men­ zione qui.« (Und man erzählt, dass Alexander, der König von Makedonien, ein sehr wollüstiger Mann war und dass er immer genug Jugendliche als sein Gefolge hielt und der lüsternheit aussetzte, unter denen eine war, die alle anderen in ihrer schönheit überragte, die den namen Kampaspe trug. Und als Alexander in ferne länder gehen musste, ließ er seinen Maler zu sich kommen, der Apelles aus Kos hieß, der beste Maler, den die welt in dieser Zeit hatte. Und als Alexander diesen fragte, ob es ihm gegeben sei, eine Gestalt [wie] echt zu malen, antwortete er ja. Alexander ließ also jene Kampaspe vor diesen Maler treten und sagte Apelles, dass er sie malen und eine statue machen soll, die er mitnehmen wolle. Als der Maler sie malen wollte, ließ sie er sie völlig entkleiden, und Alexander sagte ihm, er solle sie genau­ so malen. nachdem der Maler sie von Kopf bis Fuss betrachtet hatte, wurde er zu stein, da er wegen der schönheit von dieser allen Verstand entbehrte und verlor und vor Alexander wie eine Marmorsta­ tue stand. Als Alexander sah, dass dieser im Begriff war, diese in sein herz zu schließen, … (? sinn­ gemäß: zog er) einen ring, und nach vielen worten gab er sie ihm als ehefrau, indem er sagte: ich merke, die anderen sind so wollustig wie ich. Und wegen des hohen Königs (?) erwähnt er [dante] hier [im canto des Inferno] diese Medusa.) Chiose sopra Dante, S. 76–77

Appendix III/B Malerei und skulptur im Quattrocento dieser Anhang enthält zentrale textstellen zum paragone zwischen den figurativen Künsten. in bewusster Beschränkung auf wesentliches werden primär Gattungsvergleiche aufgeführt, die Male­ rei und skulptur direkt gegeneinander ausspielen, nur im bedeutenden Ausnahmefall auch schwä­ cher: voneinander abgrenzen. weitgehend unberücksicht bleiben rivalisierende Gegenüberstellungen von namhaften Maler­ mit Bildhauerpersönlichkeiten (s. App. ii/G­a zum Vergleich zwischen lysipp – Apelles). die passagen aus leonardos Libro di pittura werden wegen ihres Umfangs und ihrer Bekanntheit nur thesenartig aufgelistet.

III/B: Malerei und Skulptur im Quattrocento

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1. a. 1427  Francesco petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii dell’una e dell’altra fortuna

»le statue, in verità, s’apressano pìu alla natura che le dipinture: però che quelle solo si possono vedere, le statue si possono vedere e toccare, e hanno corpo intero e sodo, e però è più durabile: per questa cagione non si truovano in alcuno luogo dipinture fatte in memoria degli antichi, con ciò sia cosa che statue ci sieno ancora innumerabili.« Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, I, cap. 41 (»Delle statue«), Bd. I, S. 196

1. b. ebenda »donde [avrò] le statue e le tavole dipinte, se non da dipintori e da quegli che fanno le statue?«

(woher [werde ich] die statuen und die Gemälde [haben], wenn nicht von den Malern und von den­ jenigen, die die statuen fertigen?) petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii, ii, cap. 117 (»della paura della morte«), Bd. ii, s. 389–390; vgl. 1356–1366: petrarca, De remediis, ii, cap. 117 (»de metu mortis«), Bd. ii, s. 744: »unde [habeo?] statuas ac tabulas pictas nisi ā statuariis atque pictoribus?« Vgl. 1501: pontano, Aegidius, iX, e, s. 572: »informare enim aut statuam aut picturam, cuiusnam est nisi sapientis aut pictoris aut statuarii?« 2.

1429, 1433, 1450 lorenzo Valla, De voluptate

»[…] venustatem picturarum, decorem statuarum admirantiumet inter se comparantium.« (…die schönheit der Gemälde, die pracht der statuen bewundern und miteinander vergleichen). Valla, De voluptate, II, cap. 28, 8, S. 214/215 (ÜS nach Ed. Peter M. Schenkel; ganz ähnlich ca. Chrysoloras; s. Baxandall, 1971, Dok. VIII)

3.

ca. 1431  Gregorio correr, Liber satyrarum

»Quid non proclames, statuas si pingere fabrum videris aut alium pictore? ita crede: poesis arteficem proprium et numeris desiderat aptum, artes quaeque suum. nec, si natura negabit, viribus aut ullo poteris sperare labore vatibus inscribi […].«

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(warum sollst du nicht lauthals protestieren, wenn du sehen solltest, dass ein handwerker oder jemand anderes als ein Maler standbilder [be]malt? Glaub’ mir das: die dichtkunst wünscht einen ihr gemäßen Künstler, der auch die Metrik und seine Kunst kennt. Falls die natur ihn nicht damit ausgestattet hat, wirst du wohl kaum hoffen dürfen, durch Kraft oder irgendeine Mühe unter die dichter eingereiht zu werden.) Correr, Liber satyrarum, I, vv. 56–61, S. 221

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Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit

4. a. 1435 leon Battista Alberti, De pictura  »pictoris enim regula et arte lapicida, sculptor, omnesque fabrorum officinae omnesque fabriles artes diriguntur.«

(der Maßstab und die Kunst des Malers sind es, nach denen der steinmetz, der Bildhauer, alle werk­ stätten von handwerkern und alle handwerkskünste ihre Arbeit ausrichten). Alberti, De pictura, II, 26, S. 236/237 (ÜS nach Ed. Bätschmann/Schäublin); vgl. 1436: Alberti, Della pittura, II, 26, S. 102/103

4. b.  »sunt quidem cognatae artes eodemque ingenio pictura et sculptura nutritae. sed ipse pictoris inge­ nium, quod in re longe difficillima versetur, semper praeferam.«

(die beiden Künste [Malerei und skulptur] sind ja miteinander verwandt, und dieselbe Begabung dient als Amme der Mal­ wie der Bildhauerkunst. was freilich meine person betrifft, so werde ich die Begabung des Malers stets höher einstufen, weil sie sich am weitaus schwierigsten Gegenstand bewähren muss.) Ebenda, II, 27, S. 240/241–243/244 (mit ÜS); vgl. 1436: Alberti, Della pittura, II, 27, S. 108/109

4. c.  »hinc est quod pictas res, cum semper eandem faciem servent, facilius quam sculptas aemulantur.«

(daher [wenn der Gegenstand für den Maler nicht dasselbe Aussehen bewahrt] kommt es, dass an gemalte Gegenstände – die ja stets dasselbe Aussehen bewahren – leichter eine Annäherung erreicht werden kann als an plastisch gebildete). Ebenda, II, 31, S. 248/249 (mit ÜS); vgl. 1436: Alberti, Della pittura, II, 31, S. 114/115

4. d.  »malo mediocriter sculptam quam egregie pictam rem tibi imitandam proponas, nam ex pictis rebus solum ad aliquam similitudinem referendam manum assuefacimus, ex rebus vero sculptis et similitudinem et vera lumina deducere discimus. […] Ac fortassis conducet fingendo exerceri quam penniculo. certior enim et facilior est sculptura quam pictura. […] prominentiae vero facilius reperi­ untur sculptura quam pictura. […] quod videre liceat quam omni fere in aetate mediocres aliquos fuisse sculptores invenias, pictores vero paene nullos non irridendos ac prorsus imperitos reperias.«

(Man möge sich eher eine mittelmäßige skulptur als etwas hervorragend Gemaltes als Modell [zur nachahmung] vornehmen. denn mit hilfe gemalter Gegenstände gewöhnen wir die hand lediglich daran, eine gewisse Ähnlichkeit zu erzielen, während der nutzen von skulpturen darin besteht, dass wir von ihnen sowohl Ähnlichkeit als auch wirklichkeitsgetreue licht­schatten­Verhältnisse herleiten können. […] Ja, vielleicht hat überhaupt als förderlicher zu gelten, sich im plastischen Bilden als mit dem pinsel zu üben. deutlicher bestimmt nämlich und leichter ist die Kunst des Bildhauers als die des Malers. […] die wölbungen aber lassen sich leichter aufspüren beim plastischen Bilden als beim Malen. […] Man kann feststellen, wie sich in so ziemlich jedem Zeitalter zumindest ein paar mittel­ mäßige Bildhauer finden lassen, während man auf fast keine Maler stößt, die nicht lächerlich und völlig kenntnislos wären). Ebenda, III, 58, 302/303–304/305 (mit ÜS); vgl. 1436: Alberti, Della pittura, III, 58, S. 160/161

5.

1434–1436? (1445?)  leon Battista Alberti, De statua

»erunt qui forte istis addendos censeant pictores, ea re quod colorum appositionibus utantur. sed si cogites, eos intelliges non tantum addendo aut diminuendo, quam suo quodam alio et proprio artifi­ cio eniti, ut quae sub aspectu posita intuerantur corporum lineamenta et lumina imitentur.«

III/B: Malerei und Skulptur im Quattrocento

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(Vielleicht sind einige der Auffassung, zu den letztgenannten gehörten auch noch die Maler, und zwar deswegen, weil ihr Vorgehen darin bestehe, Farben aufzutragen. doch bei rechtem Bedenken wird man erkennen, dass deren Arbeit weniger mit hinzufügen und mit Vermindern als mit einer ganz eigenen, einer anderen und besonderen Fertigkeit zu tun hat, und zwar so, dass sie die Umrisse und die licht­schatten­Verhältnisse von Körpern gemäß dem Blickwinkel ihrer Betrachtung nach­ ahmen.) Alberti, De statua, 2, S. 144/145 (ÜS nach Ed. Bätschmann/Schäublin)

6.

ca. 1442  leon Battista Alberti, Momus (über den in allen erdenklichen Farben gehaltenen himmlischen triumphbogen, den Juno errichtet hat)

»iuno coaedificarat auroque votorum conflato operuerat, tanto et operis et ornamenti artificio insig­ nem atque illustrem ut caelicolarum optimi architecti fieri id negarint potuisse, et pictores fictoresque omnes sua esse in eo expingendo atque expoliendo ingenia superata faterentur.« (Juno war es, die ihn errichtet und über und über mit Gold der eingeschmolzenen Votive überzogen hatte, und sowohl der Bau selbst als auch seine Ausschmückung stellten ein so überaus gelungenes Kunstwerk dar, daß selbst die besten Architekten des himmels erklärten, ein solches Bauwerk sei ein ding der Unmöglichkeit, und alle Maler und Bildhauer mußten zugestehen, daß ihre technischen und künstlerischen Fähigkeiten durch die prachtvolle Ausschmückung des tempels weit in den schatten gestellt worden seien). Alberti, Momus, II, S. 202/203 (ÜS nach Ed. Michaela Boenke)

7.

1442  Michele savonarola, Speculum physionomie

»sculptores autem, quibus cura de omnibus dimensionibus maior fuit [pictoribus], semperque cum circulo sive cesto operantur, […] magisque mediocritate hiisque mensuris adh[a]erentes sunt, unde pollicleti imagines ita hiis mensuris ornatus conspiciunt ut ex mediocritate metrum de mensuris ipsis agnitionem non parvan capiamus.« (die Bildhauer hingegen, die mehr [als die Maler] Gewissenhaftigkeit bei allen Maßen walten lassen und stets mit dem Zirkel oder dem winkelmaß hantieren, […] bleiben eher am Mittelmaß und die­ sen Maßen orientiert; daher begreifen sich die werke des polyklet so aus diesen schönen proportio­ nen, dass wir aus den mittleren Maßen von jenem [sc. polyklet] keine geringe einsicht über die pro­ portionen [schlechthin] gewinnen würden.) Michele Savonarola, Speculum physionomie (Venedig, San Marco, Cod. Lat. VI, 156, coll. 2672, fol. 100r); zitiert nach Federici Vescovini, 1993, S. 353; zuerst bei Zöllner, 1990, S. 467, Anm. 21

8.

ca. 1443–1452  Alberti, De re aedificatoria

»[…] vel signis potius quam tabulis delectabor […]. et picturam ego bonam – nam turpare quidem parietem est, non pingere, quod male pingas – non minore voluptate animi contemplabor, quam lege­ ro bonam historiam. pictor uterque est: ille verbis pingit, hic penniculo docet rem; [s. 610] caetera utrisque paria et communia sunt. in utrisque et ingenio maximo et incredibili diligentia opus est.« ([…] auch gefallen mir plastische standbilder besser als Malerei. […] Und eine gute Malerei – denn es heißt die wand schänden, wenn man schlecht malt – werde ich mit nicht geringerem Vergnügen betrachten, als ich eine gute Geschichte lesen werde. Maler sind ja beide; jener malt mit worten, dieser

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Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit lehrt mit dem pinsel; alles übrige ist beiden gleich und gemeinsam. Beide müssen hervorragend begabt und unglaublich fleißig sein.) Alberti, De re aedificatoria, VII, cap. 10, Bd. II, S. 609–610 (ÜS nach Ed. Max Theuer: Leon Battista Alberti, Zehn Bücher über die Baukunst, Darmstadt, 2005, S. 381)

9.

1444–1451  enea silvio piccolomini im Brief an Gregor heimburg

»de pictoribus verò testimonia sunt clarissimorum virorum, qui profecto minime tantis eos praeconijs extulissent si picturam non aspexissent, sculpturae, vel similiem vel illa pulchriorem. sed ecce iam revixerunt sculpendi pingendique disciplinae.« (Für die Maler gibt es die Zeugnisse der berühmtesten Männer, die diese sicherlich keineswegs durch derartige lobeshymnen emporgehoben hätten, wenn sie die Malerei nicht als der skulptur ähnlich und sogar als noch schöner als diese angesehen hätten. Aber sieh an, die Künste des Meißelns und Malens sind [heute] bereits wiederbelebt). Piccolomini, Opera, S. 647 (die Übersetzung nach Pfisterer, 2002, S. 575–576)

10.

1455  Giorgio Valla, Oratio in principio sui studii (v. 18. Oktober 1455)

»Quis enim faber statuarius, pictor item et ceteri, in suo artificio perfectus aut etiam magnus extitis­ set, si solus opifex eius artificii fuisset? Alius aliud invenit, et quod quisque in altero egregium anim­ advertit, id ipse imitari, aemulari, superare conatur. ita studia incenduntur, profectus fiunt, artes excrescunt et summum evadunt, et eo quidem melius eoque celerius, quo plures in eandem homines elaborant: […].« (welcher Bildhauer, Maler oder anderer Künstler würde je herausragend oder von irgendeinem rang in seinem handwerk gewesen sein, wenn er der einzige Vertreter dieses handwerks gewesen wäre? Jeder ersinnt etwas anderes, und was jedes individuum als herausragend im werk eines anderen betrachtet, das versucht es nachzuahmen, mit ihm wettzueifern und [es] zu überbieten. Auf diese weise wird ein eifer entfacht, wird Fortschritt in Gang gesetzt, die Künste gedeihen und erreichen ihren Gipfel, und dies geschieht um so besser und schneller je mehr individuen sich dieser sache anschließen). Valla, Oratio in principio sui studii (Valla, Opera omnia, Bd. II, S. 282); zuerst in Johannes Vahlen, »Laurentii Vallae opuscula tria«, in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, 62, 1869, S. 93–98, S. 94; Baxandall, 1971, S. 176, Dok. XX; Pfisterer, 2002, S. 279

11.

vor 1457  Bartolomeo Facio, De viris illustribus

»Verum, ut non satis est poemata pulchra esse, quemadmodum ait horatius, oportet enim dulcia sint, ut quamcunque in partem velint animos hominum sensusque permoveant, ita et picturam non solum colorum varietate exornatam, sed multo magis vivacitate quadam, ut ita loquar, figuratam esse conve­ nit. et quemadmodum de pictura, ita et de sculptura, fusura, architectura, quae omnes artes a pictura ortum habent, dicendum est.« (wahrhaftig, wie horaz sagt, ist es für ein Gedicht nicht genug, schön zu sein, es muss auch anrüh­ ren, sodass es die seele und die Gefühle der Menschen in jede beliebige richtung bewegen kann; demgemäß darf ein Gemälde nicht nur durch verschiedene Farben ausgeschmückt sein, sondern, weitaus mehr, muss es sozusagen ›verlebendigt‹ werden. Und was für die Malerei gilt, lässt sich auch

III/B: Malerei und Skulptur im Quattrocento

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für die skulptur, Gießkunst und die Architektur sagen, alles Künste, die aus der Malerei hervor­ gegangen sind.) Facio, De viris illustribus, ›De pictoribus‹; zitiert nach Baxandall, 1971, S. 164

12.

1458  Ubertino posculo, De laudibus Brixiae oratio

»nullo tamen opere plus gloriatur quam sacello illo famosissimo; in quo sicut Athenisis in arce Miner­ vae phydiacum vivebat ebur, ita hoc viventem beati Georgii christi dei militis et martyris imaginem, micantia draconis lumina, trementemque puelam, equum hinnientem naribus afflantem ostendit. Quae imagines tanta pictoris nostri Gentilis arte effictae sunt, quanta Fydias aut policletus in marmore aut ebore, vel Apelles pictor vix affingere potuisset.« (Kein werk verdient es, mehr als diese höchst berühmte Kapelle gefeiert zu werden. wie die elfenbei­ nerne Minerva von phidias auf der Akropolis von Athen beseelt erscheint, so zeigt diese Kapelle das Bild des hl. Georgs als soldat und Märtyrer Gottes als ob er lebendig wäre, die blitzenden Augen des drachens, das zitternde Mädchen und das wiehernde pferd und schnaubenden nüstern. diese Gestalten sind von unserem Maler Gentile mit soviel Kunst dargestellt, wie phidias oder polyklet sie in Marmor oder in elfenbein oder Apelles in der Malerei kaum bildend hinzufügen gekonnt hätten.) Paolo Guerrini, Cronache Bresciane inedite dei sec. XV–XIX, Brescia, 1927, Bd. II, S. 26 (vgl. Pfisterer, 2002, S. 581)

13.

ca. 1461–1464 Antonio Filarete, Trattato di architettura (bezogen auf die Antike)

»Molto fu degna la pittura in quelli tempi e la scoltura […]« Filarete, Trattato di architettura, XIX, S. 583

 »›[…] a me pareva ch ’l disegno e lo scolpire, in marmo o in bronzo o in altra cosa, fusse molto più degno che dipignere; perchè uno che ’ntagli di marmo una figura, e nel lavorare gli venisse levato un poco del naso di detta figura o d’altro membro, come alle volte può scadere che se ne rompa un pezzo, come rimedierà quella figura? Ma el dipintore potrà ricoprire co’ colori e racconciare, se bene si guastasse mille volte. e così ancora uno che ’ntagli in cavo o corniuole o altra pietra, che cosa che bisogna, che lavori alla mente! e al contrario non è così il dipigniere.‹ ›la signoria vostra dice il vero, che l’è di gran magistero lo scolpire in marmo, e così in quanto alla vista dell’occhio, e a volere contrafare i colori, quegli che fa la natura, è gran cosa; chè quelle, che per ben che sieno, paiono pure di quella tal materia, la quale ell’è, ma la dipinta parrà proprio essa, e molti rimangono ingannati, credendo quella cotal cosa essere vera. e nonché gli uomini, ma li animali essere stati ingannati da questa forza di colori, chè si legge che anticamente fu dipinto in uno certo luogo in Grecia, credo che fusse in Atene, che uno tetto, che tanto era bene contrafatto al naturale e sì bene asomigliato, che molte volte gli corbi andavano per posarsi su esso tetto; e così ancora una per­ gola dove che erano uve, che uccegli dice che c’erano molte volte ingannati, e andavano per beccarle credendo che fussino vere; ancora di non so che cani, che sì bene erano asomigliati al naturale, che quando altri cani vivi gli vedevano, abbaiavano loro, credendo che fussino vivi; e così ancora di non so che cavallo o cavalla, sì bene asomigliato al naturale, che quando altri cavalli fussino passati, ringhia­ vano a quello come se stato fusse vivo proprio. io ancora, trovandomi a Vinegia a casa d’uno dipintore bolognese, invitandomi a collezione, mi pose innanzi certi frutti dipinti, fui tutto tentato di toglierne, ché se nonché mi ritenni il tempo che non era, ma sanza fallo tanto parevano proprii, che se stato ci fusse delle naturali, non è dubbio che l’uomo sarebbe stato ingannato. e anche di Giotto si legge che ne’ principii suoi lui dipinse mosche, e che ’l suo maestro cimabue ci fu inganntato, che credette, che

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Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit fussono vive, con uno panno le volse cacciare via. donde questo, se non dalla forza del sapere dare e’ colori a’ suoi luoghi? Queste cose maravigliose non si vede nella scultura.‹« (›Mir scheint, dass das entwerfen und das skulpieren in Marmor, in Bronze oder etwas anderem sehr viel würdiger ist als das Malen; denn einer, der aus Marmor eine Gestalt meißelt und dem beim Bear­ beiten ein Gran von der nase oder von einem anderen teil dieser Gestalt absplittert, wie es zuweilen geschehen kann, wenn nicht gar ein stück abbricht, wie wird der Bildhauer diese Gestalt wieder repa­ rieren? Aber der Maler könnte [den Makel] mit Farben bedecken, ja, wenn es ihm beliebt, tausend­ fach ausbessern. Und so auch einer, der in eine Vertiefung oder einen Karneol oder anderem stein, was [immer] er braucht, schneidet, das er im Geist erdächte. das Malen ist das Gegenteil davon.‹ ›eure signora sagt die wahrheit, dass das skulpieren in Marmor von großer Meisterschaft zeugt und so, wie es hinsichtlich des Gesichtssinnes zu wünschen ist, die Farben wiederzugeben, wie sie die natur macht, ist eine große sache. denn diese Farben, die, so gut sie sein mögen, sehen ganz nach diesem Material aus, aus dem es ist; das Gemalte hingegen wird genau wie die sache [selbst] erschei­ nen und viele werden getäuscht, indem sie sie für echt halten. Und nicht nur die Menschen, sondern auch tiere sind von dieser Farbkraft getäuscht worden, denn man liest, dass in alter Zeit an einem bestimmten Ort in Griechenland, ich glaube, es war Athen, ein dach gemalt worden ist, das so natur­ getreu wiedergegeben war und so ähnelnd, dass oft die raben heranflogen, um sich auf dieses dach zu setzen und so auch eine pergola, an der trauben hingen, dass Vögel, sagt man, davon oft getäuscht wurden und heranflogen, um an ihnen zu picken, weil sie sie für echt hielten. ich weiss noch nicht, welche hunde so gut der wirklichkeit glichen, dass, als lebende hunde sie sahen, sie anbellten, da sie sie für echt hielten; und so weiss ich noch nicht, welcher hengst oder welche stute, so gut der natur gleichen würde, dass, als andere pferde vorbeitrabten, diese anwieherten, als ob sie wirklich echt seien. Als ich mich in Venedig im haus eines bolognesischen Malers befand, der mich in seine sammlung einlud, stellte ich mich vor bestimmte gemalte Früchte, war selbst ganz versucht, sie zu pflücken, wenn mich nicht die Jahreszeit, die nicht stimmte, zurückgehalten hätte, aber bestimmt schienen sie dort so echt wie in der natur und kein Zweifel, dass ein Mensch getäuscht worden wäre. Und auch von Giotto liest man, dass er in seinen Anfängen Fliegen gemalt habe und dass der Meister cimabue durch sie getäuscht worden sei, als er glaubte, sie seien echt, sie mit einem tuch wegjagen wollte. woher dies, wenn nicht durch die Kraft des wissens, die Farben an ihrem platz aufzutragen? diese wunderbaren dinge sieht man nicht in der Bildhauerei.‹) Filarete, Trattato, XXIII, fol. 181r, Bd. II, S. 664–665 ebenda, XXIV, fol. 182v, Bd. II, S. 669–670 (gegen den Stuckauftrag auf Gemälde zugunsten der Evokation von Dreidimensionalität durch Malerei)

»[…] e sempre t’ingegna guardare a contrafare come sta el naturale, e così coi colori imitare ogni altro colore, tanto di fiori, quanto di metalli. se hai a fare cose che paino d’oro, o d’argento, o d’altro metallo, abbi e’colori atti a quello che paino di quello, benché non sia così. di cose rilevate che avessi a dipignere, non gli mettere mai cosa rilevata, né di stucco, né d’altra cosa abbi, per via di colori contrafa’ quegli cotali rilievi che a fare avessi; e non fare come molti fanno, che se hanno a dipignere uno fornimento di cavallo, vi mettono su le borghie di ferro stagnato, rilevate come fusse vivo il cavallo. e così d’altri rilievi non si dee fare così: anzi contragargli, come ho detto, coi colori che paino rilevati. (Und bemühe dich immer, darauf zu schauen, [dinge] abzubilden, wie es der natur entspricht und so mit Farben jede andere Farbe nachzuahmen, so viel an Blumen wie an Metallen. wenn du dinge machen musst, die aussehen [sollen] wie aus Gold, silber oder einem anderen Metall, nehme die pas­ senden Farben, die diesen zu gleichen scheinen, obwohl es nicht so ist.

III/B: Malerei und Skulptur im Quattrocento

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dagegen darfst du bei erhabenen dingen, die du zu malen hast, niemals einen Gegenstand erhaben [auf das Gemälde] setzten, weder aus stuck noch von sonst einem stoff, sondern ahme mithilfe der Farben die erhabenheit nach, die du auszuführen hast; und mache es nicht so, wie Viele es machen, die, wenn sie ein pferdegeschirr malen sollen, die Buckeln daran von verzinntem eisen[blech] erha­ ben auflegen, als ob das pferd lebendig wäre. ebensowenig dürfen andere erhabene dinge so dar­ gestellt werden; vielmehr musst du sie, wie gesagt, nachahmen; mit Farben musst du sie so heraus­ bringen, dass sie erhaben erscheinen.) Siehe auch App. II/G, Nr. 16: zu den von Malern von Bildhauern gefertigten, unterschiedlich ausfallenden Porträts von Francesco Sforza; Filarete, Trattato, I, Bd. I, S. 28; s. Textteil cap. VI.4.3., S. 364

14.

ca. 1463  Angelo camillo decembrio, De politia litteraria

»ac illud sane Virgilii uno versu pulcherrimum: ›credo equidem; vivos ducent de marmore vultus‹ [Aeneis, Vi, vv. 848], sed haec ad statuariam artem, quae marmoribus et ebore aereaque conflatione facile nititur, quod humani coloris est, aemulari. At qui vero marmorarius in saxo, pictor in tabula perspicacius Aeneae vultus quam Virgilius in charta depinxerit.« (Oder nimm nur den einen höchst schönen Vers des Vergil: ›ich glaube es – formen lebendige Züge aus Marmor‹. Aber dies nimmt Bezug auf die Bildhauerkunst, die im Bearbeiten von Marmor, elfenbein oder Bronze bemüht ist, das erscheinungsbild des Menschen wetteifernd nachzuahmen. welcher Bildhauer könnte in stein, welcher Maler auf der Bildtafel das Gesicht des Aeneas getreuer wiederge­ ben als Vergil auf dem papier?) Decembrio, De politia litteraria, VI, cap. 68, 15, S. 429

15.

1481  cristoforo landino, Comento

»et nota, che questi exempli sono intagliati, et non dipincti. perché la pictura facilmente si rimuove, ma non lo ’ntaglio; et sono intagliati non in materia tenera, ma in dura.« (Und beachte, dass diese Beispiele eingemeißelt sind und nicht gemalt, denn die Malerei lässt sich leicht entfernen, nicht aber das Gemeißelte; und sie sind nicht in weiche Materie gemeißelt, sondern in harte.) Landino, Comento, Bd. III, S. 1202 (zum Verkündigungsrelief in Dante, Purgatorio, X, vv. 38ff., Bd. II, S. 116: »Quivi intagliato in un atto soave, […].«); vgl. das Argument von Petrarca (App. III/A, Nr. 9)

16.

ca. 1483 Giovanni santi, La vita e le gesta di Federico di Montefeltro duca d’Urbino, XXii, cap. 91, vv. 280–286, s. 670 (s. cap. Vi, passim)

17.

ca. 1490 pandolfo collenuccio, Misopenes

»chrYsiUs: ›ego quidem, o Misopenes, tabulas saepe tum parrhasii, tum Apellis, saepe etiam Myronis polycletique signa contemplatus sum; atque ubi ea oculis lustravi satis vocesque illa laudanti­ um auribus excepi, discessi tantis per laetus, dum ea intuerer. […] Verum, cum inde discedentem me nec imagines statuaeve meliorem fecerunt nec splendidae regum coenae esuriem ademerunt, solum­ que lecto accubantem me, ac totis lumbis ad puellaris formae memoriam ardentem vidi, tum me non voluptatis modo quicquam, sed molestiae dolorisque occupavit plurimum: adeo nullam ego in spectando voluptatem censui neque censeo, nisi quae utilitatem quoque simul afferat.‹«

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Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit (ich, Misopenes, habe zwar oft Gemälde bald des parrhasios, bald des Apelles, oft auch statuen des Myron und polyklet betrachtet, und sobald ich sie mit meinen Augen hinreichend gemustert und die stimmen der sie lobenden mit den Ohren vernommen hatte, ging ich von den vielen sehr erfreut weg, während ich sie betrachtete. […]. Fürwahr, da mich beim weggehen diese Gemälde und statuen nicht besser machten und mir den Appetit auf ein ansehnliches Mahl nicht nahmen, und ich mich nur sah, wie ich auf dem Bett lag und mich mit den ganzen lenden nur nach mädchenhafter schönheit sehnte, wurde ich nicht von lust ergriffen, sondern lästiger schmerz befiel mich meist. so sehr empfand und empfinde ich keine lust beim schauen, wenn sie nicht zugleich auch nützlichkeit bereitet […]). Collenuccio, Misopenes, S. 33–34; vgl. die Argumentation in Castiglione, Cortegiano, I, cap. 53.

18. ca. 1490 paolo cortesi, De hominis doctis

»Alii in lineis, alii in mensuris, alii ad fingendum, alii ad pingendum certis praeceptis utuntur: ex quo intellegitur nihil magnum fieri posse sine quadam artis ratione.« (die einen verwenden [pinsel­]striche, die anderen Maße, wieder andere bedienen sich des plas­ tischen Bildens, wieder andere benutzen bestimmte Vorschriften, um zu malen. daraus geht hervor, dass ohne einen gewissen sach­ und Kunstverstand nichts Großes geschaffen werden kann). Cortesi, De hominis doctis, S. 137

19.

ab 1492  leonardo da Vinci, Libro di pittura, i

die Malerei lässt sich nicht abformen wie die skulptur (8, fol. 3r). die Malerei erfasst die Körperumrisslinien; davon abhängig ist der Bildhauer bei der Vollendung sei­ ner statuen (23, fol. 12v). der kunstfertigen Malerei folgt die weniger vorzügliche skulptur, denn ihr hilft die natur aus (31, fol. 16v; 35, fol. 20r; 37, fol. 22v; 38, fol. 23r; 42, fol. 25v; 43, fol. 27r; 45, fol. 27v). der skulptur fehlen im Gegensatz zur Malerei die Farben (31, fol. 16v; 38, fol. 23r). die Bildhauerei, eine schweißtreibende mühevolle Kunst, ist im Gegensatz zur Malerei keine wissen­ schaft (35, fol. 20r; 36, fol. 20v; 40, fol. 24r). Anders als die Malerei verursacht die Bildhauerei keine Verwunderung (35, fol. 20r). der Bildhauer führt seine werke mit Körper­, der Maler mit Geistesanstrengung aus (36, fol. 20v; 39, fols. 23v–24r). der Bildhauer ist mit Marmorstaub bedeckt, der Maler bei der Arbeit elegant (36, fol. 20v). der Maler hat mehr Faktoren als der Bildhauer zu berücksichtigen (36, fol. 21v). die größere dauerhaftigkeit der skulptur ist nur ein Verdienst des Materiales (37, fol. 22v; 38, fol. 23r; 38, fol. 23v; 43, fol. 27r). Malerei übertrifft die skulptur an schönheit (37, fol. 22v). der Bildhauer macht nur zwei Ansichten einer Figur, was auch der Maler kann (37, fol. 22r; 43, fol. 26v). ein Maler kann leichter Bildhauer werden als ein Bildhauer Maler (37, fol. 22v). Bildhauerwerke sind im Gegensatz zu Malwerken nichts wert ohne Beleuchtung (37, fol. 22v; 38, fol. 23r; 44, fol. 27r). nicht überzeugend sind die hintergründe von Bildhauerwerken im Gegensatz zu denen der Malerei (38, fol. 23r). Anders als Maler können Bildhauer keine durchsichtigen, leuchtenden oder reflektierenden Gegen­ stände darstellen (38, fol. 23r; 40, fol. 25r, 41, fol. 25v).

III/C: Malerei oder/und Skulptur im Vergleich mit dem Buch/Dichtung im Quattrocento (Auswahl)

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der Bildhauer könne schwerer als der Maler Fehler ausbessern; aber wer Fehler begehe, sei ohnehin kein Meister (38, fol. 23v; 43, fol. 26v). die Malerei arbeitet mit schein, der Bildhauer nur mit sein (45, fol. 27r) Libro di pittura, ii die Malerei ist der skulptur überlegen, weil sie rund hervortreten lässt, was nicht erhaben ist (59, fol. 33v). Libro di pittura, iii der Maler dürfe bei jugendlichen Körpern keine harten schatten, wie der stein [des Bildhauers] es aufweise, machen, da Fleisch ein wenig durchsichtigkeit habe (419, fol. 135r). 20. 1499 Hypnerotomachia Poliphili (im Vergleich mit einem skulpturalen Zierwerk)

»in questo dicto prato, di omni promiscua herba florigera molto più che ficta pictura […].« (eine Mischung aus blühenden pflanzen wuchs in diesem Feld, das viel schöner war als ein gemaltes Bild). Hypnerotomachia Poliphili, I, fol. T5r, Bd. I, S. 300 mit der Abbildung dieses Zierwerkes

Appendix III/C Malerei oder/und skulptur im Vergleich mit dem Buch/der dichtung im Quattrocento (Aus­ wahl) 1.

ca. 1402 Vergerio, De ingenuis

»Quod autem libris bene mandatum est perpetuo manet nisi pictura forsitan aut excisio marmorum, aut fusio metallorum, potest etiam tale quiddam paestare […].« (was jedoch Büchern anvertraut ist, bleibt für ewig erhalten, und nicht einmal Malerei, Marmor­ skulptur und Metallguss können solches leisten.) Vergerio, De ingenius, fol. D4r; ÜS nach Pfisterer, 2002, S. 265

(Vgl. vor 1404: Fiano, Contra oblocutores, s. 159 [skulptur – dichtung] 1447 und 1452: Guarino, Epistolario, Bd. ii, s. 492, nr. 805 und s. 590, nr. 864 ca. 1430: Andrea Biglia, Oratio de laudibus disciplinarum, in: Müllner, 1899, s. 83 ca. 1443–1452: Alberti, De architectura, Viii, 4) 2.

ca. 1463 Angelo camillo decembrio, De politia litteraria »se quidem librorum copiam, sed nullam eiusmodi picturarum signorumve familiaritatem habere, quod ad legendum veledocendum hominem nihil pertinere arbitraretur.« (er [einer der sprecher] besaß, wie er sagte, eine Fülle von Büchern, aber er habe keine innere Bin­ dung dieser Art zu Gemälden und statuen, denn er meinte, dass sie nichts mit lesen oder Belehrung zu tun hätten). Decembrio, De politia litteraria, VI, cap. 68, 20, S. 431; vgl. VI, cap. 68, 21, S. 431

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Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit

Malerei – dichtung 1.

1356–1366 petrarca, De remediis utriusque fortunae, i, cap. 43, nach der ed. Keßler (mit Üs), s. 84–85 (»de librorum copia«) (nicht jeder eignet sich zum dichter) »Quisque itaque pingere aliquid in membranis manuque calamum versare didicerit, scriptor habebi­ tur, doctrinae omnis ignarus, expers ingenii, artis egens.« (daher wird jeder, der etwas auf pergament zu malen und die Feder geläufig zu handhaben gelernt hat, als ›schriftsteller‹ gelten, wie unwissend in aller Gelehrsamkeit, bar allen Geistes und entblößt vom Kunstverstand er auch sein mag.) (Vgl. Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, I, cap. 43 (»Dell’abondanzia de’ libri«), Bd. I, S. 207)

2.

ca. 2. Drittel des Trecento Orcagna (?), Gedicht: Che cosa sia amore, vv. 5–8 (Orcagna übertrifft dichter wie homer) […] così Omero, e così naso maggiore, e Virgilio, e li altri han ciò mostrato: Ma come tutti quanti abbino errato Mostrar lo intende l’Orcagna pittore. […]

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(so zeigten homer, Vergil und naso sie [die liebe], Und and’re noch, versessen, sie [sc. die liebe] zu preisen: Zu zeigen aber, wie sie alle irrten, das ist die Absicht von Orcagna, dem Maler.) Schede magliabechiane, zitiert nach Kreytenberg, 2000, S. 224 (mit der ÜS von Moshe Kahn/Tobias Eisermann); vgl. 1462: »Homerum pictorum« (Pisanello), in: Documenti e Fonti su Pisanello, 1995, S. 172, Nr. 79

3.

1396 Vergerio in einem Brief (der dichter solle in der nachahmung dem einen Besten folgen wie die Maler) »[…] unum aliquem eundemque optimum habendum esse, quem precipuum imitemur, propterea quod tanto fit quisque deterior quanto inferiorem secutus a superiore defecit. Faciendum est igitur quod etatis nostre pictores, qui, cum ceterorum claras imagines sedulo spectent, solius tamen ioti exemplaria sequuntur.« (es ist geboten, dass ein einziger, den wir als herausragenden nachahmen, für den Besten gehalten werden muss. denn man fällt von dem höheren ab, je schlechter das Vorbild ist, desto schlechter gerät man selbst. wir müssen daher das tun, was die Maler unserer Generation tun. Obwohl sie die berühmten Gemälde genau studieren, folgen sie dennoch den Vorbildern des einzigartigen Giotto.) Vergerio, Epistolario, S. 177 (Panofsky, [1960] 1990, S. 329; Baxandall, 1971, S. 43; Pfisterer, 2002, S. 275)

4.

1416 Guarino da Verona an Giovanni Querini (Verweis auf die größere Bildlichkeit der schrift) »Qua in re versabam animo quanto vivacior sit quae litteris quam quae penniculo ante oculos affertur effigies et eo magis quod in hoc sola corporis et muta quidem lineamenta cernuntur, illis vero sonus et

III/C: Malerei oder/und Skulptur im Vergleich mit dem Buch/Dichtung im Quattrocento (Auswahl)

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viva explicatur oratio. Quanto igitur maior ciceroni atque demostheni quam phidiae aut Zeusi gloria celeberitasque debetur.« Guarino, Epistolario, Bd. I, S. 125, Nr. 59

5.a 1420–1426 leonardo Bruni, De interpretatione recta

»[…] Aristotelis libros, qui omni pictura nitidiores ornatiores sunt […]« (…die Bücher des Aristoteles, die viel glänzender und klarer sind, als jede Malerei…) Bruni, De interpretatione recta, Widmungsbrief, S. 74

5.b ebenda: »neque einim poeta, si malos fecit versus, laudem meretur, etsi bonos facere conatus est, sed eum reprehendemus atque carpemus, atque carpemus, quod ea facere aggressus fuerit que nesciat. et statuarium vituperabimus, qui statuam deformarit, quamvis non per dolum, sed per ignorantiam id fecerit. Ut enim ii, qui ad exemplum picture picturam aliam pingunt, figuram et statum et ingressum et totius corporis formam inde assumunt nec, quid ipsi facerent, sed, quid alter ille fecerit, meditan­ tur: sic in traductionibus interpres quidem optimus sese in primum scribendi auctorem tota mente et animo et voluntate convertet et quodammodo transformabit eiusque orationis figuram, statum, ingressum coloremque et liniamenta cuncta exprimere meditabitur.«

(ein dichter, nämlich, der schlechte Verse macht, verdient kein lob, selbst wenn er versucht hat, gute zu machen, sondern wir tadeln und verurteilen ihn, weil er sich mit dingen beschäftigt, die er nicht beherrscht. Und wir werden den Bildhauer tadeln, der eine statue missgestaltet hat, so sehr er sie auch nicht aus Unwillen, sondern aus Unkenntnis gemacht hat. wie denn [auch] die, die als Vorbild für ein Gemälde ein anderes Gemälde nehmen, von dem sie die Gestalt, die haltung, die Bewegung und die Form des ganzen Körpers ableiten, [nur] dieses da machen und nicht nachdenken, was sie [selbst] machen würden, sondern was dieser andere Maler gemacht hat: so wird sich auch der gute Übersetzer mit all seiner denkkraft, seiner sensibilität und seinem willen wandeln und so in den ursprünglichen Autor des textes hineinversetzen und darauf sinnen, von diesem die struktur, die position, den Zugang, den Anstrich und jeden entwurf zu übernehmen.) Bruni, De interpretatione recta, 13, S. 84

6.

ca. 1420–1425? cennino cennini, Libro dell’arte (die Malerei steht an zweiter stelle nach der wissenschaft, würdig, von der dichtung gekrönt zu werden; Vergleich Malerei – dichtung) Cennini, Libro dell’arte, cap. 1, S. 4

7.

1427 Francesco petrarca/Giovanni da san Miniato, De’ rimedii (Bücher sind – anders als die Bildkünste – für die seele) »[…] i libri sieno trovati per ornare l’anima; e non usano i libri altrimenti che s’usino i vasi corintii, o le tavole dipinte o le statue […].« Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, I, cap. 43, S. 204

8.

1433/1435 Georg von trapezunt, Rhetoricorum libri, ii, s. 153–156 (Vergleich: Vorgehen des Malers und des rhetors)

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Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit 9.

nach 1435 Antonio pacini im widmungsbrief seiner Timoleon­Vita an cosimo de’Medici (ein Vergleich der varietas in der Malerei des Zeuxis mit der in der Geschichtsschreibung) Ms. Urb. lat. 446; Pade, 2007, Bd. II, S. 87

10.

ca. 1442 leon Battista Alberti, Momus (ein Maler sieht mehr als ein philosoph) »referam quae non a philosopho (nam vestra omnis ratio nisi in argutiis et verborum captiunculis versatur) sed a pictore quodam memini audivisse. is quidem lineamentis contemplandis plus vidit solusquam vos omnes philosophi caelo commensurando et disquirendo.« (ich will dir etwas erzählen, das ich nicht von einem philosophen gehört habe (denn eure ganze weis­ heit besteht nur aus spitzfindigkeiten und wortverdrehungen), sondern von einem Maler, woran ich mich noch gut erinnere. der sieht nämlich, wenn er sich in die Umrisse der dinge vertieft, viel mehr als all ihr philosophen zusammen mit euren Abmessungen und Untersuchungen über den himmel). Alberti, Momus, IV, S. 354/355 (ÜS nach der Ed. Michaela Boenke)

11.

1450 Guarino da Verona an Giovanni pratesi (der dichter drückt sich besser als der Maler aus) »Quis pictor aptius corporis lineamenta, quis vivendi praeceptor mores magis quam hic ipse comicus [sc. terenz] expressit?« Guarino, Epistolario, Bd. II, S. 527, Nr. 823

12.

1451 Francesco Barbaro im Brief an Bartolomeo Facio (unfertige Malerei – unfertige dichtung) »ideoque te hortor ut non sicut Apelles Veneris caput summa arte perfecit, reliquam autem partem cor­ poris, sicut scriptum est, inco[h]atam reliquit, sed ita mores illius principis et actiones explices […].« (Und daher ermuntere ich dich, damit das Geschriebene nicht, wie Apelles den Kopf der Venus mit höchster Kunst vollendet hat, aber die teile des Körpers übrig bleiben, gleichsam unfertig zurück­ bleibt, dass du vielmehr so die sitten jener Fürsten und taten erklären sollst). Barbaro, Epistolario, Bd. II, S. 743, Nr. 375

13.

2. Drittel des Quattrocento Giovanni Antonio campano, Gedicht ›de miseria poetarum‹ (zum elend der dichter im Verhältnis zum Maler) »Vade qua semper populi vagantur […] Vate remoto. sed suum nunque pretium laboris sentiunt Vates alios et aurum Vastit et gemmae miseris poetis tria lacerna est. pictor ex pictae pretio figurae de tuba vivit tubicen canora pascit omnes ars sua sola damno Musa poetae.

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III/C: Malerei oder/und Skulptur im Vergleich mit dem Buch/Dichtung im Quattrocento (Auswahl)

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(Gehe, wo die Menschen immer umherschweifen […] den dichter beiseite gestellt. Aber die dichter spüren niemals den lohn ihrer Mühen, andere machen das Gold und die edelsteine riesig, und die armen dichter haben nur einen abgenutzten Kapuzenmantel. der Maler lebt vom preis der gemalten Gestalt, der Musiker vom tubaklang. Jeden ernährt ihre Kunst, nur die Muse des dichters ist verdammt.) Campano, Opera omnia, fol. EE5r (vgl. Petronius, Satyrica, 83–84)

14.

60er Jahre des Quattrocento Benedetto Accolti 1460er Dialogus de praestanti virorum sui Aevi, hrsg. v. livio Mehus, Florenz, 1745, s. 68 (Bei rednern könne man kaum die Vielfalt der rede und Argumente aufzählen; dies gelte nicht für Maler, Architekten und Meister anderer Künste): »inter oratores ipsos dicendi agendique varietas vix potest ennarrari, vix inter pictores, architectos etiam et aliarum artium magistros.«

15.

ca. 1463 Angelo camillo decembrio, De politia litteraria (die Beschreibung mit den worten ist der Malerei überlegen) »nam quis pictor pulicem aut culicem in rostri tenuitate vel concavitate ut plinius maior effingat, cum de insectis animalibus miram naturae solertiam exprimeret?« (welcher Maler hat jemals die winzige Mundhöhle eines Flohs oder einer Mücke gemalt, wie es plini­ us der Ältere tat, als er die wunderbaren Fertigkeiten der natur bei insekten beschrieb). Decembrio, De politia litteraria, VI, cap. 68, 19, S. 431

16.

1473 coriolano cippico, Petri Mocenici Imperatoris Gestorum (im widmungsschreiben), s. 166 (Vergleich Maler – Biografienschreiber)

17.

vor 1480 Maturanzio, in seiner rede: ›eiusdem oratio de poetices cum aliis artibus cognatione, delectatione utilitateque‹, in: Maturanzio, Orationes, nr. 34, s. 217–218 (zum simonides­diktum)

18. ca. 1480–1495 niccolò da correggio, Rime (dichtung beruht auf innerer sicht, Malerei auf äußerer)

»Quel che un poeta o un pictor canta e finge l’uno a l’occhio interior, l’altro de fuori […].« Niccolò da Correggio, Rime, S. 145, Nr. 77, vv. 1–2

1

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| 19.

Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit vor 1481 Francesco di Giorgio, Trattati (zur erfindungsgabe von Malern, Bildhauern und dichtern anlässlich des erfinders des korinthischen Kapitells) »calimaco – come avviene che li scultori o pittori ampliando una cosa naturale, come a loro et a li poeti sempre è licito, formano una artificiale più ornata –, considerò tutto quello cesto inseme con [quel]le reflesse e ritorte frondi possere similitudine d’uno capitello.« (wie es geschieht, dass Bildhauer oder Maler, indem sie eine natürliche sache ausschmücken, wie es ihnen und den dichtern immer gestattet ist, ein geschmückteres Zierwerk gestalten – so erwog Kalli­ machos, dass der gesamte Korb zusammen mit diesen stengeln und eingerollten Zweigen einem Kapi­ tell ähneln kann.) Francesco di Giorgio, Trattati, Bd. II, S. 379 (vgl. Pfisterer, 1996, S. 123)

20. ca. 1490 paolo cortesi, De hominis doctis (Vergleich von dantes dichtung mit Gemälden)

»›ego vero negare non ausim flagrantissimum in dante et in petrarcha studium fuisse priscarum rerum; sed in dante tanquam in veteri pictura, detractis coloribus, nonnisi lineamenta delectant.‹« (ich aber würde nicht zu verneinen wagen, dass in dante und in petrarca der glühendste eifer für die altehrwürdigen dinge gewesen sei; aber bei dante erfreuen wie in einem Gemälde, nachdem die Far­ ben verschwunden sind, nichts als die Konturen.) Cortesi, De hominis doctis, S. 113

21.

vor 1496 callimachus experiente, Rhetorica (extensiver Vergleich: das Vorgehen des Malers und des rhetors) callimachus experiente, Rhetorica, s. 115–117; abhängig von Georg von trapezunt, Rhetoricorum libri, ii, s. 153–156 (ca. 1433/35); näheres s. cap. Viii.2, Anm. 1172

Appendix III/D skulptur – dichtung Antike

platon, Politeia, 588b–d, Bd. iii, s. 284 (über die darstellung von Mischwesen durch Bildhauer oder dichter) »dazu gehört ein tüchtiger Bildner […], da doch worte leichter zu handhaben sind als wachs und dergleichen, so sei es gebildet.« cicero, Pro Archia poeta, Xii, 30, vv. 12–18, s. 62/63 (Üs nach der ed. helmuth und Karl Vretska) »an statuas et imagines / non animorum simulacra sed corporum, / studiose multi summi homines reliquerunt: / consiliorum reliquere ac / virtutum nostrarum effigiem / nonne multo debemus / sum­ mis ingeniis expressam et politam?« (statuen und Bilder, / nicht der seele, sondern des Körpers Abbilder, / haben viele der bedeutendsten Männer mit Vorliebe hinterlassen: / unserer Gedanken und unserer leistungen Abbild, / müssen wir dies nicht viel eher hinterlassen, / von hohen Geistern gestaltet und durchgeformt?).

III/D: Skulptur – Dichtung

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cicero, Pro Archia poeta, 30 (Xenophons Agesilaus­Biografie übertrifft leicht alle gemalten oder gemeißel­ ten Bildnisse). cicero, Epistolae ad familiares, V, 7, s. 264/265 (das kleine Buch Xenophons übertrifft Gemälde und statuen) »unus enim Xenophontis libellus in eo rege laudando facile omnis imagines omnium statuasque supe­ ravit.« ebenda, Vii, 13, s. 392–393 (Üs nach der ed. helmuth Kasten) (Vergleich der signa) »haec signa meliora sunt quam in meo tusculano.« (das [die scherze in den Briefen] sind gute Zeichen [signa], bessere als die statuen auf dem tusculum). Quintilian, Institutio oratoria, iii, 7, 17, Bd. i, s. 354 (die Gegenüberstellung öffentlicher standbilder [»publice statuae«] mit geistigen denkmälern [»ingeniorum monumenta«]). AL, iV, s. 71 (die Überlegenheit der taten und schriften über das vergängliche Bild) AP, Vii, nr. 594 (das wahrhafte denkmal sind die hinterlassenen Bücher) cicero, Tusculanae disputationes, i, 34 (die Bildhauer sinnen auf nachruhm wie die dichter) Martial, Epigrammaton liber, i, 70, v. 1, vv. 6f., s. 82 (das kursierende [kleine] Buch soll sich nicht durch Kolosse aufhalten lassen) »Vade salutatum pro me, liber […] / nec te detineat miri radiata colossi / quae rhodium moles vincere gaudet opus.« Trecento 1.

1355 petrarca, Rerum familiarum libri, XiX, 3, 15, Bd. iii, s. 315 (Vergleich literarischer Zeugnisse mit numismatischen; dargestellte taten als Vorbild für die lebensführung)

2.

1351–1366 petrarca, Rerum familiarum libri, Vi, 4, 10f., Bd. ii, s. 80 »corporum nempe liniamenta statuis forsan expressius continentur, rerum vero gestarum morumque notitia atque habitus animorum haud dubie plenius atque perfectius verbis quam incudibus expri­ muntur; nec improprie michi videor diciturus statuas corporum imaginis, exempla virtutum.« (Möglicherweise drücken die statuen die eigenschaften des Körpers besser aus, aber der ruhm der taten und der sitten wie auch die eigenschaften der seele werden besser und mit größerer wahrheit durch die worte als mit dem Amboss ausgedrückt. es erschiene mir falsch, wenn du sagtest, dass die statuen Bilder der Körper, die exempla aber die Bilder der tugenden seien.)

3.

?1361–1374 petrarca, Familiarum rerum libri, XiV, 10, vv. 29–32, Bd. iV, s. 248 »sculpunt que rigido marmore durius heroas veteres sique forent, novos, eternam meritis et memorem notam Affixam calamo, nequa premat dies.«

30

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| 4.

Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit ca. 1364 Boccaccio, Trattaello in laude di Dante, s. 439 (vgl. auch s. 459) (man solle von der errichtung eines skulpturalen denkmals für dante zu Gunsten der Gattung absehen, mit der sich dante selbst ein denkmal errichtet habe) »[…] non con istatua o con egregia sepoltura, delle quali è oggi appo noi spenta l’usanza, né baster­ obbono à ciò le mie forze, ma con lettere povere a tanta impresa.«

5.

1374 Boccaccio, Epistolarum, XXiV (an Francesco da Brossano), in: Boccaccio, Opere latine minori, hrsg. v. Massera, Bari, 1928, s. 225 (Beargwöhnung des wertes eines gemalten oder skulpierten dichter­ denkmales, das nur wert für den Ungebildeten besitze) »sepulcrum autem illi erigi laudo […]. satis tamen credibile est quoniam in conspectu eruditorum parvi momenti erit, cum sepulti virtutes, non ornamenta cadaverum prospectentur a talibus, quibus ipse se sole clariorem hactenus multis in voluminibus fecit; verum ignaris erit monimentum. horum enim libri sculpture sunt atque picture […];« (ich lobe aber, dass ein Grabmal für ihn [sc. dante] errichtet wird. […]. dennoch ist es recht leicht anzunehmen, dass es aus der sicht der Gelehrten ein nur bescheidenes Monument sein wird, da es die tugenden des Beerdigten und nicht die äußeren ehren des Verblichenen sind, nach denen von diesen Ausschau gehalten wird. Mit seinen vielen Büchern machte er sich in ihren Augen strahlender als die sonne. Aber das Grabmal wird als erinnerung für die Unkundigen stehen: deren Bücher nämlich bestehen aus skulpturen und Gemälden […].)

6.

1397 pier paolo Vergerio im Brief v. 14. Oktober an lodovico degli Aliosi »an fortasse ducibus solis statuas habere licebit, cum tamen in illorum gestis dominetur fortuna, in horum studiis minimum; neque enim in rebus ingenii ullum est ius fortune; aut magis duces indigne ferent hunc honorem vatibus reddi, qui honorem et memoriam ex vatibus habent?« (es wird wohl nur den Fürsten gestattet sein, standbilder [von sich] zu besitzen, obwohl in ihren taten doch das Glück vorherrscht, in ihrem [geistigen] eifer aber am wenigsten. denn auch in geisti­ gen dingen besteht überhaupt kein recht auf Glück. Oder sind die Fürsten darüber verärgerter, dass diese ehre den dichtern zuteil wird, die die ehre und das Gedächtnis von den sehern haben?) Vergerio, Epistolario, Bd. I, S. 196–197

Quattrocento 1.

1420–1426 leonardo Bruni, De interpretatione recta (s. App. iii/c, nr. 5b)

2.

1429 Guarino da Verona, Epistolario, Bd. ii, s. 71, nr. 561 (Vergleich der Arbeitsweisen des dichters und des Bildhaues) Guarino, Epistolario, Bd. II, S. 71, Nr. 561

3.

ca. 1430 Gregorio correr, Liber satyrarum, s. App. iii/B, nr. 3

III/D: Skulptur – Dichtung 4.

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ca. 1430 Giovanni Fontana, Secretum de thesauro »Artifitialis autem est, quam manibus solus homo facit, ut rerum naturalium statue, vel picture, vel litere, vel similia, que[a]madmodum figura esculapii ex lapide, vel statua policleti aurea, vel note in carta vel plano conscripte.« Fontana, Secretum de thesauro, fol. 71r, S. 152

5.

vor 1431 leonardo Bruni an niccolò niccoli am 10. März »est autem hoc non marmor parium, non lapis numidicus, non phidiacum ebur, non corynthium vas, non statua ex aere, aut marmore fabricata, non aedificium, non pensiles horti, non cochlea colum­ na, non theatrum, non obeliscus, non signum, non tabula, non toreuma res mutae quidem, et puero­ rum oblectamenta, sed praestantissimorum virorum, eorum dico, quos stupidi legentes admirari, et quorum memoriam venerari solemus, vivam et animatam effigiem. Virum enim praestantissimum […].« (es ist aber nicht parischer Marmor, nicht numidischer stein, nicht phidiasisches elfenbein, nicht die korinthische Vase, nicht die statue, die aus erz oder Marmor gefertigt ist, nicht der palast, hängende Gärten, die trajansäule, das theater, der Obelisk, noch das standbild, das Gemälde, die getriebene Arbeit, nämlich schweigende dinge, noch Zeitvertreib der Knaben, sondern hervorragende Männer, von denen ich sage, die die törichten sammler bewundern und deren Gedächtnis wir zu verehren pflegen, das lebendige und beseelte Bild. denn der Mann ist hervorragend […].« Leonardo Bruni, Epistolarum libri VIII, III, Nr. 9, hrsg. v. James Hankins, [1741] Rom, 2007, Bd. I, S. 80; vgl. bei Seneca die Feststellung, ein Bild sei tot (Seneca, Ad Lucilium, XI, 84, 8).

6.

1444 Flavio Biondo im Brief an leonello d’este v. 13. 11. 1444 »[…] et pii illius Aeneae Vergiliani caput marmore excisum visitur, tanta fabricatum arte, ut, si quid habeo in sculptura iudicii, superet capitum millia, quae adhuc integra habet urbs roma; fuitque Aeneas vere, si marmoris effigiem pariabat, qualem facit eum Vergilius, a Venere procreatus et e nos­ tris, quos vidimus, sigismundo, occidentalium imperatori, adsimillimus.« ([…] und das haupt jenes rechtschaffenen Aeneas bei Vergil, das aus Marmor herausgehauen wurde, wird besichtigt. es wurde mit so großem künstlerischen Können gefertigt, dass es – falls ich mir in der Bildhauerei überhaupt [als dichter] ein Urteil erlauben darf – bedeutender als die tausend häupter, die die untadelige stadt rom bis heute hervorgebracht hat, ist. Und es war fürwahr der Aeneas – falls er das Abbild aus Marmor geschaffen hat – wie ihn Vergil [in der Aeneis] beschrieben hat: von Venus gezeugt und einer der Unsrigen, die wir erlebten, dem Kaiser der westlichen welt sigismund voll­ kommen ähnlich). Flavio Biondo, Francisco Barbaro viro clarissimo, nach Scritti inediti e rari di Biondo Flavio, hrsg. v. Bartolomeo Nogara, Rom, 1927, S. 158

7.

1446 Guarino in einem Brief von 1446 (er vergleicht den entwurf und die Ausarbeitung eines schrift­ stücks mit Arbeit eines Bildhauers) »principio conducet operi ut committendarum memoriae rerum summam quandam confusamque veluti massam conficias, prout extemporaria excogitatio indigesta suppeditaverit et inelaborata conce­ perit […]. totum quodammo indistinctis adhuc commixtisque partibus in pectore prius, deinde in

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Appendix III: Quellen zum Paragone in der Literatur der Frühen Neuzeit tabulis reconditum maneat; qui mos statuariis est, qui equum ante vel taurum dolare solent, quam aut caput aut humeros crurave designent: ›Ut quaedam sic non manifesta videri Forma potest hominis, sed uti de marmore coepta non exacta satis rudibusque simillima signis‹, quemadmodum ingeniosus poeta depinxit. Magnum siquidem levamen ingenii comparatur, posito ante oculos acervo, dehinc pro locis temporibusque, prout usus tulit, sibi quasi e cella penaria res ipsas depromere, depromptas dis­ tribuere, distributas ornare.« (Zu Beginn ist es einem werk zuträglich, daß man sozusagen eine unstrukturierte Masse des dem Gedächtnis einzuprägenden stoffes anhäuft, so daß eine noch ›unverdaute‹, mehr oder weniger spon­ tane Gedankensammlung zur Verfügung steht und in noch ungeordneter Form aufgenommen ist […]. Alle diese irgendwie ungeordneten und zusammengemischten teile bleiben zuerst in der Brust, dann auf dem ›notizpapier‹ verborgen. wie es auch unter den Bildhauern üblich ist, daß sie ein pferd oder einen stier [aus einem steinblock] herausarbeiten – entweder den Kopf oder die schultern oder die Beine […]). Guarino, Epistolario, Bd. II, S. 460 (ÜS nach Pfisterer, 2002, S. 304f.); zu dieser Sequenz auch Uberto Motta, Antonio Querenghi (1546–1633), Mailand, 1997, S. 128

8.

ca. 1450 Francesco patrizi, De regno et regis institutione, iii, s. lXXii–lXXV (Vergleich zwischen Büchern und werken bildender Künstler; letztere würden nicht die seele erfassen; patrizi bietet im Quattro­ cento vermutlich die extensivsten Ausführungen zu diesem thema überhaupt)

9.

1459 lilio tifernas, De pedestribus certaminibus (Vergleich der Bearbeitung eines Buches mit dem Vor­ gehen der Bildhauer)

»properanti mihi, beatissime patrum, eo in sacro ac Mantuano concilio hunc tibi librum occurrere sculptorum discipulos contigit imitari. illi enim rudem adhuc materiam instrumentis robustioribus domant magistrisque postmodum tradunt levigandam peritia et stilis lenioribus acutioribusque in effigiem venustatemque ducendam.« BAV, Ms. Chigi F.IV.104ff., fol. 1r; Tifernas, De pedestribus certaminibus, Widmungsschreiben v. 8. Juni 1459, zitiert nach Jaitner-Hahner, 1993, Bd. II, S. 465

10.

ca. 1463 Angelo camillo decembrio, De politia litteraria, Vi, cap. 68, 21, s. 431 (suetons cäsar­Biografie ist nur für den intellekt, eine cäsar­Büste auch für die Augen bestimmt) »tum leonellus interdixit: ›nempe caesarum ego vultus non minus singulari quadam admiratione aereis nummis inspiciendo delectari soleo – nam idcirco ex aere frequentiores quam ex auro argentove superfuerunt –, quam eorum staturas; uti suetonii vel aliorum scriptis contemplari, quod intellectu solo percipitur‹.« Decembrio, De politia litteraria, VI, cap. 68, 21, S. 431

11.

1464 Marsilio Ficino, In Philebum, i, cap. 11, in: Ficino, Opera, Bd. ii/2, s. 1217 (Göttliche namen ver­ dienen größere Verehrung als Götterstatuen, weil das Bild des Gottes durch ein Kunstwerk des Geis­ tes besser wiedergegeben werde als durch manuell gefertigte werke). »rei autem divina quoque vis est; quare dei nomina cum illis divina vis insit venerari debemus, multo etiam magis quam delubra statuasque deorum. expressior enim imago dei in mentis artificio quam manuum operibus reservatur.«

III/D: Skulptur – Dichtung 12.

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1499 Bartholomeo Merula, P. Ovidii Nasonis libri de tristibus cum […] commentariis […] »poeta […] mandat […], ut sculptor imaginis loco legatur opus met[amorphoseon] in xv libellos digestum […] carminibus me magis poteris intueri quam ulla sculptura.« Merula, P. Ovidii Nasonis libri de tristibus cum […] commentariis […], Venedig: Ioannes de Cereto de Tridino, 1499, zu Ovid, Tristia, 1, 7, 11–14

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Appendix iV Bildzeugnisse

Appendix IV/A Katalog zu illustrationen der Anfangsverse von horaz, Ars poetica dieses Verzeichnis führt einige bildhafte reflexe auf die horaz­Verse über die Freiheit von Malern und dichtern auf; s. die eingangsverse der Ars poetica, vv. 1–13. Maßangaben erfolgen nur, sofern sie publiziert sind. 1.

11. Jh. Unbekannter illustrator von horaz, Opera (BAV, Ms. reg. lat. 1701, fol. 60r)

technik: auf pergament Maße: 25,70 × 17,5 cm (Glossenhandschrift) Bild: Als Mischwesen (nach links) gestaltete initiale: h(umano) zum ersten Vers der Ars poetica. lit.: Kostbarkeiten der Buchkunst, hrsg. v. Giovanni Morello, stuttgart und Zürich, 1996, s. 72. 2.

12. Jh. horaz, Opere (BMl, Ms. pluteo 34.12, fol. 61v)

technik: ungeklärt Bild: Frontal dargestelltes Mischwesen mit Frauengesicht, pferdehals, Flügeln und Fischflosse. lit.: Animali fantastici, Ausstellungskatalog (Florenz, Biblioteca laurenziana; 01.04.– 15.07.2007), hrsg. v. Fabrizio Monaci et alt., Florenz, 2007, Kat.­nr. 11, s. 30–31.

Appendix IV/A: Katalog zu Illustrationen der Anfangsverse von Horaz, Ars poetica 3.

ca. 1460 werkstatt von Benozzo Gozzoli, Musterbuch (rotterdam, Museum Boymans­van Beuningen, fol. 31r)

technik: skizze Bild: ohne illustration text: hochrechteckiges Blatt mit teilen des horaz­Zitates von vv. 9–10: »pictOriBVs AtQVe pOetis seM/ per FVit et erit eQVA pOtes/tAs«. lit.: pfisterer, 1996, s. 118, Abb. 1; Ames­lewis, 2000, s. 167, Abb. 84.

4.

gegen 1500 nicoletto da Modena, Phantastische Kreaturen an einem Baum (v. a. in london, paris, Madrid, paris­roth)

technik: Kupferstich Bild: Zwei oder drei Mischwesen mit pferdehufen und ­körper: eines von ihnen hat einen Vogelkopf, die anderen einen schafartigen Kopf. sie winden sich um einen zentralen laubbaum: eines hängt lässig im Geäst, die anderen winden sich um den stamm. Zwei stoßen in ein horn. lit.: The Illustrated Bartsch, 1971–2000, Bd. XXV, s. 250–251, nr. 115. 5.

1501 Jacopo di Antonio Giallo (zugeschrieben), horaz, Opere, Venedig: Aldum romanum, 1501 (BMl, elci 651, fol. K1r)

technik: handkoloriertes Buch Bild: An die initiale h(VMAnO) angeschlossenes Bild eines Mischwesens (nach links) mit Menschengesicht, teils mit gefiedertem leib. lit.: Animali fanastici, 2007, Kat.­nr. 23, s. 66–67.

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Appendix IV: Bildzeugnisse

Appendix IV/B Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento das Verzeichnis enthält eine Auswahl wichtiger Bildhauerdarstellungen aus dem Quattrocento. Künstler, die primär als Medailleure tätig waren, wurden nicht erfasst. Unberücksichtigt bleiben auch darstellungen mythischer Bildhauer (wie prometheus, Vulkan/hephaistos, pygmalion). die wenigen hier nicht abgebildeten werke sind unten mit der Abkürzung o. A. vermerkt.

1.

ca. 1414–1416 nanni di Banco, Santi Quattro Coronati

Florenz, Orsanmichele, nordfassade, Mittelnische typus: Vier stehende Bildhauerstatuen ohne Attribute als patrone der ›Arte dei Maestri di pietra e legname‹ technik/Material: Marmor Maße: h. ca. 183 cm (in einer polychromen nische) Quellen: 1423 von Gregorio dati; 1510 von Albertini, Memoriale; ca. 1518 von Antonio Billi; ca. 1537–1546 Anonimo Magliabechiano lit.: poeschke, 1990, s. 84, Kat­nr. 37, Abb. 37; catherine King, »narrative in the representation of the Four crowned Martyrs. Or san Michele and the doge’s palace«, in: Arte Cristiana, 79, 1991, s. 81–89; Butters, 1996, Bd. i, s. 175–179; Mary Bergstein, The Sculpture of Nanni di Banco, princeton n. J., 2000, Kat.–nr. 1.6. 2.

ca. 1416/1417 nanni di Banco, Maurer, Steinmetz, Architekt, Bildhauer

sockelrelief zu den Santi Quattro Coronati (s. o.) mit den vier repräsentanten der ›Maestri di pietra e legname‹ typus: der Bildhauer meißelt an einem putto technik/Material: Marmor lit.: s. o. zu nr. 1; niehaus, 1998, s. 124ff., Abb. 12; Bergstein, 2000, s. 116, Abb. 100; pfisterer, 2002, s. 113, Abb. 17.

Appendix IV/B: Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento 3.

1404–1424 lorenzo Ghiberti, Selbstbildnis (benachbart zum Bildnis zu Vittorio Ghiberti)

Florenz, Bapisterium, nordtür typus: herausragender Kopf des Bildhauers mit sendelbinde technik/Material: Bronze inschrift: »OpVs lAVren/tii FlOrentini« lit.: Krautheimer, [1956] 1982, s. 9–10, Abb. 136a; poeschke, 1990, Abb. 7.

4.

1430–1460 Jacopo Bellini, Bildhauer, detail aus: Zeichnung: Auszug Christi aus Jerusalem zum Kalvarienberg und Christus, das Kreuz tragend

aus: skizzenbuch, paris, Musée du louvre, r. F. 1480, index 29 typus: (im Vordergrund) Bildhauer gebeugt, an einer statue meißelnd technik/Material: Zeichnung lit.: eisler, 1989, Abb. 140. 5.

ca. 1445 Filarete, Selbstbildnis in Medaillenform

rom, hauptportal von Alt­st. peter a. Außenseite (linker türflügel, unteres Bildfeld): von zwei tritonen gehaltene Medaille mit dem profilbildnis Filaretes nach rechts b. innenseite (rechter türflügel, unteres Bildfeld): von zwei Genien gehaltene Medaille mit der Aufschrift »OpV/s / AntO/nii« typus: Bildhauer/Architekt technik/Material: Bronze lit.: warnke, 1992, s. 109, Abb. 1–2; Marschke, 1998, Abb. 39; hans hubert, »Filarete – der Architekt als tugendfreund« in: Die Virtus des Künstlers, 2006, s. 31–54, s. 33; pfisterer, 2008, s. 101–102; Glass, 2012, s. 563, Abb. 22.

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| 6.

Appendix IV: Bildzeugnisse 1445 Filarete, Selbstbildnis mit Mitarbeitern

rom, auf der rückseite der Bronzetür von st. peter (ursprüngliche plazierung unklar) typus: tanzender Bildhauer/Architekt mit nach oben gerichtetem Zirkel technik/Material: Bronzerelief inschrift: Künstlersignatur (rechts und links der selbstdarstellung): »AntOniVs / et discipVli / Mei«; und (über dem Gefolge von schülern) »ceteris ∙ Opere ∙ pretiVM ∙ FAstVs ∙ [F?] VMVs ∙ Ve ∙ Mihi ∙ hilAritAs« (Meine helfer mögen sich der Arbeit rühmen – ich bin froh, dass sie getan ist [? schubring]) lit.: warnke, 1992, s. 110, Abb. 3; Marschke, 1998, Abb. 40; King, 1990, s. 298; woods­Marsden, 1998, s. 69; Ames­lewis, 2000, s. 236; Glass, 2012, s. 550, Abb. 2. 7.

1447 Buggiano (alias Andrea cavalcanti), Ehrenbildnis von Filippo Brunelleschi

Florenz, santa Maria del Fiore, langhaus typus: halbfigurenbildnis eines Bildhauers/Architek­ ten ohne Attribute als clipeata imago technik/Material: Marmor (polychrom) lit.: Marschke, 1998, Abb. 68; Ames­lewis, 2000, s. 91–92, hessler, 2007.

8.

vor 1452 lorenzo Ghiberti, Selbstbildnis (benachbart zum Bildnis Vittorio Ghiberti) Florenz, Baptisterium, Osttür typus: herausragender Kopf des Bildhauers in Gestalt einer clipeata imago technik/Material: Bronze inschrift: (Künstlersignatur) »lAUreИtii ciOИis de GhiBerti / MirA Arte FABricAtUM« ([diese Bronzetür ist] von lorenzo Ghiberti di cione mit wunder­ barer Kunstfertigkeit geschaffen worden) lit.: Krautheimer, [1956] 1982, s. 9–10, Abb. 136b; woods­Marsden, 1998, s. 65f.; catherine King, »the changing status of the Artist«, in: Italian Artists in Search of Virtue, Fame, and Honor c. 1450 – c. 1650, hrsg. v. emma Barker, new haven, 1999, s. 60; Ames­lewis, 2000, s. 235; hessler, 2007, Abb. 1.

Appendix IV/B: Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento 9.

1457–1468 Giovanni di Bartolomeo Bettini da Fano (zugeschrieben), Architekten und Bildhauer beim Bau eines Gebäudes

aus: Basinio da parma, Hesperis, Oxford, Bodleian library, Ms. canon. class. lat. 81, fol. 137r typus: steinmetze und Bildhauer (?) beim Bearbeiten von steinquadern für ein Gebäude technik/Material: auf pergament lit. The Painted Page, 1994, Abb. 30; Ames­lewis, 2000, s. 236–237. o. A. 10.

ca. 1460 lombardischer Künstler (cristoforo de predis?), Bildhauer [unterhalb der darstellung eines Malers]: detail von: Merkurbild

aus: De Sphaera, Modena, Biblioteca estense, Ms. lat. 209, fol. 11r typus: Bildhauer in Gehäuse beim Bearbeiten einer Frauenstatue technik/Material: auf pergament Maße: 17 × 24 cm lit.: The Painted Page, 1994, s. 75f., Kat.­nr. 18; De sphaera. Commentario all’edizione in facsimile del codice miniato a.x.2.14 = Lat. 209 della Biblioteca Estense Universitaria di Modena, hrsg. v. Gianni Venturi, Modena, 2010, passim.

11.

ca. 1461–1464 Bildnis Filaretes im Profil und als Schreiber, initiale (»e«)

aus: Antonio Filarete, Trattato d’architettura, Mailand, Biblioteca trivulziana, Ms. 863, fol. 1r (zerstört) typus: Bildhauer/Architekt im profilbildnis und am pult als Autor technik/Material: auf pergament inschrift: (Beischrift) »philAretOs O AntOniωΣ« lit.: warnke, 1992, s. 111, Abb. 4, hubert, 2006, s. 31, Anm. 1.

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| 12.

Appendix IV: Bildzeugnisse ca. 1460–1465 Filarete, Selbstbildnismedaille

in zwei exemplaren erhalten: london, Victoria and Albert Museum, inv.­nr. 194–1866 und Mailand, castello sforzesco, Gabinetto numismatico e Medagliere, inv.­nr. comune 363, Johnson­Martini, 1986, nr. 147 typus: (in Ovalform) a. selbstporträt eines Bildhauers im profil; b. tätiger Bildhauer, sitzend technik/Material: Bronze Maße: 8 × 6,70 cm a. Avers: profilbild nach rechts mit Bienen inschrift: (Künstlersignatur) »AntOniVs AVerlinVs ArchitectVs« b. revers: sitzender Filarete mit hammer und stemmeisen vor einem Baum inschrift: »Vt sOl AVGet Apes / sic nOBis cOMOdA princeps« (so wie die sonne die Bienen gedeihen lässt, so ist der Fürst uns gefällig) lit: warnke, 1992, s. 111, Abb. 5–6; woods­Marsden, 1998, s. 78f.; Ames­lewis, 2000, s. 234– 235, Abb. 127; hubert, 2006, s. 50; pfisterer, 2008, s. 101, s. 324, Anm. 814; Gesichter der Renaissance, 2011, Kat.­nr. 99. 13.

ca. 1464 Baccio Baldini, Bildhauer [unterhalb der darstellung eines Malers], detail aus: Merkurbild

aus der serie von planetenbildern, london, British Museum, inv.­nr. 1845, 0825.475 (zwei fast identische editionen) typus: (im Vordergrund) kniender Bildhauer, an einer Frauenstatue meißelnd technik/Material: Kupferstich Maße: 32,40 × 21,8 cm lit.: Le tems revient, 1992, s. 41; Renaissance Florence, 1999, Abb. 50. 14.

ca. 1466 Andrea Mantegna, Bildhauer und Steinmetze, detail im hintergrund des Gemäldes: Madonna mit Kind

Florenz, Galleria degli Uffizi, inv.­nr. 1348 typus: Bildhauer technik/Material: tempera auf holz Maße: 29 × 21,5 cm lit.: lightbown, 1986, Kat.­nr. 31, s. 435–436, tafel 212, Abb. 10 o. A.

Appendix IV/B: Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento 15.

vor 1470 Jacopo Bellini, Szene im Hof mit einem Bildhauer am Werk

aus: Jacopo Bellini, skizzenbuch, london, British Museum, inv.­nr. 1855,0811.68 (fol. 68v) typus: Bildhauer, der an einer liegenden statue meißelt technik/Material: Zeichnung Maße: 41,60 × 33,60 cm lit.: eisler, 1989, s. 146, Abb. 50.

16.

1472 ›Meister des londoner plinius‹ (zugeschrieben), Bildhauer, initialbild (»M«)

aus: plinius/landino, Historia naturale, Venedig: nicolas Jenson, 1472, london, British library, ic 19662, Buch 35 typus: sitzender Bildhauer, der an einer clipeata imago meißelt technik/Material: handillustrierte inkunabel lit.: The Painted Page, 1994, s. 36, Abb. 24b.

17.

1473 Marcia als Malerin und als Bildhauerin

aus: Giovanni Boccaccio, De claris mulieribus, Ulm: Zainer, 1974, fol. 70v (vgl. edition Augsburg, 1479, fol. 92r) typus: Bildhauerin an einer werkbank bei der Bearbeitung einer holzstatue technik/Material: holzschnitt­illustration Maße: 30 × 21,5 cm lit.: Der Künstler über sich, 1989, s. 109, s. 131, Abb. 5. siehe Abbildungsteil: Abb. 30. 18. 70er Jahre Guglielmo lo Monaco (ca. 1434–1498), Selbstporträt, Medaillon neapel, palazzo reale (Bronzetür des castel nuovo; Basis, links) typus: Bildhauer im profil technik/Material: Flachrelief in Bronze lit.: Alison cole, Renaissance von Mailand bis Neapel, Köln, 1966, s. 65, Abb. 47; Le porte di Castel Nuovo. Il restauro, Ausstellungskatalog (neapel, Museo civico di castelnuovo, 18.09.–18.11.1997), hrsg. v. Marina santucci, neapel, 1997; Ames­lewis, 2000, s. 235–236; Burg, 2007, s. 200 o. A.

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765

766

| 19.

Appendix IV: Bildzeugnisse 1476 Monte di Giovanni, Bildhauer, initialbild (»r«) (incipit von plinius, Buch 36)

aus: plinius/landino, Historia naturale, Venedig: nicolaus Jenson, 1476, fol. 390v, Oxford, Bodleian library, Ms. Arch. G b.6 (Ms. douce 310) typus: Bildhauer, an einem Kapitell meißelnd, umgeben von steinen, säulen – im hintergrund eine Büste technik/Material: handillustriertes Buch auf pergament lit.: Renaissance Florence, 1999, s. 44.

20. 1476 Giovanni Vendramin (zugeschrieben), Bildhauer, initialbild (»r«) incipit von plinius, Buch 36

aus: plinius/landino, Historia naturale, Venedig: nicolas Jenson, 1472, o. s., holkham hall, nordfolk, the earl of leicester and the trustees of holkham estate, Ml c 52 Bn 1985 typus: kniender Bildhauer, mit dem hammer ausholend, neben ihm eine säule (initialbild in Grisaille, wie ein denkmal ausgeführt) technik/Material: handillustriertes Buch lit.: lilian Armstrong, »the illustration of pliny’s historia naturalis in Venetian Manuscripts and early printed Books, in: Manuscripts in the First Fifty Years of Printing, hrsg. v. Joseph B. trapp, london, 1983, s. 97–106, s. 99–100; The Painted Page, 1994, s. 172, Kat.­nr. 84. siehe Abbildungsteil: Abb. 15. 21.

ca. 1485–1490 Andrea Mantegna, Bildhauer, detail aus dem Gemälde: Schmerzensmann mit zwei Engeln

Kopenhagen, statens Museum for Kunst, r. M. sp. nr. 69 typus: (im hintergrund) Bildhauer und steinmetze am werk technik/Material: tempera auf holz Maße: 78 × 48 cm lit.: Kristeller, 1901, s. 327–330; Mantegna, 1992, s. 242f., Kat.­nr. 60, Abb. auf s. 243–244, o. A. 22. ca. 1484–1496 Antonio pollaiuolo, Selbstbildnis, rundbild

am Grabmal von innocenz’ Viii., rom, st. peter (verloren) typus: Bildhauer technik/Material: Bronze Quelle: pompeo Ugonio, Historia delle stationi di Roma, roma, 1588, fol. 97: »Questa opera [sc. das Grab von innozenz Viii.] fece Anntonio pollaiolo Fiorentino, che se stesso ancora in un canto della sedia vi si scolpì.« lit.: philipp Fehl, »death and the sculptor’s Fame. Artist’s signatures on renaissance tombs in rome«, in: Biuletyn Historii Sztuki, 59, 1997, s. 196–217, s. 199f.; wright, 2005, s. 2.

Appendix IV/B: Katalog zu Bildhauerdarstellungen im Quattrocento 23. vor 1493 ›Meister der Griselda‹, Zwei Bildhauer, detail aus dem Gemälde: Artemisia Mailand, Museo poldi pezzoli, inv.­nr. 1126/473 typus: Bildhauer am werk technik/Material: tempera und Öl auf holz lit.: tátrai, 1979, s. 27ff.; Francesco di Giorgio, 1993, s. 464, s. 467 (Farbabbildung) siehe Abbildungsteil: Abb. 25b. 24. ca. 1491–1500 Francesco Graziolo, Bildhauer

an der häuserfassade des wohnhauses des Architekten und Bildhauers Francesco Graziolo († 1536), Asolo, casa langobarda, Via santa caterina typus: Bildhauer mit dem Meißel über eine liegende statue gebeugt, rechts zu seiten eines Brunnens und eines Greifen [?]) technik/Material: steinrelief inschrift: »scVlptOres prOFessOres eXirVXer[…]ti«.

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767

768

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Apendix V: Schemata

schema 1 Bezug: cap. iii.1.

die sprecherkonfigurationen in der dialogliteratur über den paragone seit petrarca AUTOR

WeRk

DATUM SpRecheR

DIALOGTRADITIOn RAnGSTReIT(UnD LITeRARISche TYpUS TRADITIOn)

Petrarca, F.

De remediis utriusque fortunae, I, cap. 40–41

1366

›Ratio‹ (und ›Sensus‹) in Seneca, De remediis fortuitorum

Petrarca / Giovanni da San Miniato

De’ rimedii dell’uno e dall’altra fortuna, I, cap. 40–41

1427

Alberti, L. B.

Momus seu de principe, IV, S. 354

Vegio, M.

Carbone, L.

›Gaudium‹ ›Ratio‹

Disput zwischen Allegorien

›Gaudio‹ ›Ragione‹

›Ratio‹ (und ›Augustinus‹) in Augustinus, Soliloquia

1444– 1450 [1520]

›Momus‹

›Momus‹ in Lukian, Jupiter tragoedus und Götterversammlung

Rangstreit zwischen mythologischen Gestalten

Disceptatio inter terram solem et aurum

1452

›Terra‹ ›Aurum‹ ›Sol‹

mittelalterliche Rangstreitliteratur

ironischer Rangstreit zwischen Allegorien

De amoenitate, utilitate, magnificentia

1475– 1476

›Lodovicus‹ (= Autor) ›Agostino Bonfrancheschi da Rimini‹

(Philostrat, Imagines)

Disput zwischen Kunstinteressierten

Decembrio, A.

De politia litteraria, VI, cap. 68, 7; 68, 11

ca. 1463

›Leonello d’Este‹ ›Niccolò Strozzi‹ ›Guarino da Verona‹ ›Feltrino Boiardo‹

Ciceros Dialoge

höfischer Paragone

Filarete, A.

Trattato di architectura, XXIII, fol. 181r

1461– 1464

›Signor‹ (= Fürst) ›più altri‹ ›figura auctoris‹ (= Architekt [bzw. auch Bildhauer)

nicht eindeutig (mitunter: Vitruv)

Paragone im Kunsttraktat mit dialogischen Zügen

Collenuccio, P.

Misopenes

ca. 1490

›Chrysius‹ (»der Goldene«) ›Misopenes‹ (= Philosoph) ›Sophia‹

(Chrysius in Homer, Ilias) Platon (Lukian, Traum)

ironisch-satirischer Paragone

Cicero, Tusculanae disputationes

Schema 1 AUTOR

WERK

DATUM SPRECHER

DIALOGTRADITION RANGSTREIT(UND LITERARISCHE TYPUS TRADITION)

Gaurico, P.

De sculptura, I, cap. 1, S. 67

1504

›Pomponius‹ (= Autor) ›Regius‹ (= Raffaele Regio, Latinist) ›Leonicus‹ (= Leonico Tomeo, Aristoteliker aus Padua) ›Puer‹

Ciceros Dialoge

Paragone im Kunsttraktat mit dialogischen Zügen

Fiera, B.

De iusticia Pingenda

1515

›Mantegna‹ ›Momus‹

›Momus‹ in Lukian, Jupiter tragoedus und Götterversammung

Verleumdung (vgl. Lukian)

Guarna, A.

Simia

1517

›Petrus‹ (= Hl. Petrus) ›Bramante‹ ›Kardinal Alessandro Zambeccari‹

Lukians Dialoge

Verleumdung Lukianeskes Totengespräch

Leone, A.

De nobilitate Rerum

1525

›Bernardino Vicariese‹ Cicero, Tusculanae ›Francesco Mestrilli‹ Disputationes ›Vincenzo Charamonte‹ ›Bernardino Basile‹

Castiglione B.

Libro del Cortegiano, I, cap. 49–52

1528

›Graf Ludovico da Canossa‹ ›Signora Emilia‹ (= Witwe v. Antonio Conte di Montefeltro) ›Gian Cristoforo Romano‹ (= Bildhauer)

(narrativer Dialog)

Disput zwischen Kunstinteressierten

höfischer Paragone

Cicero, Tusculanae disputationes und De oratore Xenophon, Memorabilien

Holanda, F.

Da pintura antiga, II, (»Diálogo da pintura em a cidade de Roma«), fols. 117vff.

1548

›Holanda‹ ›Lattanzio Tolomei‹ ›Michelangelo‹ ›Vittoria Colonna‹

Ciceros Dialoge

Paragone zwischen Kunstinteressierten

Pino, P.

Dialogo di Pittura

1548

›Fabio‹ (= Florentiner) ›Lauro‹ (= Venezianer)

Ciceros Dialoge

Städteagon

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770

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Apendix V: Schemata AUTOR

WeRk

DATUM SpRecheR

DIALOGTRADITIOn RAnGSTReIT(UnD LITeRARISche TYpUS TRADITIOn)

Petrarca/ Nannini

De rimedi, I, cap. 40–41 (Volgare-Ed.: Venedig/ Gioliti)

1549

›Allegrezza‹ ›Ragione‹

›Ratio‹ (und ›Sensus‹) in Seneca, De remediis fortuitorum

Disput zwischen Allegorien

Doni, A. F.

Disegno

1549

›Natura‹ ›Arte‹ ›Pittore‹ (= Paolo Pino) ›Scultore‹ (= Silvio)

›Natura‹ in Alanus ab Insulis, De plantu natura

Rangstreit zwischen Allegorien

I marmi, III, Bd. II, S. 20f.

1552

›Peregrino‹ ›Fiorentino‹ ›Aurora‹ (v. Michelangelo)

Lukian, Der doppelt Angeklagte Lukian

Rangstreit mit sprechendem Kunstwerk

›Tribolo‹ ›Moschino‹ ›Ridolfo del Grillandaio‹

I, cap. 4, Bd. I, S. 51ff. (Bandinelli, B.) ? (verloren)

»Dialoghi con Giotto sopra la scultura e disegno« (Zitat Bandinelli)

vor 1552

›Giotto‹ ? ›Bandinelli‹ ?

?

?

Dolce, L.

Dialogo di pittura, S. 92ff., 108, 184

1557

›Pietro Aretino‹ (= Venezianer) ›Giovan Francesco Fabrini‹ (= Florentiner)

Cicero

Städteagon

Lomazzo, G. P.

Libro dei sogni, cap. 5–6

ca. 1563

›Leonardo‹ ›Phidias‹

Lukian, Totengespräche Platon, Symposion

Rangstreit zwischen Künstlern (antichi – moderni) als Lukianeskes Totengespräch

›Phidias‹ in Dion von Prusa, Olympische Rede Xenophon, Memorabilien

Schema 1 AUTOR

WeRk

DATUM SpRecheR

Gilio, A.

Due dialoghi

1564

›Troilo Mattioli‹ (= Cicero Jurist) ›Francesco Santi (= Dichter und Händler) ›Ruggiero Coradini‹ (= Kanoniker und Gelehrter) ›Vincenso Peterlino‹ (= Jurist) ›Pulidoro Saraceni‹ (= Arzt) ›Silvio Gilio‹ (= Jurist)

Paragone zwischen Kunstinteressierten

Borghini, R.

Il Riposo

1584

›Bernardo Vecchietti‹ Cicero, Tusculanae Disputationes (= Kunstmäzen) ›Baccio Valori‹ (= päpstl. »governatore« von Florenz) ›Girolamo Michelozzi‹ ›Ridolfo Sirigatti‹ (= Bildhauer)

Paragone zwischen Kunstinteressierten

Fonte, M.

Il merito delle donne, 2. Tag, S. 159–169

vor 1592

›Cornelia‹ ›Regina Adriana‹ ›Lucrezia‹ ›Elena‹ ›Leonora‹ ›Verginia‹

höfischer Paragone (unter Frauen)

Erklärungen: In der Tabelle sind nur diejenigen Sprechfiguren eines Dialoges aufgeführt, die im Abschnitt über den Paragone zum Einsatz kommen. Unter den Sprechfiguren sind die Namen bildender Künstler mit Fettdruck hervorgehoben.

DIALOGTRADITIOn RAnGSTReIT(UnD LITeRARISche TYpUS TRADITIOn)

Ciceros Dialoge

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771

772

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Apendix V: Schemata

schema 2A Bezug: cap. iii.2.2.

der beste antike Maler nach der Bewertung im trecento und im Quattrocento Zeitpunkt

ZeUXIS

ApeLLeS

Antike

v. a. Xenophon, Memorabilien, I,4,3 Lukian, Zeuxis, 3; indirekt Phaedrus, Fabeln, V, ›Prologus‹

v. a. Plinius, NH, XXXV, 79 Cicero, Brutus, 71

Trecento 1356–1366

Petrarca, De remediis, II, cap. 4, S. 408 »Chous Aegei maris brevis insula […] tulit […] scultorum ac pictorum principes […] Phidiam et Apellem, ut intellegi poßit ingeniorum magnitudini locorum angustias non opstare.«

1372

Petrarca, Rerum senilium libri, XV, 3, 6, Bd. IV, S. 2074 (Petrarca, Opera omnia, Bd. II/1, S.1051) »Et pictores facere solitos, et sculptores, quod specialiter de Apelle pictorum principe scriptum est.«

1357–1363

Boccaccio, De mulieribus claris, cap. 37, Bd. X, S. 146 »Zeusis heracleotes, illius seculi famosissimus pictor et prepositus ceteris […].«

1373–1375

Boccaccio, Esposizioni sopra la comedia, zu V, 103, Bd.VI, S. 305 »[…] Zeusis eracleate, il quale per ingegno e per arte tutti i suoi contemporanei e molti de’ predecessori trapassò.«

1375

1396

Chiose sopra Dante, S. 76 (zu Inferno, IX, vv. 52ff.) »[…] dipintore chaveva nome appelles coe ilmigliore dipintore chavesse ilmondo inquel tempo«. Salutati, Epistolario, Bd. III, S. 114 »[…] Heracleoti Zeusi, qui […] temporibus suis arte pingendi floruisse […].«

Schema 2a Zeitpunkt

ZeUXIS

Quattrocento 1427

ApeLLeS Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, II, cap. 4 (»De patria vile«), Bd. II, S. 47 »E Cous, che è una picciola isola del mare Egeo, generóe Fidia e Apellen, che furon principali maestri de’dipintori e de’ scolpitori.«

1435

Alberti, De pictura, III, 56, S. 300 (vgl. Della pittura) »Zeuxis, praestantissimus et omnium doctissimus et peritissimus pictor […].«

spätestens 1436

Palmieri, Della vita civile, II, S. 94 »Seguitando in questo lo exemplo di Zeusis, sommo / pictore.«

1437

Alberti, Apologi, S. 54, Nr. 32 »Simulacrum Zeusis dicebat emptori: ›Optimus me pictor genuit‹.«

1441

Leonardo Bruni im Brief an Lauro Quirini (Baron, 1928, S. 84) »Artifex enim quandam perfectionem, et habitum in arte sua consecutus, ut Apelles in pictura […].«

vor 1446

Leonardo Giustinian im Brief an die Königin von Zypern (Baxandall, 1971, S. 162) »[…] Apelle aetatis suae lectissimo potissimum […].«

ca. 1447–1455

Ghiberti, I commentarii, I, 8.10., S. 72 »Ma Appelle avanzò quelli furono innanzi a ·llui, e quelli che sono, e que saranno«

ca. 1458–1460

Porcellio, De arte fuxoria, S. 138 »APELLES. sopra tuti ialtri pintori.«

1481

Landino, Comento, ›Proemio‹, cap. 6, Bd. I, S. 241 »tra’quali el primo grado tiene Apelle da tutti reputato etiam ne’futuri secoli insuperabile.«

1484

Sabadino degli Arienti, Gynevera de le clare donne, S. 65 »[…] Appelles, excellentissimo de tutti li picturi […].«

1489

Perotti, Cornucopiae, Sp. 600 »Apelles quoque, qui pictura omneis superavit.«

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773

774

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Apendix V: Schemata

schema 2B Bezug: cap. iii.2.2.

der beste antike Bildhauer nach der Bewertung im trecento und im Quattrocento Zeitpunkt

pOLYkLeT

Antike

v. a. Xenophon, Memorabilien, I, 4, 3; Cicero, Brutus, 70

Trecento 1. Hälfte 14. Jahrhundert

Pieraccio Tedaldi, Sonett IV, 1 »Il sommo antico maestro Policreto« Poeti giocosi del tempo di Dante, hrsg. v. Mario Marti, Mailand, 1956, S. 720

ca. 1330–1340

L’Ottimo Commento della Divina Commedia, S. 154 »[…] Policreto, nota qualunque più sommo artifice d’intagli fu mai; […].«

ca. Mitte 14. Jh. – *5 Belege zu Polyklet in Petrarca: ca.1374 Canzoniere, Nr. 77, v. 1; Familiarum rerum libri, V, 17; De remediis, I, cap. 41; Rerum senilium libri, II, 3 und XI, 17, 9

phIDIAS

*13 Belege von Phidias im Werk Petrarcas: Familiarum rerum liber, I, 1, 37; V, 17 (2 x); VI, 2,13; XVIII, 5, 4; De remediis, I, cap. 41; II, cap. 4 (»De ignobili patria«), S. 408: »Chous Aegei maris brevis insula […] tulit […] scultorum ac pictorum principes […] Phidiam et Apellem, ut intellegi poßit ingeniorum magnitudini locorum angustias non opstare«; II, cap. 88; II, cap. 96 (»De caecitate«), S. 687; Canzoniere, Nr. 130, v. 10; Africa, VIII, v. 910; Rerum senilium libri, II, 3 und XI, 17, 9 + 2 weitere Belege in seinen Anmerkungen zu Quintilian (Ms. Parigino lat. 7720, zu X, 10, 7–9; und zu Plinius d. Ä. (BNF, Ms. lat. 6802, fol. 255)

ca. 1375–1380

Benvenuto de Rambaldis De Imola, Comentum super Dantis, S. 279 »[…] ›Policreto‹, qui fuit maximus artifex statuarum […].«

Ende 14. – Anfang 15. Jahrhundert

Commento alla Divina Commedia, Bd. II, S. 172 »Secondo che scrive Plinio, Pulicreto fu greco et magiore maestro d’intagli che fosse mai inanzi a lui, et forse poi«.

* nach quantitativen Gesichtspunkten

Schema 2b Zeitpunkt

POLYKLET

Quattrocento Anfang 15. Jahrhundert

Chiose alla Commedia, S. 127 »Policrato […] fuisse Grecum optimum celatorem […].«

1415–1453

*3 Belege von Polyklet in den Briefen Guarinos: Guarino, Epistolario, Bd. I, S. 521; Bd. I, S. 557, Nr. 386; Bd. II, S. 590, Nr. 864

PHIDIAS

*10 Belege von Phidias in den Briefen Guarinos: Guarino, Epistolario, Bd. I, S. 74, Nr. 27; S. 123, Nr. 58; S. 125, Nr. 59; S. 567, Nr. 395; Bd. II, S. 117; S. 64, Nr. 554; S. 112, Nr. 586, S. 210, S. 279, Nr. 684; S. 594, Nr. 865

vor 1425

Gherardi, Il Paradiso degli Alberti, I, 103, S. 33 »Fidia, [piu] il mirabile scultore, […].«

1427

Petrarca/Giovanni da San Miniato, De’ rimedii, I, cap. 41 (»Delle statue«), S. 199 »[…] e Fidias, che fue sommo maestro di ciò […].« ebenda, II, cap. 4 (»De patria vile«), Bd. II, S. 47 »E Cous, che è una picciola isola del mare Egeo, generóe Fidia e Apellen, che furon principali maestri de’dipintori e de’ scolpitori.«

ca. 1451

Tortelli, De ortographia, s. v. »Polycletus« »Polycletus […] fuit teste Plinio in XXXIIII. naturalis historiae statuarius sua etate maximus […].«

1452

Manetti, De dignitate, II, 40, S. 60 (vgl. III, 8, S. 70) »De Praxitele, Phidia, et Policreto, optimis et excellentissimus statuariis […].«

ca. 1447–1455

Tortelli, De ortographia, s. v. »phidias« »phidias: naturalis histo[ria]. statuarius sua aetate maximus.«

Ghiberti, I commentarii, I, 6.20, S. 59 »nanzi a tutti gl’altri statuarii fu excellentissimo Fidia Atenese […].« I, 6.22, S. 59–60 »[…] si togleva il più perfecto scultore che in quello tempo st trovasse. La prima e più perfecta fu quella di Fidia […].«

ca. 1461–1464

Filarete, Trattato, VII, Bd. I, S. 183 »[…] Pulicreto fu rè.«

* nach quantitativen Gesichtspunkten

Filarete, Trattato, XIX, Bd. II, S. 575 »Intra gli altri Phidia teneva a presso di sé come eccellente di più cose e massime nell’arte grafichimata, cioè appartenente al disegno delle figure […].«

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775

776

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Apendix V: Schemata Zeitpunkt

pOLYkLeT

1462–1464

phIDIAS Piccolomini, Commentarii, IV, 202, Bd. I, S. 286 »quas optimi sculpsere artifices maiori ex parte senenses, nec Phidia nec Praxitele inferiores:«

1465–1471

Francesco Patrizi, De institutione Reipublicae »[…] laudem meruit, ut diligentia et decore Policletus, cui plaerique plamam […].« (Pfisterer, 2002, S. 583, Nr. 62)

ca. 1472

Niccolò Perotti, In P. Papinii Statii Silvarum Expositionem, zu II, 2, 67 »Polycletus supra caeteros.« BAV, Vat. lat. 6835, fol. 80r (zitiert nach Pfisterer, 2002, S. 584, Nr. 63)

1474

Stefano Talice da Ricaldone, Commento alla Commedia di Dante Alighieri, S. 270 »[…] Policretus, qui summus lapicidia […].«

ca. 1480

Ognibene Bonisoli, Opus Valerii Maximi, Venedig: Peregrini Pasquale und Dionysius Bertochus, 1485, fol. ZIr »optimus sculptor«

1480–1481

Poliziano, Commento Stazio, zu I, 1, s. v. »Atticus senior«, S. 174–176 »[…] summam manum ipse Phidias«; »[…] Phidian clarissimum esse per omnes gentes«; »Phidias […] melior artifex traditur […].«

1481

Landino, Comento, Purgatorio, X, v. 32ff., Bd. III, S. 1202 »Policreto, o qualunque altro optimo scultore, […].«

1486

Antonio da Crema, Iternario al Santo Sepolcro, S. 59 »[…] Policleto, praestantissima laude de l’arte de tutti li altri […]«

1489

Perotti, Cornucopiae, s. v. »Polycletus« Polycletus, qui statuarius maximus fuit […].«

Schema 3

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schema 3 Bezug: cap. iV.2.1. Unter den Kunstwerken themengleichen inhaltes werden im Folgenden sowohl reale werke auf­ geführt, als auch nur literarisch imaginierte. entscheidend für uns ist allein die hohe wahrscheinlich­ keit von bewussten Gegenentwürfen in verschiedenen Medien.

themengleiche werke in verschiedenen Kunstgattungen (Auswahl) TheMA

kUnSTGATTUnGen

künSTLeR

QUeLLe

Der Vater des ziseliertes Silber – Dichtung Roscius berichtet den Beschauern von seinem schlangen-umwundenen Knaben

Pasiteles – Archias

Cicero, De divinatione, I, 79

Bildnis von Alexander dem Großen

Malerei – Skulptur – Steinschneidekunst

Apelles – Lysipp – Pyrgoteles

Himerios, s. App. II/G-a

eine Heldengestalt oder ein Götterbild

Skulptur – Malerei

Skopas – Parrhasius Horaz, Carmina, IV, 8, vv. 6–7

Herkules und Antäus

Malerei – Skulptur (Gemälde: ca. 1470 – Bronzestatuetten: ca. 1470))

Antonio del Pollaiuolo

Der Blut spendende Erlöser in der Glorie

Malerei – Skulptur Lorenzo Lotto – (Gemälde: 1543/1544 – Jacopo Sansovino Bronzerelief: ca. 1550–1565)

Gemälde in Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. 1845 Relief in Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung, Inv.-Nr. 1642

Der Kampf von David gegen Goliath

Skulptur – Malerei (Tonskulptur: 1550/1551 – doppelseitig bemalte Schieferplatte: 1550/ 1551)

Daniele da Volterra

Vasari, Le vite, VII, S. 61 (Gemälde im Musée du Louvre – Skulptur verloren)

Der Zwerg Morgante

Malerei – Skulptur (doppelseitig bemaltes Gemälde: vor 1553 – Kleinbronze: ca. 1582)

Bronzino – Giambologna

(Gemälde in Florenz, Galleria degli Uffizi, Inv.-Nr. 1890– 5959 – u. a. Kleinbronze in Avignon, Musée Calvet

Gemälde in Florenz, Galleria degli Uffizi, Inv.-Nr. 1890, Nr. 1478 Bronzegruppe in Florenz, Museo Nazionale del Bargello, Inv. Bronzi, Nr. 280

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Apendix V: Schemata TheMA

kUnSTGATTUnGen

Venus und Cupido

Zeichnung – Malerei Michelangelo – (Karton ca. 1533 – Gemälde: Pontormo ca. 1533

künSTLeR

QUeLLe Vasari, Le vite, VI, S. 277 (Karton vgl. nach Michelangelo in Neapel, Museo di Capodimonte) – Gemälde in Florenz, Galleria dell’ Accademia, Inv.-Nr. 1890, N. 1570)

schema 4 Bezug: cap. Vi.5.

pieros rekurs auf petrarcas Trionfi im Montefeltro­Diptychon peTRARcAS »TRIOnFI«

ReFLeXe AUF DIe »TRIOnFI« In pIeROS DIpTYchOn

1. TRIUMphUS cUpIDInIS Protagonist:*Amor und ein »vittorioso e sommo duce« (1, v.13)

 Amor (als Wagenlenker beider Triumphwagen)  Federico als einer der »SVMMIS DVCIBUS« (s. Diptychon-Inschrift)

Zugtier: °Schimmel

 Schimmel (als Zugtier des Wagens von Federico)

Sonstiges:

    

Siegeswagen (»trionfal carro«; 1, v. 15) Fede (2, v. 69) und Speranza (2, v. 68) Fortuna (2, v. 34) als ambivalente Fama weiße Säule der Fortitudo (»candida colomba«; 3, v. 90) »chiara fama« (4, v. 11) (s. Diptychon-Inschrift)

2. TRIUMphUS pUDIcITIAe Protagonist: Pudicizia

 Battista als zweite Laura

Zugtier: Einhorn

 Einhorn (als Zugtier von Battistas Wagen)

Sonstiges:

 Säule der Fortitudo (»colonna«; 1, v. 120)

3. TRIUMphUS MORTIS TeIL 1 Protagonist: Tod (»una donna involte in veste negra, 1, v. 31«)

 verstorbene junge Frau mit geschlossenen Augen (Battista Sforza) (»parea posar come persona stanca«; 2, v. 168) (s. Battista Sforza)  Caritas in Schwarz mit Pelikan (als personifizierte Todesursache Battistas)

Zugtier: Büffel Sonstiges:

 schwarzes Wagentuch  karger Weg  Abwendug der Speranza (»speranze cieche«; 1, v. 129)

Schema 4 peTRARcAS »TRIOnFI«

ReFLeXe AUF DIe »TRIOnFI« In pIeROS DIpTYchOn

TeIL 2 Protagonist: Liebespaar (im Venushimmel)

 Battista und Federico in himmlischen Sphären (Bildnisseiten)

ohne Zugtier Sonstiges:

 Blinder (»come un cieco rimaso«; 2, 3): (Einäugigkeit Federicos)  im Herzen nie getrennt (»Mai diviso / da te fu ’l mio cor«; 2, vv. 88–89) (s. Medaillon)

4. TRIUMphUS FAMAe Protagonist: Fama

 Fama (hinter Federico)

Zugtier: Elefant/Schimmel

 Schimmel

Sonstiges:

 Erdenrund und ewiger Weg (»la strada ritonda ch’è infinità«; v. 30) (s. Pieros Panorama)  lorbeergekrönter Sieger (Federico)

5. TRIUMphUS TeMpORIS Protagonist: Zeit/Chronos

 Tag-Nacht, bzw. Jugend-Alter (drei Lebensalter); Lichtgestalt/Sonne

Zugtier: Hirsch Sonstiges:

6. TRIUMphUS eTeRnITATIS Protagonist: Gott ohne Zugtier Sonstiges:

 Spiegel zur Selbstbetrachtung (»or ò dinanzi agli occhi un chiaro specchio / ov’io veggio me stesso«; vv. 56–56); s. Spiegel der Prudentia und von Battista (Bildnisseiten)  Liebespaar als Selige im Himmel  Panorama als Weltenrund (»un mondo / novo […] eterna […] / tutto ’l ciel disfar a tondo«; vv. 21–23), als ›Buch der Welt‹ zur Gotteskenntnis  Erkennen kein Stückwerk mehr (»E le […] parti sue vidi ristrette / ad una sola«; vv. 28–29)

* Faktisch nennt Petrarca nur die Protagonisten des ersten Triumphes auf ihrem Wagen. Aber es war möglich, sich die Themenkreise der anderen Triumphe mit Personifikationen auf ihrem Wagen vorzustellen, und dies wurde mit dem Aufkommen der Trionfi-Illustrationen zur Bild-Konvention. ° Petrarca selbst nennt keine Zugtiere; auch sie haben sich erst in Trionfi-Illustrationen in der oben angegebenen Weise herausgebildet.

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Bibliographie

die nachfolgenden titelzitate folgen der schreibweise und interpunktion der konsul­ tierten Ausgabe; nur das »&«­Zeichen wurde in Buchstaben aufgelöst und das »u«, sofern es die Bedeutung eines »v« hat, in ein solches verwandelt. Angesichts der hohen Zahl der konsultierten, nicht immer bekannten Quellenschriften seit der dantezeit erschien es zur raschen Orientierung sinnvoll, jeweils das datum der editio princeps oder das der entstehungszeit anzugeben. dies geschieht wie folgt: diese Jahreszahlen sind hervorgehoben: diejenigen in eckigen Klammern hinter den Buchtiteln beziehen sich auf das erscheinungsdatum der erstauflage, die in runden Klammern auf die entste­ hungszeit der schriften.

1. Abkürzungen Folgende Kürzel stehen für folgende Bibliotheken AsM AsV BA BAV BcA BcB BeF Bh Bl BMl BM BnF BncF Bncr BnM BQ BrF

= = = = = = = = = = = = = = = = =

Archivio di stato di Mantova Archivio segreto del Vaticana Biblioteca Ambrosiana, Mailand Biblioteca Apostolica Vaticana Biblioteca communale Ariostea, Ferrara Biblioteca civica, Bergamo Biblioteca estense, Ferrara Bibliotheca hertziana, rom British library, london Biblioteca Medicea laurenziana, Florenz Biblioteca nazionale Marciana, Venedig Bibliothèque nationale, paris Biblioteca nazionale centrale di Firenze Biblioteca nazionale centrale di roma Biblioteca nacional, Madrid Biblioteca Queriniana, Brescia Biblioteca riccardiana, Florenz

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Anhang

BsBM KB ÖnB rl sBBpK wci

= = = = = =

Bayerische staatsbibliothek, München Kunstbibliothek, Berlin Österreichische nationalbibliothek royal library, windsor castle staatsbibliothek preußischer Kulturbesitz, Berlin warburg and courtauld institute, london

Folgende siglen stehen für folgende Zeitschriften und serien AfKg ALV AP

= = =

ArtBull BAGB BurlMag DBI DS FAZ GazBArts GDLI GSLI HWPh

= = = = = = = = = =

HWR IMU IS JWCI LGB

= = = = =

LMA JHI Mitt. Florenz PL

= = = =

RepKw RIS

= =

RömJb RQ TRE VS WRJb ZfÄsth ZfK

= = = = = = =

Archiv für Kulturgeschichte Achademia Leonardi Vinci. Journal of Leonardo Studies and Bibliography of Vinciana Anthologia Palatina: Die griechische Anthologie, hrsg. v. Dietrich Ebener, 3 Bde., Berlin und Weimar, 1981 The Art Bulletin Bulletin de l’association Guillaume Budé The Burlington Magazine Dizionario Biografico degli Italiani, rom, 1960ff. Dante Studies Franfurter Allgemeine Zeitung Gazette des Beaux-Arts Grande dizionario della lingua italiana, hrsg. v. salvatore Battaglia, turin, 1961ff. Giornale storico della letteratura Italiana Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. v. Joachim ritter et alt., darmstadt, 1971ff. Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. v. Gerd Ueding, tübingen, 1992ff. Italia medioevale e umanistica Italian Studies Journal of the Warburg and Courtauld Institutes Lexikon des gesamten Buchwesens, hrsg. v. severin corsten et alt., 7 Bde., stuttgart, 1987–2004 Lexikon des Mittelalters, München und Zürich, 1980–1999 Journal of the History of Ideas Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz Patrologiae cursus completes, Series Latina, hrsg. v. Jacques p. Migne, 221 Bde. (218–221 indices), paris, 1844­1864 Repertorium für Kunstwissenschaft Rerum Italicarum Scriptores, hrsg. v. lodovico A. Muratori et alt., 34 Bde., turin, 1723ff. Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte/Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana Renaissance Quarterly Theologische Realenzyklopädie, Berlin und new York, 1977ff. Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. v. hermann diels et alt., Berlin, 81956 Wallraf-Richartz-Jahrbuch Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft Zeitschrift für Kunstgeschichte

Bibliographie

Alphabethisches Verzeichnis der siglen B Bd. / Bde. cap. dok. fol. frg. L Ms. / Mss. N n. F. NH o. A. o. p. orig. o. s. reprogr. s. s. a. sc. Üs z.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Alessandro Braccesi Band / Bände Kapitel dokument folio Fragment cristoforo landino Manuskript/Manuskripte naldo naldi neue Folge Naturalis historia ohne Abbildung ohne paginierung Originalausgabe ohne seitenzählung reprografischer siehe sine anno scilicet Übersetzung Zeile

weitere, nicht fachspezifische Abkürzungen entsprechen dem allgemeinen Gebrauch.

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Anhang

2. Archivalien Bergamo, BcB, MA 450, fol. 1r–90r (già sigma 4.1) Guarino, De significatione verborum (2. h. 15. Jh.): Guarino da Verona, De significatione verborum Erfurt, wissenschaftliche Bibliothek (Amploniana): Ms. lat. Fol. 131 dionigi da Borgo san sepolcro, Lectura (1316–1317): Fratre dyonisio de burgo, Lectura primi libri sententiarum […] Florenz: BrF: Ms. ricc. 149, fols. 1r–7r lukian, De Somnio (ca. 1434): (ins lateinische übersetzt von lapo da castiglionchio) London : Bl, Ms. Additional 41068/A, fols. 1r–324v Bembo, sog. Zibaldone (2. h. 15. Jh. – Anfang 16. Jh.): Bernardo Bembo, Zibaldone —, Bl, Ms. harl. 3475, fols. 1r–40v platina, Epitome (ca. 1463): platina (= Bartolomeo sacchi), Epitome (zur Naturalis historia von plinius d. Ä. an Agostino Maffei) Madrid : BnM, Ms. Vit­22­1 (vgl. Micro 3186c) petrarca, Canzoniere­Madrid: Francesco petrarca, Canzoniere (= Sonetti, Canzone et Triumphi) Oxford, Bodleian library: Ms. can. class. lat. 156, fols. 1rff. Ficino, Commentarium: Marsilij Ficini, Commentarium in Platonis Convivium Platonis de amore (Autograf) Paris, Bn: Ms. lat. 7879, fols. 2r–50r Fonte, De poetice (1490–1492): Bartolommeo della Fonte, De poetice ad Laurentium Medicem libri III Vatikan, BAV: Ms. Urb. lat. 1193, fol. 113v Ferabos, Epigramm (ca. 1465–1466): Giovanni Antonio Ferabos, Imago eiusdem Principis a Petro Burgensi Venedig, BM: Ms. Marc. lat. ii 55 (= 2922), fol. 8r–14v Ovid, La Saphos mulieris poetissae (1450–1451): (Bernardo Bembos Abschrift von Ovid, Heroides XV) Versus Lactantii reperti in quodam libro Aurispae, la Saphos mulieris poetissae ad amasium epistola traducta per Ovidium Nasonem, il M. Valerii Messalae Corvini ad Octavianum Caesarem Augustum de progenie sua et regiminibus inclitae urbis Romae breve compendium

Bibliographie

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3. Gedruckte Quellen und hilfsmittel Quellenschriften der Antike und des Mittelalters vor dante Ad Herennium: Rhetorica ad Herennium, lateinbisch – deutsch, hrsg. v. theodor nüßlein, Zürich, 1994 Albertus Magnus, De mineralibus: Albertus Magnus, De mineralibus, mit einem Vorwort von Günther Goldschmidt, Basel, 1983 Ambrosius, Isaac vel anima: Ambrosius, Isaac vel anima. Über Isaak oder die Seele, lateinisch – deutsch, hrsg. v. ernst dassmann, turnhout, 2003 Äsop, Fabeln: Äsop, Fabeln, hrsg. v. rainer nickel, Griechisch – deutsch, düsseldorf und Zürich, 2005 Apuleius, Apologia: Apuleius, Verteidigungsrede. Blütenlese, lateinisch – deutsch, hrsg. v. rudolf helm, Berlin, 1977 —, Metamorphosen: Apuleius, Der goldene Esel. Metamorphosen, lateinisch – deutsch, hrsg. v. edward Brandt et alt., darmstadt, 1989 Athenaios, Das Gelehrtenmahl: Athenaios, Das Gelehrtenmahl. Buch XI–XV, eingeleitet und übersetzt von claus Friedrich, stuttgart, 2000 Augustinus, Confessiones: Aurelius Augustinus, Bekenntnisse, lateinisch – deutsch, eingeleitet, übersetzt und erläutert von Joseph Bernhart, mit einem Vorwort von ernst l. Grasmück, Frankfurt a. M., 1987 —, De civitate Dei: Augustinus, De civitate Dei, lateinisch – englisch, hrsg. v. George Mccracken, 6 Bde., cambridge Mass., 1957–1968 —, De magistro: Aurelius Augustinus, Der Lehrer. De magistro, hrsg. v. carl J. perl, paderborn, 1974 —, De quantitate animae: Aurelius Augustinus, Philosophische Spätdialoge, lateinisch – deutsch, Zürich, 1973 —, Enchiridion: Aurelius Augustinus, Enchiridion, nach PL, Bd. 40, sp. 231–290 Marc Aurel, Selbstbetrachtungen: Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, übertragen und mit einleitung von wilhelm capelle, stuttgart, [1932] 121973 Ausonius, Epigramme: Ausonius with an English translation by Hugh G. Everln White, 2 Bde., london und cambridge, 1961 Boethius, De topicis differentiis (521–522): Boetius’ ›De topicis differentis‹ und die byzantinische Rezeption dieses Werkes, hrsg. v. dimitrios Z. nikitas, paris und Brüssel, 1990 Brunetto latini, Tesoretto: Brunetto latini, Tesoretto, hrsg. v. dora Baker, stuttgart, 1979 cicero, Brutus: Marcus tullius cicero, Brutus, lateinisch – deutsch, hrsg. v. Bernhard Kytzler, München und Zürich, 41990 —, De inventione: Marcus tullius cicero, Über die Auffindung des Stoffes, lateinisch – deutsch, hrsg. und übersetzt v. theodor nüßlein, düsseldorf, 1998 —, De oratore: Marcus tullius cicero, De oratore. Über den Redner, lateinisch – deutsch, hrsg. und übersetzt v. harald Merklin, stuttgart, [1976] 21986 —, Pro Archia poeta: Marcus tullius cicero, Pro Archia poeta. Ein Zeugnis für den Kampf des Geistes um seine Anerkennung, hrsg. v. helmuth Vretska et alt., darmstadt, 1979 —, Orator: Marcus tullius cicero, Orator, lateinisch – deutsch, hrsg. v. Bernhard Kytzler, München und Zürich, 31988

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Anhang

curtius rufus, Alexander: Q. curtius rufus, History of Alexander, 2 Bde., hrsg. v. John c. rolfe, cambridge Mass., 1998 diogenes laertios, Leben: diogenes laertius, Leben und Lehre der Philosophen, aus dem Griechischen übersetzt und hrsg. v. Fritz Jürß, stuttgart, 1998 dion von prusa, Olympische Rede: dion von prusa, ΟΛΥΜΠΙΚΟΣ Η ΠΕΡΙ ΤΗΣ ΠΡΩΤΗΣ ΥΟΨ ΘΕΟΥ ΕΝΝΟΙΑΣ. Olympische Rede oder über die erste Erkenntnis Gottes (sapere 2), eingeleitet, übersetzt und interpretiert von hans­Josef Klauck, mit einem archäologischen Beitrag von Balbina Bäbler, darmstadt, 2000 —, Reden: dion chrysostomos, Sämtliche Reden, hrsg. v. winfried ellinger, Zürich und stuttgart, 1967 epiktet, Handbüchlein: epiktet, Handbüchlein der Moral und Unterredungen, hrsg. v. heinrich schmidt, stuttgart, 1959 Galen, De usu partium corporis humani: Galen, On the Usefulness of the Parts of the Body, hrsg. v. Margaret tallmadge May, 2 Bde., ithaca, n.Y., 1968 Gellius, Noctes Atticae: Aulus Gellius, Noctes Atticae, hrsg. v. peter K. Marshall, 2 Bde., [Oxford, 1968] Oxford, 1991 Gorgias von leontinoi, Reden: Gorgias von leontinoi, Reden, Fragmente und Testimonien, hrsg. mit Übersetzung und Kommentar v. thomas Buchheim, Griechisch – deutsch, hamburg, 1989 hesiod, Theogonie / Erga: hesiod, Theogonie, Griechisch – deutsch, hrsg. v. Albert v. schirnding, München, 1991 himerios, Reden: harald Völker, Himerios. Reden und Fragmente. Einführung, Übersetzung und Kommentar, wiesbaden, 2003 homer, Ilias: homer, Ilias, Griechisch – deutsch, übertragen von hans rupé, Zürich, 101994 —, Odyssee: homer, Odyssee, Griechisch – deutsch, übertragen von Anton weiher, mit Urtext, Anhang und registern von Alfred heubeck, Zürich, 1994 horaz, De arte poetica / Carmina: horaz, Sämtliche Werke, lateinisch – deutsch, hrsg. v. hans Färber, München, 111993 Kallimachos, Poemata: Callimachi Poemata. Graece et Germanice. Die Dichtungen des Kallimachos, übertragen, eingeleitet und erklärt von ernst howald et alt., Zürich, 1955 Kallistratos, Imagines: Kallistratos, Imagines, in: philostrat, Imagines, hrsg. v. Arthur Fairbanks, london und cambridge Mass., 1931 isidor, Etymologiarum libri: isidor v. sevilla, Etymologiarum sive originum libri XX, hrsg. v. wallace M. lindsay, Oxford, 1911 Juvenal, Satirae: Juvenal, Satiren, lateinisch – deutsch, hrsg. v. Joachim Adamietz, München, 1993 latini, Tesoretto: Brunetto latini, Tesoretto, hrsg. v. dora Baker, stuttgart, 1979 lukan, Pharsalia: lukan, Der Bürgerkrieg, lateinisch – deutsch, hrsg. v. Georg luck, Berlin, 1985 lukian, Die Bilder / Verteidigung der Bilder: lukian, Die Bilder, nach Lucian in eight volumes, hrsg. v. A. M. harmon (the loeb classical library), london und cambridge Mass., [1925] 1953, Bd. iV, s. 256–295; s. 326–335

Bibliographie lukian, Traum / Göttergespräche / Der Verkauf der philosophischen Sekte: [lukian], Die Hauptwerke des Lukian, Griechisch – deutsch, hrsg. v. Karl Mras, München, 1954 lukrez, De rerum natura (1. Jh. v. chr.): titus lucretius carus, De rerum natura. Welt aus Atomen, lateinisch – deutsch, hrsg. v. Karl Büchner, stuttgart, 1973 Macrobius, In somnium Scipionis: Macrobio,Commento al Somnium Scipionis, hrsg. v. Mario regali, 2 Bde., pisa, 1983–1990 Marc Aurel, Selbstbetrachtungen: Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, hrsg. v. wilhelm capelle, stuttgart, [1932] 121973 Martial, Epigrammaton liber / De spectaculis liber: M. Valerius Martialis, Epigramme, lateinisch – deutsch, hrsg. v. paul Barié et alt., düsseldorf und Zürich, 22002 nizami, Alexanderbuch (ca. 1200): nizami, Das Alexanderbuch. Iskandarname, hrsg. v. J. christoph Bürgel, Zürich, 1991 Ovid, Fasti: publius Ovidius naso, Fasti – Festkalender, lateinisch – deutsch, hrsg. v. niklas holzberg, darmstadt, 1995 —, Heroides: publius Ovidius naso, Liebesbriefe – Epistulae, lateinisch – deutsch, hrsg. v. Bruno w. häuptli, darmstadt und Zürich, 1995 —, Metamorphosen: publius Ovidius naso, Metamorphosen, lateinisch – deutsch, in deutsche hexamenter übertragen von erich rösch, hrsg. v. niklas holzberg, darmstadt, 1996 pausanias, Beschreibung Griechenlands: pausanias, Beschreibung Griechenlands, neu übersetzt, mit einer einleitung und erklärenden Anmerkungen versehen von ernst Meyer, Zürich, 1954 petronius, Satyrica: petronius, Satyrica. Schelmenszenen, lateinisch­ deutsch, hrsg. v. Konrad Müller et alt., München, 31983 phaedrus, Fabulae: phaedrus, Fabeln, lateinisch – deutsch, hrsg. v. eberhard Oberg, Zürich, 1996 philon von Alexandria, De gigantibus: philon von Alexandria, De gigantibus. Quod Deus dit immutabilis (les œuvres des philon d’Alexandrie [philo Judeus] 7.8), hrsg. v. André Mosès, paris, 1963 philostratos, Imagines: philostratos, Die Bilder, Griechisch – deutsch, hrsg. v. Otto schönberger, München, 1968 pindar, Siegeslieder: pindar, Siegeslieder, Griechisch – deutsch, hrsg. und übersetzt und mit einer einführung versehen von dieter Bremer, München, 1992 platon, Gorgias / Menon / Politeia / Sophistes / Phaidros: platon, Sämtliche Werke, hrsg. v. walter F. Otto et alt., in der Übersetzung von Friedrich schleiermacher, 6 Bde., hamburg, [1957–1959] 1991–1992 plinius, NH: c. plinius secundus d. Ä., Naturalis historia, hrsg. und übersetzt v. roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard winkler, 37 Bde. lateinisch – deutsch, München, 1973–1995 plinius/landino, Historia naturale s. s. v. plinius/landino (s. Quellenschriften seit dante) plinius d. J., Epistularum libri: Gaius plinius caecilius secundus, Epistularum libri decem, lateinisch – deutsch, hrsg. v. helmut Kasten, Zürich, 71995 plutarch, Moralia: Plutarch’s Moralia in Fifteen Volumes, hrsg. v. edwin Minar et alt., 15 Bde., london, 1961 —, Parallelbiographien: Große Griechen und Römer, hrsg. v. Konrat Ziegler, 6 Bde., Zürich und stuttgart, 1954–1965 properz, Carmina: properz – tibull, Liebeselegien. Carmina, lateinisch – deutsch, neu hrsg. und übersetzt von Georg luck, Zürich und düsseldorf, 1996

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Anhang

Quintilian, Institutio oratoria: Marcus Fabius Quintilianus, Institutionis oratoriae libri XII. Ausbildung des Redners: zwölf Bücher, hrsg. und übersetzt von helmut rahn, 2 Bde., darmstadt, [1988] 31995 Rhetorica ad Herennium: Rhetorica ad Herennium, lateinisch – deutsch, hrsg. und übersetzt von theodor nüßlein, München und Zürich, 1994 sappho, Lieder: sappho, Lieder, Griechisch – deutsch, hrsg. v. Max treu, München, [1954] 71984 seneca, De beneficiis / De brevitate vitae / Epistulae / De providentia: l. Annaeus seneca, Philosophische Schriften, hrsg. v. Mandred rosenbach, 5 Bde., darmstadt, 1999 statius, Achilleis: stace, Achilléide, hrsg. v. Jean Méheust, paris, 1971 sueton, De vita Caesarum: Gaius suetonius tranquillus, Die Kaiserviten. De vita Caesarum. Berühmte Männer, lateinisch – deutsch, hrsg. und übersetzt von hans Martinet, düsseldorf und Zürich, 1997 tertullian, De anima: tertullianus, De anima, lateinisch – deutsch, hrsg. v. Jan hendrick waszink, Amsterdam, 1933 —, De idolatria: tertullian, De idolatria, hrsg. v. door piter Gijsbertus van der nat, leiden, 1960 themistios, Orationes: Discorsi di Temistio, hrsg. v. riccardo Maisano, turin, 1995 theognis von Megara, Elegien: théognis, Poemes Élégiaques, Griechisch – Französisch, hrsg. v. Jean carrière, paris, 1975 theophrast, De lapidibus: theophrastus, Von den Steinen. De lapidibus, hrsg. und kommentiert von Albrecht heinrich Baumgärtner, nürnberg, 1770 tibull s. properz Valerius Maximus, Facta et dicta: Valeri Maximi Facta et dicta memorabilia, hrsg. v. John Briscoe, 2 Bde., stuttgart, 1998 Varro, De lingua latina: M. terentius Varro, On the Latin Language, lateinisch – englisch, hrsg. v. roland G. Kent, 2 Bde., london, 1958 Vergil, Aeneis: Vergilius Maro, Aeneis, lateinisch – deutsch, hrsg. und übersetzt von Johannes Götte, in Zusammenarbeit mit Maria Götte, mit einem nachwort von Bernhard Kytzler, Zürich, 81994 —, Bucolica: Vergilius Maro, Landleben. Catalepton, Bucolica, Georgica, hrs. v. Johannes und Maria Götte und Vergil-Viten, hrsg. v. Karl Bayer, lateinisch – deutsch, darmstadt, 1995 Vitruv, De architectura: Vitruvii De architectura libri decem. Vitruv zehn Bücher über architectur, hrsg. v. curt Fensterbusch, darmstadt, [1961] 51991 Xenophon, Memorabilien: Xenophon, Erinnerungen an Sokrates, Griechisch – deutsch, hrsg. v. peter Jaerisch, München und Zürich, 41987

Quellenschriften seit dante Aldighieri, Commentarium (1340–1341) : Petri Allegherii super Dantis ipsius genitoris comodiam Commentarium, hrsg. v. Vincenzio nannucci, Florenz, 1845 Agli, Carmina (vor 1469) : pellegrino Agli, Carmina, nach Carmina illustrium poetarum Italorum, Florenz: tartinium et Franchium, 1719, Bd. i, s. 119–128 Agricola, De re metallica [1556] : Georg Agricola, De re metallica Libri XII: Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen, in deutscher Übersetzung von carl schiffner, Berlin, 1928

Bibliographie

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Anhang

Aretino, Lettere (1526–1555) : pietro Aretino, Lettere sull’arte di Pietro Aretino, hrsg. v. ettore camesaca, 3 Bde., Mailand, 1957–1960 Arfe y Villafañe, Quilatador [1572] : Juan de Arfe y Villafañe, Quilatador de la plata, oro y piedras, Valladolid: Alonso & Fernandez de cordova, 1572 Arienti, Gynevera [1484] : Joanne sabadino de li Arienti, Gynevera de le clare donne, hrsg. v. corrado ricci et alt., Bologna, 1888 Ariost, Orlando furioso (1516–1532) : [ludovico Ariosto,]Orlando furioso e cinque canti di Ludovico Ariosto, hrsg. v. remo cesarani et alt., 2 Bde., turin, 1997 Arnaldo da Brescia, De virtutibus herbarum [1491] : Arnaldo da Brescia, De virtutibus herbarum, Vicenza: leonardo Acate e Guglielmo da pavia, 1491 Augurelli, Iambici libri /Sermones /Carmina [1505] : Giovanni Aurelio Augurelli, [Poemata], Venedig: Aldi, 1505, o. s. Baldi, Della vita [1604] : Bernardino Baldi, Della vita e de’ fatti di Guidobaldo da Montefeltro, hrsg. v. Giovanni silvestri, 2 Bde., Mailand, 1821 —, Descrizione [1587] : Bernardino Baldi, Descrizione del palazzo ducale d’Urbino (1587), in: Vita e fatti di Federigo di Montefeltro, duca di Urbino, 3 Bde. Bologna, 1826, Bd. iii, s. 247–325 —, Vita e fatti di Federigo [1602–1603] : Bernardino Baldi, Vita e fatti di Federigo da Montefeltro, duca d’Urbino, hrsg. v. Francesco Zuccardi, 2 Bde., rom, 1824 Baldovinetti, I ricordi (1439–1473) : I ricordi di Alessio Baldivinetti (Frammenti inediti di vita fiorentina 1–2), hrsg. v. Giovanni poggi, Florenz, 1909 Barbaro, Prologus Themistios [1499] : Themistii Libri Paraphraseos, interprete Hermolao Barbaro (Venetiis 1499), hrsg. v. Karl lohr, Frankfurt a. M., 1978 —, Castigationes Plinianae [1497] : ermolao Barbaro, Castigationes Plinianae et in Pomponium Melam, hrsg. v. Giovanni pozzi, padua, 1979, Bd. iii Barbaro, De re uxoria (1415) : Francesco Barbaro, De re uxoria libri duo, haguenau: seceriana, 1533 —, Epistolario (1415–1451) : Francesco Barbaro, Epistolario, hrsg. v. claudio Griggio, 2 Bde., Florenz, 1999 Bargagli, I trattenimenti [1587] : scipione Bargagli, I trattenimenti (i novellieri italiani 33), hrsg. v. laura riccò, rom, 1989 Bartolomeo da Urbino, Milleloquium S. Augustini (ca. 1350) : Bartolomeo da Urbino [Bartholomeus hominis de taiuti], Milleloquium S. Augustini, lyon: senetonii, 1555 Barzizza, De imitatione (ca. 1415) : Gasparino Barzizza, De imitatione, nach George w. pigman, »Barzizza’s treatise on imitation«, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance, 44, 1982, s. 341–352 —, Orthographia (vor 1431) : Gasparino Barzizza, Orthographia. De verbis quibus frequentior usus est, Venedig: s. n., ca. 1520 Basini, Meleagris (1447–1448) : Andreas Berger, Die ›Meleagris‹ des Basino Basini, trier, 2002 Beccadelli, Hermaphroditus [1425] : Antonii Panhormitae Hermaphroditus (humanistica 10), hrsg. v. donatella coppini, rom 1990 Belcari, Abramo e Isaac (um 1440) : Feo Belcari, Abramo e Isaac, nach Il teatro italiano, hrsg. v. emilio Faccioli, Bd. i: Dalle origine al Quattrocento, turin, 1975, s. 133–149 Bellincioni, Le rime [1493] : Bernardo Bellincioni, Le rime (scelta di curiosità letterarie inedite o rare 151/160), hrsg. v. pietro Fanfari, 2 Bde., Bologna, 1876–1878 Bembo, Zibaldone (2. H. 15. Jh. – Anfang 16. Jh.) : Bernardo Bembo, Zibaldone s. london, Bl, Ms. Additional 41068/A, fols. 1r–324v

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Bologni, Promiscuorum libri (ca. 1497–1517) : Girolamo Bologni da treviso, Promiscuorum libri XXI (Museo correr, Venedig, Ms. cicogna 2664), nach Gianni carlo sciolla, »due epigrammi inediti di Girolamo Bologni da treviso per Giovanni Bellini«, in: Arte Veneta, 44, 1993, s. 62–64 Boncompagno, Rhetorica novissima (1235) : Boncompagno [da signa], Rhetorica novissima, hrsg. v. Augusto Gaudenzi, in: Scripta Anecdota Antiquissimorum Glossatorum (Bibliotheca iuridica Medii Aevi), Bd. ii, Bologna, 1892, s. 249–297 Borias, Empresas morales [1581] : Juan de Borias, Empresas morales […], prag: iorge nigrim, 1581 Borghini, Il Riposo [1584] : raffaelo Borghini, Il Riposo, Florenz: Giorgio Marescotti, 1584 Bracciolini, Facezie [1470] : Gian Francesco (il poggio) Bracciolini, Facezie, mit einem Vorwort von eugenio Garin, hrsg. v. Marcello ciccuto, Mailand, 1983 —, Lettere (1442/1443–1459) : poggio Bracciolini, Lettere, hrsg. v. helene harth, 2 Bde., Florenz, 1984–1987 —, De infelicitate principium [1440] : poggio Bracciolini, De infelicitate principum, hrsg. v. davide canfora, rom, 1998 —, Historiae Florentini populi (seit 1415) : poggio Bracciolini, Historiae Florentini populi, nach RSI, Bd. XX, Forni, 1981 —, De varietate fortunae (1447–1448) : poggio Bracciolini, De varietate fortunae, hrsg. v. Outi Merisalo, helsinki, 1993 Braccesi, Epigrammaton libellus (ca. 1477) : Alessandro Braccesi, Epigrammaton libellus, hrsg. v. Alessandro perosa, Florenz, 1943 —, Soneti e canzone: Alessandro Braccesi, Sonetti e canzone (Università di parma, istituto di Filologia Moderna – testi e studi, testi 2), hrsg. v. Franca Magnani, parma, 1983 Bramante, Sonetti (vor 1514) : donato Bramante, Sonetti e altri scritti (Minima 51), hrsg. v. carlo Vecce, rom, 1995 Breve dell’arte degli orafi (1362) : Breve dell’arte degli orafi, nach: Documenti per la storia dell’arte senese, hrsg. v. Gaetano Milanesi, 2 Bde., siena, 1954–1956, Bd. i Brito, Quaestiones super arte veteri [1499] : rudolfo Brito, Quaestiones super arte veteri, Venedig: Giovanni und Albertino rubeo, 1499 Bronzino, I salterelli (vor 1572) : Agnolo Bronzino, I salterelli dell’Abbrucia sopra i mattaccini di Ser Fedocco / Agnolo di Cosimo (il Bronzino), hrsg. v. carla rossi Bellotto, rom, 1998 Brunelleschi, Sonetti (vor 1446): Sonetti di Filippo Brunelleschi, hrsg. v. Giovanni tanturli et alt., Florenz, 1977 Bruni, Aquila volante [1492] : leonardo Bruni, Aquila volante, Venedig: A. parganino, 1517 —, De interpretatione recta (1420–1426) : leonardo Bruni, Sulla perfetta traduzione, hrsg. v. paolo Viti, neapel, 2004 —, De temporibus suis [1485?] : leonardo Bruni, De temporibus suis, Venedig: peregrino pasquale und dionysius Bertochus, 1485, o. s. —, Ad Petrum Paulum Histrum (1401–1406) : leonardo Bruni, Dialogi ad Petrum Paulum Histrum (studi e testi 35), hrsg. v. stefano Ugo Baldassari, Florenz, 1994 —, De studiis et litteris liber (1425) [1496] : leonardo Bruni, De studiis et litteris liber, nach Leonardo Bruni Aretino. Humanistisch-Philosophische Schriften (Quellen zur Geistesgeschichte), hrsg. v. hans Baron, leipzig und Berlin, 1928, s. 5–19 —, Isagogicon morali discipinae (1421–1424) : leonardo Bruni, Isagogicon morali discipinae, nach Leonardo Bruni Aretino. Humanistisch-Philosophische Schriften (Quellen zur Geistesgeschichte), hrsg. v. hans Baron, leipzig und Berlin, 1928, s. 20–41 —, Laudatio Florentiae urbis (1401–1403) : leonardo Bruni, Laudatio Florentine urbis (Millennio medievale 16, testi 7), hrsg. v. stefano U. Baldassari, Florenz, 2000

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—, Vita di Dante (1436) [1446]: leonardo Bruni, Le vite di Dante e del Petrarca (pagine d’Archivio 2), hrsg. v. Antonio lanza, rom, 1987 Burchiello, Sonetti [1472] : I sonetti del Burchiello, hrsg. v. Michelangelo Zaccarello, Bologna, 2000 Buti, Commento (ca. 1385–1395) : Francesco da Buti, Commento sopra la Divina Comedia, hrsg. v. crescentino Giannini, 3 Bde., pisa, 1858–1862 calderini, In sylvas Statii Papinii [1475] : domitio calderini, In sylvas Statii Papinii, rom: publius papinus, 1475 calepino, Dictionarium [1502] : Ambrosius Calepinus Bergomatis Lexicon […], hagonaae: secerius, 1531 callimachus experiente, Carmina (vor 1496) : callimachi experientis (d. i. Filippo Buonaccorsi), Carmina, hrsg. v. Francesco sica, neapel, 1981 —, Rhetorica (vor 1496): philippi callimachi Rhetorica, hrsg. v. casimir Kumaniecki, warschau, 1950 calmetta, Prose (vor 1500) : Vincenzo calmetta, Prose e lettere edite e inedite, hrsg. v. cecil Grayson, Bologna, 1959 cammelli, Sonetti (letztes Drittel 15. Jh.) : I sonetti del Pistoia, hrsg. v. rodolfo renier, Florenz und rom, 1888 campano, In funere urbinatis ducis oratio (1472) : Ioannis Anthonii Campani opera omnia, rom: eustachius silber für Michael Fernus, 1495, s. 50ff. carbone, De amoenitate (1475/1476) : lodovico carbone, De amoenitate, utilitate, magnificentia Herculei Barchi, nach Antonio lazzarini, »il ›Barco‹ di lodovico carbone, in: Atti e Memorie della Deputazione Ferrarese di Storia Patria«, 24, 1, 1919, s. 5–44 —, Facezie (ca. 1466–1471) : ludovico carbone, Facezie, hrsg. v. Abd­el­Kader salza, lovorno, 1990 cartari, Imagini degli dei [1571 zuerst 1567] : Vincenzo cartari, Le imagini de i dei de gli antichi, Venedig: Vincentio Valgrisi, 1571 castiglione, Cortegiano [1528] : Baldesar castiglione, Il Cortegiano del conte Baldesar Castiglione, hrsg. v. Vittorio cian, Florenz, 1908 cavalcanti, Nuova opera (ca. 1440) : Giovanni cavalcanti, Nuova opera (Chronique florentine inédite du Xve siècle) (centre interuniversitaire de recherche sur la renaissance italienne 17), hrsg. v. Antoine Monti, paris, 1989 caviceo, Peregrino (1494–1500) [1508] : Jacopo caviceo, Libro del Peregrino, Venedig: Giovan Francesco und Giovan Antonio Fratelli, 1524 cellini, Vita (ca. 1557–1567) / Due Trattati / Della architettura (ab 1558) / [1568]: Benvenuto cellini, Opere di Benvenuto Cellini, hrsg. v. Giuseppe G. Ferrero, turin, [1959] 1971 cennini, Libro dell’arte (ca. 1420–1425?) : cennino cennini, Il libro dell’arte, hrsg. v. Franco Brunello, Vicenza, [1982] 1995 cennini, Festbeschreibung (1475) : piero cennini, Ms. naz. Fior., ii, iX, 14, f.° 250 an pirrino Amerino [1475], nach Girolamo Mancini, »il bel s. Giovanni e le feste patronali di Firenze descritte nel 1475 da piero cennini«, in: Rivista d’Arte, 6, 1909, s. 185–227, s. 220–227 Chiose sopra Dante (1375) : Chiose sopra Dante, hrsg. v. william w. Vernon, Florenz, 1846 christin de pizan, Livre de la Citè des Dames (1404/1405) : christine de pizan, Das Buch von der Stadt der Frauen, aus dem Mittelfranzösischen übersetzt v. Margarete Zimmermann, Berlin, 1986 cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum (1473) : coriolano cippico, Petri Mocenici imperatoris gestorum libri tres, nach renata Fabbri, Per la memorialistica veneziana in latino del Quattrocento, padua, 1988, s. 165–230 collenuccio, Misopes (ca. 1490) : pandolfo collenuccio, Operette morali, poesie latine e volgare, hrsg. v. Alfredo saviotti, Bari, 1929

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Fedele, Epistolae et orationes (vor 1558) : cassandra Fedele, Epistolae et orationes posthumae, hrsg. v. Giacomo Filippo tomasini, padua: Bolzetta, 1636 Feliciano, Praecepta colorum (ca. 1460) : Felice Feliciano, Alphabethum Romanum Vat. lat. 6852 aus der Biblioteca Vaticana, Kommentar, Zürich, 1985 Ferabos, Epigramm s. Vatikan, BAV, Ms. Urb. lat. 1193, fol. 114 Fiano, Contra ridiculos oblocutores (vor 1404): Francesco da Fiano, Contra ridiculos oblocutores et fellitos detractores poetarum, nach Maria luisa plaisant, »Un opuscolo inedito di Francesco da Fiano in difesa della poesia«, in: Rinascimento, ser. 2, 1, 1961, s. 119–162 Ficino, De amore (1469) : Marsilio Ficino, Über die Liebe oder Platons Gastmahl (philosophische Bibliothek 368), lateinisch – deutsch, hrsg. v. paul r. Blum, hamburg, 21984 —, Icastes [1496] : Michael J. B. Allen, Icastes. Marsilio Ficino’s Interpretation of Plato’s ›Sophist‹. Five Studies and a Critical Edition with Translation, Berkeley, Oxford und los Angeles, 1989, s. 211–278 —, Opera [1576] : Marsilio Ficino, Opera omnia, Basel: henricum petri, 1576, reprogr. nachdruck, hrsg. v. Mario sancipriano, 2 Bde., turin, 1959 Fiera, Coena de herbarum [1489] : Battista Fiera, Coena de herbarum virtutibus et ea medicae artis parte in victus ratione consistit, rom: eucharius silber, 1489 —, De iusticia pingenda [1515] : Battista Fiera, De iusticia pingenda Baptiste Fiaera Mantuani dialogus, nach rodolfo signorini, »›de iusticia pindenda Baptistae Fiaerae Manuani dialogus‹. tipologie iconografiche della giustizia edizione critica e prima traduzione italiana del dialogo, in: Leon Battista Alberti e il Quattrocento. Studi in onore di Cecil Grayson e Ernst Gombrich (Atti del convegno internazionale, Mantua 29.–31.10.1998), hrsg. v. luca chiavoni et alt., città di castello, 2001, s. 381–434, s. 422–434 Filarete, Trattato (ca. 1461–1464) : Antonio Averlino detto il Filarete, Trattato di architettura, hrsg. v. Anna Maria Finoli et alt., 2 Bde., Mailand, 1972 Filelfo, Commentarii (1476?) : Francesco Filelfo, »commentari della vita e delle imprese di Federico di Montefeltro«, hrsg. v. Giovanni Zannoni, Vita di Federico d’Urbino, scritta da Francesco Filelfo, pubblicata seconda il cod. Vaticano Urbinate 1022, in: Atti e memorie della R. Deputazione di storia Patria per le Province delle Marche, 5, 1901, tolentino, 1901, s. 263–393 —, Convivia (1440) [ca. 1487] : Francesco Filelfo, Convivia libri due, Mailand: simon Manianus, ca. 1487 [o. s.] (mit Beiträgen von leonardo Giustiniano) —, De morali disciplina (1475) : Francesco Filelfo, De morali disciplina, Venedig: Gualterum scottum, 1552 —, In rhetoricam ad Herennium commentaria [1467]: Francesco Filelfo e il ›Codice Sforza‹ della Biblioteca Reale di Torino, hrsg. v. luigi Firpo, turin, 1967 Filelfo, Amyris [1476] : Giovanni Mario Filelfo, Amyris (letteratura italiana e comparata 10), hrsg. v. Aldo Manetti, Bologna, 1978 Filetico, In corruptores Latinitatis (ca. 1481/1482) : Martini philetici, In corruptores Latinitatis (edizione nazionale dei testi umanistici 4), hrsg. v. Maria A. pincelli, rom, 2000 —, Iocundissimae disputationes (ca. 1462/1463) : Martino Filetico, Iocundissimae disputationes, hrsg. v. Guido Arbizzoni, Modena, 1992 —, Threnos Panegyricos (1472) : Adolfo cinquini, »elegie latine di Martino Filetico«, in: Classici e Neolatini, 2, 1906, s. 222–230 Filolauro da cave, Dialogo amoroso [1533] : Dialogo amoroso di Phylolauro da Cave, siena: calistro dubbioso di simeone di nicolò, 1533 Folengo, Elegiarum liber (ca. 1474–1482) : nicodemo Folengo, Carmina, hrsg. v. carlo cordié et alt., pisa, 1990

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Gelli, Vite d’artisti (vor 1563) : Giovanni Battista Gelli, Vite d’artisti, hrsg. v. Girolamo Mancini, in: Archivio Storico Italiano, ser. 5, 17, 1896, s. 32–62 Georg von trapezunt, Rhetoricorum libri (1433/1434) : Georgii Trapezuntii Rhetoricorum libri V, In quibus quid recens praestitum, proxima faciae indicabit liminaris epistola, Basel: Valentino curio, 1522 Gherardi, Filomena (ca. 1430) : Giovanni Gherardi da prato, Filomena, nach Poesie di mille autori intorno a Dante, hrsg. v. carlo del Balzo, rom, 1891, s. 311–412 —, Il Paradiso degli Alberti (vor 1425) : Giovanni Gherardi da prato, Il Paradiso degli Alberti, hrsg. v. Antonio lanza, rom, 1975 Ghiberti, I commentarii (ca. 1447–1455) : lorenzo Ghiberti, I commentarii (Biblioteca della scienza italiana 17), hrsg. v. lorenzo Bartoli, Florenz, 1998 —, I commentarii, III: Der dritte Kommentar Lorenzo Ghibertis. Naturwissenschaften und Medizin in der Kunsttheorie der Frührenaissance (Acta humaniora), eingeleitet, kommentiert und übersetzt von Klaus Bergdolt, weinheim, 1988 —, Libro di ricordanze (1441–1492) : piero Ginori­conti, Un libro di ricordi e di spese di Lorenzo e Vittorio Ghiberti, Florenz, 1939 Ghiberti, Zibaldone [ca. 1495] : Buonaccorso Ghiberti, Zibaldone, nach Gustina scaglia, »A translation of Vitruvius and copies of late Antique drawings in Buonaccorso Ghiberti’s ›Zibaldone‹«, in: Transactions of the American Philosophical Society, 69, 1, 1979, s. 3–30, s. 19–30 Giovanni da serravalle, Translatio (1416–1417) : Fratris iohannis de serravalle, Translatio et comentum totius libri Dantis Aldighieri […], hrsg. v. Marcellino da civezza et alt., prato, 1986 Giovio, Leonardi Vincii vita (ca. 1527) : paolo Giovio, Scritti d’arte. Lessico ed ecfrasi, hrsg. v. sonia Maffei, pisa, 1999 Giustinian, Regulae artificialis memoriae (1432) : leonardo Giustinian, Regulae artificialis memoriae, nach Aldo Oberdorfer, »le ›regulae artificialis memoriae‹ di leonardo Giustiniano«, in: GSLI, 60, 1912, s. 117–127, s. 121–127 Guarino, Epistolario (1405–ca. 1451) : Guarino da Verona, Epistolario, hrsg. v. remigio sabbadino, 3 Bde., Venedig, 1915–1919 Guarna, Simia [1517] : Andrea Guarna da salerno, Scimmia, hrsg. v. Giuseppina Battisti, rom, 1970 Guerriero da Gubbio, Cronaca (1350–1472) : ser Guerriero da Gubbio, Cronaca di ser Guerriero da Gubbio dall’anno 1350 all’anno 1472, nach RIS, Bd. XXii, 4, hrsg. v. Giuseppe Mazzatini, città di castello, 1902 Guittone d’Arezzo, Rime (2. H. 13. Jh.) : Guittone d’Arezzo, Le rime, hrsg. v. Francesco egidi, Bari, 1940 holanda, Dialoghi [1548] : Francisco da holanda, Vier Gespräche über die Malerei, geführt zu rom, 1538, hrsg. v. Joaquim de Vasconcelles, wien, 1899 horozco y covarrubias, Emblemas Morales [1589] : Juan de horozco y covarrubias, Emblemas Morales […], segouia: Juan de la cuesta, 1589 Huomini singularii (1494–1497) : H¯uo¯i singularii Firenze dal MCCCC° ¯ınanzi (Florenz, Biblioteca nazionale, Ms. 1501.G2), nach peter Murray, »Art historians and Art critics–iV. XiV Uomini singholari in Firenze dal Mcccc innanzi«, in: BurlMag, 99, 1957, s. 330–336 Hypnerotomachia Poliphili [1499] : Francesco colonna [pseudonym], Hypnerotomachia Poliphili, hrsg. v. Giovanni pozzi et alt., 2 Bde., padua, 1964 iacopo della lana, Comedia (1324–1328) : Comedia di Dante degli Allagherii col commento di Jacopo della Lana Bolognese, hrsg. v. luciano scarabelli, 3 Bde., Bologna, 1866 iacopone da todi, Laude (ca. 1294): iacopone da todi, Laude, hrsg. v. Franco Mancini, rom und Bari, 1974

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—, Canzoniere / Nencia da Barberino (1476) / Rime: lorenzo de’ Medici, Tutte le opere, hrsg. v. paolo Orvieto, 2 Bde., rom, 1992 de lorris/de Meun, Le roman de la rose (ca. 1225–1277) : Guillaume de lorris und Jean de Meun, Der Rosenroman. Übersetzt und eingeleitet von Karl August Ott (Klassische texte des romanischen Mittelalters in zweisprachigen Ausgaben, hrsg. von hans robert Jauß et alt. 15, i), 3 Bde., München, 1976–1979 Maccaneo, Chorografia [1490] : domenico Maccaneo, Chorografia lacus Verbani, Mailand, 1490 Machiavelli, Istorie Fiorentine (1520–1525) : niccolò Machiavelli, Istorie Fiorentine e altre opere storiche e politiche, in: Opere di Niccolò Machiavelli, hrsg. v. Alessandro Montevecchi, turin, 1986, Bd. ii Machiavelli, Opere: [niccolò Machiavelli], Opere di Niccolò Machiavelli, hrsg. v. luigi Blasucci, Bd. iV, turin, 1989 Maffei, Commentariorum [1506] : [raffaele Maffei Volterranus] Commentariorum urbanorum Raphaelis Volaterrani […], Basel: hieronymus Froben, 1559 Maggio, De priscorum proprietate verborum [1477?] : iunianus Maius [d. i. Giuniano Maggio], De priscorum proprietate verborum, treviso: Bernardo de colonia, 1477 Mander, Schilder-Boeck [1604] : Karel van Mander, Het Leven der Doorluchtighe Nederlandtsche en Hooghdutsche Schilders. Das Leben der niederländischen und deutschen Maler des Carel van Mander, hrsg. v. hans Floerke, 2 Bde., München und leipzig, 1906 Manetti, Vita (ca. 1485) : Antonio di tuccio Manetti, Vita di Filippo Brunelleschi (testi e documenti 2), hrsg. v. domenico de robertis, mit einer einführung von Giuliano tanturli, Mailand, 1976 Manetti, De dignitate (1452) : Giannozzo Manetti, De dignitate et ecellentia hominis, hrsg. v. elizabeth r. leonard, padua, 1975 —, De vita ac gestis Nicolai Quinti (vor 1455) : iannotti Manetti, De vita ac gestis Nicolai Quinti summi pontificis, hrsg. v. Anna Modigliani, rom, 2005 —, Vita Francisci Petrarchae (1436) : Giannozzo Manetti, Vita di Dante, Petrarca e Boccaccio, hrsg. v. stefano U. Baldassari, palermo, 2003, s. 132–171 —, Vita Socratis (ca. 1440) : Giannozzo Manetti, Vita Socratis e Senecae, hrsg. v. Alfonso de petris, Florenz, 1979 Marcello, De compendiosa doctrina de proprietate sermonum [1490?] : nonio Marcello, De compendiosa doctrina de proprietate sermonum, Venedig: Antonio de Gusago, 1498 Marsi, Dialogo dei tre cieci [1525] : Antonio Marsi, Dialogo dei tre ciechi o Cecaria, in: I drammi pastorali di Antonio Marsi detto l’Epicuro Napolitano, hrsg. v. italo palmarini, 2 Bde., Bologna, 1887–1888, Bd. ii, s. 29–98 Marsili, Lettere [1374] : luigi Marsili, Lettere (collana di testi e di critica 22), hrsg. v. Ornella Moroni, neapel, 1978 Marsuppini, Consolatio (1433) : carlo Marsuppini, Consolatio de obitu matris, hrsg. v. pier G. ricci, in: La Rinascita, 3, 1940, s. 362–433 Marullo, Carmina (ca. 1480–1500) : Michele Marullo, Carmina, hrsg. v. Alessandro perosa, Verona, 1951 —, Institutiones principales (ca. 1493) : Michele Marullo, Institutiones principales. Prinzenerziehung, hrsg. v. Otto schönberger, würzburg, 1998 Maso di Bartolommeo, Ricordi (1447–1455) : Maso di Bartolommeo, Ricordi, nach Journal d’un sculpteur florentin au Xve siècle. Livre de souvenirs de Maso di Bartolommeo dit Masaccio, hrsg. v. charles Yriarte, paris, 1894

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—, Feltria (nach 1474, vor 1482) : lorenzo carnevali, »la Feltria di porcelio pandoni. preliminari per una edizione critica«, in: Studi umanistici Piceni, 15, 1995 Praefationes, 1861: Praefationes et epistolae editionibus principibus auctorum veterum praepositae, hrsg. v. Beriah Botfield, london, 1861 Priorista (1407–1459) : pagolo di Matteo petriboni und Matteo di Borgo rinaldi, Priorista (1407–1459), hrsg. v. Jacqueline A. Gutwirth, rom, 2001 Probierbüchlein [ca. 1595] : Probierbüchlein. Auff Gold / Silber / kupffer / und Bley / auch allerlay Metall wie man die zuo nutz arbayten und probieren soll. Alle Müntzmaystern / Wardeyn / Goltwerkern / Berckleuten / un kauffleute der Metall zuo nutz mit grossem fleyss zuo samen gebracht, [Augsburg]: h. steyner, [ca. 1533], o. O., o. J. pulci, Morgante (1478–1483) : luigi pulci, Morgante e opere minori, hrsg. v. Aulo Greco, 2 Bde, turin, 1997 restoro d’Arezzo, Compositione del mondo (1282) : restoro d’Arezzo, La compositione del mondo, hrsg. v. Alberto Morino, parma, 1997 Ricordi di Firenze dell’anno 1459 (kurz nach 1459) : Ricordi di Firenze dell’anno 1459, hrsg. v. Giuseppe Volpi, nach RIS, Bd. XXVii/1, città di castello, 1907, s. 3–38 ridolfi, Le maraviglie dell’arte [1648] : carlo ridolfi, Le maraviglie dell’arte ovvero le vite degli illustri pittori veneti e dello stato, hrsg. v. detlev v. hadeln, Berlin, 1914, Bd. i ringhieri, Cento giuochi liberali [1551] : innocenzo ringhieri, Cento giuochi liberali, e d’ ingegno (collana di testi sportivi e di giuochi 2), Foggia, 1990 rinuccini, Lettere (1455–1490) : Alamanno rinnuccini, Lettere ed orazioni (nuova collezione di testi umanistici inediti o rari 9), hrsg. v. Vito r. Giustiniani, Florenz, 1953 rinuccini, Responsiva (1401) : cino rinuccini, Responsiva alla Invettiva di messer Antonio Lusco, nach lanza, 1991, s. 187–197 ripa, Iconologia 1603 : cesare ripa, Iconologia, rom, 1603 —, Iconologia 1669: cesare ripa, Iconologia, Venedig: nicolò pezzana, 1669 rucellai, Zibaldone (1457–1485) : Giovanni Rucellai ed il suo Zibaldone (studies of the warburg institute 24), hrsg. v. Alessandro perosa, london, 1970 ruscelli s. Alessio piemontese sabba da castiglione, Ricordi [1546] : Fra sabba da castiglione, Ricordi, overo ammaestramenti, Venedig: paolo Gherardo, 1555 sacchetti, Il Trecentonovelle (nach 1392) : Franco sacchetti, Il Trecentonovelle (i novellieri italiani 6), hrsg. v. Valerio Marucci, rom, 1996 —, Rime: Franco sacchetti, Il libro delle rime, hrsg. v. Franca Brambilla Ageno, Florenz, 1990 —, La battaglia (vor 1354) : Franco sacchetti, La battaglia delle belle donne di Firenze, hrsg. v. sara esposito, rom, 1996 salutati, De laboribus Herculis (ca. 1391) : coluccii salutati, De laboribus Herculis, hrsg. v. Berthold l. Ullman, 2 Bde., Zürich, 1951 —, De nobilitate (1399) [1542] : coluccio salutati, Vom Vorrang der Jurisprudenz oder der Medizin. De nobilitate legum et medicinae (humanistische Bibliothek. texte und Abhandlungen, reihe 2, texte 25), lateinisch­deutsche Ausgabe übersetzt und kommentiert von peter Michael schenkel, eingeleitet von ernesto Grassi und eckhard Keßler, München, 1990 —, Epistolario (1360–1399) : coluccio salutati, Epistolario di Coluccio Salutati, hrsg. v. Francesco novati, 4 Bde., rom, 1891–1911

Bibliographie sannazaro, Arcadia [1502] : Jacopo sannazaro, Arcadia, hrsg. v. Francesco erspamer, Mailand, 1990 santi, La vita (ca. 1483) : Giovanni santi, La vita e le geste di Federico di Montefeltro. Poema in terza rima (codice Vat. Ottob. lat. 1305) (studi e testi 306), hrsg. v. luigi Michelini tocci, 2 Bde., Vatikan, 1985 sasso, Epigrammata /De laudibus Veronae [1499] : panfilo sasso, Epigrammata, De Bello Tarrensi, De laudibus Veronae, Brescia: Angelo de’Brittannici, 1499 savonarola, Compendium philosophiae naturalis [1534] : Girolamo savonarola, Compendium philosophiae naturalis, nach Girolamo savonarola, Scritti filosofici, hrsg. Giancarlo Garfagnini et alt., rom, 1988, Bd. ii, s. 3–477 —, Lettere (1475–1497) : Girolamo savonarola, Le Lettere, hrsg. v. roberto ridolfi, Florenz, 1933 —, Prediche sopra Aggeo, XI [1494] : Girolamo savonarola, Prediche sopra Aggeo, XI (Opere di Girolamo Savonarola), hrsg. v. luigi Firpo, rom, 1965 —, Prediche sopra Giobbe (1494–1495) : Girolamo savonarola, Prediche sopra Giobbe [1494–1495] , hrsg. v. roberto ridolfi, 2 Bde., rom, 1957 —, Prova del fuoco [1498] : Girolamo savonarola, Prova del fuoco, nach Girolamo savonarola, Lettere e scritti apologetici, hrsg. v. roberto ridolfi et alt., rom, 1984, s. 309–325 scala, Orationes [1472] / Apologi centum (1481) / Apologorum liber (ca. 1488–1492) : nach Bartolomeo scala, Humanistic and Political Writings (Medieval and renaissance texts and studies 159), hrsg. v. Alison Brown, tempe Arizona, 1997 scalamonti, Vita viri clarissimi (ca. Mitte d. 15. Jh.) : Francesco scalamonti, Vita viri clarissimi, et famosissimi Kyriaci Anconitani (transactions of the American philosophical society 86, 4), hrsg. v. charles Mitchell et alt., philadelphia, 1996 scardeone, De antiquitate urbis Patavii [1560] : Bernardi scardeonii De Antiquitate urbis Patavii, & claris civibus Patavinis. […], Basel: episcopius, 1560 simonetta, Commentarios [1486] : Giovanni simonetta, Commentarios rerum gestarum Francisci Sphortiae Mediolanensium ducis, Mailand: Zarottus, 1486 speroni, Opere (vor 1588) : Opere di M. Sperone Speroni degli Alvarotti, tratte da’Mss. Originali, 5 Bde., Venedig: domenico Occhi, 1740 spreti, De amplitudine [1489] : desiderio spreti, De amplitudine, vastatione et instauratione urbis Ravennae, Venedig: Matteo capcasa, 1489 Statuti, 1554: Statuti, ordini, et privilegi dell’arte, et Universita de gl’orefici della Città, & Ducato di Milano sotto la scuola, & protettione del Beato Santo Eligio, Mailand, o. J. [1554] strazzola, Canzoniere (nach 1474) : strazzola, Canzoniere, nach Vittore rossi, »il canzoniere inedito dello strazzola«, in: GSLI, 26, 1895, s. 1–9 strozzi, Carmina: [tito strozzi] strozii poetae et filius, Carmina, Venedig: Manutius, 1513 taccola, De ingeneis [1449] : Mariano taccola, De ingeneis (BncF, Ms. pal. 766), nach Bernhard degenhart und Annegrit schmitt, Corpus der italienischen Zeichnungen 1300–1450, Bd. ii, 4: Venedig, Jacopo Bellini, Berlin, 1990 taccone, Rime (Ende 15. Jh.) : L’Atteone (favola); e le rime di Baldassare Taccone, Florenz, 1884 tasso, Aminta (ca. 1573) : torquato tasso, Aminta, nach derselbe, Poesie, hrsg. v. Francesco Flora, Mailand und neapel, 1952 —, Il Forno [9. Dekade 15. Jh.] : torquato tasso, Il Forno overo della nobilità, hrsg. v. stefano prandi, 2 Bde., Florenz, 1999 —, Dialoghi: torquato tasso, Dialoghi, hrsg. v. Giovanni Baffeti, Mailand, 1998

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telesio, De coloribus libellus [1528] / Carminium liber [1528] /De coronis [1525] : Antonii thylesii consentini, Opera, neapel, 1762 tifernas, De pedestribus certaminibus (1459) : lilius tiferas, De pedestribus certaminibus (BAV, Ms. chigi F.iV.104, fol. 1rff.), nach Ursula Jaitner­hahner, Humanismus in Umbrien und Rom. Lilius Tifernas, Kanzler und Gelehrter des Quattrocento (saecula spiritualia 25/26), 2 Bde., Baden­Baden, 1993, Bd. ii, s. 465–468 tomài, Fœnix [1491] : pietro tomài da ravenna, Fœnix, sive ad artificialem memoriam comparandam brevis quidem et facilis, sed re ipsa et usu comprobata introductio, Venedig: Bernardinus de choris, 1491 tomài, Historia di Ravenna [1580] : tomaso tomài, Historia di Ravenna, ravenna: Francesco tebaldini da Osimo, 1580 tortelli, De ortographia (ca. 1448–1453) [1471] : Giovanni tortelli, De ortographia, Venedig: Giovanni tacuino, 1495 traversari, Diogenis Laertii (1433) : Ambrogio traversari, Diogenis Laertii De vita et moribus philosophorum libri X, lyon, sébastien Gryphius, 1541 Urceo, Sermones [1502] (vor 1500) : Antonio Urceo »il codro«, In hoc Codri volumine hec continentur. Orationes. seu sermones ut ipse appellabat. Epistole Silve Satyre Egloge Epigrammata, Venedig: petri liechtensteyn, 1506 Valla, De voluptate (1429, 1433, 1450) : lorenzo Valla, Von der Lust oder Vom wahren Guten. De voluptate sive De vero bono, hrsg. v. peter M. schenkel, München, 2005 —, De professione religiosorum [1444] : lorenzo Valla, De professione religiosorum (thesaurus Mundus 25), hrsg. v. Mariarosa cortesi, padua, 1986 —, Epistole [1431–1456] : lorenzo Valla, Epistole (thesaurus Mundi 24), hrsg. v. Ottavio Besomi et alt., padua, 1984 —, Opera omnia [1540] : laurentius Valla, Opera omnia, hrsg. v. eugenio Garin, [Basel, 1540] turin, 1962 —, Repastinatio dialectice (1439) : Laurentii Valle Repastinatio dialectice et philosophie (thesaurus mundi 21), hrsg. v. Gianni Zippel, 2 Bde., padua, 1982 Valturio, De re militari [1472] : roberto Valturio, De re militari, Verona:Giovanni nicolai, 1472 Varchi, Storia Fiorentina (nach 1565) : Opere di Benedetto Varchi, hrsg. v. lloyd Austriaco, 2 Bde., triest, 1859 Vasari, Le vite [1568] /I ragionamenti (1588) : Giorgio Vasari, Le opere di Giorgio Vasari, hrsg. v. Gaetano Milanesi, 9 Bde., Florenz, 1878–1885 Vegio, De educatione (ca. 1460) [1491] : Maffeo Vegio, De educatione liberorum et eorum claris moribus libri sex, hrsg. sister Maria walburg Fanning, 2 Bde., washington d. c., 1933–1936 —, Disceptatio inter terram solem et aurum [1452] : Maphei Vegii, sua aetate oratorum Principis, inter inferiora corpora, scilicet Terram, Aurum, [et] superiora, praesertim Solem, elegantissima disputatio. Eiusdem De miseria [et] felicitate Dialogus, Luciani Charon, Rhinuccino Florentino interprete, Basel: cratander, 1518 —, Philalethes seu veritas invisa exulans [1496] : Maffeo Vegio, Dialogus inter Alithiam et Philaleten, Köln: drucker der Albanuslegende, o. J. Vergerio, De ingenuis (ca. 1402) [1491] : pier paolo Vergerio, De ingenuis moribus, una cum commentariis Joannis bonardi praesbyteri Veronensis […], Venedig: Giovanni taculnum, 1502 —, Epistolario: pier paolo Vergerio, Epistolario, hrsg. v. leonardo smith, rom, 1934

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Verino, Carlias (9. Dekade d. 15. Jh.) : Ugolino Verino, Carlias, hrsg. v. nikolaus thurn, München, 1995 —, De illustratione urbis Florentiae [ca. 1490] : De illustratione urbis Florentiae, in: Carmina illustrium poetarum Italorum, Florenz: tartinium & Franchium, 1724, Bd. X, s. 351–353 —, Epigrammatum libri septem (1483–1491) : Ugolino Verino, Epigrammi, hrsg. v. Francesco Bausi, Messina, 1998 —, Flametta [vor 1516] : Ugolino Verino, Flametta, hrsg. v. luciano Mencaraglia, Florenz, 1940 Vespasiano, Vite (nach 1485–1493) : Vespasiano da Bisticci, Vite di uomini illustri del secolo XV, hrsg. v. ludovico Frati, 3 Bde., Bologna, 1892–1893 Villani, Nuova cronica (1333–1341) : Giovanni Villani, Nuova cronica, hrsg. v. Giuseppe porta, 3 Bde., parma, 1990–1991 Villani, De origine (1381–1388, 1395–1397) : Philippi Villani de origine civitatis florentinae et de eiusdem famosis civibus, hrsg. v. Giuliano tanturli, padua, 1997 Visconti, I canzonieri [1497–1499] : Gaspare Visconti, I canzonieri per Beatrice d’Este e per Bianca Maria Sforza, hrsg. v. paolo Bongrani, Mailand, 1979 —, Rithimi [1493] : Gaspare Visconti, Rithimi, Mailand, 1493 Vocabulario degli Accademici della Crusca [1612] : Vocabolario degli Accademici della Crusca, hrsg. v. Giovanni nencioni, Florenz, 1987 (reprogr. nachdruck des Ausgabe Venedig: Giovanni Alberti, 1612)

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4. darstellungen und Abhandlungen Berücksichtigung in der folgenden Auflistung der sekundärliteratur finden nur die im Buch mehrfach zitierten und die für das thema bedeutenden Forschungsbeiträge. die übrigen titel werden in der jeweils betreffenden Fußnote genannt. A casa di Andrea Mantegna, 2006: A casa di Andrea Mantegna. Cultura artistica a Mantova nel Quattrocento, Ausstellungskatalog (Mantua, casa del Mantegna, 26.02.–04.06.2006), hrsg. v. rodolfo signorini, Mailand, 2006 Achermann, 2011: eric Achermann, »das prinzip des Vorranges. Zur Bedeutung des ›paragone delle arti‹ für die entwicklung der Künstler«, in: Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, hrsg. v. herbert Jaumann, Berlin und new York, 2011, s. 179–209 Aemulatio, 2011: Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450–1620), hrsg. v. Jan­dirk Müller et alt., Berlin, 2011 Albrecht­Bott, 1976: Marianne Albrecht­Bott, Die bildende Kunst in der italienischen Lyrik der Renaissance und des Barock (Mainzer romanistische Arbeiten 11), wiesbaden, 1976 Allen, 1987: Michael J. B. Allen, »Marsilio Ficino’s interpretation of plato’s ›timaeus‹ and its Myth of the demiurge«, in: Supplementum Festivum. Studies in Honor of Paul Oskar Kristeller, hrsg. v. James hankins et alt., Binghamton, n. Y., 1987, s. 399–439 Alessandrini, 1966: Ada Alessandrini, s. v. »Benci, Ginevra«, in: DBI, Bd. Viii [rom, 1966], s. 193–194 Alexander, 1970: Jonathan J. G. Alexander, »A Manuscript of petrarch’s rime e trionfi«, in: Victoria and Albert Museum Yearbook, 2, 1970, s. 27–40 Ames­lewis, 2000: Frances Ames­lewis, The Intellectual Life of the Early Renaissance Artist, new haven und london, 2000 Antoine, 1988: Jean­philippe Antoine, »›Ad perpetuam memoriam.‹ les nouvelles fonctions de l’image peinte en italie: 1250–1400«, in: Mélanges de l’École Française de Rome, Moyen Âge – Temps Modernes, 100, 1988, s. 541–615 Arasse, [1997] 2002: daniel Arasse, Leonardo da Vinci, [franz. orig. paris, 1997] Köln, 2002 Arbesmann, 1965: rudolph Arbesmann OsA, Der Augustinereremitenorden und Beginn der humanistischen Bewegung (cassiciacum 19), würzburg, 1965 Aronberg lavin, 1990: Marilyn Aronberg lavin, The Place of the Narrative. Mural Decoration in Italian Churches, 431–1600, chicago und london, 1990 Ars natura adiuvans, 1996: Ars natura adiuvans. Festschrift für Matthias winner zum 11. März 1996, hrsg. v. Victoria v. Flemming et alt., Mainz, 1996 Artes im Mittelalter, 1999: Artes im Mittelalter. Wissenschaft, Kunst, Kommunikation, hrsg. v. Ursula schaeffer, Berlin, 1999 Asemissen/schweikhart, 1994: hermann U. Asemissen und Gunther schweikhart, Malerei als Thema der Malerei, Berlin, 1994 Atkinson, 2007: catherine Atkinson, Inventing Inventors in Polydore Vergil’s ›De inventoribus rerum‹ (spätmittelalter und reformation. neue reihe 33), tübingen, 2007 Aurenhammer, 2001: hans Aurenhammer, »phidias als Maler. Überlegungen von Malerei und skulptur in leon Battista Albertis ›de pictura‹«, in: Römische historische Mitteilungen, 43, 2001, s. 355–410 —, 2009: hans Aurenhammer, »narziss als erfinder der Malerei. spiegelungen im werk von leon Battista Albertis«, in: Orbis artium, 1, 2009, s. 17–31 Austin, 1944: roland G. Austin, »Quintilian on painting and statuary«, in: The Classical Quarterly, 38, 1944, s. 17–26

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indeX nominum

Unter dem jeweiligen stichwort ist die Angabe der seitenzahlen bzw. der Anmerkungen in drei teile geglie­ dert (i: s. 3–257; ii: s. 259–641; Appendices: ab s. 642ff.): die Zäsur nach dem teil i des Buches ist mit einem Querstrich (/) gekennzeichnet, hinter dem die seitenzahlen bzw. Anmerkungen von teil ii (ab s. 259) beginnen. dies ist notwendig, da ab teil ii die Zählung der Anmerkungen von vorne beginnt. eine weitere Zäsur – in Form eines Querstriches in Fettdruck (/) – markiert den Übergang zu den Appendices (ab s. 643ff.); deren seiten und Anmerkungen sind in Fettdruck gehalten, die Anmerkungen stets in Kur­ sivdruck.

Abraham und isaak 204ff., 213ff. /627 / 721ff. Acciaiuoli, Andrea /289 / Accolti, Giovanni /827 / 751 Achill 225 /155–156, 317, 454–458, 547 / 732 Achillini, Giovanni Filoteo 733 / Adam/eva 22, 412, 420 / 905 Adriano Fiorentino 719/ Aelian /960, 563 / 732 Aelius 415 / Aeneas /308, 369, 616 / 745, 755 Aetion / 522 Äschines 122f., 223 /– / 650 Äskulap / 755 Äsop 230 /345f., 506, 586f. Agamemdon 415 / Agesilaos 142, 477/ 287 / 753 Aglaophon /796, 1187 Agli, Antonio degli 215/896 Agorakritos / 733 Agricola 66, 192/ Aias / 732 Aischylos 411, 419, 629 /617 / 678, 730 Aktäon /979 Alain de lille 224, 138 / Alanus ab insulis 224 /423 / 770 Alari­Bonacolsi, Jacopo s. Antico

Albericus (= Mythographus iii) 343 / Alberti –, Antonio da Ferrara /43 –, Francesco d’Altobianco 215 /929 –, leon Battista 4, 7, 12–14, 34, 41, 49, 25, 59, 27, 62, 36, 47, 67–68, 75, 229, 85f., 252, 254, 96, 291, 307, 116, 118, 121, 126, 355, 131, 138, 398, 142–143, 148f., 445, 448, 460, 163, 169, 176, 516, 186, 595, 598, 211ff., 636, 224, 642, 665, 232, 239, 694 / 268, 277, 279–280, 283, 89, 292, 300, 312, 177, 184, 203, 209, 327, 232, 275, 346, 280, 289, 351, 474, 479, 410f., 412f., 497, 548, 443, 598, 449, 452, 473, 498, 502, 505, 802, 803, 507, 510, 840, 519, 525, 528f., 897, 916, 545, 568, 570f., 579, 1060, 599, 629, 639 / 687, 691, 721, 728, 731, 733, 740–741, 747, 768, 773 –, romano /452 Albertini, Francesco 593, 214, 227, 678 /222 / 760 Albertus Magnus /92, 617 Alcidamas 627 /– / 730 Aldighieri, pietro 192 /– / 698, 700 Aleotti, Ulisse degli 474, 168f., 250 /463 / 713–714 Alessio piemontese (alias Girolamo ruscelli) 66, 176 /

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INDEX nominum Alexander der Große 3, 57, 168, 480 /282, 165, 312, 317, 232, 364ff., 548, 594, 443, 610, 454–458, 785, 515, 518, 547, 628 / 704–711, 728, 738, 777 Aliosi, lodovico degli / 754 Aliotti, Gerolamo 346, 223 /358, 888 / 707 Alkamenes 74 /521, 733 / 679 Amadi, Girolamo /505 Amazonen 179–182 /– / 677–680 Ambrosius, hl. 610 /450 Amor / 491, 536, 573, 598 / 778 Amphion 94 / Andrea di novara 556 / Aneau, Barthélemy /914 Angeli, niccolò /1150 Angelico, Fra (alias Giovanni da Fiesole) 551 /543 / 703 Anguissola, sofonisba /1123 Anonimo –, Fiorentino 192 /433f. / 699, 701 –, Gaddiano / 706 –, Magliabechiano 580, 595 / 706, 742 / 685, 692, 697, 723, 760 ›Anonymus von 1467‹ / 688 Antäus 236f. /– / 777 Antenor /900 Antico (alias piero Jacopo Alari Bonacolsi) /900 Antigonos, König / 278–287, 568, 574, 635 / 715–717 Antipatros von sidon /618 Antiphon 131 / Antonello da Messina /546 Antonio (Maler) 107 / Antonio da Brescia /900 Antonio da crema / 776 Antonio di cristoforo da Firenze 478 /– / 725 Antonio da rho / 796 Anubis 75 / Apelles 3, 21, 109, 208, 83f., 253, 284, 103f., 109–115, 118, 351, 375, 410, 446, 159, 454, 466, 166, 477, 480, 192, 223, 695, 698, 244 / 273–287, 178, 316, 321, 329, 302, 354f., 364ff., 463, 499, 553, 790, 796, 512f., 522, 871, 527, 921, 545, 568, 574, 1089, 631, 635, 1187 / 663, 690–693, 704–711, 727, 735, 736, 737, 738, 743, 745f., 750, 772–775, 777

Aphrodite 75, 82, 87, 96, 284, 460, 243 /302, 521, 522f., 545f., 574, 586 Apoll 106, 153, 178 /584, 455, 496, 507, 1089, 1100, 623 / 659 Apollodoros aus Athen 351, 188 /574 Apollonio di Giovanni /372f., 376, 387, 384 Appian / 279 Apuleius 138–143 /223, 230, 237, 340, 351, 861 / 651–652 Aquettini da prato, Giovanni 228 / Arachne 454 / Aragon –, Alfonso 707 /226, 242, 579 –, Beatrice von 501 /335 –, camilla /116 –, eleonora /250 –, Federico /643 –, Ferdinand /874 –, Ferrante i. /337 –, isabella /262 –, tullia / 907 Archias 682 /– / 777 Archimedes / 29 Archytas 378 / Aretino, pietro 68, 255, 92, 153 /355f., 772, 636 / 728 Arienti, Giovanni sabadino 233 / 265, 327, 341, 267, 383, 410, 491 / 773 Ariosto, ludovico 131, 698 /1069, 1121 Aristides 211 / 207, 430 Aristipp 109, 79, 667 / Aristophanes 627 / 907 / 678, 730 Aristoteles 75, 33, 115, 163, 506, 516 /349, 306, 605, 608, 617, 618, 503, 830, 531, 895, 897, 913, 1040, 1051, 637 / 749 Arnolfini, Familie /298 Arrighi, lodovico / 439 Artemis (holzbild), ›Kedreatis‹ /504 Artemisia 182–186 /– / 681–686, 767 Atalante und hippomenes 173 / Athena, ~parthenos, ~lemnia 237, 120, 357, 411, 455, 460, 232 / 271, 456, 502, 830, 521 Athenaios 232, 345, 361, 419, 229 / 231, 292, 405 / 732 Attalus /493 Atti, isotta degli /501, 546 Augurelli, Giovanni /206, 488ff., 491

INDEX nominum Augustinus, Aurelius 79, 182, 192, 250, 94, 381, 393, 411, 213 / 126, 421, 447, 408, 418ff., 425, 540, 545, 461, 465ff., 674, 474, 503, 531, 897, 905, 1023, 1039 / 768 Augustus, Kaiser /594, 779 Aurelius priscis 193 / Aurispa, Giovanni 92, 624 /354, 467 Ausonius 87, 97, 413–414 / Avalos costanza d’, herzogin von Francavilla /547 Avalos, iñigo d’ 151f. / Averlino, Antonio s. Filarete Avicenna 283, 556 / Bacchiacca /953, 1068 Bacon, roger 64 / Balbus, Johannes /629 Baldi, Bernardino /278, 326, 337, 401, 461, 590, 461 Baldi da Faenza, Giovanni 289, 107 / Baldini, Baccio / 394–395, 397 / 764 Baldinucci, Filippo 602, 212 /– / 724 Baldovinetti, Alessio 116 / Baldovinetti, Guido /383 Bandello, Matteo 454 /– / 697, 711 Bandinelli –, Baccio 71, 47, 91 /– / 770 –, d. J., Baccio 251, 636 / Bandino, domenico 349, 193 / 358, 362 / 702, 706 Barbarigo, Agostino /1029 Barbaro –, ermolao 3, 237, 186, 538 / 279, 273, 344, 347, 467, 790, 518, 1109 / 696, 707, 711, 732 –, Francesco /214, 345, 347, 366, 368, 440, 593, 491, 790, 526, 531, 591, 1070 / 708, 750 Barbaro, Zaccaria / 586 Barbarto da sulmona 441 / Barberino, Francesco da / 702 Bardi, Alessandra / 541 Bargagli, scipione 224, 316 /– / 728 Barili, Antonio 432 / Baroncelli, niccolò 478 /– / 725 Bartolo di Michele 208 / Bartolomeo di Fruosino 580 / Bartolomeo da Urbino /459, 465ff. Barzizza, Gasparino 314, 383, 669 /1189 Basilius d. Große 463 /

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Basinio da parma 152 /– / 731, 763 Baucis / 557 Beatrice (dantes ~) /297 Beccadelli, Antonio s. panormita Beccafumi, domenico 640 / Beccaria, Antonio /129 Becchi, Gentile /808 Belcari, Feo 213 / Bellincioni, Bernardo 110, 72, 82, 128, 137, 200 /66, 576, 587, 614, 620 / 731 Bellini –, Giacomo 267 / –, Giovanni 267, 444, 691, 740 /359, 954, 1086 –, Jacopo 458, 166ff. /317f., 554f. / 713–714, 761, 765 Bembo –, Bernardo /480ff.–641 / 654–676 –, carlo /486f., 836 –, pietro 321, 244 /79, 347, 401, 713, 490, 514, 525f., 532, 907, 537f., 544, 954, 573, 585, 1057, 1085, 605, 1133, 1145 / 728 Benci –, Amerigo de’ /488–489 –, Ginevra de’ 51 / 477ff.–641 / 654–676 –, Giovanni de’ /489 –, Giovanni di Amerigo de’ /488 Benivieni, Giovanni / 452, 490, 537 Benvenuto rambaldis da imola 73, 93, 496, 192f. /563 / 698, 701, 774 Berchorius, petrus /429, 603 Berlinghieri, Francesco /301 Bernardus silvestris 224 / Bernhard, hl. 252f. / Beroaldo, Filippo 102, 106, 510, 181 /456, 637, 516 / 679–680 Berruguete, pedro s. a. Justus van Gent /289, 303 Bertoldo di Giovanni 38, 719 / Bessarion, Kardinal Basilius 68, 70, 82, 392 /147, 399–400, 462, 674, 470f. Bettini, sforza /446 Bianchelli, domenico 289 / Biglia, Andrea 351 /– / 747 Billi, Antonio 593 / 706 / 723, 760 Biondo –, Flavio 131, 427, 624 /870 / 687, 755 –, Michelangelo /195 Birago, Giovanpietro /393–394

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INDEX nominum Biringuccio, Vannoccio 162, 66, 132, 639 / 511, 529f., 536, 911 Boccaccio, Giovanni 38, 241, 282, 103, 123, 346, 349, 372, 137, 186, 532, 552, 661, 232f., 698 / 76, 301, 274, 288–289, 298, 384–385, 443, 417, 532, 645, 497, 524, 873, 1100, 1108, 1114, 1119–1121, 615, 622 / 682, 737, 754, 772 Bocchi, Achille 375 /– / 697 Boiardo, Feltrino 95 / Boethius 217 /314, 637 Boldù, Giovanni 247 / Bologna, Giovanni da 40, 444 /330, 892 / 777 Bologni, Girolamo / 554f. / 696 Boltraffio, Giovanni Antonio /976 Boncompagno [da signa] / 579, 584, 585 Bonfini, Antonio 263, 446 / Bonincontri, lorenzo /98 Bonisoli, Ognibene (leoniceno) da lonigo 110 / 321 / 776 Bonsignori, Francesco /309, 558f. Borgia –, cesare /307 –, lucrezia /490 Borghini –, raffaello 138, 89, 321, 514, 637 / 548, 517f., 928, 1011 / 680, 727, 728, 771 –, Vincenzio 24, 58, 144, 62–63, 516 /– / 690, 727, 728 Boschini, Marco / 727 Bosso, Matteo 694 / Botticelli, sandro 240, 184 / 674, 742, 524, 1052 / 733 Braccesi, Alessandro /349, 482f., 493ff., 500, 816, 531, 546, 550, 569, 614, 620 / 654, 655–659 Bracciolini –, Gian Francesco (o.a. Giovanni Francesco) poggio 23, 55, 93, 102, 115, 358, 130f., 176, 624 / 269, 46, 322, 236, 318, 370f., 382, 411, 530, 637, 470 / 687, 708 –, Jacopo di poggio /385, 454, 637, 733 Bramante, donato 91, 338, 200f., 660 /– / 731, 769 Bramantino 640 / Brancaleoni, Gentile /15 Brant, sebastian 162 /629 Bregno, Andrea 432 / Brenta, Andrea 351 /

Briçonnet, robert 174, 494 / Bronzino, Agnolo 8, 39–40, 42 / 72, 822, 530, 1001, 1123 / 777 Brunelleschi, Filippo 36, 157, 463, 172, 185, 203–213, 224, 228, 698 / 342, 627 / 721–725, 762 Brunetto latini /1079, 636 Bruni, leonardo 15, 55, 27, 78, 68, 70, 343, 583, 623, 630 / 444, 432, 611, 979, 568, 576, 595, 1070 / 690, 730, 749, 754, 755, 773 Bruno, Giordano 230, 360 / 581 Brutus, lucius / 362, 640 Bryaxis 182ff. /– / 681ff.–686 Buffalmacco 239 / Buggiano (alias Andrea cavalcanti) / 762 Bularchos 208 / Buonaccorso da Montemagno 130 / Burchiello (alias domenico di Giovanni) 343, 355, 658 / Burci, nicolò (o.a. Burzio) 256 Bussi, Giovanni Andrea de’ 138, 142 / Busti, Francesco 556 / Butades / 213, 347, 285, 924 Buti, Francesco 192f. /434 / 699, 701 Buzzacarini, Francesco / 561 Buzzoni, stefano (alias Vosonius) /52 Cäsar, Julius 601 / 279, 80, 196, 461, 430, 431, 441, 594, 443, 841 / 756 calandra, Federico 162 / calcagnini, celio 671 / calcondila, demetria /752 calderini, domizio 82 / 246, 358, 1133 / 709 calderoni, Anselmo s. Alberti /897 calepino, Ambrogio 152, 448 /316 callimachus esperiens/experiente (alias Filippo Buonaccorsi) 83, 178 / 284, 316, 325, 517, 1172, 1182f. / 688, 752 camaiani, pietro / 728 camelio (alias Vettor di Antonio Gambello) 244f. / camillus /446 campano, Giovanni 96, 121, 345 / 358, 574, 443, 469 / 729, 750–751 candida, Giovanni 174 /900 capaccio, Giulio cesare /212 capella, Martianus 217 / caporali, Gian Battista 660 / 451 capponi, luigi 687, 239 /

INDEX nominum capranica, niccolò / 310 cara, Marchetto / 573 caradosso (alias cristoforo/Ambrogio Foppa) /614 caravaggio 76 / carbone, lodovico 87, 93, 261, 94, 95, 126, 355, 166f. /52, 365, 591, 631 / 709, 768 carda, Bernardino della /25 carneades /679 carpaccio, Vittore /674, 1101 carrara, Giovanni /347 carretto, ilaria del /309 casa, Giovanni della 102 / casini, Francesco / 737 casio, Girolamo /976 cassiodor / 624, 1190 cassius dio 425 / castagno, Andrea del /662 castaldi, cornelio 244 / castellani, ludovico 474 / castiglione, Baldassare 12, 62, 88f., 202, 230 / 268, 80–81, 94, 108, 116, 134, 144, 307, 312, 187, 230, 247, 267, 346, 348ff., 358, 360, 397, 398f., 413, 425, 541, 566, 441, 606, 449, 454, 642, 458, 475, 869, 917, 543f., 1121, 633, 1182, 638 / 692, 746, 769 castiglioni, Giuseppe /156 castor u. pollux (vgl. dioskuren) / 919 castracani, castruccio /416 cato / 542 catull / 364 cavalcanti –, Ginevra /491 –, Giovanni (Freund Ficinos) 209 / 342, 487, 752 / 721 –, Guido 188 /298 / 700, 702, 730 caviceo, Jacopo 254 / cavino, Giovanni /922 cellini, Benvenuto 8, 19, 27–28, 316, 591, 664, 717 /421, 511, 869, 529 / 728 cennini, cennino 29, 355, 137, 531, 656 / 65, 283, 339, 411, 1001, 589 / 749 cesare da sesto /1123 cestius /232 chamäleon /567 chares 223 / charles iV. /691

charles V., König von Frankreich 34 / 473 charles Vi. und isabella v. Bayern /569 chilon 181 / chierico, Francesco di Antonio del / 311, 401, 962, 966 christine de pizan /569 chrétien de troyes /491 chrysipp /80 chrysoloras –, demetrio /686 –, Manuel 376, 176, 526 / 178, 869 /686, 739 cicero 3, 23, 55, 70, 188, 79, 259, 95, 97, 284, 292, 316–318, 328, 342, 346, 356–357, 376, 142, 444, 508, 532, 215, 647, 232, 682, 249 / 46–47, 79, 310, 175–176, 177, 178, 321, 326, 328, 247, 280, 302, 306, 364–366, 392, 408, 395, 404, 495, 437, 575, 590, 609, 449, 626, 635, 637, 675, 470, 682, 727, 733, 786, 788, 515f., 863, 865, 532, 897, 568, 1048, 1051, 1066, 1133, 629, 636, 637, 1181f., 638f. / 653, 704, 737, 749, 752–753, 771–772, 774, 777 cillenio, Giovanni testa / 361 cimabue 60, 160, 168, 187–195 / 561 / 700–704, 744 cinuzzi, Alessandro / 355, 885 cippico, coriolano 518 / 204, 208, 497, 440 / 683, 751 cioli, Valerio 40 / 892 cittadini, Antonio / 423 civitali, Matteo 640 / 266 claudian 419 / claudius, Kaiser / 519 cleef, Joos van 43 / clemens Vi., papst / 671 clemens von Alexandria / 244 clemente da Urbino / 137 colantonio, Antonio 407 / 347–348 / 727 collenuccio, pandolfo 98, 334 / 339, 365, 366, 608, 638, 874, 1038, 631 / 710, 745, 768 colleoni, Bartolomeo 143, 164 /– / 726 colonna –, Francesco (pseudonym) 54, 454, 183f. /292, 301, 309, 316, 636, 802, 540, 927, 928, 966, 992, 1089 / 685 / 747 –, Giovanni, Kardinal 441, 175 /509 / 685 –, pompeo /787 –, Vittoria 95 /787, 1092, 605, 1123

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842

INDEX nominum columella, lucius /506 comanini, Gregorio 135 /1019 constantius (Kaiser) 725 / contarini –, Alvise /514f. –, dea /900 –, Michele 143 / 514 / 727 contugi, Matteo / 381, 390, 937 corbizio, niccolo / 888 corella, Giovanni domenico da 425, 527, 193, 573, 595, 699 /– / 703 corinna /775 / 660 cornificia / 1100, 1121 correr, Gregorio 336 /577, 630 / 739, 754 corsi ramos, Girolamo / 1101 corsini, Matteo de’ /488, 1024 cortasmeno, Giovanni /147 cortesi, paolo 229, 354, 636 / 79 / 746, 752 corvinus, Matthias 446, 177 /243, 347 / 714–715 cosimo, paolo di /801 cosini, silvio 90 / cossa, Giovanni /248 costa, lorenzo 229 / credi, lorenzo di /482f., 718, 983 creticos, petrus 231 / crinitus, petrus /317, 568 / 711 crispo, Giovanni Battista /212 crivelli, carlo 226 / curtius rufus /785 cusano, nicolò (Arzt) 556, 198 / cusanus s. nikolaus von Kues Dagonari, pagolo de’ /1169 daidalos 375, 379 /317, 432, 555 damiani, lorenzo /930 damphilos (u. Gorgasos) 668 /574 daniel, Arnaut /597 daniele da Volterra 41, 492 /– / 777 daniello, Bernardino /1172 dante 10, 178, 313, 324, 360, 130, 163, 496, 506, 187–195, 200, 583, 619, 228 /92, 296ff., 156, 316, 344, 318, 393f., 447, 408, 411, 425, 433, 561, 601, 625, 461, 463, 491, 761, 764, 497, 773, 509, 923, 986, 577, 581, 1037, 1064, 595ff., 607, 616ff., 636 / 697–704, 730, 745, 752, 754

danti –, egnazio 62 / –, Vincenzo 62 / daphne (und Apoll) /636, 558ff., 565, 571, 573, 593 darius / 728 dati –, Gregorio / 760 –, leonardo 53, 146–147, 153, 448, 630 /369, 930 davanzati –, chiaro 181 / –, Mariotto d’Arrigo 215f. /896 david 41, 492, 220 /– / 777 decembrio –, Angelo camillo 55, 79, 231, 95, 104, 317, 119, 147, 160, 162, 473, 168ff., 198, 642, 647, 249–250 /308, 194, 204, 327, 369, 440, 653, 467, 474 / 687, 713–714, 729, 745, 747, 751, 756, 768 –, pier candido 93, 373, 477 / 366, 443, 446–447, 468–469, 637 / 707 –, Uberto 552 / dei, Benedetto 208, 595, 237 / deinokrates /312 delio, cristoforo /246, 634 delminio, Giulio camillo /1043 demetrios Graphicos 665 / demetrios von Alopeke (Bildhauer) 357 / demokrit 112, 114, 324 /997 demosthenes 122f., 131, 141, 223 / 321 / 650, 749 desiderio da settignano 227, 655 / deukalion und pyrrha /301, 782 diadumenos u. doryphoros /539 dido /408, 410 / 661 didymus Alexandrinus 177f. / dike 621 / diodorus 66 diodotos 318 / diokles / 285 / 715–717 dion von prusa 4, 82, 70, 210, 81, 85f., 90, 249, 99, 296, 352, 375, 163, 534, 220, 714 /287, 316, 188, 224, 247, 263, 289, 317, 404, 997, 577 / 770 diogenes laertius 109, 181, 79, 346, 131, 411, 482, 665, 667 /80, 318, 196, 235, 292, 379, 450, 461, 411, 525, 543, 895, 900, 997 dionigi da Borgo san sepolcro /415ff., 631

INDEX nominum dionysius Areopagita /540, 923 dionysius periegetes (Geograph) /129 dionysos 627 / 482 dioskuren 477, 175–179 /– / 686–690 diotima /494, 864, 617 dolce, lodovico 130, 56–57, 92 /84, 330, 822, 1023, 581, 1036, 584, 1048, 592, 636 / 692, 697, 770 domitian, Kaiser /98 donatello 60, 87, 88, 96, 122, 463, 227, 235 /523, 577 / 724 donati, lucrezia /396ff. donatian, hl. /294 dondi, Giovanni / 686 doni –, Anton Francesco 38, 106, 56–57, 164, 71–72, 76, 82, 84, 89f., 96f., 161, 170f., 574 /279, 448, 824, 1080 / 717–718, 728, 770 –, Maddalena /782 dorothea, hl. /827 dryope /557 duccio, Agostino 649, 227 /362, 533f., 1100 dürer, Albrecht /979 duris 109 / Eduard von england, König /691 egidio da Viterbo /581 eirene /274 empedokles 150 /960 ennius 415, 665 /35, 326ff.–334, 395, 640, 631 ennodius /428 epiktet 38 /322, 292, 585 epikur /679 equicola, Mario /386, 727, 1122 erasmus von rotterdam 494 / erato (vgl. Musen) /533f., 606, 608 / 659, 662, 663 erginos 73 / eris 162 / eros /302, 536 espinques, Évrard d’ /409 este –, Alfonso 496 / –, Baldassare d’ /213 –, Beatrice d’ 199f. /336, 1122 –, Bertoldo d’ /730 –, Bianca Maria d’ /213 –, Borso d’ 239, 94 /404

–, –, –, –,

|

ercole d’ /443 / 726 Ginevra d’ /504 ippolito i. 202 / isabella d’ 113, 263, 444, 691, 243 / 730, 526f., 112f. –, leonello d’ 115, 95, 166ff., 713, 250 / 431, 439, 504, 533 / 755, 756 –, lucia d’ /800 –, Meliaduse d’ 474 / –, niccolò 55, 476, 169 /– / 725 –, Ugo d’ 474 / eugen iV., papst 118, 120, 131 /– / 647f. euklid /305, 674 eulalia, hl. /428 euphemia, hl. 693 / euphranor 74, 351, 223, 231, 234 /353, 592, 522, 980 euripides 181, 346, 627 /292 / 730 eustachius, hl. 251 / eustathius / 732 eyck –, Jan van 15, 37, 60, 53f., 267, 207 /18, 76, 293f., 298, 309, 523, 511, 829, 518, 896, 593 –, Margarete van /896 ezechiel /422 Fabius Maximus 336 / 600 Fabius pictor 223 / Fabri, Felix 164 /– / 726 Fabrini, Giovan Francesco 92 / Facio, Bartolomeo 32, 25, 60, 355, 130, 716 / 76, 161, 207, 214, 356, 315, 317, 347, 423, 401, 481, 500, 786, 1062 / 708, 742 / 750 ›Falso Boccaccio‹ 192 /– / 698, 701, 738 Fantini, contes /284, 354–355, 359 Farinati, paolo /1123 Farnese –, Alessandro 165 / –, Farnese, piero 650 / Faustina, Kaiserin /244 Fazio degli Uberti /490 Fedele, cassandra /1138 Feliciano, Felice 430 / 413, 432, 555, 511 Ferabos, Giovanni Antonio 96 / 323, 246, 353–354, 358, 359, 366, 473 / 694 Ferdinand ii. der Katholische (Aragón) /262 Ferrari, Gaudenzio 76 /

843

844

INDEX nominum Fiano, Francesco 31, 111, 100, 410, 623 /319, 197, 576, 979, 1106 / 730, 747 Ficino, Marsilio 30, 70, 346, 353, 132–138, 561, 209, 237 /115, 301, 388, 443–444, 397, 447, 398, 454, 486, 499, 681, 482, 487, 491ff., 534ff., 1106 / 694, 756 Fiera, Battista 83f., 658, 243 / 505, 869 / 569 Filarete, Antonio 7, 41, 109, 67, 85, 116, 446, 176, 183, 193f., 646, 228f., 232, 694, 705, 252f. / 280, 281, 292, 129, 151, 312f., 337, 340, 364, 544, 443, 460, 496ff., 505, 510, 513, 525, 885, 928, 561, 979, 568, 1123, 629f. / 683, 687, 692, 694, 703, 708, 743, 761–762, 763–764, 768, 775 Filelfo –, Francesco 241, 94, 351, 152, 172, 486, 488, 177, 619 /281f., 306, 360, 381, 386, 579, 595, 453, 632, 551, 614 / 688, 689 –, Giammario /432 Filetico, Martino 351, 352, 451 /271, 47, 282, 305, 461, 406, 411, 414, 601, 667, 466, 470, 859 / 652–654 ›Filocolo­Meister‹ /548f. Filolauro da cave / 697 Filosseno, Marcello 150 / Fioretti, Benedetto /1182 Fissiraga, Antonio /607 Folco da Villafora /533 Folengo, nicodemo /451, 876 / 694 Fontana, Giovanni 474 / 346f., 584, 587f., 1060, 1065, 629 / 755 Fonte –, Bartolomeo /347, 459, 645, 694, 827, 1070, 1089 / 689, 710, 771 –, Moderata /815, 865 Foppa, Vincenzo 115 / Foresti, Jacopo Filippo 186 /1101 / 685 Fortuna 76 / Foschi, pier Francesco di Jacopo /1092 Francesco da Barberino 549 /– / 702 Francesco da Brossano / 754 Francesco da carrara /464 Francesco da crema /351 Francesco di Giorgio Martini 7, 14, 356, 640, 234, 729 / 268, 47, 54, 280, 302, 312–123, 343, 802, 510, 550 / 752 Francesco di Valdambrino 206 /– / 721–724

Francia, Francesco 640, 254–256 Franciscus de retza /916 Franco Bolognese 160, 496 / 433f. / 697–700 Franco, Matteo 463 / Fregoso –, Antonio (alias Fileremo) /499, 841 –, Battista 493, 186, 194, 235 /66, 1121 / 685, 696 Freud, sigmund 28 / Friedrich ii., Kaiser /409 Froissart, Jean / 409 Froment, nicolas /17 Fulgentius /582 Gaci, cosimo /230 Gaddi, taddeo 60 / Gaffurio, Franchino 13 / Gaius lucilius 444 / Galanthis /970 Galateo, Antonio 289, 296, 349 / 317 Galen 100f., 353 /223, 678 Gallerani, cecilia 224 /880, 586f., 599 Galli, Angelo 193, 250 /302, 341, 358 / 703 Gambara, Veronica /315, 605 Gambello, Vittore s. camelio Ganassi, silvestro 141 / Gaspare da padova /548f. Gatta, Bartolomeo della /372–374, 401 Gaugelli, Gaugello /290, 464 Gaurico, pomponio 53, 155, 86, 94f., 339, 131, 145, 183, 227, 235, 247, 709 / 61, 888, 577, 1096 / 685, 711, 769 Geiler von Kaysersberg /1025 Gelli –, Giovan Battista 210, 596 /– / 704, 724 –, Gelli, Jacopo /841 Gellius, Aulus 259, 324, 419, 182 /155 / 681, 730 Gentile da Fabriano 60, 151f., 193 /178 / 743 Georg, hl. (s.a. Giorgione) 143, 164 /552f. / 727 Georg von trapezunt 192, 624 / 471, 1172, 637 / 749, 752 Gerardo da Verona /1030 Geremia, cristoforo di 541 /355 Gherardi, Giovanni da prato 109, 619 /607 / 775 Gherardo di Giovanni di Miniato (Maler) /345f. Ghiberti –, lorenzo 7, 49, 60, 61, 109, 47, 52, 131, 88, 283, 116, 330, 351, 128, 148, 156f., 448, 452,

INDEX nominum 463, 474, 172, 181, 183, 191, 203–213, 640, 642, 227ff., 665, 234, 677, 248f. /280, 258, 273, 342, 548, 791, 831, 873, 900, 544, 928, 1011, 627 / 678, 691, 694, 721–725, 732, 761, 762, 773, 775 –, Vittorio 60, 61, 116 /– / 761, 762 Ghirlandaio, domenico 116, 184 /422, 914 Giacomo da lentini /409 Giallo, Jacopo di Antonio 9–10 /– / 759 Gilio, Andrea 514 /– / 680, 771 Ginevra, s. Benci, Ginevra Giogante, Michele di nofri del /579, 1027, 1034, 1052, 1068 Gioggo, Bartolo 239 / Giordano da Bergamo /617 Giorgione 143, 164 / 387, 549, 1123 / 727 Giotto 16–17, 26, 60, 73, 93, 87, 91, 345, 355, 129, 160, 463, 168, 510, 187–195, 234, 698, 699 /76, 194, 329, 331, 316, 384f., 499, 561, 634 / 700–704, 735, 744, 748, 770 Giovanni d’Arezzo 102, 105–106 / Giovanni di Bartolomeo 580 / Giovanni di Bartolomeo Bettini da Fano / 763 Giovanni da capua 170 /– / 718 Giovanni da Fano /167 Giovanni di paolo /297, 393, 419, 512f., 613 Giovanni da rieti /198 Giovanni da san Miniato s. petrarca/Giovanni da san Miniato Giovanni da serravalle / 699, 702 Giovanni da tolentino / 689 Giovio, paolo 161, 249 / 285, 234 / 703 Giraldi, Guglielmo / 423–424, 559, 562 Giustinian, leonardo / 358, 463, 448, 1027, 586, 1062 / 707, 773 Glykera /564f. Gocelinus 603 / Goliath 41, 492, 634 /– / 777 Gometius, ›Meister‹ 556 / Gonzaga –, cecilia 718 / –, chiara 41–42 / –, emilia /94 –, Francesco 272 / 347, 937, 573, 1027 / 710 –, Francesco ii. 69 /309 –, Gianfrancesco 713 /900 –, lodovico 461 /329

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–, Margherita /800 Gonzales Fernando de Oviedo 557 / Gorgias von leontinoi 68–70, 303 /525f. Gorini da san Gimignano, Giovanni /1179 Gozzadini­Familie /324f. Gozzoli, Benozzo 501, 715 / 522, 674, 771, 563f., 1154 / 759 Graziolo, Francesco / 767 Gregor der Große /629 Gregor von nikomedien /547 Guardi, Francesco /1001 Guarino da Verona 55, 216, 94–95, 355, 166, 526, 532, 647 / 304, 315, 327–329, 365–366, 368, 552, 438–439, 448, 454, 456, 796, 869, 899, 533, 902, 1101, 1103, 630, 1172 / 706, 707, 708, 747, 748, 750, 754, 755, 775 Guarino, Battista /474 Guarna da salerno, Andrea 91f., 201, 642 /497 / 769 Guastis, lodovico de /502 Guazzalotti, Andrea /36, 318 Guazzo, stefano / 692 Guenievre /409, 491 Guercino 324 / Guerriero da Gubbio /433 Guglielmo da pastrengo da Verona /1179 Guiccardini, Francesco 205 / Guinizelli, Guido 188 /– / 700, 702, 730 Guittone d’ Arezzo 232 / Gutenberg, Johannes 14 / Haecht, willem van /293f. hannibal /600 harmodios u. Aristogeiton /900 hawkwood, John 226 / helena 38 /– / 660, 737 heliaden /557 hephaistion 450 / hephaistos 120f. /536 hera 460 /404 heraklit 35, 59f. /411 herkules/herakles 128–129, 223, 236f. /405 / 651, 777 hermaphrodit /905, 914, 544, 567 hermes /443f. herodian /450 herodot 179 /538 hesiod 415, 162–163, 217f. /211, 515 / 730 / 678 (?)

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846

INDEX nominum hieronymus, hl. /505, 422, 674, 976 himerios 480 /271, 318, 334, 368, 1147, 631 / 693, 704–705, 777 hiob 220 / hippias 79 / hippokrates 306, 109 / 318, 678 / 736 hipponax /46 holanda, Francisco de 94f., 671 /– / 692, 769 homer 17, 75, 213, 86, 92, 112, 343, 180, 217f., 225, 249 /308, 311, 390, 443, 538, 584, 454ff., 862, 527, 547, 547, 605 / 678, 730, 737, 748 honoratius von Autun /629 honos /501 horatius cocles /47 horaz 3, 8, 9, 15, 20, 34, 59–62, 95, 302, 642, 646 / 283f., 286, 173, 320, 197, 230, 364–365, 382, 431, 581, 582, 627, 816, 516, 897, 899, 902, 536, 925, 990, 1012, 576, 1017, 589, 592, 1070, 1076, 614, 1146, 622, 1163 / 704, 742, 758–759, 777 horozco y covarrubias, Juan de /536f. hortensius /232 hugo von st. Victor 56, 291 / Hypnerotomachia Poliphili s. colonna, Francesco Iaia 673 / ialysos /315 ikarus /461, 550 / 660 innozenz Viii. 681, 687 / 594 / 766 iphigenie / 733 irene /569 irpino (o.a. hirpino), enea /547 isaak, s. Abraham isaia di pippo 541 / isidor von sevilla 418 /592, 593, 1100 isokrates 336, 223 / isotta da nogarola 673 / iuniper aus pistoia /582f. ivani, Antonio / 689 Jacobus de Voragine 52 / Jacometto Veneziano 39 /513ff., 979, 576f., 584 Jacopo da Montepulciano 193 /– / 702 Jacopone da todi 63 / Janus /567f. Jeanne de laval /242, 248 Johann Ohnefurcht /108 Johannes Viii. paläologus 708 / Johannes der täufer 189, 211 /294, 504, 486

John of Garland /1098 Juno 149 /– / 741 Jupiter 74f., 117, 357, 365 /461, 466 Justitia 83 / Justus van Gent /138 Justus van Gent/pedro Berruguete /43, 459, 461f. Juvenal 275, 120, 341, 567 /46, 177, 323, 223, 231, 840 / 730 Kalamis 636 / Kallikles 68 / Kallikrates /311 Kallimachos 668 /506f. / 655, 752 Kallistratos 144 / Kampaspe 57 /234 / 738 Kanachos /838 Karl V. 171 /– / 719–720 Karneades 80 / Kephisodotos /309 Kleanthes 109 / Kleiton 85 /300 Klemens von Alexandria /871 Kolotes / 733 Konrad von soest /394 Konrad von würzburg /295f. Konstantin / 407 Kresilas 179 /– / 677ff. Kriton 109, 79 / Kydon 179 /– / 677ff. Lamberti, niccolò 206 /– / 721ff. lamo, Alessandro 107, 200 /– / 711 lana, Jacopo (o.a. iacopo) della 192 / 434 / 697, 700 lancelot /401, 409, 491 lancilotti, Francesco 83 / 411 /697 landino, cristoforo 60, 30, 155, 65, 70, 231, 241, 252, 92, 324, 353, 130, 595, 657, 689, 694, 714 / 43, 283, 299, 308, 316, 198, 202, 344, 319, 397, 450, 411, 445, 633, 464, 474, 482f., 485f., 488, 493ff., 496, 498, 500, 506, 807, 518, 859, 523, 527ff., 893, 533f., 902, 906, 538f., 544f., 547ff., 556f., 568, 573, 1017, 1038, 1064, 595f., 1069, 599, 604, 1133, 616, 1150, 620 / 654, 659–676, 699, 702, 709, 745, 773, 776 landriani, Gerardo 55 / landucci, luca 237 / laokoon 4, 11, 351 / lapi, Angelo /246, 432

INDEX nominum lapo da castiglionchio 117–132 /198, 464, 637 / 647–652 lapo niccolini, luigi di Bernardo di /484 laodamia /347–348, 494, 877 laura (petrarcas Muse) /332, 335, 266, 361–363, 372ff., 446, 455, 474, 479f., 745, 841, 527, 547ff., 584, 1049, 593, 504, 605, 631 / 669, 778–779 laurana, Francesco /334–369 laurentius, hl. 602, 254 / lazzarelli, lodovico 419 /299, 302, 305, 321, 346, 411f., 534, 544, 439, 643 leda, ›Magnaleda‹ /585 / 656 lemaire, Jean /344–345 leo X., papst 310 / leochares 182ff. /– / 681ff–686 leon /607 leonardi, camillo 101 /291 / 692, 696, 711 leonardo da Besozzo /437 leonardo da Vinci 5, 7, 8, 13f., 18, 22, 25, 28–29, 33, 46, 119, 51, 55, 58, 61, 63–67, 73, 75f., 82f., 90f., 262, 100, 284, 304, 108, 112–114, 122–123, 127, 129, 132, 375, 137, 387, 140f., 417, 160f., 165f., 171, 492, 178, 517, 191f., 196ff., 224, 645, 227f., 664, 239 / 268–269, 51, 285f., 292, 140, 306, 176, 318–319, 327, 234, 243, 351, 463, 421, 432, 441, 452, 474, 695, 640 / 645–647, 689, 714–715, 729, 746–747, 770 leone, Ambrogio 101 /– / 769 leonidas /444 leukippos /905 lessing, Gotthold 11 / limburg, Brüder /435 linus / 659 lionardi, Gianiacopo /772 lippi, Fra Filippo 184 /206, 352, 600 livius /126, 788 lodovico da pirano /585 lomazzo, Giovanni paolo 40, 58, 66, 29, 76, 114, 115, 57–58, 66, 86f., 90f., 187, 450, 480, 171, 505, 514, 518, 197, 649, 658, 669, 684, 688, 704 / 450, 462, 411, 510, 833, 921, 941, 566f., 992, 1069, 1116, 614 / 680, 686, 690, 697, 704, 711, 718, 720–721, 727, 732, 770 lombardi, Alfonso 171 /– / 719–720

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lombardo –, pietro /617f., 620ff. –, tullio 140 / 1161 longinos /1110 lopadiota, Andreas /361 loschi, Antonio 131, 260, 623, 624 /– / 730 lot /979 lotto, lorenzo /380 / 777 lucan /428 ludwig Xii. /234 lukas, hl. 415 /467 lukian 15, 17, 47, 21, 68, 74–77, 79, 82, 240, 89, 91, 263, 96f., 117–132, 191, 621, 249 /314, 177, 211, 223, 271, 292, 464, 575, 520–527, 928, 993, 647–651 / 647ff., 768–770, 772 lukillios 281 / lukrez /144, 314, 177, 640, 810 luna, niccolò della 448, 172, 217ff. / 637 / 678, 731 lykurg /595 lysipp 3, 75, 276, 338, 480, 223, 235 / 321, 258, 353, 364ff., 631, 1187 / 704–711, 777 lysipp der Jüngere 510 /271, 329, 355, 885 Maccaneo, domenico 660 / Machiavelli, niccolò 97, 205, 589 / Macrobius, Ambrosius theodosius 240 / 407f. ›Maestro del putti bizzarri‹ /366 ›Maestro delle storie del pane‹ /324f., 796 Maffei, raffaele 109, 427, 518, 669, 684, 716 /– / 685, 690, 696, 711 Maggio, Giuniano 149 /– / 684 Maiano, Benedetto da /329f. Mainardi, sebastiano /914 Maius, iunianus s. Maggio, Giuniano Malatesta, sigismondo 208 /264, 505 / 688, 731 Mamurrius (Bildschnitzer bei properz) /570 Mander, Karel Van 43 / Maneres, Bartolomeo /359, 329 Manetti –, Antonio di tuccio 60, 90, 157f., 574, 206, 591, 595, 210, 212, 214, 655 /319, 873, 1150 / 722 –, Giannozzo 61, 113, 115, 332, 118, 123, 354, 130, 410, 518, 526–527, 567, 214, 242f. /48, 423, 529, 927, 928, 1060 / 694, 775 Manfredo de Monte imperiali /467f. Manilius 132 /

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INDEX nominum Mantegna, Andrea 21, 116, 76, 83f., 93, 97, 361, 150, 444, 475, 173, 660, 234, 240f. /278, 332, 463, 531, 533, 992, 1100, 606f. / 710 / 764, 766 Mantovano, Falco 173 / Maranta, Bartolomeo 281f., / Marc Aurel, Kaiser 252 /463 Marcia 232–233 /– / 765 Marescotti, Antonio 709 /900 Maria von Burgund /900 Mariano, Jacopo s. taccola Marliano, Aloiso 556 / Mars /573 Marsi, Antonio 316 /481 / 728 Marsuppini, carlo /547 / 693 Marsyas 178 / Martelli, Braccio /449 Martial 419, 496, 181 / 466, 616, 467, 1120 / 730, 753 Martin, hl. 443 / Martini, simone 61, 345 / 332, 403ff., 415f., 550ff., 1049, 1107 / 734, 735, 752 Marullo, Michele /317, 323f., 637, 599 Marzio da narni, Galeotto /992 Masaccio /258 Maso di Banco 60, 234 / Maso di Bartolommeo 116 / Matthias o. a. ›König Matthias‹ 57 / Maturanzio, Francesco 86, 567 / 197, 873, 1062 / 751 Mausolos s. Artemisia Maximilian i., Kaiser /900, 1031 Maximos von tyros /531 Mazziere, Agnolo di domenico del /565f., 576 Medici –, cosimo d. Ä. 345 / 281, 692, 491, 819, 912, 992 / 693, 750 –, Giuliano de’ /487 –, lorenzo il Magnifico 38, 105, 463, 184, 628, 635 /129, 403, 416, 396f., 545, 446, 604, 643, 479, 716, 482, 724, 487, 735, 506, 808, 508, 955, 987, 576, 1150–1151 –, lorenzo di pierfrancesco de’ /1040 –, piero de’ 214 /716, 819, 519 Medusa / 745, 521, 551, 599 / 737 Meglio, Giovan Matteo (o.a. Antonio di Meglio) /567, 576

Mehmet ii. 719 / ›Meister der Griselda‹ 184f. / – / 767 ›Meister von Flémalle‹ 15 / ›Meister stefano‹ 60 / ›Meister des Xenophon hamilton‹ /370f., 422f. Mela, pomponius /129, 418 Melanthios 109 / Meliori, Bartolommeo 41–42 /744 Melzi, Francesco /570f. Memling, hans /486f., 495, 563, 1052 Memmi, lippo /512 Memnon 76 / Menedemos 170 / Mentor 636 / Mercati, Michele 373 / Merkur 393, 217 / Merula, Giorgio /614 / 757 Metrodoros 665 / Michael, hl. 569 Michelangelo 8, 41, 138, 57, 76, 234, 92, 95f., 224, 688, 244, 246 /403, 1080, 1091 / 769, 778 Michelino da Besozzo 552 / Michiel –, Marc Antonio 408, 700 /730, 513f., 553 / 727 –, niccolò /900 Michelozzo 89, 640 / Midas / 196 Milon 489, 223 /232 Minerva 669 / 447 / 652, 743 Mino da Fiesole /351f. Miriliano, Giovanni (alias Giovanni di nola) /275 Mocenigo, pietro /440, 1152 Mocetto, Girolamo 466 / Momus 76, 83 / Mona lisa /588, 599 Monaco, Guglielmo lo / 765 Monte di Giovanni del Fora 177f. /– / 766 Montecatini, Antonio / 726 Montefeltro –, Aura /25 –, Battista s. sforza, Battista –, Buonconte /236 –, Federico da 358 / 261–475 /694, 778–779 –, Galasso di /670 –, Guido il Vecchio da /110 –, Guidobaldo da 1 /266, 274, 289, 138, 365, 461, 495, 427, 430, 1179 / 709

INDEX nominum –, Oddantonio da /302 Montelupo –, Baccio da 143 / –, raffaello da 143 / Morata, Olimpia /1123 Moravio, Agostino 250 / Moretto /1100 Morgante (hofzwerg der Medici) 40, 42 /530f. / 777 Mosco, demetrio 263, 697 / Moses /459 Muse(n, neun) /89, 439 (Klio), 584, 538, 1017, 604, 1103f., 608, 1122, 615, 617 / 659 (Kalliope), 668 (thalia), 673 Mussato, Albertino 53 /437, 579 Mutius /359 Myrmekides /311 Myron 39, 34, 74, 75, 276, 356, 131, 375 /320, 1189 / 649, 745f. Mys 419 / Naldi, naldo / 370, 482f., 487f., 493f., 763, 549, 955, 558 / 654–655 nanni di Banco 687 / 760 narziss 62, 193 /411, 416, 692, 970, 572, 1005 natolini, Giovanni Battista 72–73 / navagero, Andrea 665 /1133 nebukadnezar 88 / negri, stefano 263 / nelli, Ottaviano / 420 neptun 365 / nerli, Filippo de’ 97 / nero, Kaiser / 232, 487, 1036 neri di Bicci 47, 655 / nerocchio 253–254 / nestor / 658 niccoli, niccolò / 755 niccolò da correggio 110, 314, 647 /347, 599 / 710, 751 niccolò di luca spinelli 206 /– / 721ff. niccolò da reggio 100 / niccolò da Uzzano 583 / nicolaus (Bildhauer) 180 /1017 nicoletto da Modena / 759 nikias aus Athen 385 /343 nikolaus V., papst /147 nikolaus von Kues 63–67, 138 /421, 531, 528 nikolas von wyle 355 /

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nikomachos 450 /271 nizami, Mohammad 261/ nobili, Flaminio /907 nogarola, isotta /605 numa /596 nuvolaria, pietro de 113 / nuvolini, Filippo 229, 150, 698 /52 Occasio 97f. / Odasio, ludovico / 461, 495, 427 Oderisi da Gubbio 160, 496ff., 433f. /– / 697–700 Odysseus / 664, 732 Onofrio de paganini 202 / Orcagna, Andrea 641, 228, 234, 246 /– / 748 Origines 154 /905 Orpheus /451 Orsi, roberto /167 Orsini –, Fulvio /946 –, Gentile Virginio /197 –, Giordano 110, 120 / Oswald von wolkenstein /54 Ovid 3, 68, 359, 410, 454, 492, 215f., 251 /54, 301, 302, 191, 211, 236, 347f., 301, 320, 376, 384, 461, 470, 407, 409f., 494, 497, 499, 425, 538, 616, 467, 764, 771, 775, 782, 790, 792, 796, 813, 840, 861, 905, 557ff., 992, 1001, 594, 1076, 1104, 1107, 608ff. / 748, 757 Pacini da todi, Antonio /586 / 693, 750 pacioli, luca 7, 131, 65–66, 178, 196–202, 218, 639, 232 /7, 47, 284, 457, 674 / 690, 696, 729 pacuvius (dichter u. dilettant) 665 / pagolo di Matteo petriboni 208 / pallas / 531 palmieri, Matteo 36, 93, 296, 323, 179, 181, 601 /524, 1150 / 678, 773 paltroni, pierantonio / 274, 365, 383, 414 panainos 449, 665 /– / 731–732 panetti, Giovanni Battista /277–278, 286 pannartz, Adolf 392 / pannonius, ianus 229 /304, 992 panormita (alias Beccadelli, Antonio) /467, 537 panthea /520–527 panziera, hugo (o.a. Ugo da prato) / 737 paolino Veneto /582 paris /859 parleone da rimini, pietro 373 /

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850

INDEX nominum parrhasios 4, 229, 85, 100, 316, 345, 351, 361, 136, 384, 419, 153, 440, 159, 480, 491, 186, 188, 193f., 229, 668, 693, 698, 725 / 300, 353, 405, 521f., 545, 572, 574 / 663, 693–697, 732, 745f., 777 pasiles 375 / pasiphae 375 / pasiteles 682 /– / 777 pasquino 96 / passeri, Marcantonio / 922 pasti, Matteo di Andrea dei /501, 546 patrizi, Francesco 179, 668, 232, 235 /279, 454, 637, 873, 568, 1062, 1182 / 678, 691, 693, 756, 776 paul ii., papst 403 / pausanias 188, 425, 460, 489, 665 /155, 232, 386, 404, 504, 1109 pausias /564 pauson (Maler) /563f. pavoni, Vittore u. taddea /900 pazzi, Familie /484 pegasus 719 / 606, 608, 618, 624 / 650, 673 pellene 76 / penelope / 656 pennacchi, pier Maria 150 / perikles 669 / perillus / 673 perotti, niccolò 4, 128, 149, 463, 179, 698 /320, 344 / 679, 692, 773, 776 perugino, pietro 86, 184 / peruzzi –, Baldassare 640 / –, luigi /553 persius 444 / 640 pesellino /384, 386f. petrarca, Francesco 8, 12, 14, 12, 16, 17, 19–20, 26, 32, 44, 110, 49, 131, 59–62, 75, 210, 79, 80, 90, 100f., 108–117, 339–340, 122, 355, 138, 392, 147, 156, 477, 487, 175–179, 518, 200, 630, 636, 665, 714 /262, 271f., 47, 82, 287, 307, 311, 313ff., 317, 321, 323, 327, 332f., 335, 245, 267, 274, 349, 316, 359, 361–363, 365, s. 370ff., 437ff., 442, 459ff., 745, 491, 759, 785, 515, 524, 527, 895, 896, 900, 535, 538f., 547–556, 965, 566, 1037, 1039, 1069, 1108, 1120, 628, 631, 634, 1181, 638, 640 / 669,

681–682, 686, 705, 727f., 734–737, 739, 745, 748, 752, 753, 768, 770, 774 petrarca/Giovanni da san Miniato 97, 154, 185, 108–117, 122f., 127f., 463, 489, 494, 496, 615, 629, 632, 642, 670 / 284, 347, 493, 498, 608, 453, 637, 830, 519, 895, 1027, 1060, 1074, 598ff. / 683, 706, 728, 736, 739, 748, 749, 768, 773, 775, 778–779 ›petrarca­Meister‹ 59, 450, 694 /274 petronius 338, 345 /315, 358, 518 / 751 petrucci, Abdreoccio /358 petrus christus 552 / petrus, hl. 91 / peuerbach, Georg /147 phädrus 244 / 345 / 772 phalaris 289 / phidias 29, 109, 74–75, 219, 86, 90, 92, 269, 270, 97, 106, 109f., 117, 119, 339, 351, 356–357, 131, 375, 379, 410–411, 175–178, 179ff., 186, 211, 220, 223, 638, 231f., 235, 686, 256 / 76, 304, 321, 328, 247, 271, 353, 404, 499, 593, 447, 456, 502, 830, 521, 528, 1089 / 649, 652–654, 677ff.–680, 686–690, 728, 733, 735, 736, 743, 749, 755, 770, 774–776 philetas 109 / philipp der Gute, herzog von Burgund /309, 594 philipp der Kühne, herzog von Burgund /287f., 610 philibert de savoie /344 philippe de cabassoles /473 philippos 237 / philon von Alexandria 241, 609 /359 philostrat 4, 17, 60, 93f., 99, 358, 372, 375, 387, 150, 193, 226, 651, 243 /194, 404, 482, 502, 508, 859 / 768 photius 447 / 361 phradmon 179 /– / 677ff. phyllis /573 / 670 physiologus /7 piatti, pietro Antonio (piattino) 92 / piccolomini, enea silvio 355, 244 /62, 294, 1121 / 742, 776 pico della Mirandola –, Galeotto i. / 213 –, Gianfrancesco / 617, 1189

INDEX nominum –, Giovanni 14, 136, 513, 220 /79, 347, 388, 423, 425, 452, 490, 424, 886, 537, 567, 993 / 710 piero di cosimo 341 / piero della Francesca 3, 7, 51, 143, 228 /261–475, 873, 527, 635 / 694, 709, 778–779 piero da Vinci (Vater von leonardo) / 489 pietro d’Abano 101 / pietro di Jacopo 207 / pietro da Milano /364 pietro da Montagnana 263 / pindar 128, 73, 172 /330, 617, 1017 pino, paolo 59, 92, 143 /– / 692, 727, 769 pinturicchio, Bernardo 354 / pirovano, Gabriele 556, 198 / pisanello, Antonio 53, 60, 39, 151f., 458, 166ff., 640, 234, 246–257 /36, 54, 178, 226, 242, 358, 366, 369, 546, 431, 469, 495f., 779, 504, 564 / 707, 713–714 pisano –, Andrea 313, 341 /902 –, Giovanni 180, 190f., 681 / –, nicola 190 / pistias 85 / pius ii. / 36, 201, 318, 661 platina (alias Bartolomeo sacchi) 125, 130, 364 /322, 497 / 688 platon 20, 23, 68, 192, 79, 254, 294, 119, 339, 129, 132–139, 412, 148, 468, 176, 624, 636, 226, 665 / 61, 113, 196, 271, 278, 317, 321, 396f., 450–451, 399, 435, 583, 590, 617, 493, 762, 774, 503, 798, 522, 534ff., 914, 917, 584, 590, 1135, 640 / 730, 752 plinius d. Ä. 3, 3, 4, 15, 17, 39, 57, 62, 73, 109, 54, 64, 69, 188, 75, 83, 283, 291, 293, 104, 312, 316, 119f., 351, 126, 375, 384–385, 413, 415, 153, 440, 446, 450–451, 169, 489, 493, 179, 181ff., 188, 210f., 230, 231, 696, 698 / 46, 278ff., 288, 310–311, 179, 207, 213, 214, 232, 246, 339, 265, 271, 308, 320, 364, 367, 358, 450, 405, 467, 430, 431, 569, 470, 788, 502, 802, 804, 809, 508, 509, 513, 515, 518ff., 527, 900, 539, 920, 924, 927, 928, 963, 564, 568, 572, 574, 1070, 1079, 1108, 1109, 1148, 628 / 677, 681, 690, 693, 696, 704, 732, 733, 737, 751, 765, 766, 772, 774

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plinius/landino 518, 599, 665 /43, 850, 564f., 572, 1003 / 679, 684, 692, 695, 732, 765, 766 plinius d. J. /308f., 178, 195, 676, 694, 513, 1148 plotin 396 /306 plutarch 14, 30, 312, 336, 120, 346, 369, 141–142, 454, 463, 477, 508 /60, 86, 165, 214, 271, 364, 351, 367f., 485, 499, 531, 438–449, 454, 840, 874, 897, 536, 922, 968, 563, 980, 993, 1060, 1110 / 647, 693, 704 polenton[e], sicco 138 /595, 1070, 1151 poliphilo 183 / poliziano, Angelo 97, 81, 86, 87, 97, 110, 314, 353, 172, 179, 518, 185 /79, 317, 206, 329, 352, 365, 367, 496, 458, 716, 487f., 494, 507, 539, 919, 955, 561, 568, 596, 1104, 608, 1114, 1121– 1112, 611, 615, 1138, 1146, 637 / 679, 684, 709, 710, 776 pollaiuolo, Künstlerfamilie 234, 236–239, 246 / –, Antonio del 354, 580, 245 /197, 558f., 777 –, piero del 635 /– / 725–726, 733, 766 pollux 238f. / polydore Vergil /637 polygnot 379, 256 /285, 321, 522f., 997 / 715–717 polyklet 39, 109, 75, 219, 270, 288, 110, 313, 117, 351, 131, 379, 179–182, 186, 193, 206, 210f., 220, 223, 231f. /300, 181, 247, 348, 353, 403ff., 553, 539, 550, 1187 / 649, 677ff.–680, 703, 734, 741, 743, 745, 755, 774–776 pomona /570f. pontano, Giovanni 31, 32, 81, 240, 254, 260, 99, 301, 152, 443, 487 /319f., 230, 401, 790, 857, 895, 928, 930, 1011, 1079, 1181 / 739 pontormo, Jacopo 8 /275, 80, 1001 / 778 ponzone, Fra domenico 556 / porcellio [Giovanni Antonio pandoni] 29, 96, 499, 183, 665, 232, 669, 726 /268, 126, 303, 332f., 336, 292, 361, 529 / 683, 687, 731, 773 pordenone 56 / porphyrios /333 portia 272 / portinari, Benedetto /765 posculo, Ubertino / 743 poseidippos 276 / poseidon 75 / pratesi, Giovanni / 750 praxiteles 75, 82, 87, 269, 96, 316, 351, 352, 131, 175–178, 538, 193, 223, 686, 244, 256 /280,

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INDEX nominum 76, 343, 302, 353, 463, 522, 545 / 649, 686–690, 703, 775, 776 predis, cristoforo de’ / 763 previtali, Andrea /796, 562f. prodikos 359, 129 / proklos /451 prometheus 89 /– / 693 properz 636 /327, 359, 434, 494, 546, 569, 1104 / 655 prosperi, Bernardino 496 / protesilaos /287 proteus /568, 993 protogenes 113, 231, 159, 166, 477, 192, 230 /285, 315, 463, 499 / 690–693 prudentius /428 ptolemäus /267f., 301ff., 306, 370, 461, 574 publico, Jacopo /1027 pulci –, Antonio /194 –, luigi 66, 463 /442, 955 puteolano, Francesco /364 / 709 pygmalion (und Galatea) 81, 341 / 350, 406, 1001 / 734 pylades u. Orestes / 671 pyrgoteles 231 / 364ff. / 704–711, 777 ›pyrgoteles‹ (alias Gian Giorgio lascaris) /353 pyrrhon 665 pyrrhus /89 pythagoras aus samos 283, 665 /681, 896 / 653 Quattro Cortonati 687 /– / 760 Querini, Giovanni / 748 Querica, Jacopo della 206 / 309 / 721ff. Quintilian 15, 23, 55, 84, 74, 79, 232, 259, 281, 292, 334, 141, 145, 153, 532, 540, 646, 231, 694, 251–253 / 278ff., 54, 271, 289, 321, 395, 430, 575, 616, 624, 453, 570, 1017, 579ff., 1034, 583, 1040, 1053, 1070, 1117, 1175, 1182 / 693, 733, 753, 774 Quirini, lauro 260 /– / 773 Rabelais / 312 raffael 57, 76, 661, 254f. /268, 360, 413, 637, 1052, 1103, 611ff. ragone, Jacopo /1027 raimondi, Marcantonio /637 rasini, Baldessare /309 reatino, tommaso 95 / reatinus, Giovanni 336 /

rené von Anjou /248 reni, Guido 66 / rhea 243 / ricci, pietro, s. crinitus riccio (alias Andrea Briosco) il 704 /1096, 1100 ridolfi, carlo / 727 rinuccini –, Alamanno 60, 110, 128, 227 /445, 626, 637 –, cino 193 /– / 703 rinuccio da castiglione 92 / ripa, cesare 164, 370 /1076, 1123 rizzo, Antonio 272 /358 restoro d’Arezzo /306f. robbia, della, Künstlerfamilie 227 /506 –, Filippo della 651 / –, luca della 128 / robert, von Anjou 284, 441, 192 / robortelli, Francesco 22 / rogier van der weyden /104, 984, 1016 romano –, Giancristoforo 88 / 336 / 769 –, Giulio / 466 roscius 682 /– / 777 rosselli, Francesco /20 rossi –, Bernardo de’ /781 –, Giovangirolamo de’ /432 rovere, della –, Francesco Maria /356 –, livia Feltria, herzogin von Urbino /694 rucellai, Giovanni 234, 684, 698 /505 / 687 russi –, Francesco de’ /289f. –, Franco dei /230, 433, 636 rustici, cencio dei 624 /– / 686 Sabba da castiglione 59, 660, 678 /462, 941 / 685, 692 sabellico, Marcantonio /440 / 696 sacchetti, Franco 87, 116, 126, 129, 234 /277, 348, 747, 510, 859, 577 sacchi, Bartolomeo s. platina salamacis /905 salimbeni, Michele Angelo 255f. sallust /865 salutati, coluccio 30, 102, 104f., 123, 346, 359, 160, 454 /258, 443, 873, 1106 / 712–713, 772 samson und dalila 240f. /

INDEX nominum sandrart, Joachim von 450 / sangallo –, Antonio da 310 / –, Francesco da 8, 101, 215 / sannazaro, Jacopo 361, 698 / sansovino –, Andrea 273 / –, Francesco /636 –, Jacopo 444 / 773 / 777 santi, Giovanni 7, 60, 56, 137f., 526, 661, 234, 237, 698, 249, 716 /264, 268, 273ff., 47, 290–291, 296, 319, 365, 383, 411, 490, 524, 439, 445, 453, 647, 795 / 684, 745 sanvito, Bartolomeo /271f., 495, 455, 508, 549 sappho (u. phaon) /522, 605ff. saraceni, cristoforo 256 / sassetti, teodoro /459 saturn /386 savonarola –, Girolamo 64, 171, 70, 282, 331, 408, 214 /471f., 505 –, Michele / 741 savorgnan, Maria /954 scala, Bartolommeo /279, 370, 448, 807 scannapeco, Girolamo 285 / 715 scardeone, Bernardino 116, 435, 690 / scarperia, Antonio /712 scheggia (alias Giovanni di ser Giovanni) /376f., 413 schlick, Kaspar 699 / schrader, laurent /659 scipio /313, 552, 594, 457 sebastiano del piombo 89, 664 /600f. seccadenari, niccolò 735 / sellaio, Jacopo /418, 387 seneca 306, 341, 354, 364, 444, 174, 618 /310, 314, 187, 493, 509, 464, 467, 682, 1036, 1118, 630, 1181 / 693, 755, 768, 770 sercambi, Giovanni /652 ser Guerriero da Gubbio /433 servius 541 / seta, lombardo della /410 / 736 sforza, Familie der / 731 –, Alessandro /16 –, Battista / 261–475, 631 / 652f., 778–779

–, caterina /1068 –, costanzo /36, 291, 229 –, Francesco 178 /265, 306, 309, 364f., 443, 446f., 529, 891 / 708, 745 –, Galeazzo Maria 93 / –, Galeazzo Vi. da sanseverino 556 / –, ippolita Maria sforza /251, 340f. –, ludovico il Moro 55, 72, 196ff., 645 /47, 66, 408, 809, 586, 614 / 690, 709, 729 siceliota, Johannes 186 / sigismondo de’ sigismondi 501 / signorili, niccolò / 686 signorelli, luca 143 /347 simone da colle 206 /– / 721ff. simonetta, Giovanni / 364 / 709 simonides von Keos 8, 14, 30, 251 /437, 438f., 637, 865, 590ff. / 751 sirigatti, ridolfo 89 /– / 771 sixtus iV. 354, 681, 687 / skopas 4, 351, 410, 182ff. /285, 353, 499, 984 / 681ff.–686, 703, 715–717, 777 soderini, pietro 563, 661 / soggi, niccolò 444 / sokrates 68, 186, 86, 103f., 122ff., 130–131, 665 /46, 300, 461, 414, 590, 679 / 650 solon 120, 346 / sophokles /196, 617 sophronisco 346 / sozzini, Mariano 244 / spagnoli, Battista 100, 694, 250 /– / 695 sperandino /36 speraver 603 / speroni, sperone / 907 / 697 spinoso, paolo 510 /318, 355 / 688 squarcione, Francesco 116 / statius 82, 314, 179 /196, 367, 443, 550 staton 107 / stefaneschi, Jacopo /553 stephano (Maler) 283 / strabon 236, 447 /279, 404 strozzi –, costanza / 859 –, niccolo 95 / –, roberto 363 / –, tito Vespasiano 250 /

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INDEX nominum sueton 665 /39, 80, 98, 165, 279, 362, 402, 441, 779 / 756 suidas 410 / sulla 203 / sulpicius severus 252 / summonte, pietro 407 /337, 275 / 703, 727 sweynheym, Konrad 392 / sychaeus 408 synesios 187, 312 /368 Taccola, Mariano 463 / tacitus 665 /312 talice da ricaldone, stefano / 776 tasi, Andrea /499 tasso, torquato 8, 95, 415 /907, 1069 tedaldi, pieraccio / 774 teiresias /905 telesilla /1109 telesio –, Antonio 150f. / –, Bernardino 331 / telestes /271 terenz 185 / 470 / 750 terramagnino da pisa /92 tertullian 331, 412 /427 thales 131 / themistios 87, 454, 534, 725 / themistokles /444, 446 theodekt 520 / theodoros von samos 38 /1079 theognis 68 / theophanes 109 / theophilus 176 / theophrast 109, 336 /291, 543, 516 theopomp, theoktet, naukrates 520 / thomas von Aquin /540, 617, 661 thomas, hl. 22, 678 / thukydides /592 tibull / 655 tifernas, lilius 241, 261 /302, 359–360 / 756 tignosi, niccolò /617 timagoras aus chalkis 449, 665 /– / 731–732 timanthes 491, 698 /170, 353 / 732, 733 timotheos 182ff. /– / 681ff.–686 titus 3 / tizian 76, 92, 171 /379, 772 / 719–720 tolomei –, lattanzio 95 /

–, Marco Antonio 349 / tomài –, pietro (alias pietro da ravenna) /578–593, 629 –, tomaso / 581 tomeo, niccolò leonico 95 / tommaso de’Bizzocchi /62 torella, ippolita /360 torrentino 5 / torrigiani, pietro di Antonio /137 tortelli, Giovanni 192, 149, 176, 179, 518 /928 / 679, 684, 688, 694, 775 toscanelli, paolo dal pozzo 65, 101 / traini, Francesco /453 trajan /423f. trapezunt, s. Georg von trapezunt traversari, Ambrogio 346, 624 /360 trebanio, Aurelio / 731 tribolo, niccolò 8, 27, 213, 246, 316, 115 /– / 728, 770 tribulet /248 trissino, Gian Giorgio /526f., 945 tura, cosmè 226, 693 / tullia von Aragon /907, 1100 tydeus 419 / Ubaldini della carda, Ottaviano /268, 293f., 358 / 703 Uccello, paolo 226 / Ugonio, pompeo / 766 Urcea, Antonio / 696 Valerius Maximus 105, 314, 346 /312, 351, 417, 447, 788, 873, 928 / 698 Valla, lorenzo 31, 71, 201, 97, 100, 323, 115, 348, 353, 359, 134, 376, 460, 176, 513, 198, 225, 692 /60, 286, 115, 308, 187, 322, 294, 501, 519, 859 / 687, 739, 742 Valori, Baccio 89 / Valturio, roberto 117, 489, 664 / Varchi, Benedetto 5, 12, 27, 40, 44, 122, 54, 132, 59, 71, 76, 234, 90, 101, 316, 136, 145, 153, 470, 215, 224 / 50, 55, 462, 441, 454, 471, 510, 539, 941, 597, 1091f. / 697, 703, 728 Varesi da rosate, Ambrogio 556, 198 / Varro, M. terentius 352, 146, 149, 152 /305 Varrone d’Agniolo Belferdino 705 / Vasari, Giorgio 8, 19, 40, 102, 56–57, 59, 94f., 107, 143, 157, 444, 450, 164–165, 171, 514, 522, 189, 190, 573, 211f., 636, 660–661, 664,

INDEX nominum 684, 701, 246, 704, 249, 251, 254, 256 / 258, 309, 466, 499, 507, 479, 771, 871, 980, 986, 1001, 1088 / 680, 704, 719–720, 723–724, 727, 777, 778 Vecchietta 640, 234, 246, 252ff. /517 Vecchietti, Bernardo 89 / Vegio, Maffeo 58, 75, 80f., 229, 199 /156 / 768 Vendramin, Giovanni / 766 Veneto, Bartolomeo /801 Venus 87 / 280, 247, 397, 790, 902, 545, 573 / 664, 750, 755, 778 Vergerio, pietro paolo 192, 623 / 330, 566, 1036 / 730, 747, 748, 754 Vergil 14, 93, 103, 145, 413, 185, 191, 655, 251f. / 93, 308, 155, 175, 203–205, 212, 327, 349, 294, 307, 320, 369, 408, 477, 410, 509, 601, 474, 496f., 1070, 1076, 603, 1107, 616, 623 / 702, 736, 745, 748, 755 Verginius /694 Verino, Ugolino 60, 96, 282, 312, 148, 527, 538, 231, 235, 238 / 204, 329, 316, 461, 870 / 689, 695, 695 Vernia, nicoletto 289 / Veronese, colombino /876 Veronika, hl. /486 Verrocchio, Andrea del 21–22, 143, 164, 538, 580, 635, 224, 234–235 / 329, 477, 508, 953, 613 / 725–726, 733 Vertumnus (u. Flora) /567, 569f., 1019 Vespasiano da Bisticci 118, 122, 132, 595 /274, 300, 319, 365, 365, 380, 541, 428, 557, 559, 435, 441, 445, 459, 647, 661, 482 Vespucci cattaneo, simonetta /446, 488 Veterano, Federico /355f., 329 Vianello, Michele 444 /

Vico, enea 482 / Villani, Filippo 25, 60, 283, 353, 126, 190 /319, 316, 416, 646, 873, 1169 Vinciguerra, Antonio /751, 752, 919 Virtus /497, 501, 615, 617 Visconti –, Filippo Maria 247 /291, 366, 554 –, Gaspare 56, 200, 630, 660 /437, 397, 412, 543, 925, 594f., 608, 1114, 1122 / 731 Vitale da Bologna /277 Vitalis von Blois 44 / Vitruv 79, 283, 351, 137, 518, 183, 201, 226, 660, 232 /312, 271 / 681, 730 Vittorino da Feltre 192, 231, 110 /14, 36, 451, 462 Vulkan 89, 120f. /536 Wiligelmus 180 / Xenophon 85f., 99, 336, 359, 455, 492, 615 /46, 282, 300, 207, 350, 493, 494, 497, 520, 862, 874 / 651, 691, 753, 769, 770, 772, 774 Zenobius, hl. 207, 594 /– / 725 Zenon 647 /727, 897 Zeus 74, 86, 411 /466 Zeuxis 208, 96, 316, 375, 136, 384, 429, 159, 480, 174, 186, 532, 193f., 223, 231, 241 /282, 286, 300, 178, 180, 326, 214, 353, 463, 521ff., 997, 574, 1187 / 692, 693–697, 749, 750, 772–773 Ziliolo, Jacopo 55 / Zuccari, Federico 56, 83 /95, 989

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indeX rerum

das sachregister, beschränkt auf die Belange des paragone, dient zur groben Orientierung. Viele stich­ punkte sind unter allgemeineren Begriffen – nach themenfeldern – rubriziert. das gilt insbesondere für die stereotypen wertigkeiten/streitpunkte der debatte; Verweise auf diese – stets mit dem Zeichen »« mar­ kiert – sind s. v. »pArAGOne­ArGUMente Und ­werte« (s: 840f.) zu finden. Verweise auf das vorangehende namensregister sind mit dem Zeichen »« versehen. (Fußnoten wurden nur in wenigen Fällen berücksichtigt; diese sind – neben Kursivdruck – mit »Anm.« gekennzeichnet. so konnte auf die Markierung der Zäsur zwischen den seitenzahlen von teil i und ii des Buches verzichtet werden. in Fettdruck gehalten sind die seiten/Angaben der Appendices.)

Affekte 742: Nr. 11 (darstellung d. ~ Aufgabe des Malers); 161, 163: Anm. 463 (neid/Zorn der Künstler), 430: Anm. 548 (Aristeides­ Gemälde), 431, 446ff. (peripatetische Biografie), 449, 464, 474, 578 (Gemälde affiziert Gefühle), 583, 630; 536–539 (Amor/ eros als Künstler; 491: als Maler; 542, 547); verliebter Künstler s. Kampaspe u. pygmali­ on; 25: Anm. 57 (Geliebten­darstellung durch Maler/dichter; 738: Nr. 4); vgl. 350 (Verliebt­ heit des Ausdrucks); liebkosung von Malerei/ skulptur/Buch: 347, 351, 403: Anm. 463, 474 Agon 156–186; 506–508 (Baumagon; 505f.: wacholder im ~); 156 (kapitolinischer wettstreit); 173: Anm. 489 (personifikation des Agon); 162: Anm. 460 (Eris­personifikation); schönheitsagon s. schönheit; 172ff. (sportagon; 219f.) ›Alexander­Achill­topos‹ 317, 454–458, 547f., 628 amicitia s. Certame coronario s. v. wettstreit  dichterwettstreit amplificatio s.  universalità s.v. Anerkennung animorum imagines s. seele, evokation des seelischen

aptum, decorum, dissimulatio, discrezione, electio 85, 142, 161f., 273ff. (electio: beste Ansicht), 273f. (dissimulatio in dichtung), 274 (Verweigen), 281, 287 u. 521ff. (electio:  Zeuxis; vgl.  Antigonos v. Apelles), 280ff. (Unfähigkeit des Bildhauers zum ~), 286 (Abgrenzung zur schmeichelei), 611 (sappho) Architekt/Architektur 312; 84 (~ im wettstreit; 97, 149, 196ff.) Armut/reichtum des Künstlers 119 (d. Bild­ hauers), 229, 121: Anm. 343, 122: Anm. 345, 122ff.; 229 (dünkelhafter parrhasios), 229 (elegante Kleidung d. Malers), 230 (hoffähig­ keit), 729, 750: Nr. 13 ars memorativa, Mnemotechnik 114 (Gedächtnis); 578ff., 582f. (schönheit als stimulans für d. ~), 583 (keine stummen Bilder), 587ff. (~ u. Malkunst), 587 (~ u. Metrik), 628f. (~ als Kompensationstechnik der Maler) ars oratoria s. rhetorik Auge, sehkraft (s. a.  sinne s. v. rezeptions­ fragen) 274ff., 486 (sich drehende Augen); 441f. (postulat: Augenzeugenschaft im paragone); einäugigkeit s. Antigonos; 114 Auge als

INDEX rerum Fenster der seele; Verlust der sehkraft s. Blindheit Augustinismus, Augustinereremiten 417ff., 420f. (Gotteserkenntnis), 420 (›tolle, lege‹; vgl. 415), 421f. (Buch als weltkreis), 465ff. (Bartolomeo da Urbino) Belebung von Kunstwerken s. lebensnähe ›Bekehrung‹ im paragone 84, 192 Beseelung s. lebensnähe/Beseelung ›Bevorzugungstopos‹ (Apelles – lysipp – pyrgote­ les) 3, 168, 631, 364–369, 368! (als wettstreit: himerios), 631f., 704–711 Bewegung, Beweglichkeit von Kunstwerken 140 (fehlende Bewegung); 143 (Bewegung des Modells); 595 (Orpheus setzt steine in ~); 651/652 (Gabe der ~) Bildhauer 109f. (bester Bildhauer; 181f., 211: Ghiberti; 300, 774–776: Schema 2B); 117ff. (als handwerker, Karikatur, Minderwertigkeit des ~s; vgl. Vulkan/hephaistos); 119f. (gebeugter Bildhauer: Abb. 15 u. App. IV/B: 760ff.); 122ff. (Vater des sokrates als ~), 131 Bildhauerei s. skulptur Bildniskunst 363–369 (wettbewerbe in der ~; App. II/G: 704ff.); 335f. (divinisierung v. dargestellten; 361f., 406, 458, 584); 261ff. (streitfrage: d. optimale Gelehrtenbildnis; 610ff.); 270 (inschriften auf Bildnissen; s.a. s.v. Verskunst); 39f. (›privatporträts‹; 261ff.); 142 (Verweigung als Modell der ~); hässlichkeit des dargestellten s. Agesilaos, Antigonos, Montefeltro, Federico da 278f., 285f.; 520ff. (lukian: ›panthea­ideal‹ (aus Malerei, skulptur, wortkunst; 633); doppelbildnisse, denkbare: 431 (v. pisanello), 568: Anm. 992 ( v. Manteg­ na) Bildnisrückseiten (bzw. Außenseiten), Zweiseitig­ keit der privatporträts 264 (terminologie; 499f. bei leonardo); 266 (rezeptionsbedingun­ gen); 39ff. (Zweiseitigkeit; 38: ›Ogni ritto ha il suo rovescio‹); 42 (vgl. coperti); 277; 478ff. (einzeltafeln mit bemalter rückseite); 511ff. (tradition der Marmorierungen v. ~; 518f.: eyck), 522ff. (Bildnis aus zwei hälften), 532ff. (Zweiseitigkeit und amicitia); 534ff. (Kugelmy­ thos: Männlich/weiblich); 560 (Zweiseitigkeit

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und varietas/Verwandlung; 563f.); 629 (drehen und wenden: pauson), 630 Bildnissockeln 262f. (aus Marmorimitation), 330 (pindar), 333 (leistung als sockel), 461f. (inschriften­sockel) Blindheit 81, 108–117 (Blinder beim Kunsturteil; vgl. tribolo; s. App. II/J: 727–728; 736: Nr. 7); 112 (~ des Künstlers), 307, 632 Blut/Blutschrift 429f. Buch, Buchgedanke 14 (einfluss d. Buchdruckes), 429, 630; 429 (Buch ohne schrift o. Buchnach­ ahmung; 435f.: livre contrefait); 431(Buch­ gestalt v. diptychen); 432 (›sculptus‹ für Bucheinband); 421ff. (Buchrolle, evolutio; Abb. 84–85); 423f. (vgl. trajansäule; vgl. trajan: Abb. 86); 460, 469; 199 (Autorbilder: pacioli: Abb. 27; 621 u. 623: dante: Abb. 138– 139); 427ff. (Buch des lebens; 430); 420ff. (Buch der natur/Buch der welt; 423: ~ als Gemälde); 424ff. (enigmatisches) Büchergespräch 461, 467–475, 631; ›hohes Geistergespräch‹: 468ff., 472 (Abb. 94), 631 Campanilismo als Faktor 80 (disegno – colore), 92ff., 209 (Florenz: 1401), 415ff. (herkunft pieros; vgl. dionigi da Borgo san sepolcro), 620 (Florenz versus ravenna: dante­Grab), 631 compositio 639 denkmal, monumentum 320 (!) (definition); 218 (Bedeutung: öffentl. platz), 622; reiterstand­ bilder: 157, 164 (Abb. 19), 168f.; dante­Grab: 480, 497, 616ff., 754: Nr. 4–5 dialog im paragone 79ff.; 79–99 (sprechfiguren, sprecherkonfigurationen im paragone, 768–771: Schema 1) dichter, vates 575ff. (definitionen: dichter; 577, 630); 249 (dichter als Maler/als bester Maler; 308, 458, 527, 521; 371 u. 620ff., 623: homer; 521: petrarca als Maler); dichterbildnis, ­denkmal s. denkmal; 605ff. (dichterinnen: sappho; 609); 156f. (dichter­ u./oder lorbeerkrönung; 271, 437, 602, 623; sieger­ krönung: 301); 495f. (lorbeer, ~kranz; 550, 606, 615, 623; als dichter­symbol: 496f.); 606ff. (dichterort, locus amoenus; vgl. parnass: 495, 497f., 596, 607, 611, 615, 618)

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INDEX rerum dichtung als Verewigung s. duratà s. v. nutzen 100 (Verteidigungsschriften 632); 225, 308f. (schildbeschreibung (vgl. Achill, Aeneas); 451f. (erlebte dichtung); rime aspre, rime petrose: 596ff., 597 (vgl. werkverfahren d. Bildhauer), 598ff. u. 602 (!) (donna Pietra: eigenschaften), 599 (Melancholie), 633; 606 (furor, inspiration) dignità der Künste s.  Anerkennung dilettanten der Malerei/der skulptur 230 (prominente ~), 244 diptychon 431f. (Klappbarkeit d. ~s; 266: Anm. 17; 426: Anm. 538; 474); vgl. s. v. Buch doppelbegabung 29, 92, 223ff.–257, 224f. (Bildhauer als Maler), 224 (uomo-universale­ ideal), 231 (euphranor), 232 (Marcia: Abb. 30), 234 (rolle Giottos), 234f. (Verrocchio), 236ff. (pollaiuolo), 238f. (auf ›Zwillinge‹ verteilt; vgl. 244f.), 239f. (als Kompetenzgrundlage für paragone­Urteil), 244 (Michelangelo) duello scientifico (pacioli) s. wettstreit der Fakultäten Elegie 359f., 546f. 608, Abb. 114 epistolografie 5 (Briefcorpus v. Varchi); 6: Anm. 8 (einfluss der ~); 81 (vgl. Brief – dialog) Farbe 140, 226; 211 (erprobte ~); 150f. (Farben­ pracht der schöpfung); 511 (Farbenreiber; Abb. 104); 346ff. (Fassmalerei); 140 (Fehlen der ~; 340f.; 651/652); 315ff. (Flüchtigkeit der Farben); 300f. (lebendigkeit/Beseelung der ~ ; 323, 352; wunsch nach lebendigen Farben: 362); 582 (~ der Gedächtnisbilder); 115 (Blinder über ~); 346: Anm. 282 (pejorativ: ~ wie schminke; 348f.); 315 (schutz der ~ : protogenes); 284: Anm. 76 (Vierfarbenmalerei); 151 (himmelsblau); 506 (Färberröte) Fehler in der Kunst 103ff. (Kaschieren von ~n des Malers – des Arztes; 106 (Fehler der dichter); 33 (Korrektur von Fehlern; 108); 735, 737: Nr. 10, 743: Nr. 13 forma (als Gestalt) 502ff. Freie Künste s.  artes liberales s.v. Anerkennung Fünfsinne s.  sinne s.v. rezeptionsfragen Gattungen 110 (Gattungsbewusstsein); 169f. (desinteresse an Gattungsunterschieden) Gegensatz, ­lehren 59f.: Anm. 152 (discordia concors)

Geistergespräch, hohes s. Buch, Buchgedanke Genie s. ingenium Giorgione­Gemälde (mit spiegeln) s. spiegel giostra 218: Anm. 624, 219, 486ff. Gold/silber s. Materialien, Materialikonografie Gottesbegnadung des Künstlers s.  Gott s. v. Anerkennung Grab s. denkmal u. s.  duratà s.v. nutzen Grisaille, chiaroscuro, monochromata 6: Anm. 9, 16 (Abb. 2), 37, 226, 240f. (v. Mantegna: Abb. 34), 242f. Handwerkertum 117ff., 129 (Giotto u. hand­ werker); s. artes mechanicae s.v. Anerkennung historiografie 25ff. (Maler und Bildhauer in Biografiensammlungen); parallelbiografie u. synkrisis: 436ff., 443ff., 448 (natur/schicksal – Künstlerwettbewerbe); 449 (historia – Affekte/seelenbewegung) hofkunst, paragone an den höfen 12, 14ff., 435 (Surprise) (vgl. pacioli, castiglione) Identität/Gegenidentität 15 (selbstbehauptung), 35, 44ff.; 45f. (›definitionsmacht‹); 47 (als Maler/Bildhauer sprechen), 48 (selbst­ u. Fremdwahrnehmung), 202, 628 Illiterati, laie, Unkundiger 451–453, 631, 754: Nr. 5 ingenium, ingegno 209, 243, 403: Anm. 463, 630; 191(die entdeckung des talents); 740: Nr. 4b inneres Bild im herzen/in der seele 299f. (gemeißelt, gemalt oder geschrieben), 409ff., 426, 628 inventio s. Freiheit (licentia) s.v. Malerei – dichtung istoria s. historiografie Katachresen 251f. (vgl. chiastische signaturen) Kleinheit von Kunstwerken s.  Großes auf kleiner Fläche s.v. Anerkennung  Mühe u. schwierig­ keit Koloss s. skulptur Künstler als alter deus s.  Gott als Bildhauer/ Maler s.v. Anerkennung; 117ff. (~ als Karika­ tur); 176f. (~ und laie; 451ff.); 80f. (schlagfer­ tiger, selbstbehauptender ~; 86, 87, 84: Anm. 229: Mantegna; 86: Anm. 232: parr­ hasios; 87, 88: Anm. 240: Botticelli u. donatello) Künstlergrab 239 (pollaiuolo), 253f. (Vecchietta), 352 (F. lippi)

INDEX rerum Künstlermythos Amphion: 595; Orpheus: 595; pygmalion s.  Künstlernamen, pseudonyme 85: Anm. 231 (etymologisierung von ~), 188 Künstlerruhm 117ff. (ausbleibender ~ d. Bildhauers), 128, 175f. (Metaphorik), 187ff. 438, 354 (hoffnung auf ~), 366, 497 (pisanello) Künstlersignaturen, ~inschriften , ~unterschriften 179f. (Bildhauersignatur, Goldschmiedesig­ natur; 190, 208, 211; 254f. Goldschmiedesig­ natur als Maler); 246ff. (chiastische signaturen; Abb. 35–39); 358 (›Me Fecit‹­signaturen); 190f. (patronymikon); Malersignatur, ~wahlspruch: 47f. (vgl. selbstbezeichnungen in Ricordi), 151f. (Abb. 17–18), 191, 207 (eyck), 246ff. (Maler­ signatur auf skulpturalem), 416 (pieros ~), 512f. u. 613 (Giovanni di paolo), 471 (Apelles: ›Kein tag ohne linie‹) Künstlerstolz, ­dünkel, superbia 129 (bestrafter ~), 153 (parrhasios), 180, 187ff. (superbia cimabues), 191 (pisano), 433f. (Oderisi), 457–458 Künstlerutensilien – leinwand 40, 194f. (spiel mit d. ~: Abb. 195), 432, App. II/E : 696 (Parrhasios) – Meißel/stichel/spatel/hammer 17, Anm. 38, 21 (spatel), 144ff. (caelum), 152, 153 (pinsel – stichel), 240, 349 (papier statt hammer); 753, Nr. 2 – penna – pennello 17, 58, 229, 319, 524; 604 (stilus, calamus), 748: Nr. 1 – pinsel 17, 39; 58 (paragone der Malinstru­ mente), 83 (entweihung des ~s), 116 (~ als Blindenstock), 137 (hilfsmittel des truges), 255f., 350 (zur Augen­darstellung) Künstlerwettbewerb 155ff., 158f. (u. ästhet. werte), 165 (Urteilsfindung), 170ff. (fiktiver ~), 170 (dargestellter ~: Abb. 21) Kunsturteil 108–117 (des Blinden oder tauben; 727–728); 452 (des laien; vgl. s. v. schuster); öffentliches Kunsturteil 106, 180 (öffentl. denkmäler), 215 (öffentl. deklamieren: Certame coronario), 218 (rolle des ~s, der denkmäler)

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Lebensnähe/Beseelung 743: Nr. 12 – Beseelung von Farben s. Farbe – von Materialien des Bildhauers/des Marmors s. Vergil 349 (Gesichter aus Marmor) – sprechende o. atmende Kunstwerke: 33, 96ff., 148 (Marmorwerke), 173, 178 /347, 352f., 353f. (Ferabos), 354ff. (sprechendes Gemälde), 357f. (Fehlen der seele/des Atems), 406 (Fehlen der stimme), 407, 423 (schweigend; vgl. 430), 437 u. 439 (pictura loquens); 755: Nr. 5 (beseelte dichtung) – Bewegung von Kunstwerken: (vgl. auch portabilität) 135, 354, 357 (Malerei – skulp­ tur), 592 (imagines agentes) – Kunstwerk als ersatz für Abwesende/tote: 334ff., 347f., 413, 473 – Zeugen der lebensnähe/Beseelung: 134: Anm. 375 (tiere und Kunst; 743: Nr. 13) – als Auslöser von liebe: 33: Anm. 81 (pygmalion) (vgl. laodamia) Maler 96 (bester ~ , 109; 168: J. Bellini; 192: Giotto; 300, 458 (homer); 489: schönstes aller Gemälde; 525: Zeuxis; 772–773: Schema 2a; 84 (~ als philosoph; 750: Nr. 10 besser als philosoph) Malerei 137 (definitionen, 248, 502f.); 347 (erfindung/Ursprung der Malerei; 572f., vgl. narziss); Flächenhaftigkeit der Malerei 140f., 268; 305 (definition: linie), 471 (Fleiß/Übung in der Malerei); 412f. (~ als stifterin der Gemeinschaft mit Abwesenden/toten; 412: im Vgl. mit Brief; 413f. im Vgl. spiegel), 473ff. (~ zur Kommunikation: Gespräch mit Büchern/ Gemälden), 628f.; 132ff. (~ als lüge/sophisti­ sche Kunst 23: platon); 452 (als litterae laicorum; 754, Nr. 5) Malerei – Dichtung: Parallelen – Freiheit (licentia) des Malers/dichters (s.a. horaz o. auch electio) 8–10 (Abb.1), 20, 95 283f., 312–313, 589, App. IV/A: Kat. 1–6 – Laokoon 11 – simonides­diktum (vgl. s.v. stummheit) 8: Anm. 14, 30, 251, 437f., 590ff. (mit hie­ rarchie), 632 – ›Ut pictura poesis‹ 8: Anm. 14, 284 – visibile parlare (dante) 10, 423f., 464, 592

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INDEX rerum Materialien, Materialikonografie – Bronze 38: Anm. 95 (Bronzeguss und Verlebendigung), 140, 149 (Klang der ~), 212, 226, 243 (bronzi finti), 232, 254, 303, 333, 441 (Bronzebüsten), 502, 514f., 514 u. 536f. (Zusammenschmieden: Abb. 112); Bronzen­ achahmung, »bronzi finti«: s. Mantegna u. 226 (Uccello) – elfenbein 328, 743: Nr. 12, 745: Nr. 14, 755: Nr. 5 – Gold/silber 54ff., 145ff.; 328, 518 (Gold: dekadenz) – hierarchie/Güte der Materialien (s.a. Vegio) 70 (~ der Metalle, stellvertretend für die Künste), 71f., 74ff. (~ von Kunstwerken), 76 (Künstler­ statuen/Kunst­personifikationen aus verschied. Materialien), 81 – holz/holzfigur 124, 164, 344 (marmoriertes ~), 348, 433f. (holzgrund v. Gemälden), 504, 523: Anm. 914, 569ff. – lehm/ton/terrakotta/Gips 140, 164 (terrakotta), 227, 231 (tonwerke des Zeuxis), 347 (ton) – leinwand 432 (vgl. Künstlerutensilien) – Marmor, Marmordenkmal 621; 350 (Äderung; 509: Purgatorio); 227 (Buntmarmore); 349f. (Kälte des ~s; 178); 341f. (weiß des ~s u. marmorweißer teint); 344 (Farbverzicht) – papier, pergament 314ff. (hinfälligkeit von ~), 317 (ewigkeit), 369 (Malerei – papier), 433, 429 – porphyr 479, 509ff., 510 (Bedeutung für leonardo), 511 (porphyrplatte zur Farbher­ stellung) – stein/schiefer 41 u. 89 (schiefer), 124, 140, 328 (toter stein), 600 – wachs 140, 164, 341, 494, 449 (wachs­ beschichtung diptychon), 449: Anm. 616, 523, 584; 752 Medailleur, Medaillen 39, 41f. 247ff. (pisanello), 257, 281, 576, 578 Medizin (und Malerei) 95, 99ff., 100 (und skulptur), 102ff. (als stummes lügenhandwerk) memoria s. ars memorativa; vgl. s.  duratà s. v. nutzen

›Merkurbilder‹ 233, 763: Kat.-Nr. 10, 764: Kat.-Nr. 13 Miniaturmalerei s.  Oderisi da Gubbio, Franco Bolognese Mnemotechnik s. ars memorativa Modell, plastisches 42 (bozzetto), 227f. (für Maler) monumentum 20 (»exegi monumentum« – horaz –; 320ff.); 622 (definition ~) Motivationen zum paragone/wettstreit 157f.; ambitio, Kampfgeist: 174 (›Marcet sine adversario virtus‹: Abb. 22; 172; 742: Nr. 10), 189, 249; eris (»streit«): 162f. (hesiod bis leonardo); neid s. a. Künstlerneid, Kritiksucht, Momos, ›guter neid‹: 32, 162ff., 163 (›der töpfer beneidet den töpfer‹), 454ff. (vgl. neid Alexanders d. Gr. s. ›Alexander­Achill­topos‹) Muse, Musenanruf, initiation (s.v. laura, Muse[n]) Musik im paragone (s.a. wettstreit/gattungsüber­ greifender wettstreit) 7f., 8: Anm. 13, 229 (musizierender bildender Künstler) Nachahmung 134, 135 (›ebenbildnerisch‹ – ›trug­ bildnerisch‹); 350, 351f. (Fleisch­/teintdar­ stellung), 356 (transparenz/weichheit des Fleisches); imitatio (vgl. electio): 243, 286f., 306; Mimesis: 56, 135, 139ff., 143, 226, 242, 369; 339f. (naturabguss); 57 (rechte perspekti­ ve); lichtsetzung/schatten: 55f., 81, 352f. (Abb. 66); 741: Nr. 5 nachruhm, ewiger ruhm 302, 326ff., 383, 447, 497 (fliegender ruhm: Abb. 102); 753; Kunstwerk als ruhmesträger und ­spender. 436ff., 440 (darstellung der taten/der uomini famosi als Ansporn), 605 natur (als Malerin, Bildhauerin, schmiedin, Künstlerin) 538: Anm. 913 Panorama und welthaftes 51 (pieros panorama: 267: Rekonstruktion 1, 268; als weltentwurf; 308ff.: amplitudo; 312– 313: Unendlichkeit; 383ff.); ~ als chorografie: 267f., 301–313, 370, 418, 421; Mont­Ventoux­Besteigung u. Gänze der landschaft: 417ff., 420; vgl. Buch der natur s.v. Buch, Buchgedanke; u. dionigi da Borgo san sepolcro

INDEX rerum paragone als Begriff: 5, 10f., 53ff., 645ff.: App. I/A; 54f. (pietra di paragone), 58, 212f., 627; ~ als experiment: 25, 41, 63ff., 65 (wägen); Anfang/ende/Geschichte des ~: 5, 11f., 12ff.; 627ff. (Aufkommen d. Kunsttrak­ tate), 14f. (allg. Faktoren), 25 (Maler/Bildhauer als exempla), 26 (rolle Giottos), 28f. (leonar­ do); Forschungsgeschichte: 5ff., 29f.; paragone u. Fortschritt: 188ff.; paragone im norden (?) 15–17, 293ff.: Abb. 49; 298, 309; 435f. (livre contrefait); lebensbezug des ~ 11f.; Meinungs­ umfrage über den ~ (s. a.  Varchi) 5, 12, 19, 27; Verhältnis theorie – praxis 5, 43; 32ff. (~argumente; s. ); ~ in konkreten literatur­ genres: 79ff. (im dialog); 88f. (in höfischer literatur); 87 u. 91 (Facezie; 93); 144–153 (in Glossarien/lexikografie) pArAGOne­ArGUMente Und ­werte Anerkennung: nobilitierung/divinisierung (nobilità, dignità, divinità) – artes liberales – artes mechanicae 24f., 36 (emanzipationsstreben bildender Künstler), 83, 102f., 119f., 124ff., 234, 577; 743: Nr. 13 (dignitas der skulptur) – Mühe u. schwierigkeit: fatica di mente – fatica di corpo 33; 56 (scienza; 269); 117ff., 127f., 161, 513; 75f.; 567ff. (versutia – wendigkeit – des Malers; 140: des spiegels); 589 (inventio); 592 (wert des Materials oder der Kunst); 651/652 difficoltà 33, 56, 104, 108, 572; 740: Nr. 4b–d, 741: Nr. 7 Großes auf kleiner Fläche: 307ff., 308 (schildbeschreibung); 309f. (lockreiz d. Malerei); 310f. (in Büchern); 311 (welt: Abb. 53); 312 (welt in der hand: Abb. 54), 313 (stadt zwischen Buchdeckeln) subtilität: 159, 161 (Maler­Agon); 751: Nr. 15 transparenz, Glanz, strahlen: 140f., 287ff. (von edelsteinen/rubinen), 292, 350 (strahlen der Augen), 480; 651/652 (Glanz des spiegels – nicht der Kunst) – Bildung: pictor doctus – sculptor doctus 24f., 29, 44f. (theoretisierende Künstler), 82f., 84

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(Maler als philosoph; vgl. 533), 180, 228, 458 (vgl. poeta – pictor eruditus), 543 (Kritik an Maler­philosoph); 740: Nr. 4b (größeres ingenium des Malers); 746: Nr. 18, 747, 748: Nr. 2; 749: Nr. 6; 750: Nr. 10; vgl.  universalità – universalità (meist des Malers/der Malerei) 5: Anm. 8 (Michelangelos), 7, 33, 48, 50–51, 55f., 59, 132ff. (des sophisten), 132, 150, 157, 169, 200f. (~ des Architekten), 225ff., 211: Anm. 603, 306 – Gott als Bildhauer/Maler, göttliche Kunst 20 (göttl. poesie; 439, 591), 21, 86, 107, 144–153 (meißelnder himmelsschöpfer), 144 (göttl. inspiration), 147f. (gemeißelte sterne), 148f. (demiurg), 150f. (deus pictor), 178, 244, 245 (divinisierung), 307ff. (weltnachahmung), 342, 353f. (Maler als Menschenschöpfer), 361 (göttlicher Maler), 406 (Maler als ›zweiter Gott‹); 403ff. (Gottesbegnadung; 734) nutzen (utilità) 34, 454 – duratà, eternità, memoria, (Künste als erinnerungsträger) 34, 89, 107, 109, 185, 244, 313–334; 313f. (denkmal­Zerfall als ›zweiter tod‹; 628), 316 (härte – weichheit des Materials), 319 (~ des wortes); 320 (aere perennius); 326 (ewige Malerei d. Zeuxis); 454ff. (Frage nach d. Medium der Ver­ ewigung), 456f. (verewigte virtus), 458 (Unsterblichkeit), 510f. (des porphyrs), 514 (explizit: ›Für immer‹); 514ff. (langlebigkeit des hirsches); 587 (v. schönheit im Gemälde), 601 (~ d. donna Pietra), 624 (hinfälligkeit der Malerei), 628, 630; 735: Nr. 4–5, 737: Nr. 9 rezeptionsfragen – sinne (priorität der sinne) 22, 31, 34, 98, 108ff. (Blindheit; 392), 113f. (tastsinn), 115 (tribolo), 22 (ungläubiger thomas; 21: Abb. 4; 116), 178 (skulpturen, befriedigend für alle ~); 441 (taten bestimmt für den Gesichtssinn), 442 (mehrere ~ als Gewähr für wahrheit; Vor­Augen­stellen), 544f. (primat des tastsinnes), 583, 591(blinde dichtung); 735: Nr. 3; 736: Nr. 7, 737:

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INDEX rerum Nr. 9 (weichheit/härte), 739: Nr. 1a, 745: Nr. 15 (vgl. auch verità) – vedute (simultaneität/sukzessivität; Quantität/Qualität der ~) 34, 40, 81f., 136 (a tergo), 143, 250, 269, 273ff. (die beste ~ versus Vielansicht; 280ff.), 279 (die Ostentation aller ~), 324 (simultaneität; 441f.: ~ u. Augenzeugenschaft; 499: Vorteile d. simultanen Malerei); 485f. (sukzessivität in der Malerei), 527–530 (nur zwei seiten der skulptur), 624f. (entwick­ lung v. leonardo); 499–500 (terminologie für ~; 269, 284, 305); vgl. auch varietas – verità (wahrheit – lüge, sein – schein: meist: drei­ versus Zweidimensionalität) 27, 32, 34, 116, 178, 351; 436ff. (wahrheit der historiografie – lüge der poesie), 437 (dichtung als lüge); 735: Nr. 3 (Malerei u. skulptur als lüge); 735: Nr. 5; 743: Nr. 3 Vergnügen, elemente des ~s – diletto (durch leichtigkeit/Anmut/ schönheit 34, 139, 244 (grazia; 604), 346, 526, 570, 576f.; 651/652 (leichtigkeit); 739 (schönheit; vgl. s.v. schönheit), 742: Nr. 8–9; 745: Nr. 17–20 paragone in der Kunstpraxis 36ff.; 36 (tradition d. demonstrationsstücke: Alberti, Brunelleschi; 157f.; 210: dimostratione); 292f. (Badestube Jan van eycks; vgl. Abb. 49); 39f. (Bronzinos Morgante: Abb. 8; 40, 42; mehr s. Morgante); 41 (daniele da Volterra, Kampf von David gegen Goliath); 143 (Giorgione: Hl. Georg/Ignudo – Colleoni-reiterstandbild; 164); 82 (so gedeutet in der Frühen neuzeit: Knidische Aphrodite; 87, 96, 545f.; 664; 40 (figura serpentinata) parisurteil s. Agon  schönheitsagon parnass s. dichter personifikationen Agon: 173: Anm. 489; Dichtung: 606f. (Abb. 134) u. 611: Anm. 1123; Malerei: 18, 80, 83 (vgl. 110: Anm. 313); Momos: 83ff. (vgl.  Momos); Skulptur: 18, 80, 132 (vgl. 110: Anm. 313; zum profil auch 120: Anm. 341); Tag/Nacht: 380f.; Virtus: 497f., 615, 617

plastizität, rilievo 137 (!), 140 (Fehlen der ~ d. Malerei; 651/652), 161, 243, 257 portabilität der skulptur versus Ubiquität des dichterwortes 326ff. (fliegende worte: ennius­diktum), 331 (herumgetragene statuen), 438f. (schweifende worte der Annalen) probe 221 (erprobung des Menschen; 627); 53ff. (Goldprobe, läuterung; 63ff., 69: Abb. 11), 72 (Abb. 12), 212f.; 66ff. (tradition d. probier­ bücher und paragone); 54f. (probierstein; 64, Abb. 9–10, 73, Abb. 13); 61 u. 64 (Feuerprobe; 214ff.) Rangstreitliteratur, mittelalterl. 19, 80 relief, Flachrelief 37, 227f., 362, 620 rhetorik – figurative Künste 633ff. (rhetorik); 23 (einfluss d. rhetorik), 157, 224f., 547 (redewettstreit: De amore), 570, 681, 705 Schatten/licht s. nachahmung schimpfworte 108 (für Bildhauer; 485: Anm. 726 ); 48 (für dichter; 485–486); 486 (für Maler; 485: Anm. 726 ) schnelligkeit 139 u. 161 (herstellung v. Kunst) schönheit 113; 491ff. (schönheitsagon); 501 (Frauenlob); 502 (~ als lebendigkeit des Gemäldes); 502 (wettstreit: Gemälde mit Athena Lemnia des phidias); 520–527; 521: Anm. 859; 587 (Maler als Bewahrer der ~) schuster 83f. (›schuster bleib bei deinem leisten‹; 103ff., 115, 577, 737: Nr. 10) schweißarbeit s.  fatica s.v. Anerkennung seele, evokation des seelischen (vgl. inneres Bild) 300, 318, 323, 353, 356, 415, 430, 438 (statt des Körpers; 752), 443 (porträtmaler – Biograf), 518ff. (animorum imagines; 628), 522f., 592, 628 sein/schein s.  sinne s.v. rezeptionsfragen selbstbildnis 48; 760ff. (von Bildhauern; App. IV/B); 447 (geheimes ~ des phidias; 456, 512/513: Anm. 830), 597: Anm. 1079 (des Bildhauers theodoros von samos); 245: Anm. 700 (~medaille des camelio), 252 (~ v. Filarete; 498: Anm. 774; 513: Anm. 830; 528: Anm. 885); 528: Anm. 885 (lysipp. d. J.), 240 (~ /oder Bildnis Mantegnas); 254: Anm. 732 (gemaltes ~ Vecchiettas); 247: Anm. 709

INDEX rerum (~medaille/oder Bildnis pisanellos); 613: Anm. 1124 (~ von sofonisba Anguissola), 152: Anm. 432 (eines intarsienkünstlers) sieben weltwunder 179ff. (ephesos), 182ff. (Mausoleum), 185 (im Vgl. zur dichtkunst), 677–680 (ephesos); 681–686 (Mausoleum) siegel 299, 584 (siegelabdruck und Memoria) skulptur 4: Anm. 4 (terminologisches); 83 (als handwerk, Kraft­, schmutzarbeit); 86 (Koloss, Kolossalstatue; 88, 96: ~ v. Rhodos; 131, 175ff., 231, 304, 312f.: Abb. 54; 753); 334–369 (polychrome skulptur, Fassmalerei; 6: Anm. 9; 252f.: Abb. 38; 257; 341, Abb. 63; 343: nikias; 345ff.: Maskenhaftigkeit; 347f.: laodamia); Umschreitbarkeit der ~ s.  vedute s.v. rezep­ tionsfragen sophist, sophistik 34f., 132ff. (platons ~; vgl. Ficino), 226, 435f., 640 spiegel/spiegeleffekte 54, 76, 99, 136, 138–143 (~ – Bildniskunst); 651/652 (mimetische Kraft d. ~s); 139 (portabilität des ~s); 141 (Mehrfach­ spiegel: Abb. 16); 141 (als prüfinstrument), 193, 286ff. (Medaillon­spiegel), 291 (spiegelstein), 298 (~ als Momentaufnahme), 398 (Benn­ spiegel), 409 (Flüchtigkeit), 411 (narziss als Maler), 412 (zum erkennen des Künftigen), 414 (selbsterkenntnis), 416 (wasserspiegelung), 466 (von Angesicht zu Angesicht), 572f., 727 sprache der Kunst (verba – res) 33, 452 (Allgemeinverständlichkeit der Malerei), 500 (petrarca­diktum), 503f. (internationalität der Malerei), 513 (Malerei bedarf weder d. Zunge noch d. Buchstaben) stein, steinnachahmung s. Materialien; 97 (steinnachahmung von Malern; 98: Abb. 14); 158 (v. Miniaturmalern), 243, 257, 262f., 479ff. u. 509ff. (porphyr), 513f. (Jacometto), 519f. (versus Materialwert d. Marmors), 599ff. (vgl. donna Pietra: 97, vgl. Abb. 132–133), stil, stilarten 159f. (linie); 603ff., 611f. (erkennen an der handschrift); 627 (indivi­ dualstil); 603 (rota Virgilii); 597ff. (rauer stil) strategien/techniken des rangstreits/Vergleichs 22 (aemulatio; 31, 57, 131, 156, 176, 446, 625); 55ff. (comparatio, comparazione; 133); 70f. (dis­putare: diskussion zur wahrheitsfindung);

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10 (ekphrasis; 143, 304); 94f. (epideiktische rede: laus/ vituperatio; 31, 138, 494, 637); 87 (eristik; 153, 170, 200); 45f. (invektiven; 101ff.); 68ff. (in rhetorik/dialektik); 22 (superatio u. superlativisches; 31, 37: u. innovation; 179, 187ff. 193, 207, 284, 404, 450f., 618, 630, 635, 742: Nr. 10; 26 (synkrisis; 99, 118, 444ff., 494: mit donne illustre); 19 (tenzoni) streit, streittypen 59ff. (Allstreit); 59ff. (horaz: ›adhuc sub iudice lis est‹; im paragone: 62) studiolo, vita-solitaria­ideal 267, 459ff. (illusio­ nistische Bücherwelt; dichterbildnisse: Abb. 90–91), 460f. (uomini famosi) stummheit 102f. (~ der Malerei: 129, 452, 438f., 452: Anm. 631: stumme lust; 583: im Gegensatz zu imagines agentes; 590ff.) (simonides­diktum, 590: Anm. 1061; vgl. simonides); 129 (~ der skulptur; 440); 591 (der dichtung; 590: Anm. 1061); 755: Nr. 5 täuschung, Trompe-l´œil, illusionismus 36f., 133ff., 135f. (phantasmata), 159f. (als norm bei Malerwettbewerben), 193f. (Giotto); 193 (narziss), 194ff. (Trompe l´ œil –Gemälde: Abb. 26); 241ff. (~ u. durch Fassmalerei), 360, 442 (pictura – fictura) themengleichheit Malerei – skulptur 4, 777–778 (Schema 3) topoi, topik 11, 633ff., 634 (Blindformeln oder Meinungen?), 635 (Geltung im leben), 636 (ars inveniendi) totenmaske 335, 338f. (Abb. 62) traum, traumdarstellung, Vision 117ff. (lukians ~), 194, 359, 361, 391ff., 392ff. (petrarcas traum: Abb. 74–76), 398 (Blindheit als disposition für Vision), 403ff. (vgl. simone Martini – polyklet/pygmalion), 407 (traum Konstantins: Abb. 80), 407f. (visio), 408 (traum wie Gemälde) Trionfi, Trionfi-rezeption 370ff., 387 (irdische und himmlische triumphe: Rekonstruktion 2), 390f., 631; vgl. 384ff. (Amorosa Visione Trompe l´œil s. täuschung Überbietung s. superatio s.v. strategien Umriss, Kontur 347, 572; 741: Nr. 5, 750: Nr. 10, 752: Nr. 20 (der dichtung)

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864

INDEX rerum Unsagbarkeitstopoi 177: Anm. 499, 291, 310, 375, 390, 521, 548 (vgl.  difficoltà s. v. Anerkennung  Mühe u. schwierigkeit) varietas 42, 140; 286, 544, 547ff.; 556–573 (und Verwandlung); 586f. (~ auf der Basis v. paronomasien), 629 (u. doppelseitige Bild­ bemalung); nähe/Ferne, nah­ und Fern­ betrachtung (vgl. electio): 133, 263, 275, 284, 304 (Unfähigkeit des Bildhauers), 306, 324, 432f. (nahbetrachtung von Miniaturmalerei) Verleumdung (calumnia d. Apelles) 21, 84, 118, 131, 540: Anm. 921 (durch neid) Verskunst (u. Motti/sentenzen auf Gemälden) 56, 59, 228ff. (bildende Künstler als dichter), 481, 574–578, 577 (Metrik), (Kunstwerke mit Versen), 592 (Fügen und Binden), 593ff. (~ von Ginevra) versutia (wendigkeit) s.  fatica s. v. Anerkennung wette (scomessa) 162 u. 165 (~ über den paragone mit Kardinal A. Farnese); 165f. (leonardo: ~ um Zeichner) wettstreit, wettBewerB, riVAlitÄt zwischen Künstlerpersönlichkeiten/prioriätenstreit Apelles – lysipp – pyrgoteles s. ›Bevor­ zugungstopos‹ Apelles – protogenes 159f., 166, 192, 690–693 Apelles – Zeuxis – timanthes 717 Bellini, J. ­ pisanello 166ff., 169, 713–714 Brunelleschi – Ghiberti 51, 203ff., 208–213 (als Goldschmiede), 721–724 cimabue – Giotto 160, 168, 187–195, 700–704, 743: Nr. 13 diokles – polygnot – skopas 715–717 Franco Bolognese – Oderisi da Gubbio 160f., 433ff., 434 (Abb. 87), 697–700 Kolothes – timanthes 733 ›Leonardo‹ – ›Phidias‹ (s.a. antiqui – moderni) 86f. lombardi, A. – tizian 171, 719–720 Michelangelo – raffael 57 panainos – timagoras aus chalkis 731–732 parrhasios – timanthes 732

parrhasios – Zeuxis 136, 241f., 156: Anm. 440, 169: Anm. 480, 159, 186, 193ff., 241f., 353, 693–697 phidias – polyklet (u. a.) s. Amazonen phidias – praxiteles (dioskuren) 168: Anm. 477, 175ff., 176 (Abb. 23), 686–690 gattungsübergreifender wettstreit 163ff. Malerei/Buchmalerei – Buch 73 u. 625 (Malerei – gedruckte Bücher); 160–161; 421ff.u. 426ff. (diptychen, Buchgestalt; vgl. 431), 433 (Malerei statt Buch); 435 (Kalligrafie als Malen); 435f. (livre contrefait); 449 (simulacris pro litteris), 464 (visa quam lecta); 470ff. (sprechende Bücher), 475 (gemaltes Buch), 624 (gemalte seiten – Buchseiten), 630 (Malerei – Buch als Objekt), 747ff., 747: Nr. 14, 748, 749: Nr. 5a, 749: Nr. 7, 754: Nr. 5, 755: Nr. 4 u. 8 Malerei – dichtung 8: Anm. 14, 57, 58, 72, 94f., 104, 503f. (Malerei – sprache), 551 (paradies­ darstellungen), 551ff. (wettstreit mit petrarca), 613 (wort – Bild), 714–715, (u. Musik) 717–718, 729, 737: Nr. 2, 739: Nr. 3, 742: Nr. 11, 748 (Maler als Vorbild), 749: Nr. 6, 750ff., 750: Nr. 11 u. 12, 751: Nr. 15, 17–18, 20; 749: Nr. 5b (Malerei – Verskunst; 58, 630) Malerei – intarsien 152: Anm. 432 Malerei – Medaillenkunst 171, 247ff., 281, 719–720 Malerei – Medizin 95, 99ff., 107 (›vita brevis, ars longa‹), 186ff., 200 (vgl. duello) Malerei – Musik – u. dichter 161, 170f., 717–718 Malerei – rhetorik 430, 749: Nr. 8, 751: Nr. 14 Malerei – schneider 160, 729 Malerei – skulptur 57, 62, 164 (Giorgione – Ver­ rocchio), 176, 194f. (Giotto – skulptur), 254 (Vecchietta), 313ff.; 368–369 (Apelles – lysipp), 513 (Maler – Marmorbildner), 526, 624, 718–719 (lomazzo), 720–721 (lomazzo); 734ff., 737: Nr. 3; 740: Nr. 4a–b, 742: Nr. 9–10, 743: Nr. 12 Malerei – skulptur – dichtung – Architektur 84, 742: Nr. 11, 752: Nr. 19 Malerei – skulptur – panzerschmiedekunst 85f. Malerei/skulptur – Architektur 97, 149, 196ff. (duello), 729, 741: Nr. 6

INDEX rerum Malerei/skulptur – historiografie 436ff., 438 (Gemälde – Annalen) 438ff. (Bildnis – parallel­ biografie), 441 (Bronzebüsten – Biografie); 741: Nr. 8, 750: Nr. 9 u. 12, 751: Nr. 16, 753, 755: Nr. 10 Malerei/skulptur – Jurisprudenz (vgl. wettstreit der Fakultäten) 99f., 99: Anm. 281, 196ff. (duello), 218 (duello), 729 Malerei/skulptur – tugend 317, 322f.; 753, 753: Nr. 2, 754: Nr. 5, 755: Nr. 5 skulptur – dichtung /Buch 86 (phidias – homer), 220, 310, 317f. (Unauslöschlichkeit des wortes), 577, 621f. (Kolophon: schlussbild eines Buches in skulptur), 624; 752ff., 753: Nr. 3, 754: Nr. 4–6, Nr. 2; 755: Nr. 4–9, Nr. 11–12 skulptur – Bildung/disciplina 82f., 117ff., 647ff. skulptur – historiografie 436ff. skulptur – Kochkunst 18: Anm. 38 natur – Kunst 82, 587 (wettstreit) gattungsinterner wettstreit/Vergleich 163f. Bildhauerwettbewerbe 159 (Antike), 168f. (reiterstandbild in Ferrara), 175–179, 179–182, 182–186 Amazonen zu ephesos 179–182, 210–211, 220, 677–680 Dioskuren: praxiteles – phidias 175–179 (Abb. 23), 686–690 Colleoni­denkmal 164 (Abb. 19), 726, 727 Baptisteriumstüren, Florenz (1401) 155f., 203–222, 204–205 (Abb. 28–29), 220, 627, 721–724 Mausoleum zu halikarnassos, ›wettstreit der hände‹ 182–186, 184 (Abb. 24–25), 681–686 weitere ~ 721 dichterwettstreit, rivalität unter dichtern 188, 199f. (Bellincioni – Visconti), 200 (primat: dante/petrarca), 69 u. 214–222 (Certamen coronario: De amicitia; 214ff.; 216f.: amicitia u. euergetismus; 531f., 541ff., 546: Anm. 930:

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Konkurrenz zwischen verschiedenen reimfor­ men; 579, 628, 731); 219 (De invidia); 217: Anm. 623 (Fiano – Bruni – loschi); 218f. (vgl. giostre; 487ff.); 491ff. (landino – Braccesi – naldi über Ginevra u. Bembo: 654ff.; vgl. 546) Malerwettstreit 159 (Antike), 160ff., 161 (Giovio: Antigonos; zwischen drei Malern: 285; 715–717), 166ff. (Bellini – pisanello: 713– 714), 188ff. (cimabue – Giotto: 700–704) Musischer wettstreit 178 (Apoll – Marsyas) weitere Bereiche des wettstreits antiqui – moderni: 18, 90, 178–179, 193, 217, 366, 443, 449ff., 462, 640; Geburtsadel – leistungs­ adel (virtus) 130; disegno – colore: 80; vgl. 92ff. (tradition städteagon, campanilismo) wettstreit der Fakultäten (u. der Künste): 99ff., 193, 196 (martialisches Vokabular), 196–202 (duello), 729 wettstreit der Materialien, hierarchie der Materialien 17f., 70, 74ff., 164 (Colleoni­denk­ mal); 735: Nr. 5, 743: Nr. 12 wettstreit zwischen lehrer und schüler 187ff., 700–704 wettstreit­Gremien u. ­schiedsrichter (Künst­ lerwettbewerbe) 179ff. (Bildhauer als richter); 192 (König robert von Anjou als richter); 206f. (Baptisterium, Florenz: 1401 u. a.) wettstreit­preise, siegespreis 166, 185, 210, 219 wort, Ubiquität des dichterwortes s. s.v. portabilität Y­signum, Zweiweglehre, tugendweg 128–129; 360 (›ad astra‹, ›per aspera ad astra‹; 398: Anm. 450, 360, 414, 428: Anm. 544, 465); 497f. (via ardua), 596f. (prodikos), 616 Zeitfaktor 160 (in Malerkonkurrenz) (vgl. vedute s.v. rezeptionsfragen) Zünfte, Zunftnormen 14, 101 (Malerzunft), 171, 257

865

Verzeichnis der Abbildungen

im Folgenden werden bei Maßangaben zu einzelnen Kunstwerken stets die Maße des gesamten Objektes genannt, auch bei detailaufnahmen. Zur erklärung der siglen s. die Bibliografie.

cap. i. 1.

Jacopo di Antonio Giallo (zugeschrieben), illustration zu den Anfangsversen von horaz, Ars poetica, aus: horaz, Opere, Venedig: Aldo romanum, 1501, fol. k1r; BMl, d´elci 516, 17 × 10,5 cm 2. Giotto, Iustitia, ab 1304, Fresko, padua, Arena­Kapelle, südwand 3. Andrea Mantegna, detail aus: Madonna della Vittoria: ›die erschaffung des Adam‹ und ›sünden­ fall‹, 1495–1496, Öl auf leinwand, 2,80 × 1,66 m, paris, Musée du louvre, inv.­nr. 369 4. Andrea del Verrocchio, Christus und der ungläubige Thomas, 1483, Bronzegruppe, höhe: 2,30 m (christusfigur); höhe: 2 m (thomasfigur), Florenz, Orsanmichele 5. Jacometto Veneziano, rückseite von: Bildnis des Alvise Contarini (?): Rehbock, ca. 1490, Öl auf holz, 10,5 × 7,7 cm, new York, Metropolitan Museum of Art, robert lehman collection, inv.­nr. 1975.1.86 6a. Agnolo Bronzino, Der Zwerg Morgante, vor 1553, Öl auf leinwand, 150 × 100 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi, inv.­nr. 1890–5959 6b. Agnolo Bronzino, rückseite von: Der Zwerg Morgante, vor 1553, Öl auf leinwand, 150 × 100 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi, inv.­nr. 1890–5959 7a–b. Bartolommeo Meliori, Medaille der Chiara Gonzaga, ca. 1496, Kupfer, Ø 5,88 cm, washington, national Gallery of Art, samuel h. Kress collection, inv.­nr. 1957.14.662

cap. ii. 8. 9. 10.

11. 12.

13.

Anonymer florentinischer Meister, Allegorie mit Szenen der Zwietracht, ca. 1460, Kupferstich, 8,3 × 12,6 cm, paris, BnF leonardo da Vinci, Probierstein mit der Beischrift »al paragone«, 1493–1494, skizze, 10,2 × 7,4 cm, paris, Bibliothèque de l´institut de France, Ms. h. 2179, fol. 43 leonardo da Vinci, [Utensilien der Feuerprobe] Blasebalg und Schale mit glühendem Gegenstand mit der Beischrift »al cime[n]to si conosce il oro«, 1493–1494, skizze, 10,2 × 7,4 cm, paris, Bibliothèque de l´institut de France, Ms. h. 2179, fol. 43 Golddukat von Francesco II. Gonzaga, nach 1484, Gold, Ø 2,4 cm, Mantua, Museo numismatico Fondazione Banca Agricola Mantovana, corpus nimmorum, nr. 8 »Casa di paragone«, illustration aus: Anton Francesco Doni, I numeri, 1562, Feder und tinte auf papier, 27,8 × 20,4 cm, wien, Österreichische nationalbibliothek, Ms. Vindobonensis palatinus 10.982, fol. 14r Die Probe der Sterblichen, druckermarke des Giovanni Battista natolini (1551 – ca. 1606)

Verzeichnis der Abbildungen

cap. iii. 14.

15.

16. 17.

18.

werkstatt des Mantegna, Occasio und Paenitentia, um 1500, auf leinwand übertragenes Kamin­ fresko, 168 × 146 cm, Mantua, Museo della città di palazzo san sebastiano (einst Mantua, palazzo caviani) Meißelnder Bildhauer, initiale zu Buch XXXVi, auf pergament, aus: Plinius/Landino, Historia naturale, Venedig: nicolaus Jenson, 1476, 41,5 × 27,9 cm, norfolk, holkham hall, earl of leicester and the trusties of holkham hall, Ml c 52 Bn 1985 leonardo, Mann, umgeben von einem achteckigen Theaterspiegel, ca. 1487–1488, aus: Ms. B, fol. 28r, skizze, 23,5 × 17,6 cm, paris, Bibliothèque de l´institut de France Gentile da Fabriano, detail von: Krönung der Jungfrau, ca. 1405–1410, teil des polyptychons von Valleromita, tempera und Gold auf holz, 15,7 × 76,6 cm (Gesamtbild), Mailand, pinacoteca di Brera, inv.­nr. nap. 691 pisanello, revers von: Medaille des Iñigo d´Avalos, ca. 1449, Bronze, Ø 7,8 cm, Berlin, Münzkabinett der staatlichen Museen zu Berlin, ehemals sammlung Benoni Friedlaender, 1868

cap. iV. 19.

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Andrea del Verrocchio, Reiterdenkmal des Bartolomeo Colleoni, 1479–88 [1496], Bronze, Venedig, campo ss. Giovanni e paolo 20. pisanello, Leonello d´Este, ca. 1444, tempera auf holz, 29,5 × 18,4 cm, Bergamo, Accademia di carrara, inv.­nr. 919 21. Ein Mann (der Philosoph Menedemos aus Eretria?) zeichnet eine Figur in den Sand, aus: Anton Francesco Doni, Trattati diversi di Sendebar Indiano philosopho morale, Vi, Venedig: Francesco Marcolini, 1552, s. 99 (detail), 21,2 × 14,5 cm 22. Giovanni candida (zugeschrieben), revers von: Medaille des Robert Briçonnet, ca. 1488–1497 (17. Jh.), Bronze, Ø 6,00 cm, Berlin, Münzkabinett der staatlichen Museen zu Berlin (Börner, 1997, nr. 322,2) 23. Monte di Giovanni del Fora, detail aus: didymus Alexandrinus, De spiritus sancto (einst Biblio­ theca corviniana), 1488, 35,5 × 23 cm, new York, pierpont Morgan library, M. 496, fol. 2r 24. Pyramide mit Obelisk [mit Anklängen an das Mausoleum von halikarnassos], holzschnitt, aus: Francesco colonna, Hypnerotomachia Poliphili, i, Venedig: Aldus Manutius, 1499, fol. B1v, 31,2 × 21,2 cm 25a. Meister der Griselda, Artemisia, vor 1493, tempera auf holz, 87,8 × 46,3 cm, Mailand, Museo poldi pezzoli, inv.­nr. 1126/473 25b. Meister der Griselda, detail von: Artemisia: ›das Artemision von halikarnassos‹, vor 1493, tempera of holz, 87,8 × 46,3 cm, Mailand, Museo poldi pezzoli, inv.­nr. 1126/473 26. Ferraresische schule, Madonna und Kind mit Engeln, ca. 1470, tempera, Öl (?) und Gold auf holz, 58,5 × 44 cm, edinburgh, national Gallery of scotland, inv.­nr. nG 1535 27. Luca Pacioli übergibt Ludovico Sforza sein Buch, dedikationsbild, aus: luca pacioli, De divina proportione, 1498, illuminierte pergamenthandschrift, 28,5 × 19,8 cm, Genf, Bibliothèque Universitaire, Ms. i.e. 210, fol. 11r 28. lorenzo Ghiberti, Die Opferung Isaaks, 1401, Bronzerelief, vergoldet, 45 × 38 cm, Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 203/Bronzi 29. Filippo Brunelleschi, Die Opferung Isaaks, um 1401, Bronzerelief, vergoldet, 45 × 38 cm, Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 209/Bronzi

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Verzeichnis der Abbildungen

cap. V. 30.

31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Marcia als Malerin und als Bildhauerin, 1473, holzschnitt, aus: [Giovanni Boccaccio] Libri Johanis Boccacij de Certaldo, de mulieribus claris, ad andreã de acciarolis de florencia alteuille comitissam Rubrice incipiunt Feliciter, Ulm: Johannes Zainer, 1473, fol. 70v, 30 × 21,5 cm Antonio del pollaiuolo, Herkules und Antäus, ca. 1475, Bronzestatuette, höhe 46 cm (mit sockel), Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. Bronzi 280 Antonio del pollaiuolo, Herkules und Antäus, nach 1470, Öl auf holz, 16 × 9 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi, inv.­nr. 1890, nr. 1478 luigi capponi, Doppelgrabmal von Antonio und Piero del Pollaiuolo, ca. 1500, Marmor, rom, san pietro in Vincoli Andrea Mantegna, Samson und Dalila, ca. 1500, Grundierleim auf leinen, 47 × 36,8 cm, london, national Gallery, inv.­nr. nG 1145 Medaille des Pisanello (selbstbildnis?), Avers, ca. 1444, Bronze, Ø 5,6 cm, london, British Museum, department of coins and Medals, George iii collection, illustrious persons 774 Lorenzo Ghiberti, Vignette zu dessen Vita, aus: Giorgio Vasari, Le vite [...], Florenz: Giunti, 1568, Bd. i, s. 274 pisanello, revers von: Medaille des Leonello d´Este, ca. 1441–1444, Bronze, Ø 6,6 cm, Bn, cabinet des Médailles Armand­Valton 30 il Vecchietta, detail von: Der Hl. Bernhard, statuensockel mit signatur, vor 1474, holz, intagliert und polychromiert, h. 192 cm, Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv. scult. 9 Francesco Francia, Madonna mit Kind und Heiligen, ca. 1511, Öl auf leinwand, 195 × 180,5 cm, london, national Gallery, inv.­nr. 179

cap. Vi.

40a. piero della Francesca, Bildnis der Battista Sforza, linke innenseite des Montefelto-Diptychons, ca. 1472–1474, tempera auf holz, 47 × 33 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi, inv.­nr. 1890, nr. 1615 40b. piero della Francesca, Bildnis des Federico da Montefeltro, rechte innenseite des Montefeltro-Diptychons, ca. 1472–1474, tempera auf holz, 47 × 33 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi, inv.­nr. 1890, nr. 3342 40c. piero della Francesca, Der Triumph von Federico da Montefeltro, linke Außenseite des MontefeltroDiptychons, ca. 1472–1474, tempera auf holz, 47 × 33 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi 40d. piero della Francesca, Der Triumph von Battista Sforza, ca. 1472–1474, rechte Außenseite des Montefeltro-Diptychons, tempera auf holz, 47 × 33 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi 41. lysipp der Jüngere, revers von: Medaille des Martino Filetico, ca. 1480, Bronze, Ø 4,2 cm, paris, Musée du louvre, cabinet des Médailles 42. Bartolomeo sanvito, Vision von Petrarca, ca. 1508, aus: petrarca, Rerum vulgarium fragmenta, Triumphi, illuminierte pergamentanschrift, 20 × 12 cm, cologny­Genève, Biblioteca Bodmeriana, Ms. 130, fol. 107v 43. piero della Francesca, De prospectiva pingendi, parma, Biblioteca palatina, Ms. 1576, fol. 97r, 2. hälfte des 15. Jahrhunderts, 29 × 21,50 cm 44. piero della Francesca, rückseite von: Madonna mit Kind, ca. 1435, tempera auf holz, 53 × 41 cm, privatsammlung 45. Antonio Filarete (zugeschrieben), Medaille des Francesco Filelfo, ca. 1459, Avers, Bronze, Ø 9,30 cm, wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, inv.­nr. Mk 477bb 46. piero della Francesca, detail aus: Bildnis der Battista Sforza: ›das Medaillon‹

Verzeichnis der Abbildungen 47.

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Medaillon mit dem Bildnis Philipps des Kühnen, Burgundisch, um 1400, bläulich­weißer chalzedon, Gold und email, Ø ca. 8 cm, München, schatzkammer der residenz, inv.­nr. 19 48. Francesco de´russi (?), Medaillonporträt von Battista Sforza, 70er Jahre des Quattrocento, detail einer Zierborte aus: BAV, Ms. Urb. lat. 1093, fol 3v 49. willem van haecht, detail aus: Die Sammlung von Cornelis van der Geest: ›Badestube‹ (nach Jan van eyck), 1628, Öl auf holz, 100 × 130 cm, Antwerpen, rubenshuis 50. Schubladen mit der Aufschrift »dV – × ­ cO«, ca. 1474, intarsienmotiv, Urbino, palazzo ducale, studiolo­westwand 51. Giovanni di paolo, illustration zu dante, Paradiso, XIX, um 1445, london, British library, Yates­thompson­codex, fol. 162r 52. Zirkelartiges Motiv, ca. 1470–1480, gemalter stuck, Urbino, Palazzo Ducale, Vorraum zum studiolo 53. Francesco di Antonio del chierico (zugeschrieben), detail von: Triumphus Eternitatis: putten lenken den Globus, letztes Viertel des 15. Jahrhunderts, aus: petrarca, Trionfi, Bl, Ms. harley 5761, fol. 50r, auf pergament, 14 × 7,5 cm 54. Francesco di Giorgio Martini, Der Koloss des Deinokrates, Kopie von 1497–1500, aus: Trattato di architettura civile e militare (codex M), Florenz, Biblioteca nazionale centrale, Ms. ii.i.141, fol. 27v, 43,6 × 29,2 cm 55. Jacopo Bellini, Grabentwurf für einen Gelehrten, vor 1470, braune tinte auf pergament, 42,2 × 28,3 cm, paris, Musée du louvre, département des Arts graphiques, r. F. inv.­nr. 1480, index 13 56a. Maestro delle storie del pane (zugeschrieben), Bildnis eines Mannes (vermutlich Matteo di sebastiano di Bernardino Gozzadini), ca. 1485–1490, tempera auf holz, 49,2 × 35,6 cm, new York, Metropolitan Museum of Art, robert lehman collection, inv.­nr. 1975.1.95 56b. Maestro delle storie del pane (zugeschrieben), Bildnis einer Frau (vermutlich Ginevra d´Antonio lupari Gozzadini), ca. 1485–1490, tempera auf holz, 48,6 × 35,9 cm, new York, Metropolitan Museum of Art, robert lehman collection, inv.­nr. 1975.1.96 57. Benedetto da Maiano, Ehrenbüste für Giotto, 1490, Marmorrelief, o. A., Florenz, santa Maria del Fiore, langhaus 58. Umfeld des Mantegna (?), Triumphus Famae, aus: Anhang der inkunabel: Francesco petrarca, I Trionfi, Venedig: t. di reynspruch u. r. di novimagio, 1478, Bnc, Ms. B. r. 103, fol. 170r 59. Francesco laurana, Büste von Battista Sforza, um 1472, carrara­Marmor, höhe: 49 cm, Breite: 52 cm, sockelhöhe: 7 cm, Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 85/sculture 60. Francesco laurana, Büste von Battista Sforza, rückenansicht, um 1472, carrara­Marmor, höhe: 49 cm, Breite: 52 cm, sockelhöhe: 7 cm, Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 85/ sculture 61. Francesco laurana, Büste von Battista Sforza, von rechts, um 1472, carrara­Marmor, höhe: 50 cm, davon? Basis: 7 cm, Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 85/sculture 62. Francesco laurana (?), Totenmaske von Battista Sforza, 1472, terrakottaabformung mit spuren der polychromie, 34,5 × 24 cm, paris, Musée du louvre, inv.­nr. rF 1171 63. Francesco laurana, Büste der Ippolita Maria Sforza, profilansicht, von rechts, ca. 1474/1475, Marmor, höhe: 44 cm, wien, Kunsthistorisches Museum, inv.­nr. 3405 64. Gherardo di Giovanni di Miniato (zugeschrieben), Fuchs mit Maske, spätes 15. Jh., illuminierte pergamenthandschrift, aus: Äsop, Fabeln, new York, new York public library, Astor, lenox and tilden Foundations, spencer collection, Ms. 20, fol. 8r, 20 × 12 cm 65. Die Masken des Francesco Carrara, ca. 1420–1440, aus: Giovanni Fontana, Bellorum instrumentorum liber, München, Bayerische staatsbibliothek, Ms. icon. 242, fol. 34v

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Verzeichnis der Abbildungen

Mino da Fiesole, Reliefbildnis einer Frau, ca. 1475–1480, Marmor, Florenz, Museo nazionale del Bargello, inv.­nr. 72/sculture 67a–b.Bildnis Petrarcas und Bildnis der Laura, Gipsabgüsse des 18. Jahrhunderts nach zwei italienischen Marmorreliefs aus der 2. hälfte des Quattrocento, 17 × 21,1 cm und 16,8 × 12 cm, london, Victoria and Albert Museum, inv.­nr. A.4­B­1916 68. ›Meister des Xenophon hamilton‹ (zugeschrieben) Federico da Montefeltro zu Pferd vor Volterra, 1474, aus: poggio Bracciolini, Historia fiorentina ab origine urbis usque ad an. 1455, BAV, Ms. Vat. Urb. lat. 491, fol. 2v, 33,5 × 22,5 cm 69. Bartolomeo della Gatta (?), Triumphus Pudicitiae, um 1474–1482, aus: petrarca, Canzoniere und Trionfi, Madrid, Biblioteca nacional, Ms. Vit. 22­1, fol. 162v, 36 × 23 cm 70. Apollonio di Giovanni (werkstatt), Triumphus Mortis, 1442, aus: petrarca, Trionfi, BMl, Ms. Med. pal. 72, fol. 80), 34,30 × 25 cm 71. Giovanni di ser Giovanni (alias ›lo scheggia‹), Triumphus Mortis, vor 1444, tempera auf einem konvexen Bildträger aus holz, 93 × 44 cm, Florenz, Museo di palazzo davanzati o della casa Fiorentina Antica, inv.­nr. 1890, nr. 1611 72. lombardischer Miniaturist, Triumphus Mortis, 2. hälfte des 15. Jahrhunderts, aus: petrarca, Trionfi, BAV, Ms. Barb. lat. 3943, fol. 115v 73. Francesco pesellino, Trionfi (Famae, Temporis, Eeternitatis), um 1448, Öl auf holz, 45,4 × 157,4 cm, Boston, isabella Gardner Museum, inv.­nr. p.i. 5e18­16/1937 74. Laura und Petrarca im Triumphus Mortis (Teil 2), ca. 1470–1480, aus: petrarca, Trionfi, Oxford, Bodleian library, Ms. Add. A. 15, fol. 2r, auf pergament, 21 × 13 cm, 75. Giovan pietro Birago, Petrarca und Laura im Triumphus Mortis (Teil 2), ca. 1490, aus: petrarca, Sonetti, Canzoni, london, British library, Ms. Additional 38125, fol. 58r, auf pergament, 20,0 × 12,5 cm 76. Triumphus Mortis (Teil 1 und Teil 2) mit Petrarca und Laura unter einem Baum, 1508, aus: petrarca, Trionfi, Madrid, Biblioteca nacional, Ms. Vitr. 22­3, fol. 161v 77. werkstatt des Baccio Baldini (?), Liebespaar mit einer Armillarsphäre, ca. 1469, Kupferstich, Ø 14,4 cm, paris, Bibliothèque nationale de France, inv.­nr. ea 29 boite 2 67 c 30 380 78. Der betende Kardinal Bessarion, ca. 1451–1453, initialbild eines chorbuches, aus: cesena, Biblioteca comunale Malatestiana, Ms. cor. Bessarione 2, fol. 1r, illuminierte pergamenthandschrift, 5,75 × 4,14 cm 79. niederländischer Meister, Bemaltes Paradeschild, ca. 1470–1480, Bildträger holz, 20,23 × 25,40 cm, Ölmalerei auf Gipsgrund, london, British Museum, inv.­nr. 218137 80. piero della Francesca, Der Traum Konstantins, ca. 1463, Fresko, aus dem Zyklus: Die Kreuzeslegende, Arezzo, san Francesco 81. lombardische schule, Ludovico il Moro erscheint die Madonna mit Kind, ca. 1490, tempera auf holz, 50 × 56, 8 cm, Mailand, Museo poldi pezzoli, inv.­nr. 1636/649 82. werkstatt des Évrard d´espinques, Die Königin Guenievre erblickt Lancelot im Traum, ca. 1470, aus: Lancelot-Graal, paris, Bibliothèque nationale, Ms. fr. 115, fol. 446r 83. piero della Francesca, Hl. Augustinus, ca. 1469, seitenflügel des polyptychons von Sant´Agostino (einst für Sant´Agostino, Borgo san sepolcro), Öl auf holz, 133 × 59, 5 cm, lissabon, Museu nacional de Arte Antiga, inv.­nr. 1785 84. domenico Ghirlandaio und ›Meister des Xenophon hamilton‹, Die Vision von Ezechiel, ca. 1478, Fontispiz von: hieronymus, Commentarii in Ezechielem, BAV, Ms. Urb. lat. 57, fol. 1v, 37,9 × 25,9 cm 85. Geöffnetes Buch mit Hosenbandorden, nach 1474, reliefmotiv am rechten Fries um die »porta di Guerra«, Urbino, palazzo ducale, Sala della Jole

Verzeichnis der Abbildungen 86. 87.

88. 89.

90. 91. 92.

93.

94.

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Guglielmo Giraldi, Trajan, illustration zu dante, Purgatorio, X, vv. 73, ca. 1477–1482, BAV, Ms. Urb. lat. 365, fol. 127r, 37,80 × 24,10 cm Dante und Oderisi da Gubbio, illustration zu dante, Purgatorio, Xi, vv. 73–92, norditalien (Genua?), 3. Viertel 14. Jahrhundert, aus: dante, Divina commedia, Oxford, Bodleian library, Ms. holkham Misc. 48 (einst norfolk, holkham hall, library of the earl of leicester, Ms 514), fol. 78 (detail), 35,56 × 23 cm ›themistocles‹ – ›leonidas‹, nach: plutarch, Parallelbiografien aus: dem sogenannten ›codex sforza‹, Ms. Varia 260, turin, Biblioteca reale, 1467 Bartolomeo sanvito, Laura, Petrarca und Apollo, ca. 1463–1464, aus: petrarca, Canzoniere, Trionfi, london, Victoria and Albert Museum, Ms. l101­1947, fol. 9v, illuminierte pergamenthandschrift, 23,3 × 14,2 cm Justus van Gent/pedro Berruguete, Petrarca, nach 1474, Öl auf holz, Urbino, palazzo ducale, studiolo, westwand Justus van Gent/pedro Berruguete, Dante, nach 1474, Öl auf holz, 111,5 × 64,5 cm (einst Urbino, palazzo ducale, studiolo, westwand), paris, Musée du louvre, inv.­nr. M.i. 648 Zwei Dialogpaare, Anfang 14. Jh., aus: Manfredo de Monte imperiali, Liber de herbis, Ms. lat. 6823, fol. 1v, illuminierte pergamenthandschrift, italien, paris, Bibliothèque nationale de France, département des Manuscrits, latin 6823, fol. 1v pisanello, revers von: Medaille des Pier Candido Decembrio: ›Aufgeschlagenes Buch mit der Aufschrift »liBe/r sV/M«‹, ca. 1448, Bronze, Ø 8 cm, Mailand, castello sforzesco, Gabinetto numismatico, inv.­nr. 27 Savonarola im Gespräch mit sieben Weisen, titelholzschnitt von Girolamo savonarola, De veritate prophetica dyalogus [ital.], Florenz: Antonio tubini, lorenzo d´Alopa und Andrea Ghirlandi, 1499, 18 × 11,1 cm

cap. Vii.

95a. leonardo da Vinci, Bildnis der Ginevra de´ Benci, ca. 1478–1480, Öl und tempera auf holz, 38,8 × 36,7 cm, washington, national Gallery of Art, Ailsa Mellon Bruce Fund, inv.­nr. 2326 95b. leonardo da Vinci, rückseite von: Bildnis der Ginevra de´ Benci, ca. 1478–1480, primär tempera mit Mischtechnik, auf holz, 38,2 × 36,7 (Malfläche), washington, national Gallery of Art, Ailsa Mellon Bruce Fund, inv.­nr. 2326 96. Die Devise von Bernardo Bembo [»VirtVs et hOnOr«], 15. Jahrhundert, aus: paulo Marsi, Bembicae Peregrinae, windsor castle, royal library, Ms. eton college 156, fol. 3v (detail), 22 × 120 cm 97. lorenzo di credi, Porträt einer jungen Frau, ca. 1500, tempera auf holz, 58,7 × 40 cm, new York, Metropolitan Museum of Art, Bequest of richard de wolfe Brixey, 1943, inv.­nr. 43.86.5 98. Andrea del Verrocchio, Dame mit Blumen, ca. 1475, Marmor, höhe 61 cm, Florenz, Museo del Bargello, inv.­nr. 115 s 99. leonardo da Vinci, Studien für Frauenhände, ca. 1475–1476, silberstift, weiß gehöht, schwarze Unterzeichnung mit Kreide, auf rosa grundiertem papier, 21,5 × 15 cm, windsor castle, royal library, inv.­nr. 12558 100. hans Memling, Bildnis eines Mannes mit einer Münze Kaiser Neros (Bernardo Bembo?), ca. 1473/1474, Öl auf holz, 31 × 23,2 cm, Antwerpen, Koninklijk Museum voor schone Kunsten, inv.­nr. 5 101. Unbekannter Meister aus Ferrara, revers von: Medaille des Pisanello, ca. 1444, Bronze, Ø 5,6 cm, london, British Museum, department of coins and Medals, George iii collection, illustrious persons 774

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Verzeichnis der Abbildungen

102. Antonio Filarete, Allegorie der Tugend, ca. 1461–1464, aus: Filarete, Trattato di architettura, XViii, BncF, codex Magliabecchianus, ii, 1, fol. 143r, s. 533 103. Matteo de´pasti, Medaille der Isotta degli Atti, 1446, Bronze, Ø 8,4 cm, washington, national Gallery of Art, samuel h. Kress collection, inv.­nr. 1957.14.651 104. Handwerker mit einer Porphyrplatte, aus: Ortus Sanitatis, Mainz: Jacob Meydenbach, 1491, cap. »de lapidibus«, fol. GG1v 105. lippo Memmi, rückseite von: Thronende Madonna mit Kind, ca. 1340–1350, Öl auf holz, 51 × 34,3 cm, Altenburg, lindenau­Museum, inv.­nr. 43 (29) 106. Giovanni di paolo, rückseite von: Madonna mit Kind, um 1440–1445, Öl auf holz, 31,8 × 24,7 cm, Altenburg, lindenau­Museum, inv.­nr. 76 (3) 107. Jacometto Veneziano, rückseite von: Bildnis eines Mannes, ca. 1490, tempera und Öl auf holz, 26 × 19 cm, london, national Gallery, inv.­nr. 3121 108. Illustration zum Guss einer Glocke, aus: Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia. Libri X., Venedig: Venturino roffinello, 1540, Viii, cap. 4, fol. 120v 109. leonardo da Vinci, Entwurf für den Guss eines Pferdes in zwei Hälften, ca. 1493, detail aus: rl 12524, Feder und tinte, 27,80 × 19,10 cm, windsor, royal library 110. Agostino di duccio, Erato, ca. 1453, Marmor, rimini, san Francesco (tempio Malatestiano), capella delle Muse e delle Arti liberali 111. Bucheinband zu Commentarium Marsilij Ficini Florentini in Convivium Platonis de amore, Oxford, Bodleian library, Ms. canon. class. lat. 156, ca. 1480, hinterdeckel, rotes leder, 20,8 × 13,5 cm, Besitzer: Bernardo Bembo 112. Vulkan beim Zusammenschmieden von zwei Freunden, aus: Juan de horozco y covarrubias, Emblemas Morales [...], segouia, 1589, iii, nr. 43 113. leonardo da Vinci, Allegorie der Freude und des Schmerzes, 1483–1485, Feder und braune tinte, spuren von roter Kreide, 21 × 28,90 cm, Oxford, christ church, inv.­nr. 0034v 114. Matteo de´pasti, revers von: Medaille der Isotta degli Atti, 1446, Bronze, Ø 4,3 mm, Bologna, Museo Archeologico 115. ›Filocolo­Meister‹ und Gaspare da padova, Petrarca, Amor und Laura, ca. 1465, aus: petrarca, Rime e Trionfi, london, British library, Ms. harley 3567, fol. 9 (detail), 17,5 × 10 cm 116. Giorgione, Bildnis einer Frau (Laura), 1506, Öl auf Fichtenholz, 41 × 33,6 cm, wien, Kunsthis­ torisches Museum, Gemäldegalerie, inv.­nr. GG 31 117. Anonym, Abgezeichnetes Fresko Simone Martinis in der Vorhalle der Kirche Notre-Dames-des-Doms von Avignon, 17. Jahrhundert, BAV, Ms. Barb. lat. 4426, fol. 49 118. leonardo da Vinci, detail von: Bildnis der Ginevra de´ Benci: die haare der Ginevra vor Bäumen 119. Antonio del pollaiuolo, Apoll und Daphne, späte sechziger oder frühe siebziger Jahre des Quat­ trocento, rückseite oder deckel eines unbekannten Bildnisses (?), Öl? und tempera auf holz, 29,5 × 20 cm, london, national Gallery, inv.­nr. nG 928 120. Francesco Bonsignori, Apoll und Daphne, ca. 1450, cassone­Bild, Öl auf holz, 28,7 × 48,9 cm, Florenz, sammlung Berenson, Villa i tatti, inv.­nr. p 16 121. Andrea previtali, Memento mori, rückseite von: Bildnis eines Mannes, 1502, tempera auf holz, 23,8 × 18 cm, Mailand, Museo poldi­pezzoli, inv.­nr. 1598/611 122. pisanello, Pferdestudien, ca. 1438, Metallstift und weißhöhungen auf graublauem papier, 27,3 × 20,2 cm, paris, Musée du louvre, département des Arts graphiques, inv.­nr. 2374 123. Die Kranzflechterin (vgl. ›stephanoplókos‹ in: plinius, NH, XXi, 4–5 und XXXV, 125), aus: Plinius/Landino, Historia naturale, Venedig: nicolaus Jenson, 1476, fol. 247v, 41,5 × 27,9 cm, Oxford, Bodleian library

Verzeichnis der Abbildungen 124a. Agnolo di domenico del Mazziere zugeschrieben, Bildnis einer jungen Frau, ca. 1485/1490, Öl auf holz, 45 × 29 cm, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, inv.­nr. 0080 124b. Agnolo di domenico del Mazziere zugeschrieben, rückseite von: Bildnis einer jungen Frau, ca. 1485/1490, Öl auf holz, 45 × 29 cm, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, inv.­nr. 0080 125. Francesco Melzi, Vertumnus und Pomona, ca. 1518/1522, Öl auf holz, 186 × 135,5 cm, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, inv.­nr. 0222 126. Jacometto Veneziano, rückseite von: Bildnis einer Frau, ca. 1480/1490, Öl auf holz, 34 × 27,5 cm, philadelphia, philadelphia Museum of Art, John G. Johnson collection, inv.­nr. 243 127. Memorialschema für Namen, aus: lodovico dolce, Dialogo nel quale si ragiona de modo di accescere et conservar la memoria, Venedig: enea de Alaris, 1562, fol. 61r, wolfenbüttel, herzog August Bibliothek 128. Leda mit dem Schwan, ca. 1480 (?), Anfangsinitiale von Bernardo Bembos Abschrift von: cristoforo landino, Xandra, Ms. Vat. lat. 3366, fol. 3r 129. leonardo da Vinci, Bildnis der Cecilia Gallerani, um 1490, Öl auf holz, 53,4 × 39,3 cm, Krakau, czartoryskich Muzeum, inv.­nr. Xii­209 130. Kopie von Leonardos Leonardos Mona Lisa, 16. oder 17. Jahrhundert, Öl auf holz, paris, Musée du louvre, inv.­nr. 80en7385 131. Wappen von Giovanni Amerigo de´ Benci, ca. 1461, stein, Florenz, Benediktinerabtei ›le Murate‹ (ursprünglicher Anbringungsort in der Abtei unbekannt) 132a. Frau Filippo lippi, Profilporträt einer jungen Frau, ca. 1450–1455, Öl auf holz, 47,9 × 32,9 cm (Malfläche), Berlin, staatliche Museen zu Berlin – preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, inv.­nr. 1700 132b. Frau Filippo lippi, rückseite von: Profilporträt einer jungen Frau, ca. 1445, Öl auf holz, 47,9 × 32,9 cm (Malfläche), Berlin, staatliche Museen zu Berlin – preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, inv.­nr. 1700 133. sebastiano del piombo, Bildnis einer Frau mit Lorbeer, ca. 1530, Öl auf holz, 69 × 54 cm, rom, Museo nazionale del palazzo di Venezia, deposito (tribunale amministrativo del lazio), inv.­nr. 7129 134. Die Poesie (»pOesiA«), Meister der e­serie der sog. Tarocchi des Mantegna, Karte XXV (die Freien Künste und wissenschaften), ca. 1465–1475, Kupferstich, pinsel in golden glänzendem pigment, 18 × 10 cm, hamburg, Kunsthalle, Kupferstichkabinett, inv.­nr. 49258 135. Seite aus Sapphos Brief an Phaeon (d. i. Ovid, Heroides) mit Anstreichungen Bernardo Bembos, ca. 1450–1451, Venedig, Biblioteca Marciana, Ms. Marc. lat. ii 55 (= 2922), fol. 9v, 15 × 10,2 cm 136. raffael, Sappho, ca. 1510/1511, Fresko, detail aus: Parnass, rom, Vatikanischer palast, stanza della segnatura 137. pietro lombardo, Das Wappen Bernardo Bembos (mit dem Motto »his nOn cedO MAlis«), ca. 1483, Marmor, ravenna, san Francesco, seitenportikus (einst: am dante­Grabmal) 138. pietro lombardo, Das Dante-Grabmal, ca. 1483, Marmor, ravenna 139. pietro lombardo, Bildnis von Dante, ca. 1483, Flachrelief, Marmor, ravenna, dante­Grabmal 140. pietro lombardo, Bücher, detail von: Bildnis von Dante, ca. 1483, Flachrelief, Marmor, ravenna, dante­Grabmal

cap. Viii. 141.

Antonio Filarete, Das goldene Buch, ca. 1461–1464, aus: Filarete, Trattato di architettura, BncF, codex Magliabecchianus, ii, 1, fol. 108 v (detail)

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Abbildungsnachweis © Altenburg, lindenau­Museum: 105, 106; © Antwerpen, Koninklijk Museum voor schone Kunsten: 100; © 1959 Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen: 47; © Berlin, Münzkabinett der staatlichen Museen: 18 (Aufnahme durch lutz­Jürgen lübke), 22 (Aufnahme durch reinhard saczewski); © Gemäldegalerie, staatliche Museen zu Berlin – preußischer Kulturbesitz (Jörg p. Anders): 124a–b, 125, 132a–b; Berlin, staatsbibliothek, sBBK: 87, 112; © Bergamo, Accademia di carrara: 20; bpk-Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte: 3 (Jean­Gilles Berizzi), 41, 55, 62, 91, 122, 130, App. iV/B­4; © Bologna, Museo Archeologico: 114; © Boston, isabella Gardner Museum: 73; © Cesena, istituzione Biblioteca Mala­ testiana (G. Zangheri): 78; © Cologny-Genève, Fondation Martin Bodmer – Biblioteca Bodmeriana: 42; © Edinburgh, the national Gallery of scotland: 26; © Florenz, Anderson: 110, 136; © Florenz, Berenson collection, Villa i tatti, reproduced by permission of the president and Fellows of harvard college: 120; © Florenz, BMl (d´elci 516): 1, App. iV/A­5, (Ms. pluteo 34.12) App. iV/A­2; © Florenz, BncF: Microfo­ to: 54, 58, 102 (Maurizio schioppetto), 141; Brogi: 60; © Florenz, Biblioteca Medicea laurenziana (donato pineider) mit erlaubnis d. Ministerio per i Beni e le Attività culturali: 1; © Florenz, Galleria degli Uffzi: 6a–b, 32, 40a–d, 46; sopraintendenza per i Beni artistici e storici di Firenze: 31, 38, 57, 59, 61, 66, 71, 98; © Genf, Bibliothèque Universitaire: 27; © Göttingen, niedersächsische staats­ und Universitätsbib­ liothek: 30, 104; © Hamburg, hamburger Kunsthalle (Aufnahme durch elke walford): 134; © Markus heidemann: 19, 33; © hirmer Fotoarchiv, München: 4, 28, 29; © Krakau, czartyryskich Muzeum: 129; © Lissabon, instituto portugus de Museus, A.n.F., Archivio nacional de Fotografia: 83; © London, British library Board: 51, 53, 75, 115, App. iV/B­16; British Museum: 35, 79, 101, App. iV/B­13, B­15; © cour­ tesy the national Gallery, london, 34, 39, 107, 119; © the Board of the trustees of the Victoria & Albert Museum: 67a–b, 89; © Madrid, BnM: 69, 76; © Mailand, Biblioteca Ambrosiana: 21; civiche raccolte Archeologiche e numismatiche: castello sforzesco: 93, App. iV/B­12; © Mailand, Museo poldi pezzoli (studio Fotografico perotti): 25a–b, 81, 121; pinacoteca di Brera: 17; © Mailand: civiche raccolte Arche­ ologiche e numismatiche, castello sforzesco: 93; © Mantua, Museo numismatico: 11; Museo della città di palazzo san sebastiano: 14; © Megan holmes: 131; © Modena, Biblioteca estense: App. iV/B­10; © München, Bayerische staatsbibliothek: 65; © Norfolk, holkham hall, earl of leicester and the trusties of holkham hall (Ml c 52 Bn 1985): 15; © New York, pierpont Morgan library (M. 496): 23; new York public library: 64; © the Metropolitan Museum of Art: 5, 56a–b, 97; © Oxford, Bodleian library: 74, 111, 123, App. iV/B­19; © Oxford, the Governing Body, christ church : 113; © Paris, Bibliothèque de l´institut de France: 9 (ets J. e. Bulloz, photographies d´œuvres d´arts), 10, 16 (rené­Gabriel Ojéda); © Bibliothèque nationale: 37, 77, 82, 92; © Parma, Biblioteca palatina (Ms. 1576): 43; © Philadelphia, the philadelphia Museum of Art: 126; © Rom: Archivio Fotografico soprintendenza Beni Artistici e storici di roma: 133; © Stuttgart, württembergische landesbibliothek: inc. qt. 14341: 94; © Turin, Biblioteca reale (Ms. Varia 260): 88; © Vatikan, BAV: 48, 68, 72, 84, 86, 117, 128; App. iV/A­1; © Venedig, Biblioteca Marciana (Foto toso, castello): 36, 135; © Washington: Board of trustees, national Gallery of Art: 7a–b, 95a–b, 103; © Wien: Kunsthistorisches Museum: 45, 63, 116; © Wien, Österreichische nationalbiblio­ thek: 12; windsor castle, royal library © her Majesty Queen elizabeth ii: 96, 99, 109; © Wolfenbüttel, herzog August Bibliothek: 127; aus Büchern: Ames-Lewis, 2000: App. iV/A­3; Biringuccio, De la pirotechnia, fol. 120v: 108; Cheles, 1986: 50, 90; Dhanens, 1980: 49; Krautheimer, [1956] 1982: App. iV/B­3, B­8; Malerei und Stadtkultur in der Dantezeit, hrsg. v. hans Belting et alt., München, 1989: 2; Niehaus, 1998: App. iV/B­2; Piero della Francesca, 2007: 44; The Illustrated Bartsch, 1971–2000, Bd. XXiV/1: 8, Bd. XXV: App.iV/A­4; Warnke, 1992: App. iV/B­5a–b, B­11; Zappella, 1986, Bd. ii: 13; © Studio Decouard: rekonstruktion 1; eigene Aufnahmen der Verfasserin: 52, 85, 137, 138, 139, 140, App. iV/B­1, B­7, B­24