Heldensage und Stammessage: Iring und der Untergang des Thüringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung 3484150610, 9783484150614

Die Eroberung des Thüringerreiches durch die Franken zwischen 531 und $34 hat in der älteren Geschichtswissenschaft ein

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Heldensage und Stammessage: Iring und der Untergang des Thüringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung
 3484150610,  9783484150614

Table of contents :
Vorbemerkungen 1
I. Die historischen Rahmenbedingungen: Thüringen zur Zeit der germanischen Wanderungen und Reichsgründungen 5
II. Die fränkische Version des Thüringerkrieges 12
1. Venantius Fortunatus 12
2. Gregor von Tours und seine fränkischen Nachfolger 13
III. Der Thüringerkrieg in der sächsischen Stammessage 17
1. Rudolf von Fulda 17
2. Widukind von Corvey 23
3. Stammessage 31
IV. Der Thüringerkrieg in der Heldensage 40
1. Das Iringlied in der Paraphrase Widukinds 40
2. "Verräter": Iring im Vergleich zu Ganelon und Starkad 53
V. Iring-Zeugnisse vor Widukind von Corvey 63
1. Der Iringsweg 63
2. Heldensagennamen und Urkundennamen: Iringsage und adelige Hausüberlieferung? 68
VI. "Eigentümliche und lebendige Verschiedenheit der Sage": Mündlichkeit und Schriftlichkeit 78
1. Der Thüringerkrieg in den Quedlinburger Annalen 78
2. Die "Origo Saxonum" in der Weltchronik Frutolfs von Michelsberg und ihre Rezeption 85
3. Der Thüringerkrieg in der nordschwäbischen Herkunftssage und die Jagdanekdote 88
VII. Die Iringsage in der heroischen Dichtung 99
1. Der Weg ins Exil 99
2. Iring in der Klage und in den historischen Dietrichepen 103
3. Iring und Irnfrit im Nibelungenlied 106
4. Irung in der Thidrekssaga und Iring im Nibelungenlied 112
VIII. Die sächsische Stammessage zwischen Latinität und Volkssprache 119
1. Die Stammessage in Reim und in Prosa: Annolied, Kaiserchronik und Sächsische Weltchronik 119
2. Das Recht der "guden vorevaren": Zur Funktion der Stammessage im Sachsenspiegel 126
3. Zur etymologischen und genealogischen Ausweitung der sächsischen Stammessage im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit 130
IX. Die Iringsage in der Landesgeschichtsschreibung des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit 141
X. Schlußbemerkungen 152
Anhang
I. Quellen zum Thüringerkrieg und zur Iringsage 163
1.Schreiben Theoderichs d.Gr. an König Herminafrid von Thüringen aus den "Variae" Cassiodors 163
2. Aus den "Libri historiarum X" des Gregor von Tours 164
3. Aus der "Translatio S. Alexandri" des Rudolf von Fulda 166
4. Aus den "Rerum gestarum Saxonicarum libri III" des Widukind von Corvey 168
5. "De origine Saxonum". Aus der Chronik des Frutolf von Michelsberg 177
6. Aus den "Annales Quedlinburgenses" 183
7. "De origine gentis Swevorum" 185
II. Illustrationen zur sächsischen Stammessage und zur Iringsage 189
Erläuterungen zu den Abbildungen 189
Abbildungen 193
Verzeichnis der Abkürzungen 201
Literaturverzeichnis 203
Register 216

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HERMAEA GERMANISTISCHE FORSCHUNGEN NEUE FOLGE HERAUSGEGEBEN VON HANS FROMM UND HANS-JOACHIM MÄHL

BAND 61

HILKERT WEDDIGE

Heldensage und Stammessage Iring und der Untergang des Thüringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung

MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1989

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG W O R T

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Weddige,

Hilkert:

Heldensage und Stammessage : Iring und der Untergang des Thüringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung / Hilkert Weddige. — Tübingen : Niemeyer, 1989 (Hermaea ; N.F., Bd. 61) NE: GT ISBN 3-484-15061-0

ISSN 0440-7164

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1989 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. Printed in Germany. Satz und Druck: Allgäuer Zeitungsverlag G m b H , Kempten. Einband: Heinr. Koch, Tübingen.

HERBERT KOLB

zum 6. Januar 1989

Inhalt

Vorbemerkungen I.

ι

Die historischen Rahmenbedingungen: Thüringen zur Zeit der germanischen Wanderungen und Reichsgründungen . .

5

II.

Die fränkische Version des Thüringerkrieges ι. Venantius Fortunatus 2. Gregor von Tours und seine fränkischen Nachfolger . . .

12 12 13

III.

Der Thüringerkrieg in der sächsischen Stammessage ι . Rudolf von Fulda 2. Widukind von Corvey 3. Stammessage

17 17 23 31

IV.

Der Thüringerkrieg in der Heldensage 1. Das Iringlied in der Paraphrase Widukinds 2. »Verräter«: Iring im Vergleich zu Ganelon und Starkad . .

40 40 53

V.

Iring-Zeugnisse vor Widukind von Corvey ι. Der Iringsweg 2. Heldensagennamen und Urkundennamen: Iringsage und adelige Hausüberlieferung?

63 63

VI.

VII.

68

»Eigentümliche und lebendige Verschiedenheit der Sage«: Mündlichkeit und Schriftlichkeit ι . Der Thüringerkrieg in den Quedlinburger Annalen . . . . 2. Die Ongo Saxonum in der Weltchronik Frutolfs von Michelsberg und ihre Rezeption 3. Der Thüringerkrieg in der nordschwäbischen Herkunftssage und die Jagdanekdote

88

Die Iringsage in der heroischen Dichtung ι. Der Weg ins Exil 2. Iring in der Klage und in den historischen Dietrichepen . . 3. Iring und Irnfrit im Nibelungenlied 4. Irung in der Thidrekssaga und Iring im Nibelungenlied . .

99 99 103 106 112

78 78 85

VII

Vili. Die sächsische Stammessage zwischen Latinität und Volkssprache ι. Die Stammessage in Reim und in Prosa: Annolied, Kaiserchronik und Sächsische Weltchronik 2. Das Recht der guden vorevaren: Zur Funktion der Stammessage im Sachsenspiegel 3. Zur etymologischen und genealogischen Ausweitung der sächsischen Stammessage im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit IX.

119 119 126

130

Die Iringsage in der Landesgeschichtsschreibung des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit

141

Schlußbemerkungen

152

X.

Anhang I.

Quellen zum Thüringerkrieg und zur Iringsage i.Schreiben Theoderichs d.Gr. an König Herminafrid von Thüringen aus den Variae Cassiodors 2. Aus den Libri historiarum X des Gregor von Tours . . . . 3. Aus der Translatio S. Alexandri des Rudolf von Fulda . . 4. Aus den Rerum gestamm Saxonicarum libri III des Widukind von Corvey 5. De origine Saxonum. Aus der Chronik des Frutolf von Michelsberg 6. Aus den Annales Quedlinburgenses 7. De origine gentis Swevorum

II.

Illustrationen zur sächsischen Stammessage und zur Iringsage Erläuterungen zu den Abbildungen Abbildungen

163 163 164 166 168 177 183 185 189 189 193

Verzeichnis der Abkürzungen

201

Literaturverzeichnis

203

Register

216

VIII

Vorbemerkungen

Die Eroberung des Thüringerreiches durch die Franken zwischen 531 und $34 hat in der älteren Geschichtswissenschaft ein umfangreiches und kontroverses Schrifttum hervorgerufen. 1 Man stritt sich um die Marschrouten der Heere, um die Lage der verschiedenen Schlachtorte und vor allem um die Beteiligung der Sachsen, von welcher die frühen fränkischen Quellen im Unterschied zur späteren sächsisch-thüringischen Geschichtsschreibung nichts berichten. Bei der Rekonstruktion dieses Ereignisses ging es deshalb immer wieder um die Trennung des historischfaktischen Kerns von der Spreu des bloß »Sagenhaften«. Eben darauf richtete sich das Augenmerk der Literaturwissenschaft, 2 die in der mittellateinischen Chronistik bei Widukind von Corvey ein Stück »verlorener« Heldensage 3 wiederfand, das zudem als das »einzige klare Beispiel für innerdeutsche Heldensage« gelten konnte, nämlich die sog. Iringsage. Teils fragte man, wie schon Jacob Grimm und neuerdings wieder Karl Hauck, nach dem Verhältnis von Heldensage und Mythos, wozu der »Iringsweg« und der Kult um Hathagat die Handhabe boten. Teils rekonstruierte man — gemäß dem Postulat Andreas Heuslers von der Tradierung der Heldensage in der festen Form der Heldendichtung — auch in diesem Falle ein nicht erhaltenes Heldenlied, ja man versuchte sich sogar an einer Nachdichtung in neudeutschen Stabreimen.

1

Vgl. die Bibliographie zur thüringischen Geschichte, bearb. v. H . Patze, 1. Hbd., 1965, N r . 2330—2411. Grundlegend für die thüringische Geschichte im Frühmittelalter: W. Schlesinger (1941 u. 1969). Die älteren Darstellungen v.a. von A . Gloel, E. Lorenz, W. Lippen, P. Höfer, W. Pelka u. M. Lintzel sind weitgehend überholt, aber in Detailfragen durchaus noch von Nutzen. Zur Sachsenfrage vgl. Entstehung u. Verfassung des Sachsenstammes, hrsg. v. W. Lammers, WdF 50, 1967. 1 Z . B . J . Grimm (1815), W. Pelka, R . Meißner (1919), H . Schneider, F. Genzmer (1935), G . Baesecke (1940), K. Voretzsch u. O. Gschwantler (i960). ' In den Prosafassungen der mlat. Historiographie ist die Iringsage erhalten, verloren ist nur ein Iringlied in der Volkssprache. Der Begriff »verlorene Heldensage« (so H. Schneider, Bd. II/2, S. i)6ff.) ist einseitig der Auffassung A . Heuslers verhaftet, daß Heldensage nur als Heldendichtung (in gebundener Rede) existiert habe. »Deutsche« Heldensage repräsentiert die Iringsage nur im geographischen und im rezeptionsgeschichtlichen Sinne; denn ihre Anfänge sind verknüpft mit der Geschichte der germanischen Stämme vor der Entstehung des deutschen Reiches. I

Die vorliegende Studie zielt nicht auf die Rekonstruktion des Ursprünglichen. Das primäre Interesse gilt weder dem historischen Kern noch dem Urlied, geschweige denn der Herkunft aus dem Mythos; es gilt vielmehr den jeweiligen Deutungen, den mannigfaltigen Brechungen eines historischen Ereignisses im Spiegel einer jahrhundertelangen Überlieferung, in welcher sich Schriftlichkeit und Mündlichkeit, Latinität und Volkssprache, Literarizität und Illiterarizität begegnen und wechselseitig aufeinander wirken. Diese für die germanistische Mediävistik zentrale Fragestellung soll hier auf die chronikalische Überlieferung zum Untergang des Thüringerreiches angewandt werden. Sie berührt zugleich die Frage nach der Perspektivität und dem literarischen Status der Historiographie, wie sie in der historischen Mediävistik u.a. Helmut Beumann am Beispiel Widukinds von Corvey erörtert hat. In dessen Sachsengeschichte vereinen sich schriftlich-gelehrt-rhetorische Tradition und mündlich vermittelte Erinnerung. Damit stellt sich die Frage nach der Traditionsbildung, deren Rolle bei der germanischen Stammesbildung Reinhard Wenskus und Herwig Wolfram hervorgehoben haben. Seit Rudolf von Fulda und Widukind von Corvey verknüpft die Chronistik den Untergang des Thüringerreiches mit der Entstehung und dem Aufstieg des Sachsenstammes. Mit dieser besonderen Korrelation von Ursprung und Untergang rückt das Verhältnis zwischen Stammessage und Heldensage in den Mittelpunkt der Untersuchung. Mehr noch als das Thema vom Untergang ist die Frage nach dem Ursprung — nach dem Ursprung der Sprachen und der Schrift, nach der Entstehung von Herrschaft und Knechtschaft, nach der Herkunft von Völkern, Sippen und einzelnen, nach der Gründung von Städten, Burgen, Klöstern, Kirchen und Universitäten — zum Gegenstand geschichtlichen Denkens geworden; »denn der Ursprung gibt, was die geschichtliche Vielfalt nirgends bietet, einen archimedischen Punkt der Auslegung« (Arno Borst). 4 Auf

4

A . Borst, Der Turmbau von Babel, Bd. 4, 1963, S. 1952. — Die monumentale Darstellung Borsts zur Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker demonstriert am ehesten, um welch »weites Feld« es sich beim Thema des Ursprungs handelt. Eine historisch-literarhistorische Gesamtdarstellung kann man schlechterdings nicht erwarten. Zur Antike vgl. ζ. B. E. J . Bickermann, F. Prinz und W. Leschhorn. Für den keltischen Bereich s. zuletzt die Beiträge von D. ó Corráin u. P. P. Sims-Williams in: History and Heroic Tale. A Symposium. Ed. T. Nyberg, Odense 1985, S. 51—96 u. 9 7 — 1 3 1 . Zum germanischen Altertum und zum Frühmittelalter: A. Heusler, Die gelehrte Urgeschichte im isländischen Schrifttum (1908); H . Matter (1922). Der durchaus nützlichen Materialübersicht von A. Grau fehlt es noch an systematischer Fragestellung. Dazu jetzt: K . Hauck, O. Höfler, F. Graus (1975), H . Bollnow u.v.a. R . Wenskus. Bemerkenswert sind die Berührungen mit einem anderen 2

diesen Punkt zielt eine Stammessage wie die sächsische. Ihre Fiktion einer Abstammungsgemeinschaft war für das Selbstverständnis einer heterogenen Großgruppe geradezu notwendig. Wie bei den übrigen germanischen origines gentium fällt es auch hier schwer, in der schriftlichgelehrten Uberlieferung die Stellen zu bestimmen, an denen »der Granit alter Volkstradition den Flugsand der gelehrten Vermutungen« durchbricht.5 Diese Entgegensetzung Andreas Heuslers ist freilich einer einseitigen Vorstellung vom »Ursprünglichen« verhaftet, ganz abgesehen davon, daß die beiden Pole von »rhetorischer Tradition und Ursprünglichkeit«, von Fiktion und Realität, zur Deckung gelangen können und daß zudem gerade die adeligen Kleriker zum »Traditionskern« des Stammes zählen; sie verliert vollends durch die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte an Gewicht: Der Thüringerkrieg der Sachsen ist — wie die mit der Namensfindung verbundene Messerepisode — jedenfalls auch zum Gegenstand der »Volkstradition« geworden, wenn er es nicht schon von vornherein war, nimmt doch hier die Stammessage ein Stück nicht-gelehrter Heldensage auf. Dieses Neben- und Ineinander von Heldensage und Stammessage soll von der Völkerwanderungszeit bis in die frühe Neuzeit verfolgt werden. Der Untergang des Thüringerreiches ist mit einigen Namen verbunden, die als »Leitfossilien« dienen werden. Herminafrid, Theuderich und Amalaberga sind die historisch bezeugten Personen, auf die sich die Auseinandersetzung zwischen Thüringern und Franken zuerst in der schriftlichen Uberlieferung konzentriert. Mit dem Eintritt der IringFigur und der Sachsen in diesen Kontext dringt dann eine Uberlieferung ans »Licht der Schriftlichkeit«, die sich über mehr als 300 Jahre in der Mündlichkeit gehalten und ausgebildet haben muß. Solche »irgendwie loser geformte Sage« (Hermann Schneider) — Jahrhunderte »vor und außerhalb der Dichtung« (Hans Kuhn), aber eben »innerhalb der Historiographie« — soll am Beispiel der Iringsage in ihren wechselnden Ergroßen Thema: In den Schriften der M G H wird 1988 als Bd. 33,1—VI erscheinen: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae H i stórica München 1986. Bd. 33/I enthält u.a. Beiträge von G . Althoff, G . G y ö r f f y , K . Schnith u. A . L . Gabriel über genealogische Fiktionen und Gründungstraditionen, von W . Störmer über die bayerische Stammessage usf. — Das Gegenthema des Untergangs ist m. W . bislang nur unter Einzelaspekten (Troja—Rom; Götterdämmerung—Nibelungenuntergang—R. Wagner—Th. Mann) behandelt worden, z . B . in dem essayistischen Versuch von H . Petriconi : Das Reich des Untergangs. Bemerkungen über ein mythologisches Thema, 1958. ' A . Heusler, Die gelehrte Urgeschichte im isländischen Schrifttum (1908). In: A . H . , Kleine Schriften, Bd. 2, 1969, S. 157.

3

scheinungsformen beschrieben werden, bis zu ihren Ausläufern in der Nibelungen- und Dietrichdichtung auf der einen und in der Landesgeschichtsschreibung auf der anderen Seite. *

Dieses Buch vom Thüringerkriege ist einem gebürtigen Thüringer gewidmet: Herbert Kolb. Ich danke dem Max Niemeyer-Verlag, der Verwertungsgesellschaft Wort und den beiden Herausgebern der >Hermaea

Beispiele bei H . Beumann, S. 5 7 - 6 0 . Zur etymologischen Methode in der spätmittelalterlichen Chronistik s.u. VIII,3. 6 * Zu John of Worcester (Anecdota Oxoniensis, ed. J . R. H . Weaver, 1908, S. 45), auf den zuerst S. Hellmann ( N A 4 1 , 1917, S. 680) aufmerksam machte, vgl. M. Manitius, Ge-

38

Anders verhält es sich mit der zweiten Landnahme: Hathagat und die mit ihm verbundenen kultischen Elemente werden wohl autochthonaltsächsischer Überlieferung entstammen, während das Eingreifen der Sachsen in den Thüringerkrieg auf Grund eines fränkischen Hilfegesuchs sowohl auf einem realhistorischen Faktum als auch auf einem literarischen Schema beruhen kann. Dabei kann zum einen »die Topik der antiken origines mit den Motiven der Uberlieferung schriftloser ethnischer Einheiten weitgehend übereinstimmen« — der antike Brauch des ver sacrum findet z.B. seine Entsprechung in der Auswanderungssage der Langobarden und Nordschwaben (s. Anm. 156) —, zum anderen ist es in der mittelalterlichen Historiographie durchaus üblich, daß solche Topoi »als bequeme vorgebildete Formulierungen für einen wirklichen Tatbestand erinnert und benutzt« werden. 6 ' Ob nun die Sachsen am Thüringerkrieg beteiligt waren oder nicht, für das sächsische Selbstgefühl spielte dieses Ereignis jedenfals eine entscheidende Rolle. Das fränkische Gegengewicht verhinderte wohl in der Folgezeit, daß die Sachsen die besiegten Thüringer völlig integrierten, auch wenn sie diese weitgehend von sich abhängig machen konnten. Ganz ähnlich verhält es sich mit den literarischen Hervorbringungen beider Stämme: Die sächsische Stammessage hat zwar weitgehend die thüringische Heldensage absorbiert, um nicht zu sagen: »umfunktioniert«, doch bleiben die andere Gattung und die andere Perspektive unverkennbar erhalten.

schichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 3, 1931, S. 458—461. - Nennius, Historia Brittonum, in: M G H A A 13/3, S. 189, Z. 19f. (zum Stichwort »eu Saxones eniminit saxas« vgl. auch die z.T. noch stärker ags. gefärbten Varianten im Apparat). — Zum Chronicon Holtzatiae (MGH SS 21, S. 251) u. zu den Braunschweiger Quellen s.u. VIII. " R. Wenskus (1966), WdF 50, S. 501.

39

IV.

D e r Thüringerkrieg in der Heldensage

ι.

Das Iringlied in der Paraphrase Widukinds

Soweit in Widukinds origo die Stammessage dominiert, agieren »die« Sachsen als Gruppe. Zweimal handelt ein namenloser Sachse — beim Landkauf und in der Falkenepisode — im Interesse seines Stammes. Hathagat tritt zwar als der verehrte dux hervor, dessen Rat befolgt wird wie der eines Priesters oder Propheten, aber als Figur bleibt er statuarisch, unpersönlich-abstrakt, mehr ein Sprachrohr der Götter und ein Denkmal der Vorzeit als ein aktiver Held und Heerführer im gegenwärtigen Kriege. Die Sachsen sind die Außenstehenden, die Fremden. Nur in der Beratungsszene und bei der Siegesfeier stellt der Erzähler das Geschehen aus ihrer Perspektive dar, die stets auf die Gesamtheit des Stammes bezogen bleibt, wie denn überhaupt in der sächsischen Stammessage allein das Stammesinteresse das Handeln diktiert. Das konsequente Handeln der Sachsen mit Hathagat als ruhendem Pol hebt sich merkwürdig ab vom Hin und Her des Geschehens auf der Bühne: Der Krieg zwischen den Franken und den Thüringern wird nach dem typischen Verfahren der Heldenepik als Sippenkonflikt dargestellt. Vier Akteure, nämlich die beiden Könige, die Königin und ein Ratgeber, stehen im Vordergrund, während die beiderseitigen Heere und die Kampfhandlungen nur die Kulisse bilden. Nicht der breiten Schlachtenschilderung gilt das Interesse, sondern dem großen Augenblick, dem Verhalten der Hauptfiguren in Entscheidungssituationen, die sich zu knapper Rede und Gegenrede und zu bildhaften Gesten verdichten. Die Figuren agieren inkonsequent: Beide Könige treffen Entscheidungen, zu denen sie später nicht mehr stehen. Iring läßt sich erst durch Amalaberga, dann durch Thiadrich beeinflussen, bis er schließlich eine radikale Kehrtwende vollzieht, für die persönliches Schuldbewußtsein ausschlaggebend ist. Darum vermutet die Heldensagenforschung, daß Widukinds szenisch-dialogische Darstellung ein verlorenes Heldenlied, eben das Iringlied, paraphrasiere. Nach dem Wechsel von narrativen und dialogischen Partien müßte es sich in der Terminologie Heuslers um ein »doppelseitiges Ereignislied« handeln, doch über das Verhältnis zwischen 40

gebundener und ungebundener Rede, zwischen Erzähl- und Dialogteil, lassen s i c h k e i n e g e n a u e n A u s s a g e n m a c h e n , w e n n m a n n i c h t v o n v o r n h e r e i n auf d e n I d e a l t y p u s d e s H e u s l e r s c h e n H e l d e n l i e d s e i n g e s c h w o r e n ist ( s . u . V I , 3). E b e n s o z w e i f e l h a f t s c h e i n t m i r d i e R e k o n s t r u k t i o n d e s L i e d i n h a l t s o h n e die S a c h s e n . H . B e u m a n n b e s c h r e i b t d e n A u f b a u d e r I r i n g - A b s c h n i t t e in W i d u k i n d s F a s s u n g s o : »Kurze genealogische Einleitung; ι . Szene (direkte und indirekte Rede): D e r Gesandte Theuderichs bei Irminfried; 2. Szene (indirekter Dialog): Amalaberga und Iring, mit Charakteristik Irings durch Notatio; 3. Szene (indirekte Rede): Irminfrieds Kronrat; 4. Szene (indirekte und direkte Rede): Irminfried und der Gesandte. Starker Affektausbruch des Gesandten in direkter Rede; j . S z e n e : Wechsel des Schauplatzes: H o f Theuderichs. Ironische A n t w o r t Theuderichs (direkt). Narrativer Einschub : Erste Kämpfe und Siege über die Thüringer. 6. Szene: Kronrat Theuderichs. Indirekte Rede Theuderichs, direkte des Waldricus und des servus, dieser durch Notatio kurz charakterisiert. Narratives Intermezzo: die Sachsen werden zur Hilfe geholt. 7. Szene: Die Führer der Sachsen bei Theuderich, ihre Rede (direkt). Charakteristik der Sachsen durch Schilderung ihrer Wirkung auf die Franken. Narrativer Teil: Kampf der Sachsen und Thüringer. 8. Szene: Iring und Theuderich. Direkte Rede Irings, affektgeladen, indirekte der Fürsten. 9. Szene: Falkner-Episode, direkter Dialog. 10. Szene: Charakteristik und direkte Rede (Allokution) des Hathagat. Narrativer Teil: Uberfall auf die Thüringer und Sieg der Sachsen. Siegesfeier. D i e Religion und H e r k u n f t der Sachsen, L o b des dux, Ende der Könige (Berufung auf die fama). I i . S z e n e : Theuderich—Iring, direkter Dialog.« 6 6 [Anmerkung zur Benennung der Milchstraße nach Iring.] A l s Sage von

Irminfried,

Iring

k i n d s E i n g a n g in die Deutschen

und Dieterich

hat diese F a s s u n g W i d u -

Sagen d e r B r ü d e r G r i m m g e f u n d e n , w o

sie d e n » m e h r g e s c h i c h t l i c h g e b u n d e n e n Sagen«, d e n » S t a m m - u n d G e s c h l e c h t s s a g e n « z u g e o r d n e t w i r d . I m U n t e r s c h i e d z u d e n ö r t l i c h e n Sag e n , w e l c h e »der l e b e n d i g e n F o r t p f l a n z u n g u n t e r d e m V o l k e z u v e r d a n k e n s i n d « , w a r e n j e n e n u r m e h r aus s c h r i f t l i c h e r U b e r l i e f e r u n g

zu

s c h ö p f e n . D o c h a u c h sie g e l t e n d e n H e r a u s g e b e r n als » V o l k s s a g e n « . B e i d e r e n S a m m l u n g u n d A n o r d n u n g w o l l e n sie g a n z »der S p u r d e r N a t u r « f o l g e n u n d d e n I n h a l t » l ü g e n l o s « w i e d e r g e b e n ; d e n n das r i c h t i g e M a ß " H. Beumann (1950), S. 79, A.2. 41

aller Dinge »ist der Volksdichtung schon von selbst eingegeben.«67 So wird auch die Iringfabel unter Einschluß der Sachsenhandlung der »Sage« subsumiert und als geschichtliche Sage in schlichter Prosa vollständig der Chronik nacherzählt. Die neuere Heldensagenforschung dagegen begnügt sich nicht mit der überlieferten Form, sondern sie nimmt, orientiert am Leitbild einer anderen Gattung, jene als prosaische Umschreibung eines verlorenen Heldenlieds. H . Schneider, F. Genzmer, G . Neckel und G . Baesecke68 eliminieren die Sachsen und erschließen aus Widukinds Redeauftritten ein Iringlied mit etwa sechs Szenen und fünf bis sechs redenden Personen. Baesecke denkt sich den Einsatz mit Theuderichs Gesandtschaft vor Irminfrid (entsprechend der i. Szene bei Beumann); Schneider und Genzmer lassen das Lied I. mit einem Gespräch zwischen Iring und Amalaberga beginnen ( = 2. Szene). Darauf folgen II. die Rede des fränkischen Gesandten mit dem ablehnenden Bescheid Irminfrids ( = 1., 3. und 4. Szene) und III. die ironische Antwort Theuderichs ( = 5. Szene). Nach einer knappen Schlachtschilderung vermutet Genzmer IV. ein Gespräch zwischen Iring, dem geschlagenen Irminfrid, der Königin und einem Wächter (diese Nebenfigur dürfte freilich ebenso entbehrlich sein wie ein weiteres Mitwirken Amalabergas). Schneider läßt dagegen offen, wie es zu den Verhandlungen zwischen dem Thüringer- und dem Frankenkönig kam, fest steht für ihn nur, daß Irminfrid verräterisch herbeigelockt wird. Genzmer nimmt dann V. eine Wechselrede zwischen Theuderich und Iring an, in der dieser, als Friedensbote gesandt, für den Mordplan gewonnen wird (= 8. Szene). Der VI. und letzte Auftritt hat den Tod der beiden Könige und Irings Abgang zum Gegenstand ( = 1 1 . Szene). Genzmer rechnet mit einem Lied mittleren Umfangs von 40 bis jo Gesätzen. Sein Experiment einer Nachdichtung umfaßt 180 Langzeilen. Der erfahrene Ubersetzer altgermanischer Dichtung hat stilistisch ein Mosaik aus Bausteinen verschiedener Heldenlieder zusammengesetzt. Sein idealtypisches Bild des germanischen Helden verleitet ihn zu Ergän-

67

68

Deutsche Sagen, hrsg. v. den Brüdern Grimm. 4. Aufl. bes. v. Reinhold Steig, Berlin 190J, N r . 545. Die Geschichte vom Landkauf und die Messerepisode werden gesondert N r . 4 1 1 erzählt. Vgl. auch N r . 544 mit Gregors Anekdote vom halb gedeckten Tisch. Die Zitate stammen aus den Vorreden von 1 8 1 6 u. 1818. H . Schneider, Bd. II/2, S. 138f.; F. Genzmer (1935); G . Baesecke (1940), S. 39ff. G . Neckel (1910), S. 13 hält ebenfalls die epische Rolle der Sachsen für »eine verhältnismäßig späte Neuerung«. F. von der Leyen reiht Iring dem »Heldenliederbuch Karls des Großen« ein, aber die »Sachsen gehören nicht in das alte Lied« (S. 39f.).

42

Zungen Widukinds: Irings Motiv der Goldgier genügt ihm nicht, einem Helden gezieme besser, wenn als gleich starker Grund die Ehrenkränkung durch die hochmütige Königin hinzukomme. Das Schlußbild mutet ihn »etwas äußerlich und gesucht« an, deshalb läßt er Iring ein Gelübde ablegen, das er am Ende trotz seines Treubruchs doch noch erfülle. So anfechtbar solche Zusätze auch sind, sie bestätigen den Eindruck, daß das Iringlied bereits einen jüngeren Typus des Heldenlieds repräsentiert: Die einfache Fabel gipfelt in einem kompliziert konstruierten Schlußbild; der Protagonist ist eine zwiespältige Figur, deren Motive eben weniger eindeutig sind als die äußere Handlung. Das Iringlied verwendet die typischen Szenen älterer Lieder, neu und ganz sein Eigentum ist allein die großartige Schlußgeste mit dem Abgang Irings. Sie macht das Lied zum Iringlied und das Iringlied noch zum Heldenlied, während die übrigen Szenen keineswegs mehr von einem ungebrochen-heroischen Verhalten geprägt sind. Die Eröffnung wirkt mit ihrer Kombination von Motiven heroischer Dichtung wie ein Zitat. Der Erbstreit mit dem Bastard erinnert an den Konflikt zwischen Angantyr und Hlçdr im Hunnenschlachtlied. Hier wie auch in den Atliliedern tritt der Gesandte des Gegenspielers vor der versammelten Gefolgschaft auf, hat sich der Gefolgsherr einer Herausforderung zu stellen, bekräftigen erfahrene Waffenmeister und Ratgeber die Entscheidung ihres Herrn. Irminfrid jedoch verhält sich schon ähnlich wie Gunther bei der Ankunft Siegfrieds in Worms. Er möchte eigentlich unter allen Umständen den Frieden wahren, und der Kronrat pflichtet ihm bei, weil man den Angriffen der Franken nicht gewachsen sei. Das ist politisch, aber nicht heroisch gedacht. Die Königin hingegen interpretiert Thiadrichs Botschaft, der nur um Anerkennung, nicht um Huldigung nachgesucht hatte, als Herausforderung. Sie pocht auf ihr Erbrecht, ein höchst zweifelhafter Anspruch, gemessen an den Bestimmungen der Stammesrechte.69 Und sie stellt den Bastardsohn Hugas als Knecht hin — indecens fore proprio servo umquam manus dare. Sie setzt damit entgegen der Rechtswirklichkeit (wie Gregors Bericht zeigt) den Rechtsstatus eines königlichen Bastards70 in einer Weise herab, die genauso demütigend ist wie die Behauptung Brünhilds im Frauenzank des Nibelungenliedes, daß Siegfried, der (angebliche) Vasall Gunthers, ein persönlich unfreier Leibeigener sei. Die ehrgeizige Amalaberga behält

70

Vgl. Lex Sal. $9; Lex Franc. Chamav. 42; Lex Thuring. 26-30. S. Rietschel, Art. »Bastard«, Hoops RL, Bd. I, S. 1 7 4 - 1 7 7 ; H. Ehrhardt, Art. »Erbrecht, Erbe, Erbschaft«, Lexikon d. MAs., Bd. 3, 1986, Sp. 2105-2109.

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also die ihr schon von Gregor zugewiesene Rolle der Aufreizerin bei. Die Königin im eddischen Wölundlied, Sculda in Saxos Sage von Hrolf Kraki (s. u.) und Kriemhild im Nibelungenlied verkörpern ja gleichfalls diesen Typ der Frau als treibende Kraft. Es gelingt nun Amalaberga, Iring auf ihre Seite zu ziehen. Der schwache König läßt sich von seinem vertrauten Ratgeber umstimmen. Anders als in der Chanson de Roland, wo Charlemagne als vorbildlicher Lehnsherr und König die Institution des conseill respektiert und Marsilies Unterwerfungsangebot akzeptiert, setzt sich Irminfrid über den Rat der Mehrheit hinweg. Mit den Worten Amalabergas (»proprio servo non posse manus dare«) verweigert er dem »als Knecht geborenen« Thiadrich die (gar nicht erbetene) Kommendation.71 Das ist der casus belli: der in seiner Ehre gekränkte Frankenkönig nimmt den Vorwurf der Knechtschaft auf und erwidert: »Wir müssen eilig unseren Dienst bei Irminfrid antreten, damit wir, denen man die Freiheit nimmt, wenigstens das nackte Leben behalten.« Der ironische Wortkampf um Freiheit und Knechtschaft, der übrigens auch in den Alexanderromanen immer wieder die Schlachten zwischen Darius und Alexander begleitet, ersetzt hier Gregors Bild vom halbgedeckten Tisch — ein knapper Satz wiegt nun die rhetorisch-weitschweifige Allokution der fränkischen Version auf. Wie in dieser, so hat sich auch in der sächsischen Fassung der Thüringerkönig ins Unrecht gesetzt, jetzt auf Betreiben nicht allein Amalabergas, sondern auch Irings. Dieser ver-rät damit zum ersten Mal seinen Herrn, weil er den Wünschen einer lasciva mulier — vgl. Rosimund und Helmichis in der Alboin-Sage — willfährig ist und aus Eigeninteresse einen Rat erteilt, der Irminfrids Niederlage herbeiführt. Seiner Funktion nach entspricht er hier dem Typus des falschen Ratgebers, doch — anders als z.B. Sibeche in den Sagenkreisen um Ermanrich und Dietrich von Bern, dem überdies das Odium des Feiglings anhaftet — geht Iring in dieser Funktion nicht auf.72 71 71

Belege zur Terminologie: F . L . Ganshof, Was ist das Lehnswesen?, 1 9 6 1 , S. 26, 64, 75. Z u R o s i m u n d u. Helmichis: G . Baesecke (1940), S. 326—329; O . Gschwantler (1959), S. 49Íf. — Z u Sibeche vgl. G . T . Gillespie, S. 1 1 7 L ; H . Schneider, German. Heldensage, Bd. I, S. 2 1 5 — 2 1 9 , 239Íf., 379Í. u.ö. — Entscheidend ist allein, daß sich Ermanrich auf Sibeches bösen Rat hin gegen die eigenen Verwandten wendet; das Motiv — Rache f ü r die Entehrung der Ehefrau durch den K ö n i g — zählt nicht. In der Dietrichepik (Alpharts T o d , Biterolf und Dietleib, Dietrichs Flucht, Rabenschlacht) wird Sibeche sogar zum Feigling in der Schlacht abgewertet; darauf beruft sich Liddamus im Parzival 4 2 1 , 2 3 Í . — Während der treulos-treue Iring ein Verräter sui generis bleibt, k o m m t es sonst beim T y p u s des falschen Ratgebers zu genealogischen Verknüpfungen: Sabene in der Wolfdietrich-Epik ist der Sohn Sibeches - »die beiden Verräter ziehen einander an« (H. Schneider, S. 348).

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Der geschlagene Thüringerkönig flieht über die Unstrut und verschanzt sich in Scheidungen. Das ist nicht die alte heroische Art; denn ein geschlagener Held pflegt in der germanischen Dichtung nicht zu überleben und zu fliehen. Thiadrich hat zwar um der Behauptung seiner Ehre willen den Krieg aufgenommen, aber nach dem ersten Sieg wird in seinem Kronrat mehr militärisch-taktisch als heroisch argumentiert. Waldricus plädiert für die Rückkehr, ein servus satis ingeniosas für die Fortsetzung des Krieges — eine Konstellation nicht unähnlich wiederum derjenigen im Rolandslied. Während sich dort die Friedenspartei unter Ganelon und Herzog Naimes gegen Roland durchsetzen kann, wird hier beschlossen, im Lager zu bleiben und andere, nämlich die Sachsen, für sich kämpfen zu lassen. Nach einer weiteren Niederlage schickt Irminfrid den Iring mit allen seinen Schätzen zu Thiadrich und bietet — abermals ganz und gar nicht heroisch — Frieden und freiwillige Ergebung als »Knecht« an. Iring appelliert an Thiadrichs Mitleid mit der »unglücklichen Schwester« und seinen Neffen. Die mit Gold bestochenen fränkischen principes raten zum Frieden. Widerstrebend stimmt Thiadrich zu und verspricht, Irminfrid in Gnaden aufzunehmen und sich von den gefährlichen Sachsen zu trennen. Nach deren Präventivschlag muß er jedoch den Bündnisvertrag einhalten. Er besticht Iring mit Geschenken und sichert ihm große Macht im Reiche zu, wenn er Irminfrid mit List ins Lager locke und töte. All dies hat nicht mehr den einfachen Zuschnitt eines Heldenlieds. Es entwickelt sich vielmehr ein politisches Intrigenspiel nach merowingischer (oder byzantinischer) Art, weshalb Thiadrichs Heimtücke auch kaum derjenigen eines Atli zu vergleichen ist. Thiadrich wechselt seine Haltung, weil er ein skrupelloser Opportunist, Irminfrid, weil er ein schwacher König ist; die fränkischen Ratgeber sind nicht weniger korrupt als Iring; im Grunde handelt ein jeder ohne Rücksicht auf persönliche Bindungen zum eigenen Vorteil. Das Iringlied ließe nichts von heroischer »Selbstbehauptung der sittlichen Persönlichkeit in einer schicksalhaft-unausweichlichen Lage« (H. de Boor) spüren, wäre nicht die große Umkehr Irings am Schluß. Dieser Auftritt mit seinem blitzschnellen Wechsel der Positionen, in dem Erzählzeit und erzählte Zeit nahezu zur Deckung gelangen und in dem sich Irings Doppelmord und Abgang zu zwei großartigen Bildern verdichten, gehört »zu den ganz großen Prägungen der germanischen Heldendichtung« (H. Schneider): Nach Gregor von Tours lockte Theuderich den geschlagenen Thüringer-König nach Zülpich, wo er — der Chronist »weiß nicht, von wem« — von der Stadtmauer gestürzt wurde. Wie ein Vorgriff auf die spätere 4$

fama mutet dabei Gregors merkwürdige Notiz an, daß nach Clermont das Gerücht gelangte, Theuderich sei in Thüringen getötet worden (Hist. III, 9). Theuderich, der Anstifter des Mordes, ist jedenfalls bald darauf — nämlich ebenfalls im Jahre 534 — eines natürlichen Todes gestorben. Diese beiden Todesfälle erscheinen nun in der Widukindschen Version als kausal miteinander verknüpft. Hier ist es ebenfalls der arglistige Thiadrich, der Irminfrid ins fränkische Lager lockt und umbringen läßt durch einen Mörder, der jetzt Iring heißt. Die entscheidende Zuspitzung und Umdeutung des historischen Verlaufs aber liegt darin, daß dieser Iring ausgerechnet der einflußreichste Gefolgsmann Irminfrids ist und daß Thiadrich als Anstifter der Tat den »verdienten Lohn« erhält und gleichfalls durch Iring getötet wird. Iring hat zuerst auf die Einflüsterungen Amalabergas gehört, sich dann von Thiadrich kaufen lassen. Jetzt, als Irminfrid vor Thiadrich kniet und um Frieden bittet, verrät er seinen Herrn vollends; er ermordet einen Wehrlosen und Besiegten vorsätzlich und aus ehrloser Gesinnung. Solcher Herrenverrat und Herrenmord gilt in den germanischen Volksrechten als schwerer Rechtsbruch. Im angelsächsischen Gesetzbuch König Aelfreds aus dem Ende des 9. Jhs. z. B. können alle erstmaligen Vergehen mit Geldbußen gesühnt werden, ausgenommen Herrenverrat.73 Für die Kirche ist der Verräter am eigenen Herrn ohnehin ein zweiter Judas, in ihren Bußbüchern gilt Herrenmord als Verletzung des sacramentum fidelitatis und ist zu büßen wie der Mord am nächsten Verwandten.74 Damit macht sich der Täter, wie Thiadrich feststellt, »allen Sterblichen verhaßt«, und Iring erkennt diese Bewertung ausdrücklich als rechtens an. Einem solchen Verräter und treulosen Königsmörder gegenüber gelten keine Zusagen. Dafür lieferte schon der Alexanderroman ein Beispiel: Um die beiden Perser zu entlarven, die Darius verraten — und nach späteren Versionen auch ermordet — hatten, schwor Alexander einen Eid, den er nach dem Geständnis der Täter brach; denn »man ne sal dem untrüwen man/neheine trüwe leisten«.7S Selbst Chlodwig berief sich auf diese Meinung, wenn sie seinen Zwecken entsprach: Er hatte die leudes Ragnachars mit vergoldetem Erz bestochen. Als sie sich über den Betrug beschwerten, antwortet er laut Gregor von Tours (Hist. II, 42): 7

' Die Gesetze der Angelsachsen, hrsg. v. F. Liebermann, Bd. I, 1903, S. 45; F. Graus (1959), S. 89. 74 F. Graus (1959), S. it4f. 75 Lamprechts Alexander nach den drei Texten mit dem Fragment des Alberic von Besançon und den lateinischen Quellen, hrsg. v. K. Kinzel, 1884, S, w . 3969^

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»Merito tale aurum accepit, qui domino suo ad mortem propria volúntate dedit«. Sein Nachfolger Thiadrich hält sich ebensowenig an frühere Versprechungen. Er weist Iring außer Landes, bietet dem so friedlos gelegten aber immerhin noch freien Abzug (viam apertam) an, was einer Fluchtfrist gleichkommt. Er will die Unrechtsfolgen dieser nichtswürdigen Tat nicht mittragen (»sortem vel partem tuae nequitiae nolumus habere«), obgleich er — anders als Alexander beim Tod des Darius — der eigentliche Anstifter ist. Damit stellt sich rechtsgeschichtlich eine interessante causa zur Bewertung von Anstiftung und Beihilfe zum Mord, die selbst im Nibelungenlied um I200 noch nicht ganz eindeutig entschieden ist: Hier tragen die Könige nicht die Verantwortung für Siegfrieds Ermordung, die Brünhild »geraten« und Hagen »getan« hat (ioio). Die Bahrprobe offenbart allein Hagen als den Schuldigen. Gegen ihn richtet sich Kriemhilds Rache, mit den Brüdern versöhnt sie sich (ι 115), obgleich sie die Mitwisser sind. Daneben gibt es die Anschauung, daß auch die Herren und Verwandten für Hagens Tat haften. Als Dankwart sich damit entschuldigt, daß er »was ein wênic kindel dô Sîfrit vlôs den lip«, erwidert ihm Blœdel: »ez taten dîne mage« (1924^). Kriemhild und Uote träumen von zwei Falken, zwei Wildschweinen und zwei Bergen in Vorahnung von Siegfrieds Tod, und am Ende hat Kriemhilds Rache alle ergriffen. Nach germanischem Recht konnte Anstiftung ursprünglich nicht belangt werden, wenn sie als Versuchshandlung keinen äußerlich wahrnehmbaren Erfolg hatte. Doch mit zunehmender Rationalisierung des Rechts wird auch die Anstiftung als selbständiges Delikt gewertet, eine Tendenz, die sich schon in den Leges Barbarorum abzeichnet: vgl. Lex Sal. 30.1 (Dingen zur Tötung eines anderen); Ed. Roth. c. 10,202 (Anstiftung zum Totschlag); Lex Bajuv. 9.6 (Anstiftung eines fremden Knechts zum Diebstahl).76 Obgleich im Iringlied der Versuch zum Erfolg geführt hat, versucht Thiadrich, sich von der Verantwortung zu dispensieren in der Hoffnung, daß man seinen »falschen Mut« bei Irings handhafter Tat ja »nicht sehen« könne. Den sieht und kennt natürlich der durch diesen Distanzierungsversuch erst wirklich in seiner Ehre getroffene Iring, der sich mit seinem Racheakt nun über solche heuchlerischen Unschuldsbeteuerungen hinwegsetzt. Aber auch den Erwartungen der Hörer und Leser dieser »fama«, die für sie eben mehr ist als eine rechtlich zu würdigende 7
Mord am eigenen Herrn< in archaisch-paganen Vorstellungen einer vorchristlichen Welt« verwurzelt. 84 Diese mythische Sicht mag im Falle Starkads angemessen sein, doch für Iring liegt wie für Ganelon in

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Wanderungszeit (S. 51). Kuhn läßt also durchaus das durch Treue geprägte Grundverhältnis zwischen Herrn und Mann gehen, und insofern ist der Abstand zu Schlesinger, dem meine — idealtypisch vereinfachende — Skizze folgt, nicht gar so groß, wie die Polemik glauben machen könnte. K. Hauck, Goldbrakteaten, S. 62, A. i n .

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der Chanson de Roland m.E. die historische Interpretation näher, die den Verrat als einen aktuell-systemimmanenten Konflikt der Feudalordnung versteht.

2.

»Verräter«: Iring im Vergleich zu Ganelon und Starkad

Die Verletzung der Treuebindung, um noch einmal zum Ausgangspunkt der Iringsage zurückzukehren, ist im Rahmen des frühmittelalterlichen Personenverbandsstaates gesehen der typische Konfliktfall. Widukind erzählt von etlichen Erhebungen gegen die Krone in der Ottonenzeit, so daß ihm Iring schon als Vorläufer jener Rebellen und Verräter interessant genug erschienen sein mag. Aufständische wie Thankmar, Erich, Liudolf und besonders Wichmann werden nicht ohne Sympathie gezeichnet (vgl. I, 4 über Wichmann), auch wenn sie für ihn, der ganz aus der Sicht der Zentralgewalt urteilt, im Unrecht sind (II, 11 ; II, 31 ; III, 16 u. 18). Sie erhalten positive und negative Prädikate, die an manche Wendung der Iringfabel anklingen. Solche Begebenheiten von Empörung und Verrat, die natürlich nicht erst in der Ottonenzeit begegnen, sondern mit der Staatsbildung nach der Völkerwanderungszeit einhergehen, geben die Folie für Irings Tat ab. Doch sein Verbrechen — von ihm selbst als »scelus meum« anerkannt — überschreitet das gewöhnliche Maß. Er hat ja nicht nur seinen Herrn zum falschen Handeln veranlaßt und sich um eigener Vorteile willen der fränkischen Gegenseite verdingt, sondern er hat überdies seinen Herrn heimtückisch ins feindliche Lager gelockt und ermordet — der Herrenverrat gipfelt hier sogar im Herrenmord. »Merito«, inquit Iring, »odiosus omnibus mortalibus factus sum, quia tuis parui dolis« : Iring bekennt sich als Verräter und nennt sein Tun mit den Worten des Frankenkönigs verabscheuungswürdig. Die Rechtsverletzung trifft auf ein einheitlichungeteiltes Unrechtsbewußtsein und verlangt nach Ausgleich. Daß diese Sühne auf der Stelle mit der überraschenden Tötung Thiadrichs durch den Täter selbst erfolgt, macht die Iringfabel erst zu einer außergewöhnlichen — zur memorabilis fama. Ein geteiltes Rechts- und Unrechtsbewußtsein kennzeichnet dagegen den Fall von Verrat in der altfranzösischen Chanson de Roland. Hier folgt bezeichnenderweise die Sühne nicht unmittelbar der Tat, sondern es gibt ein retardierendes Moment: Ganelon hat in seinem »Groll« (aus welchen Gründen auch immer) vor A n tritt der Gesandtschaft Roland und dessen Anhang in aller Form Fehde ange-

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sagt. Die Racheaktion wird — wie bereits auf dem Wege nach Saragossa mit Blancandrin geplant — am Hofe Marsilies förmlich als Pakt mit dem Feind zum Nachteil der eigenen Partei beschworen. Da Roland, die zwölf Pairs und 20000 Franken den Heiden zum Opfer fallen, handelt es sich allem Anschein nach um einen klaren Fall von Herren- und Landesverrat. So sieht es denn auch Charlemagne, der vom conseill Ganelons Verurteilung fordert ( w . 3750—3756). Dieser übernimmt die Verantwortung für Rolands Tod, aber er weist die Anklage auf traïsun zurück. E r habe aus Rache gehandelt, also nur sein Fehderecht wahrgenommen, wie zuvor öffentlich angekündigt: »Carles l'oïd et si noble baron./ Vengét m'en sui, mais n'i ad traïsun« (3777^). Und tatsächlich endet die Beratung nicht mit einer Verurteilung Ganelons, man bittet vielmehr den König um Freispruch (3809). Erst »in höherer Instanz« kann eine Entscheidung durch den gottesgerichtlichen Zweikampf herbeigeführt werden. Erich Köhler 8 ' interpretiert den Befund, daß Ganelons Handeln keineswegs selbstverständlich als Verrat gilt, von den Widersprüchen innerhalb der französischen Feudalgesellschaft des i i . J h s . her. E r sieht in der verhängnisvollen Auseinandersetzung zwischen Roland und Ganelon auf der Versammlung nicht nur zwei Charaktere aufeinanderprallen, sondern zwei konträre Gesinnungen, die ihrerseits zwei grundverschiedene Gruppeninteressen repräsentieren: die der dem König verbundenen »Beamten« aus dem mittleren und kleinen Adel und die der Großvasallen. Ganelons »Vasallengehorsam« sei dinglicher Natur, Rolands Treue eine »ökonomisch un-bedingte«, nämlich weitgehend materieller Bindungen enthoben und auf eine ideale Gemeinschaft bezogen. Treue und Verrat ergeben sich aus der Aporie der Feudalgesellschaft und erscheinen — historisch gesehen —als substantiell gleichwertige Gesinnungen: Die Auflösung der fidelitas infolge der Verdinglichung der Vasallitätsbeziehungen durch die Erblichkeit der Lehen wird zum Rechtsgrund der Vasallen, den Ganelon für sich beansprucht. Das persönliche Treueverhältnis, das einst die Beziehung zwischen Herr und Vasall bestimmte und vom Herrn durch Vergabe von Amt und Lehen honoriert wurde, ist jetzt allein dort möglich, aber auch notwendig, wo kein gesicherter Lehensbesitz Autonomiegelüste hervorrief, sondern Amt, Funktion [...] von der Dienstbereitschaft für den Herrn abhingen. Die Treue, die Roland in pathetischer Situation preist, hat hier ihren Ursprung und vermag auf eine [...] nicht durch Lehnsbesitz gebundene Schicht eine ideologische Faszination auszuüben (S. 409). Auch wenn Köhlers Gleichungen, zumindest bei der Eingruppierung Rolands und der Zuordnung der Treue, nicht ganz aufgehen, so machen sie doch gegenüber der Iringsage den Wandel in der Bewertung des 8)

E. Köhler, »Conseil des barons« (1968), W d F 354 (1978), S. j 6 8 f f . — La Chanson de Roland, hrsg. u. übers, v. H . W. Klein, 1963 ( = Klass. Texte d. roman. M A s . in zweisprachigen Ausg.).

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»Verrats« bei verändertem Kontext plausibel. Der Dreier-Konstellation von Thüringerkönig, Iring und Frankenkönig entspricht nur äußerlich diejenige von Charlemagne, Ganelon und Marsilie, weil Roland als G e genspieler Ganelons hinzukommt. Mehr als bloß äußerlich ist der U n terschied, daß in der Iringsage Treue und Verrat in einer Figur vereinigt sind, während sie in der Chanson auf Roland und Ganelon verteilt erscheinen. Jeder von beiden ist Exponent einer Partei, Iring ist ein Einzelgänger zwischen den Parteien. Die Aufspaltung in zwei Figuren steht für die Spaltung des Rechts in zwei selbständige Positionen. Damit wird anders als in der Iringfabel der Verrat selbst in Zweifel gezogen und zum Gegenstand eines Prozesses: D e r Konzentration von Treue und Verrat in der einen Figur Irings korrespondiert die Verdichtung der Sequenz von Schuld — Verantwortung — Sühne zu einem großen Augenblick. Diese einfache Sequenz wird in der Chanson unterbrochen und verzögert; sie ist so problematisch geworden, daß es zu ihrer Wiederherstellung eines Eingriffs der göttlichen Gerechtigkeit bedarf. Die Strafe folgt der Tat nicht mehr »auf dem Fuße« nach, weil aus Ganelons Verantwortung für die fränkische Katastrophe nicht ohne weiteres Schuld resultiert — Karls Schuldvorwurf wird durch kein Urteil bestätigt. Das alte »Taterfolgsstrafrecht« (vgl. dazu z . B . K. S. Bahder) ist durch das Gleichgewicht von Partikular- und Zentralgewalt gelähmt. Der faktische Machtzuwachs der G r o ß vasallen wird in der Chanson als eine Rechtsposition interpretiert, die diejenige des Herrschers derart einschränkt, daß dessen Anspruch auf vorbehaltlose Treue aller Vasallen erst förmlich von Gott sanktioniert werden muß. Der Pfaffe Konrad deutet den vasallitischen Konflikt dann konsequent aus heilsgeschichtlicher Warte. Genelun wird vorgeworfen, daß er sich für Geld verkauft und dem Reich mit ungetreuem Rat gedient habe, vor allem »wollte«

er der Krone Schmach antun und zestoren

di hailigin

cristinhait (vv.

8828—8833). E f erscheint nun in typologischer Erhöhung als neuer Judas, »als Prototyp des bösen Ratgebers [...], bei dem Außen und Innen, Wort und Gesinnung auseinandertreten [...], kaum mehr als Vertreter der einen von zwei grundsätzlich gleichwertigen Gesinnungen [...], der deutsche Bearbeiter hat ihn zum Verbrecher von welthistorischem Format stilisiert, zum Widersacher Gottes auf Erden« (K. Stackmann).86 In den späteren Bearbeitungen " K. Stackmann, Karl und Genelun (1976), S. 270. — Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Mhd. Text u. Übertr., hrsg. u. übers, v. D. Kartschoke, 1970 (Fischer BdW 6004). — Zu Konrads Umgestaltung des gottesgerichtlichen Zweikampfes vgl. zuletzt: R. Schmidt-Wiegand, Prozeßform u. Prozeßverlauf im >Rolandslied< des Pfaffen Konrad. In: Recht, Gericht, Genossenschaft u. Policey; Symposion f. A. Erler, hrsg. v. G. Dilcher u. B. Diestelkamp, 1986, S. i - i z .

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kommt das Verständnis für die alte Verratshandlung vollends abhanden. Im Karlmeinet ζ. B. ist aus dem Bösewicht Genelun sogar am Ende ein geständiger Verbrecher geworden, der bereut und seine verdiente Strafe erhält. Verrat wird endgültig zur »gemeinen Tat« aus niedriger Gesinnung kriminalisiert.

Im Unterschied zur Iringsage wird in der Chanson Verrat auch rechtlich thematisch. Im Rolandslied des Pfaffen Konrad gilt Verrat als Sünde, der Verräter wird verdammt. Nicht zuletzt unter kirchlichem Einfluß verlagert sich allmählich das Interesse vom Verrat auf den Verräter und dessen persönliche Schuld. Das Interesse an der Iringgestalt ist weder rechtlich noch christlich-heilsgeschichtlich begründet — es gilt vielmehr der außergewöhnlichen Tat eines Helden. In allen Fassungen der Rolandsage findet der Verräter am Ende seine Strafe und wird hingerichtet. In der Iringsage bleibt merkwürdig der Schluß. Am Ende obsiegt die Treue, doch der treulos-treue Verräter entkommt — ein offener Schluß also. Dazu aus den Gesta Danorum des Saxo Grammaticus zunächst ein Kontrastbeispiel und danach der vielzitierte Parallelfall Starkads: Den Dänen und Isländern galt Hrolf Kraki als der glänzendste und freigebigste Vertreter des Skjöldungengeschlechts. Uber seinen Tod erzählt Saxo Grammaticus: »Rolf bestellte zu seinem Statthalter in Schweden einen verständigen Mann, Hiarthwarus mit Namen, zwar unter Auferlegung eines jährlichen Tributs, gab ihm aber seine Schwester Sculda in die Ehe, um ihm durch die Verwandtschaft die Minderung der Freiheit weniger drückend zu machen.« Doch Sculda wandte »ihren Sinn bösen Gedanken zu, warf ihrem Manne seine schmachvolle Stellung vor, ließ ihm keine Ruhe mit der Mahnung, das Joch der Knechtschaft abzuschütteln.« Sie gewinnt ihren Mann für einen arglistigen Anschlag auf den König und entwirft sogar den Plan für dessen Ermordung. Unter dem Vorwand, ihren Tribut abliefern zu wollen, fahren die Schweden nach Hleidra und überfallen nach einem Zechgelage die Dänen. Hiarthwar ermordet seinen Herrn, aber noch während der Siegesfeier fällt er selbst der Rache Wiggos zum Opfer, der Rolf Kraki noch im Tode die Treue hält. »So endete die Herrschaft des Hiarthwar derselbe Tag, der sie geschaffen. Denn was man durch Trug gewinnt, das zerrinnt genau so, wie man es gewinnt; und kein Gewinn ist von langer Dauer, der durch Verbrechen und Untreue erlangt ist« (Fraudulenter enim quesite res eadem sorte defluunt, qua petuntur, nullusque diuturnius est fructus, qui scelere ac perfidia partus fuerit).Ηγ 87

Saxo Grammaticus, Gesta Danorum. Hrsg. v. A. Holder, 1886, S. 67, Z. 38—68, Z . i .

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D i e s e G e s c h i c h t e , die in v i e r V e r s i o n e n ü b e r l i e f e r t ist, 8 8 s t i m m t in m a n c h e n M o t i v e n m i t d e r I r i n g - F a b e l ü b e r e i n : E i n m a l die A u f r e i z u n g d e r F r a u , die m i t d e m g e m i n d e r t e n R e c h t s s t a t u s ihres M a n n e s u n z u f r i e d e n ist ( w i e bei W i d u k i n d geht es u m » F r e i h e i t o d e r K n e c h t s c h a f t « ) , z u m a n d e r e n die E r m o r d u n g des e i g e n e n H e r r n m i t u n m i t t e l b a r f o l g e n d e r S ü h n e , h i e r h e r b e i g e f ü h r t d u r c h die R a c h e des g e t r e u e n W i g g o . M i t s e i n e m m o r a l i s i e r e n d e n Z u s a t z m a c h t S a x o die e i n f a c h e R a c h e h a n d l u n g z u m E x e m p e l c h r i s t l i c h e r G e s c h i c h t s d e u t u n g , s o daß die S ü h n e z u r g e rechten Strafe w i r d . D i e S a g e v o n I r m i n f r i d s E n d e ist n i c h t s o einsträngig angelegt w i e die v o m T o d e H r o l f K r a k i s , w e i l m i t T h i a d r i c h ein D r i t t e r i m B u n d e ist, an d e m Vergeltung geübt w e r d e n kann. D e r Verräter w i r d w e d e r z u m B ö s e w i c h t g e s t e m p e l t n o c h f i n d e t er w i e H i a r t h w a r den eigentlich z u e r w a r t e n d e n T o d , s o n d e r n er v e r s c h a f f t sich m i t d e m S c h w e r t d e n A b g a n g , d e n i h m d e r F r a n k e n k ö n i g einst z u g e s t a n d e n hatte. D a ß sich ein K r i e g e r d e n R ü c k w e g d u r c h d a s S p a l i e r d e r F e i n d e f r e i k ä m p f t , ist ein t y p i s c h e s V e r s a t z s t ü c k v o n A r i s t i e s c h i l d e r u n g e n . A l e x a n d e r b a h n t sich gleichfalls eine G a s s e d u r c h die P e r s e r , als m a n ihn i m L a g e r des D a r i u s e r k a n n t hat, d o c h er k e h r t heil z u d e n S e i n e n z u r ü c k . I r i n g w i r d a u c h n i c h t einfach entrückt w i e A r t u s , Dietrich v o n Bern oder L e b u i n , 8 ' sondern

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P. Herrmann (1922), S. 1 5 6 - 1 5 8 , 178: Hrólfs saga Kraka, in: H.S.K, og Bjarkarimur, udg. Finnur Jónsson, Kopenhagen 1904, S. 46, 95 — 107; Annales Ryenses (aus dem Rauhkloster in Schleswig), in: Scriptores rerum Danicarum medii aevi, ed. Jacob Langebek, Bd. 1, Kopenhagen 1772, S. 1 5 1 ; Annales rerum Danicarum Esromenses, in: S S R D , Bd. ι , 1772, S. 226. Im Chronicon Lethrense (In: Scriptores Minores Historiae Danicae medii aevi, hrsg. v. M . Cl. Gertz, Bd. 1, Kopenhagen 1 9 1 7 — 1 9 1 8 , S. 52) ist Hiarwart als Jarl in Schonen dem Rolf zinspflichtig. Als dieser seine Werbung um Skuld ablehnt, raubt er mit deren Einwilligung des Königs Halbschwester. E r läßt sich von Skuld zur Ermordung Hrolfs in Hleidra aufreizen. Hier kommt also als Motiv für den verräterischen Uberfall die Rache des verschmähten Freiers hinzu. Außerdem ist Hiarwart Teotonicus genere— aus dänischer Sicht von vornherein ein negatives Merkmal. s ' K . Hauck, Goldbrakteaten, S. 263 versteht die Vita Lebuini antiqua (Quellen zur G e schichte des 7. und 8. Jahrhunderts, hrsg. u. übers, v. H . Wolfram, 1982, S. 39of., F S G A , A , Bd. 4a) als »Kontrafaktur des Missions-Zeitalters zur archaischen IringUberlieferung«. Die Entrückung Liafwins entspreche dem Entkommen Irings nach der doppelten Königs-Tötung, der »Gegensatz zwischen dem furchtlosen Mann Gottes und dem kühnen Königstöter« erhelle »die Pole von zwei Welten«. Der kontrastive Vergleich zwischen der heroischen Geste Irings, der sich aus eigener Kraft mit dem Schwert seinen Weg bahnt, und dem legendarischen Wunder, das sich auf der Markloer Stammesversammlung mit dem christlichen Missionar ereignet, soll jedoch nicht die unterschiedlichen Stilisationsprinzipien zweier Gattungen verdeutlichen, sondern Hauck nimmt die Vita als Umdeutung einer älteren kultischen Tradition: »Dieser Held [Iring] hatte also offenbar nicht allein in Burgscheidungen, nicht allein bei Sachsen in Britannien eine bedeutsame soziale Funktion inne, sondern auch in der Mitte des Neu-

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er, der zwischen alle Fronten Geratene, geht als einsamer Recke von dannen. Mit diesem Abgang des Helden endet die Iringfabel. Wenn Widukind das Bild von dem sich seinen Weg bahnenden Iring mit der Benennung der Milchstraße in Verbindung bringt, so bezieht sich dieser Nachsatz bereits auf die Wirkung der Fabel, womöglich auch auf ihren Ursprung. Ich trenne deshalb zunächst den »Iringsweg« vom Reckenmotiv der Iringfabel und vergleiche dieses und das Hauptmotiv des Verrats am eigenen Herrn mit der Geschichte Starkads: Für Saxo Grammaticus ist Starkad der große, alte und einsame Kämpe der dänischen Vorzeit schlechthin. Der Riese und Held Starkad ist eine halbmythische Figur, die den latenten Gegensatz zwischen Thor- und Odinsverehrung verkörpert. Odin hat ihm drei Menschenalter geschenkt, aber in jedem muß er nach dem Willen Thors eine Neidingstat vollbringen. Zweimal in seinem Leben wird Starkad zum Mörder des eigenen Herrn, die dritte Neidingstat bleibt unklar: 90 In der Saga vom Norwegerkönig Vikarr wird erzählt, wie dieser mit seiner Wikingmannschaft durch widrige Winde aufgehalten wird. Man beschließt, die Götter durch ein Menschenopfer zu versöhnen. Als das Los auf den König fällt, wird vereinbart, nur zum Schein eine Opferhandlung vorzunehmen. Man flicht einen Strick aus Weidenruten, um darin Vikarr für kurze Zeit hängen zu lassen. Nach der Saxo glaubwürdiger erscheinenden Version waren es dann jedoch nicht die weichen Ruten, die plötzlich zur eisernen Schlinge wurden und den König erdrosselten, sondern es war Starkad, der seinen Herrn wider alle Verabredung mit dem Schwert erstach. Während er dem Erstickenden »hätte beisprin-

stammes, wenn wir aus der geistlichen Gegenüberlieferung der Vita auf die von ihr verdrängte ältere Tradition zurückschließen. In ihr vollendet erst Irings düsteres Geschick und Handeln den sächsischen Sieg.« Folgerichtig gibt der Verf. zu bedenken, ob es sinnvoll sei, Iring schlechthin als thüringischen Helden anzusehen. Widukinds Iring hat jedoch nicht wie Liafwin vor den Sachsen seinen großen Auftritt. Hauck konstruiert eine religionsgeschichtliche Beziehung zwischen den beiden Protagonisten quasi nach dem typologischen Verfahren — dafür bieten die Texte m. E. keine Handhabe. 90

Nach G . Dumézil, S. 7éff. begeht Starcatherus (ähnlich wie Herakles und Indra) drei Verfehlungen gegen die drei idg. Kriegerfunktionen der »religiösen Souveränität«, der kriegerischen Kraft und des Reichtums: er helfe Odin, ein Menschenopfer zu inszenieren und seinen eigenen Herrn zu töten, er fliehe nach dem Tode seines Herrn in der Schlacht auf Seeland, und schließlich ermorde er seinen Herrn um hundert Pfund Gold. Dumézil wertet die feige Flucht vom Schlachtfeld als »zweite Sünde«. Die Ermordung des Wicarus und die des Olo werden nicht als bloße Doubletten verstanden, weil die Funktionen, denen die Verfehlungen zugeordnet werden, deutlich unterschieden sind und eine Reihe »in absteigender Ordnung« bilden. — J . de Vries (1955) rechnet dagegen die Ingjaldgeschichte zu den drei Neidingstaten.

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gen müssen, offenbarte er seine Treulosigkeit«. 9 ' Danach nahm er Vikarrs Schiff und begab sich zu Bonomus nach Dänemark, um Seeräuber zu werden. Starkad befindet sich also vor seiner Mein tat in einer Zwangslage; denn er steht anders als Iring unter dem Verdikt, daß er sein Leben nur verlängern kann, wenn er seinen Herrn tötet. Er entscheidet sich für's Uberleben, wobei in der Schwebe bleibt, ob er überhaupt anders handeln kann. Weniger deutlich wirkt das Verhängnis bei der zweiten Tat Starkads in der Geschichte von Olo Vegetus (Áli enn froekni), die deshalb der Iring-Tat auch eher vergleichbar ist: Nach dem Tode Harald Kampfzahns erlangte Olo die Herrschaft über ganz Dänemark. Zwölf Jarle verschworen sich gegen ihn und bestachen Starkad mit 120 Pfund Gold, den König zu ermorden. Starkad suchte Olo im Bad auf, konnte aber dem scharfen Blick des Königs nicht standhalten (vgl. Guttorm vor der Ermordung Sigurds). Da bedeckte Olo sein Antlitz und fragte den Alten, was er wolle. Dieser zückte sein Schwert und versetzte ihm einen tödlichen Hieb in den Nacken. Später beweinte er seine Missetat, Reue und Scham ergriffen ihn (penitencia ac pudore perculsus) — so stilisiert Saxo das Verhalten ins Christliche. Doch die Reue machte aus Starkad keinen bußfertigen Sünder, sondern er »rächte die Tat, der er den Arm geliehen« und »erschlug einige von denen, die ihn verleitet hatten«. Ähnlich wie Iring sühnt Starkad seine Tat, indem er die Anstifter haftbar macht und zum Teil tötet.92 In einer von Saxo abweichenden Version findet sich sogar die Konfrontation zweier verwandter Könige, ohne daß allerdings der Dänenkönig Frodi von Starkad so demonstrativ bestraft würde wie der Frankenkönig von Iring: Arngrimur verwendet in der Skjçldungasaga 93 die aus ' ' Saxo Grammaticus, Gesta Danorum, hrsg. v. A . Holder, Buch V I , S. i84f. (Zitat: S. 184, Z.34); Ubers, v. P. Herrmann, S. z^if. — Z u den Parallelen in der Gautreks saga: P. Herrmann, Erläuterungen, S. 427—430. Zu dieser Episode vgl. neben A . Olrik, Bd. II, S. 1 8 1 - 1 8 9 ; H . Schneider, Bd. I I / i , S. 150; W. Ranisch, S. 1 2 0 - 1 2 2 u. J . de Vries (1955), S. 2 8 7 - 2 8 9 . ' 2 Saxo Grammaticus, hrsg. v. A . Holder, Buch V I I I , S. 265; Übers, v. P. Herrmann, S. 354. Erläuterungen v. P. Herrmann, S. 552—555, 4iof.; A . Olrik, Bd. II, S. 132—148, 1 5 2 ; J . de Vries (1955), S. 2 8 4 - 2 8 6 ; W. Ranisch, S. 122—126; G . Dumézil, S. 82Í., 89 (Beziehung zur Freyr als dem dritten Funktionsgott). " Die Skjçldunga saga im lat. Auszug von Arngrimr Jónsson (Rerum Danicarum fragmenta, in: Arngrimi Jonae Opera Latine conscripta, ed. Jakob Benediktsson, Bd. 1, Kopenhagen 1950, c. I X , S. 341) fußt hier in der Hauptsache auf der Gautreks saga. In den Annales Ryenses (Chronicon Erici regis) stiftet der Schwedenkönig Alos Ermordung bei einer Audienz an (SSRD, ed. J . Langebek, Bd. 1, 1772, S. 154Í.). Diese Variante kommt der Konstellation bei Widukind (Frankenkönig—Iring—Thüringerkönig) am nächsten.

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dem Hunnenschlachtlied bekannte Einkleidung nach dem Bruderstreitschema. König Fridleif hatte zwei Söhne. Frodi wurde sein Nachfolger in Dänemark, während Alo, der Sohn einer Nebenfrau, als Wiking außer Landes gehen mußte. Nachdem er sich Schweden erobert hatte, stand zu befürchten, daß er seine Hände auch nach Dänemark ausstrecken würde. Deshalb rieten zwölf dänische Jarle dem Frodi, seinen Bruder ermorden zu lassen. Als Starkad, der an der Spitze von Frodis Gefolgschaft stand und der für 120 Mark gebrannten Silbers für diese Tat gekauft worden war, Alo mit dem Schwert durchbohrte, rief der Sterbende lachend: »Das hat mein (Halb-)Bruder Frodi angestiftet.« Starkad bereute seine Tat und ging nach Rußland. Hier ist er jedoch nicht der Mörder des eigenen Herrn, sondern der seines Gastgebers, auf dessen heldisches Sterben — er lacht im Tode wie Hogni — alles ankommt. Saxo verknüpft später die Geschichte von Olos Ermordung mit derjenigen von Starkads eigenem Tod: Der alte Kämpe will nicht den Strohtod sterben, sondern lieber seinem Leben selbst ein Ende setzen. Ihn treibt dazu der Uberdruß an der Gebrechlichkeit des Alters, nicht Verzweiflung über seinen Verrat, wenn er sich mit dem Golde, das er einst mit Olos Ermordung verdient hatte, seinen Tod erkauft. Er läßt sich nämlich von Hatherus töten, dessen Vater Lenno er als einen von den zwölf Jarlen nach dem Treubruch gegenüber Olo erschlagen hatte. Hatherus vollstreckt die Tat, getrieben von dem Wunsch, sowohl das Geld zu erhalten als auch den Vater zu rächen.94 Läßt man den mythischen Rahmen der Geschichte Starkads als norrönes Sondergut beiseite, so ist nicht auszuschließen, daß die Iring-Rolle auf das Bild Starkads abgefärbt hat.95 Wenn laut Saxo der Ruhm Starkads

' 4 Saxo Grammaticus, hrsg. v. A. Holder, S. 268—274; Übers, v. P. Herrmann, S. 359—367. Erl. v. P. Herrmann, S. 557—568; A. Olrik, Bd. II, S. 149—173; H . Schneider, Bd. 11/1, S. 162; W. Ranisch, S. 1 2 6 - 1 2 8 ; J . de Vries (1955), S. 284^ - N u r die Prosa erzählt, daß Starkad sich zwei Schwerter umgürtete und sich mit seinem Judaslohn den eigenen T o d erkaufte, die Liedeinlage erwähnt das Geld nicht und kennt nur ein Schwert. P. Herrmann, W. Ranisch u. J . de Vries billigen der metrischen Fassung, A. Olrik u. H . Schneider der Prosa die Priorität zu. " Daß Iring und Starkad als Mörder am eigenen Herrn miteinander »vergleichbar« (G. Neckel, 1 9 1 0 , S. 14) sind, bestreitet niemand. P. Herrmann, Erl., S. 555 hält es für wahrscheinlich, daß das Iringlied auf Starkads Verrat an Ali eingewirkt habe. Dazu neigt auch W. Ranisch, S. 128, der darauf verweist, daß Starkad den Hauptanstifter Lennius anschließend töte. A. Olrik, Bd. II, S. 146—148 äußert sich ähnlich zurückhaltend wie A . Heusler (Art. »Iring«, Hoops R L II, S. 599 u. Art. »Starkadr«, Bd. IV, 277), der zweifelnd von einem dunklen »Gegenbild (unter Einfluß Irings?)« spricht. Ich nehme wie J . de Vries (1955), S. 285^ an, daß die Berührung mit der Iringsage sich aus gemeingermanischen Verhältnissen erklärt.

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nicht nur bei den Dänen und Schweden, sondern auch bei den Sachsen fortlebte, so wäre immerhin der umgekehrte Weg des Sagenaustauschs von den Sachsen zu den Dänen denkbar. Diese Frage nach einer unmittelbaren historisch-genetischen Beziehung läßt sich wohl nur mit einem non liquet beantworten. Dessenungeachtet können motivische Ubereinstimmungen im Sinne des historisch-typologischen Vergleichs96 zumindest veranschaulichen, wie sich unter den ähnlichen Bedingungen des kriegerischen Adels in Nord- und Mitteleuropa Grundzüge einer gemeinsamen heroischen Literatur entwickelten, deren Adaptation durch die Feudalgesellschaft noch im Hochmittelalter möglich war. Starkad und Iring sind Einzelgänger, die das Mittelmaß überragen, indem sie das Außergewöhnliche und Regelwidrige tun. Beide stehen als Anführer in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihren Herren, beide werden aus eigensüchtigen Motiven zu Verrätern und zeigen dann ein Bewußtsein ihrer Schuld. Beide büßen für ihre Schuld nicht mit dem Tode, sondern sie müssen außerhalb der Gemeinschaft weiterleben. Iring bahnt sich seinen Weg irgendwohin, Starkad emigriert einmal nach Dänemark, dann nach Rußland, aber er kehrt immer wieder in eine Gefolgschaft zurück, auch wenn er dort allein bleibt. Der gravierende Unterschied zwischen beiden Figuren resultiert aus dem Umriß ihrer Geschichte: Das Iringlied konzentriert sich auf den Augenblick der Katastrophe. Zu Beginn des Thüringerkrieges ist Iring da, nach dem politischen Ränkespiel hat er seinen großen Schlußauftritt und verschwindet. Dagegen umspannen die Erzählungen und Lieder von Starkad ein ganzes Heldenleben. Schon von Geburt an zum Recken bestimmt, rankt sich um sein Recken-Dasein eine Kette von Episoden, die nicht an einem Ort und zu einer Zeit entstanden sind. Durch die Heterogenität des Stoffes entsteht eine disparate Figur, doch die biographische Tendenz und die besondere Vorliebe Saxos für diesen VorzeitHelden bewirken, daß der alte Starkad schon geradezu als ein Charakter erscheint, in dessen Bild sich Vorzüge und Schwächen die Waage halten. Einerseits ist er nach dem Tode seines Königs in der Schlacht auf Seeland feige geflohen, hat er Vikarr dem Odin geopfert und Olo für Geld ermordet; anderseits ist er der treue Gefolgsmann, der über die Ehre und Sicherheit seines Königshauses wacht, so bei Frotho und vor allem bei Ingellus. Er ist der strenge Zuchtmeister Helgas, der die Tugenden der guten alten Zeit preist, allem Luxus und fremdländisch-höfischem We96

Zur Methodik der vergleichend-historischen Analyse vgl. die vier Aspekte, die V. Schirmunski, S. 8 für die Epenforschung unterschieden hat.

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sen abhold. Selbst schwerverwundet, verschmäht er noch die Hilfsangebote ständisch Inferiorer — ein riesiger, rauhbeiniger, leicht jähzorniger, alter Kämpe. Bei Iring ist es dagegen noch ganz die Rolle, die den Kopf prägt. Er wird zwar am Ende auch ein Recke, doch er hat nur die eine große Tat. Erst später deutet sich in der Nibelungen- und Dietrichsage, wo Iring als Exulant am Etzelhofe wiederbegegnet, die Tendenz zur episodischen Reihung an. Er hat dort noch einmal seinen großen Auftritt im Zweikampf mit Hagen, aber im übrigen fungiert er als austauschbarer Statist in Geschichten, die nicht die seinen sind — von seiner Rolle im Thüringerkrieg ist nur mehr der Name geblieben.

62

V.

Iring-Zeugnisse vor Widukind von Corvey

ι.

D e r Iringsweg

Diese Sage aber soll laut Widukind so mächtig geworden sein, »daß mit Irings N a m e n bis zum heutigen Tage die sogenannte Milchstraße bezeichnet w i r d « (mirari lesse,

tarnen non possumus

in tantum famam

preva-

ut Iringis nomine, quem ita vocitant, lacteus caeli circulas usque in

presens sit notatus). Daß der »Iringsweg« tatsächlich als Benennung für die Milchstraße gebraucht wurde, wird allerdings durch die relativ zahlreichen Belege in jüngeren Chroniken nicht bestätigt, weil diese mittelbar oder unmittelbar allesamt von Widukind abhängen. Selbst die Euringstraß ern-ongo Aventins, von den alten Teutschen

in der B a y -

so benannt nach dem B a y -

ern-König Euring, der ein künstler und des gestirns kündig gewesen, eine Spekulation nach Widukind im Z u g e der Tacitus-Rezeption.

97

ist Un-

ter den diversen Bezeichnungen der Milchstraße fällt am ehesten bei der schwedischen Eiriksgata

die unfeste Schreibung des Namens Eirik auf,

der gelegentlich auch als Rigr vorkommt. Jacob G r i m m hat daraus auf eine Beziehung zwischen Heimdali und Iring geschlossen; auf der anderen Seite schlägt er eine Brücke von Iring zu Irmin, doch ist für so weitreichende Schlußfolgerungen das ganze Beziehungsgeflecht etymo-

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Johannes Turm air's genannt Aventinus Bayerische Chronik, hrsg. v. M. Lexer, Bd. I/i, 1882, Buch I, c. 181, S. 407. Aventin will »das gar alt herkomen der Baiern« schildern und zeigen, »das das bairisch haus das ehest in Teutschland ist« (Buch III, c.14, S. 23). Er greift die aus dem Annolied bekannte armenische Herkunft auf und macht Noahs nachgeborenen Sohn Teutsch zum ersten König in Deutschland und Bayern. Die königlichen Brüder Thessel (nach Herzog Tassilo), Lauther und Euring herrschen über ein Reich von Bayern bis Konstantinopel und Armenien. Der Name Euring wird nicht unmittelbar durch Widukinds Iring angeregt sein (Aventin referiert den Thüringerkrieg eher nach Gregor von Tours, s.u.a. Bayer. Chron., Bd. II/i, 1884, Buch III, c.12, S. 20), sondern durch die Iringer in Oberbayern. Aventin stellt selbst einen Bezug her zwischen Euring und »Eurasburg, Euringaspurg« (Buch I, c. 181, S. 411) bei Wolfratshausen, wo in der Tat Grundherren mit dem Namen Iring zwischen 848 und 1303 bezeugt sind. Im Corpus d. altdt. Originalurkden. II, S. 167^, Nr. 8oif. heißt der Ort z.B. noch 1286 Iringspurch. Die »Euringsstraß« wird eine nachträgliche Ausschmükkung nach Frutolf-Ekkehard sein.

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logisch noch zu wenig abgesichert. Das einzig sichere Zeugnis vor Widukind bieten vier angelsächsische Glossen zu Isidors De natura rerum.'8 Das entsprechende Lemma »via secta« ist ein Zitat aus Vergils Geórgica (I, 238) und meint eigentlich den Tierkreis, nicht die Milchstraße. In I, 233ff. (Quinqué tenent caelum zonae) handelt Vergil über die fünf, von den Wende- und Polarkreisen begrenzten Zonen. Ein »Weg durchschneidet« die beiden Bereiche von Hitze und Frost, »daß dort schräg hindurch der Tierkreis wende den Reigen« — [...] et via secta per ambas, obliquas qua se signorum verteret ordo Vgl. Ovid: nec tibi directos placeat via quinqué per arcus: sectus in obliquum est lato curvamine limes [...] (Met. II, 1 zyi.) Zu »via secta« finden sich nun in den Glossenhandschriften folgende Interpretamente : Leiden — iringes uuec, Corpus 2 — iringes uueg, Erfurt 1 Epinal

— iuuur (korrigiert aus: iuuar) ingesuueg, — iringaes uueg.

In der MPL-Ausgabe von Isidors De natura rerum (t. 83, col. 978, cap. X ) wird nur der Beginn der Vergil-Stelle zitiert, während das Lemma »via secta« fehlt. R . Meißner (1919), S. 77, A . i u.a. nehmen deshalb an, daß dem Glossator eine Handschrift mit der vollständigen Verszeile vorlag. (Die Ausg. v. J . Fontaine, Bordeaux i960, war nicht erhältlich). — Editionen der vier Glossare: Leiden (Cod. Voss. lat. quart. 69, fol. i f ) . — In: Corpus Glossariorum Latinorum, edd. G . Loewe u. G . Goetz, 1894, S. 4 1 5 , Z.60; Bethmann, Z f d A 5 (184$), S. 195; A Late Eighth-Century Latin-Anglo-Saxon Glossary Preserved in the Library of the Leiden University, ed. J . H . Hessels, 1906; Das Leidener Glossar Cod. Voss. lat. 4 0 69, 1. T.: Text der Handschrift, hrsg. v. P. P. Glogger, 1901. Dazu: P. P. Glogger, Das Leidener Glossar, 2. T.: Erklärungsversuche, Progr. d. G y m nas. St. Stephan Augsburg 1903/1904, 1904, S. 43Í. u. Progr. Schulj. 1906/1907, 1907, S. 32. K. A . de Meyier, Codices Manuscripti Bibliothecae Universitatis Leidensis, Vol. X I V , P. II, 1975. - Corpus (Ms. No. C X L I V Corpus Christi College Cambridge). In: The Oldest English Texts, ed. H. Sweet, 1885, S. 105, Ζ. 2 ΐ ι 8 ; An Eighth-Century Latin-Anglo-Saxon Glossary Preserved in the Library of Corpus Christi College Cambridge, ed. J . H . Hessels, 1890, S. 120, Ζ. 174. — Erfurt (Cod. Amplonian. 42. 2 0 , fol. 14'). In: Corp. Gloss. Lat., edd. G. Loewe u. G . Goetz, 1894, S. 398, Z. 40; Ed. H. Sweet, a.a.O., S. 104, Z. 1050. Dazu: W. Schum, Beschreibendes Verzeichnis der A m plonianischen Handschriftensammlung zu Erfurt, 1887, S. 3 jf., N r . 42. — Epinal (Bibliothèque municipale ms. 72(2), fol. i4 vab ). In: Old English Glosses in the ÉpinalErfurt Glossary, ed. by J . D . Pheifer, O x f o r d 1974, S. 55, Z. 1050; Ed. H . Sweet, 1885, S. 104 Z. 1050; Corp. Gloss. Lat., edd. G . Loewe u. G . Goetze, S. 398. — Zur Filiation neben den Einleitungen von H. Sweet, J . D. Pheifer u. G . Loewe/G. Goetze: G . Baesecke (1933), S. 43, 62, 82, 93ff., 155. — Zu den mit der Milchstraße verknüpften Vorstellungen und zu deren Benennungen: Paulys R E , 13. Hbd. (1910), Sp. 560—571; Bächtold-Stäubli, H d w b . d. dt. Aberglaubens 6 (1934/1935), Sp. 3 6 7 - 3 7 4 ; H . Rotzler ( 1 9 1 5 ) ; St. Thompson, Motif-Index of Folk-Literature, Bd. I, ^ 9 5 5 , S. ι j8f., N r . A 778.

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Die Leidener Handschrift aus der Vossianischen und die Erfurter aus der Amplonianischen Sammlung gehören dem 9. Jh. an. Die Cambridger Corpus-Glossen stammen aus St. Augustin in Canterbury und werden auf den Anfang des 8. Jhs. datiert. Die Epinal-Glossen aus dem Kloster Moyen-Moutier sind jedenfalls dem 8. oder 9. Jh. zuzurechnen. Die Codices von Erfurt und Epinal sind eng miteinander verwandt, ihre Vorlage geht mit den Corpus-Glossen auf eine gemeinsame Vorstufe * C E zurück, die Chadwick um 680/720 in Ostsachsen vermutet. Da sich schließlich auch für die Leidener Handschrift und für *':"CE eine gemeinsame Vorstufe erschließen läßt, gibt es für den »Iringsweg« vor Widukind im Grunde nur ein Zeugnis, mit Sicherheit aus dem 8. Jh., vielleicht sogar schon um 700. Die Verbreitung beschränkte sich nicht auf England. Das Leidener Glossar ist in St. Gallen, das Erfurter in Werden rezipiert worden, so daß der Terminus »Iringes Weg« zumindest auf dem Pergament wieder in die altsächsischen Klöster zurückgelangt sein könnte, aus deren volksprachlichem Umfeld er ja wohl stammt. In die astronomischen Traktate hat der »Iringes Weg« sonst keinen Eingang gefunden. Isidor, Beda, Hrabanus Maurus u.a. führen unter den fabulosae causae für die Entstehung der Milchstraße nur solche aus der griechischen Mythologie a n . " Einzig Widukind gibt mit seiner Paraphrase der Iringsage eine etymologisch-aitiologische Erklärung für die Benennung der Milchstraße, während in den Glossen jede Erläuterung fehlt. Immerhin ist auch hier eine Beziehung zur Iringsage möglich, weil die Grundbedeutung von »via secta (est)« — darauf wiesen schon J. Grimm und K. Müllenhoff hin — zu dem Bild Irings stimmt, der sich mit dem Schwert seinen Weg bahnt (viam ferro faciens). Für die Magdeburger Schöppenchronik heißt denn auch der lacteus circulus »Iringes swert«. Ebensowenig läßt sich allerdings die Möglichkeit von der Hand weisen, daß der »Iringes Weg« der ags. Glossen und derjenige Widukinds gar nichts miteinander zu tun haben, daß überhaupt der Iring der Heldensage und der der Milchstraße ursprünglich verschiedene Figuren meinten. Wenn man an »Iring« als der Grundform des Namens festhält und diesen nicht leichthin mit »Irmin« und »Rigr« (Heimdall) in einen Topf wirft, so wird man an die Existenz eines mythischen Iring vor und außerhalb der Heldensage schlechterdings nicht glauben: Der mythische Iring ist ohne den heroischen nicht zu denken. Ob auf der anderen Seite der heroische Iring so wie Irminfrid auf eine " Vgl. z . B . Beda, De mundi coelestis terrestrisque constitutione liber, M P L 95, col. 896; De natura rerum liber, M P L 95, col. 188, 233—235.

6f

historische Person zurückgeht, liegt im dunkeln. Die erzählenden Quellen vor Widukind kennen ihn nicht, doch zwei Jahrhunderte nach dem Thüringerkrieg, und das heißt zugleich: schon zwei Jahrhunderte vor Widukind, setzt die urkundliche Überlieferung des Namens Iring ein. Zwischen 741 und 950 sind Träger dieses Namens gleich zu Dutzenden bezeugt, doch schwerlich war einer von ihnen so hervorragend, daß er das Vorbild für die Heldenfigur, geschweige denn für die Benennung der Milchstraße hätte abgeben können. Wenn überhaupt eine Verbindung besteht, handelt es sich um Zeugnisse nicht zur Entstehung, sondern zur frühen Rezeption der Iringsage, deren »Inkubationszeit« ja vielleicht nur ein Jahrhundert vorausliegt. Wahrscheinlich ist Iring einfach als bloßer Name ohne eigene Vorgeschichte in die Verratsfabel gelangt. Ob im übrigen nun Iring tatsächlich »gelebt« hat oder nicht, entscheidend ist allemal, daß man an seine historische Existenz geglaubt hat, solange Heldensage als Teil der Geschichtsüberlieferung akzeptiert wurde. Historisch-geographisch gibt es zwar etliche Ortsnamen, die sich von der Grundherrschaft eines Iring herleiten,100 doch nirgends ist eine irdische »Iringstraße« sicher belegt, die, wie es bei anderen Namen der Milchstraße durchaus der Fall ist, für eine Übertragung auf die himmlische »Iringstraße« in Frage käme. Die Thidrekssaga meint mit dem »irungs vegr«, der »bis auf den heutigen Tag« in Soest so heißt, eine »Irungsmauer«, obgleich die Schreibung von an. vegr eigentlich »Weg« und nicht —wie an. veggr — »Wand« bedeutet (s.u.). Ich halte es sogar für möglich, daß der »Iringsweg« sich ursprünglich überhaupt nicht auf einen Personennamen bezog, sondern daß es sich schlicht und einfach um die Übersetzung der gängigen lat. Bezeichnung »circulus« als »Ring«-Straße handelt. Wie eine solche Verballhornung von »Ring« zu »Iring« tatsächlich Zustandekommen konnte, zeigt folgendes MißVerständnis Reginos von Prüm: Die fränkischen Reichsannalen berichten, daß Herzog Eirich von Friaul seine Leute im Jahre 796 unter Führung des Slaven Wonomyr nach Pannonien sandte, damit sie den »Ring« (hringum gentis Avarorum), eine Festung der Avaren also, plünderten. Ein Jahrhundert später kann sich Regino unter einem »hring« nichts Rechtes vorstellen, und er macht daraus einen Avarenfürsten »Yring« (Heinricus dux Foroiulianorum expoliato in Pannonia Avarum principe Yringo ...), und als solcher lebt er weiter in den Annales Mettenses, in der Chronik des Sigebert von Gembloux und beim Annalista Saxo. 101 ,0

° E i n i g e Beispiele bei E . Förstemann, B d . 2, Sp. i j 8 8 f . V g l . auch A n m . 1 2 1 .

IO

' D i e Reichsannalen. In: Quellen z u r karolingischen Reichsgeschichte, T . 1 , S. é4Íf.

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So dubios der »Iringsweg« auch wirkt, daran läßt sich nicht rütteln, daß Widukind eine Brücke zwischen Iringsage und Milchstraße schlägt. Jacob Grimm erkennt dabei dem mythischen Iring die Priorität zu: »Irmin, später Iring, war den germanischen heiden ein hehrer gott, könig und herrscher, allmählig wurde er in dem epos zu einem groszen menschenhelden, weil nach einem nothwendigen gang der sage ihre Wiedergeburten uns immer näher zu rücken pflegen.« 102 Rudolf Meißner geht dagegen von der Tatsache aus, »daß viele volkstümliche namen der Milchstraße zunächst namen irdischer Straßen sind und erst von diesen aus auf den himmel übertragen wurden.« Er vermutet, »daß auch die Iringstraße zunächst auf der erde zu suchen ist. nach dem Zeugnis der Thidrekssaga ist es möglich, daß dieser zweifellos aus sehr alter zeit stammende name in Soest localisiert war, wie das für den Heiweg an vielen orten und auch in Soest bezeugt ist«. 103 Damit sind zwei Möglichkeiten im Verhältnis zwischen Heldensage und Mythos umschrieben, die im neuen Gewand auch in der heutigen Diskussion um die Vorgeschichte der Heldensage eine Rolle spielen. Der Annahme J. Grimms, daß ein Gott zum Menschenhelden geworden sei, entspricht die These von der Heroisierung als Folge einer Entmythisierung. »Ein sakraler Brauch kann [...], namentlich wenn er mit der Zeit außer Geltung kommt [...], in säkularisierter Gestalt zu einem einmaligen Ereignis, zum >Einmal< der Sage werden« (F. R. Schröder).104 Meißners Annahme, daß die himmlische nach einer irdischen Straße benannt worden sei, steht der These von der Archetypisierung näher, die »das historische Geschehen als eine Wiederholung mythischer und zugleich archetypischer Urereignisse«, als stilisierende Angleichung eines historischen Ereignisses an ein mythisches Schema, versteht (R. Hauck).'° s

101

,0

( F S G A , Α . , Bd. 5) u. in M G H SS 1, S. 183. - Regino ν. Prüm, Chronicon, hrsg. v. F. Kurze, 1890, S. 59 ( M G H SrG in usum scholarum 50); Sigebert v. Gembloux, Chron., M G H SS 6, S. 3 3 J , Ζ . γο{. (nach Anm. des Hrsgs. aus den Annales Mettenses, seil, posteriores, in M G H SS 1 — die Annales Mettenses priores, hrsg v. B. v. Simson, 1905, S. 81, M G H S r G 10, bewahren jedoch den ursprünglichen Wortlaut); Annalista Saxo, M G H SS 6, S. 563. Das MißVerständnis Reginos von Prüm hat Sebestyén zur Identifizierung Irings mit dem Attila-Sohn Chaba (Kewe) verleitet, lt. J . Bleyer, P B B 31 (1906), S. 579 u. K . Wais, 1953, S. 68, A. 3. Zur Gleichsetzung mit Geva longa s.u. Anm. 186. J . Grimm, Irmenstrasze, Kl. Schrr., Bd. 8, S. 490. R . Meißner (1919), S. 83, 98.

F. R . Schröder, Die Sage von Hetel und Hilde, DVjs. 32 (1958), S. 50. ' K . Hauck, Brieflicher Hinweis auf eine kleine ostnordische Bilder-Edda. In: Zur germ.dt. Heldensage, hrsg ν. Κ . H . , 1 9 6 1 , S. 444. — Daß gegenüber diesen Theorien zum Verhältnis von Heldensage und Mythos Vorbehalte angebracht sind, hat am überzeugendsten K . von See ( G G A 218, 1966, S. J9ff. u. Germ. Heldensage, 1 9 7 1 , S. 38ff.) dargelegt.

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Dementsprechend deutet Hauck ja den Königstöter Iring als repraesentatio Odins, die sächsische Landnahme und das alljährliche Fest am i. O k t o b e r als Wiederholung eines Schöpfungsmythos. Da Widukind von Corvey selbst die Iringsage mit der Milchstraße und mit der sächsischen Stammessage und deren kultischen Relikten verknüpft, hat diese H y p o these zur möglichen Herkunft des Stoffes Gewicht, auch wenn sie nicht minder hypothetisch bleibt als die vermeintlich überholte VorstufenRekonstruktion Andreas Heuslers. Wenn nun aber nach Widukind die fama vom Ende zweier Könige so mächtig wurde, daß die Milchstraße ihren Namen nach Iring erhielt, so ist damit nicht der Ursprung, sondern die Wirkung der Iringsage gemeint:

2.

Heldensagennamen und Urkundennamen: Iringsage und adelige Hausüberlieferung?

Den Anstoß zur Benennung der Milchstraße wird das Bild des sich seinen Weg bahnenden Helden gegeben haben. Wenn mit dem Bild zugleich eine Erhöhung Irings verbunden war, so gewiß nicht, um einen Verräter zu »verherrlichen« (F. Graus). »Die Heldendichtung [...] hat keine unmittelbar wirkende Funktion, sie preist nicht, sie schmäht nicht, sondern sie erzählt«. 106 Bewundert hat man das außergewöhnliche H a n deln als solches, ohne daß es deshalb als vorbildlich und nachahmenswert genommen worden wäre. 107 Iring ist ein Held, der sich mit seiner exorbitanten Tat so weit über alle Normen, Konventionen und Bindungen hinweggesetzt hat, daß er am Ende ganz und nur mehr er selbst ist. Deshalb ist Iring kein bloß »thüringischer« Held, so sehr die Fabel vom Untergang des Thüringerreiches durch Verrat mit folgender Rache am siegreichen Frankenkönig auch die historische Faktizität im thüringischen Interesse umgedeutet hat. Aus der ausführlichen Nacherzählung Widukinds von Corvey lassen sich darum m . E . folgende Wirkungsmöglichkeiten der Iringsage ableiten: Einmal war sie als Vorzeitkunde der Sachsen mit der siegreichen Landnahme des Stammes verknüpft, zum anderen waren die Thüringer zu Widukinds Zeit längst nicht mehr die »Erbfeinde« der Sachsen, und schließlich kulminierte die Fabel im Handeln eines einzelnen, der als

'°6 K. von See, Germ. Heldensage, 1971, S. 109. K. von See, Was ist Heldendichtung? In: Europ. Heldendichtung, hrsg. v. K. v. S., 1978, S. 3of., 37f.

107

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Vorzeitheld sui generis der Stammesgrenzen enthoben war. Unter der unbestrittenen Prämisse, daß die Heldensage vornehmlich ihren »Sitz im Leben« des Adels hatte, ist deshalb zu vermuten, daß es zunächst der sächsisch-thüringische Stammesadel war, der Anteil an der Ausbildung der Iringsage hatte. Nicht nur die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Adelsfamilien außerhalb Sachsens und Thüringens, sondern auch die literarische Konzeption der Iringfigur selbst mögen darüberhinaus zur Rezeption, Verbreitung und Wirkung der Iringsage im fränkischen Reichsadel beigetragen haben. Nur so kann ich mir nämlich die erstaunliche Verbreitung der Namen Iring und Irminfrid erklären, wenn denn überhaupt ein Zusammenhang zwischen den Namen der Heldensage und denjenigen historisch bezeugter Personen unterstellt werden darf. Hellmut Rosenfeld lehnt eine solche Beziehung entschieden ab und zieht aus Beispielen der Nibelungensage und der Kudrun das Fazit, »daß die Namen der Heldendichtung Gegenwartsnamen sind, die dann zu Vorzeitnamen werden, aber bei der U m - und Neudichtung durch neue Gegenwartsnamen ergänzt werden.« Da der Heldendichter sich »als Weitergeber historischer Wirklichkeiten« fühle, schöpfe er »unbedenklich die Namen seiner Helden aus der lebendigen Namengebung seiner Zeit«. Daraus folge, »daß Personennamen aus dem Bereich der Heldendichtung in den Urkunden nicht das Geringste für die Verbreitung dieser Heldendichtung aussagen können«. 108 Reinhard Wenskus, der im Rahmen einer prosopographisch-genealogischen Untersuchung die Namensträger frühmittelalterlicher Urkunden u.a. zur Nibelungen-Uberlieferung in Bezug setzt, geht dagegen »von unmittelbaren Einwirkungen der historischen Wirklichkeit auf den Gang der Stoffgeschichte« der Heldensagen aus. Diese seien »lebendige Uberlieferung bestimmter Personengruppen« gewesen, »deren Geschichte sich auch in den Weiterbildungen und Varianten niederschlug«. 109 Forschungsgeschichtlich ist die Arbeitshypothese von Wenskus mit der »Wende« gegen das Heldensagenmodell Andreas Heuslers 110 verbunden: Nach Heusler hat die Heldensage zwar vornehmlich ihren Ausgang von der historischen Faktizität genommen, sie kommt jedoch erst eigentlich zu sich selbst im literarisch geschlossenen Raum, indem sie sich gerade von ihren unmittelbar historischen Bezügen löst. Heldensage ist für Heusler allererst Heldendichtung, deren Entwicklung über feste Uberlieferungsformen verläuft und deren Veränderungen als Stufenfolge individueller Neukonzeptio,o8 109 1,0

H . Rosenfeld (1966), S. 260. R . Wenskus, Sachs. Stammesadel (1976), S. 466. Dazu v.a. W. Haug (1975).

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nen erscheinen. Die Heldensagenforschung nach Heusler setzt dagegen an die Stelle weniger Neukonzeptionen ein breiteres Nebeneinander und die gegenseitige Durchdringung einer Vielzahl von Varianten. Insbesondere die oral poetry-Forschung hat eine größere Variabilität innerhalb der mündlich-improvisierenden Erzähltradition glaubhaft machen können. Hans Kuhn hat dann der »Heldensage vor und außerhalb der Dichtung« wieder zu ihrem Recht verholfen und gezeigt, daß die Heldenlieder keine Kompendien ihrer Sage sind, daß sie vielmehr die Kenntnis »ungeformter« Sage schon voraussetzen und aus dieser auswählen. Mit der Einbettung der Heldendichtung in das breite Umfeld kollektiver Sage war zugleich die Wende gegen eine rein literarimmanent-ästhetische Position eingeleitet, die Gefahr lief, die heroische Dichtung allzusehr von der realhistorischen Wirklichkeit zu isolieren. Die Kritik an Heuslers Prämisse einer literarischen Autonomie forderte zur Frage nach der Funktion der Heldensage heraus. Für O. Höfler ist sie »Vorzeitkunde«, der wie der mythisch-kultischen Uberlieferung eine kollektive, gemeinschaftsstiftende und -erhaltende Funktion zugewiesen wird. Die Anonymität der Heldenepik dient als Argument dafür, daß die Verfasser sich mehr als Mittler denn als Schöpfer einer Tradition verstanden, die eben nicht allein die ihre war. Auch die Zeugnisse zur Rezeption der Heldensage legen nahe, daß diese ursprünglich als echte historische Uberlieferung anerkannt war, deren Wirkung wohl nicht zuletzt durch das Fehlen eines parteilichen Standpunktes begünstigt wurde. Selbst unter der Vorherrschaft schriftlich-gelehrter Uberlieferung gesteht ja Widukind der fama durchaus noch historischen Zeugniswert und nicht bloß Unterhaltungswert zu — als fabula nicht nur vom christlichen, sondern auch vom historischen Standpunkt her wird sie zunehmend erst seit dem 1 1 . Jh. kritisiert. Karl Hauck interpretiert die Heldensage ähnlich mythisch-rituell wie H ö f ler, aber er ordnet sie darüber hinaus der »haus- und sippengebundenen Literatur mittelalterlicher Adelsgeschlechter« zu. Als Beleg dient u. a. die Behauptung des Verfassers der Klage ( w . 4295—4297): Von Pazowe der biscof Pilgerin durh liebe der neven sin hiez scriben ditze maere. R . Wenskus bringt — wie schon Grönbech — Teile der Nibelungensage mit der Hausüberlieferung westnorwegisch-isländischer Geschlechter in Verbindung, wo z. B. Sigurd der Drachentöter mit Ragnar Lodbrók verknüpft wird. Z u nennen wären auch die zahlreichen Sagen, die die Entstehung der Wappen spätmittelalterlicher Geschlechter erklären (vgl. z . B . den Gründungsmythos der Lusignan in den Melusine-Versionen und die Verbreitung der Schwanenrittersage) oder die genealogischen Konstruktionen der Hofhistoriographen Kaiser Maximilians I. Sagen, auch Heldensagen, konnten offensichtlich der Abstammungstradition adeliger Familien integriert werden und damit eine ähnliche Funktion für das Familienbewußtsein erfüllen wie die Stammessage für das Stammesbewußtsein. Für die frühmittelalterlichen Herrscherhäuser

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ist diese Tendenz zur genealogischen Anknüpfung deutlich, während der mittlere und niedere Adel ihr wohl erst im späteren Mittelalter folgten, als sich die Standesschranken zunehmend verfestigten, wie etwa die Turnierordnungen zeigen. Gleichwohl wird man die Produktivkraft solch adeliger Hausüberlieferung nun auch nicht überschätzen dürfen, wie dies Wenskus gelegentlich zu tun scheint, wenn er eine Sage geradezu »aus der Hausüberlieferung erwachsen« sieht. Keiner der großen dichterischen Entwürfe der Heldensage läßt sich als unmittelbare Hervorbringung einer bestimmten adeligen Hausüberlieferung verstehen. Diese mag sehr w o h l mit ihren Erinnerungen den Boden dafür vorbereitet haben, sie hat gewiß auch bereits vorhandenen Versionen sekundär solche Varianten hinzugefügt, die die genealogische Anbindung einer Adelsfamilie an berühmte Sagengestalten glaubhaft machen konnten, und sie spielt ohne Zweifel eine maßgebliche Rolle bei der Rezeption der Heldensagenstoffe. Das spezifische Interesse einer haus- und sippengebundenen Literatur legt ein besonderes Auswahlprinzip bei der Adaptation von Heldensage nahe: Steht für uns eher die denkwürdige Begebenheit, die ungewöhnliche Situation, im Mittelpunkt, wird es dort der jeweilige »Held« gewesen sein, weil es zu ihm eine Beziehung herzustellen galt. So könnten sich in den Urkunden die Personennamen erklären, die auch in der Heldensage begegnen. Zwischen 741 und dem Ende des 13. Jhs. sind in den Königsurkunden und in den Urkunden, Verbrüderungsbüchern und Nekrologien der Klöster von St. Gallen, der Reichenau, von Weißenburg, Remiremont, Fulda, Lorsch und St. Peter zu Salzburg, um nur die frühen Quellen zu nennen, zahlreiche Träger des Namens Iring bezeugt, und Irminfrid ist sogar noch häufiger vertreten. Iring heißen Mönche und Bischöfe, Hörige und Adelige; um 853 amtiert ein königlicher missus unter Ludwig dem Deutschen, zwischen 889 und 912 tritt ein Iring als comes unter Arnulf, Ludwig dem Kind und Konrad I. hervor, ein Iring regiert 882—889 a ' s Bischof von Basel, Iring von Hohenburg wird 1254—1265 Bischof von Würzburg. 1 1 1 Regional zeichnet sich eine gewisse Konzentration auf den alemannischen und

Missus I.: M G H D D Germ. Karol. I, Nr. 66 (vgl. Bitterauf, Freising, Nr. 701). Comes I.: M G H D D Germ. Karol. III, Nr. 64, 79, 148, 156, 162, 173, 193; D D Germ. Karol. IV, N r . 26, 30, 31, 39, 44, 53; D D Κ I, Nr. 3 (vgl. dazu: E. Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches, III, 2 i888, S. 457, 487). - B. v. Basel: M G H Libri Confr. St. Gallen, I, 355£.; Reichenau II, 257, 324, 327. — B. v. Würzburg: M G H Epp. sei. II, Nr. 753; III, Nr. 368, 425, 430, 453; M G H Dt. Chron. II, S. 287 (dazu vgl. A . Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, j . T., 1. H., '1958, S. i}(.).

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fränkischen Raum ab, auch Bayern ist vertreten, während bis etwa 1 1 3 0 das sächsisch-thüringische Gebiet eindeutig unterrepräsentiert erscheint. Der Name Irminfrid verteilt sich gleichmäßiger. Dieser erste Eindruck besagt freilich im Hinblick auf die Frage nach der Iringsage »vor und außerhalb der Dichtung« und innerhalb der adeligen »Hausüberlieferung« noch gar nichts, weil er sich einfach auf die Addition isolierter Daten stützt, die erst in der »Vergesellschaftung« aussagekräftig werden: Im ersten Schritt wird man die Namen auf ihren konkreten Kontext zurückführen und nach Verwandtschaftsverhältnissen suchen. Da diese nicht immer explizit in den Urkunden erwähnt werden, kann man sie wahrscheinlich machen, indem man lokale Grundherrschaften mit den Namen bestimmter Tradenten und Zeugen verbindet. Vor dem 9. Jh. gilt keineswegs überall das Prinzip der Nachbenennung, sondern vielfach begegnet in der Namengebung noch die Variation. Bei zweigliedrigen Namen können entweder das erste Glied fest und das zweite variabel oder das Endglied fest und das Erstglied wechselnd sein. 112 Wenn also z.B. Walafrid, Sigefrid und Irmenfrid gemeinsam am gleichen Ort tradieren, kann es sich in der Frühzeit noch um Agnaten handeln. Gewöhnlich werden in den Zeugenreihen Verwandte unmittelbar nebeneinander genannt usw. Anderseits gibt es »Namensvettern«, die eben gerade nicht miteinander verwandt sind. Die bequeme Annahme, daß sich im frühen Mittelalter die Namen meist auf bestimmte Familien beschränkt hätten und noch nicht durch eine bloße Namenmode (wie z.B. schon sehr früh »Siegfried«) verbreitet worden seien, bedarf womöglich anhand neuerer Statistiken der Revision: Die von Karl Schmid herausgegebenen Darstellungen und Materialien zur Fuldaer Klostergemeinschaft zeigen jetzt methodisch vorbildlich die Grenzen und Möglichkeiten personengeschichtlicher Forschung auf. Im zweiten Schritt wird man die Namen der Heldensage gleichfalls zu Gruppen zusammenfassen und diese mit den bestimmten Familienverbänden zugeordneten Urkundennamen konfrontieren." 3 Wenn also in " 2 R . Wenskus (1976), S. 4 1 - 5 4 . Dies ist schon der Ansatz von E. Ploß: Die Nibelungenüberlieferung im Spiegel langobardischer Namen. In: FuF 34 (i960), S. 53. W. Störmer (1987) hat diese Prämisse erneut bekräftigt: »Personennamen des Nibelungensagenstoffes [...] vermögen, wenn sie einzeln oder isolien erscheinen, hinsichtlich einer älteren Nibelungentradition nichts auszusagen, denn auch die Namen des Nibelungenlieds gehören zum reichen frühmittelalterlichen Personennamenschatz.« Anders werde der Sachverhalt, »wenn in einer Familie oder einer Kleingruppe zwei oder mehrere Personennamen zusammentreffen, die aus dem Nibelungensagenkreis bekannt sind« (S. 18).

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einer Familie neben Iring auch Amalaberga oder Irminfrid oder w o m ö g lich gar Thiadrich begegneten, ließe sich eine Beziehung zur Iringsage mit gutem G r u n d vermuten. Wenn neben Irminfrid Baderich oder Berthachar oder gar Bisin und Basina vertreten wären, läge wenigstens eine historische A n b i n d u n g an die thüringische Königsfamilie vor. Beim ungleich umfangreicheren Personal der Nibelungensage versprechen solche Zuordnungsversuche natürlich von vornherein mehr E r f o l g als die wenigen N a m e n der Iringsage. A u s jenem Bereich ein eher durchschnittstypisches Beispiel nach Wenskus: In einer Tradition Bernhars wird 770/771 zu Locheim ein D a n k r a d u s als Nachbar von G u n t h a r i u s und Harriad erwähnt. - 785 zeugt ein S i g i f r i d für eben diesen Bernheri und seinen Sohn, den Kleriker W a l t h e r i ; dann testiert Sigifrid 785 neben Bernheri f ü r Waltheri und endlich mit Waltheri 785 f ü r Bernheris Tochter C r i e m h i l t . " 4 Wenn sich in einem solchen Falle nachweisen läßt, daß die Schenkenden und Beschenkten miteinander verwandt sind und wenn sich in dieser Gruppierung gleich mehrere Namen aus der Heldensage finden, so wird man sich nicht ohne weiteres dem Verdikt Rosenfelds beugen. Die »Kenntnis« von Heldensage ist mit diesen Parallelzeugnissen in der Tat noch längst nicht erwiesen, doch ein wie auch immer gearteter »Kontakt« ist nicht auszuschließen. Diese Kontakte könnten sich wechselseitig und auf verschiedenen Stufen der Sagengeschichte vollzogen haben. Läßt man für Gère und Eckewart im Nibelungenlied einmal die beiden ottonischen Markgrafen als Vorbilder gelten, so fällt an Geros (f 965) Stammbaum auf, daß dort mehrmals ein Siegfried auftaucht. Sowohl der Vater wie ein Sohn Ekkehards (t 1002) hießen Gunther, während sein Bruder Gunzelin eine Koseform dieses Namens führte. Vielleicht hatten beider Familien bereits eine »nibelungische« Tradition (Wenskus 1 1 '), als Gero und Eckewart auf einer jüngeren Stufe selbst in die Nibelungensage gelangten. Im Hinblick auf die Iringsage ist bemerkenswert, daß sich die frühesten Belege für den N a m e n Iring im Kanton St. Gallen finden, ohne jede erkennbare Beziehung zu Thüringen. N a h e z u gleichzeitig ist ein Irminfrid im Elsaß bezeugt: In einer Schenkungsurkunde, die am 19. 1 1 . 7 4 1 im Kloster Benken ausgefertigt wurde, schenkt Beata, die Tochter Rachinberts und G e m a h lin Landolds, dem Kloster auf der Lützelau/Zürichsee Güter und Hörige aus zehn benachbarten Orten. A m E n d e nennt sich der Schreiber: Ego Hirinchus

monacus harte donationem

rogitus scripsi et

subscripsi."6

In einer anderen U r k u n d e aus Benken v o m 9 . 1 1 . 744 verkauft dieselbe Tradentin dem Kloster St. Gallen Besitzungen. Zunächst unterzeichnen 1,4

R. Wenskus (1976), S. 487, 525. " s R. Wenskus (1976), S. 523^ 1,6 St. Gall. UB, Th. i, S. /{., Nr. 7. 73

Beata, der Graf Bebo und der Abt Arnefrid, dann folgen neun Zeugen und schließlich: Ego in Dei nomine Hiringus lector rogitus a Biatane [...] scripsi et subscripsi.1'7 Am 28. ι. 743 schenkt Udo dem elsässischen Kloster Weißenburg seinen Besitz in Westhofen. Testis Udoni [...] et alii testes Y mm on i sive Irminfrido, filio suo Ludouuino."8 In der nächsten Generation mehren sich die Belege. So macht z.B. Sigibald am 6. 1. 774 dem Kloster Weißenburg eine umfangreiche Schenkung nicht nur von Gütern, sondern auch von Hörigen-Familien. In Beinheim werden aufgeführt ein Gundtharius cum uxore sua Uuillihildi cum infantes eorum Uualdhario et Brunihildis, unter den manicipia de biberestorf: Iringus cum uxore sua Trudlinda cum filio suo Milone. Wie Hörige zu solchen Namen gelangten, ist unklar, doch wohl am ehesten durch den Priester oder den Grundherrn. In dieser Urkunde testiert z.B. neben Irminrad, Radulf usf. auch ein I r i n g . " 9 Und ab 782 ist in Weißenburger Traditionen auch wieder ein I r m i n f r i d mehrfach vertreten, aber nur im Einzugsbereich von Lorsch lassen sich einmal ein Iring und ein Ermanfrid über gemeinsame Bekannte einem bestimmten Kreis zuordnen: Am 13. 6. 791 schenken Bicco und seine Frau Hiltdibrun dem Kloster Lorsch ihre Hofreite in Sickenheim (bei Mannheim). Zeugen sind Wiebert, Machelm und Iring. 1 2 0 Letzterer mag mit jenem Iring identisch sein, der am 23. 10. 801 in der Barctorpher Mark (nw. Wetzlar) seinen bîvang, aus dem Ehringshausen hervorgegangen ist, Lorsch schenkt.121 Bicco fungiert mehrfach als Zeuge in den Lorscher Traditionen, die Sickenheim und Dossenheim betreffen. 122 Am 12. 1. 781 schenkt Erm a n f r i d zum Seelenheil seiner Schwester Emmihild Lorsch einen Weinberg in Dossenheim, bezeugt von Gerold, Hartdrad, Wigo und Beinhard. Am 28. 2. 782 tritt wiederum Ermanfrid neben Reginbald, Gerold, Wigo und Beinhard als Zeuge auf bei einer Schenkung von Hardrard und Reginbald, die in der Wüstung Kloppenheim bei Sickenheim gelegen ist. Ermanfrid testiert gleichfalls bei einer Schenkung von Ruoding und Werinbald in Dossenheim usf. Zwischen 781 und 792 haben also Iring und Ermanfrid beide mit dem Kloster Lorsch und mit den Grundherrschaften in Sickenheim und Dossenheim zu tun, aber ,,s

m 122

St. Gall. U B , Th. i, S. n f . , Nr. 10. Reg. Alsat., S. 86, Nr. 149 ( = Trad. Wiz., Nr. 5). Reg. Alsat., S. 142—145, Nr. 235. Zu den Hörigen vgl. H. Löffler, Die Hörigennamen in älteren St. Galler Urkunden. In: B N F N F 4 (1969), S. íyzfí. C L , Nr. 640. C L , Nr. 3126. Bicco u.a. in: C L , Nr. 414, 615, 639, 640. Ermanfrid: CL, Nr. 403, 415, 613.

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nirgends sind Iring und Irminfried als A n g e h ö r i g e ein- und derselben Familie nachzuweisen. E i n e weitere A u s b r e i t u n g meiner Materialien 1 2 3 erübrigt sich deshalb, weil deren A u s w e r t u n g z w a r durchaus die Z u o r d n u n g v o n Trägern der N a m e n Iring, Irminfrid u . a . m . zu bestimmten Familienverbänden erlaubt, aber kein einziger Beleg läßt eine eindeutige Beziehung z u r Iringsage erkennen. W e n n man die N a m e n Iring und Irminfrid den urkundlichen N a m e n assoziiert, die auch in der Nibelungensage begegnen, ergeben sich höchstens familienspezifische Präferenzen in der N a m e n g e b u n g , doch v o n einer Interdependenz zwischen Iringsage und adeliger Hausüberlieferung ist auch dann nichts zu entdecken. V o n historischer Seite ist eine solche im Falle der Nibelungensage allzu selbstverständlich unterstellt w o r d e n . Reinhard W e n s k u s z u m B e i spiel, der v o n derselben methodischen Basis her die lieferung

im Norden,

am Mittelrhein

und in Bayern

Nibelungen-Über-

verfolgt hat, rechnet

zuversichtlich »mit einer lebendigen Nibelungentradition als H a u s ü b e r lieferung in verschiedenen Familien«. 1 2 4 O b seine B e f u n d e nicht auch 123

Unter den nicht-erzählenden Quellen enthalten Belege: i.) die Diplomatabände der M G H , und zwar einmal die Urkunden der deutschen Karolinger (Bd. i, 3 u. 4), zum anderen die der deutschen Könige und Kaiser (Otto I., Otto II., Heinrich II., Heinrich III. u. Konrad III.); 2.) die Necrologia Germaniae der M G H (5 Bde.) sowie die Libri confraternitatum (St. Gallen, Reichenau) und der Liber memorialis von Remiremont; 3.) die regionalen Urkundensammlungen. Hier sind besonders ergiebig: Codex Laureshamensis [abgekürzt zitiert als: CL], 3 Bde., bearb. v. K. Glöckner, 1929-1936 (vgl. dazu jetzt auch die nhd. Übertr. v. K. J . Minst, Lorscher Codex Deutsch, 1966); [ C D Fuld.:] Codex diplomaticus Fuldensis, hrsg. v. E. F. J . Dronke, 18 50; [Fuld. UB:] E. E. Stengel, Urkundenbuch des Klosters Fulda, 1913, 1956; Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter, hrsg. v. K. Schmid, Bd. 2/1 — 3, 197$ u · Bd. 3, 1978 (S. 260 — i 48: Iring; vgl. auch e 44, e 80, e 89); [St. Gall. UB:] Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen, bearb. v. H. Wartmann, T. ι u. 2, 1863 — 1866; [Trad. Wiz.:] Traditiones possessionesque Wizenburgenses, ed. C. Zeuß, 1842; [Reg. Alsat.:] Regestae Alsatiae aevi Merovingia et Karolini 496—918, Bd. I, bearb. u. hrsg. v. A. Bruckner, 1949; Codex chronologico-diplomaticus episcopatus Ratisbonensis, hrsg. v. T. Ried, T. I. 1816; Die Traditionen des Hochstifts Regensburg und des Klosters St. Emmeram, hrsg. v. J . Widemann, 1943; Die Traditionen des Hochstifts Freising, hrsg. v. T. Bitterauf, 2 Bde., 1905 —1909. Belege aus dem niederdeutschen Raum (Hildesheim, Goslar, Magdeburg v. a.) bei W. Schiaug, S. 117.

114

R. Wenskus (1976), S. 527. — W. Störmer (1987) hat seine Untersuchung zur Nibelungentradition als Hausüberlieferung in frühmittelalterlichen Adelsfamilien im Titel mit einem Fragezeichen versehen. Im Ergebnis schälen sich in Bayern (die Huosi) und im Wormsgau für das 8-/9. Jh. je eine Familie heraus, wo Personennamen zusammentreffen, die aus dem Nibelungensagenkreis bekannt sind. Diese Namensgebung läßt sich lt. Störmer »nur aus dem Ahnenbewußtsein« (S. 18) erklären. »In ihrer Vorstellungswelt oder Prestige-Propaganda« stammten diese Familien von den damals offensichtlich berühmten Nibelungen ab. »Ob diese Vorgabe historisch zu rechtfertigen« sei, könne »mangels Quellen in der Frühzeit nicht mehr geklärt werden«.

75

Rosenfelds These von der Adaptation gängiger »Gegenwartsnamen« durch die Heldensage untermauern könnten, sei dahingestellt. Seine genealogischen Rekonstruktionen bedürften detaillierter Einzelkritik, besonders in den Fällen, die der besitzgeschichtlichen Stütze entbehren. Angesichts der engen motivischen Berührungen zwischen Nibelungenund Iringsage ist zweifellos bemerkenswert, daß die Namen Iring und v.a. Irminfrid des öfteren in Familien mit »Nibelungenüberlieferung« vorkommen. Diese Beobachtung ist nicht zuletzt deshalb bedeutsam, weil sie sich auf Quellen berufen kann, die älter als die >Altere Not< sind, über die nach Heusler die Iringsage in die Nibelungensage gelangte. Wenskus zieht aus diesem Befund allerdings weitreichende Schlüsse, soll doch damit der Anteil thüringischer Hausüberlieferung an der Sagenbildung erhärtet werden. Seine anfechtbare petitio principii liegt darin, daß ihm schon Namen wie Irminfrid und Iring Grund genug sind, der betreffenden Familie eine »thüringische Komponente« zuzuschreiben. Namen im niederrheinisch-niederländischen Raum werden mit einer fränkischen Umsiedlungsaktion nach dem Untergang des Thüringerkrieges in Verbindung gebracht, die denkbar, aber keineswegs gesichert ist. In sich folgerichtig wird erwogen, ob der niederrheinische (vielmehr: thüringische) Recke Sigfrid seinen Namen nicht der Variation von S i g i m u n d und Irminfrid verdanke usw. 1 2 ' Jedoch sind weder die - f r i d - noch die Irmin-Bildungen spezifisch thüringische. Im Fuldaer Gesamtregister gibt es Irmin-Namen in 40 Varianten. Nimmt man sie als Nachhall der ermionischen Tradition, so erklärt sich auch die Häufigkeit der Belege im alemannischen Raum. Solche gentilen Attribuierungen sind ohnehin von untergeordneter Bedeutung für die Rekonstruktion einer haus- und sippengebundenen Literatur, deren Bezugsrahmen notwendig die Adelsfamilie mit ihren vielfältigen Verflechtungen bleibt. Die für die Iringsage womöglich wichtigen Verbindungen zwischen sächsischen, thüringischen und fränkischen Adels- und Grundherrenfamilien aber sind »noch keineswegs zufriedenstellend behandelt« (E. Freise). 126 Die Häufigkeit der Urkundennamen, die zugleich Heldensagennamen bezeichnen, ist ein gewichtiger Befund, der nach wie vor interdisziplinärer Deutung harrt. Wohin eine voreilige Identifizierung von urkundli-

R. Wenskus (1976), S. 496. " 6 E. Freise, Studien zum Einzugsbereich der Klostergemeinschaft von Fulda. In: Die Klostergemeinschaft von Fulda im frühen Mittelalter, Bd. 2/3, 1978, S. 1 1 7 6 ; zu Wenskus vgl. auch S. 1 1 7 2 , 1 2 1 4 .

76

chen und literarischen Namen führen kann, haben allerdings auf einem benachbarten Feld die Mutmaßungen über die »Standesverhältnisse« mittelhochdeutscher Dichter zur Genüge demonstriert. Viel Wahrscheinlichkeit hat die Hypothese von der Heldensage im Rahmen der haus- und sippengebundenen Literatur für sich. Vielleicht ließe sie sich zu größerer Gewißheit erheben, wenn es gelänge, die in der Tat eindrucksvollen Indizien im Frühmittelalter von der Adelsüberlieferung des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit her zu einer Beweiskette zusammenzuschließen. In der thüringischen Landesgeschichtsschreibung (s.u. IX) wird z.B. der Untergang des Thüringerreiches mit den Anfängen von Fürsten- und Adelsgeschlechtern verknüpft.

77

VI.

»Eigenthümliche und lebendige Verschiedenheit der Sage« : Mündlichkeit und Schriftlichkeit

ι.

D e r Thüringerkrieg in den Q u e d l i n b u r g e r Annalen

Die zwischen etwa 1007 und 1025 aufgezeichneten Quedlinburger A n nalen 127 stellen den Thüringerkrieg knapper und geradliniger dar als W i dukind. Sie übernehmen die Fabel vom Erbstreit unter sächsischer Teilnahme, doch sie kombinieren sie mit dem Schluß der fränkischen Version, so daß Iring seine Rolle verliert. Die Annalen, berühmt und berüchtigt gerade wegen ihrer sagenhaften Zusätze über Ermanarich und Theoderich, 128 streben an dieser Stelle durchaus nach geschichtlicher Wahrheit und Exaktheit im Sinne der gelehrten Historiographie. D a durch erhält die Geschichte vom Thüringerkrieg folgenden Grundriß : ι. Im Jahre 532 lädt der uneheliche Sohn Chlodwigs, König Hugo Theodoricus, dem bei der Teilung des Reiches mit seinen drei Brüdern auch Thüringen zugefallen war, König Irminfrid von Thüringen zu seiner Wahl ein. 2. Auf Drängen seiner Frau Amelburga, der Schwester Theodorichs, lehnt Irminfrid (in direkter Rede) die Einladung ab. Der Schwager möge zuerst ihn aufsuchen und sich seine Freiheit erkaufen. 3. Ironische Antwort Theodorichs (in direkter Rede): Er werde kommen, wie befohlen. Und wenn das Geld nicht reiche, werde er für seine Freiheit unzählige Köpfe von Thüringern und Franken geben. 4. Theodorich besiegt Irminfrid im Gau Märsten (in regionem Maerstem), verfolgt ihn bis zur Oker (Ovaccra) und schlägt ihn dort abermals beim Dorfe Ohrum (Arhen). Dann läßt er ein Lager errichten, damit sich das fränkische Heer erholen kann. 5. Als Theodorich hört, daß die wegen ihrer Tapferkeit weltberühmten Sachsen in Hadalaon gelandet seien, ruft er sie zur Hilfe. Er schwört mit zwölf Eideshelfern,' 2 ' daß er ihnen nach dem Sieg über die Thüringer deren ganzes Land bis zum Zusammenfluß von Saale und Unstrut (Unstrada) geben werde. 127

R. Holtzmann (192$), S. 114-125; W. Wattenbach-R. Holtzmann, T. I, S. 44-46. " 8 E. Schröder; R. Holtzmann (1925), S. 94-97; O. Gschwantler (1984). Zu den rustici in den Annalen und den gebaren in der Twinger-Tradition zusammenfassend J. Heinzle, Mittelhochdeutsche Dietrichepik, 1978, S. 271-274. Die Zwölfzahl muß keine marchen- oder sagenhafte Stilisierung sein; denn gelegentlich sind im Gerichtsverfahren tatsächlich 12 statt der üblichen 3 oder 7 Eideshelfer verlangt worden (vgl. z.B. den Kölner Gottesfrieden von 1083, MGH Const. I, Nr. 424,6).

78

6. D i e Sachsen richten ein solches Blutbad unter den Thüringern an, daß die Leichen eine Brücke über die Unstrut bilden. Irminfrid aber entkommt mit Mühe samt seiner Gemahlin und seinen Söhnen und einem miles namens Iring, als die Sachsen nachts die civitas Schidinga, in der sie sich eingeschlossen hatten, erobern. 7. N a c h Beratung mit den Seinen übergibt Theodorich den Sachsen das ganze Thüringerland, mit Ausnahme des von den Wäldern Louvia (Leube, Thüringerwald) und Haertz eingeschlossenen Landes, zu ewigem, zinsfreiem Besitz. Die überlebenden Thüringer aber müssen der königlichen Kammer einen Schweinezins entrichten. 8. Später (Post haec) ließ Theodorich den Irminfrid, o b w o h l er ihm Sicherheit gelobt hatte, hinterlistig in der Stadt Zülpich töten.

Den Rahmen der Partie bilden eine unvermittelt folgende Schlußbemerkung über Attilas Tod, über die noch zu handeln sein wird, und ein typischer Annaleneinsatz zur Datierung: Iustinianus Imperator annis 39 usw. Dieses Annalenprinzip aber bringt von vornherein eine grundlegende Abweichung gegenüber Widukind mit sich; denn mit dem Beginn im Jahre 532 entfällt die ganze Vorgeschichte aus der sächsischen Stammessage im Zusammenhang mit der ersten Landnahme. Ebenso fehlen die Figur Hathagats und die sächsische Siegesfeier sowie die Falkenepisode. Geblieben als Fixpunkt ist nur die Landung in Hadeln, die wie bei Rudolf von Fulda zeitlich unmittelbar mit dem Krieg zwischen Franken und Thüringern zusammenfällt. Die Sachsen werden gerufen, sie kommen und schreiten geradewegs zum Sieg. Wie Widukind hebt der Annalist hervor, daß ihnen der Sieg zum ewigen und zinsfreien Besitz des Thüringerlandes verholfen habe. Auch hier behält der Thüringerkrieg für den Sachsenstamm seine legitimierende Funktion. Anders als Widukind betont der Quedlinburger jedoch, daß das Land zwischen Thüringischem Wald (der Leube) und dem Harz von dieser allgemeinen, zinsfreien Schenkung ausgeschlossen worden sei. Damit kommt deutlich ein bestimmtes Territorial-Interesse zum Vorschein, das nach einer Vermutung H . Stöbes mit dem Streit zwischen Hersfeld und Halberstadt um den Zehnten im Hassegau zusammenhängen könnte. Stöbe, der die ganze Verwicklung der Sachsen in den Thüringerkrieg als ein »Beweisthema« jenes Zehntstreits entlarvt zu haben meint, steht nicht an zu behaupten, daß »dieses Machwerk«, nämlich das der sächsischen Chronistik, nur »zu dem Zwecke geschaffen worden ist, die Rechtsauffassung der Halberstädter Seite geschichtlich zu begründen und propagandistisch zu vertreten.«' 30 Soviel strategischen Weitblick

•>0 H . S t ö b e , S. 328.

79

wird man trotz aller Fälschungspraktiken einem einzelnen Bistum nun doch nicht zutrauen, vielmehr wird es sich so verhalten, daß ein bereits allgemein bewundertes Großereignis der Sachsengeschichte nachträglich zur Verfechtung lokaler Ansprüche benutzt worden ist. Der Quedlinburger Annalist verdankt seinen fränkischen Quellen, Gregor von Tours oder Fredegar, eine genauere Kenntnis der merowingischen Geschichte. Bei Widukind heißt der Vater Huga, und der uneheliche Thiadricus hat nur eine Schwester, nämlich Amalaberga. In seltsamer Verkehrung des Wahlvorgangs lädt Thiadricus als designates rex seinen Schwager ein, obgleich er vorher schon von den Franken zum König »gesalbt« worden ist. Der Quedlinburger kennt nicht nur Chlodwig, sondern er weiß auch die drei anderen Söhne beim Namen zu nennen. Er wiederholt sich hier sogar; denn schon der vorangehende Bericht über Valentinian I. enthält einen langen Einschub aus dem Liber historiae Francorum über die Franken bis zum Ende der Merowinger, in dem nicht nur Chlodwigs Söhne, sondern auch der Schweinezins erwähnt werden, den Hugo Theodoricus den Thüringern auferlegte. 1 ' 1 Von Amelburg ist keine Rede. Um so aufschlußreicher ist für seine Einstellung zur mündlichen, nicht-gelehrten Uberlieferung, daß er in seiner Darstellung des Thüringerkrieges wider besseres Wissen die Verwandtschaft mit Amelburga und Irminfrid um der Erbstreit-Motivierung willen beibehält. Da an seiner Selbständigkeit im ersten, chronikartigen Teil der Annalen Zweifel bestehen, könnte man ihm freilich auch unterstellen, daß er einfach unkritisch nacheinander von zwei verschiedenen Vorlagen abgeschrieben hat. Eigens erläutert wird Theodorichs Beiname Hugo — in einem Satz, der allerdings in Wortstellung und Wortwahl verdächtig an jene Glosse zum Amulung Theoderic erinnert, die als späte Interpolation 1 ' 2 gilt: H u go heiße »der Franke«, weil einst alle Franken »Hugonen« genannt worden seien, nach einem ihrer Herzöge namens Hugo. Man verweist dazu 131

Widukind redet nur allgemein von einem Tribut, der hier ( M G H SS 3, S. 30 u. 32) und dann auch vom Annalista Saxo ( M G H SS 6, S. 649, 687) als jener Schweinezins aufgefaßt wird, dessen Aufhebung Graf Wilhelm von Weimar 1002 für die Anerkennung Heinrichs II. erwirkte (Thietmar von Merseburg, Chron. V, 14; F S G A , Α., Bd. 9). Zum sächsischen Rinderzins vgl. M . Lintzel, Bd. I, S. 62, 74—86. H . Stöbe, S. 328 bringt diese Tributleistungen mit dem Halberstädter Zehntstreit in Verbindung.

1,2

Für beide Namen wird v.a. eine etymologische Erläuterung gegeben. Vgl. M G H SS 3, S. 3 1 , Z. 23 — 25: Amulung Theoderic dicitur; proavus suus Amul vocabatur, qui G o thorum potissimus censebatur. Et iste fuit Thideric de Berne, de quo cantabant rustici olim. — S. 3 1 , Z . 39Í. : H u g o Theodericus iste dicitur, idem Francus, quia olim omnes Franci Hugones vocabantur a suo quodam duce Hugone.

80

auf die als Hugas bezeichneten salischen Franken im Beowulf (2502, 2914), auf Hu(g)on in der afrz. Epik und natürlich auf den Hugdietrich der späteren mhd. Wolfdietrich-Dichtungen (Α, Β und D). Mit jenem Herzog H u g o ist vielleicht auch der in der ottonischen Geschichtsschreibung wohlbekannte Hugo von Franzien assoziiert worden, aber näher liegt es, das historische Vorbild für den Hugdietrich der Sage in Chlodwig (so K. Voretzsch, H. Schneider und J. de Vries) oder in Theuderich I. (so K . Müllenhoff und N . Wagner) zu suchen. Demzufolge wäre dann Hugdietrichs Sohn Wolfdietrich entweder Theuderich I. oder Theudebert. Widukinds Gleichsetzung von Chlodwig mit Huga läßt sich mit beiden Deutungsmöglichkeiten vereinbaren: Hugdietrich kann durchaus Chlodwig, den »fränkischen« Theoderich, meinen, im Unterschied nämlich zum ostgotischen Theoderich und zu Wolfdietrich. In den Quedlinburger Annalen dagegen ist H u g o Theodoricus »Theodorich [Theuderich], Hugos [Chlodwigs] Sohn«. A u f jeden Fall ist sowohl bei Widukind als auch beim Quedlinburger Annalisten der Einfluß der Sagenbildung außerhalb der lateinischen Historiographie zu erkennen.' 33 A u s dieser wiederum ist der Annalist mit dem historisch-rechtlichen Tatbestand vertraut, daß der uneheliche, aber vom Vater wegen seiner persönlichen sapientia und fortitudo134 hochgeschätzte Theodorich mit Zustimmung des ganzen Volkes den gleichen Anteil am Reich wie seine Brüder erhielt. Dadurch verschiebt sich die Motivierung beim Ausbruch des Konflikts: Fest bleibt die Rolle Amelburgas als Aufreizerin, und wie bei Widukind wird der Bastardvorwurf aufrechterhalten. Da Widukind nur den illegitimen Thiadrich und die legitime Amalberga kennt, sucht Thiadrich in der Botschaft an Irminfried um grundsätzliche Anerkennung als König nach, damit in die Eintracht des Frankenvolkes nicht Zwietracht gebracht werde, während Amalberga darauf beharrt, sibi regG . T . Gillespie, S. 8if.; E. Langlois, Table des noms propres de toute nature compris dans les chansons de geste, 1904, S. 348ff. ; K . Müllenhoff, D i e austrasische Dietrichsage, Z f d A 6 (1848), S. 4 3 j f f . ; K . Voretzsch (1900), S. 311 —315; H . Schneider, G e r m . Heldensage, Bd. I, S. 358; ders., D i e Geschichte und die Sage von Wolfdietrich, 1913; A . Heusler, H o o p s R L IV, S. 5Ö4ff. ; J. de Vries, D i e Sage v o n Wolfdietrich (1958). In: J. d. V . , K l . Schrr., 1965, S. 37—55.

134

N . Wagner (1977) hält Wolfdietrich für eine »Abspaltung« v o n dem Amelungen D i e t rich; Hugdietrich hingegen bedeute »Hugen-(Franken-)Dietrich«, hinter dem v. a. der M e r o w i n g e r Theuderich I. stecke. W e n n dessen Vater C h l o d w i g bei Widukind H u g a genannt w e r d e , so sei die F o r m nachträglich aus dem Vorderglied v o n Hug-dietrich abgeleitet. D a f ü r spricht, daß H u g - mehrmals in der N a m e n g e b u n g der Karolinger begegnet, aber bei den Merowingern völlig fehlt. Z u diesem T o p o s , den v. a. Isidor dem Mittelalter vermittelt hat, s. E. R. Curtius, E u r o p . Lit. u. Lat. M A . , 1948, S. i77Íf.

81

num cessisset iure hereditario.

In der Quedlinburger Version dagegen

steht am Anfang eine — honorifice gemeinte — Einladung zur (Feier der) electio.

A n der Legitimität von Theodorichs Königtum besteht kein

Zweifel, wohl aber verweigert sich das thüringische Königspaar dem Anspruch Theodorichs auf Thüringen als Teil seines Reiches — cuius parti cum Thuringia cessisset. Das fränkische Hegemonialstreben ist hier zu einem förmlichen Rechtsanspruch auf Thüringen verschärft worden, der sich bei Widukind höchstens in der Beteuerung Thiadrichs verrät, der Schwager möge in ihm non dominum, rem, sed propinquum

sed amicum,

non

imperato-

erblicken. Aus den unterschiedlichen Rechtsposi-

tionen resultiert nun die Zuspitzung auf einen ironischen »Ferndialog«, der sicherlich zum Grundbestand des verlorenen Liedes gehört hat. Bei Widukind hängt alles an der einfachen Opposition von Freiheit und Knechtschaft, in der Quedlinburger Version ist sie um die GeldMetapher erweitert: Irminfrid an Thiadrich: mirari tarnen non posse, quomodo usurpare vellet prius Imperium quam libertatem; servum natum, et quomodo sui quaereret dominium? Darauf Thiadrich — nimiam iram vultu Celans sereno: >Oportet nosad servitium Irminfridi festinare, quatinus, qui liberiate privamur, inani saltern vita fruamurVeniat primumferens secum multiformis pecuniae cumulum, ut emat ab uxore mea, ab utroque parente nobili, me iubente, libertatis testamentum.< Hugdietrich erwidert erregt (commotus), er werde kommen wie befohlen, und wenn das Geld für die Freilassung nicht reiche, werde er mit den Köpfen erschlagener Thüringer und Franken bezahlen. In der einzigen Abschrift der Annalen lautet die Antwort zunächst: >Veniam ut iussisti, et si aurum mihi non defecerit, suffecerint pro liberiate mea Thuringorum Francorumque capita et dabo numero inexplicabilia.< Das non vor defecerit legt eine Athetese nahe, aber ein anderer Schreiber hat einen noch tieferen Eingriff vorgenommen und verbessert: >[...] si aurum mihi non suffecerit, pro liberiate mea Thuringorum Francorumque capita tibi dabo numero inexplicabiliaIdpro certo tibi notifico, quia reges sunt placati et hoc, quod quatinus hereditarie possedebamus, ex Iringi superflua ratiocinatione modo in prestationem recepimus< (S. 160, Z. 2— 5). Iring, bei Widukind als vir [...] acer ingenio, acutus Consilio etc. gelobt, wird hier wegen seiner überflüssigen ratiocinatio getadelt — ein philosophisch-rhetorischer Begriff, 1 ' 8 der in diesem Kontext platterdings »Schlaumeierei« meint. Der Thüringer könnte zu seinem Namen in Erinnerung an jenen Wido Thuringus gelangt sein, der nach Widukind (I, 38) eine uneheliche Schwester Heinrichs I. geheiratet hatte und dessen Burg vor der Schlacht bei Riade (das wohl zwischen Helme und Unstrut lag) vergeblich bestürmt wurde. P. Höfer hat die Namen Wito (Koseform: Vitze) und Gozhold (Koseform: Gozzo) mit der Vitzenburg und mit Burg Goseck (Gozcoburch, Gozzesburg) in Verbindung gebracht und aus der Jagdanekdote auf Burggründungssagen des 10. Jhs. geschlossen.159 Beide Burgen waren zeitweilig im Besitz der Billunger und lagen in der Nähe der Unstrut. Wären in diesem Falle Burggründungssagen bezeugt, hätte man geradezu ein Paradigma für nachträgliche Sagenbildung an der Peripherie der Heldendichtung im Kreise adeliger Hausüberlieferung. So bleibt es bei einer ansprechenden Vermutung. Grundsätzlich stimmen zunächst beide Fassungen der Jagdanekdote in dem do ut ¿es-Angebot überein, das der Besitzer dem Finder für die Aushändigung des Verlorenen macht. Mit Widukind gemein hat der Anonymus auch noch den Verrat des Geheimnisses, doch dann weicht er von jenem mit einer zweiten Pointe ab: ungewollt zeigt Wito dem Gozhold die Furt durch die Unstrut. ,i8

H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, Bd. i , 1960, §§ 158, 221, 3 7 1 . P. Höfer, S. 61. Z u den beiden Burgen: W. Schlesinger (1941), S. 169; H. Stöbe, S. 179 u. A . 319, 326, 425. Stifterchronik von Kloster Gosek, M G H SS 10, S. 140—157.

94

Genauer als Widukind orientiert sich der Anonymus in seiner Raumvorstellung an der Unstrut und ihren Ufern. Was sich schon bei der Darstellung der einander gegenüberliegenden Heere und bei der Begegnung der beiden Reiter zeigte, bestätigt sich jetzt aufs Neue, als die Schwaben die Furt zum Überraschungsangriff nutzen: Die Situation wirkt überschaubar, plausibel und konkret. Dagegen belebt Widukind die Szene durch Dialog. Auch bei ihm fehlt nicht der Geheimnisverrat, der als notwendiges Bindeglied in der kausalen Ereignisverknüpfung fungiert. Das fehlende Motiv der Furt muß darum noch kein »Fehler« sein, weil es zur N o t entbehrlich ist. Ohne Zweifel aber gewinnt mit dem gewollten und dem ungewollten Verrat die Geschichte erst richtig Hand und Fuß. Damit existieren zwei Versionen nebeneinander, deren Verhältnis zueinander sich stemmatisch kaum exakt beschreiben läßt: Entweder hat der jüngere Anonymus die ihm ja bekannte Fassung von Widukind/ Frutolf selbst erweitert, indem er die beiden Figuren benannte, dem Habicht einen Reiher zugesellte und den Geheimnisverrat verdoppelte — oder er stützte sich daneben auf eine unbekannte Quelle unbestimmten Alters, die schriftlich oder mündlich gewesen sein kann. In diesem Falle läge von vornherein eine Kontamination vor, und zwar bei einem Autor, der — wie sein Umgang mit den beiden origines beweist — keineswegs seinen schriftlichen Quellen aufs Wort folgt. Die Divergenzen in Wortwahl und Syntax müssen sich nicht notwendig aus Varianten erklären, die sich beim Übersetzen einer volkssprachlichen Vorlage ins Lateinische eingestellt hätten, weil es schließlich unterschiedliche Grade der Sprachfertigkeit im Gebrauch des Mittellateinischen gibt. Varianten sind selbstverständlich ebensowenig wie konstante Formeln ein exklusives Merkmal der Mündlichkeit. Das einzig triftige Argument für die Benutzung einer zweiten Quelle, die mittelbar oder unmittelbar der Mündlichkeit verhaftet gewesen sein könnte, ist die N o tiz, daß Irminfrid zum Hunnenkönig Attila ins Exil gewandert sei. N u r darum möchte man die Hoffnung nicht missen, daß hier in die so überwiegend gelehrt-lateinische Überlieferung der Iringsage etwas aus der volkssprachlichen Sage eingemündet sei. »Von Widukind unabhängige, lebendige volkssage ist hier um so mehr anzuerkennen, weil sie zuletzt [ . . . ] an die große heldensage anknüpft«, urteilt Müllenhoff. l S o Die schon von Wilhelm Grimm gerühmte »eigenthümliche und lebendige Verschiedenheit der Sage« IÄI kann man gelten lassen, nicht aber das ,Alteren NotNot< nach eigenem Bekunden auch niederdeutsche »Erzählungen« von Männern aus Soest, Bremen und Münster, die meist mit den alten deutschen »Liedern« (in gebundener Rede also) übereinstimmten.' 85 Angesichts dieser Symbiose von mündlichen und schriftlichen, von ober- und niederdeutschen, von altnordischen und lateinischen Quellen in ungebundener und gebundener Rede wird man mehr noch als beim Nibelungenlied dazu übergehen müssen, die Thidrekssaga in ihrem »Sosein« synchronisch zu erfassen. Gleichwohl ist es Roswitha Wisniewski zu einem ,β)

Karl Lachmann, Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth, Berlin 1816. Nachdr. in: Das deutsche Versepos. Hrsg. v. W. J . Schröder, 1969,

18,1

Zu den von H . Paul und F. Panzer einerseits, von W. Wilmanns und A . Heusler anderseits vertretenen Positionen vgl. den einleitenden Forschungsbericht von R. Wisniewski (1961), S. 1 — 22 sowie die methodisch vorbildliche Untersuchung von G . Lohse. Z u den Quellenberufungen - v.a. im Prolog und am Schluß der Niflungensaga (II 327,14) — vgl. die Zusammenfassung von H . Voigt in der Neuausgabe der Ubersetzung von F. Erichsen, Slg. Thüle, Bd. 22, S. 469—471 und H . Hempel (1952), S. 144^ - Z u den ndd. Elementen im Niflungenuntergang vgl. L . Polak, K . Droege, H. Hempel, L. Huchting-Gminder, D. Hofmann (1981) und v.a. R . Wisniewski.

s.

,8i

4 4 - 4 7 ·

112

guten Teil gelungen, die Kontaminationen in der Darstellung des Niflungenuntergangs zu entwirren: Sie erschließt für die Saga im genauen Vergleich mit dem Nibelungenlied konkrete Züge eines »zweiten« Quellenbereichs neben der Alteren N o t . In jenem scheinen niederdeutsche Dietrich-Dichtung und eine Historia Dietrichs von Bern, die womöglich im Kloster Wedinghausen aufgeschrieben und mit Soester und westfälischen Lokaltraditionen versetzt wurde, zusammenzufließen. Die Methode, nach Doppelungen zu suchen, deren Ergiebigkeit Bumke für die Vorlagen-Rekonstruktion der Brünhildfabel demonstriert hat, wird hier allerdings gelegentlich überstrapaziert, weil jede Doppelung systematisch auf zwei Vorlagen, nämlich auf die Altere N o t und jene zweite Quelle zurückgeführt wird. Schließlich handelt es sich um ein gängiges Erzählprinzip mittelalterlicher Epik. Vorbehalte wären erst recht anzumelden bei Folgerungen im Hinblick auf die Vorstufen dieser Vorlagen. Deshalb sollen hier vornehmlich die beiden erhaltenen Fassungen zum Iring-Komplex miteinander verglichen werden, um einmal an Hand von Gemeinsamkeiten Konstanz und Kohärenz der Iring-Figur und -Episode und um zweitens bei Abweichungen, Unklarheiten und Widersprüchen eine mögliche Mehrgleisigkeit der Uberlieferung plausibel zu machen. Vorab soll kurz die Irung-Partie rekapituliert werden: ι.

N a c h vergeblichen Anläufen bei Thidrek, Blodlin und Attila kann G r i m hild Irung während des Fests im Baumgarten für ihren Racheplan gewinnen. Sie will ihm den Schild mit rotem Gold füllen oc her med alla mina vinatto (307,2if.). E r soll zuerst die Knappen (sveina) erschlagen und alle Niflungen beim Betreten oder Verlassen des Gartens töten (307,8-308,7).

2. a) Den Kampf entfacht die von Grimhild provozierte Tötung des AttilaSohns durch Högni (308,8 — 309,14). [Die Ausgangssituation für den Knappenmord ist präsent, aber vom Uberfall selbst ist nicht die Rede.] b ) D i e aus dem Garten drängenden Niflungen gleiten auf frischen Ochsenhäuten aus (309,16—19), 1 8 6 die Grimhild vor dem T o r hatte ausspannen l8
' W. Wilmanns (1903), S. 9—33, hier: S. 2of.; A . Heusler, a.a.O., S. 530.

116

Vertrauensverhältnis zwischen der Königin und ihrem Ritter nicht. Latent begegnet hier ein Motiv, das auch Widukind nicht ausgeführt hat, wohl aber die langobardische Sage. Im Hauptmotiv des Goldes aber stimmen beide Texte überein, nur piazieren sie das Attribut vom »roten« Gold unterschiedlich: Grimhild bietet Irung in der Kampfpause » G o l d und S i l b e r und anderes mehr«, im Nibelungenlied verspricht sie Bioedel u.a. » s i l b e r unde golt«. Vor der Aufreizung zum Knappenmord verspricht sie Irrung: »Ich füll'dir diesen Schild mit r o t e m G o l d , so voll er nur sein kann, und dazu bekommst du meine Freundschaft.« Im Nibelungenlied lautet die Aufforderung zum Kampf gegen Hagen: [...] »der mir von Trortege Hagenen slüege unde mir sin houbet her für mich triiege, dem fult' ich rôtes goldes den Etzelen rant, dar zuo gaebe ich im ze miete vil guote bürge unde lant« (2025).

Damit wendet sich Kriemhild an alle, nicht speziell an Iring. Dieser warnt sterbend noch seine Gefährten: »die gäbe sol enphâhen iwer deheines hant von der küneginne, ir liehtez golt vil rôt« (2068,2—3).

Das »rote Gold« ist ein Motiv, das fest mit Iring/Irung verknüpft ist, »Silber und Gold und sonstiges« könnten ursprünglich Bloedel vor dem Knappenmord angeboten worden sein. Das Bild des roten Goldes wird gewahrt; neu hinzu kommt im Nibelungenlied das Motiv der ère. Sie — Inbegriff heroischer Tradition und höfischer Aktualität zugleich — ist die eigentliche Triebfeder für Irings Handeln. Kriemhilds Wunsch und ihr rotes Gold geben nur den äußeren Anstoß. Nach dem ersten Waffengang »dekoriert« Grimhild ihren Freund mit zwei Goldringen, während im Nibelungenlied die Königin ihrem Kämpfer eigenhändig den Schild abnimmt — beides Gesten der Auszeichnung. Im Tode jedoch unterscheiden sich Iring und Irung: Jener kann noch zu Kriemhild und den Seinen fliehen und in ihrer Mitte sterben, dieser stirbt allein. Man beklagt Irings Tod — auch das eine Form der Ehrerweisung — und will ihn rächen. Dafür ehren die Soester Bürger Irung »bis auf den heutigen Tag« mit einer »Irungswand« : Auch im Nibelungenlied gibt es bei aller Betroffenheit und Faszination durchaus eine Distanz zwischen der Gegenwart des Uns von Erzähler und Publikum und der Vergangenheit der alten maeren, aber es ist ein Verhältnis der Spannung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, das sich im Erzählen vermittelt. In der Thidrekssaga hat sich die "7

Distanz zur Vergangenheit soweit vergrößert, daß die Wahrheit des Erzählten handfester Beglaubigung bedarf — in Form eines Denkmals. Was erinnert — abgesehen von der Irungswand oder -mauer — in der Nibelungensage an die Iringsage? Die Thidrekssaga kennt Irminfried, Thüringen und damit die Iringsage nicht; denn ihr Irung ist ein Held der Niflungensage. Der Dichter des Nibelungenliedes hat für Irnfrit nur das farblose Epitheton ein küener jüngelinc (2031) übrig, aber er weiß von seiner freundschaftlichen Beziehung zu Iring und von seiner Herkunft aus Thüringen, obgleich dieses Land kein Schauplatz des Geschehens ist. Iring und Irnfrit sind verknüpft mit dem letzten Kampf und dem Untergang der Burgunden, so wie sie es einst mit dem der Thüringer waren. Der Untergang sowohl der Burgunden als auch der Thüringer wird herbeigeführt durch eine Königin, die zum Krieg gegen Angehörige der eigenen Sippe anstiftet: beim Thüringerkrieg ist es die herrschsüchtige Amalaberga, beim Burgundenkrieg die rachsüchtige und zugleich machtbewußte Kriemhild. In der Fabel von Siegfrieds Tod vertritt Brünhild die Stelle der Königin, deren Werkzeug ein starker Gefolgsmann des schwachen Königs wird: hier Hagen (vgl. Str. 917, 1010, 1013), dort Iring. Beide begehen Verrat; Iring aus Untreue, Hagen aus Treue gegenüber dem eigenen Herrn. Die triuwe-untriuwe-Thematik ist in der Nibelungensage mit Hagen und nicht mehr mit Iring verknüpft, aber vielleicht ließ man Hagen und Iring gerade deshalb einander im Zweikampf begegnen, weil man um deren, mit einem Mord belastete, Vergangenheit wußte. Ohnehin neigt ja die spätere Heldenepik dazu, Helden, die nach Rang und Tat als einander ebenbürtig gelten konnten, gegeneinander auszuspielen, wie z.B. Siegfried gegen Dietrich von Bern im Rosengarten. Die Frage nach der »Kenntnis« der Iringsage läßt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Im Rahmen der Heldenepik insgesamt kann man immerhin eine gewisse strukturelle Übereinstimmung beider Fabeln konstatieren. Ist der Ursprung das große Thema der Stammessage, so hier der Tod eines einzelnen und der Untergang aller im Wechselspiel von Treue und Verrat.

118

Vili.

Die sächsische Stammessage zwischen Latinität und Volkssprache

ι.

Die Stammessage in Reim und Prosa: Annolied, Kaiserchronik und Sächsische Weltchronik

D i e Sage v o m Untergang des Thüringerreiches ist Teil sowohl der H e l den- als auch der Stammessage. Entsprechend zweisträngig verläuft auch die

Überlieferungsgeschichte:

Auf

dem

schwankenden

Boden

der

Mündlichkeit führt ein weithin unbekannter W e g von der Unstrut an die D o n a u und von hier nach Soest, d. h. vom frühmittelalterlichen Iringlied z u m hochmittelalterlichen Nibelungenepos. Schon am A n f a n g mehr oder minder mit der sächsischen Stammessage verknüpft, wird

die

Iringsage nun bis zur Unkenntlichkeit einer anderen Heldensage integriert. A u f dem sicheren Fundament der Schriftlichkeit verläuft dagegen der gut erhaltene W e g der Iringsage im G e f o l g e der sächsischen Stammessage, der nun weiter verfolgt werden soll bis in die sächsisch-thüringische Landesgeschichtsschreibung des späten Mittelalters und der f r ü hen Neuzeit. D e r Ausgangsort ist jedoch das Kloster Siegburg gegen E n d e des u . Jhs., denn hier teilt sich der W e g : N e b e n dem althergebrachten lateinischen, der auch weiterhin der H a u p t w e g bleibt, setzt hier — mit dem Annolied und der Regensburger Kaiserchronik im G e f o l g e 1 ' 2 1,2

Das Annolied. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Hrsg., übers, u. kommentiert v. E. Neilmann, 1975 (= Reclams UB. 1416); Die Kaiserchronik eines Regensburger Geistlichen, hrsg. v. E. Schröder, 1892 (= M G H Dt. Chron. 1/1). Der Bericht der Kaiserchronik über die Kämpfe Casars gegen die deutschen Stämme kehrt u. a. in Jansen Enikels Weltchronik wieder, wo allerdings die Sachsen nur mehr der Vollständigkeit halber erwähnt werden (MGH Dt. Chron. III, 1900, w . 2 1 1 1 3 —21118); denn die folgende Begegnung mit den exotischen platfüezen ist dem Erzähler wichtiger. Die spätere alemannische Chronistik schildert dagegen ausführlich die Kämpfe mit den Schwaben (vgl. Der keiser und der kunige buoch oder die sogenannte Kaiserchronik, hrsg. v. H. F. Massmann, Th. 3, 1854, S. 464-472, 541 — 547). In den Handschriften des Urschwabenspiegels findet sich als geschichtliche Einleitung ein Prosa-Auszug aus der Kaiserchronik. In diesem buoch der künege niuwer ê wird das, was in der Kaiserchronik u. im Sachsenspiegel über die Herkunft u. Ankunft der Sachsen gesagt wird, auf die Deutschen allgemein übertragen: 18 Schiffsbesatzungen erobern Preußen, 12 Böhmen (!) u. 24 komen ze tiutschem lande und besazen daz (hrsg. v. H. F. Massmann, in: A. von Daniels, Land- u. Lehenrechtsbuch, Bd. 1, 1858, S. CXXIII).

119

— der neue volkssprachliche Weg ein, der freilich nur in Teilstrecken erhalten ist. Zudem laufen beide Wege nicht einfach nebeneinander her, sondern sie überschneiden sich des öfteren. Das Annolied dient dem Lobpreis Annos. Zu diesem Zwecke wird die ganze Weltgeschichte im Spiegel der Heilsgeschichte gesehen, und im Brennpunkt stehen Köln und sein Erzbischof. Konstitutiv ist die »liedhafte Knappheit« : im gerafften Uberblick wird zitiert, was die Weltchronik eines Frutolf von Michelsberg in aller Breite ausführt. Im Annolied ist alles auf einen Punkt konzentriert, doch »was als Verengung des Blickfeldes erscheinen konnte, bedeutet in Wirklichkeit die entscheidende Erweiterung. An Anno wird deutlich, daß die Geschichte in die Ewigkeit mündet« (D. Knab).'93 Der Prolog scheint das Uns ist in alten maeren zu antizipieren, wenn er die »alten dinge, von denen wir so oft gehört haben«, evoziert, doch dann folgt der memoria an Vergangenes die ans Künftige: nä ist cît, daz wir dencken, wie wir selve sulin enden. Anno ist das ceichen der Verheißung, das Christus uns gegeben hat. Erreicht wird das Lob dieses heiligmäßigen Mannes in einem »doppelten Anlauf« (E. Neilmann): Im ersten Teil läßt der Dichter die Stationen der Heilsgeschichte bis zum Kölner Episkopat Annos (Abschnitt 7) Revue passieren, der zweite Teil führt nach einem Uberblick über die Profangeschichte ebenfalls zu diesem Zielpunkt (Abschnitt 33), und der Schlußteil ist zur Gänze dem Wirken Annos gewidmet, der sin ère als weltlicher und geistlicher Herrscher beidinthalb zu wahren verstand. Wie bei Frutolf ist die Weltgeschichte nach Weltaltern und Weltreichen gegliedert, doch dessen Idee der Translatio imperii ad Francos liegt hier nur mehr erst »in der Luft«. An ihre Stelle tritt die Vorstellung von einem Zusammenwirken zwischen Caesar und den Deutschen, wobei Bezüge zwischen den deutschen Stämmen (die jetzt keine germanischen mehr sind) und den Weltreichen zumindest angedeutet werden. Zu Beginn von Caesars Krieg gegen Gallien und wider diutsche lant fügt der Annolied-Dichter — strukturell an derselben Stelle wie Frutolf — seine Berichte über die Herkunft der deutschen Stämme ein, aus deren hohem Alter zugleich die künftige Bedeutung erhellen soll. Zu diesem Zweck werden eigens die origines der Schwaben und Bayern erfunden, während die makedonische Herkunft der Sachsen und noch mehr die trojanische der Franken schon durch Chroniken verbürgt waren. Zitiert werden die origines in aufsteigender Linie. Schon die Bayern 1 ' 4 sind mit ihrer Her-

1,4

D. Knab (1962), S. 85. Zur bayerischen Stammessage vgl. Hans Zeiß, Bemerkungen zur frühmittelalterlichen

120

k u n f t aus Armenien, dâ Nôê ûz der arkin ging, den Schwaben gegenüber ausgezeichnet, die mit ihrem — Isidor (Etym., lib. IX,ζ,98) entlehnten — berge Suêvo ja nicht den Ararat vergleichen können (Abschnitt 19 u. 20). D e n edelin Franken (Abschnitt 22) gegenüber sind die Sachsen schon w e g e n ihres Wankelmuts im Nachteil. Diesen Ruf verdanken sie w o h l dem perfidia-Vorwuú

der karolingischen Geschichtsschreibung; denn

Caesar ergeht es — so darf man ergänzen — wie Karl dem G r o ß e n : Immer wenn er glaubte, sie überwunden z u haben, widersetzten sie sich ihm von neuem (21,3^). Man lisit von ihnen, daß sie des Alexandris

wunterlîchin

man waren (21,6). Das klingt nach Widukind von C o r v e y ,

d o c h dieser nennt nicht die viere sini man (21,10), die nach H i e r o n y m u s bei Alexanders T o d das Reich unter sich teilten. U n d die Vita

Altmanni,

die nicht nur die armenische A b k u n f t der Bayern, sondern auch die Diadochen erwähnt (Ptolemeus et Antiochus

et alii quamplures),

datiert

später (1125 —1141). W i e bei Widukind landen dann die makedonischen Sachsen cir Eilbin, da die Duringe

du sâzin (i4f.). U n d wieder begegnet

die Episode v o n den langen Messern, damidi si die Duringe

slûgin mit

untrüwin ceiner sprâchin (2of.), während von der zweiten Landnahme im Verein mit den Franken nicht die Rede ist. D i e Messerepisode wird ganz eindeutig gegenüber dem eigentlichen Thüringerkrieg bevorzugt, weil sie das etymologische A r g u m e n t für den Ursprung des Stammesnamens liefert. So auch hier: von den mezzerin also wahsin wurdin si geheizzin Sahsin (21,23^) D i e Lesart, ein Duringin sahs (ιι,τγί.),

du dir siddi was, daz si mihhili mezzir

hiezin

ist singulär, sind es doch sonst die Sachsen selbst, die ihre

W a f f e so nennen und nicht »die anderen«. Die Kaiserchronik

ersetzt

denn auch wieder die Thüringer durch ein unbestimmtes man (v. 336). W e n n sie außerdem das pejorativ gemeinte W o r t v o m wankeli Sachsen (21,1) durch grimmigez

mût der

muot (v. 325) verbessert, so greift sie

Geschichte Baieras, Z f b L G 4 (1931), S. 351 — 366 u.v.a. Michael Müller. Die armenische Herkunft wird zunächst eine Verlegenheitslösung gewesen sein, weil die Trojaner und Alexander schon von anderen beansprucht wurden. In Verbindung mit dem biblischen Noah konnte sie die Berufung auf antike Vorbilder überbieten. Die jüngere Passio Quirini vom Ende des 12. Jhs. (s. M. Müller, S. 348ff.) scheint bes. typisch für das sich in den Stammessagen widerspiegelnde Konkurrenzverhältnis zwischen den deutschen Stämmen: Anders als die Sachsen und Schwaben gelten die Bayern als treu, fromm und friedfertig; sie stammen nicht von Alexander ab, wohl aber haben sie einst gegen ihn gekämpft. — Vita Altmanni, M G H , SS 12, S. 226ff.; Übers, u. Kommentar v. J. Oswald, in: FS Der hl. Altmann, Göttweig 196$, S. i42ff. — Im übrigen s. auch Anm. 97 zu Aventin.

121

nicht nur den im Zusammenhang mit der Messerepisode üblichen Topos wieder auf, sondern sie nimmt — wie bei der wohlwollenden Charakteristik Lothars III. — wohl auch Rücksicht auf die Interessen des Weifenhofes. Im übrigen wird der Sachsen-Abschnitt des Annoliedes unverändert übernommen. Festzuhalten ist, daß mit dem Annolied und der Kaiserchronik zum ersten Mal ein Teil der Sachsensage in der Volkssprache überliefert ist, und zwar von Klerikern für Laien. Daß dabei die mit Iring und dem Thüringerkrieg verknüpfte Heldensage aus der Stammessage ausgeklammert wurde, versteht sich aus der dezidiert geistlichen Wirkungsintention beider Texte. Der Dichter des Annolieds ist wie sein Publikum mit Heldendichtung vertraut (1,1—6), und er überbietet diese Konkurrenz, indem er ihr ein Preislied auf seinen geistlichen Helden entgegensetzt. Wie der Siegburger sieht sich auch der Verfasser der Kaiserchronik im Dienste einer metaphysischen Wahrheit, als deren oberstes Kriterium eben nicht Faktizität, sondern Spiritualität gilt. Doch der Regensburger weiß sich zugleich der historischen Wahrheit verpflichtet, wenn er gegen diejenigen polemisiert, die erdenchent in lagene unt vuogent si zesamene mit scophelichen Worten (v. 29—31). Das zielt auf Geschichten-Erfinder, die die Chronologie so verwirren, daß sie Attila und Dietrich von Bern gleichzeitig auftreten lassen (v. 14176—14187) — ein Vorwurf, den auch Frutolf und Otto von Freising (Chronica V,}) der Heldenepik machen. Mit Frutolf von Michelsberg behauptet zwar weiterhin die lateinische Historiographie ihre Dominanz, aber die Rezeption der Kaiserchronik zeigt, daß die volkssprachliche daneben keineswegs wieder verschwindet. Nur genügen solche Distanzierungsversuche wie die des Verfassers der Kaiserchronik nicht mehr zur Rechtfertigung einer poetisierenden Geschichtsschreibung. Um 1190 verlangt Heinrich der Löwe von seinen Hofklerikern, bei der Ubersetzung des Lucidarius die Prosa zu wählen — wan sie ensolden nicht schriben wan die warheit, als ez zu latine steit:I9S Erst mit dem Wahrheitssiegel der Prosa findet die sächsische Stammessage über die Sächsische Weltchronik und den Sachsenspiegel Eingang in die schriftlich-volkssprachliche Uberlieferung. lagene sal uns wesen leit,

daz ist des van Repgowe rat (v. 88f.). Lucidarius aus der Berliner Handschrift, hrsg. v. F. Heidlauf, 1915, vv. 1 i f f . (DTM 28). Dazu u.a.: W. Besch, Vers oder Prosa? Zur Kritik am Reimvers im Spätmittelalter. In: FS H . Eggers, P B B 94 (1972), Sonderh., S. 755 — 766; W. Haug, Literaturtheorie im deutschen Mittelalter von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, 1985, S- 2 3 5 - 2 4 9 .

122

Diese beiden Verse aus der Reimvorrede der Sächsischen Weltchronik196 sind ein weiterer Beleg für den Wahrheitsanspruch einer Geschichte in Prosa, doch der Literatur- und vor allem der Rechtsgeschichte lieferten sie das entscheidende Argument für die Verfasserschaft Eikes von Repgow. 197 Ihm verdankt die Sächsische Weltchronik ihren Ruhm, ihren literarhistorischen Stellenwert behauptet sie dennoch als älteste weltgeschichtliche Darstellung in (mittelnieder-)deutscher Prosa. Das heißt, womöglich beginnt sie — und das wäre kennzeichnend für das Beharrungsvermögen der Reimchronik, deren Anspruch auf historische Wahrheit noch längst nicht diskreditiert ist — in der gemischten Darbietungsform des prosimetrum, das vereinzelt auch in der lateinischen Historiographie, etwa bei Liudprand von Cremona, Gottfried von Viterbo und Saxo Grammaticus, begegnet. In der ursprünglichen Langform (so die freilich nicht unbestrittene Hypothese Herkommers) der Rezension C, die auf etwa 1260—1275 z u datieren ist, wechseln noch Vers und Prosa. In drei Handschriften (Weiland, Nr. 20—22 = Schröder, Nr. 5 —7) der Gruppe C 1 sind nämlich nicht nur große Teile aus der Weltchronik des Martin von Troppau eingeschaltet, sondern sie sind auch vor allem mit ca. 13500 von den insgesamt 17283 Versen der Kaiserchronik durchsetzt, unter denen sich nicht zuletzt die Verse 325 — 342 über die Sachsen und Thüringer finden. 1 ' 8 Im Unterschied zu dieser Gruppe sind in den Handschriften 18, 19, 23, 231 und 24, zu denen jetzt noch das jüngst aufgefundene Hildesheimer Fragment 1 " zu rechnen ist, die Verse der Kaiserchronik in Prosa aufgelöst worden. Diese insgesamt neun Handschriften der Rezension C heben sich von den Kurzformen A und Β weiter ab durch eine Übersetzung von Frutolfs Origo Saxonum (s.o. VI,i). Damit ergibt sich aus der Uberlieferungsgeschichte eine im Hinblick auf die Rezeption interessante Vergesellschaftung zweier Versionen des Thüringerkrieges: Die — zwischen 1370 und 1482 in Erfurt entstandene200 — Pommersfeldener Handschrift 21 bietet wie 20 und 22 zunächst die Stammessage des Annolieds in der Reimfassung der Kaiserchronik (Schröder, Nr. 6), und dann (fol. i39 r —141") die ausführlichere Prosa-Ubersetzung der Widukind-Frutolf-Version.

1.7

1.8

200

Sächsische Weltchronik, bearb. v. L . Weiland, 1876, S. 66 ( M G H Dt. Chron. II/i). H . Herkommer (1977), S. i i f . - Zur Sächsischen Weltchronik als prosimetrum: H . Herkommer (1972), S. 162—165. Vgl. die tabellarische Übersicht bei H . Herkommer (1972), S. 133. M . Menzel, Ein Hildesheimer Fragment der sächsischen Stammessage. In: Z f d A 1 1 6 (1987), s. 1 2 4 - 1 3 3 . H . Herkommer (1972), S. 1 0 7 - 1 2 2 .

123

Diese Vorlage wird vollständig und so genau wiedergegeben, wie es das Niederdeutsche zuläßt. Iring, der z.T. wie in der Thidrekssaga Irung heißt, wird z.B. folgendermaßen charakterisiert (vgl. Widukind 1,8): Dese Irung was en kone man, en stark man, en h er dich man, unde wis to allerhande rade; darumbe was he heimlie deme koninge, unde stunt al sin rat an imme (S. 261, Ζ. 4—6). In der Schlußszene legt er sinen herren uppe Diderikes buk (Frutolf: super cadaver), und de(r) witte wech, de over dene himel geit, het de Iringestrate wante an disen hudeliken dach (S. 263, Z. 26—2${.). Die Sachsen landen nicht mehr in Hadulöha, sondern in Litthuloga (S. 259, Z. 9), von einigen Schreibern auch als Luchtloga (Nr. 18, 19), Lutygola (22), Lutigula (21) ge- oder verlesen — die Erinnerung an den alten Landeplatz ist also nicht mehr lebendig. N u r an zwei bezeichnenden Stellen wird gegenüber der Vorlage erweitert. Zum einen gibt es nach der Messerepisode mit der Oker einen neuen Grenzfluß, dessen Name etymologisch von der kere der Duringe abgeleitet wird: Do karden de Duringe van den Sassen over en water; darumbe wart dat water gebeten Overkêr, dat nu het de Ovekere, de dur Bruneswic vlutet (S. 260, Z. 34Í.). Hier ist ein bestimmtes territorialgeschichtliches Interesse im Spiel, so wie auch in der Vita Altmanni, w o die Sachsen die Thüringer zunächst usque ad montem, qui Ramisberc dicitur, also bis zum Rammeisberg bei Goslar, verdrängen. Z u m anderen aber wird die Abkunft der Sachsen vom Heer Alexanders des Großen nicht mehr n u r behauptet, sondern zu einer eigenen Vorgeschichte ausgebaut — ein Indiz für das Gewicht, das gerade der Herkunftssage beigemessen wurde. Der Anfang der Erzählung fußt — wie schon L. Weiland bemerkt hat — auf der Glosse zum Sachsenspiegel Ldr. III 44 § 3,201 die auch von der Schöppenchronik aufgenommen worden ist: König Nabugodonosor strebt die Weltherrschaft an. Zuletzt ergeben sich de van Secilien. Nachdem Holofernes von Judith erschlagen worden war, unterstellte sich das Heer Petrocilus, dat bedudet sik einen steingreve, also eine Ableitung von petra. Der König von Babilonia half ihm bei der Unterwerfung aller Länder. Die Nachfahren aus dem Heer des Petrocilus, die Petrolen, hießen Kesserlinge (»Kieselsteine«), Zuletzt schlossen sie sich Alexander von Macedonya an und kämpften mit ihm gegen König Darius. Nach Alexanders Tod plichteden de van Asya unde de van Over-Secilia uppe de Petrolen und eroberten deren Stadt Meraris, so daß die Petrolen beschlossen, mit 300 »Kielen« das Land zu verlassen (S. 259, Z. 1 7 - 3 3 ) . 201

L. Weiland, wie Anm. 196, S. 259, Anm. 1.

124

Es folgt die auch aus dem Sachsenspiegel (Ldr. III 44 § 2) und vor allem den Annales Stadenses bekannte Landung der restlichen 54 Schiffe an drei verschiedenen Orten, nur mit einer genaueren Variante: 18 Schiffe gelangen nach Preußen, do was id noch ein wiltnisse, unde de sulven sint gewandelt in beiden.101 Unde 12 quemen derkele in Rutzen, van den sint gekomen de Storniere, de twischen Holsten unde Hadelere sitten (S. 2J9, Z. 37f. — vgl. Ssp., Ldr. III 64 § 3); und 24 quemen der kele hir to lande. Einerseits wird also die mit der Trojanersage konkurrierende Makedonensage erweitert (s.u. VIII,3), andererseits begnügt man sich nicht mehr mit der Antwort, woher »die« Sachsen kamen, sondern es interessiert obendrein deren Verteilung auf die verschiedenen Landstriche. Insgesamt steuert die Sächsische Weltchronik kaum Neues zur Stammes- und Iringsage bei, wohl aber hat sie deren Verbreitung wesentlich gefördert. Darin übertroffen wird sie noch vom Sachsenspiegel, dessen Wirkung innerhalb der mittelalterlichen Literatur ja unvergleichlich ist. Da die sächsische Stammessage hier überlieferungsgeschichtlich involviert ist, soll am Beispiel der Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieser beiden Texte kurz der wechselseitige Austausch zwischen Volkssprache und Latinität rekapituliert werden: Beide Texte repräsentieren eine wichtige Station in der Geschichte der volkssprachlichen Prosa, gleichwohl bezeugen beide, daß die Brücke nicht nur zum Reim, sondern auch und vor allem zur Latinität nicht abgebrochen wird. Die Sächsische Weltchronik adaptiert vier Fünftel der gereimten Kaiserchronik, Eike von Repgow stellt seinem Werk wie der Verfasser des Lucidarius eine gereimte Vorrede als Schmuckstück voran. Beide Texte sind ihrer Entstehungsgeschichte nach dem Lateinischen verhaftet. Der Weltchronist übersetzt Frutolf, Eike verrät in der Vorrede (v. 274), daß er sein Buch zuerst an latin hadde gebracht, dessen lehnrechtlicher Teil, der sogenannte Auetor vetus de benefieiis, noch erhalten ist. Dabei bewahrt der Sachsenspiegel mit seinen festen Formeln und 201

Nach der ältesten polnischen Chronik, die ein Gallus Anonymus, ein nichtpolnischer Kleriker am H o f e Boleslaws III. zwischen 1 1 1 2 / 1 3 und 1 1 1 6 / 1 7 verfaßte, landeten die Sachsen in Preußen, weil sie unter Karl d. G r . nicht das Christentum annehmen wollten. Die neuen Siedler erscheinen im ungünstigen Licht: Adhuc ita sine rege, sine lege persistunt, nec a prima perfidia vel ferocitate desistunt. — Das wäre eine sehr frühe Variante zur sächsischen Landnahme, doch da die Chronik nur in drei Abschriften des 14./15. Jhs. erhalten ist, läßt sich eine spätere Interpolation nicht ausschließen. (Galli anonymi cronicae et gesta dueum sive prineipum Polonorum, ed. K . Maleczynski, K r a k o w 1 9 5 1 , S. n i , Monumenta Poloniae histórica, N S 2; dt. Übers, v. J . Bujnoch, 1978, Slav. Geschichtsschreiber, Bd. 10, S. i j o f . ; F. Graus, 1975, S. 1 3 1 ) .

"J

sinnbildlichen Gesten durchaus noch Züge, die für die mündliche Überlieferung von Rechtsgewohnheiten typisch sind, auch wenn mit der Literarisierung die Tendenz zur Systematisierung und Rationalisierung einsetzt. Am Ende bemächtigen sich wieder zunehmend die Latinität und Literarizität beider Werke. Die Sächsische Weltchronik wird im 15. Jh. (Weiland, Nr. 15), der Sachsenspiegel im ersten Drittel des 14. Jhs. (Eckhardt-Ordnung IIIc) ins Lateinische zurückübersetzt. Durch die Rückübersetzung und die Glossierungen wird der Sachsenspiegel in der gelehrten Welt der Romanistik und Kanonistik wieder komparabel.203 Und so erfolgt denn auch die Tradierung der Iring- und der Stammessage allererst in den Bahnen des gelehrten Zitats, was eine — dem mündlichen Bereich vergleichbare — Variabilität keineswegs ausschließt.

2.

Das Recht der >guden vorevarenc Z u r Funktion der Stammessage im Sachsenspiegel

Im Verhältnis zwischen Rechtsbuch und Chronik kehrt die wechselseitige Ergänzung wieder, die sich bereits im Frühmittelalter zwischen den Leges barbarorum und den Origines gentium sowie zwischen Widukinds stotwi-Kapitel und dem ongo-Teil abzeichnete. Das, was Eike knapp in seinem auf Allgemeingültigkeit zielenden speculum zur Vorgeschichte der Sachsen, Thüringer und Nordschwaben andeutet, führt der Origo-Abschnitt der Sächsischen Weltchronik im Blick aufs HistorischBesondere aus. Sie ist keine juristische Glosse, sondern der historischnarrative Kommentar zum Rechtsbuch — daran ändert die VerfasserFrage überhaupt nichts. Zwei Merkmale prägen das Rechtsbewußtsein von Eike von Repgow. Zum einen ist es Gottes Gebot, welches das im Sachsenspiegel aufgezeichnete Recht begründet, und deshalb sind die Feinde dieses Buches zugleich Feinde Gottes und des Rechts (Lnr. 78 § 3).204 Mit dem Satz Got is selve recht, dar umme is em recht lef (Prologus, 9f.)20' wird aufs Recht angewandt, was allgemein für die Ordokonzeption gilt: Omnia in mensura et numero et pondere disposuisti (lib. sap. XI,21). io) 204

'0>

G . Theuerkauf, S. i66fí„ 343. Sachsenspiegel Lehnrech:, hrsg. v. K . A . Eckhardt, 2. Bearb. 1956 (Germanenrechte N F : Land- und Lehnrechtsbücher). Sachsenspiegel Landrecht, hrsg. v. K . A . Eckhardt, 2. Bearb. 1955 (Germanenrechte N F : L a n d - und Lehnrechtsbücher). Z u r Bedeutung des Satzes aus lib. sap. vgl. H . Krings, D a s Sein und die Ordnung. Eine Skizze zur Ontologie des Mitelalters. In: D V j s 18 (1940), S. 2 3 3 - 2 4 9 .

126

Zum anderen ist Eikes Überzeugung, daß »gutes« Recht alt und »altes« Recht gut sein müsse: Dit recht hebbe ek selve nicht irclackt, it hebbet van aldere an unsik gebracht Unse guden vorevaren (Vorrede, v. 151 — 153).

Je weiter die Geschichte, von der die sächsische Stammessage erzählt, der Gegenwart entrückt ist, desto näher rückt sie in der Rechtsmetaphysik Eikes dem wahren Recht und damit auch Gott. »Gott als der Hort des Ewigen und die Geschichte als die Dimension der Dauer sind Elemente eines Weltbildes, in dem der statische Aspekt sehr betont ist« (G. Theuerkauf).206 So ist es nur folgerichtig, wenn Eike, um das alte Recht der guden vorevaren zu erweisen, das hohe Alter des Sachsenstammes glaubhaft legitimieren muß. Er beruft sich auf die Autorität der Stammessage, derzufolge unse vorderen, die her to lande quamen unde de Duringe verdreven [...] hadden in Allexanders here gewesen. Und zur Bekräftigung wiederholt er die Geschichte von den 54 Schiffen, von denen vir unde twentich quamen her to lande (Ldr. III 44 § 2). Der Sachsenspiegel, der als speculum kein Abbild, sondern Vorbild sein will, zeigt die Wirklichkeit nicht, wie sie ist, sondern Eike interpretiert nach seinem Verständnis von göttlichem und altem, guten Recht, wie sie sein soll. Gleichwohl sieht er die Wirklichkeit so, wie sie ist, ohne zu übersehen, daß sie eben nicht so ist, wie sie sein sollte. Es haben sich Rechtsgewohnheiten entwickelt, die als menschliches Unrecht erkennbar dem göttlichen Recht und dem ursprünglichen Recht der guden vorevaren zuwiderlaufen. Eike hat dieses Problem am Beispiel der Unfreiheit erörtert und gelöst:207 Die Bibel sagt, daß Got hevet den man na eme sehen gebildet, also ist ihm de arme aise beswas alse de rike (III 42 § 1). Die Geschichte, nämlich die sächsische Stammessage, bezeugt: Do men ok recht erst satte, do ne was nen denstman unde (do) waren alle de lude vri, do unse vorderen here to lande quamen (42 § 3). Die eigene Vernunft schließlich kann es nicht op genemen na der warheit, dat ieman des anderen scole sin. Nichtsdestoweniger gibt es egenscap, Unfreiheit, Ungleichheit. Nach Widerlegung aller Einwände gelangt die quaestio208

106

G . Theuerkauf, S. 340. Z u Dauer und Vergänglichkeit im Recht vgl. auch F. Kern u. H . Krause, wie Anm. j 8 .

107

Dazu H . Kolb (1974); ergänzend: K. Grubmüller, Nôes Fluch. Z u r Begründung von Herrschaft und Unfreiheit in mittelalterlicher Literatur, in: Medium aevum deutsch, F S K . Ruh, hrsg. v. D . Huschenbett u.a., 1979, S. 9 9 - 1 1 9 .

lo!

Nachweis von H . Kolb.

127

zu der Lösung, daß na rechter warheit die egenscap herrühre van Unrechter gewalt, de men van aldere in Unrechte gewonheit getogen hevet unde nu vor recht hebben wel (III 42 § 6). Dieselbe Stammessage, die Eike als entscheidendes profanhistorisches Argument gegen die Unfreiheit dient, ist es jedoch, die sein Postulat höchst zwiespältig erscheinen läßt; denn der Thüringerkrieg ist die Ursache f ü r die strikte ständische Gliederung der Sachsen. Eike, der so eindrucksvoll die egenscap verwirft, berührt selbst mehrmals den geminderten Rechtsstatus der denstlude und der dagewarchten.2°9 Schon im 16. Jh. ist dem Wittenberger Konrad Lagus 2 1 0 diese Inkonsequenz nicht entgangen. Eike selbst entschuldigt den gegenwärtigen status wiederum aus der origo gentis mit der mangelnden Zahl der alten Sachsen nach dem Thüringerkrieg: Do er so vele nicht ne was, dat se mochten den acker werken, do se de duringeschen herren singen unde verdreven, do leten se de bure sitten ungeslagen unde bestadeden ene den acker to also gedaneme rechte, aise en noch de late hebben; dar af quamen de late. Van den laten, de sek vorwarchten an erme rechte, sint komen dagewarchten (Ldr. III 44 § 3). Der Schluß ist erlaubt, daß Eike implizit zwischen der Zeit vor und derjenigen nach der Landnahme unterscheidet: Als unse vorderen her to lande quamen, waren sie sozusagen noch »im Stande der Unschuld«, und alle de lude waren vri. Ihr »Sündenfall« begann, do se de duringeschen herren slugen unde verdreven. Eike kann zwar gegen die Unfreiheit ins Feld führen, daß das sächsische Recht unaufhebbare Selbstverknechtung nicht zuläßt (Ldr. III 42 § 3, vgl. auch III 32 § 7), aber de facto gibt es egenscap, auch wenn der Erbe sie rückgängig machen kann. Wie fließend die Grenzen zwischen persönlicher Freiheit und Unfreiheit im Falle der Ministerialität auch längst sein mögen, hier wird an entscheidender Stelle den Freien noch der denstman entgegengesetzt. Eikes christlicher Glaube an die Freiheit kollidiert nicht nur mit der vorherrschenden kirchlichen Lehre, sondern er setzt sich unter Berufung auf das alte Recht der guden vorevaren auch über die gegenwärtige Verfassungswirklichkeit hinweg, die er andernorts durchaus zur Kenntnis nimmt. D e r Ursprung der Unfreiheit jedenfalls rührt in der Tat nicht von Noês Fluch, sondern er liegt für die Sachsen im Thüringerkrieg. Dieses Hauptereignis der sächsischen Geschichte und Stammessage wird als bekannt vorausgesetzt und deshalb ohne nähere Erläuterung nur 2

°» Ssp. Ldr. I 16 § 2, 38 § 2; II 3 § 2, 42 § 3; III 19,42 § 1, 44 § 3, 45 § 8, 80 § 2 - 81 § 2. G. Theuerkauf, S. 2 74 ff. 128

benannt. Mit dem Thüringerkrieg untrennbar verbunden ist in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels das Messer als Attribut der Sachsen. Der — hier wohl schon als »Heringsfresser« (vgl. Dt. Wb. 10, 1877, Sp. n o j f . ) verspottete — Thüringer trägt dagegen einen Fisch in der Hand, während die Nordschwaben durch eine Frau repräsentiert werden. Diese Darstellung bezieht sich auf die Aussage des Sachsenspiegels, daß die Sachsen gegen Karls des Großen Willen drier hande recht behelden, darunter dat swavesche recht dorch der wive hat (Ldr. I 18 § 1). Für das feindselige Verhalten der Frauen in der Vergangenheit büßen die Nachkommen noch im gegenwärtigen Erbrecht: De Swaf ne mach ok van wif halven nen erve nemen, went de wif an erme siechte als ervelos sint gemaket dorch er vorvarne missedat (I 17 § 2). Hier wird eine heikle Begebenheit der sächsischen Frühgeschichte verschleiert oder einfach von der Stammessage ignoriert, weil sie dem Selbst- und Ehrgefühl der Sachsen nicht gerade schmeichelte: Erst die Glosse erläutert, daß nach dem Auszug der sächsischen Männer sich die Sächsinnen mit den einfallenden Schwaben einließen. Nach der Rückkehr der Sachsen seien die sächsischen Frauen der Schwaben und ihre Nachfahrinnen deshalb für erbunfähig erklärt worden. 211 Anfang des 16. Jhs. korrigiert Albert Krantz den Glossisten; denn die Sachsen seien nicht mit Hengest nach Anglia, vielmehr mit Alboin nach Italien ausgewandert.212 Der Anonymus De origine gentis Swevorum verschweigt diese Episode offensichtlich wiederum aus Rücksicht auf die mächtigen sächsischen Nachbarn. In der narrativen Stammesüberlieferung wird also sehr wohl ausgewählt. Aber selbst wenn hier die Ursache mehr oder minder übergangen werden kann, ihre rechtlichen Folgen müssen aufgezeichnet werden, weil sie rechtsgültig und wahr sind. Eike rechnet sich zu jenen wisen luden, de diu warheit kunnen heduden (Vorrede, 201 f.) — zu jenem »Traditionskern«, der die Wahrheit in der mündlichen Uberlieferung verbürgt. Auch nach der Verschriftlichung des Rechts sieht sich der Lehrer des Rechts (Vorrede, 122, 133, 145) in einem höheren Maße als die Stammessage und der Chronist zur Wahrheit verpflichtet, kommt doch die Wahrheit des Rechts einer Glaubenswahrheit gleich; denn Got is selve recht. Wie im Falle der Nordschwaben gibt es innerhalb der sächsischen Rechtsgemeinschaft Sonderrechte, Rechtskreise wie das Lehn-, Dienst2,1

1,1

Des Sachsenspiegels Erster Theil oder das Sächsische Landrecht. Nach der Berliner Handschrift v. J . 1369 hrsg. v. C. G. Homeyer, Berlin >i86i, S. 173f. Vgl. auch M. Lintzel, Bd. I, S. 18, Anm. 24. Albert Krantz, Saxonia, Coloniae 1520, lib. I, cap. 29, fol. c iiijr.

129

und Hofrecht usw. Aber Eike geht es letztlich nicht um die Vielheit, sondern um die Einheit des Rechts, das in'me lande to Sassen gelten soll (Ldr. III 62 §§ ι u. 3). Zwar wird in der Vorrede Von der Herren Geburt noch sorgfältig nach der Stammesherkunft der Geschlechter unterschieden, doch wenn im Sachsenspiegel der Fremde binnen deme lande to Sassen Erbe empfängt na des landes rechte unde nicht na des mannes (Ldr. I 30), so deutet sich damit bereits ein Wandel in der Bedeutung des Begriffs »land« an: das Personalitätsprinzip im Recht wird allmählich dem Territorialitätsprinzip untergeordnet. Mit diesem für die mittelalterliche Verfassungsgeschichte grundlegenden Territorialisierungsprozeß einher geht nun in der Geschichtsschreibung der Ubergang von der Welt- zur Landeschronik. Der Stamm ist längst keine selbständige Einheit mehr, und ebensowenig ist es die origo gentis. Von der mittelalterlichen Weltchronistik integriert als Vorgeschichte der großen regna, überlebt sie jetzt als Vorgeschichte der Territorien und Städte. Am Beispiel etymologischer und genealogischer Spekulationen zum Namen und zur Herkunft der Sachsen wird im folgenden zunächst der Ausbau der sächsischen Stammessage weiter verfolgt, um den Anteil der Gelehrten zu verdeutlichen. Die Landesgeschichtsschreibung stellt jedoch nicht nur die Geschichte eines Landes dar, sondern auch und vor allem die der Landesherren. Deren Familiengeschichte wiederum könnte weniger mit der Geschichte des ganzen Stammes als vielmehr mit derjenigen bestimmter herausragender Personen verknüpft worden sein. Deshalb soll zum Abschluß gefragt werden, ob und wie dabei die Iringsage in den sächsisch-thüringischen Landeschroniken rezipiert wird.

3.

Zur etymologischen und genealogischen Ausweitung der sächsischen origo gentis im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit

Namentlich werden die Saxones zum ersten Mal um 150 n. Chr. von Claudius Ptolemäus (Geogr. II, 11, 7) als Nachbarn der Chauken am Nordufer der Unterelbe erwähnt. Nach 286 mehren sich die Quellen, die von sächsischen Wander- und Kriegszügen entlang der Nordsee- und Kanalküste berichten. Doch die Römer sahen die Sachsen nur von außen auf sich zukommen, über den inneren Prozeß der Stammesbildung, über die Herkunft und den Namen der Sachsen enthalten diese »Frontmeldungen« (W. Lammers) von der Peripherie des Reiches nichts. Ähnliches 130

gilt für die meist fränkischen Quellen, die den Vorstoß der Sachsen im 6. und 7. Jh. ins Landesinnere nach Süden konstatieren. Etymologische und genealogische Deutungen zum Ursprung der Sachsen haben sich — wie nicht anders zu erwarten — erst nach der ersten Konsolidierung des Stammes herausgebildet, als dieser sich bereits einen Namen gemacht hatte. Hier setzt nun die gelehrte Etymologie an, die als Wissenschaft von der origo vocabulorum (Isidor, Etym. I, 29, 1) ja ohnehin eine natürliche Affinität zur origo gentis und zu anderen Gründungssagen hat. Maßgeblich für die eine Deutungstradition wird Isidor von Sevilla: Saxonum gens in Oceani litoribus et paludibus inviis sita, virtute atque agilítate habilis. Vnde et appellata, quod sit dumm et validissimum genus hominum et praestans ceteris piraticis (Etym. I X , 2, 100).

Der Name Saxones wird mit saxum assoziiert, dessen proprietas Aufschluß über das Wesen der bezeichneten Gruppe gibt: Der Stein ist »fest, hart«; der Kieselstein z.B. gilt als durus lapis (Etym. XVI, 3, 1); dementsprechend sind die Saxones ein durum et validissimum genus. Diese Deutung begegnet um 968 wieder bei Widukinds Zeitgenossin Hrotsvitha von Gandersheim, die beim Ubergang der Herrschaft von den Franken auf die Sachsen unter Heinrich I. anmerkt: Iussit Francorum transferri nobile regnum Ad claram gentem Saxonum, nomen babentem A saxo per duritiam mentis bene firmam2'3

Im Rolandslied spricht Karl d. Gr. von den Steinherten Sachsen, die Roland bezwungen habe (v. 7539). Eine Variante der saxum-Wypot\\ese sind ferner die »steinentsprossenen« Sachsen (Nos Saxones vel certe Saxigenae), von denen in der Hildesheimer Vita Godehardt posterior die Rede ist.214 Im späteren Mittelalter wird die Benennung der antiken Vorfahren der Sachsen variiert, indem man saxum durch petra oder durch das deutsche Äquivalent für silex ersetzt (vgl. Isidor, Etym. XVI, 3, 1). In der Sächsischen Weltchronik heißen die alten Sachsen Petrolen, nach ihrem Führer Petrocilus, was steingreve bedeute. So übernimmt es auch der Verfasser der Magdeburger Schöppenchronik (1360/72). Die Petroculi werden wiederum auf Petroculus zurückgeführt, doch dieser wird jetzt mit ein steinen toren übersetzt. In beiden Quellen findet sich auch die Benen113

2,4

Gesta Ottonis, in: Hrotsvithae Opera, hrsg. v. P. von Winterfeld, 1902, S. 204 (MGH SrG in usum scholarum J4). Vita Godehardi posterior, M G H SS XI, S. 198.

131

nung Kesserlinge (»Kieselsteine«) — in der Schöppenchronik allerdings verschrieben als »keyserlich«, weil augenscheinlich der ursprüngliche Sinnzusammenhang nicht mehr präsent war. Die petrioli und die kesselinge gelangen dann weiter in die thüringischen Chroniken von Johannes Rothe und Konrad Stolle, die auch wissen, daß es die Thüringer waren, die ihre Feinde saxen nannten, was steinende luthe meine; denn es gar hartselig wolk (!) was.1'5 Eine Ausnahme bleibt Bartholomäus Anglicus, der um 1240 das Prädikat durus nicht mehr auf saxum und die Sachsen, sondern ganz »lautgerecht« auf Thür-ingia bezieht, weil deren gens sich »dura« contra hostes verhalten habe.21* Im Chronicon Holtzatiae trifft Alexander d. Gr. in Armenien bei der Arche Noah aber wieder auf die gens Petrita, welche a petra dura propter animositatem genannt worden sei.2'7 Der König habe den Namen der gens von petra in saxum geändert, propter duriciam. Die Geographie des Alexanderromans bot dabei die Handhabe zur Konkretisierung des Begriffs saxum·. der Felsen der makedonischen Sachsen wurde zwischen dem armenischen Kaukasus und dem Kaspischen Meer lokalisiert. Die Sächsische Weltchronik (S. 78, Z. 3) erwähnt die Montes Caspii, wo Gott — auf Alexanders Gebet hin — tein gesiechte der gevangenen Joden einschloß. Nach Gobelinus Person (1418) und Dietrich Engelhusen (1420-1424), die beide die makedonischen Sachsen apud montes Caspios ansiedeln, erzählt z.B. Werner Rolevinck (1478), daß Alexander auf seinem Feldzug gegen Porus einen Teil des Heeres inter riphaeos montes circa mare Caspium zur Bewachung des Landes zurückließ. Nach seinem Tode seien diese Macedones circa montem Saxum Marpesiae fortgesegelt. Bei ihrer Landung in Hadeln hätten sie auf die Frage der Einwohner, woher sie kämen, geantwortet: de Saxo, unde et dehinc Saxones vocati dicuntur.lli

2,4

217

2,8

Sächsische Weltchronik, hrsg. v. L. Weiland, 1877, S. 259; Die Magdeburger Schöppenchronik, hrsg. v. K . Janicke, 1869, S. 9 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in's 16. Jh., Bd. 7 / Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Magdeburg, Bd. 1); Johannes Rothe, Thüringische Landeschronik, F B . Gotha, Cod. Chart. Β i8o, fol. 172'; Konrad Stolle, Memoriale, thüringisch-erfurtische Chronik, bearb. v. R. Thiele, 1900, S. y8f. (Geschichtsquellen d. Provinz Sachsen 39). Des Bartholomaeus Anglicus Beschreibung Deutschlands gegen 1240, hrsg. ν. Α . E. Schönbach, M I O G 27 (1906), S. 79. Chronicon Holtzatiae, auctore presbytero Bremensis, hrsg. v. J . M. Lappenberg, M G H SS X X I , S. 257. Das Zitat aus dem Cosmidromius des Gobelinus Person, V, c. 1 1 , fehlt in der Ausg. v. M. Jansen, Münster 1900; es findet sich vollständig bei H . F. Massmann (wie Anm. 192), Th. 3, 1854, S. 482. — Dietrich Engelhusen, Chronicon, hrsg. v. G . W. Leibniz, Scriptores Brunsvicensia illustr., T. II, Hannover 1 7 1 0 , S. 100$. Zu Gobelinus Person vgl. die Einl. v. M.Jansen, zu Engelhusen s. G . Cordes (1934/3$), S. 43 — 47· — Wernerus Rolevinck, D e laude veteris Saxoniae nunc Westphaliae dictae. Hrsg. v. L. Troß, 1865, S. 34.

132

All diese Varianten setzen die Kenntnis des Lateinischen voraus und sind somit gelehrten Ursprungs. Eine andere Deutung ist der Volkssprache verhaftet und zudem mit einer konkreten Geschichte verknüpft. Danach erhielten die Sachsen ihren Namen nicht etwa nach einem heros eponymos oder gar nach dem Gott »Sahsnot«, 2 ' 9 sondern nach jenem »Sax« (ahd. sahs, ae. seax, an. sax; zu lat. secare »schneiden«) genannten einschneidigen Kurzschwert, das sie beim Uberfall auf die Briten bzw. Thüringer benutzten. Waffennamen können eine Geschichte hervorbringen: Dietrichs Schwert Ecke-sahs, eigentlich »das Schwert mit der scharfen Schneide«, wird zum »Schwert des Riesen Ecke« umgedeutet, der womöglich eigens zu diesem Zwecke erfunden worden ist. Hier wird also der Sachsenname mit der Messerepisode erklärt, von der zuerst Nennius, dann auch Widukind, Geoffrey von Monmouth, das Annolied, die Kaiserchronik, die Vita Altmanni, Gottfried von Viterbo, die Stader Annalen, das Chronicon Holtzatiae, Dietrich Engelhusen und andere Quellen mehr erzählen. Gottfried von Viterbo zitiert mal die eine, mal die andere Version, während sich der Verfasser der Altmann-Vita entschieden für die Herleitung von den Messern (sahs) ausspricht — a quibus Sahsônes, non Sáxones appellantur. Gobelinus Person vermutet umgekehrt, daß die Messer nach den Sachsen sassen (oder shassen) benannt wurden: Vertus tarnen videtur, quod cultelli traxerunt nomen ab hominibus videlicet Saxonibus, quam quod homines traxerunt nomen ab cultellis (Cosmidromius, aetas V, cap. i i ) . Dabei belegen die archäologischen Funde zur Genüge, daß der Sax keine spezifisch sächsische Waffe gewesen sein kann und wohl auch erst in Gebrauch kam, als der Sachsenname schon b e s t a n d . A b e r darauf kommt es gar nicht an, entscheidend ist, daß diese Waffe bei einem für das Traditionsbewußtsein des Stammes wichtigen Ereignis eine Rolle spielte. Zusätzlichen Erkenntniswert haben weder die sax- noch die Jdxwm-Deutung. Das Wortspiel mit dem Begriff »Stein« sollte keinen im Namen verborgenen »sensus spiritualis«

J . de Vries, Bemerkungen zum Sachsenproblem (1959). S. 34of. bringt den Namen der Waffe mit dem (in den Königsgenealogien von Essex und in der Abschwörungsformel eines altsächsischen Taufgelöbnisses aus dem späten 8. Jh. bezeugten) Namen eines Gottes Sahsnot in Verbindung, den er — als Schutzherrn der säschsischen Kriegerverbände — mit Irmin bzw. Tîwaz gleichsetzt. Da dieser Göttername sonst nicht bezeugt ist, verbieten sich weiterreichende Schlußfolgerungen im Hinblick auf den Stammesnamen. Der Verdacht von R . Drögereit, daß »Saxnot nicht mehr als ein eponymischer Held angelsächsischer Gelehrsamkeit« sei (Fragen der Sachsenforschung, S. 388), scheint berechtigt. K . Raddatz, Art. »Bewaffnung«, R L d. German. Altertumskde., Bd. 2, '1976,

S- 433-440. 47¿f· 133

enthüllen, aber immerhin schien es eine hervorstechende Eigenschaft der Sachsen zu bestätigen. Der Verweis auf sax dagegen dient insbesondere bei Widukind als Argument, das die historische Veritas des Erzählten vom Benennungsanlaß her präzisiert und beglaubigt. Die etymologische Methode, die sich gerade in der spätmittelalterlichen, territorialgeschichtlich orientierten Chronistik größter Beliebtheit erfreut, hat eindeutig keine theologische, sondern eine historische Funktion: sie steht im Dienste der historischen Wahrheit. Dabei werden die Tendenz zur »Summe aller historischen Wahrheiten« (N. Ott) und die Neigung zur Kompilation im späten Mittelalter immer mehr zum beherrschenden Grundzug der Welt- und Landeschroniken. Bereits Frutolf von Michelsberg referierte einfach nacheinander die sächsische und die fränkische Version vom Ende des Thüringerkönigs. So wird es auch üblich, die verschiedenen Ansichten zur Herkunft der Sachsen aufzuzählen; gelegentlich versucht man sie mit der Begründung auf einen Nenner zu bringen, daß sich ja bekanntlich das Heer Alexanders d. Gr. in alle Richtungen zerstreut habe: disse cronike mögen alle wol war sin, wente do Allexander starf, do wart sin here vorstort over alle land (Schöppenchronik).221 Was nicht mehr wichtig genommen wird, kann bis zur Unkenntlichkeit verkürzt werden, aber wenn ein Sachverhalt interessiert, läßt man kein Detail aus, und wenn es einem anderen widerspricht, dann sucht man nach einer Kombinationsmöglichkeit. So geschieht es im Falle der sax- und saxum-Deutung in der Magdeburger Schöppenchronik (um 1360/72) und in den drei Chroniken, die gegen Ende des 15. Jhs. in Braunschweig entstanden sind: 1 4 9 2 druckt Peter Schöffer in Mainz — und nicht in Lübeck, K ö l n oder Magdeburg — die mittelniederdeutsche Cronecken

der Sassen mit zahlreichen

Holzschnitten. Damit bemächtigt sich zum ersten Mal das neue Medium des Buchdrucks der sächsischen Stammessage und der Iringsage. Die Verfasserfrage ist ungeklärt, obgleich zweifellos Beziehungen zu den beiden Weltchroniken des Braunschweiger Zollschreibers Hermen (Hermann) Bote bestehen. Man ist versucht, für die drei Texte eine gemeinsame Urfassung anzunehmen. Bote begann 1 4 9 3 mit der Braunschweigischen Weltchronik (auch als Hetlingische C h r o n i k oder Halberstädter Handschrift bezeichnet) und brach sie 1 5 0 2 abrupt ab, um mit einer neuen C h r o n i k zu beginnen, die 1 5 0 4 abgeschlossen wurde, aber noch Nachträge bis 1 5 1 8 enthält. Diese Hannoversche Weltchronik teilt mit den beiden anderen Chroniken den herkömmlichen heils-, weit- und reichsgeschichtlichen Rahmen, aber die Wendung ins Partikulare ist unverkennbar. D e r erste Hauptteil gilt der Reichsgeschichte und ist

Magdeburger Schöppenchronik, hrsg. v. K. Janicke, S. 10.

134

eine verkürzende Bearbeitung der Braunschweiger Handschrift, während der zweite Teil stofflich weit über diese hinausgeht. Die Entstehungsgeschichte des sächsischen Stammes und die Geschichte der weifischen und askanischen Länder werden erst im Schlußkapitel behandelt, die Cronecken der Sassen und die Braunschweiger Handschrift stellen die Herkunft und Ankunft der Sachsen nach vorn. Solche Stellungsvarianten begegnen schon in den Handschriften der Sächsischen Weltchronik, aber für die origo gentis-Abschnitte ist hier die Magdeburger Schöppenchronik die Hauptquelle. 222 D i e s e erzählt, daß nach der L a n d u n g in Hattelunge gen L a n d k a u f ein degedinge

u n d n a c h d e m listi-

z w i s c h e n T h ü r i n g e r n u n d Sachsen v e r e i n -

bart w u r d e , w o jene einen U b e r f a l l auf die Sachsen planten. Die Sachsen worden to rade dat se alle, de to dem dage kernen, scheiden steken lange meste in ore hosen, de meste beiden an orer sprake sacken, do se to dage quemen, und de Doringe ut or läge an se velen unde wolden se erslan, do grepen se to den sacken, dat is to den mesten, und ok to den steinen, dede to latin saxa heiten, unde werden sik und behelden aver dat velt menliken.22} D i e Cronecken

der Sassen

ü b e r n i m m t jene » M e s s e r u n d S t e i n e « - V e r s i o n

w ö r t l i c h , 2 2 4 w ä h r e n d die B r a u n s c h w e i g e r u n d die H a n n o v e r a n e r H a n d -

111

Zu den drei Braunschweiger Chroniken: K . Stackmann, Die Stadt in der norddeutschen Welt- und Landeschronistik des 13. bis 16. Jahrhunderts, in: Uber Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1 9 7 5 - 1 9 7 7 , hrsg. v. J . Fleckenstein u. K . Stackmann, 1980 (Abh. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, N r . 1 2 1 , S. 289—310); G . Cordes, Ostfälische Chroniken des ausgehenden Mittelalters, N d d . J b . 60/61 (1934/35), S. 4 2 - 6 2 ; ders., Die Weltchroniken von Hermann Bote, Braunschweig. Jb. 33 (1952), S. 75 — 1 0 1 ; Hermen Bote. Bilanz und Perspektiven der Forschung. Beiträge zum Hermen-Bote-Kolloquium vom 3. Oktober 1981 in Braunschweig. Hrsg. v. H. Blume u. W. Wunderlich, 1982 ( G A G 357); John F. Flood, Probleme um Botes »Cronecken der Sassen« (GW 4963), in: Hermen Bote. Braunschweiger Autor zwischen Mittelalter und Neuzeit. Hrsg. v. D. Schöttker u. W. Wunderlich, 1987, S. 179—194 (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 37); C. Meckseper (Hrsg.): Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150—1650. Landesausstellung Niedersachsen 1985, Kat., Bd. 1, 1985, S. 550, Nr. 475 u. S. 56 3 f., Nr. 4S4L

Magdeburger Schöppenchronik, hrsg. v. K. Janicke, S. 13Í. " 4 Cronecken der Sassen, Mainz: Peter Schöffer, 1492, fol. 9. — Drucker, Erscheinungsort und -jähr ergeben sich aus dem Kolophon, fol. 284'. Seit G . W. Leibniz, der die Chronik zuerst 1 7 1 1 edierte, gilt — nach einem Provenienzvermerk im Hannoveraner Exemplar — gemeinhin Cord Bothe als Verfasser oder gleich Hermen Bote. Doch trotz etlicher Gemeinsamkeiten mit den handschriftlichen Weltchroniken des letzteren bleibt die Verfasserschaft ungeklärt. Die Cronecken der Sassen, die den Thüringerkrieg mit Diderick, Armefrid, Yrnugh und Hatwigato in der Nachfolge der Sächsischen Weltchronik und der Magdeburger Schöppenchronik auf fol. ι ο " - ΐ 2 Γ erzählt, wurde übrigens auch von dem Magdeburger Pfarrer J . Pomarius ins Hochdeutsche übersetzt: Chronica der Sachsen vnd Nidersachsen, Wittenberg: Z. Krafft, 1588 (BM. London).

*35

schrift eine noch »elegantere« Lösung finden, indem die Sachsen, die hier noch Macedonier heißen, und die Thüringer, die — wie seit der Sachsenspiegel-Glosse immer wieder betont wird — eigentlich Wenden waren, den Begriff »sacken« unterschiedlich verstehen: D i e T h ü r i n g e r sind bis z u r Aller geflohen, w o es erneut z u m Streit k o m m t — jedoch de Macedonier ör hamesch nicht enhadden ttnde de swerde nicht enhadden; do drengeden de Döringk se so sere, dat se repen: »Sacken! sacken her!* Dar midde menden se ör meste; de Döringk menden, dat se steyne meynt hedden, na deme Latyne saxca; so nömeden de Döringk de Macedonier Saxcen, alse Sassen, de Sassen nömende se Döringk wedder na dörlike kerle [.. ·]12ί

Hier bekommen die Wenden den Spottnamen Döringk·, denn nach dem törichten Landverkauf worden de Wende quat uppe den ackerman unde repen lude myt eynem schreye: » O, o, du dörlike kerle, wu dörliken hast du gedan!« Dieser Ausruf, der in einer konkreten Situation den Anstoß zur Benennung gibt, mag dem altüberlieferten Schlachtruf der Sachsen nachgebildet sein. Die Schöppenchronik weiß nur, daß die Sachsen die Wenden Northdoringe nannten; dat bedudet dullinge, wente se dui up strìd weren. Ein Stammesname ist zum Bevölkerungsnamen abgesunken und übertragbar geworden. Gleichwohl bleibt der Unterschied präsent: de in der lantgraveschop to Doringe sitten, [...] de sint Sassen und hebben Sassenrecht und heiten Doringe van trotzicheit.116 Rothe und Stolle übernehmen die pejorative Variante und leiten doringe von torlinge ab, umme des willen, das sy sich torlichen stalten zu dem strite.117 O f t w e r d e n die G r ü n d u n g e n sächsischer Städte mit der Zeit der ersten L a n d n a h m e in V e r b i n d u n g gebracht, w o b e i selten eine E r k l ä r u n g f ü r den U r s p r u n g des Stadtnamens fehlt. N a c h d e r Cronecken der Sassen erhielt Stade den namen dar van dat den Sassen erst tippe de stidde to gestadet was.2lt B o t e schreibt, dat de Sassen hebben gevunden de seven borge, nämlich u. a. H a m -

221

Hermen Bote, Weltchronik, Braunschweiger (Halberstädter) Handschrift, Stadtarchiv Braunschweig, Η V I i , Nr. 28, fol. 32 — hier zit. nach der leichter zugänglichen Auswahl aus den Werken von Hermann Bote, bes. v. G . Cordes, 1948, S. 13. In der jüngeren Fassung von Botes Weltchronik, Hannover, Niedersächs. Landesbibl., Ms. X I 669 findet sich die Messerepisode auf fol. 437'. Im Unterschied zur Inkunabel fehlt in den beiden Handschriften die Iring-Fabel. In der Hannoverschen Handschrift, fol. 437 wird zwar der Thüringerkönig erwähnt, aber er fällt im Kampf gegen die Sachsen unter Hatigato. - Ich danke der Nieders. LB. Hannover, dem Braunschweig. Stadtarch. u. Herbert Blume, die mir noch die Benutzung der Bothe-Chroniken ermöglichten.

226

Magdeburger Schöppenchronik, a.a.O., S. 10. " 7 Konrad Stolle, Memoriale, hrsg. v. R. Thiele, S. 59; Johannes Rothe, Thüringische Landeschronik, F B . Gotha, Cod.Chart. B. 180, fol. 172'. 218 Cronecken der Sassen, 1492, fol. 9'.

136

burg, Lüneburg, Merseburg, na den planeten."9 Lüneburg z.B. sei nach Luna benannt usf. In der Chronistik entwickelt sich geradezu die Form der etymologischen Anekdote als eine Variante der aitiologischen Sage. Vielfach finden sich Volksetymologien wie: Ein Engel sprach zum Bischof: »Wiek osten!« also wart dat Osterwick gebeten D a s etymologische Interesse mag in der Chronistik seinen A u s g a n g von der kirchlichen Exegese und v o m Grammatikunterricht genommen haben, aber soweit es um den Ursprung der N a m e n geht, muß es auch eine ganz undistanzierte Neugierde der Illiteraten gegeben haben. Die Landeschroniken bezeugen, wie vielfältig auch auf diesem Feld die Symbiose von Kleriker- und Laienkultur sein kann. Ähnliches gilt für die genealogischen Verknüpfungen. Die erste N a c h richt v o n der H e r k u n f t der Sachsen, die von den im N o r d e n nahe dem O k e a n o s hausenden Greifenvölkern abstammen sollen, findet sich in der K o s m o g r a p h i e des Istriers Aithikos (nach 768), aber sie wird nur von der E b s t o r f e r Weltkarte übernommen. 2 3 ' D i e These von der normannischen A b k u n f t , die sicherlich an die weitverbreitete Auffassung von der Insel Skandza als Wiege der germanischen V ö l k e r anknüpft, wird z w a r regelmäßig als eine mögliche Meinung zitiert, aber nicht weiter ausgeführt. Den V o r r a n g behauptet eindeutig — bis Albert Krantz, der i $ 2 0 nur noch verächtlich von puerilibus

2.0 2.1

1,1

fabulis

spricht 2 3 2 — die H e r k u n f t v o m

Hermen Bote, Weltchr., Hannov. Hs., fol. 438' - in der Auswahl v. G. Cordes, a.a.O., S. 14. Vgl. dazu bereits die Magdeburger Schöppenchronik, S. i8f. und später die Cronecken der Sassen, fol. f . Zur Lüneburg-Fabel in den C-Hss. der Sachs. Weltchr. vgl. M. Menzel, Die Sächsische Weltchronik. Quellen und Stoffauswahl, 1985, S. 117—119. Hermen Bote, Weltchr., Hannov. Hs. — in der Auswahl v. G. Cordes, S. 19. Die Kosmographie des Istriers Aithikos im lateinischen Auszuge des Hieronymus, hrsg. v. H. Wuttke, 1853, 111,31. Zu Aethicus vgl. Wattenbach-Levison, Deutschlands Geschichtsquellen, H. 1, 1952, S. 116 u. G. Bernt, Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 192 sowie F. Graus, Lebendige Vergangenheit, S. i3of. — Zum Zitat auf der Ebstorfer Weltkarte: R. Drögereit, Haduloha und Hadugot, S. 170; H. Kugler, Die Ebstorfer Weltkarte. Ein europäisches Weltbild im deutschen Mittelalter, ZfdA 116 (1987), S. 1—29, hier: S. 24. Kugler legt m. E. überzeugend dar, daß die Stationen des Alexanderzuges, denen auf der Ebstorfkarte besondere Sorgfalt gewidmet ist, auf den narrativen Kontext des Alexanderromans verweisen. In den spätmittelalterlichen Reiseberichten und -planungen begegnet zwar ganz allgemein ein »Alexandersyndrom«, hatte doch von Anfang an die Kategorie des geographischen Raumes in den Alexanderromanen eine große Bedeutung, aber die »Gedankenverbindung von Alexander und den Sachsen dürfte im Umkreis eines niedersächsischen Klosters nicht fremd gewesen sein« (S. 24). Die sächsische origo gentis hinterläßt nicht nur in der Weltchronistik, sondern auch auf der Mappa mundi ihre Spuren. Albertus Krantz, Saxonia, Köln 1520, fol. aijr.

137

Heere Alexanders d. Gr., die in der Mitte des 15. Jhs. sogar in Johann Hartliebs Alexanderroman Eingang gefunden hat: Angesichts der Streitigkeiten nach dem Tode Alexanders erkennt der weise Ptholomeus, der da was von dem plut Allexandri geporen, daß die Götter den Griechen zürnen. Er besamelt all sein macht; und kert gen norden und westen, und wolt suchen ain lant, darin er und die seinen wonen mochten. Also kam er durch Rewssen und Littaw und durch Preussen; da fand er gar ain schon, weitt land an das meer stossen, das hies Sachsen. Dort läßt er sich nieder und teilt etlich fürsten, die sein maug waren, Land zu. Wie er aber das gewan und es behielt, das statt geschriben in dem puch, das da sagt von dem ursprung der Sachsen,z}} Und als später der jüngere Ptolemäus seinen Vater in einem Brief zur Rückkehr nach Griechenland auffordert, schreibt dieser seinem Sohn, daß er in Sachsen bleiben wolle. Statt Hathagat ist es hier ein Verwandter Alexanders, der seine Leute »ins gelobte Land« Sachsen führt. Vielleicht ist der Einschub in dieser weitverbreiteten deutschen Fassung des Alexanderromans als Huldigung Hartliebs an die Widmungsempfängerin Anna, eine geborene Fürstin von Braunschweig, zu verstehen. Die Braunschweiger Chroniken kennen diesen Zusatz nicht, sondern sie wiederholen die Vorgeschichte der Sachsen nach der Schöppenchronik, doch bemerkenswert ist das sprachliche Argument Botes zur Stützung der Makedonen-These: itlike willen, dat se Komen sin uth

Macédonien,

unde des is to lövende, wente se Macedonier sprake spreken. Die Behauptung geht über Dietrich Engelhusen auf Gobelinus Person zurück, der Isidors »phonetische« Unterscheidungen v. a. zwischen dem Hebräischen, Griechischen und Lateinischen (Etym. IX, 1,8) übernimmt und dabei Ubereinstimmungen mit den Dialekten der deutschen Stämme konstatiert: im Hochalemannischen werde guttural artikuliert wie im Hebräischen; wie im Italienischen und Spanischen gelte für die Franken, Thüringer u. a., daß sie verba in dentibus frangunt. Das Sächsische ähnle dem Griechischen: Sed Ulis, qui verba collidunt etferiunt in palato, Saxones manifestissime similes sunt in vocum prolacione, prout experiencia docet et ego ipse expertus sum. Person beruft sich hier ausdrücklich auf eigene Beobachtungen bei den Nachfahren der Griechen in Kalabrien und Sizilien. 234 '"Johann Hartliebs Alexanderroman. Edition des Cgm 581 v. R. Lechner-Petri, 1980, S. ij6{. U. 284. — Wenn dar nach über etlich lang jar kam des alten Ptholomeus suns sUn ainer durch Unger land gefaren, und nam da ein ain landt, haisset Sibenhürgen (a.a.O., S. 284), so mag auch hier eine Ausweitung der Sachsensage vorliegen; denn die Einwanderer aus dem Rhein-Mosel-Gebiet und Flandern wurden ja »Sachsen« genannt. 234 Hermen Bote, Weltchr., Braunschweiger Hs., fol. 32' — Auswahl v. G. Cordes, a.a.O., S. 13; ebenso in der Hannov. Hs., fol. 435'. — Cosmidromius Gobelini Person, hrsg. v. M. Jansen, 1900, S. 7. — Im Annolied sind es die Bayern, die aus Armenien stammen — man sagit, daz dar in halvin noch sin, die dir diutschin sprecchin (20, 2if.). Nach der jüngeren Passio Quirini haben die Bayern den Deutschen ihre Sprache vermittelt; Pilger trafen in Armenien Bairisch Sprechende, »Bawarizantes« (s. M. Müller, S. 35of.). Mit der Herleitung der Sachsen von Noah ergibt sich über Armenien als Herkunftsland eine Annäherung der beiden Stammessagen. 138

Wenn hier die sächsische Sprache mit dem Ursprung der Sachsen verknüpft wird, so berührt diese Argumentation die zentrale Frage nach dem Ursprung und der Vielfalt der Sprachen und Völker, wie sie in der Bibel mit der Geschichte von Noah und derjenigen vom Turmbau zu Babel vorgegeben war. Ich verweise dazu auf die große Darstellung von Arno Borst 235 und fasse seine Belege so zusammen: ι. Seit etwa i j o o wird auch die Vorgeschichte der Sachsen von Alexander d. Gr. bis zu Noahs Sohn Japhet, gelegentlich bis zu Magog (Rolevinck) und Nimrod, vor allem aber — für die Ascanier naheliegend — bis zu Noahs Enkel Askenas verlängert. 2. Diese biblische Genealogie wird unter humanistischem Einfluß mit der Stammtafel der Germania verbunden: Askenas (Aschkenaz) wird dem Tuisco gleichgesetzt, jenem »Ertzkönig Tuitscho«, der nach der Satire Moscheroschs »auß Armenien gekommen« ist. 3. Aschkenaz aber, so u.a. Luther, sprach Deutsch. Nach Melanchthon hat sich der Name Tuiscones aus Die Ascanes entwickelt. Noch Justus Georg Schottelius sieht im Japhetiten Aschkenaz den »Altvater der Teutschen« (und Kelten), und er erinnert an das Wort Ascanien, »so eine Grafschaft im Fürstenthum Anhalt ist.« Das Interesse hat sich vom Ursprung der Sachsen auf den Ursprung der Deutschen und auf die Stellung der »uhralten teutschen Haubtsprache« zum Hebräischen, Griechischen usw. verlagert. Die sächsische Stammessage hat ihre Selbständigkeit eingebüßt. Die Sachsen werden zusammen mit den Goten, Franken usw. dem Konglomerat einer Frühgeschichte der »Teutschen« einverleibt, die die Aussagen des Tacitus mit denjenigen der Bibel in Einklang zu bringen sucht. Auch wenn die sächsische Stammessage weiterhin in den Darstellungen zur Geschichte der sächsischen Territorien zitiert wird, so hat sie doch ihre Verbindlichkeit verloren. Das wird am deutlichsten im Lichte der Parodie: Da Aschanes mit seinen Sachsen Aus dem Harzfelsen ist gewachsen,

A . Borst, Turmbau, Bd. I I I / i , i960, bes. S. 1048—1080, 1 1 8 6 - 1 2 0 6 , 1354—1373· — Durch die Verknüpfung der Sachsen mit Noah wird die Stammessage einem auch sonst geläufigen Triadenmodell angepaßt: vgl. die Uberlieferung von den drei Söhnen Noahs mit der griechischen von den Söhnen des Kronos und des Herakles und mit derjenigen v o n denen des Mannus.

139

War mitten in dem grünen wald Ein springend brünlein süß und kalt [.. .]2'6

Georg Rollenhagen setzt bei seinem Publikum noch die Kenntnis der Aschkenaz- und der wxxm-Tradition voraus, aber es folgt keine »origo gentis«, sondern Bröseldiebs, des meuseköniges sons, kundschaft mit dem froschkönig.

'>" Georg Rollenhagen, Froschmeuseler. Hrsg. v. K. Goedeke, 1876, S. 5 (Deutsche Dichter des sechzehnten Jahrhunderts, Bd. 8/1).

140

IX.

Die Iringsage in der Landesgeschichtsschreibung des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit

Zunächst stelle ich exemplarisch das zwischen 1474 und 1502 entstandene Memoriale Konrad Stolles vor. 137 Zum Vergleich werden von Johannes Rothe die Thüringische Landeschronik ( 1 4 1 7 / 1 4 1 8 ) in der unveröffentlichten Gothaer Abschrift Urban Schlorffs 2 ' 8 und die Thüringische Weltchronik (1421) 2 3 9 herangezogen, weil Stolle sich in der Darstellung des Thüringerkrieges eng an seinen Eisenacher Vorgänger hält. Beide sind repräsentativ für die Landesgeschichtsschreibung in Thüringen240 während des 15. Jhs., deren Filiationen hier nicht im einzelnen darzustellen sind. Im nächsten Schritt werde ich vielmehr die Haupttendenzen in der Auffassung Irings und des Thüringerkrieges bis zum Ende des 17. Jhs. skizzieren. Rothe und Stolle betten ihre Orts- und Landeshistorie in den traditionellen universalgeschichtlichen Rahmen ein. Jener beginnt mit der Erschaffung der Welt, dieser erst mit Noahs Arche, wie denn überhaupt sich Stolle wesentlich kürzer faßt als Rothe. Nach Christus und Octavian gewinnt dann die deutsch-thüringische Geschichte immer mehr an Gewicht, ist es doch das Land zu Doryngen [...], doruff disse kronicke sere geschreben ist (Rothe) 24 ', ohne daß nun darüber die Weltgeschichte 1,7 2>>

Zu K. Stolle vgl. die ausführliche Einleitung v. R. Thiele, a.a.O., 1900. Die Thüringische Landeschronik des Johannes Rothe ist nur in einer einzigen Handschrift von 1487 (Forschungsbibliothek Gotha: Cod. Chart. Β i8o) erhalten (hier zit. n. einer Fotokopie des Instituts f. dt. Phil. d. Univ. München). Der Schreiber ist Urban Schlorff, Schösser zu Tenneberg bei Waltershausen (fol. 288'). - A. Witzschel, Die erste Bearbeitung der Düringischen Chronik von Johannes Rothe, Germania 17 (1872), S. 129—169; F. Bech, Über Johannes Rothe, Germania 6 (1861), S. 45-80, 257-287; 7 (1862), S. 354—367; 9 (1864), S. 1 7 2 - 1 7 9 ; H. Neumann, Art. »Rothe, Johannes«, V L 5

(1955). Sp. 9 9 5 - 1 « * · '"Johannes Rothe, Düringische Chronik, hrsg. v. R. von Liliencron, 1859 (Thüring. Geschichtsquellen 3) — im folgenden zit. als »Weltchronik«. H ° H. Patze, Landesgeschichtsschreibung in Thüringen. In: Jb. f. Gesch. Ost- u. Mitteldeutschlands 16/17 (1968), S. 95 — 168, 107 (Stolle), 1 2 0 - 1 2 4 (Rothe). 241 Joh. Rothe, Weltchronik, S. 387. - »Die Weltchronik entwickelt sich [...] aus Stadtgeschichte und Landeshistorie in einer Weise, daß diese in jener noch immer erhalten und erkennbar sind« (P. Strohschneider, Johannes Rothes Verslegende über Elisabeth von Thüringen und seine Chroniken — zit. aus einem im Druck befindl. Ms., das mir der Verf. freundlicherweise zur Einsicht überließ).

141

völlig aus dem Blick geriete. Einem Kapitel über Gajus läßt Stolle (im Anschluß an Rothes Landeschronik, fol. i72 r ff.) alsbald die sächsische Herkunftssage folgen: Die petrioli oder kesserlinge verlassen nach Alexanders Tod das Land zu Schiff. Ein Teil landet im lande zu prussen unnd zu russen (Rügen wird auch sonst mißverstanden), ein anderer dort, wo itczunt lubegk lyd unde rostogk an der see. Die beiden Hansestädte sind nicht unmittelbar von den Sachsen gegründet, aber sie liegen auf geschichtsträchtigem Boden. So baute auch der erste Thüringerkönig Merwig, des konigis mag von franckrich, die merwigisborg, da itczunt erffort lyd (23, S. 60). Nach den ersten Kämpfen (Messerepisode) wird in einem Friedensschluß festgelegt, daß die Thüringer das land hir dissit brunswig unnd meydeborg besitzen sollen. Später werden sie von den Sachsen noch weiter über den Harz zurückgedrängt. Dabei werden viele Bauern erschlagen, andere müssen für die neuen Herren den Acker bestellen. Zu diesen lassen kamen noch die tagewarten hinzu, von den das sechsche lantrecht sagit. Damit meinen Stolle und Rothe den Sachsenspiegel (Ldr. III 44 § 3), der jedoch diesen Vorgang erst als Folge des großen Thüringerkrieges darstellt. Die Thüringer vertreiben nun ihrerseits die Wenden, was Stolle sogar mit einigen slawischen Ortsnamen in Thüringen belegt. Um die Geschichte bekannter Ortlichkeiten schon in der Landnahmezeit ansiedeln zu können, fächern die beiden Chronisten die Auseinandersetzung mit den Thüringern einfach in mehrere Phasen auf. Damit verknüpfen sie eine Reihe von Gründungssagen: Die Grafen von Schwarzburg kamen von der see mit den doringen, also dy von den sachsen vortreben worden [...] Item dy andern graffen, dy da füren lawen mit vor körten helssen im Schilde (26, S. 62), wie z.B. die von Kevernburg und die von Gleichen, deren Wappen in der Tat einen Löwen mit umgekehrtem Hals zeigt. Die Grafen von Brandenberg und die Herren von Wangenheim und Erffa werden ebenfalls zu dieser Gruppe der »Gründungsväter« gerechnet. Die Eroberung von Burg Scheidungen, die Rothe und Stolle im nächsten Kapitel behandeln, gibt Gelegenheit, die »Kultfigur« Hathagat zum Ahnherrn derer von Hagen zu erheben: Die Sachsen errichten nach dem Sieg die Sachsenburg, dy nam in eyn alder ritter under den sachsen, genant er hagk unnd von sinem gesiechte sint komen dy erbar manschafft vor deme harcze, dy nach dy haken heyssen (28, S. 69). Hier ist sie also endlich, die adelige Hausüberlieferung: Zu Beginn des 15. Jhs. leiten bestimmte Geschlechter der territorialen Führungsschicht ihre Herkunft von den Thüringern und Sachsen der Landnahmezeit ab. 142

Anders als die Freiherren und Grafen von Hagen (im Eichsfeld), die sich auf Hagk, und die Grafen von Henneberg, die sich — wie die Habsburger und Hohenzollern242 — auf die Colonna zurückführen und die überdies ihre eigene Burggründungssage haben, sind es hier ganze Gruppen von Adelssippen, die sich auf alte thüringische und sächsische Stammeszugehörigkeit berufen. Damit zählen sie zum Uradel. Und wenn die Chronisten dieses Abstammungswissen schriftlich festhalten, so bewahren sie solches nicht bloß vor dem Vergessen (vgl. Rothes Vorreden zur Rechtfertigung verschriftlichter historia)243, sondern sie erinnern damit auch an den gegenwärtigen Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft. Dadurch erhält die Stammessage eine neue Funktion: Gerade weil sie — vom Sachsenspiegel sanktioniert — zum festen Traditionswissen aller gehört und Stammessage bleibt, kann sie um so glaubwürdiger als Geschlechtersage in den Dienst einiger weniger gestellt werden. Erst nach diesen genealogischen Digressionen wenden sich Rothe (Landeschronik, fol. ι γ ^ ί ί . ; Weltchronik, c. 159—169) und Stolle (28, S. 64—69) dem Krieg der Franken und Sachsen gegen die Thüringer zu. Die Magdeburger Schöppenchronik (Buch I, S. 11 — 18) kombiniert hier noch sehr sorgfältig Widukind-Frutolf mit den Quedlinburger Annalen. Daß de witte strime in dem hemmele, den man des nachtes suet, Iringes swert (S. 18) genannt werde, ist ihre einzige Neuerung neben der ausgeweiteten Herkunftssage. In der Cronecken der Sassen wird der wytte stryme an dem hemel beibehalten, aber nicht »Irings Schwert« oder »Irings Weg«. Rothe tilgt den Iringsweg, hält sich aber sonst an den von Frutolf vorgegebenen Grundriß, während Stolle seine Vorlage strafft und zum Beispiel anders als Rothe die Jagdanekdote unter den Tisch fallen läßt. Bei der genealogischen Ausgangskonstellation vor dem Erbstreit vermengen beide ein wenig die Söhne Chlodwigs mit denen Chlotachars, wobei ihnen wichtig ist, daß Childebert Heldburg und Hildburghausen gegründet hat. »Ritter« Iring, inzwischen zum »heimlichen Rat« und »Marschalk« avanciert, wird wie üblich von der Königin zu dem verhängnisvollen Rat angestiftet — für Rothe Anlaß zu einer Bemerkung über das Verhalten der Frauen schlechthin: Wenn nu der weihe has Vorwitz unde hochfardt unde dorzu torliche liste von naturen on an 141

A . Lhotsky, Apis Colonna. Fabeln und Theorien über die Abkunft der Habsburger, M I Ö G 55 (1944), S. 1 7 1 - 2 4 5 . 14 ' Johannes Rothes Ratsgedichte, hrsg. v. H . Wolf, 1 9 7 1 , S. 1 0 1 - 1 0 7 ; Cod. Chart. Β i8o Gotha, fol. 15 8 v ff. — V . Homann, Johannes Rothe und seine >Thüringische Weltchronik

° Joh. Just Winkelmann, Gründlicher Bericht und Beweiß vom Ursprung und Anfang der Thüringer [...] Denen Monatlichen Unter-Redungen entgegen gesetzet, Bremen 1694, S. 41 — zit. n. E. Lorenz, S. 350.

146

Spangenberg und E. Brotuff Zülpich nach Thüringen, wo sie nahe der Unstrut das Dorf Subach (Saubach) endeckt haben. Man wüßte gern, ob den Schreibtisch-Gelehrten nicht vielleicht doch im einen oder anderen Falle lebendige Ortssagen zugeflogen sind. Als dritter Traditionsstrang sind die weiteren Ausgestaltungen der Iringsage hervorzuheben: Wigand Gerstenberg (1457—1522) aus Frankenberg hat für seine 1506 abgeschlossene Chronik von Thüringen und Hessen*'1 (zwei seit 1265 getrennte Territorien) mindestens 80 Quellen exzerpiert, darunter nicht zuletzt Rothes Landeschronik. Im Falle der Iringsage kann man ihm dennoch nicht — wie der Herausgeber — vorwerfen, er klebe förmlich an seinen Quellen; denn durch gründliches Studium der fränkischen Chronistik gelangt er zu zwei bemerkenswerten Neuerungen: Er hat herausgefunden, daß Chlodwigs Tochter Chrotildis hieß: die wart nach eriss irstin mannes tode dem kunnige Hermifride in Doringen unde Hessen (S. 27). Da er aber andernorts gefunden hat, daß auch dieser schon verheiratet war, nämlich mit Malaberga, kunnig Hunerichs tochter Wandalorum, erklärt er sie kurzerhand für verstorben, damit der neue Ehebund zwischen den beiden Verwitweten gestiftet werden kann. Chrotildis fällt dafür allerdings die undankbare Rolle ihrer Vorgängerin zu, ist sie es doch, die jetzt den Ritter Yringk aufreizen muß (S. 28). In der Schlußszene vereinigt Gerstenberg die einander widersprechenden Angaben seiner Quellen: Und als Gregorius Thuronensis schreibet [...], so gingen die zwene könige spatziren uff der Stadt mauren, die könig Diterich gewonnen und innen hatte. Und ritter Iring ging mit en. Des kamen sie zu reden, dass könig Hermefried sich entschuldigte und sprach zu seinem schwager, was er gethan hette, das were geschehen mit rath seiner schwester und ritter Irings. Da sprach der ritter, es were gelogen; und zog sein schwerd aus und erstach seinen herrn. Und stiess ihn von der mauer (S. 30).

Gregor von Tours ließ in der Schwebe, wer den Thüringerkönig von der Zülpicher Stadtmauer stieß. Jetzt endlich ist es nicht mehr Theuderich, sondern Iring. Das »missing link« zwischen der fränkischen und der sächsischen Version ist gefunden, so daß sich der Ring zu schließen beginnt. Also war womöglich gar der Soester irungs vegr (veggr) nichts weiter als eine Umdeutung der Zülpicher Stadtmauer? Das wird kaum des Rätsels Lösung sein, doch so ähnlich hätte wohl die frühere Helden151

Die Chroniken des Wigand Gerstenberg von Frankenberg, bearb. v. H. Diemar, 1909 (Veröffentl. d. Hist. Kommis. f. Hessen u. Waldeck, Chroniken v. Hessen u. Waldeck, Bd. 1).

!4 7

sagenforschung argumentiert und ein weiteres Parallel-Lied u. a. m. erschlossen. Daß solch eine Unterstellung nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, lehrt ein Blick auf den von Kurt Wais entworfenen »Stammbaum der genetischen Zusammenhänge« des Nibelungenstoffes.252 Hier werden z.B. mündliche Fassungen nicht zuletzt mit Hilfe der Chronica Hungarorum des Simon de Keza von 1282 erschlossen, die sich essentiell eigentlich nicht von der Hessen-Chronik eines Gerstenberg unterscheidet. Die unterschiedlichen Uberlieferungsbedingungen der Iringsage und ihrer »großen Schwester« lassen sich gewiß nicht ohne weiteres über einen Kamm scheren, aber ich nehme die historiographischen Quellen allererst als Zeugnisse für die oft unterschätzte kombinatorische Produktivkraft einer schriftlichen Tradition. Deshalb möchte ich noch an einigen weiteren Beispielen die Variationsbreite der Iring-Überlieferung demonstrieren: Bei Ernst Brotuff und Cyriacus Spangenberg wird der Thüringerkönig nicht mehr in Zülpich, sondern im thüringischen Saubach getötet, wobei in Ermangelung einer Stadtmauer eine Felswand für den Sturz herhalten muß. An der Aktion, die im Stil der Englischen Comödianten dargestellt wird, ist jetzt auch der Frankenkönig beteiligt: Der König Hermefridus ist mit den Düringern auff das Schloß Scheidingen/ vnd von dannen furder auff ein M eil weges nach Duringen geflohen/ vnnd bey dem Dorff Subach [...] erstochen. Dann Theodoricus erforderte Hermefridum zu jhm in das gespreche/ auff einen Berg: nach gethaner rede / nam jhn Theodoricus bey dem Arme/ fuhrete jhn/ vnnd schlug jhm ein Bein vnter/ stieß jhn den Berg hienab. Da folgete Inngus nach/ vnd erstach seinen Herm.in

Die anonyme Chronica Thuringorum (um 1400) deutet nur vage an, daß der Thüringerkönig von bösen Ratgebern ermordet worden sei (Tandem Irmefridus à suis malis consiliariis, qui consilium sibi litigandi dederunt, occisus esi).254 Zu Beginn des 14. Jhs. behauptet Sifrid von Ballhausen lakonisch, daß beide Könige von den Sachsen getötet worden seien: *" K. Wais, S. 2 1 1 . Vgl. die Rez. v. W. Mohr, AfdA 66 (1955), S. 7 - 2 0 u.v. S. Beyschlag, G R M 35 (1954), S. 257-265. *" E. Brotuff, Genealogia (wie Anm. 244), Buch I, S. 4. — C. Spangenberg, Sächssische Chronica (wie Anm. 245), S. 82; ders., Manßfeldische Chronica, S. 57. — Zu Saubach: C. G. Fischer, Der Tod Hermanfrits, letzten Königs des thüringischen Reiches. Eine historische Kritik. Progr. d. höh. Bürgerschule z. Culm 1863; H. W. Lippert, ZVThürG A 15, N F 7 (1891), S. 8 - 1 2 . 1,4 Die in Eisenach entstandene Cronica Thuringorum wird auch als Historia Pistoriana bezeichnet, weil sie Pistorius in den Scriptores rerum Germanicarum 1583 unter dem Titel Historia Erphesfordensis anonymi scriptoris de landgraviis Thuringie abdruckte (s. H. Patze, S. 119). Sie wird hier zitiert nach den Rerum Germanicarum Scriptores, ed. Burcard Gotthelf Struve, t. 1, S. 1299 (Hs. Nr. 12, UB. Jena). 148

Saxones igitur irruentes in civitatem [seil. Schidingen] regem et ducem cum universo populo f...] occiderunt.í$s Für die Iring-Fabel steht fest der Eingang mit dem Erbstreit und der Frau in der Rolle der Aufreizerin. Darauf folgt ein Völkerkrieg, an dem seit Rudolf von Fulda nicht nur Franken und Thüringer, sondern auch Sachsen beteiligt sind. Der Ausgang bleibt insofern konstant als die Thüringer die Verlierer, die Sachsen die eigentlichen Gewinner sind. Der Schluß erweist sich jedoch als variabel im Hinblick auf die Lösung des Sippenkonflikts. Dabei werden teils nacheinander, teils nebeneinander folgende Möglichkeiten durchgespielt: ι. Amalaberga a) überlebt und entkommt ins Exil, oder b) sie wird auf Befehl Theuderichs getötet. 2. Irminfried wird a) in Anwesenheit Theuderichs in Zülpich von einem anonymen Täter von der Stadtmauer gestürzt, oder er wird b) von Theuderich bzw. Theudebert ebendort getötet, oder er wird c) von Iring in Zülpich von der Stadtmauer gestoßen, oder er wird d) von Theuderich und Iring gemeinsam in Saubach den Bergabhang hinuntergestürzt. Irminfried kann weiter e) im fränkischen Lager in Thüringen in Anwesenheit Theuderichs von Iring oder f) von anonymen bösen Ratgebern oder g) mit Theuderich in Scheidungen von den Sachsen ermordet werden. Anderseits h) überlebt Irminfried und entkommt ins Exil zu Etzel, wo er i) im Kampf gegen die Burgunden fällt. 3. Theuderich a) überlebt, dehnt sein Reich weiter aus und stirbt schließlich eines natürlichen Todes, oder er wird b) im fränkischen Lager bzw. in Saubach von Iring getötet, und zwar unmittelbar nach der Ermordung Irminfrieds, oder er wird c) gemeinsam mit Irminfried von den Sachsen getötet. 4. Iring überlebt a) und entkommt irgendwohin — die Milchstraße wird nach ihm benannt. Iring ist b) der sternenkundige bayerische König Euring — die Milchstraße trägt seinen Namen. Iring entkommt c) ins Exil zu Etzel bzw. zu Attila nach Soest, wo er im Kampf gegen Hagen/ Högni fällt — in Soest wird der irungs vegr (veggr) nach ihm benannt. Die letzte Möglichkeit steht noch aus - Iring d) begeht Selbstmord nach einem mißglückten Attentat: Davon berichtet zuerst Albert Krantz in seiner Saxonia (1520). 2,6 Seine Version soll hier nach der Sächssischen Chronica von Cyriacus Spangenberg (1585) zitiert werden. König Dietherich und Ritter Irung haben Sifridi Presbyteri de Balnhusin Historia universalis et compendium historiarum, ed. O. Holder-Egger, M G H SS 25, S. 693, Z. 22—24. *'' A. Krantz, Saxonia (wie Anm. 212), lib. I, c. 28, fol. c iijv.

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Hermanfrid auf den Berg zu Subach gelockt. Der Franke nahm den Thüringerkönig bey einem Arm! schlug jm ein Bein vnterl daß er fallen muste/ vnnd stieß ihn also den Berg hinab, wo hung seinen Herrn vollends erstach. Die folgende Distanzierung Dietherichs wertet der Chronist als billichen lohn der Verraterey. Irung reagiert wie bei Widukind, schlägt sich nach des Frankenkönigs Tod durch die Trabanten eine Gasse — die sog. lrungs Strasse. Erst jetzt kommt der andere Schluß unter Berufung auf Krantz, der schreibt: Es habe sich Irung wolvnterstanden! den K. Dietherich zu erstechen/ doch sey im aber der Stich mißrahten/ derwegen er das Schwerdt in sich selber gestochen/ vnd also umbkommen.2i? Diese schematische Reihung zeigt, daß es innerhalb des von Gregor von Tours und von Widukind gesteckten Rahmens durchaus eine gewisse Flexibilität des gelehrten Zitats gibt. Ein nicht geringer Teil jener Varianten, die die Heldensagenforschung auf mündliche Entstehung und Verbreitung zurückzuführen pflegt, scheint mir ebensogut aus schriftlichen Uberlieferungsbedingungen heraus verständlich. An der »Sage« außerhalb der Heldendichtung hat auch das Schreiben seinen Anteil. Entstanden ist die Iringsage sicherlich in der Mündlichkeit, und in dieser Form begegnete sie Widukind. Doch ihre weitere Ausgestaltung und Verbreitung spielte sich überwiegend in der Schriftlichkeit ab. Seit Widukind ist die Iringsage von einzelnen litterati fortgeschrieben und »zerschrieben«, aber wohl kaum im Kreise der illitterati »zersungen« worden. Umwälzende Neuerungen enthalten die gelehrten Varianten nicht; um so leichter konnten sie vom Hauptstrom der schriftlichen Uberlieferung mitgetragen oder auch wieder abgestoßen werden. Insgesamt eignet den Varianten ein systematischer Grundzug. Darin sind sie der rhetorischen amplificatio-Technik vergleichbar, ohne ihr völlig zu gleichen. Sie verraten weder das Bemühen um rhetorische elocutio noch Freude am pointierten Dialog (der »Ferndialog« ist nur ein Mal umformuliert worden) oder gar ein Gespür für die großen bildhaften Gesten der Heldendichtung. Diese Varianten sind keine spontanen Einfälle, sondern Ergebnis einer Kombinatorik im Detail, nach und nach gefunden bei der Suche nach faktischer Wahrheit. Gerade wegen ihrer Verbindung mit der Stammessage wird die Heldensage nicht nur von den Laien, sondern auch von den Klerikern als Geschichtsüberlieferung akzeptiert. Widukind hat sie als mündlichvolkssprachliche fama ernst genommen und aufgezeichnet, auch wenn er 257

C . Spangenberg, Sächssische Chronica (wie Anm. 245), S. 82.

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ihr nicht denselben Authentizitätsgrad wie der schriftlich-lateinischen Tradition zubilligt. Die Präsentation der Iringsage durch Krantz, Brotuff, Spangenberg u.a. zeigt dagegen, daß aus der einstigen fama im 16./ 17. Jh. eine interessante fabula mit bloßem Unterhaltungswert geworden ist. Diese Umwertung wird sich daraus erklären, daß auch die sächsische Stammessage als Trägerin der Iringsage in der frühen Neuzeit ihre Verbindlichkeit endgültig verliert, die sie im 13. und 14. Jh., nicht zuletzt dank der Wirkung des Sachsenspiegels und als Bezugspunkt für die adelige Hausüberlieferung und für die Gründungsgeschichten der Städte, durchaus noch behauptet hatte. Gleichwohl gab es innerhalb der Grenzen der sächsischen Stammessage einen gewissen Spielraum zur Variation, weil die Iringsage doch wohl eher als Beiwerk zum festen Kern der Eroberungssage galt. Außerhalb der Historiographie muß jedoch die Iringsage ihren »Sitz im Leben« frühzeitig verloren haben, zumal es ihr zur selbständigen Weiterentwicklung wahrscheinlich an der festen künstlerischen Form mangelte. Sie wird frei verfügbar — so frei, daß im Nibelungenlied und in der Dietrichepik mehr oder minder nur die Namen von Irnfrit und Iring übrig bleiben. Als historische und nicht als heroische Sage ist die Iringsage rezipiert worden. Die variantenreiche Uberlieferung des Schlusses ist keineswegs ein Indiz für die Faszination des Heroischen, vielmehr Ausdruck zunehmender Gleichgültigkeit gegenüber der ursprünglichen Intention. Nichts spricht deutlicher für ein rein historisches Interesse an der Iringsage als die Gepflogenheit, dem Schluß der Iringfabel (nach Frutolfs Vorbild) ganz unvermittelt die fränkische Version ohne Iring folgen zu lassen. Die Figur, die in der Geschichtsschreibung am ehesten ihren Platz behauptet, ist denn auch nicht Iring, sondern Amalaberga. Sie, die die Darstellung einleitete, soll darum diesen Ausblick in die frühe Neuzeit abschließen. 1590 konstatiert Spangenberg: Dieses Capitel zeuget, wie falsche Zungen großen Mord, Krieg und Verheerungen stifften können.1^ Johann Adam Pfefferkorn verleiht in seiner Merkwürdigen und auserlesenen Geschichte von der berühmten Landgrafschaft Thüringen (1685)259 der Iringsage endlich die bündige Form: So geht's den Weibern die niemals vergnüget sind Mit ihrer Männer Stand, sie bringen Mann und Kind Sich selbsten auch darzu in Unruh Schimpf und Spott Und nach dem Uberfluß muß manche leyden Noht. l!

® Cyriacus Spangenberg, Quernfurtische Chronica, 1590 (zit. n. E . Lorenz, S. 344). J o h . Adam Pfefferkorn, Merkwürdige und auserlesene Geschichte von der berühmten Landgrafschaft Thüringen, 1685, c. 29, S. 39off. (zit. n. E. Lorenz, S. 346f.). Z u Pfefferkorn (1646—1732): H . Patze, S. 143.

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X.

Schlußbemerkungen

Die Geschichtsschreibung überliefert im Kontext der origo gentis eine Erzählsequenz mit typischen Merkmalen einer germanischen Heldensage, ohne daß davon eine Heldendichtung — etwa in Form eines Heldenlieds — erhalten wäre. Insofern handelt es sich für die Heldensagenforschung um einen »casus obliquus«, zugleich aber um einen beispielhaften Fall von »Heldensage vor und außerhalb der Heldendichtung«. Den Anstoß gibt ein historisches Ereignis, der thüringisch-fränkische Krieg. Der Chronist Gregor von Tours hat ihn bereits personalisiert und zu einer in sich geschlossenen Erzähleinheit umgeformt. Mit Hilfe des literarischen Schemas vom Erbstreit wird die Ursache des Krieges erklärt, rhetorische Versatzstücke deuten einen typischen Kriegsverlauf an, die Ermordung des Königs besiegelt den Untergang des Thüringerreiches. Die ganze Aktion erscheint als Folge von Ursache und Wirkung, sie wird konkretisiert und motiviert durch das situative Handeln einzelner. Die Szene vom halb gedeckten Tisch und der Sturz von der Stadtmauer verleihen der Geschichte Gregors anekdotenhafte Züge. Mit der Frau in der Rolle der Aufreizerin und mit dem ungewöhnlichen, wenn auch noch nicht außergewöhnlichen, Königsmord liefern gerade sie die Bausteine für den Anfang und das Ende der späteren Heldensagenfabel. Mit Rudolf von Fulda und Widukind von Corvey bemächtigt sich die sächsische Chronistik des Gegenstandes. Sie erzählt von einer Teilnahme der Sachsen am thüringisch-fränkischen Kriege und erweitert damit das »Interaktionsfeld« um eine dritte Kraft, die Identifikation ermöglichte: Die sächsische Führungsschicht der Ottonenzeit konnte sich damit auf einen — jetzt schriftlich beglaubigten — Sieg der Vorfahren berufen, der nach den Niederlagen und Zerwürfnissen z. Zt. Karls d. Gr. die Erfahrung von Einheit suggerierte und der als ruhmreicher Anfang den Aufstieg von Stamm und Dynastie im Reiche legitimieren half. Dem Thüringerkrieg kommt neben dieser aktuellen Funktion aber noch eine ältere zu, die eng mit der Entstehung des sächsischen Stammes verknüpft ist: Die Teilnahme der Sachsen ist schwerlich erst in der Klosterzelle erfunden worden, selbst wenn manches in der chronikalischen Darstellung nach gelehrtem Buchwissen schmeckt. Im Kern handelt es

sich um geglaubte Taten der Vorfahren, von denen bereits die mündliche Geschichtsüberlieferung erzählte. Diese lebendige Erinnerung der volkssprachlichen Stammessage wird respektiert und darum von der gelehrtlateinischen origo gentis schriftlich festgehalten, wenn auch nicht ungebrochen. In der Entstehungszeit der frühmittelalterlichen gentes hat das geschichtliche Wissen der Stammessage das gentile Bewußtsein allererst geprägt: Die Fiktion einer »Abstammungsgemeinschaft« — so die von R. Wenskus übernommene Eingangsthese — ist offensichtlich notwendig für die Existenz eines Stammes, der keine natürliche, sondern eine historisch gewordene Einheit ist. Im nachhinein wird in der Sachsen-ongo das Bild eines von vornherein geschlossen agierenden Verbandes entworfen, der auswandern mußte über See und der sich nach der Landung mit List und Kampf sein Land eroberte, nämlich in Hadeln und in Britannien. In Widukinds Darstellung begegnen damit eigentlich zwei Stammessagen. Realiter können sich die Ereignisse nicht so exakt wiederholt haben, wie sie im Erzählvorgang dargeboten werden. Doch es gab in der Tat zwei Landnahmen unter ähnlichen Bedingungen. Schon deren rein denotative Wiedergabe würde »toposhaft« wirken, und sie wird es ja auch vollends durch die literarische Entlehnung aus der angelsächsischen Geschichtsschreibung. Dennoch liegt den Erzählmustern Widukinds eine einschneidende Erfahrung zugrunde, eben die der Abspaltung jenes Teils, der im 5. Jh. nach Britannien auswanderte, dort seine eigene Geschichte gewann, die den Zurückgebliebenen gleichwohl noch als Teil der ihren galt. Insofern handelt es sich um ein Paradigma für »historische Erfahrung«, die »mittels literarischer Schemata zu sich selber kommt« (Walter Haug), 260 wobei literarische Muster und realhistorische Verhaltensmuster wechselseitig aufeinander einwirken. Eine in diesem Sinne zwischen Geschichts- und Literaturwissenschaft vermittelnde Geschichte der origo gewiw-Gattung gibt es noch nicht. Uber der Suche nach der Faktizität geriet den Historikern allzu häufig die Literarizität aus dem Blick. Zu wünschen wäre eine vergleichende Analyse der verschiedenen origines nach Aufbau, Motivik und Funktion. Dabei müßte auch die Topik der antiken Ethnographie einbezogen werden; denn die mittelalterliche origo gentis steht in der Nachfolge der antiken origo. Nicht von ungefähr 160

W. Haug, Andreas Heuslers Heldensagenmodell (197$), S. 28 if. - A . Ebenbauer (Heldenlied und »Historisches Lied« im Frühmittelalter und davor. In: Heldensage und Heldendichtung. Hrsg. v. H . Beck, 1988, S. 15 — 34) stellt literarische und historische Schemata einander gegenüber und unterscheidet bei diesen zwischen Formen der Geschichtsbetrachtung und Formen der historischen Erfahrung.

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war es ein Römer, nämlich Cassiodor, der zuerst die Gotengeschichte schrieb, deren Auszug durch Jordanes dann zum Vorbild der übrigen Stammesgeschichten wurde. Hauptmerkmal ihrer Eigenständigkeit ist, daß sie der mündlichen Geschichtsüberlieferung der Laien näher stehen als der dominierenden heils- und weltgeschichtlich orientierten Historiographie. Sie erscheinen jedoch — schon durch den Akt der Kodifizierung — immer nur als Vermittlungsprodukt zwischen volkssprachlicher Illiterarizität und lateinischer Literarizität. Die vorliegende Fallstudie beschränkt sich auf die sächsische Stammessage. Als Substrat der origo gentis ist sie in ihrer ursprünglichen Gestalt nur schwer zu greifen, und die Gefahr, daß man nun Stammessagen ebenso nach einem idealtypischen Bilde rekonstruiert wie Heldenlieder, liegt nahe. Die Stammessage scheint ohnehin ein disparates Gebilde, ebensowenig eine in sich geschlossene und unveränderte Ganzheit wie der Stamm, dem sie gilt. Vereinheitlichend wirkt lediglich das Stilisationsprinzip, wie es sich aus der Wirkungsintention ergibt: Alle Vorgänge werden auf diesen einen — zumindest dem Namen nach unverwechselbaren — Stamm bezogen. Er erscheint als Gruppe, und der einzelne agiert als ihr Repräsentant. Die Akteure werden bar jeder Differenzierung und ganz »prosaisch« in ihrem äußeren Handeln vorgestellt — innere Konflikte fehlen. Zielt die germanische Heldensage auf die exorbitante Tat eines einzelnen, häufig auf die Selbstbehauptung im Angesicht des Todes — auf den heroischen Untergang, so konzentriert sich das Interesse der Stammessage ganz auf den Ursprung, auf die Herkunft und auf die erste große Tat des Stammes. Alles, was mit dem Odium der Schwäche (nicht etwa des moralisch Verwerflichen) behaftet ist, wird bagatellisiert oder verdrängt. Was zählt, ist allein das Stammesinteresse — darauf gründet sich die normative Kraft der Stammessage. Die erzählten Vorgänge werden zunächst in eine geschichtslose Vorzeit projiziert, wo die Grenze zwischen dem irdischen und dem mythischen Bereich noch verschwimmt. Doch mit der Geschichte der Namenfindung und mit dem Erwerb des Landes »zu ewigem Besitz« nach dem Thüringerkrieg vollzieht die Stammessage bereits den Schritt von der Vorzeit in die geschichtliche Zeit — in eine Vergangenheit, die sehr gegenwärtig ist, weil sie die ständische Gliederung und das »gute, alte Recht« auf Herrschaft begründen hilft. Wie in der Heldenepik werden zeitlich getrennte Ereignisse und Personen zu einem Erzählzusammenhang verknüpft, gibt es eine Distanz zwischen der Vergangenheit der alten maeren und der Gegenwart des uns. Aber stets bleibt in der sächsischen Stammessage präsent, daß es unse guden vorevaren waren, von 154

denen erzählt wird. Und selbst nach der Auflösung der alten gentilen Verfassung können sich die Nachfahren — die Städte, der Adel und die Territorialfürsten Niederdeutschlands — immer noch auf diese Vorfahren berufen. F. Graus urteilt deshalb m. E. zu streng, wenn er den Herkunftssagen »eine wirklich bedeutende Rolle« abspricht. Die sächsische Herkunftssage ist schon wegen ihrer Verknüpfung mit der Sage von der Landnahme in Thüringen kein »reines Gelehrtenwerk geblieben«; das belegen die Verbreitung der Stammessage und die zahlreichen lokal- und territorialgeschichtlichen Querverweise zur Genüge. 26 ' Angesichts der zentralen Bedeutung des Thüringerkrieges für das sächsische Stammesbewußtsein wirkt die Verteilung der Gewichte in Widukinds Darstellung um so merkwürdiger. Die Sachsen agieren mehr als Dritte im Hintergrund und treten erst mit Hathagats Rede vor dem Kampf und bei der Siegesfeier deutlicher hervor. In den Vordergrund rückt der Konflikt zwischen einzelnen, die gerade keine Sachsen sind. Das Interesse des Chronisten gilt nicht einfach dem Sieg der eigenen, sondern mehr noch der — durch einen Erbstreit ausgelösten und durch Verrat besiegelten — Niederlage der anderen Partei und der denkwürdigen fama vom Ende zweier Könige. Diese Perspektive läuft eigentlich derjenigen der Stammessage zuwider, die hier unverkennbar ein Stück Heldensage absorbiert: Ein klarer Fall von Gattungsmischung, der dazu herausforderte, die Sachsen — und damit den vorgegebenen Rahmen der Stammessage — als Fremdkörper zu tilgen, um so dem Iringlied wieder zu seiner ursprünglichen Reinheit und Selbständigkeit zu verhelfen. Die Adaptationen etwa der Asmundarsaga kappabana und der Hervarar Saga zeigen in der Tat, daß Heldenlieder aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst und einem fremden eingepflanzt werden können. Es wäre auch denkbar, daß das Iringlied zur Zeit Widukinds noch nicht völlig »entschlackt« war und — 261

F. Graus, Lebendige Vergangenheit, S. 133. — Auf welche Deutungsdispositionen bei den Rezipientengruppen die Deutungsangebote der sächsischen Stammessage im einzelnen zutreffen, ließe sich für die spätmittelalterlichen Territorien mit Hilfe der landesgeschichtlichen Forschung gewiß noch genauer herausarbeiten. Und über den Wirkungsgrad und die Gebrauchssituation einzelner Texte mögen die kodikologischen Daten näheren Aufschluß geben: Man hat sich jedenfalls diese Geschichten gefallen lassen. Gegen die Annahme von Graus, »die neuen territorialen Einheiten« seien »in das Bewußtsein der Bevölkerung zu tief eingedrungen, als daß noch eine alte Sachsentradition hätte wirksam werden können« (S. 133), sprechen die vom Verf. selbst ausgebreiteten Zeugnisse, deren Anwendungsmöglichkeiten er verkennt. Bei aller Kontinuität des gelehrten Zitats muß es sich doch nicht um einen bloß innerliterarischen Vorgang handeln, wie Graus zu unterstellen scheint. Erst im 16./17. Jh. überwiegt ein nur mehr wissenschaftlich-antiquarisches Interesse.

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gemessen am reinen Heldenlied Heuslerscher Prägung — sozusagen auf halbem Wege stehen blieb. Ich habe jedenfalls die beiden Traditionsstränge, die nun einmal in der schriftlichen Uberlieferung jahrhundertelang miteinander verbunden sind, in ihrer Symbiose akzeptiert. Die thematische Verschränkung von Ursprung und Untergang, die Geschichte vom Aufstieg der einen, die den Fall der anderen bedingt und in der noch obendrein dem im Leben Besiegten zum Sieg im Tode verholfen wird, hat ihren eigenen Reiz. Gerade als Heldensage in der Stammessage gewinnt die Iringsage eine plausible sozialgeschichtliche Funktion: Zwar hat die Stammessage ihren »Sitz im Leben« des jeweiligen Stammes, während die Heldensage stammesübergreifend als überhöhte Selbstdarstellung einer adelig-kriegerischen Elite wirkt; doch die Wirkungsmöglichkeit der einen Gattung schließt ja die der anderen nicht aus. Es war die adelig-sächsische Führungsschicht, der auch der Klerus als Uberlieferungsträger angehörte, die sich für die Iringsage ebenso wie für die sächsische Stammessage interessierte. Im Hoch- und Spätmittelalter erlischt das Interesse am eigentlich heroischen Impetus der Iringfabel. Die Iringsage wird weiterhin im Rahmen der Stammessage zitiert, aber der große und außergewöhnliche Augenblick, auf den hin die menschlichen Verwicklungen der Liedfabel verdichtet sind, erscheint in diesem Kontext nur mehr als ein Glied in der Kette der vielen ungewöhnlichen und darum denkwürdigen Begebenheiten. Vielfach wird gerade der pointierte und komplizierte Schluß vereinfacht und gekürzt, ganz getilgt oder zumindest relativiert durch den Hinweis auf die abweichende fränkische Fassung. In den sächsischen und thüringischen Stadt-, Landes- und Weltchroniken finden sich mancherlei »Anbindungen« an den Thüringerkrieg, doch die Hauptfiguren der Iringsage spielen dabei keine Rolle. Auf der anderen Seite sind das Nibelungenlied und die Thidrekssaga die Kronzeugen dafür, daß auch in der Uberlieferung der Heldendichtung die Erinnerung an die Iringfabel verblaßt gewesen sein muß, wo doch die Walthersage z.B. durchaus noch präsent ist. Nirgendwo sonst wird später auf die Wiedergabe der Iringfabel soviel Aufmerksamkeit und Erzählzeit verwandt wie bei Widukind. Seither wird die Iringsage immer mehr zum unselbständigen Versatzstück der Erzählung vom Thüringerkrieg. Sie verdeutlicht am Rande ein Geschehen, in dessen Zentrum die Sachsen stehen. Aus dieser Perspektive erscheint die heroische Sage eher als eine historische2*2 — eine InterpretaG. Kornrumpf, Heldenepik und Historie, konstatiert am Beispiel der chronistischen 156

tion, die der historisch-historiographische Kontext von vornherein nahelegte. Sie bot sich überdies an bei einer Sage, die in der schriftlichen Uberlieferung loser geformt (und darum ungeschützter) vorlag als ein Heldenlied: Es war Andreas Heusler, der der romantischen Auffassung eines Nebeneinander von Sage und Dichtung als Hervorbringungen des schaffenden Volksgeistes den Primat der Heldendichtung entgegensetzte und der damit jene Gleichsetzung von Heldensage und Heldenlied anbahnte, die der junge Hermann Schneider dann strikt vollzog und auf die apodiktische Formel brachte: »Das Individuum schafft das Heldenlied und damit die Heldensage. « 2é} Die selbständig existierende Sage schien ein entbehrliches Konstrukt, bis Hans Kuhn der Heldensage »vor und außerhalb der Dichtung« wieder zu ihrem Recht verhalf. Die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der fama von Iring und dem Untergang des Thüringerreiches zeugt von der Existenz einer Heldensage vor, neben und nach der Heldendichtung. Wenn es ein Iringlied gegeben hat — und die Paraphrase Widukinds läßt diesen Schluß zu —, dann nicht getrennt von jenem Ereignis- und Erzählzusammenhang, wie ihn gleichfalls Widukind mitliefert. Ein Iringlied ist — soweit sich seine Genese und Überlieferungsform rekonstruieren lassen — ohne die Iringsage nicht zu denken. Statt einer schroffen Entgegensetzung oder Gleichsetzung von Dichtung und Sage wird man sich eher einen fließenden Ubergang zwischen Iringlied und Iringsage vorstellen dürfen. Das Iringlied muß keine geordnete Ganzheit vom Zuschnitt eines klassischen Heldenliedes gewesen sein, und ebensowenig war die Iringsage eine bloß ungeformte Erzählmasse. Schon bei Gregor von Tours finden sich das Erbstreit-Schema und das Mord-Motiv; die Anlage zur heroischen Sage war in der historischen Sage längst vorhanden. Doch erst das Iringlied mit seiner szenischen Konzentration des Stoffes und seiner Bildhaftigkeit vor allem am Schluß verlieh der Iringsage eine unverwechselbare Handlung und die spezifisch heroische Grundhaltung. Insofern sind die Thesen Heuslers nicht völlig widerlegt, doch grundsätzlich bestätigt sich auch in diesem Falle erneut die Auffassung Kuhns. Das Lied ist verloren, aus welchen Gründen auch immer; die Sage kann ohne feste künstlerische Form wohl überleben, aber sie hat weniger

1zeitgemäß< neu zu begründen« (S. 109). H . Schneider, Germ. Heldensage, Bd. 1, 1933, S. 10.

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Konsistenz und wird fungibel. Die Iringsage wird zum narrativen Versatzstück historiographischer Großformen und am Kriterium der historischen Glaubwürdigkeit gemessen. Sie wird als res facta wahrgenommen und nicht als res ficta, als eine Geschichte innerhalb der Geschichte. Nicht wie die exorbitante Tat zum Pathos des großen Augenblicks stilisiert wird, interessiert, sondern der Tathergang als solcher — das Was und Warum einer fama memorabilis. Der zumindest graduelle Unterschied zwischen Heroisch-Poetischem und Historisch-Prosaischem264 wird eingeebnet; die heroische Sage — ohnehin mit der Stammessage verzahnt — rückt wieder ein in den Status einer historischen Sage. So soll hier eine Chronikerzählung 26 ' heißen, die nicht mehr oder noch nicht Heldensage ist. Ihr Inhalt ist räum- und zeitgebunden wie der jeder Sage und will geglaubt werden. Im Unterschied zur mythischen (dämonologischen) Sage, die die Begegnung mit dem Numinosen zum Gegenstand hat, bezieht sich die historische Sage auf bestimmte Gestalten und Ereignisse der profanen Wirklichkeit.266 Durch die Geschichte mit den Messern, die die Entstehung des Sachsennamens erklärt, und durch den »Iringsweg«, der das Exorbitante der Iringsage mit der Benennung der Milchstraße unterstreicht, enthält hier die historische Sage zugleich Elemente der aitiologischen Sage. Die Brüder Grimm ordneten die Chronikerzählung von Iring und Irminfried und andere Episoden der sächsischen Stammessage noch ohne weiteres der historischen Sage zu. 267 Und "Quid sibi vulttam ingens aurum circa tuum famelicum collum?< >Emptoremquaero; ad nichil aliud istud aurum gero. Qui enim fame periclitor, quo auro delecter?< At ille qualitatem quantitatemque pretii rogat: >Nullummichi estdiscrimen in pretio: quicquid dabis gratum teneoQuid side isto pulvere sinum tibi inpleo?< Erat enim in presenti loco egesta humus plurima. Saxo nichil cunctatus aperit sinum et accipit humum, ilicoque Thuringo tradidit aurum. Laetus uterque ad suos repedat. Thuringi Thuringum laudibus ad caelum tollunt, qui nobili fraude Saxonem deceperit, fortunatumque eum inter omnes mortales fuisse, qui vili pretio tam ingens aurum possederit. Caeterum certi de victoria, de Saxonibus iam quasi triumphabant. Interea Saxo privatus auro, oneratus vero multa humo, appropiat navibus. Sociis igitur ei occurrentibus et quid ageret admirantibus, alii eum irridere coeperunt amicorum, alii arguere, omnes pariter amentem eum crediderunt. At ille postulato silentio: >Sequiminime, optimi Saxones, et meam vobis amentiam probabitis utilemsahs< dicuntur, ideoque Saxones nuncupatos, quia cultellis tantam multitudinem fudissent. / V i l i . Dum ea geruntur apud Saxoniam quae ita modo vocitatur regionem, Brittannia a Vespasiano principe iam olim inter provincias redacta et sub clientela Romanorum multo tempore utiliter degens a vicinis nationibus inpugnatur, eo quod auxilio Romanorum destituía videretur. Populus namque Romanus, Martiali imperatore a militibus interfecto, externis bellis graviter fatigatus non sufficiebat solita auxilia administrare amicis. Extructo tamen ingenti opere ad munimen regionis inter confinia a mari usque ad mare, ubi inpetus / hostium videbatur fore, relinquebant regionem Romani. Sed hosti acriori et ad bellandum prompto, ubi gens mollis et pigra belli resistit, nulla difficultas in destruendo opere fuit. Igitur fama prodente de rebus a Saxonibus prospere gestis, supplicem mittunt legationem ad eorum postulanda auxilia. Et procedentes legati: >OptimiSaxones, miseri Bretti crebris hostium incursionibus fatigati et admodum contriti, auditis victoriis a vobis magnifice patratis, miserunt nos ad vos, supplicantes, ut ab eis vestra auxilia non subtrahatis. Terram latam et spatiosam et omnium rerum copia refertam vestrae mandant ditioni parere. Sub Romanorum hactenus clientela ac tutela liberali ter viximus; post Romanos vobis meliores ignoramus, ideo sub vestrae virtutis alas fugere quaerimus. Vestra virtute, vestris armis hostibus tantum superiores inveniamur, et quicquid inponitis servitii, libenter sustinemusCertos amicos Brettis Saxones sciatis et eorum necessitatibus atque commodis aeque semper affuturosMortaliumoptimus maximus, dominus meus Thiadricus misit me ad te, exoptans te bene valere et lato magnoque diu imperio vigere, seque tibi non dominum, sed amicum, non imperatorem, sed propinquum, propinquitatisque iura inviolabiliter tibi finetenus velie servare demandat; tantum ut a populi Francorum concordia non discordes, rogat: ipsum namque sibi regem sequuntur constitutum.< Ad haec Irminfridus, iuxta quod regalem decuit dignitatem, clementer legato respondit placita sibi piacere populi Francorum, ab eorum concordia non discordare, pace omnimodis indigere; super negotio vero regni responsionem suam in amicorum presentiam velie differre. Virumque honorifice tractans fecit eum secum aliquamdiu manere. Audiens autem regina legatum fratris supervenisse et locutum cum rege super negotio regni, suasit Iringo, ut pariter persuaderent viro, quia sibi regnum cessisset iure hereditario, utpote quae filia regis erat et filia reginae; Thiadricum vero suum servum tamquam ex concubina natum, et ideo indecens fore proprio servo umquam manus dare. Erat autem Iring vir audax, / fortis manu, acer ingenio, acutus Consilio, pertinax in agendis rebus, facilis ad

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suadendum quae vellet, hisque rebus animum sibi Irminfridi connexerat. Convocatis principibus et necessariis amicis Irminfridus verba legati in presentiam eorum contulit. At illi unanimiter suadebant, quae pacis atque concordiae sunt, eum sentire, quia inpetus Francorum ferre non posset, maxime qui acrioribus hostium armis ex alia parte premeretur. Iring vero votis lascivae mulieris satisfaciens, suasit Irminfrido Francis cedere non debere, super negotio regni iustiorem causam se habere, latum preterea imperium, militum manus et arma ceterasque belli copias sibi ac Thiadrico parum procedere. Secundum haec verba Irminfridus respondit legato amicitiam quidem sui et propinquitatem Thiadrico non negare, mirari tarnen non posse, quomodo usurpare vellet prius imperium quam libertatem; servum natum, et quomodo sui quaereret dominium? proprio servo non posse manus dare. Legatus contra haec satis commotus: >Mallemhoc caput meum tibi tradere quam huiuscemodi verba a te audire, sciens ea multo sanguine Francorum atque Thuringorum diluendaOportet nosad servitium Irminfridi festinare, quatinus, qui übertäte privamur, inani saltern vita fruamurCenseocausa caesos sepeliendi, vulneratos curandi, maiorem exercitum congregandi patriam remeandum; neque enim arbitror multis milibus tuorum amissis sufficere nos posse ad peragendum presens bellum. Si enim barbarae nationes / innumerae in nos consurgant, multis nostrorum debilitatis, per quos vincis?< Erat autem Thiadrico servus satis ingeniosus, cuius consilium expertus est saepius probum, eique propterea quadam familiaritate coniunctus. Hic rogatus sententiam dare: >In rebusSecunda horasequentis diei probabit, quia vos oporteat sine ludis agere. Quapropter consulite vobis ipsis et fuga salutem quaeriteHucusque inter optimos Saxones vixi, et ad hanc fere ultimam senectutem aetas me perduxit, et numquam / Saxones meos fugere vidi; et quomodo nunc cogor agere quod numquam didici? Certare scio, fugere ignoro nec valeo. Si fata non sinunt ultra vivere, liceat saltern, quod michi dulcissimum est, cum amicis occumbere. Exempli michi paternae virtutis sunt amicorum corpora circa nos prostrata, qui maluerunt mori quam vinci, inpigras animas amittere quam coram inimicis loco cedere. Sed quid necesse habeo exhortationem protrahere tantisper de contemptu mortis? Ecce ad securos ibimus, ad caedem tantum, non ad pugnam. Nam de promissa pace ac nostro gravi vulnere nichil suspicantur adversi, hodierno quoque prelio fatigati quemadmodum sunt, sine metu, sine vigiliis et solita custodia manent. Irruamus igitur super inprovisos et somno sepultos, parum laboris est; sequimini me ducem, et hoc canum caput meum vobis trado, si non evenerit quod dicoTali facinore omnibus mortalibus odiosus factus, dominum tuum interficiendo, viam habeto apertam a nobis discedendi; sortem vel partem tuae nequitiae nolumus habereMeritoodiosus omnibus / mortalibus factus sum, quia tuis parui dolis; antequam tamen exeam, purgabo hoc scelus meum vindicando dominum meumQuid sibi vulttam ingens aurum circa tuum famelicum collum?< >Emptoremquero; ad nichil aliud istud aurum gero. Qui enim fame periclitor, quo auro delecter?< At ilio qualitatem quantitatemque precii rogante: >Nullummichi est discrimen in precio; quicquid dabis gratum h a b e o . < Ille vero subridens: >Quid side pulvere isto sinum tibi impleo?< Erat aut em in presenti loco egesta humus plurima. Saxo nichil cunctatus / aperit sinum et accipit humum ilico Thuringo tradens aurum letusque ad suos uterque r e d i t . Thuringi Thuringum laudibus ad cçlum tollunt, qui nobili fraude Saxonem deceperit fortunatumque eum inter omnes mortales fuisse, qui vili precio tam ingens aurum possederit. Ceterum certi de victoria de Saxonibus iam quasi triumphabant. Interea Saxo privatus auro, oneratus vero multa humo appropiat navibus. Sociis igitur ei occurrentibus et quid ageret ammirantibus alii amicorum eum irridere cçperunt, alii arguere, omnes pariter eum amentem crediderunt. At ille postulato silentio: >Sequimini meoptimi Saxones, et meam vobis amentiam probabitis utilem.< At illi licet dubii secuntur tarnen. Ille autem sumpta humo per vicinos agros quam subtilius potuit e am disp e r s it et castrorum loca occupavit. Ut autem viderunt Thuringi castra Saxonum, intolerabilis visa est eis res, et missis legatis conquesti sunt de fçdere rupto ac violato pacto ex parte Saxonum. Saxones responderunt se hactenus fçdus inviolabili ter servasse, terram v e r o proprio auro comparatam cum pace velie obtinere aut certe armis defendere. His auditis incolç c e p e r u n t aurum Saxonicum iam maledicere, et quem paulo ante felicem predicabant, auctorem perditionis suç a t q u e regionis fatebant u r . Ira deinde accensi cçco marte sine ordine et sine Consilio irruunt in castra. Saxones vero parati hostes excipiunt sternuntque et rebus prospere gestis próxima circumcirca loca iure belli obtinent. Diu itaque cum ab alterutris pugnatum foret et Thuringi Saxones sibi superiores fore v i d è r e n t , per internuncios p a c i f i c a r i c u m eis q u e r u n t e o s q u e in terra q u a m a c c e p e r u n t s e d e r e c o n c e d u n t . E o t e m p o r e mortuo Clodoveo r e g e F r a n c o r u m quatuor filii eius regnum i p s i u s equaliter diviserunt. E x q u i b u s T h e o d e r i c u s cum Austrasiam accepisset, c u i u s r e g n i sedes a p u d M e t t e n s e m f u i t c i v i t a t e m , mittere curavit legationem ad Irminfridum r e g e m T h u r i n g o r u m pro pace et concordia m a n d a n s ei n o n se c u p e r e 178

s i b i e s s e dominum, sed amicum, non impera/torem, sed propinquum propinquitatisque iura inviolabili ter se velie servare pe T h e o d e r i c i

Irminfridus

sororemquip-

a c c ç p e r a t —; tantum, ut a populi

Francorum concordia, q u i e u m r e g e m c o n s t i t u e r a n t , non discordarci,

r o g a b a t . Ad hçc Irminfridus

cum

benigne

responderet

Francorum s t a t u t a sibi piacere, pace omnimodis se indigere, super negotio regni responsionem suam in amicorum presentiam s e velie différé, audiens regina legatum fratris supervenisse et super negotio regni cum rege locutum f u i s s e e g i t c u m Iringo m i l i t e r e g i s , qui erat vir audax, fortis manu, acer ingenio, acutus Consilio, pertinax in rebus agendis, facilis ad suadenda quç vellet, u n d e e t animum r e g i s sibi conexerat, ut pariter r e g i suaderent, regnum sibi iure hereditario cessisse, utpote quç filia regis e s s e t et reginç, Theodericum vero suum servum esse tanquam ex concubina natum et ideo indecens fore proprio servo manus unquam dare. Convocatis e r g o principibus et necessariis amicis Irminfridus verba legati in presenti a eorum contulit. At illi unanimiter suadebant, quç pacis et concordiç sunt eum sentire, quia impetus Francorum ferre non posset, maxime qui acrioribus hostium armis ex alia parte premeretur. Iring vero lascivç mulieris satisfaciens votis suasit Irminfrido Francis cedere non debere, super negotio regni iustiorem se causam habere, latum preterea imperium, militum manus et arma ceterasque belli copias sibi ac Theoderico parum ç q u e procedere. H i s i g i t u r Irminfridus p e r s u a s u s secundum hçc verba legato respondit amiciciam quidem sui et propinquitatem Theoderico non negare, mirari se tarnen s a t i s non posse, q u o m o d o usurpare vellet prius imperium quam libertatem; servum ilium natum, et quomodo sui quereret dominium?, se non posse proprio servo manus dare. Legatus h i s satis commotus: >Mallemhoc caput meum tibi tradere quam huiusmodi verba a te audire sciens ea multo sanguine Francorum atque Thuringorum diluenda.< E t hçc dicens reversus est ad Theodericum et quç audivit non celât. Theode/ ricus autem nimiam iram vultu celans sereno: >Oportet nosad servicium Irminfridi festinare, quatinus qui libertate privamur, inani saltern vita fruamur.< E t cum gravi exercitu appropians terminis Thuringorum invenit e u m valida quoque manu se exspectantem in loco qui dicitur Runiberg, et commisso certamine pugnatum est ancipiti bello p e r b i d u u m , tercia vero die victus Irminfridus cessit Theoderico fugiensq u e tandem se recepit in urbem quç dicitur Schidinga, sita super fluvium Onestrod. Theodericus autem congregatis principibus exercitus sui rogat sententiam, utrumnam censerent Irminfridum persequendum an patriam remeandum. Erat autem Theoderico servus ingeniosus satis,

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cuius consilium expertus est sepius probum eique propterea quadam familiaritate f u i t coniunctus. C u m q u e q u i d a m c e n s e r e n t m o r t u o s sepeliendos, s a u c i o s curando s et ad maiorem exercitum congregandum esse re p a t r i a n d u m , rogatus ille s e r v u s sentenciam dix i t : >In rebus honestis pulcherrimam semper esse arbitror perseveran tiam, quam ita coluerunt maiores nostri, ut a ceptis negotiis raro vel nunquam deficerent. Nec tamen labores nostros eorum çquandos putaverim, qui parvis copiis ingentes gentium copias superaverunt. Nunc terra in nostra est potestate, et disceesione nostra victis occasionem vincendi prestabimus? Amplecterer et ipse patriam redire, familiarem necessitudinem p r o videre, si hostem nostrum eo spacio scirem vacare. Sed vulnerati nostri forsitan hac re indigent, castrorum e r g o labor impigris animis, reor, pro maxima voluptate est. Cesa multitudine exercitus est vehementer attenuatus; hostesne omnes evaserunt? Certe rarissimi. Ipse namque dux ut quçdam bestiola suo munitur latibulo, urbis circumdatur claustro, nec ipsum cçlum audet secure inspicere nostro timore cogente. Sed non desunt ei pecuniç, quibus conducantur nationes barbarç, non deest militum manus licet lassa, quç tamen omnia nostra redintegrantur absentia. Indecorum est victoribus victis vincendi locum dare. N u m singulis urbibus amministranda sufficimus presidia? / Et eas omnes perdimus, dum imus et redimus.< Hçc eo prosequente placuit Theoderico omnibusque victoriç avidis manere in castris et mittere ad Saxones Thuringis iam olim i n i m i c o s , ut ei essent auxilio ea c o n d i t i o n e , u t si vincerent Irminfridum urbemque caperent, terram eis in h e r e d i t a t e m p e r p e t u a m traderet. Saxones nichil cunctati novem duces cum singulis milibus militum destinaban t. Et ingressi duces in castra singuli cum centenis militibus, reliqua multitudine extra castra r e l i e t a , Theodericum verbis pacificis salutabant et ab eo hylariter suscepti dextras d a b a n t et a c c i p i e b a n t s e q u e illi devotos et ad omnia p r o m p t o s a S a x o n i c a g e n t e m i s s o s d i c e b a n t e i s q u e c o r d i esse a u t vincere velie aut vivere nolle. lilis hçc loquentibus mirati sunt Franci prestantes corpore et animo viros, mirati sunt et habitum novum, arma quoque et diffus a m scapulis cesari e m et super omnia ingentem animi constantiam. Vestiti a u t e m erant sagis et armati longis lancéis stabantque subnixi parvis scutis habentes ad renes cultellos magnos. Q u i d a m v e r o ex F r a n c i s dicebant tantis ac talibus amicis Francos non indigere, genus indomitum fore et si presentem terram inhabitarent, eos procul dubio esse, qui Francorum imperium quandoque destruerent. Theodericus vero propriis utilitatibus consulens in fide suscepit viros demandane, ut ad obpugnandam urbem prepararentur. A t illi a rege regressi castra metati 180

sunt ad meridianam plagam urbis in pratis fluvio contiguis et postera die prima luce surgentes sumptis armis oppidum obpugnant et incendunt; s t a t i m q u e aciem ordinant ex adverso portç orientalis. H i v e r o q u i i n t u s e r a n t clausi muris dum vident acies ordinatas ac se in ultimis constitutos, audacter portis erumpunt cçcoque m a r t e in adversarios irruunt, et telis emissis res p e r inde agitur gladiis. Cumque grave bellum oriretur, plures hinc inde sternuntur; istis pro patria, pro uxoribus ac natis, postremo pro vita pugnantibus, Saxonibus vero pro gloria et pro terra acquirenda certantibus. Cumque ubique fierent cedes et ululatus et neutrum agmen loco c e d e r e t , iam tardior hora / prelium diremit. Eo die ex Thuringis multi interfecti, multi sauciati sunt, de Saxonibus vero numerata sunt sex milia cesa. Mittitur igitur Iring ab Irminfrido cum supplici legatione et omnibus thesauris suis ad Theodericum pro pace ac spontanea deditione. Et accedens Iring: >Hçctibi misit tuus quondam propinquus, modo servus, r o g a n s , ut si non sui miserearis, miserç saltern sororis tuç miserearis nepotum q u e tuorum in ultima necessitate constitutorum.< Dum hçc lacrimans dixisset, interpellatio principum auro corruptorum adiecit d ec e r e clementiam regalem non spernere l e g a t i o n e m talem n e c commun e m natura m oblivisci, m e l i u s q u e esse eum in fide suscipere, quem iam superatum ita c o n t e r e r e t , ut nunquam se contra eum levare posset, quam illud genus hominum indomabile et ad omnem laborem perdurabile, a quo nichil a l i u d exspectaret Francorum imperium nisi solum periculum; ideoque melius esse, ut susceptis Thuringis pari ter eos eicerent de finibus suis. His dictis licet invitus flectitur Theodericus promisitque postera die I r m i n f r i d u m se suscepturum Saxonesque abiecturum. Q u i b u s Iring auditis ad p e d e s prosternitur regis l a u d a n s q u e sententiam r e g i s ipse n o e te illa mansit in castris et misso ad dominum optato nuncio i p s u m urbem q u e securitatis rep l e v i t g a u d i o . Interea urbe ex pace promissa securiore reddita egressus est quidam cum accipitre victum quçritans supra litus fluvii supradicti, sed emissum volucrem quidam d e Saxonibus in ripa suscepit ulteriori. E m i s s o r e v e r o rogante, ut remitteretur, Saxo negavit. Ille autem a i t : >Remitte, et prodam secretum tibi sociisque tuis utile.< Saxo econtra: >Dicut accipias, quod queris.< >Regespace inter se facta d e c r e v e r u n t , u t si eras in castris in veniamini, a u t capiamini aut certe occidamini.< Ad hçc ille: >Serio hçc ais an ludo?< >Secundahora f u t u r i diei probabit, q u o d sine ludo vos agere oporteat. Quapropter vobis ipsis consulite et fuga salutem querite.< Saxo statim v o l u c r e m emisit sociisque retulit quç audivit. 181

Q u i satis commoti in promptu non / inveniebant, quid super h i s agere debuissent. Erat autem tunc in castris quidam de veteranis militibus iam senior, sed viridi adhuc senectute vigens, qui merito bonarum virtutum pater patrum dicebatur, nomine Hatugato. Hie arripiens v e x i l l u m , quod apud eos habebatur sacrum, leonis atque draconis et desuper aquilç volantis insignitum effigie, quo ostentaret fortitudinis atque prudenti? et earum rerum efficaciam et motu corporis animi constantiam declarans ait: >Hucusque inter optimos Saxones vixi, et ad hanc fere ultimam senectutem çtas me perduxit, et nunquam Saxones meos fugere vidi; et quomodo nunc cogor agere quod nunquam didici? Certare d i d i c i , fugere ignoro nec valeo. Si fata non sinunt ultra vivere, liceat saltern, quod michi dulcissimum est, cum amicis occumbere. Exemplo michi sunt paternç virtutes, amicorum corpora circa nos prostrata, qui maluerunt mori quam vinci, impigras animas amittere quam coram inimicis loco cedere. Sed quid necesse habeo exhortationem protrahere t a n t u m de contemptu mortis? Ecce ad securos ibimus, ad cedem tantum, non ad pugnam. N a m de promissa pace ac nostro gravi vulnere s ecu ri nichil suspicantur adversi, hodierno quoque prçlio fatigad quemadmodum sunt, sine metu, i t a sine vigiliis et solita custodia manent. Irruamus igitur super improvisos et somno sepultos; parum laboris est; sequimini me ducem, et hoc canum caput meum vobis trado, si non evenerit quod dico.< Illius igitur optimis verbis erecti quod supererai diei in reficiendis corporibus suis expendebant; deinde prima vigilia noctis, qua solet sopor gravior occupare mortales, dato signo s u m u n t arma et precedente duce irruunt super muros invenientesque eos sine vigiliis ac custodi b u s ingressi sunt urbem cum clamore magno. Q u o excitati adversarii alii fuga salutem quesierunt, alii per plateas et muros urbis ut ebrii erraverunt, alii in Saxones cives suos putantes inciderunt. Illi vero omnes perfectç çtatis morti tradiderunt, impúberes prçdç servaverunt. Irminfridus a u t e m requisì tus cum uxore ac filiis p a u c o q u e comitatu evasisse compertus est. Q u o d audiens T h e o d e r i c u s e g i t , ut dolo / revocaretur et Iring eum interficeret, q u a t i n u s Theodericus quasi alienus ab e i u s cede consisteret. H o c cum Iring egre suscepisset v i c t u s f a l l a c i b u s promiss is, q u a s i m a g n i s muneribus f o r e t donandus ac potestate magna in regno s u b l i m a n d u s , tandem c o n s e n s i t seque voluntad e i u s parere p r o m i s i t . Revocatus igitur Irminfridus prosternitur vestigiis Theoderici, Iring vero stans i u x t a q u a s i armiger regis evaginato gladio prostratum dominum trucidavit. Statimque rex ait ad eum: >Quia dominum tuum interfecisti, p r o tali facinore omnibus mortalibus m e r i t o 182

odiosus viam habeto apertam discedendi a nobis, sortem vel partem tuç nequitiç nolumus habere.< >Meritoodiosus c u n c t i s app a r e o , q u i tuis parui dolis; antequam tamen exeam, purgabo hoc scelus meum vindicando dominum meumVeniat primumferens secum multiformis pecuniae cumulum, ut emat ab uxore mea, ab utroque parente nobili, me iubente, libertatis testamentumVeniam, ut iussisti. Et si aurum mihi non *suffecerit, pro übertäte / mea Thuringorum Francorumque capita tibi dabo numero inexplicabiliacñ

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Abb. 2: Die List von der ausgestreuten Erde. Aus der Gothaer Bilderhandschrift der Sächsischen Weltchronik (Gotha, Forschungsbibliothek, Ms. Memb. I 90, fol. 2 v ) 194

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8: Der listige Landkauf. Aus der Cronecken der Sassen, Mainz: Peter Schöffer, 1492, fol. 9* (Exemplar: Braunschweig, Stadtarchiv, A II 77)

197

Tafel VI



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Abb. 9: Dat ambegin der Sassen — ein Sachse (Hatigato?) in einem Schiff. Aus der Weltchronik Hermen Botes (Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Ms. X I 669, fol. 435··) 198

Tafel VII

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Abb. io: Hermifrid mi: seinen beiden Frauen. Aus der Kasseler Handschrift der Landeschronik von Thüringen und Hessen von Wigand Gerstenberg (Kassel, Landesbibliothek u. Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel, 4° Ms. Hass. 1 1 5 , fol. i3 r )

199

Tafel V i l i

Abb.

Ii:

200

K ö n i g Hermifrid flieht nach Schidingen. A u s der Kasseler Handschrift der Landeschronik von Thüringen und Hessen von Wigand Gerstenberg (Kassel, Landesbibliothek u. Murhardsche Bibliothek, 4 0 M s . Hass. 1 1 5 , fol. 15 v )

Verzeichnis der Abkürzungen

AfdA CL DA DHB DHS DVjs

Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur Codex Laureshamensis, hrsg. v. K. Glöckner Deutsches Archiv f ü r Geschichte des Mittelalters Deutsches Heldenbuch W. Grimm, Die deutsche Heldensage Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Euph. Euphorion FMSt Frühmittelalterliche Studien. Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster FS Festschrift für FSGA, A. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters FuF Forschungen und Fortschritte GAG Göppinger Arbeiten zur Germanistik GGA Göttingische Gelehrte Anzeigen GRM Germanisch-Romanische Monatsschrift Hoops R L Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hrsg. v. Johannes Hoops HVjs. Historische Vierteljahrsschrift HZ Historische Zeitschrift Jb. Jahrbuch MGH Monumenta Germaniae Histórica AA Auetores antiquissimi Const. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum DD Diplomata Dt. Chron. Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters E p p . sel. Epistolae saeculi X I I I e regestis pontificum Romanorum selectae Lib. confrat. Libri confraternitatum LL Leges Necrol. Necrologia Germaniae SS Scriptores (20) SS rer. Merov. Scriptores rerum Merovingicarum SS rer. Langob. Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum saec. V I - I X SS rer. Germ./SrG Scriptores rerum Germanicarum (8°) MIÖG Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung MMS Münstersche Mittelalter-Schriften MPL Patrologiae cursus completus, Series Latina, hrsg. v. J . P. Migne MTU Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters NdJb Niederdeutsches Jahrbuch. Jahrbuch des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung NF Neue Folge NiedersJbLG Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte

201

PBB RE SSRD StLV UB. VL WdF ZfbLG ZfdA ZfdPh ZfrPh ZRG G A ZVThürGA

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Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Pauly/Wissowa, Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft Scriptores rerum Danicarum medii aevi, hrsg. v. J. Langebek Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart Urkundenbuch Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Wege der Forschung (Wissenschaftl. Buchgesellschaft Darmstadt) Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für romanische Philologie Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alterthumskunde

Literaturverzeichnis

D i e benutzten Quellen sind in den Anmerkungen nachgewiesen und in den großen Editionsreihen, v. a. in den Monumenta Germaniae histórica, ohne weiteres auffindbar. Deshalb sind im ersten Teil des Literaturverzeichnisses nur die mehrfach zitierten Quellen bis 1 5 0 0 nochmals aufgeführt. D e r zweite Teil zu den Darstellungen ist ausführlicher als das Quellenverzeichnis, weil z u m einen in den Anmerkungen nur die V e r fassernamen notiert worden sind und weil zum anderen auf diese Weise zumindest bibliographisch ein Großteil der Forschung zur sächsischen Stammessage und zur Iringsage erfaßt werden sollte. D i e einfache alphabetische A n o r d n u n g mag das A u f f i n d e n der in den Anmerkungen genannten Kurztitel erleichtern.

ι. Quellen Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum/Bischofsgeschichte der Hamburger Kirche. In: Quellen des 9. und 1 1 . Jahrhunderts zur Geschichte der hamburgischen Kirche und des Reiches. Übertr. v. Werner Trillmich, Darmstadt '1978 (FSGA, Α., Bd. Ii) Annales Fuldenses/Jahrbücher von Fulda. In: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, T. 3, hrsg. u. übers, v. Reinhold Rau, Darmstadt i960 (FSGA, Α., Bd. 7) Annales regni Francorum/Die Reichsannalen. In: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Τ. ι, hrsg. u. übers, v. Reinhold Rau, Darmstadt 195$ (FSGA, Α., Bd. 5) Annales Quedlinburgenses, hrsg. v. Georg Heinrich Pertz. In: M G H SS, Bd. 3, 1839, S. 22ff. Annales Stadenses, hrsg. v. Johann Martin Lappenberg. In: MGH SS, Bd. 16, 1859, S. 28 3 ff. Das Annolied, hrsg. v. Max Roediger. In: M G H Dt. Chron. I, 1895, S. 6 3 - 1 3 2 Das Annolied. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Hrsg., übers, u. komment. v. Eberhard Nellmann, Stuttgart 1975 (= Reclams UB., Nr. 1416) Anonymus De origine gentis Swevorum. In: Die Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 5. Aufl. neu bearb. ν. H.-E. Lohmann u. Paul Hirsch, 1935, S. 1 5 5 - 1 6 1 (MGH SS rer. Germ, in usum scholarum, Bd. 60) Anonymus Von der Herkunft der Schwaben, hrsg. v. Karl Müllenhoff. In: ZfdA 17 (1874), S. 57—71 ; Ernst Dümmler, Zu der Schrift von der Herkunft der Schwaben. In: ZfdA 19 (1876), S. 1 3 0 - 1 3 2 Venerabiiis Bedae Historia ecclesiastica gentis Anglorum/Beda der Ehrwürdige, Kirchengeschichte des englischen Volkes. Hrsg. u. übers, v. Günter Spitzbart, 2 Tie., Darmstadt 1982 (Texte z. Forschung 34)

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204

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Lagus, Konrad 128 Lamprecht s. Alexanderlied Lex Baiuuariorum 47 Lex Francorum Chamavorum 43(69) Lex Salica 43(69), 47 Lex Saxonica 26 Lex Thuringorum 8, 43(69) Liber historiae Francorum 10(23, 2S)< 26, 80, 86 Li(e)nhart Scheubel 108 Liudprand von Cremona 123 Livius 31 Lucidarius 122, 125 Luther, Martin 139 Magdeburger Schöppenchronik 65, 124, 131, 134-136, 138, 143 Marner 92(153) Martin von Troppau 144 Meginhart von Fulda 17 Melanchthon, Philipp 139 Moscherosch, Johann Michael 139 Nennius 3 7 - 3 9 , 87, 133 Nibelungenlied u. Nibelungensage 47Í., 50, 70, 72f., 7jf., 97, 101, i03ff., 145, 148, 156, 189 u. Abb. ι Olearius, Johann 146 Origo gentis Langobardorum 8(14), 10(23), 36,92(155) De origine gentis Swevorum 22, 88—98, 100, 129, 159, 185-188 Otfrid von Weißenburg 26(48) O t t o von Freising 85, 122 Ovid 12, 64 Passio Quirini 121(194), 138(234) Paulus Diaconus 5(6), 26, 28, 30, 44, 89, 9*f-, 98 Person, Gobelinus I32f., 138 Pfefferkorn, Johann Adam 151 Pomarius, Johannes 135(224) Prokop 5(6, 8, 9), 22 Ptolemaeus 130 Rabenschlacht 44(72), 97, 105 Regino von Prüm 66 Chanson de Roland/Rolandslied des Pfaffen Konrad 44f., 52—56, 131 Rolevinck, Werner 92(156), 132, 139 Rollenhagen, Georg 139^ Rosengarten 118 Rothe, Johannes 132, 136, I4iff.

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König Rother 104 Rudolf von Fulda 2,16—23,26,3of., 34,79, 86f., 93, 149, I J 2 , 166—168 Sachsenspiegel 32, 87, 89, 122—130, 143, 159, i9of. u. Abb. 5—7 Sachsenspiegel-Glosse 124, 129 Sächsische Weltchronik 32, 87, 1 2 2 - 1 2 6 , i3if., 159, 190 u. Abb. 2—4 Sagittarius, Caspar i4$f. Sallust 31 Saxo Grammaticus 44,50,56—61,92f., 102, I23 Schlorff, Urban 141 Schmidt, Friedrich 146 Schöffer, Peter 134 Schottelius, Justus Georg 139 Schwanrittersage 70 Sidonius Apollinaris 8(21), 9 Sigebert von Gembloux 66 Sigfrid von Ballhausen I48f. Simon de Keza 148 Skjöldungasaga 56, 59 Snorri Sturluson 34 Spangenberg, Cyriacus i4jf., 149—151 Stolle, Konrad 132, 136, 141 —144, 146

Tacitus 18, 21, 23, 31, 35, 63, 139, 146 Thidreks saga 66, 92(153), ioif., 108, 112—II7, I22Í., 156 Thietmar von Merseburg 80(131) Urkunden 7 1 - 7 7 Valerius Maximus 15 Flavius Vegetius Renatus 8 Venantius Fortunatus 5(9), 10(23), Vergil 31, 38(62), 64 Vincenz von Beauvais 85, 192 Vita Altmanni 38, 87, 1 2 1 , 133 Vita Godehardt posterior 131 Vita Lebuini antiqua 57(89)

Ι2



Wace 49 Waltharius/Walthersage 18, 48, 97, 101 Widsith 8 Widukind von Corvey if., 19, 22ff., 6jff., 79ff., 95Í., 1 2 1 , I33Í., 143, 146, i5off., 168-177 Wielandlied 44 Winkelmann, Johann Just 146 Wolfdietrich 44(72), 81, 99 Wolfram von Eschenbach 44(72)

2. Geographische Namen und Personennamen aus Historiographie, Stammes- und Heldensage Adalbert, Gf. v. Babenberg 29 Adilvolch 9of. Aio (Aggo) 92f. Alarich II. 6 Alboin 44, 89, 129 Aldrian 102(170) hl. Alexander 17 Alexander d. Gr. 26(48), 33, 35,44, 46f., 57, 83, 87, 1 1 5 , 121, 124, 127, 134, 1 3 7 - 1 3 9 , 190 u. Abb. 5 Alf v. Alvensleben 145 Alpker 9of., 97 Amal(a)berga (Amelburga) 3, 5, 7, 10, 19, 24f„ 40-46, 57, 7 8 - 8 1 , 99, II8, 144, 148, 151, 192 u. Abb. 10 Amalafrida 5Í. Amalafrid(as) 5, 12 Amalarich 6 Amalasuintha 6 Angeln 8, 18, 20—22, 24, 37, 86, 129 218

Apoll 25 Angantyr 43, 48 Anhalt 100, 145 Anna, Hgn. v. Bayern 138 Anno, B. v. Köln 120 Anshelm 89 Antiochus 121 Ararat 121 Armenien 63(97), 121, 132, 138(234), 139 Artus 49, 57 Askenas (Aschkenaz) 139 Attila (Atli, Etzel) 9, 45, 48, 79, 90, 99L, 103, io6ff., 1 1 3 , 116, 149, 157 Audofleda 6 Audoin 5, 10 Babel, Babilonia 124, 139 Baderich (Baldericus) 10, 13, 192 u. Abb. 10 Basina (Menia) 10

Bayern 63, i2of., 138(234) Bayeux 49f. Bedevere (Bedeuerus, Bedwyr) 49t. Benken 73 Berhtold von Schwaben 105 Bernhari 73 Bernwald (Bernthobald) v. Ballenstedt 14$ Berthachar (Berecharius) 10, izf., 192 u. A b b . 10 Bicco 74 Bisinus (Bessinus, Fisud, Pisen) 10 Blancandrin 54 Bioedel (Blodlin) 47, 104—106, 1 1 0 , i i 3 f f . Boccus 49Í. Bode 26, 88 Böhmen 9, 87, 119(192) Bonomus 59 Braunschweig 124, 142 Britannien 20, 22, 24, 3 1 , 37, 39, 49, $7(89), 86,153 Brünhild (Brunihildis) 43, 47, 74, 105, 118 Cäsar 1 1 9 — 1 2 1 Chaba (Kewe, Geva longa) 67(101), 113(186) Chauken 20(40), 22, 130 Childebert 7, 143 Chlodomer 7, 14 Chlodwig 6f., 10, 14, 46, 78, 8of., 86, 143L, 147 Chlotachar (Chlothar) 7, 10, 12, 15, 36, 88, 143. 145 Chrodechilde (Chrotildis) 7, 14, 147 Colonna 143 Corbie/Corvey 23, 28, 87 Dagobert 2 1 , 36 Dänen, Dänemark 35, 89, i o j f . Dankwart 47, 1 1 6 Darius 44, 46f., 57, 83, 1 1 5 , 124 Dido 32 Ditwin 89, 93 Donau 26(48), 90 Dossenheim 74 Ecke/Eckesachs 133 Eckevrid 101 Eckewart 73, t u Ehringshausen 74 Eirich (Heiricus) v. Friaul 66 Eirík (Rigr)/Eiriksgata 63 Elbe 22, 89, 9 1 , 100, i n , 130, 146 hl. Elisabeth 145

Erewin 105 E r f f a 142 Erfurt 142 Erich 53 Erkembert v. Corvey 87 Erman(a)rich (Ermenrich) 44, 7 8 , 1 0 0 , io5f. Eucii (Jüten) 1 1 Euring/Eurasburg 63(97), 149 Francio 26(48) Friga 26(48) Fridleif 60 Frodi (Frotho) $ 9 - 6 1 Fulda 22, 71 f., 75(123), 76 Gamalî 105 G ambara (Gambaruc) 92Í. Ganelon/Genelun 45, 52—56 Gelphrat m Gère (Gero) 73, m Gernôt 107, 1 1 4 Geus (Gausus) 10, 21 Giselher 107, 1 1 4 Godomar 14 G r i f o 84 Gozhold/Goseck 90, 94 Gran i05f. Grimuald 98 Gundobad 14 Gunther (Guntharius) 43, 47, 73^, 101 Hadawart 101 Hadeln (Haduloha, Hathuloga, Hadalaon, Litthuloga) 18, 20, 22, 24, 34Í., 78f., 86, 93, I24Í., 132, 1 3 5 , 153 Hagen (Högni) 47f., 50, 60, 62, i o i f . , io6ff., 1 1 3 — 1 1 8 , 189 Hagen, G f . v. I42f. Halberstadt 79 H a r z 9, 79, 142, 144 Hassegau 79 Hathagat (Hadugoto, Hatugat, Hatwigato) 18, 2 o f „ 25, 27, 32, 34f., 4of., 79, 86, 96f., I35Í., 142, 155, i 9 i f . u. Abb. 9 Hatherus 60 Hatto v. Mainz 29 Hâwart 10 i f f . Hector 1 1 6 Heimdall 63, 65 Heinrich I. 27Í., 84, 94 Helche 105 Helga 61 Helmichis 44 Hengest 129

219

H e n n e b e r g , G f . ν. 143

L i u d o l f / L i u d o l f i n g e r 23, 27Í., 53

H e r k u l e s 25, 58(90), 139(235) Hermunduren 8

L o c h e i m 73

H e r s f e l d 79 H i a r t h w a r u s j 6 f . , 101

L o t h a r III. 122 L o t h r i n g e n i03f.

H i l d b u r g h a u s e n 143

L ü b e c k 142

H i l d e b r a n d 48, 105

L ü n e b u r g 137

H i u z o l t 106

L u i t h o l d 91

H l e i d r a (Lejre) H l ç d r 43, 48

L o r s c h 7 1 , 74Í.

56f.

H u g a ( H u g o ) 24, 43, 8of.

Märsten 78, 83 M a k e d o n i e r 26, 35, 87, 124, 136, 138

H u g o T h e o d o r i c u s 78—81

M a r k l o 57(89)

H u g o , H g . v . F r a n z i e n 81

M a r s 25

H u n n e n 8f., 86, 90

Marsilie 44, 54

H y r e l g a s (Hirelglas, Hirlas) 49t.

M a t h i l d e 30 M a n n u s 139(235) M e n n e s 115

I b o r ( E b b o ) 92Í. Ingjald (Ingellus) 58(90), 61 Irian 102(170)

Meraris 124 M e r w i g ( M e r o w e c h ) 142, 144

Iring (Hirinchus, Iringus, Irung) 24f., 30, 35, 4off., γιίί., 94, 96, i o i f f . , 123, 135 (224), i45Íf., i y yf., I89Í. u. A b b . 1, 3, 4 Iringsweg/Iringswand 25, 30, 58, 6 3 - 6 8 , 86, I02Í., 108, I I 7 Í . , 143, 147, I49Í., 158 I r m i n ( H i r m i n ) 25, 65, 133(219) Irminfri(e)d ( H e r m i n a f r i d , H e r m e n e f r e d , E r m e n f r e d , E r m a n f r i d , Irnfrit) 3, 10, I 2 f f „ 24f., 30, 4off., 50, 55, 57, 65, 69, 72, 74, 76, 7 8 - 8 4 , 8 8 - 9 0 , 96, 99ff., 135(224), 144, I 4 7 f f . , 190, 192 u. A b b . 3, 4, 10, I I Irminsul 18, 32

Maximilian I. 70 N a i m e s 45 N i m r o d 139 N o a h 1 2 1 , 132, 138f., 141 N o r d s c h w a b e n / S c h w a b e n / S u e b e n 1 1 , 26, 36, 88—98, 12of., 129, 1 8 5 - 1 8 8 , 191 u. Abb. 7 N o r d t h ü r i n g e / N o r d t h ü r i n g g a u 9, 136 N u o d u n c 116 O d i n 2 1 , 34Í., 52, 58, 68 O d o a k e r 100 Ohre 9

Japhet 139

O h r u m ( A r h e n ) 78, 83^

Judas 46, 48, 55

O k e r 78, 84, 124, 146

Justinian 10, 79, 88

O l o V e g e t u s ( Á l i enn f r o e k n i , A l o ) 5 8 - 6 1 O r t l i e b 106

K a r l d. G r . 17, 2 i f . , 27, 36, 44, 54^, 84,

O s i d 114

125(202), 129, 131, 152 Kaspisches M e e r 132 K a u k a s u s 132 Kesserlinge 124, 132, 142 K e v e r n b u r g , G f . v . 142 K o n r a d I. ιγί., γι

O s t e r w i e c k 137

K r i e m h i l d ( G r i m h i l d ) 44, 102(170), i o 6 f . , 1 1 3 f f .

O t t o I. 27Í., 84

Petrocilus/Petrolen (Petroculi, Petrioli, Pe-

47,

50,

73,

L a n g o b a r d e n 5, 7Í., 10, 21, 26, 34, 44, 86, 8 9 f f . , 98 L e b u i n ( L i a f w i n ) 57 L e n n o (Lennius) 60 L i d d a m u s 44(72) Liudegêr/Liudegast 101

220

trolen) 124, i 3 i f . , 142 P o l e n 105, 108, 125 P r e u ß e n 87, 105, 119(192), 125 P t o l e m ä u s 121, 138 P y n k u n 115

R a d e g u n d e i 2 f . , 15, 145 R a g n a c h a r 46 Ragnar L o d b r ó k 70 R â m u n c 105

Rammeisberg 124 Ringelheim 146 Roland 4 $ , 53 — 55 R o s i m u n d 44 R o s t o c k 142 Röstein von Wilzin 9 0 Rüdiger (Rodingeir) 4 8 , 104—106, 114

iiof.,

Rügen 93, 125, 142 Runibergun (Rönneberge, Ronnenberg) 24, 83, 144, 146 R u d o l f 89, 93

Sabene 44(72) Saale 9, 90, 93, 100, 146 Sahs (Sax) 24, τ,-jí., 87, 121, 129, 1 3 1 - 1 3 5 , 139, 142, 158, 191 u. A b b . 7 Sahsnot 133 Salza 90, 93, 146 St. Gallen 71, 73, 75 Saubach 147—150 Scheidungen (Scithingi, Schidinga) 24f., 31, 4 5 . 57(89). 79. M M4ff·. 1 9 1 u· Abb. Ii Schleswig 89, 9 1 , 93 Schwabengau 88f., 97 Schwarzburg, G f . v. 142 Sculda 44, 5 6f. Sibeche 44 Sickenheim 74 Siebenbürgen 138(233) Siegburg 119, 146 Siegfried (Sigurd) 43, 47, 70, 7 2 f „ 76, 110, 118 Sievern 34 Sigerich 6, 14 Sigibert I. 88 Sigi(s)mund 6, 14 Soest (Susat) 66, i o i f . , i i 2 f . , 117, 149 Snio 93 Stade 136 Starkad (Starcatherus) 35, 4 8 , 52, 56—61 Swein (Schweden) 89, 92 Swabowa 9of., 93f.

Tenneberg 146 T h a n k m a r 53 Theodahat 5 Theoderich/Dietrich von Bern j f f . , 19, 44, 4 8 , 57, 78, 80, 99f., 1 0 4 - 1 1 8 , 157 Theudebert iof., 1 yf., 81, 88, 149 Theuderich (Thiotric, Thiadrich, Diderik) 3, 7 , 1 0 , i 3 f f . , 24f., 27, 3 0 , 4 o f f . , 8of., 86, 8 9 f „ 9 4 , 135(224), 144, I47ff., 190 u. A b b . 3, 4 T h o r 35, 58, 146 Tuisto (Tuisco) 35, 139 T r o j a n e r 26, 33, 125 Unstrut (Unstrada) 9f., 15, 19, 22, 24f., 45, 7 8 f „ 83, 90, 9 3 - 9 5 , 144, 146 Vikarr 58f., 61 Villcinus 92(153) V o l k e r 106—109, 113(186) Wacho 8 Walach io8f. Walderich 9 0 Waldricus 4 1 , 45 Waltbraht 17 Waltharius/Waltheri 7 3 f . Warnen 7Í. Waske/Waskenstein 101, 107 Wedinghausen 113 Weißenburg 74f. Weißensee 144, 146 Wenden 136, 142 Wichmann 53 W i g g o 56f. Wildeshausen 17 Wilheri 90, 92 Willehad 17 Wilzen 92 Witigis 5 Winniler 92 W i t o (Wido) 90, 94 Wolfdietrich 81, 9 9 Zülpich 7, 10, 15, 45, 79, 86, 100, 147—149

3. Forschung Baesecke, G . 10(25), 34(56), 4 2 , 44(72) Bahder, Κ . S. 55 B e u m a n n , Η . ζ, 23(45^·). 2 9> 3 1 . 38(62), 4 1

de B o o r , H . 45 Borst, Α. 2, 139 Brackert, Η . m

221

Brückner, W. 158(265) Brunner, O . 52 Bumke, J. 109, 1 1 3

Kuhn, H a n s 3, 2 1 , 51(83), 70, 97, 157 Kuhn, H u g o 104, 109 Kurth, G . 14(30)

Cordes, G. 135(222) Curschmann, M. 103(171), 105

Lachmann, K. m f . Lammers, W . 9(20), 20(38), 130 Leyen, F. v. d. 42(68) Lintzel, M. 1(1), 11(26), 20(39, 40), 23(46), 37(61), 80(131) Lippen, W . 5(9), 7(11), 16(32), 148(253) Lorenz, E. 145(246), 146(248, 250), 151U59)

Drögereit,

R.

nf.,

38(62),

133(219),

137(230 Dumézil, G. 34, $8(90), 59(92) Ebenbauer, Α. 153(260) Ehrhardt, Η . 43(70) Eis, G. n o Eliade, M. 34L Freise, E. 76 F r o m m , H . 1 1 2 , 159 Ganshof, F. L. 44(71) Genzmer, F. 42f. Gillespie, G. T. 44(72), 81 Grau, Α. 2(4) Graus, F. 2(4), 27(48), 46(74), 49, 51, 68, '55 Greverus, I.-M. 158(265) G r i m m , J. 1 , 1 3 , 1 8 ( 3 7 ) , 4if., 63, 65, 67,158 G r i m m , W. 95, ioof., 145(247), 158 Gschwantler, O . 29Í., 44(72), 87(141) Haarnagel, W . 22(43) Hammerich, L. L. 37(60) H a u c k , Κ. ι, 2(4), 6(10), 17, 2 1 - 2 3 , 2$(47)> 3 3 - 3 8 . 52, 57(89), 6 7 f „ 70, 92(155) Haug, W. 14, 69(110), 153 Heinzle, J. 78(128), 103(171) Hellmann, S. 38(64) H e r k o m m e r , H . 123 H e r r m a n n , P. 59Í., 93(157) Heusler, A. 1 — 3, 34,4of., 60(95), 68f., 84^, 96, 101, 109—112, 116, 156 H ö f e r , P. 94 Höfler, O . 34Í., 70 H o l t z m a n n , R. 23(46), 82, 100 Jarnut, J. 33(55) Knab, D . 120 Köhler, E. J4f. Kolb, H . 4, 127(207) Kornrumpf, G. 156(262) Kugler, H . 137(231)

222

Maurer, F. 107(178) Meißner, R. 18(37), 64(98), 67, 102, 115 Moos, P. v. 158(264) Miillenhoff, K. 65, 81, 92, 95 Müller, J . - D . 110(182), 146(247) Müller, M. 121(194), 138(234) Münz, W . 111 Neckel, G . 42, 60(95) Neilmann, E. 120 Olrik, A. 59f., 1 1 6 O t t , N . 134 Panzer, F. 31, 112(184) Patze, H . 1(1), 141 Pelka, W . 1(1, 2), 96 Plassmann, J. O . 24(47) Ploß, E. 72(113) Polenz, P. v. 20(40), 91(152) Raddatz, K. 133(220) Ranisch, W . 59Í. Ranke, F. 159 Ritter-Schaumburg, H . 102(170) Rosenfeld, H . 69, 73, 76 Schirmunski, V. 61 Schlesinger, W . 1(1), 7 - 9 , 51, 89(149) Schlosser, H . D . 26(48) Schmid, Κ. 72 Schmidt, Β. 9 ( 2 0 - 2 2 ) , 20(40) Schmidt, L. 5(7, 9), 7f., 10(25), 89(149) Schneider, H . 1(2, 3), 3, 32, 42, 44f., 50, 59(91), 60(94), 81, 96, 157 Schröder, F. R. 67 See, Κ. v. 51, 67(105), 68 S u c k m a n n , K. 55, 135(222) Stöbe, H . 11(26), 79f., 89(149), 94(159) Störmer, W . 3(4), 72(113), 75(124) Sybel, H . v. 37

Theuerkauf, G. 126—128 Vogt, F. 104 Vollmann-Profe, G. 26(48) Voorwinden, N . m f . Voretzsch, K. 14(30), 81 de Vries, J . 34, 38(62), 58f., 8i, 133(219) Wachinger, B. 103(171), 106(178) Wagner, N . 81(133) Wahl Armstrong, M. 110(181, 182)

Wais, K. 113(186), 148 Walther, C. 102(169) Weber, G. m Wenskus, R. 2Í., 8(16), 11(26), 20(39, 4°)> 26(49), 32Í-. 37(6i). 39, 51(83), 6 9 ff., 89(149). 92(1$$). 99(164), IJ3. '57 Wilmanns, W. 116 Wisniewski, R. 102, ii2f., H5f. Wolfram, H . 2, 5 - 7 , 33Í. Zöllner, E. 7(13), 11(26)

223