Zeitmontagen in Vergils Aeneis: Anachronismen als literarische Technik [1 ed.] 9783666311529, 9783525311523

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Zeitmontagen in Vergils Aeneis: Anachronismen als literarische Technik [1 ed.]
 9783666311529, 9783525311523

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Dennis Pausch

Zeitmontagen in Vergils Aeneis Anachronismen als literarische Technik

Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben

Herausgegeben von Friedemann Buddensiek, Sabine Föllinger, Hans-Joachim Gehrke, Karla Pollmann, Christiane Reitz, Christoph Riedweg, Tanja Scheer, Benedikt Strobel Band 215

Vandenhoeck & Ruprecht

Dennis Pausch

Zeitmontagen in Vergils Aeneis Anachronismen als literarische Technik

Vandenhoeck & Ruprecht

Verantwortliche Herausgeberin: Christiane Reitz Die vorliegende Publikation ist im Rahmen der Tätigkeit des Herausgebers an der ­ echnischen Universität Dresden, Professur für Klassische Philologie/Latein, erstellt T ­worden und wurde von der Technischen Universität Dresden sowie von der DFG im ­Rahmen der Sachbeihilfe (PA 2513/2-1) finanziell unterstützt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Umschlagabbildung: »Quos ego« – Neptun, die Wogen beschwichtigend. © bpk / Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Elke Estel / Hans-Peter Klut Satz: Reemers Publishing Services, Krefeld Umschlaggestaltung: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-3407 ISBN 978-3-666-31152-9

collegis Dresdensibus ob annos octos optimos imo ex corde

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Einleitung: Anachronismen als literarische Technik . . . . . . . . . . . 13 1.1 Die Aeneis als Epos auf zwei Zeitebenen . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2 Historienmalerei als heuristische Anregung . . . . . . . . . . . . . 16 1.3 Vergils Anachronismen im Schatten der Forschung . . . . . . . . . 20 2. Explizite Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart in der Aeneis . . . . 23 2.1 Die großen historischen Durchblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Aitiologien und verwandte Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Die gängige Wahrnehmung von Anachronismen als Fehler . . . . . . . 33 3.1 Der kritische Blick antiker Philologen auf Anachronismen . . . . . 33 3.2 Anachronismen in antiken Texten und ihre Wirkungspotentiale . . . 39 4. Anachronistische Zeitmontagen I: Die Schilderung der Szenerie . . . . 45 4.1 Karthagos Panorama und die Prachtbauten Didos . . . . . . . . . . 45 4.2 Trojas Untergang und die Versuche seiner Wiedergründung . . . . 61 4.3 Von Sizilien nach Süditalien und der Gang durch die Unterwelt . . . 67 4.4 Der Tempelpalast des Latinus und das Lager der Trojaner . . . . . 75 5. Anachronistische Zeitmontagen II: Die Ausstattung der Figuren . . . . 81 5.1 Scutum und clipeus: Die Trojaner auf dem Weg nach Italien . . . . 81 5.2 Tuba und Triere: Die Spiele für Anchises auf Sizilien . . . . . . . . 89 5.3 Pilum und gladius: Der Kampf gegen die Latiner als Bürgerkrieg . . . 97 5.4 Tropaion und Triumph: Die Inszenierung von Sieg und Trauer . . . 111 6. Anachronistische Zeitmontagen III: Die Ebene der Gleichnisse . . . . . 117 6.1 Neptun als Politiker und Ennius als Hintergrund . . . . . . . . . . 117 6.2 Atrien und andere Aspekte aktueller Architektur . . . . . . . . . . 121 6.3 Turnus, das Torsionsgeschütz und der Todesstoß . . . . . . . . . . 127

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Inhalt

7. Fazit und Ausblick: vom Anachronismus zur Aktualisierung . . . . . . 137 Literatur zum Anachronismus bei Vergil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Index locorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Vorwort

Das Aufspüren anachronistischer Verstöße in Romanen oder Filmen zu historischen Themen ist eine beliebte Übung, die ebenso unterhaltend wie als Ausdruck historischen Scharfsinns erhellend sein kann.1 Letztlich ist aber allen Beteiligten an solchen Diskussionen klar, dass die Kritik am Wesentlichen vorbeigeht, wenn es sich um Werke der Kunst und Literatur und nicht um wissenschaftliche Publikationen handelt. Doch während man einem Autor oder Regisseur in unserer Zeit die Verwendung von Anachronismen als bewusst eingesetzte Technik – sei es zur didaktischen Hervorhebung, zur ästhetischen Verfremdung oder auch zur Erzeugung von Komik – zugesteht,2 scheint bei der Beurteilung literarischer Werke aus früheren Epochen die Sichtweise vorzuherrschen, dass solche Abweichungen auf mangelnde historische Kenntnisse des Verfassers zurückzuführen seien.3 Auch wenn man sich in der Tat davor hüten muss, das Geschichtsverständnis unserer Zeit unhinterfragt auch für Menschen in anderen Jahrhunderten vorauszusetzen, sollte man ihnen doch auch umgekehrt die Fähigkeit zur Wahrnehmung von historischen Unterschieden nicht generell absprechen, wie dies gelegentlich geschieht.4 Für bestimmte Epochen der Antike lässt sich das Gegenteil jedenfalls plausibel machen und das soll hier am Beispiel von Vergils Aeneis versucht werden, die in den 20er Jahren des 1. Jh. v. Chr. entstanden ist. Dieses Epos soll aber nicht nur als Beleg dafür dienen, dass Anachronismen vom Autor intendiert und von zeitgenössischen Lesern als solche wahrgenommen werden konnten. Vielmehr lässt sich durch den genaueren Blick auf die – hier als Zeitmontagen beschriebenen5 – Phänomene auch ein Beitrag dazu leisten, einen wichtigen Bereich von Vergils literarischer Technik besser zu verstehen. Dabei geht es weniger um die großen und bekannten Passagen wie die Prophezeiung Jupiters oder die ›Heldenschau‹ in der Unterwelt, an denen die epische Vergangenheit explizit mit der Entstehungszeit verbunden wird,6 sondern um den erzählerischen Normalfall oder ›Alltag‹: Wo schimmert hinter 1 Vgl. z.B. Bing 2020, 106–108; für die Diskussionen um den Film Troy (2007) als illus­ tratives Beispiel vgl. Cavallini 2015. 2 Zum bewussten Einsatz von Anachronismen in aktuellen Filmproduktionen vgl. z.B. Wendler 2014. 3 Für eine analoge Argumentation vgl. z.B. Bing 2020, 104–107. 4 Ausführlicher zu dieser Diskussion siehe unten Kap. 3.2. 5 Zu diesem Begriff vgl. Junghanß/Kaiser/Pausch 2019a, v.a. 10 f.; siehe unten Kap. 3.2. 6 Ausführlicher zu diesen expliziten Bezügen siehe unten Kap. 2.1.

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Vorwort

der Handlung in der Prähistorie doch die Gegenwart des augusteischen Roms durch? Wann sehen wir Aeneas noch gleichsam im Gewand eines geflüchteten Trojaners und wann schon in der Toga des zukünftigen Römers? Warum kämpfen er und seine Gegner einmal nach Art der homerischen Heroen und dann wieder wie Legionäre in den Bürgerkriegen des 1. Jh. v. Chr.? Wie ein genauerer Blick auf den Text zeigen kann, wechseln sich beide Zeitebenen wiederholt und so oft ab, dass sie wie transparent übereinandergelegte Ebenen wirken. Welche davon jeweils in den Vordergrund tritt und den Leseeindruck bestimmt, lässt sich dabei nicht exakt bestimmen. Vielmehr dürfte es sich um eine bewusste Ambiguisierung handeln, die beim Leser zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die Handlung entstehen lässt, eine historisch und homerisch gefärbte einerseits sowie eine zeitgeschichtlich und literarisch modern geprägte andererseits.7 Der Effekt ist also mit demjenigen vergleichbar, der sich beim Betrachten eines Vexierbildes ergibt,8 wenn auch mit dem wichtigen Unterschied, dass es den Rezipienten eines literarischen Textes leichter fällt, beide Perspektiven, sobald sie sie erkannt haben, gleichzeitig virtuell im Blick zu behalten und dann auch vielfältig aufeinander beziehen zu können. Das es mir in den letzten Jahren zu einer Herzensangelegenheit geworden ist, dieses Buch zu schreiben, liegt aber nicht nur daran, dass mich das – längst noch nicht ausgeschöpfte – Thema sehr fasziniert. Die Beschäftigung damit ist für mich selbst zu einer Art Zeitmontage geworden, in der sich meine Erinnerungen an die ebenso enge wie produktive Zusammenarbeit mit vielen Kolleginnen und Kollegen übereinanderlegen, denen zu danken mir schon seit längerem ein großes Anliegen ist: Das gilt für die Reaktionen auf die Vorträge, die ich in Basel, Erlangen, Marburg, Rostock und Tübingen halten durfte, ebenso wie für die hilfreichen Ratschläge der Herausgeberinnen und Herausgeber der Hypomnemata, hauptsächlich von Christiane Reitz, vor allem aber für die Anregungen aus der altertumswissenschaftlichen Kooperation in Dresden, deren Mitglieder ich von meiner Antrittsvorlesung an immer wieder zu Gesprächen gewinnen konnte und von denen hier Mario Baumann, Maria Häusl, Martin Jehne, Matthias Klinghardt, Christoph Lundgreen und Fritz-Heiner Mutschler stellvertretend genannt seien. Nicht weniger wichtig war jedoch der Beitrag aller Personen am Institut für Klassische Philologie, an dem das Thema nicht zuletzt durch eine Sachbeihilfe der DFG (2017–2019) und die Ausrichtung der 7. Kleinen Mommsentagung »Zeitmontagen. Formen und Funktionen gezielter Anachronismen« (14.–15.10.2016) präsent war. Namentlich erwähnen möchte ich neben Philipp 7 Für einen ähnlichen Ansatz vgl. Dupont 2013, 123–136, v.a. 135 f.: »Zwischen der Zeit der Aeneis und dem hic et nunc Vergils gibt es keinen kontinuierlichen Zeitablauf, keine Geschichte. … Auch wenn es ein Neologismus ist: Als treffendste Bezeichnung dieser eigenartigen Raum-Zeit-Dimension bietet sich der Name ›Archasien‹ an.« 8 Zur Ästhetik des Vexierbildes vgl. z.B. die Beiträge in von Arburg/Stauffer 2012.

Vorwort

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Geitner, dessen Dissertation zu den Anachronismen in Ovids Metamorphosen einen wertvollen Impuls lieferte,9 Antje Junghanß und B ­ ernhard Kaiser unter anderem für die Organisation der Tagung und die Herausgabe des aus ihr hervorgegangenen Sammelbandes,10 sowie Dominik Meckel für seinen gewohnt gründlichen Blick beim Korrekturlesen und seine Hilfe beim ­Erstellen des Registers. Den hier genannten wie auch allen ungenannten collegae Dresdenses ist dieses Büchlein gewidmet.

9 Vgl. Geitner 2021. 10 Vgl. Junghanß/Kaiser/Pausch 2019.

1. Einleitung: Anachronismen als literarische Technik

1.1 Die Aeneis als Epos auf zwei Zeitebenen Die Erzählung der Aeneis beginnt nach dem Proöm mit dem von Juno ausgelösten Seesturm, der Flotte der Trojaner bereits nach langen Jahren der Irrfahrten im westlichen Mittelmeer trifft und zu einem weiteren Aufenthalt, diesmal in Didos Karthago, nötigen wird. Der erste Auftritt des Protagonisten zeigt ihn jedoch noch inmitten des Tobens der Elemente und gipfelt in einem verzweifelten Ausruf, mit dem er sein Schicksal beklagt und sich wünscht, doch schon vor den Mauern seiner Heimatstadt gestorben zu sein, wo in seiner Imagination die Fluten des Simois die Leichen der Mitbürger und Verbündeten umspülen. Vergil lässt Aeneas die Szene dadurch noch weiter ausmalen, dass er sich auch Teile der Rüstung der gefallenen Trojaner im Wasser des Flusses vorstellt: Dabei ist unter anderem vom scutum die Rede, wobei es sich allerdings um den typischen Schild des römischen Legionärs aus deutlich späterer Zeit handelt.1 Was auf den ersten Blick vielleicht wie ein auf Unachtsamkeit oder mangelnde historische Kenntnis zurückzuführender Fehler, ein Anachronismus im üblichen Sinne, wirkt, erweist sich vielmehr als ein Paradebeispiel für die bewusste Verwendung einer Zeitmontage: Auf diese Weise wird an vielen Stellen die Gegenwart des Autors und seiner zeitgenössischen Leser als zweite Ebene in die Erzählung eingeblendet, die sich mit der eigentlichen Handlung des Epos überlagert und doch durch sie hindurchschimmert – wie die römischen Schilde im trojanischen Simois. Als der Dichter Vergil um das Jahr 30  v.  Chr. im Proöm zum 3.  Buch der Georgica sein nächstes literarisches Projekt ankündigt, spricht er noch davon, die militärischen Siege Caesars besingen zu wollen und meint damit den von C. Julius Caesar testamentarisch adoptierten Octavian, den wir besser unter seinem späteren Ehrennamen Augustus kennen.2 Seine Zeitgenossen mussten sich darunter ein Epos vorstellen, das in ihrer Gegenwart oder der allerjüngsten Vergangenheit spielt und vor allem den Bürgerkrieg gegen Marc Anton behandelt, der mit der Seeschlacht von Actium gerade erst sein Ende gefunden hatte (31 v. Chr.). Was er wenig später tatsächlich zu schreiben beginnt, ist aber nicht 1 Vgl. Verg. Aen. 1,94b-101; siehe ausführlicher unten 5.1. 2 Vgl. v.a. Verg. georg. 3,46–48: mox tamen ardentis accingar dicere pugnas // Caesaris et nomen fama tot ferre per annos, // Tithoni prima quot abest ab origine Caesar (»Bald aber werde ich mich gürten, die lodernden Kämpfe Caesars zu besingen und seinen Namen rühmend durch so viele Jahre zu tragen, wie Caesars Leben entfernt ist von Tithonos’ Geburt«); mit z.B. Kraggerud 1998; Nelis 2005 und Binder 2019, I 28–35.

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Einleitung: Anachronismen als literarische Technik

eine solche Caesareis, sondern eine Aeneis. Und wie schon der Name des Protagonisten zeigt, erzählt er eine Geschichte, die in der mythischen Frühgeschichte direkt nach dem Untergang Trojas angesiedelt ist, also nach antiker Vorstellung im 12. Jh. v. Chr.,3 deren Inhalt aber dennoch in vielfältiger Weise auf Augustus und die Entwicklungen in seiner eigenen Zeit bezogen ist. Damit vermeidet er eine direkte Darstellung des Bürgerkriegs, an dem die Mehrzahl seiner Leser auf der einen oder anderen Seite beteiligt gewesen sein dürfte, und findet mit der anspielungsreichen Form zugleich eine Lösung für das ästhetische Problem, dass panegyrische Epen im klassischen Sinn, in denen militärische Großtaten der Gegenwart unmittelbar und überdeutlich gepriesen werden, seit einiger Zeit außer Mode geraten waren.4 Eine wichtige Folge dieser Grundsatzentscheidung besteht darin, dass die Handlung der Aeneis auf zwei historischen Ebenen spielt, die zwar mehr als ein Jahrtausend voneinander getrennt sind, sich aber dennoch gegenseitig beleuchten und erläutern sollen.5 Dies zeigt sich vor allem in dem genealogischen Bezug von Augustus auf Aeneas, den die gens Iulia als ihren Vorfahren reklamierte, sowie an den Stellen, an denen die Verbindung zwischen beiden Epochen explizit gemacht wird, unter anderem in Aitiologien, Prophezeiungen, Reden oder anderen Äußerungen der Götter, wie etwa auf dem Bildprogramm des Schildes, den Vulcan für Aeneas schmiedet.6 Diese Passagen faszinieren seit Jahrtausenden die Leserinnen und Leser des Epos in besonderer Weise, und zwar nicht zuletzt wegen des Spiels mit den Zeitebenen und des Kippmomentes, in dem man sich bewusst wird, dass es sich bei der Zukunft aus der Sicht der Figuren zugleich um die Vergangenheit aus der Perspektive der (zeitgenössischen) Rezipienten handelt.7 Gerade im Vergleich mit dem großen Interesse, das diese expliziten Bezüge seit jeher gefunden haben,8 kann man es als durchaus überraschend empfinden, dass sich die Forschung bislang für die Gestaltung der ›normalen‹ Handlung vor diesem Hintergrund kaum interessiert hat und die dort keineswegs seltener zu beobachtenden Abweichungen von einer zeitlich homogenen Erzählperspektive 3 Ausführlicher zur Datierung des trojanischen Krieges siehe unten Kap. 4.1. 4 Zur literarischen und politischen Problematik der Darstellung des Bürgerkriegs und der von Vergil gefundenen Lösung vgl. Wimmel 1973, v.a. 103–150; Glei 1991, v.a. 101–106 und 114–231, und Schauer 2007, 42–56. 5 Für eine Würdigung vgl. z.B. Suerbaum 1999, 299–329, v.a. 299: »Das eigentlich Neue an der Aeneis stellt … ihre Zeitstruktur, das Ineinanderschieben von zwei verschiedenen Zeitebenen, von erzählter Gegenwart und prophetischer Zukunft dar. Vergil hat sozusagen die Zukunft als Gegenstand der Erzählung entdeckt.« 6 Für eine aktuelle Übersicht und weiterführende Angaben vgl. z.B. Binder 2019, I 264–268. 7 Zu der damit verbundenen Konstruktion einer römischen Identität in der Darstellung der Trojaner vgl. z.B. Toll 1997; Cancik 2004; Syed 2005; Reed 2007; Dupont 2013; Fletcher 2014 und Giusti 2018. 8 Ausführlicher zu den expliziten Bezügen siehe unten Kap. 2.1.

Die Aeneis als Epos auf zwei Zeitebenen

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eher als störend wahrgenommen hat. Dabei spielt es sicherlich eine wichtige Rolle, dass wir nicht nur allgemein dazu tendieren, Anachronismen als Fehler wahrzunehmen und sie daher für ein Versäumnis des Autors zu halten, sondern dass diese Deutungstradition auch schon in der antiken Beschäftigung mit Vergil angelegt ist.9 Demgegenüber soll hier ein Ansatz vertreten werden, der anachronistische Zeitmontagen auch im erzählerischen ›Alltag‹ als bewusst eingesetzte literarische Technik ernstnimmt und sowohl hinsichtlich ihrer sprachlichen Umsetzung als auch ihrer Funktionen näher analysiert. Letzteres erweist sich dabei als der schwierigere Punkt, da Rezipienten recht unterschiedlich reagieren, wenn sie solche Verstöße gegen die zeitliche Ordnung in einem Text bemerken: Was der eine als fehlendes historisches Wissen des Verfassers bemängelt, mag der andere als Element der Parodie mit einem Lächeln quittieren, der nächste als didaktisches Instrument im Sinne eines Gegenwartbezugs dankbar aufnehmen und der letzte schließlich als Verfremdung und damit als Beitrag zur ästhetischen Komplexität des Textes goutieren.10 Auch wenn hier keine empirische Gewissheit zu gewinnen ist, lassen sich doch aus dem Text der Aeneis selbst gute Gründe dafür anführen, dass Vergil seinen Lesern eher die zuletzt genannte Wahrnehmung angeboten hat, in der die anachronistischen Zeitmontagen den literarischen Reiz des Epos steigern sollten.11 Im Falle der Aeneis liegt das wegen ihrer spezifischen Erzählstruktur auf den beiden historischen Ebenen besonders nahe. Doch auch abgesehen von diesem Sonderfall lassen sich gerade in der Literatur, die am Übergang zwischen der Späten Republik und der frühen Kaiserzeit entstanden ist, vielfach ähnliche Techniken beobachten, mit denen zwar jeweils verschiedene Wirkungen verbunden gewesen sein dürften, die in ihrer Summe aber doch die Vermutung bestätigen, dass sie von den – für historische Brüche und Übergänge besonders – sensibilisierten Zeitgenossen als bewusste Abweichung von einem etablierten Geschichtsbild und damit als eine vom Autor gezielt eingesetzte Technik wahrgenommen wurden.12

9 Ausführlicher zu den Sichtweisen der antiken Philologie und ihren Folgen siehe unten Kap. 3.1. 10 Für Annäherungen an dieses Phänomen aus antiker Sicht vgl. die Beiträge in ­Junghanß/Kaiser/Pausch 2019. 11 Vgl. Rossi 2004, 187, der in diesem Zusammenhang von narrative polychrony spricht. 12 Für die Geschichtsschreibung vgl. Poucet 2000; für Ovids Metamorphosen Geitner 2021; siehe unten Kap. 3.2.

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Einleitung: Anachronismen als literarische Technik

1.2 Historienmalerei als heuristische Anregung Der hier für die Aeneis verfolgte Ansatz tritt vielleicht deutlicher vor Augen, wenn wir zunächst einen kurzen Blick auf ein Gemälde aus dem Jahre 1531 werfen, das sich heute in der Dresdner Sammlung Alte Meister befindet. Es stammt von Hans Baldung Grien13 und zeigt mit Mucius Scaevola eine der klassischen Heldenfiguren des frühen Roms14 [Abb. 1]: Der Etruskerkönig Porsenna belagert 508 v. Chr. die junge Republik. In der verzweifelten Lage schleicht sich ein Römer namens Mucius in das Lager der Feinde, um ihren Anführer zu ermorden. Der Anschlag geht aber fehl, da er den König mit dessen Schreiber verwechselt, versehentlich diesen ersticht und hernach ergriffen wird. Sogleich vor Porsenna geführt, demonstriert er diesem jedoch seine und aller Römer Standhaftigkeit, indem er seine rechte Hand von sich aus in ein Kohlebecken hält und sie nicht eher zurückzieht, bis dass das Feuer sein Werk getan hat. Beeindruckt hebt der König die Belagerung auf und Mucius erhält seinen Beinamen Scaevola, der »Linkshänder«. Hans Baldung begeht in seiner Darstellung der berühmten Szene offenkundig eine ganze Reihe eklatanter chronologischer Verstöße: Das gilt zum einen für die Kleidung und die Bewaffnung der Figuren, die im Wesentlichen der Mode und Konvention des 16. Jh., aber nicht der Antike entspricht, zum anderen für die Szenerie, vor der die Geschichte hier spielt. Auch wenn es eine längere Debatte darüber gibt, ob es sich bei der im Hintergrund mit ihren markanten Gebäuden angedeuteten Stadt um Venedig oder doch eher um Straßburg handeln soll, wo der Maler seit 1509 tätig war,15 so ist doch klar zu erkennen, dass es sich keinesfalls um das Rom des 6. Jh. vor Christi Geburt handeln soll. Das wird nicht zuletzt am prominent und fast in der Bildmitte platzierten Kruzifix deutlich, das Porsenna in seiner linken Hand hält. Dass dieser zudem eine gewisse Ähnlichkeit mit den Porträts Karl V. oder denjenigen anderer prominenter Habsburger aufweist,16 hat Anlass zur Deutung im Zusammenhang mit der Gründung des Schmalkaldischen Bundes im Februar eben dieses Jahres 1531 gegeben, zumal an dieser protestantischen Allianz gegen den katholischen Kaiser auch die Reichsstadt Straßburg führend beteiligt war.17 13 Das Tafelbild war Teil eines Zyklus mit antiken Themen (u.a. Hercules, Marcus ­Curtius, Lucretia, Pyramus und Thisbe), der vielleicht vom Rat der Stadt Straßburg in Auftrag gegeben wurde (vgl. Garen 2003, 121 f.). 14 Vgl. v.a. Liv. 2,12 f. und Plut. Pop. 17 mit Reitz 2013 u. Langlands 2018, v.a. 16–46 (als Paradebeispiel eines exemplum). 15 Vgl. von der Osten 1983, 201, und Garen 2003, 123 f.: »Im Hintergrund ist eine venezianisch anmutende Stadtkulisse dargestellt. Tatsächlich führte sich die Stadt Straßburg auf die Stadtrepublik Venedig zurück.« 16 Vgl. z.B. von der Osten 1983, 201, und Garen 2003, 122–124. 17 Vgl. z.B. Garen 2003, 121 f., und Schneider 2010, 119 f.

Historienmalerei als heuristische Anregung

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Abb. 1:  Hans Baldung Grien, Mucius Scaevola vor Porsenna (1531, Dresden) © bpk / Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Elke Estel / Hans-Peter Klut.

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Einleitung: Anachronismen als literarische Technik

Gegen diese konkrete Deutung sind sicherlich Einwände denkbar. Es dürfte aber nicht in Frage stehen, dass die Anachronismen Baldung Grien weder aus Versehen unterlaufen noch dass sie auf seine mangelnde Kenntnis antiker Realien zurückzuführen sind, auch wenn die italienischen Maler des 16. Jh. ihren Kollegen nördlich der Alpen genau dies gerne zum Vorwurf machten.18 Vielmehr spricht einiges dafür, dass auf diesem Gemälde mit ein und derselben Darstellung zwei Geschichten zugleich erzählt werden, die verschiedenen historischen Epochen angehören, aber so übereinandergelegt werden, dass sie sich gegenseitig beleuchten und erläutern. Je nach den Vorkenntnissen oder Vorlieben des Betrachters tritt womöglich eine der ›Folien‹ in den Vordergrund, im Idealfall bleiben aber beide gleichzeitig sichtbar. Montageeffekte dieser Art lassen sich auf vielen Historiengemälden beobachten und dienen nicht zuletzt der Aktualisierung des dargestellten Geschehens im Sinn eines tua res agitur, wenn etwa die Kreuzigung vor der Kulisse des zeitgenössischen Nürnbergs und nicht des antiken Jerusalems gezeigt wird. Solche anachronistischen Vexierbilder lassen sich aber nicht auf die didaktische Funktion ihres appellativen Gegenwartsbezugs reduzieren, sondern erweisen sich ebenso sehr als Instrument der Verfremdung und damit auch der Irritation des Betrachters, was dieser dann entweder als Element der Parodie oder aber als Steigerung der Komplexität und damit als einen genuin ästhetischen Reiz wahrnehmen kann. Damit üben sie letztlich ähnliche Wirkungen aus, wie sie auch mit einer dezidiert zeitgenössischen Inszenierung von Bühnenstücken angestrebt werden, deren Handlung in der Vergangenheit spielt.19 Während sich jedoch sowohl der Maler wie der Theatermacher dabei festlegen müssen, welche Kostüme die Figuren tragen und vor welchem Hintergrund die Handlung spielt, ist der Verfasser eines literarischen Textes in der Anwendung derselben Technik sogar noch freier, da er in der Regel nur wenige Hinweise zur Kleidung der Protagonisten und zur Szenerie des Geschehens gibt und das vollständige Bild sich erst im Kopf der Rezipienten zusammensetzt. Diese selbst vorgenommenen Ergänzungen sind daher weniger stabil als ein Bild, das man konkret vor Augen hat, lassen sich im weiteren Verlauf durch neue Angaben leichter modifizieren und erlauben es daher noch besser, eine wirkliche Überlagerung zweier zeitlich distinkter Vorstellungen im Kopf des Rezipienten zu erzeugen. Dennoch bietet der Vergleich mit dieser Darstellungstechnik in der Historienmalerei eine gute heuristische Anregung dafür, nun einen genaueren Blick auf analoge Verfahrensweisen in der Aeneis zu werfen, die einen bisher unterschätzten Beitrag zur intendierten Gesamtwirkung des Werkes leisten. Diese bedienen sich im Wesentlichen genau der gleichen Gegenstandsbereiche, also 18 Vgl. Haussherr 1984, v.a. 13 f. und 41 f. 19 Für einen Versuch der Anwendung auf die antike Literatur am Beispiel von Curtius Rufus vgl. Pausch 2016.

Historienmalerei als heuristische Anregung

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der Schilderung der Szenerie oder des Hintergrunds, vor dem das epische Geschehen spielt, einerseits und der Beschreibung der Kleidung und Ausrüstung der Figuren andererseits, wobei als dritte wichtige Ebene das poetische Stilmittel der Gleichnisse hinzutritt, die mit Blick auf ihre zeitliche Relation zur Handlung allerdings ohnehin einen Sonderfall bilden. Der Fokus soll im Folgenden ganz bewusst auf den materiellen Aspekten liegen, da sich hier unter anderem mit Hilfe antiquarischer Realien am leichtesten die Wahrnehmung historischer Entwicklungen und Unterschiede auch für die antiken Rezipienten plausibel machen lässt. Die gleichen Beobachtungen ließen sich aber auch für die Schilderung der Gedanken, Gefühle oder Handlungen der Charaktere machen, in denen wohl eine ähnliche Mischung zwischen dem Menschenbild der Heroenzeit und modernen Vorstellungen aus der Abfassungszeit des Epos zu konstatieren ist.20 Gerade für Aeneas ist diese Frage schon intensiv behandelt worden, nicht zuletzt, weil sich über den genealogischen Bezug zu Augustus ein enger Zusammenhang mit der politischen Aussage des Epos ergibt.21 Damit wären wir – um ein letztes Mal die Analogie mit Baldungs Scaevola zu bemühen – wiederum auf der Ebene eines typologischen Bezugs zwischen Porsenna und Karl V. angelangt, in der die Szene am Kohlebecken nicht nur als ein exemplum, sondern vor allem als Symbol protestantischer Standhaftigkeit erscheint.22 So richtig diese Deutung als eine Form von Propaganda avant la lettre auch sein dürfte, tendiert sie doch dazu, die vielfältigen Wirkungen, die sich mit solchen Zeitmontagen erzeugen lassen, einseitig auf ihre agitatorische Dimension zu reduzieren. Demgegenüber soll hier durch die Analyse der genannten Gegenstandsbereiche das Potential anachronistischer Vexierbilder umfassender in den Blick genommen und diese dabei vor allem als ästhetisches Phänomen verstanden werden.

20 Besondere Aufmerksamkeit hat dabei die Religion gefunden (vgl. schon Lehr 1934 sowie Kroll 1924, 183 f.; Anthony 1930, 112–117; Horsfall 1984, 153, und Horsfall 2016, 141); zum römischen Kalender und der damit verbundenen Zeitwahrnehmung vgl. Walter 2019a und Walter 2020, 166–170. 21 Vgl. z.B. Schauer 2007 sowie ferner Binder 2019, I 180–184 (mit weiteren Angaben); zu den modernen Zügen der Darstellung seines Verhältnisses zu Dido siehe unten Kap. 4.1. 22 In ähnlicher Weise lässt sich das von der Stadt Antwerpen bei Rubens in Auftrag gegebene Gemälde mit der Beruhigung des Seesturms durch Neptun, die auf dem Cover zu sehen ist, als Verherrlichung des Kardinalinfanten Ferdinand von Spanien verstehen, dessen Ankunft in den von ihm regierten Niederlanden 1635 sich hier in der Reise der Trojaner spiegeln soll, wie vor allem in der zeitgenössischen Gestaltung der Schiffe deutlich wird.

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Einleitung: Anachronismen als literarische Technik

1.3 Vergils Anachronismen im Schatten der Forschung Auch wenn diese Herangehensweise im Vergleich zu anderen Fragestellungen in der Forschung eher die Ausnahme darstellt, hat es natürlich bereits vergleichbare Ansätze gegeben, von denen die wichtigsten kurz vorgestellt werden sollen. Nachdem viele der anachronistisch auffälligen Stellen schon von den antiken Philologen und ihren Nachfolgern in der Neuzeit gesammelt und katalogisiert, aber, weil man sie vor allem als Fehler wahrnahm, nicht zum Verständnis des Werks herangezogen wurden,23 beginnt die interpretative Auseinandersetzung im engeren Sinn mit der Bonner Dissertation De morum in Virgilii Aeneïde habitu von Johann Heinrich Laurenz Lersch aus dem Jahr 1836 und damit mit einem Paukenschlag: Vertritt ihr Verfasser doch die These, dass Vergil seine Handlung keineswegs in der Tradition der homerischen Heroenepoche darstellen will, sondern vielmehr in allen Bereichen (Gesellschaft, Kriegswesen, Religion und Privatleben) eine dezidiert römische und damit zeitgenössische Gestaltung gewählt hat.24 Damit entspräche die Aeneis einem Theaterstück mit historischem Inhalt, das aber in einer konsequent modernen Inszenierung präsentiert wird, und die Anachronismen, die bislang als Abweichung kritisiert wurden, würden sich als die eigentlich angestrebte Norm erweisen. Allerdings lassen sich die vielen Stellen, an denen explizit auf Gegenstände oder Verhältnisse der mythologischen Vorzeit verwiesen wird, umgekehrt nur schwer als Ausnahmen in dieses Modell integrieren, so dass dieser weitreichende Ansatz in der Forschung ohne größere Folgen geblieben ist. Wenn danach im 19. oder frühen 20.  Jh. der anachronistische Aspekt von Vergils Erzähltechnik überhaupt in den Blick geriet, erfolgte die Behandlung en passant und wurde zumeist mit gewissem Befremden kommentiert.25 Die Bemerkungen Wilhelm Krolls in seinen Studien zum Verständnis der römischen Literatur von 1924 können dabei stellvertretend für einen bei aller Verwunderung doch eher aufgeschlossen Umgang mit diesem Phänomen stehen:26

23 Zu den Hintergründen dieser Sichtweise siehe unten Kap. 3.1. 24 Vgl. Lersch 1836, v.a. 110 f.: »Quum vero republica, disciplina militari, religione, vitaque domestica omnes, quotquot sunt, quasque poeta aliquis potest respicere, vitae rationes comprehendantur, hae autem omnes per integram Aeneidem ad Romanos mores sint adumbratae: necessaria consecutione efficitur, totum hoc carmen Romano tantum morum habitu ornatum esse.« 25 Eine Ausnahme bildet die Zusammenstellung einschlägiger Stellen bei Robert E. Anthony, der die historische Abweichung festhält, aber auf eine weitergehende Deutung verzichtet (vgl. Anthony 1930, v.a. 155–162). 26 Zu dem ganzen Abschnitt unter der Überschrift »Exkurs: Anachronismen« vgl. Kroll 1924, 178–184.

Vergils Anachronismen im Schatten der Forschung

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»Auch für ihn [sc. Vergil] bildete Homer die selbstverständliche Unterlage, …; aber er wollte doch auch Römisch-Italisches schildern und hatte zu diesem Zwecke eingehende Studien gemacht, fühlte sich wohl auch berechtigt, aus den Zuständen der Gegenwart auf die alten Italiker zurückzuprojizieren, was ihm gut schien. So entstand ein merkwürdiges Gemisch, das von verschiedenen Seiten zu betrachten lohnend ist.« … »In viel höherem Grade, als es einem modernen Dichter erlaubt wäre, beschränkt sich Vergil auf seine poetischen Ziele und nimmt die Mittel ohne ängstliche Überlegung, wo er sie findet.«27

Als Teil der Gesamtkonzeption wurden die Anachronismen dann erstmals wieder 1965/66 von Francis H. Sandbach in einem grundlegenden Aufsatz in den Proceedings of the Virgil Society verstanden. Unter dem pointierten, aber nicht selbsterklärenden Titel »Anti-Antiquarianism in the Aeneid« beschäftigt er sich vor allem mit den materiellen Aspekten und betont nicht zuletzt das gezielte Nebeneinander beider Zeitebenen.28 Als Intention nimmt er an, dass die Trojaner auf diese Weise bereits als Römer erscheinen sollen und vice versa, so dass dieses Verfahren in seinen Augen einen ebenso originellen wie wichtigen Beitrag zur Aussage des Epos leistet.29 Während Nicholas Horsfall, der sich mehr als jeder andere mit dieser Thematik beschäftigt hat, den Befunden Sandbachs, der in Cambridge einer seiner akademischen Lehrer war, zustimmte und die Zahl der einschlägigen Stellen – etwa in seinem Artikel in der Enciclopedia Virgiliana von 1984,30 aber auch in den Kommentaren zu einzelnen Büchern der Aeneis31 – noch erheblich ausweiten konnte, distanzierte er sich doch von ihrer Deutung: Für ihn sind die Anachronismen letztlich eine Folge des Desinteresses des Dichters an zeitlicher Genauigkeit und ihr Beitrag zur Veranschaulichung kommt daher eher zufällig und jedenfalls unsystematisch zustande.32 Die Annahme, dass sich Anachronismen zwar in der Aeneis vielfach beobachten lassen, es sich bei ihnen um eine Art notwendiges Übel eines historischen Epos und kein sonderlich auffälliges oder bemerkenswertes Element der Darstellung handelt, findet auch darin ihren Ausdruck, dass in der drei 27 Vgl. Kroll 1924, 178 und 182. 28 Vgl. Sandbach 1990 [1965/66], v.a. 460. 29 Vgl. Sandbach 1990 [1965/66], 465: »Virgil invented a new kind of epic in which the apparent mythological subject carried within itself the story of a nation right down to its living present. … The taste of his time did not forbid anachronism, and he used it with a more serious purpose than any poet who followed him.« 30 Vgl. Horsfall 1984. 31 Vgl. Horsfall 2000 (zu Buch 7); Horsfall 2003 (zu Buch 11); Horsfall 2006 (zu Buch 3); Horsfall 2008 (zu Buch 2) und Horsfall 2013 (zu Buch 6). 32 Vgl. Horsfall 1984, v.a. 151 f., und Horsfall 2016, 135–144, v.a. 136: »The anachronism is normally a useful instrument, not a pedantic curiosity, and its use plays a significant part in Virgil’s technique, often impressionistic and sometimes formally inconsistent, with the scissors and paste.«

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Einleitung: Anachronismen als literarische Technik

bändigen Virgil Encyclopedia von 2014 der betreffende Eintrag lediglich knapp eine Spalte umfasst.33 In ähnlicher Weise lässt sich ihre Rolle auch in dem 2019 erschienenen und sehr verdienstvollen Gesamtkommentar von Gerhard Binder beschreiben: Ihr Vorkommen wird an den entsprechenden Stellen konstatiert, sie haben aber weder einen eigenen Eintrag bei der Vorstellung der literarischen Darstellungstechniken erhalten noch werden sie im Abschnitt zu den verschiedenen Verfahren der Verbindung von Geschichte und Gegenwart erwähnt.34 Es lässt sich daher festhalten, dass nicht nur die ästhetische Dimension der Anachronismen ein Schattendasein in der Forschung fristet, sondern diese überhaupt, wohl weil es sich in der Regel um eine kleinteilige und implizite literarische Technik handelt, weit weniger Aufmerksamkeit gefunden haben als die expliziten und zumeist auch deutlich umfangreicheren Stellen, an denen die beiden Zeitebenen der Aeneis miteinander in Beziehung gesetzt werden. Diesen werden wir uns daher im Folgenden in einem ersten Zwischenschritt zuwenden, bevor wir in einem zweiten Zwischenschritt der Frage nachgehen, warum die Anachronismen, obwohl sie als folgerichtige Fortführung dieser spezifischen Konzeption erscheinen könnten, dennoch in erster Linie als Fehler wahrgenommen werden. Nach diesen beiden vorbereitenden Kapiteln, die nicht zuletzt erklären sollen, warum der hier verfolgte Ansatz bislang so wenig Berücksichtigung gefunden hat, werden wir uns im Hauptteil der exemplarischen Analyse einschlägiger Stellen zuwenden, die aus den oben bereits genannten Gegenstandsbereichen (Szenerie, Kostüme und Requisiten, Gleichnisse) ausgewählt sind. Abschließend soll als Ausblick die Frage in den Blick genommen werden, ob mit der Bedeutung der anachronistischen Zeitmontagen für die Darstellung in der Aeneis nicht auch ein Effekt für ihre Rezeption verbunden ist, da die Leserinnen und Leser bereits vom Text dazu angehalten werden, das Potential einer Aktualisierung mitzudenken.

33 Vgl. Solodow 2014. 34 Vgl. Binder 2019, I 96–144 und I 264–268.

2. Explizite Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart in der Aeneis

2.1 Die großen historischen Durchblicke Die doppelte Zeitstruktur zwischen mythischer Prähistorie vor der Stadtgründung und der vom Autor und seinen Lesern miterlebten Zeitgeschichte gehört zum Wesenskern des Epos, das Vergil direkt nach dem Ende des Bürgerkriegs zwischen Octavian und Marc Anton wohl ab 29 v. Chr. zu schreiben beginnt. Kann durch die Spiegelung der zeitgenössischen Ereignisse in den Gefahren, die damals die Trojaner unter der Führung des Aeneas zu bestehen hatten, doch die direkte Schilderung eines Kampfs von Römern gegen Römer, die politisch wie auch ästhetisch problematisch gewesen wäre, vermieden werden. Zugleich kann dem Leid der letzten Jahre als angeblich notwendiger Vorstufe zur pax Augusta historischer Sinn zugesprochen und der neue Alleinherrscher als Nachfahre des Gründungsvaters gepriesen werden. Die daraus resultierende Durchsichtigkeit der Handlung, die unmittelbar nach dem Untergang Trojas, also nach antiker Vorstellung im 12. Jh. v. Chr. spielt, auf die Gegenwart des Dichters wird dem Leser wiederholt und mit unterschiedlichen literarischen Techniken in Erinnerung gerufen. Die Stellen, an denen diese Verbindung explizit hergestellt wird, hat Friedrich Klingner treffend als »Durchblicke« bezeichnet.1 Sie gehören zu den prominentesten Passagen des Werkes und haben folglich auch die meiste Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden. Neben dem recht kurzen Proöm, in dem die teleologische Dimension der Handlung mit Blick auf die spätere Gründung Roms auch bereits anklingt,2 sind es vor allem drei längere Passagen, die diesen Bezug in variierender Form und über das gesamte Werk verteilt herstellen: die Rede Jupiters im 1. Buch, die ›Heldenschau‹ im 6. Buch und die Schildbeschreibung im 8. Buch. In ihnen wird jeweils weit über das Ende des Epos hinausgeblickt und eine glanzvolle Zukunft beschworen, bei der es sich zugleich um die fernere und jüngere Vergangenheit der Rezipienten handelt. Trotz ihrer Bekanntheit sollen sie im Folgenden kurz 1 Vgl. Klingner 1965, 307: »Unmittelbar erzählt ist nur die Aeneassage, Geschichte ist nur in den Durchblicken gegenwärtig, besonders an der Stelle, wo Aeneas in der Unterwelt die zukünftige Hoheit seines Stammes sehen und sich daran ermutigen darf.« 2 Vgl. Verg. Aen. 1,1–33 mit z.B. Austin 1971, 25–39; Suerbaum 1999, 15–32, und Binder 2019, II 12–18.

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Explizite Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart in der Aeneis

vorgestellt werden und vor allem die Art und Weise, wie Geschichte und Gegenwart dort jeweils miteinander verbunden werden, von der literarischen Technik der Anachronismen abgegrenzt werden. In einem zweiten Schritt sollen danach die Aitiologien und andere explizite, aber kleinteiligere Formen der Verknüpfung der historischen Ebenen mit der gleichen Zielsetzung besprochen werden. Trotz der Unterschiede in der konkreten Präsentation lässt sich für alle drei großen Durchblicke festhalten, dass der Übergang von der Handlung des Epos als Vorgeschichte der Stadtgründung zur weiteren Geschichte Roms deutlich markiert und ein solcher Blick in die Zukunft durch die Wahl des Sprechers zudem plausibel gemacht wird. Der letzte Punkt trifft insbesondere auf die Rede Jupiters zu, der zwar auch in der Rolle eines Vaters gezeigt wird, der seine Tochter Venus trösten will, die um das künftige Schicksal ihres Sohnes Aeneas besorgt ist, aber doch zugleich als Oberster der olympischen Götter spricht.3 Er kann daher aus einer glaubwürdigen Position heraus die weiteren Ereignisse von der Ankunft der Trojaner im verheißenen Italien und ihrem Sieg über die einheimische Bevölkerung bis zur Beendigung der Bürgerkriege durch Augustus und dem Beginn einer Friedenszeit in Aussicht stellen. Während es sich bei den Worten Jupiters für Venus als der Adressatin im Text durchgängig um eine Beschreibung der Zukunft handelt, konnten Vergils Leser diese Prophezeiung bis hierhin und damit bis zur Entstehungszeit des Epos als bereits erfüllt betrachten. Auch wenn es sich daher um ein recht offensichtliches vaticinium ex eventu handelt, ist damit wohl keine Ironisierung intendiert. Vielmehr soll die Bestätigung, die sich aus dem bisherigen Verlauf der Geschichte ergibt, vermutlich auch auf die Aussagen übertragen werden, mit denen der Dichter den Herrscher des Olymps den Römern auch in der weiteren Zukunft eine zeitlich und räumlich gänzlich grenzenlose Herrschaft versprechen lässt: his ego nec metas rerum nec tempora pono: // imperium sine fine dedi.4 Im Unterschied zur maximalen Autorität des ›allmächtigen Vaters der Götter und Menschen‹, wie Jupiter in der Aeneis in wechselnden Formulierungen häufiger genannt wird,5 ist die Wahl von Anchises als Sprecher für die ›Heldenschau‹ auf den ersten Blick erklärungsbedürftiger.6 Allerdings ist Aeneas’ Vater inzwischen verstorben und kann daher nach einer in der Antike verbreiteten Vorstellung gleichfalls in die Zukunft sehen. Zudem findet ihr Wiedersehen in der Unterwelt statt, in die sich der Protagonist nach homerischem Vorbild auf Weisung der Götter begibt, und zwar an dem Ort, wo sich die Seelen versammeln, um ihren erneuten Weg ins Leben anzutreten. Beginnend mit Aeneas’ 3 Vgl. Verg. Aen. 1,254–296 mit z.B. Austin 1971, 98–114; Glei 1991, 123–127, und Binder 2019, II 40–47. 4 Verg. Aen. 1,278 f. 5 Für eine Übersicht vgl. Binder 2019, I 149–152. 6 Vgl. Verg. Aen. 6,752–892 mit z.B. Glei 1991, 168–177; Clausen 2002, 125–152; Horsfall 2013, 510–608; Pandey 2014, 92–106; Pandey 2018, 152–170, und Binder 2019, II 610–641.

Die großen historischen Durchblicke

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Sohn Silvius, den er ebenfalls außerhalb der Handlung des Epos mit Lavinia, der Tochter des Königs der Latiner, haben wird, ziehen in einer langen Parade die großen Männer der römischen Geschichte vorüber und werden ihm durch die Kommentare seines Vaters vorgestellt. Die Reihe der summi viri geht dabei sogar über Augustus hinaus, der abweichend von der Chronologie schon nach Romulus und vor Numa als Erneurer des goldenen Zeitalters gepriesen wird,7 und umfasst auch noch Marcellus, der als Neffe und Schwiegersohn des princeps auch als sein Nachfolger vorgesehen war, jedoch überraschend bereits 23 v. Chr. – und damit während der Abfassungszeit des Epos – verstarb.8 Die Übereinstimmung mit der historischen Evidenz dient sicherlich auch hier der Verifizierung dieser Zukunftsvision für die Leser. Welche Folgen dieser geschichtliche Ausblick für Aeneas auf der Ebene der Handlung hat, lässt sich schwerer sagen, da sein Inhalt von ihm im Folgenden nicht mehr thematisiert wird. Zudem hat die Art und Weise, wie er die Unterwelt verlässt, schon seit der Antike Anlass zu Irritationen gegeben: Werden am Ende dieser Passage doch zwei Tore beschrieben, von denen eines den wahren und das andere den falschen Träumen als Weg in die Welt der Lebenden dient.9 Aeneas nimmt von diesen nun das zweite, womit wohl die Form der ›Vision‹, vielleicht aber auch ihr Inhalt10 oder die mit ihr verbundene politische Botschaft11 problematisiert werden soll. Dadurch wird aber nicht in Zweifel gezogen, dass hier innerhalb des Epos über eine Zukunft gesprochen wird, die erst nach dessen Handlung beginnt. Es handelt sich also erneut um einen klar markierten Bezug zwischen den Zeitebenen. Das gilt auch für den dritten großen Durchblick, der zugleich aber auch stellvertretend für eine andere Art der formalen Präsentation stehen kann: Handelt es sich bei der Schildbeschreibung12 doch nicht um eine Rede, sondern um die Ekphrasis eines Kunstwerkes, die in der Aeneis wie in der antiken Epik häufiger

7 Vgl. Verg. Aen. 6,791–807. 8 Vgl. Verg. Aen. 6,882–886a mit z.B. Glei 1998; zum Marcellus-Theater siehe unten Kap. 4.1. 9 Vgl. Verg. Aen. 6,893–898 sowie allg. Horsfall 2013, 612–621; Binder 2019, II 641–648, und Conte 2021, 86–91; zu den komplexen intertextuellen Bezügen auf das Vorbild in der Odyssee (19,559–567) vgl. von Möllendorff 2000. 10 In diese Richtung geht schon die Bemerkung des wichtigsten spätantiken Kommentators: vgl. Serv. ad Aen. 6,893: et poetice apertus est sensus: vult autem intellegi falsa esse omnia quae dixit (»Auch poetisch ist der Sinn klar: Will er doch, dass alles, was gesagt wurde, als erfunden verstanden wird.«); mit Pollmann 1993, 241–247. 11 Diese Einschränkung ist naturgemäß von den Vertretern der sog. second voice theory stark gemacht worden, für einen kurzen Überblick zu dieser Diskussion vgl. z.B. Pausch 2017, 170–173. 12 Vgl. Verg. Aen. 8,626–728 mit z.B. Glei 1991, 199–204; Putnam 1998, 119–188; Clausen 2002, 174–184; Feldherr 2014; Fratantuono/Smith 2018, 649–745; Binder 2019, III 192–209, und Thein 2022, 135–221.

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Explizite Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart in der Aeneis

vorkommt.13 Im Unterschied zu seinem wichtigsten Vorbild in der Ilias, dem von Hephaistos für Achill geschmiedeten Schild,14 zeigt das von Vulcan für A ­ eneas angefertigte Gegenstück aber keine zeitlosen Szenen aus dem menschlichen ­Lebens, sondern wiederum Geschehnisse, die erst nach der epischen Handlung stattfinden werden und damit auf einer anderen Zeitebene liegen: Passend zur Funktion des Kunstwerks liegt der Schwerpunkt hier auf den militärischen Erfolgen Roms von den Siegen über die Italiker unter Romulus’ Führung bis zum Dreifachtriumph des Augustus nach der – prominent in der Mitte des Schildes platzierten und ausführlich dargestellten15 – Seeschlacht von Actium im Jahre 29 v. Chr.16 Auch dieser Blick in die Zukunft ist durch seinen göttlichen Schöpfer pro­ blemlos legitimiert.17 Noch deutlicher als bei der ›Heldenschau‹ wird hier jedoch ein entscheidender Unterschied zwischen den Betrachtern dieses Kunstwerkes innerhalb und außerhalb des Textes markiert: Während wir als Leser in den kunstvollen Darstellungen auf dem Schild die Geschichte Roms erkennen können, gelingt genau dies Aeneas nicht, wie am Ende der Beschreibung ausdrücklich festgehalten wird: Er bewundert zwar die Bilder und erfreut sich an ihnen, versteht aber ihren Inhalt nicht.18 Für den externen Rezipienten besteht allerdings auch hier kein Zweifel, dass wir es bei der Ekphrasis um eine weitere explizite Verknüpfung der Zeitebenen zu tun haben.

13 Vgl. Putnam 1998 und Kirichenko 2013 sowie zur Ekphrasis als epischer Bauform Harrison 2019. 14 Vgl. Hom. Il. 18,478–608 mit dem Kommentar von Coray 2016, 192–266, sowie ferner Thein 2022, 55–96. 15 Vgl. Verg. Aen. 8,671–713 mit z.B. Gurval 1995, v.a. 209–248. 16 Vgl. Verg. Aen. 8,714–728 mit z.B. McKay 1998. 17 Vgl. v.a. Verg. Aen. 8,626–629: illic res Italas Romanorumque triumphos // haud vatum ignarus venturique inscius aevi // fecerat ignipotens, illic genus omne futurae // stirpis ab Ascanio pugnataque in ordine bella (»Dort hat der Herrscher des Feuers die Geschichte Italiens und die Siege der Römer geschaffen, keineswegs unkundig der Seherkunst und wissend um kommende Zeiten, dort auch das ganze Geschlecht, das sich künftig von Ascanius herleiten wird, und die Kriege in der Reihenfolge, in der man sie kämpfte«); zur Figur des Ascanius als generell wichtigem Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft vgl. Rogerson 2017. 18 Vgl. Verg. Aen. 8,729–731: talia per clipeum Volcani, dona parentis, // miratur rerumque ignarus imagine gaudet // attollens umero famamque et fata nepotum (»All das bewunderte er auf dem Schild des Vulcanus, dem Geschenk seiner Mutter, und freute sich an den Bildern, ohne ihren Sinn zu verstehen; dann hob er den Ruhm und das Schicksal seiner Nachkommen auf seine Schulter«); mit Fratantuono/Smith 2018, 745–749.

Aitiologien und verwandte Formen

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2.2 Aitiologien und verwandte Formen Mit diesen drei großen und trotz variierender Form klar markierten historischen Durchblicken wird gleichsam der Rahmen aufgespannt, vor dem sich dann die eigentliche Handlung entfaltet. Dass dabei die beiden Zeitebenen auch weiterhin von zentraler Bedeutung sind, wird dem Leser zusätzlich durch verschiedene kleinteiligere Techniken immer wieder in Erinnerung gerufen.19 Neben vorausweisenden Kommentaren des Erzählers und einigen weiteren Reden der Götter20 spielt dabei vor allem die Integration von Aitien in die epische Handlung eine wichtige Rolle.21 Solche aitiologischen Erzählungen, in denen für die Existenz eines bestimmten Phänomens in der Gegenwart des Autors – beispielsweise den Namen von Orten oder religiöse Bräuche – eine meist eher literarisch-spielerische denn historisch-seriöse Begründung (griech.: αἴτιον) aus der ferneren Vergangenheit oder der mythischen Frühgeschichte geben wird, erfreuten sich in der Dichtung der hellenistischen Zeit besonderer Beliebtheit und wurden – vor allem über die Aitia des Kallimachos22 – auch in Rom ab der Mitte des 1. Jh. v. Chr. intensiv rezipiert.23 Sie bilden dabei in der Regel allerdings keine eigene Gattung, sondern werden zum Bestandteil von Werken, die mehrheitlich anderen literarischen Traditionen folgen. Mit Blick auf das Epos gab es für diese Verbindung mit den Argonautica des Apollonios von Rhodos auch bereits ein einflussreiches Beispiel,24 in dem an vielen Stellen die angeblich direkten Folgen der Fahrt der mythischen Helden – beispielsweise in Form von ihnen besuchter Orte oder begründeter Kulte – für die Gegenwart des Dichters und seiner Leser in hellenistischer Zeit ausdrücklich genannt werden.25 Während die Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart dort aber in aller Regel klar markiert und die beiden Zeitebenen ansonsten mit antiquarischer Genauigkeit voneinander getrennt und bewusst 19 Zu deren Bedeutung vgl. z.B. Horsfall 1991 und Suerbaum 1999, 322  f.: »Einen ästhetischen Reiz üben m.E. weniger die direkten Nennungen von Gestalten der römischen Geschichte in den drei großen historischen Prophezeiungen aus, sondern eher die mehr oder weniger versteckten sonstigen historischen Anspielungen.« 20 So vor allem die Absprachen zwischen Juno und Jupiter über die künftige kulturelle Prägung und historische Identität des aus Trojanern und Italikern hervorgehenden populus Romanus: vgl. Verg. Aen. 12,791–842 mit z.B. Tarrant 2012, 290–305, und Fletcher 2014, v.a. 249–251. 21 Zu den Aitien in der Aeneis vgl. allg. v.a. Binder 1988; Horsfall 1991; Franchi 1995; Binder 2019, I 124–129; Walter 2019a und Walter 2020, 156–174. 22 Zu Kallimachos’ Einfluss auf die Zeitebenen in der Aeneis vgl. z.B. George 1974, v.a. 71–88 und Nelis 2005. 23 Zur großen Bedeutung von Aitien in der antiken Literatur vgl. Chassignet 2008 und Walter 2020, v.a. 5–14. 24 Zum Einfluss auf Vergils Aeneis vgl. allg. Nelis 2001, v.a. 393–402 (zur aitiologischen Technik). 25 Vgl. z.B. Klooster 2014; Phillips 2020, v.a. 2–9, und Walter 2020, 120–134.

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Explizite Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart in der Aeneis

als verschieden dargestellt werden, greift Vergil neben solchen expliziten Aitien ebenfalls und sogar in der Mehrzahl der Fälle auf implizite Formen zurück, in denen der Bezug auf die eigene Gegenwart vom Leser selbst erkannt und hergestellt werden muss.26 Mit dieser Präferenz für aitiologische Anspielungen anstelle klar markierter und abgegrenzter Exkurse27 geht in der Aeneis zugleich die Tendenz einher, den Unterschied zwischen den beiden Zeitebenen auch mit Hilfe anderer literarischer Techniken zwar nicht völlig aufzuheben, aber doch weniger holzschnittartig wirken zu lassen. In diesem Zusammenhang kommt nicht zuletzt den anachronistischen Zeitmontagen eine wichtige Rolle zu.28 Während es sich dabei aber um implizite und daher sozusagen nahtlos in die Handlung eingefügte Elemente handelt, erfordert ein Aition als eigene Narration stets eine Unterbrechung der Haupterzählung und das gilt wohl auch schon für die aitiologische Anspielung, jedenfalls wenn diese vom Leser erkannt und als gedankliche Operation durchgeführt wird.29 Insofern sind Aitien in ihrem anachronistischen Potential mit den hier im Vordergrund stehenden Phänomen zwar eng verwandt,30 ohne jedoch mit ihm in formaler Hinsicht oder mit Blick auf ihre Wirkung identisch zu sein. Die Unterschiede treten besonders deutlich bei solchen Aitien hervor, die als Exkurs und damit als Abweichung von der epischen Erzählzeit explizit markiert sind.31 Das zeigt sich bereits bei den kürzeren Bemerkungen, mit denen die Namen einzelner Stationen auf dort verstorbene oder begrabene Trojaner zurückgeführt werden: So erhält das Kap Misenum über den als Trompeter Hektors schon aus der Ilias bekannten Misenos32 ebenso eine eponyme Vorgeschichte 26 Vgl. v.a. Binder 1988, v.a. 268; Barchiesi 2006, 18 f., der den do it yourself-Charakter betont, und Walter 2020, 156 f., die auf das unterschiedliche Vorwissen des Zielpublikums hinweist: »Vergil’s audience, by contrast, not only knew, but inhabited and ‘lived’ the results of Aeneas’ foundational deeds. As a Roman writing for other Romans, Vergil has no need constantly to adopt an explicatory voice.« 27 Für den Begriff und die Unterscheidung vgl. Walter 2019b, 611: »For the sake of clarity, such instances are probably best termed ‘aetiological allusions’.« und Walter 2020, 14–18, h. 15. 28 Für Beispiele und deren Besprechung siehe unten Kap. 4–6. 29 Vgl. z.B. Binder 2019, I 125: »Der Epiker verlässt die zeitliche Ebene der Erzählung und signalisiert dies dem Leser.«; zur Interaktion von Aitien mit ihrem narrativen Kontext allg. Walter 2020, v.a. 18–22. 30 Vgl. in diesem Sinne z.B. Binder 2019, I 126: »In Aitiologien werden demnach drei Zeitebenen übereinander projiziert: Aus der mythischen Vergangenheit lenkt der Autor den Blick in die Zukunft, die in der Regel zugleich die Gegenwart des Autors und seiner Leser ist; für den Leser wird rückblickend die mythische Vergangenheit gleichsam zum Anfang der eigenen Geschichte.« 31 Für eine Übersicht vgl. z.B. Binder 1988, 285 f., und Binder 2019, I 128 f. 32 Vgl. Verg. Aen. 6,212–235, v.a. 232–235 mit z.B. Horsfall 2013, 203–214, und Binder 2019, II 521–523.

Aitiologien und verwandte Formen

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wie das Kap Palinurus über den Steuermann des Aeneas.33 Mit der gleichen etymologischen Freiheit34 wird ferner der Name der süditalienischen Hafenstadt Caieta (heute Gaeta) auf dessen Amme zurückgeführt, die vom Erzähler am Beginn des 7. Buches auch direkt angesprochen wird:35 Tu quoque litoribus nostris, Aeneia nutrix, aeternam moriens famam, Caieta, dedisti; et nunc servat honos sedem tuus, ossaque nomen Hesperia in magna, si qua est ea gloria, signat. Auch du, Amme des Aeneas, hast sterbend unseren Küsten ewigen Ruhm, Cajeta, verliehen; noch heute beschützt deine Verehrung den Ort und dein Name, wenn dieser Ruhm etwas bedeutet, bezeichnet im großen Italien dein Grab.

Auch bei einigen der kulturellen Bräuche oder religiösen Zeremonien, die als Teil der Handlung beschrieben sind und zugleich als Aitien der entsprechenden römischen Traditionen verstanden werden sollen, wird dieser Bezug bewusst offengelegt: Das gilt sowohl für den lusus Troiae, einen militärischen Schaukampf, der im 5. Buch als Teil der Spiele zu Ehren von Anchises am Jahrestag seines Tods36 erstmalig durchgeführt und explizit mit der gleichnamigen Praxis in der Gegenwart verbunden wird,37 auch wenn – oder gerade weil – es sich dabei vermutlich um eine reinvented tradition handelt,38 als auch für das Öffnen der Türen des Janus-Tempels, das im 7. Buch als altehrwürdiger Ritus der Latiner zur Kriegserklärung und damit als direkter Vorläufer der späteren Symbolik in Rom präsentiert wird,39 die für Augustus von besonderer Bedeutung war, um durch ihr Schließen das Ende der Bürgerkriege in Szene zu setzen.40 Die Verwendung impliziterer Formen aitiologischen Erzählens ermöglicht es Vergil aber auch, großflächigere Strukturen zu schaffen, in denen sich die Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart gleichsam addieren und auf diese Weise die Zeitebenen über eine längere Strecke durchsichtig und aufeinander

33 Vgl. Verg. Aen. 6,363–383, v.a. 378–383 mit z.B. Horsfall 2013, 273–297, und Binder 2019, II 544–547. 34 Zur Etymologie als einem wichtigen Teil aitiologischer Erzählungen vgl. grundlegend O’Hara 2017. 35 Verg. Aen. 7,1–4 mit z.B. Horsfall 2000, 45–50, und Binder 2019, III 11 f. 36 Zu dem mit der Verwendung des römischen Kalenders verbundenen Anachronismus vgl. Walter 2019a. 37 Vgl. Verg. Aen. 5,545–603, v.a. 596–603 mit Binder 1988, 278–280; Frantantuono/ Smith 2015, 531–578; Rogerson 2017, 78–100; Binder 2019, II 447–453, und Walter 2020, 156–174. 38 Vgl. z.B. Glei 1991, 305–309. 39 Vgl. Verg. Aen. 7,601–617 mit Fowler 1998; Horsfall 2000, 391–400, und Binder 2019, III 75–78. 40 Vgl. z.B. R. Gest. div. Aug. 13 und Liv. 1,19,1–4.

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Explizite Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart in der Aeneis

bezogen wirken lassen.41 Das berühmteste Beispiel hierfür bietet die ›Stadtführung‹, mit der Euander im 8. Buch Aeneas die Siedlung Pallanteum am Tiber zeigt und ihm dabei zugleich prominente Erinnerungsorte Roms vor Augen stellt, die vom Erzähler auch schon mit ihren zukünftigen Namen bezeichnet werden:42 Altar und Tor der Carmenta, das mit Romulus verbundene Asylum und das Lupercal, das Argiletum und die rupes Tarpeia als Hinrichtungsstätten bekannter Übeltäter, das Kapitol mit dem Tempel Jupiters, das Forum R ­ omanum und die Wohnviertel am Esquilin, um mit seinem Gast dann in die bescheidene regia auf dem Palatin einzukehren, wo sich später kaum zufällig das Haus des Augustus befindet.43 Bei solchen aitiologischen ›Spaziergängen‹ durch das historische und sakrale Zentrum der urbs handelt es sich allerdings selbst um eine in dieser Zeit beliebte literarische Technik,44 wie vor allem das 4. Buch des Properz zeigen kann, das nur wenige Jahre nach der Aeneis erschienen ist.45 Doch während der Leser dort von der Abfolge der Gedichte gleichsam zu einem Rundgang mitgenommen wird, der in der Gegenwart stattfindet und in dem die Vorgeschichten einzelner Sehenswürdigkeiten als Exkurse ihren Platz finden,46 es sich also mit Blick auf das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit um analeptische Aitien handelt,47 präsentiert Vergil dieselben Bezüge aus der proleptischen Perspektive einer tief in der Vergangenheit spielenden Handlung. Darin ähnelt sein Ansatz dem, den Livius in seinem Geschichtswerk ab urbe condita verfolgt, dessen erste Pentade in den gleichen Jahren entstanden ist. Werden von ihm doch gerade in der Darstellung der Königszeit viele Aitien in die historische Erzählung inte­ griert,48 unter anderem in der Schilderung der Schlacht zwischen Römern und Sabinern auf dem Gelände des späteren Forum Romanum, die ebenfalls Züge einer aitiologischen Stadtführung aufweist.49 Euanders Rundgang durch Pallanteum lässt sich daher als Weiterentwicklung der aitiologischen Technik verstehen, die ansonsten primär auf punktuelle Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart abzielt. Durch die expli 41 Vgl. z.B. Verg. Aen. 3,278–288 mit Stahl 1998a, 59–75, und Binder 2019, II 228–230; ausführlicher siehe unten Kap. 4.1. 42 Vgl. Verg. Aen. 8,337–368 mit z.B. Stahl 2016, 251–319; Förg 2018; Fratantuono/Smith 2018, 442–471; Binder 2019, III 156–162, und Casali 2020b; für einen Vergleich mit der Schilderung Trojas durch Aeneas im 2. Buch vgl. Hardie 2013. 43 Vgl. v.a. Klodt 2001, 21–27, aber auch die Einwände von Förg 2018, 100 mit Anm. 49. 44 Zu diesem Motiv vgl. allg. Edwards 1996; Schmitzer 2001; Rea 2007 und Schmitzer 2016. 45 Vgl. v.a. Welch 2005. 46 Für eine Lesart des Buches, die den Charakter der Stadtführung betont, vgl. Pausch (im Druck). 47 Vgl. Walter 2020, v.a. 18 f. 48 Vgl. allg. Poucet 2000, 329–369; Pausch 2008b und Walter 2020, 140–156. 49 Vgl. Liv. 1,11–13; für eine Deutung in diesem Sinne z.B. Pausch 2018.

Aitiologien und verwandte Formen

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zite Benennung der späteren Plätze und Monumente in Rom mitsamt ihrer noch in ihrer Zukunft liegenden Entstehungsgeschichten durch den Erzähler wird der Bezug zwischen den beiden Zeitebenen für den Leser unmissverständlich offengelegt. Darin unterscheidet sich der Blick, den man hier mit dem Protagonisten auf das künftige Rom wirft, von der Passage im 1. Buch, der wir uns zu Beginn des Hauptteils zuwenden wollen: Wenn Aeneas dort zum ersten Mal Karthago erblickt, schimmert durch die Beschreibung der Stadt Didos ebenfalls in anachronistischer Weise das zeitgenössische Rom hindurch, doch wird die Montage der beiden Zeitebenen dort weder explizit gemacht, noch lässt sich ihre Wirkung auf eine aitiologische Verknüpfung von damals und heute festlegen.50 Doch bevor wir uns den zahlreichen Beispielen für anachronistische Zeitmontagen in der Aeneis zuwenden und sie als wichtige Ergänzung der expliziten Formen der historischen Durchblicke und der aitiologischen Exkurse näher beschreiben wollen, werden wir uns zunächst mit der Frage beschäftigen, warum diese zen­ trale literarische Technik bislang so wenig Aufmerksamkeit gefunden hat.

50 Für einen aufschlussreichen Vergleich beider Szenen aus anderer Perspektive vgl. Förg 2018, 100–103.

3. Die gängige Wahrnehmung von Anachronismen als Fehler

3.1 Der kritische Blick antiker Philologen auf Anachronismen Wird ein Anachronismus bemerkt, scheint die erste Reaktion in der Regel zu sein, ihn als Fehler zu betrachten und dem Autor, Künstler oder Regisseur entweder persönlich oder seiner Epoche allgemein als mangelndes historisches Verständnis anzukreiden. Solche Kritik wurde nicht nur an Gemälden wie Hans Baldungs Scaevola von seinen Zeitgenossen,1 sondern wird auch heute noch an allen Kinofilmen zu historischen Stoffen mit oft großer Anteilnahme geübt.2 Das galt genauso für die Wahrnehmung der anachronistischen Elemente in der Aeneis in den Jahren nach ihrer Publikation, jedenfalls wenn wir von den Urteilen antiker Philologen ausgehen. Da Vergils Epos schnell zur Schullektüre wurde und zum literarischen Klassiker aufstieg, haben sich Kritiker wie Bewunderer intensiv mit verschiedenen Facetten seines Werkes beschäftigt.3 Zu den Experten ›der ersten Stunde‹ gehörte auch C. Iulius Hyginus, ein vielseitig interessierter und produktiver Gelehrter, der von Augustus zum Leiter der 28 v. Chr. auf dem Palatin eingerichteten Bibliothek ernannt wurde.4 Alle Schriften, die ihm sicher zugeschrieben werden können, sind bis auf wenige Fragmente verloren, was auch für seine Kommentierungen der Aeneis gilt.5 Da sich mit diesen aber im 2.  Jh.  n.  Chr. Aulus Gellius in seinen noctes Atticae verschiedentlich auseinandergesetzt hat, haben sich nicht nur einige Zitate erhalten,6 sondern wir können so auch ein Bild davon gewinnen, wie Hygin auf Vergils Anachronismen reagiert hat. Den besten Einblick bietet das 16. Kapitel des 10. Buches, in dem Gellius drei Passagen teils 1 Vgl. Haussherr 1984, v.a. 13 f. und 41 f.; siehe oben Kap. 1.2. 2 Vgl. z.B. Bing 2020, 106–108; für die Diskussionen um Troy (2007) als illustratives Beispiel Cavallini 2015. 3 Zur zeitgenössischen Rezeption der Aeneis und der Debatte zwischen obtrectatores und Verteidigern vgl. z.B. Binder 2019, I 311–317 (mit weiteren Angaben). 4 Vgl. Suet. gramm. 20 mit v.a. Levick/Cornell 2013. 5 Die Fragmente bei Funaioli 1907, 528–533; für ihre Datierung ins 1.  Jh.  n.  Chr. vgl. Zwierlein 1999, 86–90. 6 Vgl. v.a. Gell. 1,21,1; 5,8,1–3; 7,6,2–5; 10,16 und 16,6,14 f.; zu Gellius’ Tendenz, sich von den Gelehrten der frühen Kaiserzeit zu distanzieren bzw. ihre Deutungen übertreffen zu wollen, vgl. Howley 2018, 157–203.

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Die gängige Wahrnehmung von Anachronismen als Fehler

referiert, teils im Wortlaut wiedergibt, in denen Hygin im 6. Buch der Aeneis historische errores bemerkt und kommentiert hat, wie es in der Überschrift heißt.7 Alle diese ›Fehler‹ hat Hygin offenbar auf die fehlende letzte Hand des Autors zurückgeführt und damit die Vermutung verbunden, dass Vergil, wenn er länger gelebt hätte, sie noch behoben hätte.8 Von dieser Gemeinsamkeit abgesehen, handelt es sich bei der hier präsentierten Auswahl jedoch um drei recht unterschiedliche Arten von Verstößen gegen die Chronologie: Zum einen nimmt er Anstoß daran,9 dass Vergil Aeneas der Sibylle gegenüber auf Theseus als exemplum für Sterbliche verweisen lässt,10 denen die Rückkehr aus der Unterwelt gelungen ist, ihm aber später ebendort noch begegnet.11 Zum anderen moniert er diejenige Passage der ›Heldenschau‹, in der Anchises seinem Sohn Roms künftige Siege über die Griechen als Rache für deren Zerstörung Trojas in Aussicht stellt,12 da die dort für eine Person zusammengefassten Siege und Eroberungen unterschiedlichen Epochen angehörten.13 Während es sich bei dem ersten error um einen Widerspruch auf der Ebene der Erzählung handelt, der auch durch die verschiedenen Sprecherrollen oder durch die Integration mehrerer Mythenversionen bedingt sein kann,14 richtet sich der zweite Einwand gegen ein – in dieser Zuspitzung vermeintliches15 – Missverständnis historischer Details, das aber ganz außerhalb der Handlung des Epos liegt. Auch wenn solche Kritikpunkte ihrerseits bei der Rezeption historischer Stoffe zu allen Zeiten vorkommen dürften, ist für unsere Fragestellung das dritte Beispiel von besonderem Interesse, das Gellius als im Übrigen erstes erwähnt, womit er wohl der Reihenfolge der Behandlung bei Hygin folgt. Handelt es sich bei diesem error doch um einen Anachronismus nach modernem Verständnis, auch wenn er hier nicht mit diesem Wort bezeichnet wird.16 Es geht dabei um 7 Vgl. Gell. 10,16 cap.: quos errores Iulius Hyginus in sexto Vergilii animadverterit in Romana historia erratos. 8 Vgl. Gell. 10,16,1; 11 und 18; zum unvollendeten Charakter der Aeneis und den daraus für die Interpretation seit der Antike gezogenen Konsequenzen vgl. O’Hara 2010; Horsfall 2016, 79–94, und Binder 2019, I 40–47. 9 Vgl. Gell. 10,16,11–13. 10 Vgl. Verg. Aen. 6,119–123. 11 Vgl. Verg. Aen. 6,617  f. mit O’Hara 2007, 91–95, und Horsfall 2013, 145  f.: »An old pseudo-problem, …«. 12 Vgl. Verg. Aen. 6,838–840 mit Horsfall 2013, 570–572. 13 Vgl. Gell. 10,16,14–18. 14 Zu moderneren Ansätzen im Umgang mit Widersprüchen in der Aeneis vgl. v.a. O’Hara 2007, 77–103. 15 Vgl. Horsfall 2013, 572: »Serv. here and Hyg.fr9Fun. think the reference is to Pyrrhus, king of Epirus; clearly the language could refer to him (at cost of confused chronology, for which Hyg. reproves V.), but the allusive context, both historical and geographical, excludes Epirus and a palpably earlier generation of warfare.« 16 Zur Verwendung als terminus technicus in der antiken Wissenschaftssprache siehe unten Kap. 3.2.

Der kritische Blick antiker Philologen auf Anachronismen

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die Begegnung des Aeneas mit seinem gerade verstorbenen Steuermann Palinurus am Grenzfluss zur Unterwelt.17 Dieser war über Bord gegangen und hatte Italien noch schwimmend erreicht,18 war dann aber nahe dem Kap, das später seinen Namen tragen wird,19 von den Küstenbewohnern erschlagen worden. Weil er bislang noch nicht bestattet wurde, verweigert Charon seiner Seele die Überfahrt. Er bittet daher Aeneas inständig, seinen vor Velia treibenden Leichnam zu bergen und die erforderlichen Riten nachzuholen:20 ›eripe me his, invicte, malis: aut tu mihi terram inice, namque potes, portusque require Velinos.‹ »Entreiße mich, Unbesiegter, dieser misslichen Lage: Streue entweder Erde auf mich, denn du vermagst es, und suche (dafür) den Velinischen Hafen auf, …«

Im Folgenden äußert Palinurus als Alternative den Wunsch, sich Aeneas direkt anschließen zu können.21 Es sind aber diese Verse, die laut Gellius den Anlass für die Kritik Hygins boten:22 (3) ›quo‹ inquit ›modo aut Palinurus novisse et nominare potuit portus Velinos aut Aeneas ex eo nomine locum invenire, cum Velia oppidum, a quo portum, qui in eo loco est, Velinum dixit, Servio Tullio Romae regnante post annum amplius sescentesimum, quam Aeneas in Italiam venit, conditum in agro Lucano et eo nomine appellatum est? (4) nam qui ab Harpalo‹ inquit ›regis Cyri praefecto ex terra Phocide fugati sunt, alii Veliam, partim Massiliam condiderunt. (5) inscitissime igitur petit, ut Aeneas portum Velinum requirat, cum id nomen eo tempore fuit nusquam gentium. (3) »Wie konnte,« sagt er, »entweder Palinurus den Velinischen Hafen kennen und benennen oder Aeneas unter diesem Namen den richtigen Ort finden, da die Stadt Velia, deretwegen der Hafen, der sich an diesem Ort befindet, der Velinische heißt, erst zu der Zeit, als Servius Tullius in Rom König war, mehr als sechshundert Jahre, nachdem Aeneas nach Italien kam, in Lukanien gegründet und mit diesem Namen bezeichnet wurde? (4) Denn von denen, die von Harpalos [gemeint ist Harpagos], dem Feldherrn von König Kyros, aus dem Land Phokis [gemeint ist Phokäa] vertrieben worden sind, haben die einen Velia, ein anderer Teil Massilia gegründet. (5) Reichlich ungeschickt hat er also Aeneas gebeten, den Velinischen Hafen aufzusuchen, da es diesen Namen zu dieser Zeit nirgends auf der Welt gab.«

17 Vgl. Verg. Aen. 6,337–383 mit Horsfall 2013, 273–297, und Binder 2019, II 541–547. 18 Vgl. Verg. Aen. 5,827–871; zu den Unstimmigkeiten zwischen dieser Schilderung durch den Erzähler und dem Bericht, den Palinurus hier selbst von den Ereignissen gibt (6,347–362), z.B. Horsfall 2013, 274–276. 19 Vgl. Verg. Aen. 6,378–383; zu dieser Stelle als Beispiel für ein explizites Aition siehe oben Kap. 2.2. 20 Verg. Aen. 6,365 f.; zu den geographischen Schwierigkeiten dieser Lokalisierung vgl. Horsfall 2013, 291. 21 Vgl. Verg. Aen. 6,367–371. 22 Gell. 10,16,3–5.

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Die gängige Wahrnehmung von Anachronismen als Fehler

Hygin hat diese Kritik im Folgenden offenbar dadurch argumentativ abzusichern gesucht, dass er auf die Unterschiede zwischen dieser Stelle und den anderen Nennungen von Ortsnamen, die es zur Zeit der Handlung der Aeneis ebenfalls noch nicht gegeben hat, verwiesen hat:23 (6) ›neque simile‹ inquit ›illud videri debet, quod est in primo carmine: Italiam fato profugus Lavinaque venit litora24 (7) et aeque in sexto libro: Chalcidicaque levis tandem super astitit arce,25 (8) quoniam poetae ipsi quaedam κατὰ πρόληψιν historiae dicere ex sua persona concedi solet, quae facta ipse postea scire potuit, sicut Vergilius scivit de Lavinio oppido et de colonia Chalcidicensi. (9) sed Palinuros qui potuit‹ inquit ›scire ea, quae post annos sescentos facta sunt, nisi quis eum divinasse aput inferos putat proinde ut animae defunctorum solent? (10) sed et si ita accipias, quamquam non ita dicitur, Aeneas tamen, qui non divinabat, quo pacto potuit requirere portum Velinum, cui nomen tunc, sicut diximus, nullum usquam fuit?‹ (6) »Auch sollte man jene Stelle,« sagt er, »nicht als gleichen Fall ansehen, die sich zu Beginn des Gedichtes findet: ›Er [sc. Aeneas] kam als vom Schicksal Vertriebener nach Italien und zur Lavinischen Küste‹ (7) und ebenso diejenige im sechsten Buch: ›Schließlich landete er [sc. Daedalus] sanft auf der chalkidischen Feste [sc. in Cumae],‹ (8) da es dem Dichter selbst üblicherweise zugestanden wird, gewisse Dinge kraft einer Vorwegnahme der Geschichte in eigener Person zu sagen, von denen er selbst wissen kann, dass sie später geschehen werden, so wie Vergil von der Stadt Lavinium und von der Koloniegründung der Chalkidiker [sc. in Cumae] wusste. (9) Doch wie konnte Palinurus,« sagt er, »etwas wissen, das sechshundert Jahr später geschehen ist, wenn man nicht annehmen möchte, dass er in der Unterwelt zur Weissagung in der Lage war, in der Weise, wie es die Seelen Verstorbener zu tun pflegen. (10) Aber selbst wenn man das annimmt, obwohl es so nicht gesagt wird, wie sollte Aeneas, der doch nicht weissagen konnte, den Velinischen Hafen finden, dessen Namen es damals, wie wir schon gesagt haben, noch überhaupt nirgendwo gab.«

Solche vermeintlichen Verstöße circa historiam boten den sog. obtrectatores Vergilii sicherlich häufiger Gelegenheiten für ihre Kritik.26 Der scharfe Ton von ­Hygins Tadel (inscitissime) lässt sich aber vermutlich zusätzlich darauf zurückzuführen, dass zu seinen verlorenen Schriften eine historische Abhandlung zu den Städten Italiens und ihrer Geschichte gehört zu haben scheint.27 Doch auch von persönlichen Prägungen abgesehen, war die historisch falsche Verwendung von Ortsnamen etwas, an dem antike Philologen bei ihrer Kommentierung li 23 Gell. 10,16,6–10. 24 Verg. Aen. 1,2–3a. 25 Verg. Aen. 6,17. 26 Wie sich aus der Inhaltsangabe einer Verteidigungsschrift schließen lässt: vgl. Suet.Don. vita Vergilii 46: Asconius Pedianus libro, quem contra obtrectatores Vergilii scripsit, pauca admodum obiecta ei proponit, eaque circa historiam fere et quod pleraque ab Homero sumpsisset; mit Vallat 2013, 74 f., und Stachon 2021, 202 f. 27 Vgl. v.a. Serv. ad Aen. 7,678: … de Italicis etiam urbibus Hyginus plenissime scripsit, et Cato in originibus.

Der kritische Blick antiker Philologen auf Anachronismen

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terarischer Texte immer wieder Anstoß nahmen.28 Um die große Zahl einschlägiger Stellen in den Griff zu bekommen, hat man dabei nicht zuletzt auf das auch von Hygin angeführte Kriterium zurückgegriffen und zwischen einer Namensnennung durch den Dichter selbst und derjenigen durch die Figuren auf der Ebene der Handlung unterschieden. Während letzteres als fehlerhaft galt, wurde ersteres als legitime Verwendung von Vorwissen ex poetae persona angesehen und unter anderem – wie hier – als prolepsis oder mit der lateinischen Entsprechung als anticipatio bezeichnet.29 Servius verwendet in seinem an der Wende vom 4. zum 5. Jh. n. Chr. entstandenen Kommentar zu den Werken Vergils diese beiden Begriffe ebenfalls,30 spricht an anderen Stellen aber auch allgemeiner und weniger wertend davon, dass der Dichter miscet historiam,31 und erblickt darin offenbar kein Versehen, sondern eine bewusst eingesetzte Technik.32 Doch auch für Servius gilt das nur solange, wie es sich um vom Autor selbst getätigte Aussagen handelt, während er die Verwendung des gleichen Verfahrens für nicht statthaft hält, sobald dieser die Worte seinen Figuren in den Mund legt.33 Deutlich wird das erneut gerade im Zusammenhang mit der Nennung von Ortsnamen: Während Servius sowohl bei der Erwähnung Cajetas am Ende des 6. Buches34 – also sogar noch vor dem Tod von Aeneas’ Amme, der als Aition dient35 – als auch bei der Aufzählung Nomentums als Teil des italischen Truppenkatalogs im 7.  Buch36 explizit auf den Dichter als Sprecher verweist und den Vorgriff damit rechtfertigt, lehnt er die Anführung der später gegründeten Städte an der Südküste Siziliens als Teil 28 Zur Debatte um anachronistische Ortsnamen seit hellenistischer Zeit vgl. Rood/Atack/ Phillips 2020, 71–76. 29 Zu dieser Unterscheidung vgl. jetzt v.a. Feddern 2021, 119–125, und ferner ebd. 109: »In der griechischen und lateinischen Erzähltheorie werden Anachronien und Anachronismen nicht terminologisch voneinander unterschieden, sondern Anachronismen werden häufig mit dem Wortfeld der Prolepse bezeichnet.« 30 Er setzt sie allerdings zurückhaltender ein als die Philologen, deren Kommentare in den sog. Servius Auctus eingegangen sind; zu diesem markanten Unterschied im Umgang mit Anachronismen vgl. Stok 2016, 417–425. 31 Vgl. z.B. Serv. ad Aen. 6,69: tum Phoebo et Triviae ut solet miscet historiam: nam hoc templum in Palatio ab Augusto factum est; ausführlicher zur Stelle siehe unten Kap. 4.3. 32 Vgl. Vallat 2013, 75–77, und Stok 2016, v.a. 423: »Per Servio, il miscere historiam, … è un tratto costitutivo della strategia poetica virgiliana.«; sowie zu Servius’ Geschichtsverständnis ferner Delvigo 2013. 33 Vgl. v.a. Stok 2016, 424–430, sowie ferner z.B. Horsfall 1984, 153, und Cyron 2009, 28–32. 34 Vgl. Serv. ad Aen. 6,900: Ad Caietae portum a persona poetae prolepsis; nam Caieta nondum dicebatur; mit z.B. Stemplinger 1956, 105, und Rood/Atack/Phillips 2020, 72; ausführlicher zur Stelle siehe unten Kap. 4.3. 35 Vgl. Verg. Aen. 7,1–4; siehe oben Kap. 2.2. 36 Vgl. Serv. ad Aen. 7,712: qui Nomentum urbem hoc ex sua persona dicit poeta: nam adhuc civitas Nomentana non fuerat, ...; ausführlicher zur Stelle siehe unten Kap. 4.4.

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der Irrfahrten der Trojaner37 mit dem Hinweise darauf ab, dass dieser Bericht im 3. Buch als wörtliche Rede des Aeneas vor Dido präsentiert wird.38 In gleicher Weise missbilligt er daher auch die Worte, die Vergil Palinurus in den Mund gelegt hat, und macht dies wie schon Hygin vor allem an der Verwendung des Ortsnamens fest:39 sane sciendum Veliam tempore quo Aeneas ad Italiam venit, nondum fuisse. ergo anticipatio est, quae, ut supra diximus, si ex poetae persona fiat, tolerabilis est; si autem per alium, vitiosissima est, ut nunc de Palinuro ait; quamquam alii ad divinandi scientiam referant, quasi ab umbra dictum. Man muss freilich wissen, dass es Velia zu der Zeit, als Aeneas nach Italien kam, noch nicht gab. Es handelt sich also um eine Vorwegnahme, die, wie wir bereits gesagt haben, wenn sie von der Person des Dichters vorgenommen wird, erträglich ist; wenn sie aber durch jemand anderes erfolgt, überaus fehlerhaft ist, wie er es hier von Palinurus sagt; manche wollen es indes auf die Fähigkeit zur Weissagung zurückführen, als wäre es von einem Toten gesagt.

Auch wenn Servius also prinzipiell bereit ist, die Vermischung zweier Zeitebenen als Teil von Vergils poetischer Technik zu akzeptieren, zeigt sich auch bei ihm die Tendenz, Abweichungen von der Chronologie zunächst einmal als fehlerhafte Verstöße wahrzunehmen. Doch schon der Umstand, dass er dabei partiell andere Kriterien anlegt als frühere Kommentatoren, zeigt, dass die Grenze zwischen ›richtigen‹ und ›falschen‹ Formen hier offenbar doch nicht so einfach zu ziehen ist. Das Bild wird noch komplexer, wenn wir die von ihm wie auch schon von Hygin40 zurückgewiesene Deutung hinzunehmen, dass Palinurus legitimerweise von Velia spricht, weil Verstorbene nach antiker Vorstellung die Zukunft kennen können. Diese Sichtweise dürfte auch bei der Wahl von ­Anchises als Sprecher für die sog. Heldenschau eine Rolle gespielt haben und kann so eine gewisse Plausibilität für sich verbuchen. Auf jeden Fall kann die Diskussion dieses Details aber zeigen, dass die von den antiken Philologen entwickelte abstrakte Unterscheidung der Praxis der literarischen Werke mit ihren vielfältigen Differenzierungsmöglichkeiten gerade auch in Hinblick auf Figurenrede oder Fokalisierungseffekte keineswegs gerecht wird.41 Dennoch hat die Tendenz der antiken Kommentatoren, chronologische Abweichungen primär als Fehler wahrzunehmen, die Beschäftigung mit Texten wie der Aeneis auch in den folgenden Jahrhunderten stark geprägt. Das zeigt 37 Vgl. v.a. Verg. Aen. 3,699–706; ausführlicher zur Stelle siehe unten Kap. 4.2. 38 Vgl. Serv. ad Aen. 3,703: notandum sane Vergilium haec, quantum ad sua tempora spectat, dicere, non quantum ad operis; …: quod frequenter facit, sed nunc ideo vitiosum est, quia ex persona narratur Aeneae. 39 Serv. ad Aen. 6,359. 40 Vgl. Gell. 10,16,9; siehe oben. 41 Zu weiteren Unterschieden je nach Gattungen: vgl. z.B. Vell. 1,3,2–3 mit Rood/Atack/ Phillips 2020, 73.

Anachronismen in antiken Texten und ihre Wirkungspotentiale

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sich nicht nur an der Kritik, die an diesen Stellen in der frühen Neuzeit – beispielsweise von Gerhard Johannes Vossius, der 1647 in seinen Poeticarum institutionum libri tres ein ganzes Kapitel den von Dichtern begangenen Fehlern widmete42 und dabei auch auf die Städtenamen in der Aeneis einging43 – im gleichen tadelnden Ton wie im 19. Jh. geübt wurde,44 sondern nicht weniger an den Versuchen, diese unter Verweis auf dieselbe antike Terminologie zu rechtfertigen.45 Wenn man sich jedoch von der Vorstellung löst, dass Anachronismen zunächst einmal als Fehler aufzufassen sind, die nur in bestimmten Ausnahmen und durch interpretative Kunstgriffe legitimiert werden können, und sie vielmehr als regulären Teil von Vergils literarischer Technik versteht,46 lassen sich auch Passagen wie die hier besprochenen als bewusst hergestellte Montagen von Vergangenheit und Gegenwart ansehen. So lässt sich etwa die Einblendung Velias in den Worten des Palinurus auf eine Ebene mit der Verwendung eines zeitgenössischen Hintergrundes in der Historienmalerei stellen und auf ihre Wirkungen hin untersuchen. Bevor wir uns den einschlägigen Beispielen zuwenden,47 soll als letzter Zwischenschritt dem Einwand entgegengetreten werden, dass antike Leser gar nicht in der Lage waren, die hierfür notwendigen historischen Unterschiede zu erkennen.

3.2 Anachronismen in antiken Texten und ihre Wirkungspotentiale Die moderne Geschichtswissenschaft führt ihren eigenen Ursprung gerne auf einen Wandel des historischen Bewusstseins im Laufe der frühen Neuzeit zurück, als dessen Folge das Bild einer sich zyklisch wiederholenden Vergangenheit von einer Wahrnehmung abgelöst worden sei, die stärker die Brüche und Veränderungen auf dem Weg zur Gegenwart in den Blick nimmt.48 Erst vor diesem Hintergrund sei es dann überhaupt möglich geworden, Anachronismen zu bemerken und als solche zu benennen. Deren Aufspüren in den Quellen und ihr Vermeiden in den eigenen Werken wurde daher nicht zufällig zu

42 Vgl. Bloemendal 2010, 158–201 (= Buch I, cap. 3: de poetarum erroribus), v.a. 170–183 (= § 5). 43 Vgl. Bloemendal 2010, 172–175, v.a. 174: »Quomodo non scripsisset Maro, si scisset vel in mentem ei venissset ea oppida esse condita multo post tempora Troiana.« 44 Vgl. Georgii 1891, 294: »Die trefflich geschriebene Kritik des Hyginus möge man bei Gellius nachlesen; …« 45 Vgl. z.B. Rehm 1932, 85–87, der alle geographischen Anachronismen ex poetae persona gesprochen ansieht. 46 Für in diese Richtung weisende Einschätzungen vgl. z.B. Jacob 1839, 185–187, und 2 Norden 1916, 112 f. 47 Siehe unten Kap. 4. 48 Vgl. Koselleck 1979, v.a. 17–37.

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einem Markenzeichen des professionellen Historikers.49 Auch wenn in dieser Erzählung vor allem das angeblich schlichte Geschichtsbild des Mittelalters den Gegenpol bildet, wird die Antike doch häufig ebenfalls der Vormoderne zugeschlagen und ihr somit die Fähigkeit, historischen Wandel wahrzunehmen, generell abgesprochen.50 Wie wenig diese Einschätzung auf der inhaltlichen Ebene zutrifft, können die oben behandelten Beispiele aus der antiken Diskussion zu den verschiedenen Zeitstufen in der Aeneis bereits für sich genommen zeigen. Was die nominelle Ebene angeht, berufen sich Vertreter der Sichtweise, dass es sich bei Anachronismen um eine Erfindung der Neuzeit handelt, jedoch oft darauf, dass die Bezeichnung zwar antik klänge, aber erst eine moderne Prägung sei.51 Dieser Eindruck kann dadurch entstehen, dass der Ausdruck in der Antike nicht zum Allgemeingut geworden ist und daher keinen Eingang die gängigen Wörterbücher gefunden hat. Als terminus technicus kommt ἀναχρονισμός aber durchaus in Scholien zu Homer oder griechischen Tragikern vor und bezeichnet verschiedene Phänomene der Störung oder der Vertauschung der zeitlichen Abfolge, darunter auch das, was wir heute darunter verstehen.52 Ein gutes Beispiel hierfür bietet der Beginn der Trachinierinnen: Sophokles lässt dort mit Deianeira, der Gattin der Herakles, eine Figur aus der Zeit des Mythos festhalten, dass schon ein altes Sprichwort sage, niemand sei vor seinem Tode glücklich zu preisen.53 Das Scholion zu den ersten Versen dieses Stückes erkennt darin eine Anspielung auf den berühmten Ausspruch, den Solon aber erst in der Mitte des 6. Jh. v. Chr. vor König Krösus getätigt haben soll,54 und konstatiert daher einen Anachronismus.55 Der griechische Begriff kann also vermutlich bereits seit hellenistischer Zeit als Teil der antiken Wissenschaftssprache gelten, bildet aber neben anderen Ausdrücken – wie etwa πρόληψις oder anticipatio – nur eine Möglichkeit, mit der diese Phänomene benannt werden können.56 49 Zur Methodendiskussion in der modernen Geschichtswissenschaft vgl. v.a. Rancière 1996; Spoerhase 2004; Landwehr 2013 und den Überblick bei Rood/Atack/Phillips 2020, 27–30. 50 Für ein plakatives Beispiel vgl. Schiffman 2011, v.a. 144–147; für eine kritische Einordnung dieser Sichtweise vgl. Rood/Atack/Phillips 2020, 33–57, und Geitner 2021, 20–27 (jeweils mit weiteren Angaben). 51 Vgl. z.B. Schmidt-Biggemann 2003, 25 f., und Landwehr 2013, 11–13 (mit weiteren Angaben). 52 Vgl. z.B. Easterling 1985; Nünlist 2009, 118 f. und 228 f.; Rood/Atack/Phillips 2020, 9–31, und Geitner 2021, 10–12. 53 Vgl. Soph. Trach. 1–3: λόγος μέν ἐστ᾽ ἀρχαῖος ἀνθρώπων φανείς, // ὡς οὐκ ἂν αἰῶν᾽ ἐκμάθοις βροτῶν, πρὶν ἂν // θάνῃ τις, οὔτ᾽ εἰ χρηστὸς οὔτ᾽ εἴ τῳ κακός. 54 Vgl. v.a. Herodot 1,30–32. 55 Vgl. Schol. Soph. Trach. 1: ὁ τρόπος ἀναχρονισμός· μεταγενέστερος γὰρ ὁ Σόλων; mit Stemplinger 1956, 104; Junghanß/Kaiser/Pausch 2019a, 7  f.; Rood/Atack/Phillips 2020, 13, und Geitner 2021, 59–61. 56 Vgl. Rood/Atack/Phillips 2020, 62–65.

Anachronismen in antiken Texten und ihre Wirkungspotentiale

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Letztlich ist die Frage, welcher terminus technicus hierfür in der Fachliteratur verwendet wurde, aber von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass wenig plausibel erscheint, der Antike in ihrer Gesamtheit die Möglichkeit, Abweichungen von der erwarteten Chronologie als bewusst eingesetzte literarische Technik wahrzunehmen, abzusprechen.57 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass es im Lauf der vielen Jahrhunderte, die mit dieser Epochenbezeichnung zusammengefasst werden, große Unterschiede nicht nur hinsichtlich des historischen Wissens, sondern auch des Geschichtsverständnisses gegeben hat. Eine weitere wichtige Einschränkung ergibt sich daraus, dass wir, wenn wir über mögliche Interpretationen von Literatur durch antike Leser nachdenken, ohnehin nur einen recht kleinen Teil der jeweiligen Gesellschaft in den Blick nehmen. Im Lichte dieser beiden Relativierungen lässt sich aber doch zumindest für bestimmte Abschnitte der antiken Geschichte von einer hinreichend großen Leserschaft ausgehen, die als Zielpublikum für den bewussten Einsatz einer solchen literarischen Technik in Frage kam. Neben den eben schon erwähnten Tragödien bietet die griechische Literatur seit klassischer Zeit zahlreiche Beispiele für solche Zugänge, die im Hellenismus mit seinem ausgeprägten Interesse an aitiologischen Erzählungen noch einmal eine Steigerung erfahren haben dürften.58 In Rom waren es zunächst vor allem das historische Epos59 und die Geschichtsschreibung, in denen Vorstellungen von der Vergangenheit entwickelt und immer wieder mit der eigenen Gegenwart in Bezug gesetzt werden.60 Mit der Krise der Republik und dem Übergang zum Prinzipat setzt ab der Mitte des 1. Jh. v. Chr. generell ein intensiveres Nachdenken über die eigene Geschichte ein.61 Dabei spielt nicht zuletzt die Wahrnehmung von historischem Wandel und die Frage, ob es trotz der offenkundigen Brüche auch Kontinuitäten geben kann, eine entscheidende Rolle.62 Die aktuelle Relevanz solcher Diskussionen und der mit ihnen einhergehende erhöhte Grad an historischer Reflexion können nicht nur gut erklären, warum anachronistische Elemente in der Literatur der ›augusteischen‹ Zeit in so großer Zahl vor-

57 Vgl. z.B. Stemplinger 1956; Easterling 1985; Junghanß/Kaiser/Pausch 2019a; Bing 2020; Rood/Atack/Phillips 2020, v.a. 58–85, und Geitner 2021, v.a. 12–27. 58 Vgl. z.B. Easterling 1985; Bing 2020 und Rood/Atack/Phillips 2020. 59 Zur Entwicklung in der Republik vgl. Häußler 1976. 60 Zum Gegenwartsbezug der Geschichtsschreibung vgl. v.a. Poucet 2000 und Walter 2004, 212–356. 61 Vgl. hierzu jetzt allg. Biesinger 2016, v.a. 355–380, und Steffensen 2018, v.a. 25–40. 62 Das zeigt sich nicht zuletzt in der intensiven Diskussion verschiedener Modelle der Kulturentstehung und der Abfolge von Zeitaltern der Menschheitsentwicklung durch die Zeitgenossen, vgl. z.B. Steffensen 2018, 60–68.

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Die gängige Wahrnehmung von Anachronismen als Fehler

kommen,63 sondern machen es auch wahrscheinlich, dass ihre primären Leser dafür in besonderer Weise empfänglich waren. Man kann also davon ausgehen, dass Anachronismen in bestimmten Epochen der Antike ganz ähnlich wie heutzutage als Abweichung von einer gültigen Chronologie oder einem etablierten Geschichtsbild erkannt werden konnten. Auch wenn die erhaltenen expliziten Zeugnisse vor allem aus der Kommentarliteratur stammen und daher ihren Charakter als fehlerhafte Verstöße betonen, spricht doch wenig dafür, den antiken Lesern insgesamt eine so einseitige Perspektive auf das Phänomen zu unterstellen. Im Gegenteil legt die breite und vielfältige Verwendung durch antike Autoren die Vermutung nahe, dass mit ihnen mehr oder weniger die gleichen Wirkungen verbunden waren wie in unserer Zeit. Diese genauer zu bestimmen, erweist sich allerdings schon deswegen als nicht ganz leicht, weil in dieser Frage auch heutzutage keine Einigkeit herrscht.64 Das gleiche Verfahren der Abweichung von der erwarteten Chronologie kann sowohl als Element der Komik wie auch als didaktisches Instrument im Sinne eines erläuternden Gegenwartbezuges oder aber als ein intentionaler Effekt der Störung empfunden werden. Um diese prinzipielle Offenheit zu betonen und der gängigen Wahrnehmung als Fehler entgegenzuwirken, soll im Folgenden neben dem etablierten Begriff des Anachronismus von Zeitmontagen die Rede sein, in Anlehnung an eine von Georges Didi-Huberman entwickelte Metapher mit einem bewusst technisch-handwerklichen Fokus.65 Aus dem breiten Spektrum möglicher Reaktionen antiker Leser auf diese Phänomene66 dürften sich für Vergils Aeneis allerdings nicht alle in gleicher Weise als plausibel erweisen. Angesichts der in den expliziten Bezügen zwischen Geschichte und Gegenwart angebotenen Deutungen67 scheint ein Beitrag zur Ironisierung oder Parodie der Handlung jedenfalls nicht nahezuliegen, wenn sie auch individuell nicht ausgeschlossen werden kann.68 Vielmehr bieten sich 63 Zu Ovids Metamorphosen als einem besonders ergiebigen Beispiel vgl. jetzt v.a. Geitner 2021 sowie ferner z.B. Ebert 1888; Solodow 1988, 74–89; Wheeler 1999, 194–205; von Albrecht 2000 und Geitner 2019. 64 Für unterschiedliche Reaktionen vgl. z.B. Barnes/Barnes 1989 und Lay Brander 2011, 22–26. 65 Vgl. Didi-Huberman 2000, v.a. 16, und ferner zu diesem Begriff Junghanß/Kaiser/ Pausch 2019a, 10 f. 66 Vgl. z.B. Bing 2020, v.a. 108–110, sowie für Fallstudien die Beiträge in Junghanß/­ Kaiser/Pausch 2019. 67 Siehe oben Kap. 2. 68 Für Überlegungen in diese Richtung vgl. Dupont 2013, v.a. 123–133, v.a. 125: »Das Italien der Aeneis ist eine Art Patchwork, in dem das Rom der augusteischen Zeit mit der homerischen Welt ebenso vermischt wird wie mit Vorstellungen darüber, wie das Leben in grauer Vorzeit ausgesehen haben könnte. Dieses Durcheinander provoziert den Zweifel am seriösen Charakter des Werkes und damit eine geradezu respektlose Reaktion seitens des Lesers: Ist die Aeneis etwa eine Art Leben des Brian?«

Anachronismen in antiken Texten und ihre Wirkungspotentiale

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Lesarten an, die entweder den veranschaulichenden Charakter oder das Irritationspotential betonen.69 Was auf den ersten Blick wie Gegensätze wirkt, kann sich gegenseitig bedingen und verstärken: Die durch das Bemerken einer Zeitmontage ausgelöste Störung im Lesefluss kann sowohl den ästhetischen Reiz erhöhen als auch, wenn die historische Anspielung erkannt und das Rätsel gelöst wurde, der Visualisierung und damit der Verstärkung der jeweiligen Aussage dienen. Genau dieser abstrakt beschriebene Effekt lässt sich beispielsweise für eine Stelle wie diejenige geltend machen, die von antiken Philologen als Fehler kritisiert wurde: Indem Vergil Palinurus anachronistisch von Velia sprechen lässt, hat er – in diesem Fall empirisch nachweisbar – antike Leser irritiert. Löst man sich jedoch von dem engen Überlieferungskontext dieser Beobachtung als Teil antiker Kommentartradition und stellt sie stattdessen in den Zusammenhang des Spiels mit zwei Zeitebenen in der Aeneis, zeigt sich, dass mit dem Einblenden von Velia als aktueller Szenerie das vergangene Geschehen auf der Ebene der epischen Handlung unmittelbar auf die Zeit des Lesers bezogen und im Sinne eines tua res agitur augenfällig gemacht wird. Das gilt in analoger Weise auch für die anderen Stellen, an denen Aeneas und die anderen Figuren der heroischen Zeit gleichsam vor einem zeitgenössischen Bühnenbild agieren. Diesen wollen wir uns im folgenden Abschnitt zuwenden, bevor wir uns danach – um im gleichen Bild zu bleiben – ihren Kostümen und Requisiten zuwenden wollen.70

69 Diese Wirkungen lassen sich auch die vielen anachronistischen Elemente in den Illustrationen des Vergilius Vaticanus annehmen: Der um 400  n.  Chr. entstandene und mit 50 Abbildungen von verschiedenen Händen versehene Kodex (vgl. Wright 1993) stellt daher sowohl ein faszinierendes Zeugnis für die Wahrnehmung mehrerer Zeitebenen in der Aeneis dar wie auch für die Vervielfältigung dieses Effekts im Zuge der Rezeption. 70 Siehe unten Kap. 5; zum Sonderfall der Gleichnisse siehe unten Kap. 6.

4. Anachronistische Zeitmontagen I: Die Schilderung der Szenerie

4.1 Karthagos Panorama und die Prachtbauten Didos Die Teile der Aeneis, die in dem von Dido gerade gegründeten Karthago spielen, also vor allem das 1. und 4. Buch, gehören heute nicht nur zu den meistgelesenen Passagen des gesamten Epos, sondern haben auch die größte Wirkung in der literarischen, künstlerischen und musikalischen Rezeption entfaltet.1 Vielleicht ist einer der Gründe für diese Beliebtheit auch in ihrem vielfältig anachronistischen Charakter zu suchen, der Rezipienten wohl in besonderer Weise dazu einlädt, Aktualisierungen der Handlung mit Blick auf ihre eigene Zeit vorzunehmen.2 Zunächst einmal stellt der Aufenthalt der trojanischen Flüchtlinge in Karthago als solcher einen Anachronismus dar, der allerdings bereits vor Vergil in die literarische Tradition eingeführt worden war.3 Haben antike Gelehrte doch für den Untergang Trojas – wie für die meisten Ereignisse des Mythos – zwar unterschiedliche Datierungen diskutiert, sich damit aber meist im 12. oder 13. Jh. v. Chr.4 bewegt, während die Anlage dieser phönizischen Kolonie an der afrikanischen Küste damals – wie auch heute – mehrheitlich erst für das 9. oder 8. Jh. v. Chr. angesetzt wurde.5 Die erhebliche Diskrepanz ist von Lesern in der Antike6 ebenso wie in späteren Epochen bemerkt und unter anderem als Hin 1 Für einen Überblick vgl. z.B. die Beiträge in Binder/Andrae 2000 sowie den Überblick bei Theisohn 2008. 2 Zum Zusammenhang von anachronistischen Zeitmontagen und Aktualisierungspotentialen siehe unten Kap. 7. 3 Nach Ausweis der Fragmente enthielt schon Naevius’ bellum Punicum diese Episode vermutlich in der Form eines aitiologischen Exkurses: vgl. z.B. Buchheit 1963, 23–53; Giusti 2018, 214–225, und Binder 2019, I 90–92. 4 Vgl. z.B. Ephoros FGrH 70 F 223 (1135  v.  Chr.); Eratosthenes FGrH 241 F 1 (1184/83 v. Chr.); Timaios FGrH 566 F 80 und 125 (1194/93 v. Chr.) und Herodot 2,145 (um 1230 v. Chr.). 5 Vgl. z.B. Timaios FGrH 566 F 60 (814/13 v. Chr.); Vell. 1,12,5 (812 v. Chr.); Iust. 18,6,9 (825 v. Chr.); aber auch Philistos FGrH 556 F 47 (1215 v. Chr.) und App. 8,1 (50 Jahre vor dem Untergang Trojas). 6 Vgl. z.B. Serv. ad Aen. 1,267: sic autem omnia contra hanc historiam ficta sunt, ut illud ubi dicitur Aeneas vidisse Carthaginem, cum eam constet LXX annos urbis Romae conditam. inter excidium vero Troiae et ortum urbis Romae anni inveniuntur CCCXL und Macr. Sat. 5,17,5: fabula lascivientis Didonis, quam falsam novit universitas mit z.B. Stok 2016, 430–434; Giusti 2018, 170–176, v.a. 173 f., und Singer 2020, 185 Anm. 801.

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Anachronistische Zeitmontagen I: Die Schilderung der Szenerie

weis auf die Fiktionalität der geschilderten Episode wahrgenommen worden.7 Dass sich auch Vergil dieses Zeitsprungs sehr wohl bewusst war, sieht man nicht zuletzt daran, dass er in den historischen Durchblicken die Lücke von mehr als dreihundert Jahren, die sich von der Lebenszeit des Aeneas bis zur Gründung Roms in der Mitte des 8. Jh. v. Chr. ergibt, mit dem Einfügen einer entsprechenden Liste der Könige von Alba Longa überbrückt.8 Mit dieser chronologischen Verschiebung, deren Diskussion leicht pedantische Züge trägt, geht aber zugleich eine anachronistische Angleichung auf der Ebene der Handlung einher. Wird die Begegnung zwischen Aeneas und Dido dem römischen Leser doch über weite Strecken als eine ›moderne‹ Liebesgeschichte präsentiert, die unter anderem auf die Motive und Konventionen der zeitgenössischen erotischen Elegie zurückgreift9 und dazu beiträgt, aus der Aeneis ein Epos auf der Höhe der literarischen Entwicklungen seiner Zeit zu machen.10 Der daraus resultierende Kontrast zwischen dem geschichtlichen Kontext der Protagonisten sowie ihren Gefühlen und Handlungen wird zwar gelegentlich als unangemessen kritisiert, lässt sich aber als allgemeines Charakteristikum von Literatur, die historische Stoffe behandelt, verstehen, wie die Bemerkung Goethes gut zeigen kann, mit der er Manzonis Tragödie L’Adelchi von 1822 verteidigte, die zur Zeit der Langobarden spielte, aber genau in diesen Punkten als zu modern empfunden wurde:11 »Wir sprechen zu seiner Rechtfertigung das vielleicht paradox scheinende Wort aus, daß alle Poesie eigentlich in Anachronismen verkehre; alle Vergangenheit, die wir heraufrufen, um sie nach unsrer Weise den Mitlebenden vorzutragen, muß eine höhere Bildung, als es hatte, dem Altertümlichen zugestehen; der Poet mag hierüber mit seinem Gewissen übereinkommen; der Leser aber muß gefällig durch die Finger blicken. Die Ilias wie die Odyssee, die sämtlichen Tragiker und was uns von wahrer Poesie übrig geblieben ist, lebt und athmet nur in Anachronismen.«

Wir wollen uns im Folgenden jedoch weder mit der Datierung des Zwischenstopps der Trojaner in Karthago als solchem noch damit beschäftigen, wie zeitgenössisch das Fühlen und Agieren der Protagonisten präsentiert wird, sondern mit einem weiteren Bereich, in dem die Handlung sich als anachronistisch er 7 Zur Debatte in der Neuzeit vgl. Rood/Atack/Phillips 2020, 87–92; für eine Deutung dieser anachronistischen Episode als wichtigem Wegbereiter des konterfaktischen Erzählens vgl. Lavocat 2020. 8 Vgl. v.a. Verg. Aen. 1,267–274 und 6,756–776 sowie ferner Liv. 1,3,6–10 mit z.B. Binder 2019, II 611–165. 9 Vgl. z.B. Hübner 1968; Cairns 1989, 129–150; Holzberg 2006, 150–154, und Harrison 2007, 207–240. 10 Vgl. z.B. Giusti 2018, v.a. 127–135; Binder 2019, I 87–90, und Fratantuono/Smith 2022, 3–38. 11 Vgl. Bohnenkamp 1999, 806, mit Rood/Atack/Phillips 2020, 26; Bing 2020, 108 f., und Geitner 2021, 82.

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weist: Es soll um diejenigen Stellen gehen, an denen hinter dem Geschehen, das an der nordafrikanischen Küste und in einer prähistorischen Epoche spielt, bereits die römische Gegenwart Vergils und seiner Leser in der Mitte des 1. Jh. v. Chr. sichtbar wird.12 Wir beginnen mit einer vielbehandelten Passage, in der man die zeitgenössische Folie zwar schon länger erkannt hat, jedoch zumeist ohne die hier besonders deutlich zutage tretende Technik als eine für die Aeneis im Ganzen charakteristische Technik zu verstehen. Der von Juno entfesselte Seesturm, mit dem die Wiedergabe der Handlung im Epos beginnt,13 trifft die trojanische Flotte hart und zwingt die verbliebenen Schiffe zu einer Notlandung an der afrikanischen Küste.14 Nachdem Aeneas von seiner göttlichen Mutter Venus erfahren hat, dass sie sich in der Nähe ­Karthagos befinden,15 begibt er sich zusammen mit dem treuen Achates auf eine Erkundungstour. Zu diesem Zweck erklimmen sie einen Hügel,16 der ihnen den Blick von oben17 auf eine Stadt gewährt, an deren Aufbau gerade emsig gearbeitet wird.18 Dieser Aspekt passt gut zu ihrem Namen, wusste man doch auch in Rom, dass Karthago auf Phönizisch (Qart hadašt) »Neustadt« bedeutet,19 unterscheidet die folgende Beschreibung aber zugleich von der Beschreibung der Stadt der Phäaken im 7.  Buch der Odyssee20 oder der Stadt des Aietes im 3.  Buch der Argonautica des Apollonios,21 die zu Recht als wichtige Vorbilder gelten.22 12 Zur allegorischen Gleichsetzung auf der Ebene der Figuren und der Identifikation Didos u.a. mit Kleopatra vgl. Giusti 2018, 8–17, v.a. 16: »… but sooner or later there always comes the feeling that these Carthaginians in the epic and historical fictions are not strictly Carthaginians but rather Romans dressed up as Carthaginians.« 13 Vgl. Verg. Aen. 1,34–156; zur anachronistischen Zeitmontage in der Rede des Aeneas siehe unten Kap. 5.1. 14 Die Beschreibung ihres Landeplatzes wurde in der Antike als Anspielung auf den Hafen von Carthago Nova verstanden, auch wenn Servius diese Deutung nicht favorisiert: vgl. Serv. ad Aen. 1,159 mit Shi/Morgan 2015; zu den in Afrika spielenden Teilen der Handlung der Aeneis vgl. jetzt allg. Hesekamp-Gieselmann 2021, 33–130. 15 Vgl. Verg. Aen. 1,297–417. 16 Für Versuche einer konkreten Lokalisierung vgl. z.B. Reeker 1971, 31–38; Sirago 1994 und Witek 2006, 26 f. 17 Zur Verwendung der Blicke von Bergen als narrative Technik in der antiken Literatur allg. de Jong 2018. 18 Vgl. Verg. Aen. 1,418–420: corripuere viam interea, qua semita monstrat, // iamque ascendebant collem, qui plurimus urbi // imminet, adversasque aspectat desuper arces; zur Erzeugung einer bedrohlichen Atmosphäre als Vorwegnahme der künftigen Feindschaft mit Rom vgl. Kraggerud 1963, 32–34, und dag. Buchheit 1964, 429 f. 19 Vgl. z.B. Serv. ad Aen. 1,366: Carthago est lingua Poenorum nova civitas, ut docet Livius; sowie ferner Reed 2007, 129 f.; Wulfram 2009, 43 Anm. 80; Giusti 2018, 100, und Singer 2020, 240. 20 Vgl. Hom. Od. 7,43–45 mit Daspet 1986, 81–86; Schmit–Neuerburg 1999, 100 f., und Polleichtner 2009, 146–150. 21 Vgl. Apoll. Rhod. 3,210–234 mit z.B. Nelis 2001, 79 f., und Nelis 2015, 30. 22 Allgemein zur Bedeutung der Beschreibung von Städten in der antiken Epik vgl. Behm 2019 und Behm 2022.

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Eine weitere Differenz besteht allerdings darin, dass an unserer Stelle nicht nur dadurch auf die Zukunft verwiesen wird, dass wir einer Stadt beim Entstehen zusehen, sondern auch dadurch, dass in dieser Schilderung eine ganze Reihe von Einzelheiten genannt werden, die weder in das 12. Jh. noch in das 8. Jh. v. Chr. passen, sondern einer deutlich späteren Zeit angehören:23 miratur molem Aeneas, magalia quondam, miratur portas strepitumque et strata viarum. instant ardentes Tyrii: pars ducere muros molirique arcem et manibus subvolvere saxa, pars optare locum tecto et concludere sulco.[425] iura magistratusque legunt sanctumque senatum. hic portus alii effodiunt, hic alta theatri fundamenta locant alii immanisque columnas rupibus excidunt, scaenis decora alta futuris. Aeneas staunt über die gewaltigen Bauten, wo einst einfache Lehmhütten standen, er staunt über Stadttore, lautes Gewimmel und gepflasterte Straßen. Mit Feuereifer gehen die Karthager ans Werk: Die einen errichten Mauern, befestigen die Burg und wälzen Felsen mit ihren Händen, die anderen suchen einen Platz für ihr Haus und ziehen eine Furche ringsum.  [425] Man wählt (Orte aus für) die Gerichte, die Magistrate und den heiligen Senat. Hier heben die einen den Hafen aus, dort legen die anderen die tiefen Fundamente des Theaters an und brechen riesige Säulen aus den Felsen heraus, hochragende Schmuckstücke für das zukünftige Bühnengebäude.

Es ist vor allem das prominent ans Ende der ganzen Beschreibung gerückte Theater mit seinem säulenverzierten Bühnengebäude,24 einer typisch römischen scaenae frons,25 das den Leser auf die zweite Folie aufmerksam machen und ihn für den Fall, dass diese ihm bisher entgangen ist, zu einer Re-Lektüre animieren soll.26 Begibt man sich in diesem Abschnitt auf die Suche nach Elementen, die eher an die eigene Gegenwart als an die Zeit des Mythos erinnern, dürften hierzu auch auf den ersten Blick unauffällige Aspekte wie die strata viarum

23 Verg. Aen. 1,421–429 mit z.B. Austin 1971, 146–149; Daspet 1986; Wulfram 2009, 16–25; Nelis 2015, 29–32; Goldschmidt 2017, 373–379; Binder 2019, II 58–60; Singer 2020, 242–250, und Reitz-Joosse 2022, 125–129. 24 Vgl. z.B. Georgii 1891, 81: »Welche Unwahrscheinlichkeit, welcher Anachronismus!« 25 Vgl. Sandbach 1990 [1965/66], 452: »Virgil’s contemporaries must have known as we do that the great wall behind the stage, the scaenae frons treated as an elaborate architectural façade, was a recent invention then being developed in the Roman West.« 26 Zur Deutung des Theaters als Vorverweis auf die tragische Handlung vgl. Kraggerud 1963, 34; Polleichtner 2013, 151–153, und Farrell 2021, 171 f.; als Referenz auf seine literarischen Vorbilder Goldschmidt 2017, 377 f.

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(v. 422) gehören, wenn man sich darunter die gepflasterten Straßen einer zeitgenössischen Metropole vorstellt.27 Als besonders auffällig erweist sich aber die Nennung verschiedener gesellschaftlichen Institutionen – Gerichte, Magistrate, Senat – in Vers 426. Das inhaltliche Problem, dass Aeneas wohl kaum zufällig Zeuge einer gleichzeitigen Konstitution von allen drei Gremien geworden ist, lässt sich leicht lösen, indem man das Verb legere nicht als ›wählen‹, sondern im Sinne eines simplex pro composito als ›auswählen‹ versteht und auf die Standorte für die jeweiligen Gebäude bezieht, wie es schon von Servius vorgeschlagen wurde.28 Aber auch dann bleibt der Anstoß bestehen, dass es sich bei diesen Institutionen historisch gesehen um Formen der Ausdifferenzierung handelt, die man in der Gesellschaft der heroischen Epoche nicht erwartet, wie schlaglichtartig der Umstand verdeutlichen kann, dass Odysseus bei seiner Besichtigung der Stadt der Phäaken lediglich die ἡρώων ἀγοραί als Ort der Versammlung der wehrfähigen Männer bewundert.29 Dennoch sollte man nicht zur Athetese des Verses greifen, um das vermeintliche Problem zu beseitigen, wie es trotz einhelliger Überlieferung in der Vergangenheit verschiedentlich vorgenommen30 und auch von Gian Biagio Conte in der zweiten Auflage seiner Teubneriana von 2019 favorisiert wurde,31 sondern im Gegenteil das Irritationspotential dieses Verses wie auch der gesamten Passage als Paradebeispiel für die ästhetische Wirkung anachronistischer Zeitmontagen verstehen. Die Nennung des Theaters und der gesellschaftlichen Institutionen bewirkt beim Leser jedoch nicht nur eine Verschiebung der zeitlichen, sondern auch der kulturellen Wahrnehmung. Beides ließe sich auch gut mit einer griechischen Stadt in Verbindung bringen, wie Servius es für das Theater explizit vorschlägt.32 Man könnte noch zusätzlich darauf verweisen, dass wir Karthago hier mit den Augen des Aeneas sehen und daher einen dezidiert griechisch-trojani 27 Dass auch antike Leser hieran Anstoß nehmen konnten, wird durch Servius’ Erklärung nahegelegt (Serv. ad Aen. 1,422: primi enim Poeni vias lapidibus stravisse dicuntur; ferner Sandbach 1990 [1965/66], 453: »No doubt early towns have paved streets, but strata viarum will suggest to the Roman familiar kind of thoroughfare; ...«). 28 Vgl. Serv. ad Aen. 1,426: legunt eligunt. iura id est loca ubi iura dicantur aut magistratus creentur. 29 Vgl. Hom. Od. 7,44 mit Garvie 2000, 171, der die Mehrzahl als poetischen Plural versteht. 30 Vgl. die Übersicht bei Stégen 1975, 194  f., sowie ferner Georgii 1891, 81: »Übrigens braucht der Vers nicht verworfen zu werden, es ist einfach ein tibicen, der vielleicht vom Dichter nur auf den Rand gesetzt war für geeignete Ausführung.« 31 Vgl. Conte 2019, 16: »426 post Heyne secl. ed. Parm 1973, post 368 transp. Campbell; uersum defendunt ii qui breviloquentem poetam sic intellegunt: ‘spatia definiunt ubi iudicia et munera publica administranda sint’.« 32 Vgl. Serv. ad Aen. 1,427: bene autem post res publicas privatasque necessarias mentionem fecit theatri; aut quia ita Graecis urbs conditur, qui saepe spectaculis gaudent, aut, ut apud quosdam fuit, in honorem musicae scientiae.

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schen Blick auf eine phönizische Stadt werfen, so dass kulturelle Missverständnisse bewusst herbeigeführt und Teil der narrativen Technik sein können.33 Im Lichte der Gesamtanlage der Aeneis spricht aber einiges dafür, die hier vorgenommene Fokalisierung bereits als einen römischen Blick zu verstehen, zumal der Protagonist, nachdem die Karthager in ihrem Arbeitseifer zuvor mit einem Bienenvolk verglichen werden,34 abschließend die Verbindung zu der eigenen Stadtgründung mit dem berühmten Ausruf ›o fortunati, quorum iam moenia surgunt!‹ sogar selbst herstellt.35 Die explizite Bezugnahme auf die Siedlungspläne der Trojaner in Italien, aus denen dann Rom hervorgehen wird, legt es daher nahe, dass die Hauptstadt selbst hier als zweite Folie fungiert und nicht in erster Linie die auf den Ruinen des zerstörten Karthago angelegte römische Kolonie Iulia Concordia.36 Für die Identifikation mit dieser von Caesar geplanten und von Octavian ab 29 v. Chr. energisch vorangetriebenen Neugründung37 spricht neben der Erwähnung einiger für römische Provinzstädte typischer Gebäude38 vor allem die rege Bautätigkeit. Doch auch Rom selbst glich zwischen 29 und 19 v. Chr., also genau in den Jahren, in denen die Aeneis entsteht, einer Großbaustelle und wurde auf Initiative des princeps hin nicht zuletzt mit genau solchen politischen und kulturellen Repräsentationsbauten modernisiert, wie sie hier genannt werden.39 Da auf diese architektonische Umgestaltung der urbs nicht nur bei Vergil, sondern allgemein in der Literatur aus der Zeit vielfach Bezug genommen wird,40 bietet es sich an, auch hier das zeitgenössische Rom auf der Folie des prähistorischen Karthagos zu erkennen.41 33 Vgl. z.B. Wulfram 2009, 17–23, sowie allg. zur inhaltlichen Perspektivierung in antiken Texten Pausch 2019. 34 Vgl. Verg. Aen. 1,430–436 mit Berrens 2018, 245–251. 35 Vgl. Verg. Aen. 1,437 mit z.B. Glei 1991, 127–129, und Nelis 2015, 30 f.; zum folgenden Vers siehe unten S. 54. 36 Vgl. dag. für einen Bezug auf die Koloniegründung z.B. Carcopino 1919, 751; Deman 1962; Harrison 1984, v.a. 101 f.; Franchi 1995, 99 f.; Ciocârlie 2008, 550 f.; Wulfram 2009, 23; Modrow 2017, 269–279; Giusti 2018, 131 f. und 200; Behm 2019, 281–283, und Singer 2020, 242–250. 37 Zur Koloniegründung vgl. z.B. Rakob 2000; Modrow 2017, 221–245; Ambler 2018 und Singer 2020, 4 f. 38 Vor allem das prominent erwähnte Theater bietet sich hier an; doch legt der archäologische Befund nahe, dass Karthago seines nicht vor dem späten 1. Jh. n. Chr. erhalten hat: vgl. Niemeyer 1993, 48 f., und Rakob 2000, 75. 39 Zum Bauprogramm vgl. z.B. Zanker 1987, v.a. 157–161; Favro 1996; Haselberger 2007 und Hölscher 2017. 40 Zu den literarischen Reflexen in den Werken Vergils vgl. z.B. Morwood 1991; ­Harrison 2006; Whitethorne 2006; Rebeggiani 2013; Nelis 2015; Phillips 2015 und Binder 2019, I 268– 276 (mit weiteren Angaben). 41 Zur Spiegelung in der Beschreibung Karthagos vgl. z.B. Zanker 1987, 158; Morwood 1991, 218 f.; Whitehorne 2006, 234 f.; Reed 2007, 87 f., und Phillips 2015.

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Vor einem solchen Hintergrund ließe sich das ausführlich beschriebene Theater beispielsweise ganz konkret mit jenem Bauwerk im Zentrum Roms verbinden, das Augustus nach dem frühen Tod seines als Nachfolger vorgesehenen Neffen und Schwiegersohns M. Claudius Marcellus zwischen 23 bis 13 v. Chr. zu dessen Ehren fertigstellen und benennen ließ.42 Diese Assoziation bietet sich auch deswegen an, weil das Marcellus-Theater nicht zuletzt für die spektakulären und historisch bedeutsamen Säulen seiner scaenae frons bekannt war.43 Daneben sind es vor allem diejenigen Einrichtungen, die in dem inhaltlich wie auch chronologisch zunächst scheinbar störenden Vers 426 genannt werden (iura magistratusque legunt sanctumque senatum), die sich für eine solche Lesart in besonderer Weise anbieten. Waren in Rom doch in den letzten Jahren gerade für diese Institutionen neue und prachtvolle Gebäude errichtet worden.44 So hatte der princeps 29 v. Chr., also genau in dem Jahr, in dem Vergil vermutlich mit der Abfassung der Aeneis begonnen hat, sowohl den Tempel des Divus Iulius auf dem Forum, der dank der vorgelagerten Rednertribüne unter anderem für Gerichtsverhandlungen (iura) genutzt werden konnte,45 als auch die curia Iulia als neues Tagungslokal des Senates46 eingeweiht. Nimmt man noch die 26 v. Chr. von Agrippa errichteten saepta Iulia als Versammlungsort für die Wahlen der Magistrate durch die comitia centuriata hinzu,47 finden alle drei in Karthago noch geplanten Gebäude ihre Entsprechung in aktuellen und sicherlich vielbeachteten Repräsentationsbauten des augusteischen Roms.48 Dass solche Bezüge hier nicht explizit gemacht werden, unterscheidet diese Beschreibung von der Darstellungsweise in den großen historischen Durchblicken oder bei der Führung Euanders durch Protorom.49 Aber auch in einem 42 Vgl. R. Gest. div. Aug. 21 (Ehrung für Marcellus); Cass. Dio 53,30,5–6 (Baubeginn nach dessen Tod) und 54,26,1 (Einweihung 13 v. Chr.) mit Haselberger 2007, 137 f. 43 Vgl. Asc. in Scaur. 45 mit Zanker 1987, 142: »Die besonders hohen und kostbaren Säulen hatte Scaurus einst eigens aus Griechenland herbeigeschafft, um sie als Aedil im Jahre 58  v.  Chr. in der mit Kunstwerken überfüllten Bühnenfront seines berühmt gewordenen ephemeren Holztheaters als Wahlwerbung zur Schau zu stellen (Plin. n.h. 17,5-6; 36,6). Dann aber hatte er sie in seinem Palast verbaut. Auch hier ließ der Princeps einen Teil des Gebäudes einreißen und gab die symbolträchtigen Säulen dem Volk zurück, indem er sie in der Bühnenfront des Marcellustheaters aufrichtete, wo sie dem Volk von nun an als Prunkstück und Mahnmal ständig vor Augen standen.« 44 Vgl. Phillips 2015, v.a. 233–240. 45 Vgl. R. Gest. div. Aug. 19,1 sowie ferner Phillips 2015, 233–235, und Hölscher 2017, 18 f. 46 Vgl. R. Gest. div. Aug. 19,1 sowie ferner Phillips 2015, 235 f., und Hölscher 2017, 18 f. 47 Vgl. Cass. Dio 53,23,1 f. sowie ferner Phillips 2015, 235–239, und Hölscher 2017, 25 f. 48 Dass mit Agrippa ein weiterer Akteur neben dem princeps Erwähnung findet, passt gut zu dem partizipativen Charakter des Bauprogramms (vgl. Hölscher 2017, v.a. 27–31), der sich wohl auch in der starken Betonung der kollektiven Begeisterung der Karthager bei ihren Aktivitäten spiegeln soll: vgl. Phillips 2015, v.a. 230 f. 49 Siehe oben Kap. 2; zum reichen Karthago Didos als Gegenbild zum armen Rom Euanders siehe unten S. 61.

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anderen Punkt erweist sich gerade diese sicherlich nicht zufällig so früh im Epos platzierte Schilderung als ein besonders gutes Beispiel für die Technik der Zeitmontagen: Die Überlagerung der eigentlich präsentierten, historisch erwartbaren Szene durch die zweite, zeitgenössische Folie erfolgt nicht vollständig. Vielmehr bleibt die erste nach wie vor sichtbar, so dass sich die beiden Perspektiven gegenseitig beeinflussen können. Das Beibehalten auch der ersten Ansicht zeigt sich in unserem Beispiel bereits daran, dass die Bewohner der neuen Stadt unmissverständlich als Tyrii (v. 423) bezeichnet werden, noch mehr aber an der Verwendung des auffälligen punischen Lehnwortes magalia50 für die Vorbebauung mit einfachen Lehmhütten (v. 421).51 Aber auch auf der Ebene der Handlung wird der Umstand in Erinnerung gerufen, dass wir hier eine prähistorische Ausgangssituation für einen zeitgenössischen Vergleich vor Augen haben. Das gilt vor allem für die gleichsam antiquarische Beschreibung der Arbeitstechnik der Karthager, die für ihre gewaltigen Bauten ›Felsen mit den Händen wälzen‹ (manibus subvolvere saxa; v. 424).52 Der Einsatz von Baukränen und anderen technischen Hilfsmitteln war für die Leser in der Kaiserzeit jedenfalls so geläufig, dass sie nicht nur der Maler des Vergilius Vaticanus in seiner Illustration ergänzt hat [Abb. 2],53 sondern ihr Fehlen auch für Servius erklärungsbedürftig war: cur manibus? an quia adhuc machinae non erant? an ad construentium festinationem referre voluit?54 Dass genau solche machinae im 4. Buch, wenn der Stillstand der Arbeiten als Folge von Didos Verliebtheit verdeutlicht wird, doch erwähnt werden und zur Aktualisierung der epischen Handlung beitragen,55 legt nahe, dass ihr Fehlen hier gerade umgekehrt auf eine – allerdings nur partielle – Historisierung abzielen.

50 Es wird später auch für Karthagos Außenbezirke verwendet (4,259); zur Wahrnehmung als Fremdwort und seiner Bedeutung vgl. Serv. ad Aen. 1,421 mit Wulfram 2009, 18 f.; Binder 2019, II 320, und Biggs 2020, 151. 51 Mit der Frage, wer diese sehen kann, ist eine Diskussion über den Sprecher der Worte verbunden: Während Servius von einem Erzählerkommentar ausgeht (ad Aen. 1,421: miratur molem Aeneas hoc ad ipsum refertur, magalia quondam hoc ad poetam; nec enim hoc novit Aeneas), werden sie heute eher Aeneas zugeschrieben: vgl. z.B. Austin 1971, 146 f., und Wulfram 2009, 18; zu dieser Form der Fokalisierung allg. Cyron 2009, 26 f. 52 Diesen Hinweis verdanke ich dem archäologischen Scharfblick von Dietrich ­Boschung. 53 Vgl. Wright 1993, 20 f. 54 Serv. ad Aen. 1,424 (»Warum mit ihren Händen? Weil es noch keine Maschinen gab? Oder wollte er die Eile des Aufbaus zum Ausdruck bringen?«). 55 Vgl. Verg. Aen. 4,86–89 mit z.B. Austin 1955, 49  f.; Binder 2019, II 292–294, und ­Fratantuono/Smith 2022, 222–226.

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Abb. 2:  Aeneas und Achates betrachten Karthago: Vergilius Vaticanus 13r (um 400 n. Chr.) © Biblioteca Apostolica Vaticana.

Es ist aber gerade die gemeinsame Verwendung von in entgegengesetzte Richtungen weisenden Lesesignalen, durch die hier wie dann auch noch an vielen anderen Stellen der Aeneis der Effekt einer anachronistischen Montage erzeugt wird, der es ermöglicht, beide Bilder zur gleichen Zeit zu sehen. Während sich diese Passage in formaler Hinsicht also recht gut beschreiben lässt, ist ihre Funktion schwerer zu bestimmen. Natürlich kann man die Verweise auf das Bauprogramm des princeps als Zustimmung auch zu den konstitutionellen ›Umbaumaßnahmen‹ und damit

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als Form der literarischen Beeinflussung verstehen.56 Doch eine solche politische Dimension sollte nicht dazu führen, das vielschichtige Phänomen auf nur eine Lesart zu reduzieren. Durch das Übereinanderlegen zweier Zeitebenen kann zwar die Vergangenheit der Gegenwart als Norm anempfohlen oder ad maiorem Augusti gloriam genutzt werden, doch nicht weniger bedeutsam dürfte der ästhetische Reiz gewesen sein, der mit dem Wiedererkennen des Eigenen im Fremden und des Heute im Gestern für die zeitgenössischen Leser verbunden war. Das Nebeneinander mehrerer Zeitebenen bleibt auch für die Szenerie der weiteren Handlung in Karthago prägend, wenn die konkreten Bezüge auch nicht mehr in derselben Dichte aufeinander folgen wie in dieser programmatischen Eingangspassage. Das wird schon daran deutlich, dass der Dichter selbst, nachdem er Aeneas den Baufortschritt resümierend hat bewundern lassen,57 dessen Blick noch einmal über die fastigia urbis gleiten lässt58 und dabei die ›Giebel der Stadt‹ mit einem architektonischen Fachausdruck bezeichnet, dessen Verwendung in diesem Kontext Servius für erklärungsbedürftig hielt.59 Es sind nach dieser Überleitung im weiteren Verlauf des 1. Buches vor allem zwei Bauwerke, in deren Beschreibung sich Elemente finden, die dazu dienen, in der Vorstellung des Rezipienten zeitgenössische Assoziationen hervorzurufen: Zum einen der große Tempel, den Dido für Juno errichten lässt, zum anderen ihr prachtvoller Palast. Dazu kommen im 4. Buch noch kürzere Rückverweise auf die Baumaßnahmen als solche, die zunächst stillstehen und dann unter Aeneas’ aktiver Beteiligung vorangetrieben werden.60 Bleiben wir aber im 1. Buch und folgen der Handlung, die den von Venus in einer Wolke vor den Blicken der Karthager verborgenen Aeneas mitsamt seinem treuen Gefährten Achates nun von ihrem Beobachtungspunkt außerhalb der neuen Stadt direkt zum Juno-Tempel in deren Zentrum führt, wo sie schließlich auf Dido treffen werden.61 In der Zeit zuvor betrachten beide das Bauwerk, was 56 Vgl. allg. Harrison 2006, 160: »Given the traditional political function of urban embellishment at Rome as the self-promotion of the builder, it is difficult to avoid the conclusion that such extensive engagement in the poem with the Augustan building programme shows political support for the princeps in general terms. But the fact that most such allusions are indirect and in the form of fictional analogies often allows for a more diverse and ambiguous treatment; … Thus allusions to buildings, so often compared to works of literature in antiquity, are in effect another aspect of the Aeneid’s rich intertextuality, and their subtle and nuance nature adds an identifiable and contemporary layer to the poem’s dense literary and ideological texture.« 57 Vgl. Verg. Aen. 1,437: ›o fortunati, quorum iam moenia surgunt!‹; zu diesem Vers als Lesesignal siehe oben S. 50; zur folgenden Passage als Beispiel für Vergils elaborierte Verwendung der Tempusformen: Adema 2019, 35–41. 58 Vgl. Verg. Aen. 1,438: Aeneas ait et fastigia suspicit urbis. 59 Vgl. Serv. ad Aen. 1,438: fastigia nunc operis summitates, alibi ima significat, …. 60 Vgl. Verg. Aen. 4,86–89 (Stillstand) und 4,259–261a (Mitwirkung); zu letzterer Stelle Biggs 2020, 149–152. 61 Vgl. Verg. Aen. 1,441–506 mit z.B. Horsfall 2016, 136 f.

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der Erzähler für eine detaillierte Ekphrasis sowohl der Architektur im Ganzen wie auch des Bildprogramms im Besonderen nutzt. Dabei wird der in einem heiligen Hain, aber gleichwohl in der Stadtmitte gelegene Juno-Tempel als Analogie zum Jupiter-Tempel auf dem Kapitol präsentiert, wie vor allem an dem Aition deutlich wird, das für die Errichtung an dieser Stelle angeführt wird. Sei hier doch der Schädel eines Pferdes gefunden worden, der damit dem Menschenkopf entspricht, der angeblich dem mons Capitolinus seinen Namen gegeben hat.62 Während diese vorangestellte aitiologische Parallele den Leser wohl dazu einladen dürfte, bei der folgenden Beschreibung nicht zuletzt Parallelen aus dem zeitgenössischen Rom vor seinen inneren Augen zu haben, ist der erste Eindruck doch ein anderer, da vor allem die ausgiebige Verwendung von Bronze für unterschiedliche Elementes des Gebäudes hervorgehoben wird:63 hic templum Iunoni ingens Sidonia Dido condebat, donis opulentum et numine divae, aerea cui gradibus surgebant limina nexaeque aere trabes, foribus cardo stridebat aënis. Hier hat die Phönizierin Dido einen gewaltigen Tempel für Juno anlegen lassen, reich an Gaben und Wirken der Göttin, seine eherne Schwelle erhebt sich über den Stufen, mit Erz sind verbunden die Balken, die Angeln knarren an erzenen Türen.

Wenn wir uns für die Wirkung, die diese Schilderung auf antike Leser ausgeübt hat, wieder an Servius orientieren wollen, so ist zunächst auffällig, dass er die Betonung gerade dieses Metalls für erklärungsbedürftig hält und dafür sogar drei Erklärungen anbietet. Neben der Vermutung, dass Bronze zum kultischen Bereich besonders gut passe, spielt dabei die Aura eines höheren Alters eine wichtige Rolle.64 Zugleich hält Servius für die Türen aus Erz ausdrücklich fest, dass Vergil hier einen Bezug zu seiner eigenen Zeit herstellt (ad sua rettulit tempora) und belegt das mit der Anekdote, dass die Tempel auf dem Kapitol nach dem Verrat durch Tarpeia mit solchen Türen ausgestattet wurden, damit sie sich nicht mehr lautlos und heimlich öffnen ließen.65 Auch wenn die Begründung historisch zweifelhaft ist, kann man doch festhalten, dass Servius dieses Element nicht für kompatibel mit dem Bild eines prähistorischen Tempels hält.

62 Vgl. Verg. Aen. 1,441–445 mit z.B. Giusti 2018, 131 f. 63 Verg. Aen. 1,446–449. 64 Vgl. Serv. ad Aen. 1,448: aerea vel quod aes magis veteres in usu habebant, vel quod religioni apta est haec materies … aut certe aerea saecula significantur: nam ut Hesiodus dicit, tempore quo haec gesta sunt aereum saeculum fuit. 65 Vgl. Serv. ad Aen. 1,449: … stridebat aenis ad sua rettulit tempora. cautum enim fuerat post proditum hostibus a Trapeia virgine Capitolium, ut aerei cardines fierent, quorum stridor posset aperta ostia omnibus indicare.

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Das Gleiche ließe sich für die reiche Ausstattung des Tempels mit Gemälden vermuten,66 auch wenn Servius zu ihrer Existenz als solcher keine Erklärung gibt. Auch die moderne Forschung hat sich zu Recht auf die inhaltliche Interpretation des Bildprogramms zum trojanischen Krieg, seinen intertextuellen Bezug zu Homer sowie nicht zuletzt darauf konzentriert, welche Rolle es für unsere Wahrnehmung der geschilderten Ereignisse spielt, dass wir sie gleichsam mit den Augen des Aeneas sehen. Demgegenüber bleiben die Angaben, welcher Art von Kunstwerk die viel bewunderte Ekphrasis gilt, eher vage: Einleitend ist von einer Vielzahl von Künstlern die Rede, die wetteifernd an seiner Entstehung beteiligt sind,67 und etwas später kontrastiert der Erzähler die heftige emotionale Reaktion des Aeneas mit der Bemerkung, dass es sich nur um pictura inanis handele, um bloße Malerei.68 Damit wird zwar generell vor allem der Gegensatz der Kunst zu echten Erlebnissen ausgedrückt und weniger eine bestimmte Gattung beschrieben. Dennoch legt gerade diese Formulierung es nahe, weniger an plastische Reliefs zu denken, wie sie für die Friese der griechischen und dann auch römischen Tempel seit klassischer Zeit üblich waren, sondern vermutlich an Fresken. Ob der zeitgenössische Leser hierbei ältere Malereien, wie wir sie für den trojanischen Krieg etwa aus der Tomba François bei Vulci aus dem 4.  Jh.  v.  Chr. kennen,69 hellenistische Kunstwerke, wie den von Theoros geschaffenen Ilias-Zyklus, der in Rom in der porticus Philippi zu sehen war,70 oder aber aktuelle Beispiele wie die Szenen aus der Odyssee, von denen sich einige in einer domus auf dem Esquilin vermutlich aus der Mitte des 1. Jh. v. Chr. erhalten haben,71 vor Augen hatte, muss allerdings offenbleiben. Doch je mehr Details der beeindruckenden Architektur und prachtvollen Ausstattung erwähnt werden, desto schwerer dürfte es fallen, sich den Tempel der Juno als prähistorischen Sakralbau vorzustellen. Dieser Linie einer gleichsam impliziten Modernisierung entspricht es dann auch, dass Dido, als sie schließlich mit großem Gefolge erscheint, um hier ihre Audienz abzuhalten, den Thron im Gebäude selbst, und zwar offenbar vor den Türen der cella72 und damit genau in der Mitte einer breitausladenden Dachkonstruktion besteigt, die als testudo bezeichnet wird:73 66 Vgl. Verg. Aen. 1,453–493 mit z.B. Putnam 1998, 23–54; Clausen 2002, 29–34, und Kirichenko 2013, 66–75. 67 Vgl. Verg. Aen. 1,455–456a: artificumque manus inter se operumque laborem // miratur. 68 Vgl. Verg. Aen. 1,464 f.: sic ait atque animum pictura pascit inani // multa gemens, largoque umectat flumine vultum; zur Rolle von Emotionen im Zusammenhang dieser Ekphrasis vgl. Polleichtner 2009, 159–191. 69 Vgl. z.B. Andreae 2004 und Moretti Sgubini 2004. 70 Vgl. Plin. nat. 35,144 (bellumque Iliacum compluribus tabulis) mit z.B. Austin 1971, 156. 71 Vgl. Biering 1995. 72 Für diese Lokalisierung vgl. Austin 1971, 169; zur Diskussion anderer Möglichkeiten Serv. ad Aen. 1,505. 73 Vgl. Verg. Aen. 1,505 f.

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tum foribus divae, media testudine templi, saepta armis solioque alte subnixa resedit. Dann nahm sie vor den Türen der Göttin, in der Mitte des gewölbten Tempeldachs, Platz und saß umgeben von den Waffen (ihres Gefolges) hoch auf ihrem Thron.

Die metaphorische Vorstellung des gewölbten Schildkrötenpanzers dient nicht nur als terminus technicus im Militärwesen, auch wenn das mit den Schilden der Legionäre über ihren Köpfen gebildete Schutzdach zumindest heute die bekanntere Verwendung darstellt,74 sondern auch im Bereich der ebenfalls zeitgenössischen Architektur, und zwar zur Bezeichnung einer gewölbten Dachkonstruktion.75 Neben dem modernen Fachausdruck lädt vermutlich auch die Szenerie als solche zu einer anachronistischen Parallelisierung ein: Wird doch auch Augustus am Ende der Schildbeschreibung in vergleichbarer Position vor dem Apollo-Tempel auf dem Palatin sitzend gezeigt, um dort die Gaben und Tribute der besiegten Völker entgegen zu nehmen.76 Die Linie der Modernisierung setzt sich in der Beschreibung von Didos ­Palast fort,77 nicht ohne allerdings immer wieder von Signalen unterbrochen zu werden, die den Leser daran erinnern, dass die Handlung eigentlich in der weit zurückliegenden Zeit des Mythos spielt. Zudem finden sich auch hier Schilderungen, die sich einer klaren Zuordnung entziehen und stattdessen wohl eine chronologische Unbestimmtheit bewusst evozieren sollen. Als in diesem Sinne ambivalent erweist sich etwa die kurze Beschreibung von Didos Silbergeschirr anlässlich der Vorbereitung des sich nun anschließenden prachtvollen Festmahls zum Empfang der Trojaner:78 ingens argentum mensis caelataque in auro fortia facta patrum, series longissima rerum per tot ducta viros antiqua ab origine gentis. Massive Gefäße aus Silber stehen auf den Tischen und auf ihnen sind aus Gold die tapferen Taten der Vorfahren ausgeführt, eine überaus lange Reihe von Erfolgen von so vielen Männern vollbracht seit dem alten Anbeginn des Geschlechts.

74 Für diese Bedeutung in der Aeneis: vgl. Verg. Aen. 2,441; 9,505 und 9,514 mit Binder 2019, III 277; siehe unten S. 62 und 87. 75 Vgl. z.B. Vitruv. 5,1,6–10 (bei der Beschreibung der von ihm geplanten Basilika in Fanum Fortunae, h. Fano). 76 Vgl. Verg. Aen. 8,720–723. 77 Vgl. Verg. Aen. 1,637–756; zu seiner Architektur, auch im Vergleich mit den anderen Palästen in der Aeneis (vor allem denen des Priamos und Latinus), vgl. allg. Anthony 1930, 124–130, v.a. 125 f. 78 Verg. Aen. 1,640–642; zur Gastmahlszene im Ganzen vgl. v.a. Bettenworth 2004, 143–178.

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Die Ekphrasis kostbarer Gegenstände aus Metall hat nicht nur mit der Beschreibung von Achills Schild,79 sondern hier vor allem mit dem sog. Nestorbecher direkte Vorläufer in der Ilias.80 Die konkrete Bezeichnung der toreutischen Technik als Ziselieren (caelare), die sowohl Cicero in den Verrinen wie auch Plinius dem Älteren dazu dient, die ›neumodische‹ Sammelleidenschaft in der Späten Republik zu kritisieren,81 und die Betonung der gentilizischen Selbstdarstellung als Funktion der Bilder lassen aber auch an römische Beispiele denken, wie sie sich im Schatz von Boscoreale oder dem Hildesheimer Silberfund aus augusteischer Zeit erhalten haben. Während die Hinweise zur zeitlichen Einordnung der Silberbecher wohl bewusst ambivalent bleiben, werden die Anklänge an die aktuelle Erfahrungswelt der Leser bei der Beschreibung des eigentlichen Gastmahls dichter. Das gilt bereits für den Ablauf des Festes als solchem, der Servius als typisch römisch aufgefallen ist,82 weil Essen und Trinken voneinander getrennt sind und der Übergang zwischen beiden Phasen klar markiert wird.83 Neben dieser strukturellen Frage sind es vor allem einige Details der Ausstattung, die den Leser hier in ein Symposion im Rom der 2. Hälfte des 1. Jh. v. Chr. hineinversetzen sollen. Besonders deutlich wird dies gleich zu Beginn, wenn wir den Palast zusammen mit Amor betreten, der auf Venus’ Bitten die Gestalt von Ascanius angenommen hat und dem nun sich folgender Anblick bietet:84 cum venit, aulaeis iam se regina superbis aurea composuit sponda mediamque locavit, iam pater Aeneas et iam Troiana iuventus conveniunt, stratoque super discumbitur ostro.  dant manibus famuli lymphas Cereremque canistris expediunt tonsisque ferunt mantelia villis. Als er eintrifft, hat sich die Königin schon unter einem prächtigen Stoffdach auf einer goldenen Kline gelagert und den mittleren Platz eingenommen. Schon kommt Vater Aeneas, schon kommt die trojanische Jugend und legt sich auf den purpurfarbenen Decken nieder. Diener reichen Wasser für Hände, verteilen Brot aus Körben und bringen Tücher, bei denen abstehende Fasern glattgeschoren wurden.

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79 Vgl. Hom. Il. 18,478–608 mit dem aktuellen Kommentar von Coray 2016, 192–266. 80 Vgl. Hom. Il. 11,632–637 sowie ferner Grethlein 2008 zur Rolle solcher Objekte in den homerischen Epen. 81 Vgl. v.a. Cic. Verr. 2,4,41–60 und Plin. nat. 33,147–150 mit z.B. Stein-Hölkeskamp 2005, 146–154; zur weiteren Verwendung des Wortes in der Aeneis vgl. z.B. 8,701 und 10,499 mit Fratantuono/Smith 2018, 718. 82 Vgl. Serv. ad Aen. 1,723: mensaeque remotae: licet sub extranea persona, Romanorum tamen exsequitur morem, apud quos duae mensae erant: una epularum, altera poculorum; mit z.B. Delvigo 2013, 28; Stok 2016, 426, und Binder 2019, II 92, der auf 1,216 verweist, wo die Trojaner auch schon diesem römischen Brauch folgen. 83 Vgl. Verg. Aen. 7,723–735 (Abräumen der Tische, Aufstellen der Mischkrüge, Trankopfer Didos an Jupiter). 84 Verg. Aen. 1,697–702.

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Während die mit Purpur gefärbten Decken noch gut zu der historischen Szenerie passen, zumal Karthago aufgrund seiner phönizischen Wurzeln eine enge Verbindung mit diesem kostbaren Farbstoff nachgesagt werden kann, überwiegen ansonsten die Signale, die auf zeitgenössische Usancen verweisen.85 Das gilt bereits für den Umstand, dass die Teilnehmer hier nicht wie die homerischen Helden sitzend,86 sondern liegend und zudem in der für ein römisches Triclinium typischen Anordnung gezeigt werden,87 auch wenn Dido ihre königliche Ausnahmestellung dadurch markiert, dass sie als Gastgeberin den Ehrenplatz auf dem medius lectus einnimmt.88 Diese Bezüge werden allerdings durch die Verwendung des mondänen Ausdrucks sponda für diese Liegemöbel89 und noch mehr durch die Erwähnung der aulaea explizit gemacht. Darunter versteht man die in der Art eines Baldachins über den Speisenden aufgespannten Stoffdächer, deren Beliebtheit im Rom der späten Republik Servius mit dem hellenistischen Einfluss nach der Übernahme Pergamons 133 v. Chr. erklärt90 und mit dem Verweis auf ihre prominente Rolle in Horaz’ satirischer Schilderung der cena Nasidieni illustriert.91 Es spricht daher viel dafür, auch die den Gästen gereichten Tücher als weiteres Element der Aktualisierung zu verstehen,92 zumal sie im Gegensatz zu Wasser und Brot bei vergleichbaren Bewirtungsszenen in anderen Epen nicht erwähnt werden,93 selbst wenn man die Beschreibung ihrer speziellen Textur (tonsis … villis) wiederum als leicht archaisierenden Effekt verstehen würde.94 Weitere konkrete Hinweise zu Aussehen und Ausstattung des Raums, in dem Dido die Trojaner bewirtet, erhalten wir anlässlich des erwähnten Übergangs von der Phase, in der das Festmahl die Hauptrolle spielte, zu derjenigen, in der nun das gemeinsame Trinken im Vordergrund steht. Nachdem das Abräumen 85 Purpurdecken gehörten aber auch in Rom zur gehobenen Ausstattung: vgl. Stein-­ Hölkeskamp 2005, 133–135. 86 Zur homerischen Norm und ihrer Variation in der späteren Dichtung vgl. Bettenworth 2004, 67 f. 87 Vgl. z.B. Stein-Hölkeskamp 2005, 101–111. 88 Vgl. Bettenworth 2004, 71 und 149. 89 Vgl. z.B. Hor. epod. 3,22; Ov. am. 3,14,26 und Ov. fast. 2,345 sowie Stein-­Hölkeskamp 2005, 131–133. 90 Vgl. Serv. ad Aen. 1,697: aulaeis velis pictis, quae ideo aulaea dicta sunt, quod primum in aula Attali regis Asiae, qui populum Romanum scripsit heredem, inventa sunt. 91 Vgl. Hor. sat. 2,8,54–56 sowie ferner Hor. carm. 3,29,15: cenae sine aulaeis et ostro. 92 Die Einordnung wird dadurch erschwert, dass die Formulierung ein Selbstzitat V ­ ergils aus den Georgica ist, wo im mythischen Kontext die Bewirtung des Aristaeus durch die Nymphen geschildert wird: vgl. Verg. georg. 4,377. 93 Vgl. z.B. Hom. Od. 1,144–149 (Freier in Ithaka) und 7,172–176 (Odysseus bei Alkinoos) mit Bettenworth 2004, 74 f., sowie Austin 1971, 211: »It has not worried Virgil that Homer says nothing of napkins.« 94 Vgl. Serv. ad Aen. 1,701 mit z.B. Binder 2019, II 88: »Mit tonsis villis wird vermerkt, dass es sich um glatte Tücher (eig. ›mit geschorenen Haaren oder Fasern‹), d.h. um Tücher ohne Flor handelt (…).«; dag. aber auch Bettenworth 2004, 151–153, die aus der spezifischen Beschaffenheit der Tücher einen Lokalbezug ableitet.

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der Speisen und das Hereinbringen der Mischkrüge geschildert wurde, erfolgt die Beschreibung des akustischen und optischen Eindrucks, der sich den Gästen bietet:95 fit strepitus tectis vocemque per ampla volutant atria; dependent lychni laquearibus aureis incensi et noctem flammis funalia vincunt. Lärm kommt auf unter den Dächern und sie lassen ihre Stimme erschallen durch das weite Atrium; an den goldvertäfelten Decken hängen Lüster in vollem Glanze und Kronleuchter besiegen die Nacht mit ihren Flammen.

Besonders ins Auge fällt hier zunächst, dass für die Beschreibung von Didos Festsaal auf die typisch römische Einrichtung eines Atriums zurückgegriffen wird.96 Auch wenn unter anderem durch den poetischen Plural dafür Sorge getragen wird, dass sich die so entstehende Vorstellung eines königlichen Palastes hinreichend von einer gewöhnlichen domus unterscheidet, wird doch schon mit diesem Begriff ein zeitgenössisches Kolorit in die Schilderung hineingetragen, was erneut von Servius bestätigt wird.97 Dieser Effekt wird dann mit der Erwähnung goldvertäfelter Kassettendecken (laquearia aurea)98 und den Angaben zur Beleuchtung des Saales fortgesetzt. Zwar wird das griechische Fremdwort lychnus schon von Ennius verwendet und kann somit auf eine lange Tradition in der lateinischen Dichtung zurückblicken, wie Macrobius zu dieser Stelle festhält.99 Zugleich zeigt aber ein Fragment aus einer Lucilius-Satire, das Macrobius ebenfalls anführt, dass mit dieser Bezeichnung die Vorstellung eines Sprachwandels verbunden war, galt der Spott dort doch offenbar neumodischen Leuten, die als lychni bezeichneten, was man früher lucernae genannt habe.100 Auch wenn für funalia ein solcher Beleg fehlt, lässt die Verwendung in der zeitgenössischen Dichtung doch eine ähnliche Vorstellung plausibel erscheinen.101

95 Verg. Aen. 1,725–727. 96 Atrium wird allerdings häufiger verwendet: vgl. 4,666 (als Szenerie für die Nachricht von Didos Selbstmord); 2,483 und 528 (Priamos’ Palast) mit Anthony 1930, 125: »But the use of atrium … may be an attempt to express in Latin words to an Italian audience something that he possibly vaguely knew was different in that earlier period.« 97 Vgl. Serv. ad Aen. 1,726: atria: ut supra diximus, tangit Romanam historiam. 98 Sie waren seit der Späten Republik bekannt, galten aber als luxuriös: vgl. Stein-­ Hölkeskamp 2005, 124 f. 99 Vgl. Macr. Sat. 6,4,17: inseruit [sc. Vergilius] operi suo et Graeca verba, sed non primus hoc est ausus; auctorum enim veterum audaciam secutus est. ›dependent lychni laquearibus aureis‹, sicut Ennius in nono ›lychnorum lumina bis sex‹ [= Frg. 311 Skutsch]; mit z.B. Elliot 2013, 96. 100 Vgl. Macr. Sat. 6,4,17: Lucilius in primo: ›porro clinopadas, lychnosque, ut diximus, semno, ante pedes lecti atque lucernas‹ [= Lucil. 1,21 f. Christes/Garbugino] sowie für eine solche Verwendung z.B. Cic. Cael. 67. 101 Vgl. z.B. Hor. carm. 3,26,6 f. und Ov. met. 12,247.

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Blickt man von hier noch einmal zurück auf die Details der Schilderung des Juno-Tempels und des königlichen Palastes, so zeigt sich, dass es Vergil an dieser Stelle nicht nur darum geht, den Reichtum Karthagos zu betonen, auch wenn der Gegensatz der prächtigen Metropole Didos zur frugalen Bescheidenheit von Euanders Siedlung an der Stelle des späteren Rom sicherlich eine der angestrebten Wirkungen darstellt.102 Dass dieser Kontrast zudem vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Kritik an übermäßiger luxuria zu sehen ist und daher eine starke moralische Aufladung erfährt, hat schon Servius festgehalten und ist seither mehrfach behandelt worden.103 In diesem Zusammenhang hat Elena Giusti zuletzt gezeigt, dass sich die Karthager in der Aeneis auch als Perser oder überhaupt Barbaren verstehen lassen,104 zugleich aber darauf hingewiesen, dass diese ›orientalisierende‹ Tendenz mit der gegenläufigen Bewegung einhergeht, ihre Stadt als dezidiert römisch zu präsentieren.105 Daran anknüpfend ließe sich auf Grundlage der hier versammelten Beobachtungen behaupten, dass die Grundlage für die vielfältigen Assoziationen und kontrastiven Bezüge, die sich aus der Schilderung Karthagos ergeben, darin besteht, dass in ihr zwei Zeitebenen so übereinandergelegt sind, dass die Folien der prähistorischen Kolonie und des modernen Roms gleichzeitig zu erkennen sind und sich gegenseitig beleuchten können. Doch abgesehen von dem Beitrag dieser anachronistischen Zeitmontagen zu den verschiedenen denkbaren weiteren Aussagen, geht mit ihnen – wie schon mit Aeneas’ einleitendem Blick auf das Panorama Karthagos – auch ein genuin ästhetischer Reiz als Selbstzweck einher.

4.2 Trojas Untergang und die Versuche seiner Wiedergründung Dass anachronistische Zeitmontagen nicht nur dazu dienen, die Handlung der Aeneis mit einer politischen Aussage zu verbinden, sondern zugleich um ihrer selbst willen und als Beitrag zur literarischen Attraktivität des Werks verwendet werden, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sich die gleichen Strategien auch bei der Schilderung anderer Städte beobachten lassen, die wir im Zuge der epischen Handlung kennenlernen. Beginnen wir mit dem Rückblick auf die Vorge 102 Für den konkreten Gegensatz bei der Bewirtung der trojanischen Gäste vgl. v.a. Verg. Aen. 8,359–362. 103 Vgl. Serv. ad Aen. 1,637: luxu modo abundantia, alibi luxuria. et notandum, quia affluentiam ubique exteris gentibus dat, Romanis frugalitatem; sowie z.B. Kroll 1924, 180, und Binder 2019, II 58 f. (mit weiteren Angaben). 104 Vgl. Giusti 2018, v.a. 98–115. 105 Vgl. Giusti 2018, 127–135, v.a. 132: »The striking Romanness inherent in Virgil’s Carthage finds final and definitive confirmation in Dido’s famously ironical urbem quam statuo, uestra est, ‘this city that I am founding is yours’ (A. 1.573).«; sowie für eine Interpretation von Vergils Karthago als Heterotop Roms Giusti 2017.

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schichte, die Vergil nach dem Vorbild der Erzählung des Odysseus am Hofe des Phäakenkönigs Alkinoos dem Aeneas in den Mund gelegt hat,106 und zwar als Höhepunkt des feierlichen Empfangs der Trojaner in Didos Palast, den wir uns im letzten Abschnitt näher angesehen haben. Sein Bericht umfasst die nächsten beiden Bücher und beginnt mit der Zerstörung seiner Heimatstadt, um dann die Flucht bis zur Ankunft in Karthago zu schildern.107 Neben der ausführlichen Beschreibung Trojas selbst sind hier vor allem die Aufenthalte in Actium und Buthrotum sowie die Nennung der Stationen der Reiseroute entlang der Küste von Süditalien und Sizilien einschlägig. Angesichts der großen Bedeutung, die dem Gedanken einer translatio imperii von Troja an den Tiber im römischen Denken zukam,108 ist die Anzahl konkreter Bezüge in der Schilderung der Iliupersis allerdings nicht sonderlich groß und konzentriert sich vor allem auf zwei Bereiche.109 Dabei handelt es sich zum einen um kleinere Vorverweise auf dem Feld der religiösen Praxis, wenn beispielsweise der Auftritt Laokoons an denjenigen eines römischen Priesters mit großem Gefolge erinnert,110 bei der Vorbereitung Sinons zu seiner Opferung Details zeitgenössischer Rituale aufgenommen werden111 oder wenn Aeneas träumt, dass Hektor die Stadtgottheiten aus dem brennenden Troja rettet und dabei explizit Vesta und ihre ewige Flamme benennt.112 Zum anderen und vor allem sind es die finalen Kampfhandlungen rund um den Königspalast, deren Beschreibung den Lesern zeitgenössische Assoziationen ermöglicht.113 Das gilt zunächst für die von den Griechen angewandten Belagerungstechniken, die neben Leitern114 und einem Rammbock,115 die beide als unhomerisch, obwohl vielleicht nicht unhistorisch gelten können, auch ein als testudo bezeichnetes Schutzdach umfasst,116 wobei nicht klar ist, ob mit diesem terminus technicus des römischen Militärwesens hier eine Formation der 106 Vgl. Hom. Od. 9,1–12,453; zum narrativen Rahmen z.B. Seider 2013, 96–132, v.a. 101–107. 107 Vgl. Verg. Aen. 2,3–3,715. 108 Vgl. z.B. Behm 2019, 270–272. 109 Vgl. z.B. Horsfall 2016, 136: »There is a modest scatter of anachronisms in Virgil’s Troy, …« 110 Vgl. Verg Aen. 2,40 sowie mit leicht anderem Akzent Horsfall 2008, 82: »Not an anachronism (though the effect is similar), but … the briefly-hinted recasting of an epic scene in familiar togate form.« 111 Vgl. Verg. Aen. 2,132 f. mit Binder 2019, II 112–114 sowie zu dieser Szene ferner Seider 2013, 107–111. 112 Vgl. Verg. Aen. 2,296 f.: sic ait [sc. Hector] et manibus vittas Vestamque potentem // aeternumque adytis effert penetralibus ignem; mit Horsfall 2008, 255 f.; Casali 2017, 201, und Binder 2019, II 133. 113 Vgl. Verg. Aen. 2,434b–558 mit Rossi 2004, 17–53 und 178–188 (zum zeitlosen Charakter der Schilderung). 114 Vgl. Verg. Aen. 2,442 mit z.B. Horsfall 2008, 342, und Casali 2017, 241. 115 Verg. Aen. 2,492: ariete crebro … mit Horsfall 2008, 378, und Casali 2017, 254. 116 Vgl. Verg. Aen. 2,440 f.

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Kämpfenden oder eine feste Einrichtung zum Schutz des Rammbocks gemeint ist. Beides gehört zur anachronistischen Schilderung von Waffen und ihrer Verwendung, auf die wir noch zurückkommen werden.117 Ebenso aufschlussreich sind aber auch die Angaben zur Architektur des Palastes. Wie schon im Falle Karthagos gibt es auch hier Elemente, die gerade die historische ›Altertümlichkeit‹ der trojanischen Königsburg betonen,118 daneben finden sich aber auch Details, die offenbar einen Bezug zum zeitgenössischen Rom herstellen sollen. So verfügt der Palast des Priamos über ein vestibulum, was Servius bezeichnenderweise veranlasst, die Etymologie des lateinischen Worts in seinem Kommentar wiederzugeben,119 über ein großes Atrium,120 weitläufige Portiken121 und an prominenter Stelle über ein Heiligtum nicht mehr für Zeus, sondern schon für die Penaten.122 Diese gleichsam atmosphärische Vorbereitung leistet sicherlich auch einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Art und Weise, wie am Ende der Tod123 und der kopflose Leichnam des Priamos beschrieben wird,124 schon antike Leser an das Lebensende von Pompeius erinnert hat.125 Der sich daraufhin anschließende und das gesamte 3.  Buch einnehmende Bericht des Aeneas von der Flucht der Trojaner durch das östliche Mittelmeer bewegt sich in einem noch stärkeren Maße in einem Spannungsfeld von Rückverweisen in die Vergangenheit und Ausblicken in die ferne Zukunft. Der Blick zurück entspricht dabei naheliegenderweise der auch von den Figuren eingenommenen Perspektive, deren Bestreben zunächst dahingeht, ihre verlorene Heimatstadt möglichst schnell und möglichst originalgetreu an einem anderen 117 Zu dieser Diskussion vgl. z.B. Rossi 2004, 180–188, und Horsfall 2008, 342; ausführlicher siehe unten Kap. 5.1. 118 Für einen Vergleich der Schilderung Trojas mit Karthago Whitehorne 2006, 227– 232. 119 Vgl. Serv. ad Aen. 2,469 sowie ferner Anthony 1930, 126; Horsfall 2008, 361, und Casali 2017, 247. 120 Vgl. Verg. Aen. 2,483 und 528 mit z.B. Sandbach 1990 [1965/66], 454; Horsfall 2008, 372, und Casali 2017, 252. 121 Vgl. Verg. Aen. 2,528: porticibus longis fugit [sc. Polites] et vacua atria lustrat mit z.B. Anthony 1930, 127: »… suggests the peristylium of the Roman house (…), the inner part of which was open to the sky.« 122 Vgl. Verg. Aen. 2,512–514 mit Binder 2019, II 159: »Nach griechischer Überlieferung war der Altar im Innenhof des Palastes dem Zeus Herkeios geweiht (vgl. Ilias 24,306: …); ­Vergil verzichtet darauf, den ›Schutzgott des umzäunten Hofes‹ zu nennen, sondern gleicht Ort und Umstände dem Kult der römischen Hauspenaten an …«. 123 Vgl. Verg. Aen. 2,506–558 mit Horsfall 2008, 389–423, v.a. 389 f. (mit weiterer Literatur), und Casali 2017, 265–267. 124 Vgl. Verg. Aen. 2,557b f.: iacet ingens litore truncus // avulsumque umeris caput et sine nomine corpus; sowie für andere Deutungen z.B. Binder 2019, II 162: »Der verstümmelte Priamusleichnam symbolisiert das seines Hauptes beraubte, dem Erdboden gleichgemachte Troja (…).« 125 Vgl. Serv. ad Aen. 2,557: Pompei tangit historiam; mit z.B. Delvigo 2013, 28–32, und Lovatt 2021, 185–188.

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Ort von neuem zu errichten. Nachdem die Götter die entsprechenden Versuche an der thrakischen Küste126 und auf Kreta127 zum Scheitern gebracht und das Ziel einer Ansiedlung in Italien nach und nach enthüllt haben, nimmt auch die Zahl der Bezüge auf die römische Gegenwart zu. So lässt Vergil die Trojaner einen längeren Aufenthalt in Actium absolvieren, um genau an der Stelle, wo später Octavian den entscheidenden Sieg im Bürgerkrieg gegen Marc Anton erringen wird, ihrer Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass sie nun der Bedrohung durch die feindlichen Griechen entkommen sind.128 Die von Aeneas aus diesem Grund durchgeführten Siegesspiele sind dabei der Vorläufer der von Augustus 27 v. Chr. begründeten ludi Actiaci und fungieren als ihr gleichsam indirektes Aition.129 Ihre Schilderung stellt daher einen interessanten Grenzfall zwischen dem typischen aitiologischen Erzählen und der Technik der anachronistischen Zeitmontagen dar.130 Danach fahren sie weiter nach Buthrotum und treffen dort auf eine andere Gruppe Exiltrojaner, die unter der Leitung von Helenus und Andromache bereits eine neue Siedlung angelegt haben.131 Auch diese ausführliche Szene in der Mitte des 3. Buchs weist enge Verbindungen sowohl in die Vergangenheit wie auch die Zukunft auf. Ins Auge fallen zunächst vor allem die Rückbezüge, da die Bewohner dieses Neu-Troja die Erinnerung an ihre verlorene Heimat intensiv wachhalten und ihr unter anderem in der Architektur und den von ihnen verwendeten Toponymen Ausdruck verleihen. So gibt es auch hier wieder einen Fluss namens Xanthus, ein skäisches Tor und eine als Pergamum bezeichnete Burg.132 Auch wenn es sich dabei in Aeneas’ Augen nur um kleinere Kopien handelt, verfehlen diese doch ihre emotionale Wirkung auf ihn keineswegs.133 126 Vgl. Verg. Aen. 3,13–68 mit Horsfall 2006, 50–87, und Heyworth/Morwood 2017, 88– 103. 127 Vgl. Verg. Aen. 3,121–191 mit Horsfall 2006, 123–168; Miller 2009, 115–122, und ­Heyworth/Morwood 2017, 118–134. 128 Vgl. Verg. Aen. 3,278–288 mit Casali 2004; Horsfall 2006, 222–229, und Heyworth/ Morwood 2017, 157–160. 129 Vgl. Serv. ad Aen. 3,280: actia litora ut supra diximus, propter Augustum hoc dicit, qui illic ludos statuit agonales mit z.B. Gurval 1995, 65–67; Stahl 1998a, 59–70; Barchiesi 2017, 154–159, und Binder 2019, II 228–230, h. 229: »Aus der Perspektive der epischen Handlung bedeutet dies, dass der Aeneasnachfahre Augustus einen einst von den Urahnen der Römer gefeierten troianischen Agon »erneuert« (…).« 130 Vgl. z.B. Horsfall 2006, 223: »No anachronism, but effortless anticipation and, if you will, mythological legitimation, of the Augustan present; …« 131 Vgl. Verg. Aen. 3,294–505 mit z.B. Horsfall 2006, 233–359, v.a. 233–237 (mit der älteren Literatur). 132 Dass diese aber über geräumige Portiken verfügt (Verg. Aen. 3,353: illos porticibus rex accipiebat in amplis), kann gleichermaßen als Verweis auf Priamos’ Palast (siehe oben) wie das zukünftige Rom verstanden werden. 133 Vgl. Verg. Aen. 3,349–355 mit z.B. Bettini 1997, v.a. 16–21; Seider 2013, 86–92, und Behm 2019, 272–274.

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Dennoch wird gerade hier, nicht zuletzt durch die detaillierte Prophezeiung des Helenus,134 noch einmal verdeutlicht, dass das Ziel für Aeneas und die Seinen in Italien liegt und einen stärkeren Bruch mit der trojanischen Vergangenheit mit sich bringt. Auf diese römische Zukunft wird aber auch implizit verschiedentlich verwiesen, einerseits in der Beschreibung von Helenus als Priester,135 andererseits gerade in der Nostalgie der neuen Siedler: War Buthrotum doch nicht nur laut der mythologischen Überlieferung eine trojanische Gründung,136 sondern zu Vergils Zeit vor allem eine zunächst von Caesar und dann von Octavian vorangetriebene römische Kolonie,137 deren Neubürger sicherlich in gleicher Weise die Erinnerung an ihre italische Heimat gepflegt haben.138 Der Aufenthalt in Buthrotum bietet also auch eine Thematisierung verschiedener Erfahrungen von Migration, von legendären Trojanern nach Westen und von zeitgenössischen Römern nach Osten, die an diesem Ort wie zwei zeitliche Ebenen übereinandergelegt werden. Dazu passt es dann gut, dass bei der Beschreibung der weiteren Route ein starker Akzent auf der Kolonisation Süditaliens und Siziliens durch die Griechen liegt, auch wenn es sich dabei historisch gesehen um eine Entwicklung handelt, die sich erst ab dem 8. Jh. v. Chr. ereignet. Doch sowohl in der Prophezeiung des Helenus139 als auch in dem Bericht, den Aeneas später selbst von ihrer Fahrt gibt und in dem er unter anderem die Städte Tarent, Kaulonia und Skylakion erwähnt,140 wird die Geographie der Magna Graecia als gegeben vorausgesetzt. Auch wenn die Trojaner nach der Begegnung mit Skylla, Charybdis und den Kyklopen ihren Periplus an der historischen Ostküste Siziliens fortsetzen, werden mit Megara und Syrakus wieder zeitlich deutlich spätere griechische Kolonien als Orientierungspunkte genannt.141 Ihren Höhepunkt findet diese Reihe mit der Südküste, bei deren dichter Beschreibung weitere sechs Städte genannt werden:142 134 Vgl. Verg. Aen. 3,374–462. 135 Vgl. v.a. Verg. Aen. 3,356–373 mit Binder 2019, II 238: »Die hier beginnende Mittelszene (…) beschreibt Helenus, den Sohn aus Troja (359 Troiugena) als einen Seher und Priester, der mit allen Praktiken der ›römischen‹ Religion vertraut ist, die hier als troianisches Erbe erscheint (…): …« 136 Vgl. z.B. Dion. Hal. ant. 1,51,1 mit Heyworth/Morwood 2017, 161. 137 Zur Geschichte und archäologischen Rekonstruktion der Colonia Augusta Buthrotum vgl. z.B. Hansen 2011. 138 Vgl. Stahl 1998a, 44–46, und Barchiesi 2017, 162: »The dusty river that mimics the Scamander is a prophecy of many mini-Tibers; the Trojan theme-park is also a Rome-town, like in China-town; the nostos as a prophecy or a precursor of Greek colonisation is now converted into a post-factum prophecy of Roman and Italic colonisation.« 139 Vgl. Verg. Aen. 3,396–402 mit z.B. Horsfall 2006, 301–305, und Binder 2019, II 244 f. 140 Vgl. Verg. Aen. 3,548–553 mit z.B. Horsfall 2006, 383–387, und Binder 2019, II 260. 141 Vgl. Verg. Aen. 3,687–698 mit Horsfall 2006, 456–465, und Binder 2019, II 276–280. 142 Verg. Aen. 3,699–708a mit Horsfall 2006, 459–470, und Heyworth/Morwood 2017, 260–265.

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hinc altas cautes proiectaque saxa Pachyni radimus, et fatis numquam concessa moveri[700] apparet Camerina procul campique Geloi immanisque Gela fluvii cognomine dicta. arduus inde Acragas ostentat maxima longe moenia, magnanimum quondam generator equorum; teque datis linquo ventis, palmosa Selinus, [705] et vada dura lego saxis Lilybeia caecis. hinc Drepani me portus et inlaetabilis ora accipit. Von dort fahren wir an den hohen Klippen und dem vorstehenden Kap Pachynum vorbei und Camerina taucht von Ferne auf, dem das Schicksal  [700] sich zu verändern verboten hat, und die Felder am Gelas und Gela selbst, das seinen Namen von dem gewaltigen Fluss hat. Dann zeigt das hochgelegene Acragas weithin seine gewaltigen Mauern, einst eine Zuchtstätte stolzer Pferde; Dich auch, palmenreiches Selinunt, lass’ ich mit günstigem Wind zurück, [705] und durchquere die Untiefen Lilybaeums, gefährlich wegen verborgener Riffe. Von dort nimmt mich Drepanums Hafen auf und die [sc. wegen Anchises’ Tod] trostlose Küste.

In dieser Passage tritt der anachronistische Charakter so deutlich zu Tage, dass nicht nur der Illustrator des Vergilius Vaticanus selbstredend zeitgenössische Architektur zur Markierung der acht gebannten Städte verwendet hat [Abb. 3],143 sondern sich auch seit der Antike die Kritik der Kommentatoren immer wieder gerade an diesen Versen entzündet hat.144 Dabei wurde von Servius wie auch von Hygin vor allem getadelt, dass hier nicht Vergil ex poetae persona, sondern Aeneas selbst spricht.145 Zur Verteidigung des Dichters sind verschiedene literarische Vorlagen ins Spiel gebracht worden, unter anderem ein den Städten auf Sizilien gewidmeter Abschnitt in den Aitia des Kallimachos146 oder die Behandlung dieser Region zu einem späteren historischen Zeitpunkt in den Annalen des Ennius.147 Solche intertextuellen Bezüge sind gut vorstellbar, aber als Erklärung für die auffällige Häufung anachronistischer Zeitmontagen an dieser Stelle weder nötig noch ausreichend: Sie bilden den Schlusspunkt einer 143 Vgl. Wright 1993, 34 f. 144 Vgl. Serv. ad Aen. 3,703: Agragas: […] notandum sane Vergilium haec, quantum ad sua tempora spectat, dicere, non quantum ad operis; Aenea enim navigante nec fuerat Camerina siccata, nec Gela vel Agrigentum conditae: quod frequenter facit, sed nunc ideo vitiosum est, quia ex persona narrantur Aeneae; mit z.B. Rehm 1932, 35–40; Horsfall 1984, 153; Horsfall 2006, v.a. 461; Stok 2016, 426 f., und Binder 2019, II 279. 145 Zu dieser Diskussion und ihrem geistesgeschichtlichen Kontext ausführlicher siehe oben Kap. 3.1. 146 Vgl. v.a. Geymonat 1993 und Nappa 2004 sowie ferner z.B. Binder 2019, II 279. 147 Vgl. Goldschmidt 2013, 110–115, sowie zur Geographie bei Ennius allg. Elliot 2013, 274–291, und Elliot 2014.

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partiellen und sozusagen subkutanen Verschiebung der Szenerie, vor der sich die Fahrt der Flüchtlinge abspielt, und die dazu beiträgt, dass sich der Blick von ihrer trojanischen Vergangenheit löst und nach und nach auf die römische Zukunft richtet. Damit wird der Lesegenuss gesteigert, aber auch die Bedeutung der Handlung für die Gegenwart der Leser betont, auch wenn weder Aeneas als Sprecher noch Dido als seinem internen Publikum die Namen bekannt sein konnten. Die Handlung in Karthago bildet in dieser Hinsicht, wie im letzten Abschnitt gesehen, generell einen gewissen Höhepunkt, die gleiche Technik lässt sich aber auch beobachten, wenn die Trojaner ihren Weg von dort fortsetzen.

Abb. 3:  Aeneas umsegelt Sizilien: Vergilius Vaticanus 31v (um 400 n. Chr.) © Biblioteca Apostolica Vaticana.

4.3 Von Sizilien nach Süditalien und der Gang durch die Unterwelt Wenn im 5. Buch der zweite Aufenthalt der Trojaner auf Sizilien geschildert wird, stehen dabei vor allem die Spiele im Mittelpunkt, die Aeneas zu Ehren seines vor genau einem Jahr ebendort verstorbenen und bestatteten Vaters A ­ nchises ausrichtet.148 Diese verweisen zwar einerseits auf homerische Vorbilder, vor allem auf die im 23. Buch der Ilias beschriebenen Leichenspiele für P ­ atroklos zurück, lassen sich aber andererseits als Begründung späterer römischer Bräuche, vor allem der Feralia als Abschluss des Totenfestes der Parentalia und damit als Aition

148 Vgl. Verg. Aen. 5,42–603; zum anachronistischen Bezug auf den römischen Kalender vgl. Walter 2019a.

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verstehen.149 Gerade mit Blick auf die zweite Perspektive kann es daher nicht überraschen, dass sich hier zahlreiche Zeitmontagen beobachten lassen, die zum Teil ebenfalls durch die Einblendung einer stadtrömischen Szenerie, aber noch mehr durch die Ausstattung der Wettkämpfer und vor allem der Schiffe zustande kommen, so dass wir uns dieser Schilderung im Zusammenhang mit den ›Requisiten‹ als anachronistischer Technik näher zuwenden wollen.150 Aber auch wenn im Anschluss an die Spiele die trojanischen Frauen ihre Schiffe in Brand setzen und so den Impuls zur Ansiedlung eines Teils der Flüchtlinge in Acesta auf Sizilien geben,151 wird immer wieder ein Bezug zur Gegenwart der Leser hergestellt. So reagiert Aeneas auf die Erscheinung des Anchises im Traum, der ihm zur Gründung der Stadt rät, mit einem Opfer, das sich gleichermaßen an die Laren Trojas wie an die Vesta Roms richtet.152 Während der Blick zurück aus der Figurenperspektive naheliegt, stellt die gleichzeitige Einblendung der späteren römischen Verhältnisse eine weitere Zeitmontage dar, die nicht zuletzt der Einstimmung auf die im Folgenden eingehend beschriebene Stadtgründung dient. Waren mit Acesta, besser bekannt als Segesta,153 doch nicht nur Assoziationen verschiedener historischer Ereignisse, vor allem aus Roms erstem Krieg gegen Karthago verbunden.154 Die detaillierte Schilderung der Anlage durch Aeneas enthält zudem zahlreiche Anleihen daran, wie sich die Römer in Vergils Zeit die Gründung einer Stadt nach römischem Muster vorstellten.155 Das zeigt sich etwa daran, dass Aeneas das Areal der neuen Siedlung mit dem Pflug umzieht, wie es etwa schon Romulus getan haben soll,156 oder dass Acestes der von ihm regierten Stadt eine römische Verfassung gibt.157 Markanter als die Bezüge auf die urbs selbst sind in diesem Fall jedoch solche auf von Rom gegründete Kolonien: So erinnert die prominent an den Anfang des Berichts gestellte Formulierung transcri-

149 Vgl. allg. z.B. Binder 2019, II 390–453, v.a. 391 f., und Walter 2020, 156–174. 150 Siehe unten Kap. 5.2. 151 Vgl. Verg. Aen. 5,654–699. 152 Vgl. Verg. Aen. 5,743–745: haec memorans cinerem et sopitos suscitat ignis, // Pergameumque Larem et canae penetralia Vestae // farre pio et plena supplex veneratur acerra; mit z.B. Binder 2019, II 470: »Damit projiziert Vergil römische Verhältnisse in die troianische Vergangenheit (…).« 153 Zu Segesta als trojanischer Gründung vgl. z.B. Thuk. 6,2,3 und Cic. Verr. 2,4,72, sowie allg. Behm 2019, 274 f. 154 Zur wahrscheinlichen Behandlung dieser Episoden auch in Ennius’ Annalen vgl. ­Goldschmidt 2013, 109 f. 155 Vgl. Verg. Aen. 5,746–761 mit Binder 2019, II 471–474. 156 Vgl. Verg. Aen. 5,755 mit Serv. ad Aen. 5,755, der sich für seine Schilderung u.a. auf Catos Origines beruft. 157 Vgl. Verg. Aen. 5,757b–758 mit z.B. Fratantuono/Smith 2015, 657: »It may be interesting that it is Acestes and not Aeneas who is responsible for these eminently Roman features of the new city.«

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bunt urbi matres Servius an das Eintragen in die Bürgerliste einer colonia.158 Das dürfte ebenso für die Zuweisung der Grundstücke per Los159 oder die Benennung zentraler Orte mit aus der Mutterstadt vertrauten Namen gelten, auch wenn diese sich auf der Ebene der Handlung natürlich zurück auf Troja beziehen.160 Wenn Aeneas mit seinen Getreuen im 6.  Buch schließlich Italien erreicht, werden die Hinweise auf die Gegenwart der Leser erwartungsgemäß nicht weniger.161 Sie zeigen sich zunächst vor allem auf zwei Feldern: zum einen in der anachronistischen Benennung einzelner Stationen ihrer Reiseroute, zum anderen bei der Einblendung zeitgenössischer Bauwerke als Teil der Szenerie. Damit wird nicht zuletzt der Vorausblick auf die römische Geschichte im Rahmen der ›Heldenschau‹ vorbereitet,162 zugleich aber auch die den expliziten historischen Durchblicken zugrundeliegende Idee ausgeweitet und zu einem integralen Bestandteil auch der eigentlichen Handlung gemacht.163 Das zeigt sich unter anderem daran, dass auch Anchises in seiner prophetischen Rede das Spiel mit den Zeitebenen gerade anhand der Bezeichnung von Orten auf den Punkt bringt, wenn er die Aufzählung einiger latinischer Städte mit folgender expliziten Erläuterung abschließt: haec tum nomina erunt, nunc sunt sine nomine terrae (»Das werden dann die Namen sein, jetzt sind es Gegenden ohne Namen.«).164 Nach dem analogen Prinzip findet auch bei einigen Orten der konkreten Handlung eine zeitliche Verschiebung statt, die aber in der Regel implizit als Teil der Erzählung erfolgt. Das ist gleich in den ersten Versen des 6. Buches der Fall, wenn die Trojaner in Cumae am Golf von Neapel das erste Mal italischen Boden betreten, die Stadt aber über die für sie verwendeten Adjektive als eine von Chalkis auf Euböa gegründete Siedlung beschrieben wird165 und damit erneut die durch die griechische Kolonisation erst einige Jahrhunderte später geschaffenen geopolitischen Gegebenheiten schon in die Zeit unmittelbar nach 158 Vgl. Verg. Aen. 5,750 mit Serv. ad Aen. 5,750: transcribunt urbi matres Romani moris verbum est: ›transcripti‹ enim in colonias deducebantur und ferner z.B. Binder 2019, II 472. 159 Vgl. Verg. Aen. 5,756a. 160 Vgl. Verg. Aen. 5,756–757a: hoc Ilium et haec loca Troiam // esse iubet; mit Fratantuono/ Smith 2015, 656 f. 161 Zum Beginn des 6. Buches als Übergang zwischen Troja und Italien vgl. allg. Seider 2013, 28–65. 162 Vgl. Verg. Aen. 6,752–892 mit z.B. Glei 1991, 168–177; Clausen 2002, 125–152; Horsfall 2013, 510–608; Pandey 2014, 92–106; Pandey 2018, 152–170, und Binder 2019, II 610–641. 163 Zu den expliziten Durchblicken siehe oben Kap. 2.1. 164 Verg. Aen. 6,776 mit Binder 2019, II 615: »Die hier genannten Orte … gehörten zu dem schwer fassbaren frühen Bund latinischer Städte, die zur Zeit des Dichters teils längst vergessene ›Vororte‹ Roms waren. Für den zeitgenössischen Leser der Aeneis enthielten die Namen zweifellos eine starke emotionale Komponente.« 165 Vgl. Verg. Aen. 6,2: et tandem Euboicis Cumarum adlabitur oris und 6,17: Chalcidica 2 … arce mit Norden 1916, 112 f.; Anthony 1930, 90 f.; Horsfall 2013, 66 f.: »… the first Greek colony in the west, Cumae, founded from Euboean Chalcis (…) traditionally in 1050, and actually some three centuries later.« und Binder 2019, II 490 f.

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der Zerstörung Trojas, die sich nach antiker Vorstellung im 12. Jh. v. Chr. ereignet hat, eingeblendet werden.166 Bevor wir zur ersten Landung in Italien zurückkehren, um uns dem Apollotempel zuzuwenden, wollen wir einen kurzen Blick auf drei andere Orte werfen, bei denen in je unterschiedlicher Weise ihre künftigen Namen und die Folgen des Wechsels der Bezeichnung thematisiert werden. Das gilt zum einen für die Stelle, an der die Seele des verstorbenen Palinurus Aeneas bittet, für die Bestattung seines Leichnams zu sorgen, der vor der Küste Velias im Meer treibe.167 An dem Umstand, dass hier nicht – wie bei Cumae – der Dichter, sondern eine seiner Figuren spricht, die Gründung der Stadt aber ebenfalls noch weit in der Zukunft liegt, hat sich – wie wir gesehen haben – schon in der Antike die Kritik beispielsweise Hygins entzündet.168 Die Stelle lässt sich aber auch als Teil einer Gruppe von Ortsnamen verstehen, mit denen ganz bewusst eine partiell anachronistische Geographie als Hintergrund der Ankunft der Trojaner in Italien erzeugt wird. Für die Annahme, dass wir es nicht mit einem Versehen, sondern einer gezielten Variation der Präsentationsform zu tun haben, spricht nicht zuletzt der Umstand, dass mit derselben Figur nur wenige Verse später ein klassisches Aition verbunden wird, wenn Sibylle seinen Namen mit dem Kap Palinurus verbindet.169 Eine weitere Spielart zeitlich verschobener Ortsbezeichnungen findet sich dann auch noch in den beiden letzten Versen des 6. Buches, die damit den Bogen zurück zu beiden ersten schlagen: Hier wird der Hafen von Caieta (h. Gaeta) als nächstes Ziel der Trojaner benannt, obwohl dieser Ort seinen Namen erst von der während ihres Aufenthalt ebendort verstorbenen gleichnamigen Amme des Aeneas erhalten wird.170 Es sind aber nicht nur die Toponyme, die ihren Beitrag dazu leisten, diesen zentralen Abschnitt der epischen Handlung auf die Gegenwart der Leser hin zu öffnen. Ebenfalls auf die Erzeugung eines partiell anachronistischen ›Bühnenbildes‹ zielen die Beschreibungen konkreter Gebäude und charakteristischer Elemente ihrer Architektur oder Innenausstattung.171 Hierzu zählt bereits das 166 Zur gleichen Technik bei der Beschreibung der Route der Trojaner von Troja nach Sizilien siehe oben Kap. 4.2. 167 Vgl. Verg. Aen. 6,365–371. 168 Vgl. Gell. 10,16,3–5; ausführlicher siehe oben Kap. 3.1. 169 Vgl. Verg. Aen. 6,377–381 mit Horsfall 2013, 273–297, und Binder 2019, II 541–547; zu Aitien siehe oben Kap. 2.2. 170 Vgl. Verg. Aen. 6,900 mit Serv. ad Aen. 6,900: Ad Caietae portum a persona poetae prolepsis; nam Caieta nondum dicebatur mit Anthony 1930, 106: »This might well be called a double anachronism. The first consists in calling the port by the name he considers as given it soon after; the other is that what he considers ›soon after‹ was probably much later; …«; Casali 2004, 45–48; Stok 2016, 420 f., und Rood/Atack/Phillips 2020, 72, mit dem Verweis auf die intertextuelle ›Kommentierung‹ durch Ovid (vgl. Ov. met. 14,156 f. mit Geitner 2021, 304). 171 Sieht man die sog. Heldenschau auf der Folie des Forum Augustum und seiner Statuengalerien (vgl. Harrison 2006, 178–183; Pandey 2014, 92–106, und Pandey 2018, 152–170), ergibt sich erneut ein Bezug zu seinem Umfeld.

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erste Bauwerk, zu dem sich Aeneas in Italien begibt, die Orakelstätte der Sibylle von Cumae oder genaugenommen der dort Anfang des 5. Jh. v. Chr. erbaute und von Augustus erst kürzlich restaurierte Tempel des Apollo,172 vor dem sich seine Begegnung mit der Prophetin zunächst abspielt,173 wie es auch der Illustrator des Vergilius Vaticanus festgehalten hat [Abb. 4].174

Abb. 4:  Aeneas und Achates treffen auf die Sibylle: Vergilius Vaticanus 45v (um 400 n. Chr.) © Biblioteca Apostolica Vaticana.

Die Vorstellung zeitgenössischer Architektur wird in diesem Fall weniger durch die konkrete Beschreibung des Bauwerks hervorgerufen, obwohl das Bildprogramm der Tempeltüren erneut zum Gegenstand einer eingehenden Ekphrasis gemacht wird,175 als durch den impliziten Bezug zu demjenigen Apollotempel, den Augustus wenige Jahre zuvor auf dem Palatin hat errichten lassen und der rasch zu einem zentralen Ort der literarischen und kulturellen Aktivitäten

172 Vgl. z.B. Binder 2019, II 491, sowie zur Topographie von Cumae allg. Galinsky 2009. 173 Vgl. Verg. Aen. 6,9–76. 174 Vgl. Wright 1993, 46 f. 175 Vgl. Verg. Aen. 6,14–33 mit z.B. Horsfall 2013, 85–99; Kirichenko 2013, 75–79, und Binder 2019, II 492–496.

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Roms wurde.176 Diese Verbindung ergibt sich vor allem dadurch, dass sich in Aeneas’ Versprechen späterer Gegenleistungen für die Gottheiten, die sich ihm jetzt gewogen zeigen, eine Reihe von Anspielungen auf diesen Sakralbau und seine Funktionen in augusteischer Zeit finden lassen:177 tum Phoebo et Triviae solido de marmore templum instituam festosque dies de nomine Phoebi.[70] te quoque magna manent regnis penetralia nostris: hic ego namque tuas sortes arcanaque fata dicta meae genti ponam lectosque sacrabo, alma, viros. Dann werde ich dem Phoebus und der Trivia einen Tempel ganz aus Marmor errichten und Festtage einführen unter dem Namen des Phoebus. [70] Auch dich erwartet ein großer Tempel in unserem Reich: Denn dort werde ich deine Orakelsprüche und das geheime Schicksal, das du meinem Volk gekündet hat, aufbewahren und auserlesene Männer dir, Gütige, weihen.

Für Servius besteht kein Zweifel, dass dieses Gelübde von Augustus eingelöst wird und es sich bei dem Tempel daher um denjenigen des Apollo Palatinus handeln soll.178 Akzeptiert man aber diesen recht klaren Bezug als Lesesignal, lassen sich auch weitere Verbindungen zu Ereignissen der Entstehungszeit der Aeneis herstellen: So lässt sich die Einrichtung von Spielen entweder auf die seit 212 v. Chr. gefeierten ludi Apollinares beziehen oder auf die weitaus prominenteren ludi saeculares, die Augustus zwar erst 17 v. Chr. durchführen wird, deren Planung vermutlich aber schon länger auf großes Interesse gestoßen sein wird.179 Auch die ausführliche Erwähnung der Sibyllinischen Bücher und ihrer kultischen Aufbewahrung verweist auf eine Frage, die in diesen Jahren intensiv verhandelt wurde, auch wenn ihre Verlagerung in den Tempel auf dem Palatin laut Sueton erst 12 v. Chr. und damit einige Jahre nach Vergils Tod erfolgt ist.180 176 Zur Baugeschichte vgl. Pensabene/Gallocchio 2017, zur kulturellen Bedeutung Miller 2009, v.a. 185–252. 2 177 Verg. Aen. 6,69–74a mit Norden 1916, 142 f.; Miller 2009, 97 f. und 133–149; Horsfall 2013, 113–116; Pandey 2014, 88–92; Pandey 2018, 145–152, und Binder 2019, II 498–503, v.a. 500: »Es gilt allerdings, gegenüber anderen Aitia gleicher Intention leicht zu differenzieren: ... Die ›Verankerung‹ in der mythischen Vergangenheit kann somit nur aus der Perspektive des augusteischen Lesers und Zeitgenossen erfolgen.«; zur anachronistischen Verwendung der Schriftlichkeit für die Orakelsprüche der Sibylle vgl. Geitner 2021, 297–300. 178 Vgl. Serv. ad Aen. 6,69: tum Phoebo et Triviae ut solet miscet historiam: nam hoc templum in Palatio ab Augusto factum est mit z.B. Stok 2016, 422 f. 179 Vgl. z.B. Miller 2009, 139.: »Given that Aeneas is prefiguring the epochal games that had not taken place in Virgil’s lifetime – … – at the time of composition Virgil himself was literally prophesying a momentous occurrence in Augustus’ public program.«; Horsfall 2013, 113 f., und Binder 2019, II 500 f. 180 Vgl. Suet. Aug. 31,1 mit Horsfall 2013, 114, und Binder 2019, II 501.

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In dem sich nun anschließenden ausführlichen Bericht von Aeneas’ Besuch der Unterwelt gibt es zwar keine vergleichbaren Bezüge auf konkrete Bauwerke, wohl aber auf typische Elemente zeitgenössischer Gebäude. Besonders deutlich zeigt sich dies erneut programmatisch zu Beginn bei der Beschreibung des Übergangsbereichs zwischen der Welt der Lebenden und der Toten.181 Wird dieser doch nicht nur sogleich als vestibulum bezeichnet, sondern für die Schilderung der Szenerie im weiteren Verlauf auch Wörter verwendet, die an ein Atriumhaus erinnern.182 So ist von einer Schwelle (limen),183 von Türen (fores)184 und wohl auch von einem Innenhof mit einem mächtigen Baum die Rede (in medio).185 Dazu kommen mit fauces186 und cubilia187 noch zwei Begriffe, bei denen geschickt in der Schwebe gelassen wird, ob in erster Linie an einen Flur und Schlafräume oder den Rachen und die Schlafstätte wilder Tiere zu denken ist. Dass auch ein Muttersprachler fauces mit Architektur verbinden konnte, wird durch ein Kapitel der noctes Atticae belegt, in dem es Gellius um das richtige Verständnis von vestibulum geht.188 Dabei kritisiert er die in seiner Zeit offenbar vorherrschende Auffassung, dass damit der vordere Teil des Hauses gemeint sei, und spricht sich für die ursprüngliche Bedeutung als Vorhof aus.189 Als Beleg führt er dann ebenjene Verse aus der Unterweltbeschreibung in der Aeneis an, in denen von vestibulum und fauces die Rede ist, und erläutert sie in der folgenden Weise:190 non enim vestibulum primorem partem domus infernae esse dicit, quod obrepere potest tamquam si ita dicatur, sed loca duo demonstrat extra Orci fores, vestibulum et fauces; ex quibus vestibulum appellat ante ipsam domum et ante ipsa Orci penetralia, fauces autem vocat iter angustum per quod ad vestibulum adiretur. Denn mit vestibulum meint er nicht den vordersten Teil des Unterweltspalastes, auch wenn man auf die Idee kommen kann, dass er es so gemeint haben könnte, sondern er bezeichnet damit zwei Orte vor Plutos Tür: den Vorhof (vestibulum) und den Durchgang (fauces); von diesen bezeichnet Vorhof das, was vor dem Haus selbst und vor Plutos Gemächern liegt, Durchgang aber heißt der enge Weg, durch den man den Vorhof betritt. 2

181 Vgl. Verg. Aen. 6,268–294 mit v.a. Norden 1916, 212 f.; Anthony 1930, 126; Horsfall 2013, 236 f., und Binder 2019, II 529–535, v.a. 532. 182 Vgl. Verg. Aen. 6,273: vestibulum ante ipsum primisque in faucibus Orci … 183 Vgl. Verg. Aen. 6,279. 184 Vgl. Verg. Aen. 6,286. 185 Vgl. Verg. Aen. 6,282 f. mit Binder 2019, II 532. 2 186 Vgl. Verg. Aen. 6,273 mit Norden 1916, 212 f.: »Durch Hineintragen des technischen Sinnes gibt der Dichter also den sprichwörtlichen fauces Orci (…), die auf der Vorstellung des Hades als eines wilden Tieres beruhen (…), eine neue Nuance.« 187 Vgl. Verg. Aen. 6,274 mit z.B. Whitehorne 2006, 232. 188 Vgl. Gell. 16,5 cap. vestibulum quid significet; deque eius vocabuli rationibus. 189 Vgl. Gell. 16,5,1–10. 190 Vgl. Gell. 16,5,12 sowie ferner Verg. Aen. 6,273 f.

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Obwohl Gellius sich ganz sicher ist, welche konkrete Vorstellung hier aufgerufen werden soll, wäre es durchaus denkbar, dass Vergil genau diesen Punkt im Unklaren lassen will, betont er doch zu Beginn der Schilderung stark das Zwielicht, das im Hades herrscht und die Sicht der Protagonisten erschwert, so dass sie möglicherweise nicht entscheiden können, ob sie sich noch vor Plutos Palast oder bereits in dessen Eingangsbereich befinden.191 Aber auch in diesem Falle würde die eingeschränkte Wahrnehmung für den Leser gerade dadurch betont, dass selbst die an sich bekannten Strukturen eines typisch römischen Hauses nicht klar zu erkennen sind. Wenn Aeneas später zum Tartaros und damit zu dem Ort gelangt, an dem die Seelen der Sünder ihre Strafen verbüßen,192 so verfügt auch dieses festungsartige Bauwerk über ein vestibulum,193 das auch zusätzlich von der Sibylle selbst als solches benannt wird.194 Die Seherin beschreibt danach auch das Ambiente, in dem wohl Tantalus ewigen Hunger und Durst erleidet,195 in einer Art und Weise, die sehr an die Einrichtung eines Hauses der römischen Oberschicht erinnert:196 lucent genialibus altis aurea fulcra toris, epulaeque ante ora paratae regifico luxu; Furiarum maxima iuxta[605] accubat et manibus prohibet contingere mensas exsurgitque facem attollens atque intonat ore. Mit festlich erhabenen Polstern leuchten goldene Liegen, Speisen stehen vor den Augen bereit von königlicher Köstlichkeit; der Furien größte liegt [605] daneben und lässt die Hände das Mahl nicht berühren, springt mit erhobener Fackel auf und donnert mit ihrer Stimme.

Nimmt man die Szene für sich, ließe sie sich wohl in eine Reihe mit der Präsentation biblischer Geschichten in einem bewusst zeitgenössischen Kontext mit Blick auf die Architektur oder die Kleidung der dargestellten Personen, wie sie in der europäischen Malerei lange Zeit üblich war, stellen. Doch von dem punktuellen Impuls eines tua res agitur abgesehen, leistet auch hier der Verweis auf die den Lesern in der Entstehungszeit der Aeneis unmittelbar vertraute Alltagswelt einen wichtigen Beitrag zu dem übergreifenden Phänomen der Montage zweier Zeitebenen.

191 Vgl. Verg. Aen. 6,268–272, v.a. 268 f.: ibant obscuri sola sub nocte per umbram // perque domos Ditis vacuas et inania regna. 2 192 Vgl. Verg. Aen. 6,548–627 mit Norden 1916, 272–293; Horsfall 2013, 388–434, und Binder 2019, II 575–590. 193 Vgl. Verg. Aen. 6,555 f.: Tisiphoneque sedens palla succincta cruenta // vestibulum exsomnis servat noctesque diesque. 194 Vgl. Verg. Aen. 6,574b f.: cernis custodia qualis // vestibulo sedeat, facies quae limina servet? 195 Zu den Problemen der Identifizierung v.a. Horsfall 2013, 416–419. 2 196 Vgl. Verg. Aen. 6,603b–607 mit v.a. Norden 1916, 287, und Binder 2019, II 580 f.

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4.4 Der Tempelpalast des Latinus und das Lager der Trojaner Die Überblendung verschiedener Zeitebenen lässt sich auch im weiteren Verlauf beobachten, allerdings weniger bei der Beschreibung von Gebäuden oder Städten, sondern mehr und mehr anhand der Schilderung von Waffen und der mit ihnen ausgetragenen Kämpfe, die die zweite Hälfte der Aeneis zunehmend dominieren und denen wir uns im nächsten Kapitel zuwenden.197 Dennoch werden die drei Orte, an denen die Handlung in den Büchern 7 bis 12 vor allem spielt, erneut so vorgestellt, dass sich Bezüge zur Gegenwart ergeben, wenn auch in unterschiedlicher Form. Während die Residenz des Königs Latinus im 7. Buch in der uns bereits bekannten, aber noch einmal gesteigerten Weise als implizite Zeitmontage präsentiert wird, bietet der Besuch des Aeneas bei Euander und seiner an der Stelle des späteren Rom gelegenen Siedung im 8. Buch die Gelegenheit zur expliziten Verbindung von Vergangenheit und Zukunft, die vor allem durch die berühmte Stadtführung erfolgt.198 Erneut implizit, aber nicht weniger prominent wird hingegen der Ort, an dem sich die Trojaner an der Mündung des Tiber zunächst festsetzen, in einer Art und Weise beschrieben, die an ein römisches Legionslager und eine zeitgenössische Stadt gleichermaßen erinnern. Das geschieht vor allem im Zuge der Belagerung der Trojaner durch ihre von Turnus angeführten Gegner im 9. und 10. Buch und bildet bereits einen guten Übergang zu den mit Waffen und Kampftechniken verbundenen Zeitmontagen. Zuvor wollen wir uns aber mit dem Palast des Latinus und dem Lager der Trojaner beschäftigen, die anders als der Blick auf das künftige Rom und die Zusammenfassung der römischen Geschichte auf dem von Vulcan für Aeneas geschmiedeten Schild199 im 8.  Buch implizit erfolgen und daher unter dieser Fragestellung weniger Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden haben, aber für das Gesamtbild der Zeitmontagen in der Aeneis keinen weniger wichtigen Beitrag leisten. Die detaillierte Beschreibung der königlichen Residenz erfolgt unmittelbar vor der Ankunft der trojanischen Gesandtschaft, die von Latinus dort empfangen wird,200 und bezieht sich einerseits zurück auf epische Vorbilder, vor allem auf die Herrschersitze des Alkinoos201 und Aietes.202 Andererseits weist sie aber 197 Siehe unten Kap. 5.3. 198 Vgl. Verg. Aen. 8,337–368 mit z.B. Stahl 2016, 251–319; Förg 2018; Fratantuono/Smith 2018, 442–471; Binder 2019, III 156–162, und Casali 2020b; zur Stadtführung als Sonderfall der Aitiologie siehe oben Kap. 2.2. 199 Zur Schildbeschreibung vgl. Verg. Aen. 8,626–728 mit z.B. Glei 1991, 199–204; Putnam 1998, 119–188; Clausen 2002, 174–184; Feldherr 2014; Fratantuono/Smith 2018, 649–745, und Binder 2019, III 192–209. 200 Vgl. Verg. Aen. 7,192–285. 201 Vgl. Hom. Od. 7,86–97. 202 Vgl. Apoll. Rhod. 3,210–234 mit v.a. Nelis 2001, 282–284.

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auch deutliche Bezüge auf das Rom der Entstehungszeit der Aeneis auf,203 und zwar nicht nur zur domus Augusti auf dem Palatin, auch wenn beispielsweise Servius diese Verbindung stark hervorhebt.204 Als das Besondere dieser Stelle erweist sich vielmehr das gleichzeitige Einblenden mehrerer zeitgenössischer Bauten und Gebäudetypen, was sich bereits daran zeigt, dass der Charakter des beschriebenen Bauwerkes kaum zufällig zwischen Palast und Tempel schwankt, wie vor allem zu Beginn der Ekphrasis deutlich wird:205 tectum augustum ingens, centum sublime columnis,[170] urbe fuit summa, Laurentis regia Pici, horrendum silvis et religione parentum. hic sceptra accipere et primos attollere fasces regibus omen erat, hoc illis curia templum, hae sacris sedes epulis, hic ariete caeso [175] perpetuis soliti patres considere mensis. Ein erhabenes, gewaltiges Gebäude, auf hundert Säulen emporragend, [170] befand sich am höchsten Punkt der Stadt, der Königssitz des Laurentischen Picus, ehrfurchtsgebietend durch (alte) Wälder und die Verehrung der Ahnen. Hier das Szepter zu empfangen und die Rutenbündel erstmals zu erheben, war den Königen ein glückliches Zeichen; dieser Tempel war ihnen Rathaus, diese Plätze nutzten sie für heilige Mähler; hier pflegten, war der Widder  [175] geschlachtet, an langen Tischen die Väter (des Volkes) zu sitzen.

Auch wenn angesichts der Verwendung des Adjektivs augustus gleich im ersten Vers, wie von Servius vermutet, die enge Verbindung eines Regierungssitzes mit einem Sakralbau tatsächlich an den Gebäudekomplex erinnern dürfte, den Augustus auf dem Palatin errichtete und der auch den Tempel des Apollo umfasste,206 beschränken sich die Bezüge doch keineswegs auf diese Anlage und ihre Funktionen. So lassen sich die Angaben zur Vielzahl der Säulen sowie zur Lokalisierung des Bauwerkes über der Stadt und inmitten altehrwürdiger Haine ebenso und vielleicht noch eher auf die Heiligtümer auf dem Kapitol beziehen.207 Noch deutlicher zeigt sich, dass mehrere Gebäude gleichzeitig gemeint sind, wenn man die Aktivitäten in den Blick nimmt, die von den Latinern alle an diesem Ort durchgeführt werden, für die in Rom aber eine breitere Auswahl an Lokalitäten zur Verfügung stand: Während der rituelle Amtsantritt 203 Vgl. Verg. Aen. 7,170–191 mit Anthony 1930, 127; Solodow 1988, 79–81 (in Abgrenzung zu Ovids Umgang mit Anachronismen in den Metamorphosen); Horsfall 2000, 146–159, und Binder 2019, III 30–33. 204 Vgl. Serv. ad Aen. 7,170: tectum Augustum ingens domum, quam in Palatio diximus ab Augusto factam, per transitum laudat: quam quasi in Laurolavinio vult fuisse; sowie grundlegend zur Figur des Latinus und ihrem typologischen Bezug auf Augustus v.a. Buchheit 1963, 86–100, und ferner z.B. Binder 2019, III 19. 205 Verg. Aen. 7,170–176. 206 Zu den aktuellen archäologischen Forschungen vgl. Pensabene/Gallocchio 2017. 207 Vgl. Horsfall 2000, 147 f.

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der Konsuln tatsächlich auf dem Kapitol stattfand, dürfte mit dem explizit als curia bezeichneten Rathaus das gleichnamige Senatslokal am Forum Romanum gemeint sein.208 Ebenfalls im Stadtzentrum dürften auch die Vereinshäuser der Priesterschaften zu suchen sein, die von diesen für ihre religiösen Zusammenkünfte genutzt werden.209 Wenn im weiteren Verlauf der Ekphrasis dann von den Statuen früherer Könige und der summi viri des Latinischen Volkes die Rede ist,210 die im vestibulum des Gebäudes zu sehen sind,211 kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass nicht nur auf die römische Praxis angespielt wird, die imagines maiorum in Privathäusern zur Schau zu stellen,212 sondern dass es sich hier um einen Verweis auf die entsprechenden Galerien des Forum Augusti handelt, das zwar erst 2 v. Chr. und damit deutlich nach der Abfassung der Aeneis fertiggestellt wird, das aber bereits 42 v. Chr. von Octavian gelobt worden war und dessen Errichtung von den Zeitgenossen sicherlich aufmerksam verfolgt wurde.213 Auch die Zurschaustellung verschiedener Beutestücke hat ihre Entsprechung sowohl in den Häusern römischer Aristokraten wie in zeitgenössischen Tempeln, die unter anderem in dieser Hinsicht auch die Funktion unserer Museen übernahmen.214 Zusätzlich zu den Zeitmontagen, die sich daraus ergeben, dass der Palast des Latinus mit seiner Architektur und seinen Funktionen auf spätere römische Gegebenheiten anspielt, enthält diese Beschreibung aber auch wieder das bezeichnende Nebeneinander von historisch passenden und zeitlich vorausweisenden Details, die ihrerseits eine Vermischung der historischen Ebenen zur Folge haben. So stehen gleich zu Beginn die ›hundert Säulen‹ eines modernen Tempels neben den altehrwürdigen Wäldern, die es zwar auch in Rom gab, aber doch eher dem Bild einer noch wenig urbanen Siedlung entsprechen dürften.215 In einem Vers auf den Punkt gebracht wird der Gegensatz, wenn als Bei 208 Allerdings ist der Senat auch in verschiedenen Tempeln zusammengekommen, vgl. z.B. Binder 2019, III 32. 209 Dass die Latiner sitzen und nicht liegen, kommentiert Servius mit Verweis auf Varro als historisch korrekte Abweichung von der später üblichen Praxis: vgl. Serv. ad Aen. 7,176 mit Horsfall 2000, 151, und Binder 2019, III 31. 210 Vgl. Verg. Aen. 7,177–191; zur partiell widersprüchlichen Überlieferung der sog. laurentinischen Königslinie allg. Moorton 1988; Wifstrand Schiebe 1997, v.a. 153–161, und Casali 2020a. 211 Zur Verwendung des architektonischen Fachterminus vgl. Horsfall 2000, 154 f.; siehe ausführlicher oben Kap. 4.3. 212 Vgl. z.B. Horsfall 2000, 151 f. 213 In diesem Sinne vgl. z.B. Rowell 1941 und Binder 2019, III 32. 214 Vgl. Horsfall 2000, 156, und Binder 2019, III 32  f., der insbesondere an den Jupiter Feretrius-Tempel denkt. 215 Vgl. Horsfall 2000, 148: »… but silvae within the city may be taken to suggest a more rustic environment and even perhaps a recent foundation.«

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spiele für die Amtsinsignien, mit denen ein Regierungsantritt markiert wird, sowohl die Szepter der homerischen Könige wie die Rutenbündel (fasces) der römischen Konsuln nebeneinandergestellt werden.216 In ganz ähnlicher Weise finden unter den zur Schau gestellten Beutestücken sowohl die Streitwagen und Rundschilde epischer Helden Erwähnung wie auch die als rostra bezeichneten Rammsporne von Kriegsschiffen aus deutlich späterer Zeit, von denen bekanntermaßen auch die Rednertribüne auf dem Forum ihren Namen hatte, die von Augustus 29 v. Chr. aufwendig restauriert und umgestaltet wurde.217 Die Zahl der Beispiele ließe sich mit einem gründlicheren Blick auf die Schilderung der Statuen der einzelnen Könige noch vermehren,218 das Wirkungsprinzip dürfte aber auch so deutlich geworden sein.219 Während die Residenz des Latinus also nicht nur zwischen der Vorstellung eines Tempels und eines Palastes, sondern auch und gleich auf mehreren Ebenen zwischen der epischen Prähistorie und dem zeitgenössischen Rom oszilliert, lässt sich eine ganz ähnliche Technik, aber mit zum Teil anderen Bezugspunkten auch bei der Beschreibung der ersten Siedlung der Trojaner in Italien beobachten. Mit deren Anlage beginnt Aeneas, nachdem er die Gesandtschaft auf den Weg zum König der Latiner geschickt hat, wobei die Gleichzeitigkeit der beiden Handlungsverläufe noch dadurch besonders akzentuiert wird, dass dies in ein und demselben Vers geschieht:220 ipse humili designat moenia fossa moliturque locum, primasque in litore sedes castrorum in morem pinnis atque aggere cingit. Er selbst markiert die Lage der Mauern mit einem flachen Graben und bereitet so die Fläche vor und umgibt die erste Siedlung an der Küste in der Art eines befestigten Lagers mit Zinnen und einem Schutzwall.

Während die Trojaner also noch mit den allerersten Erdarbeiten beschäftigt sind, erblicken ihre Gesandten, denen die Erzählung sich im unmittelbaren Anschluss wieder zuwendet, bereits die gewaltigen Türme und hohen Mauern der Stadt der Latiner.221 Doch auch diese erste Siedlung der Trojaner hat auf ihre 216 Vgl. Verg. Aen. 7,173. 217 Vgl. Binder 2019, III 32, und dag. Horsfall 2000, 157, der Rammsporne nicht per se anachronistisch auffasst. 218 Vgl. z.B. Horsfall 2000, 151–160, der u.a. auf das ancile und die trabea verweist, die Picus’ Statue trägt. 219 Durch den impliziten Charakter unterscheidet es sich von expliziten Aitiologien (siehe oben Kap. 2.2), von denen mit der Öffnung der Tore des Krieges ein prominentes Beispiel ebenfalls hier angesiedelt ist: vgl. Verg. Aen. 7,601–615 mit z.B. Buchheit 1963, 80–85; Fowler 1998, 155–174; Horsfall 2000, 391–399, und Binder 2019, III 75–78. 220 Verg. Aen. 7,157–159 mit Horsfall 2000, 139–141, und Binder 2019, III 29. 221 Vgl. Verg. Aen. 7,160 f.: iamque iter emensi turris ac tecta Latinorum // ardua cernebant iuvenes muroque subibant.

Der Tempelpalast des Latinus und das Lager der Trojaner

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Art eine große Zukunft vor sich, wenn auch nicht in dieser Form und an dieser Stelle.222 Die Art, wie ihre Gründung beschrieben wird, verweist jedoch auf die später in Rom übliche Praxis voraus, und das gleich in doppelter Hinsicht: Denn zum einen finden wir hier – wie schon im Falle Karthagos und Segestas223 – Hinweise auf die Anlage der Stadt nach dem etruskischen Ritus, der vorsieht, dass ein Priester das für die Bebauung vorgesehene Gebiet zunächst mit einem Pflug umzieht und so mit einer Furche markiert.224 Zum anderen wird mit castrorum in morem auf die ebenfalls planmäßige und im Lauf der Zeit geradezu standardisierte Art der Errichtung eines römischen Militärlagers angespielt.225 Dass auch hier bereits Bilder aus späteren Zeiten mitschwingen sollen, zeigt sich insbesondere an der Erwähnung der pinnae, womit wahrscheinlich die Zinnen einer steinernen Umfassung gemeint sind.226 Beide Vorstellungen, sowohl diejenige eines temporär und primär zur Verteidigung angelegten Lagers als auch diejenige einer dauerhaft gegründeten und über die entsprechenden Bauwerke verfügenden Stadt, werden danach auch im weiteren Verlauf der Handlung, vor allem bei der ausführlichen Beschreibung der Belagerung im 9. Buch, wiederholt aufgerufen.227 Dabei spielt neben der Erwähnung einzelner Details der Gebäude228 vor allem die Wahl des zur Benennung der Siedlung gewählten Begriffes die entscheidende Rolle: Diese wird insgesamt achtmal als castra229 und sechsmal als urbs230 bezeichnet. Nimmt man noch die zweimalige Anrede ihrer Verteidiger als cives hinzu231 und versteht dies im emphatischen Sinne als Bewohner einer sich als Bürgergemeinde verstehenden Stadt, kommt man auf ein fast ausgewogenes Verhältnis. Das dürfte kaum zufällig darauf angelegt sein, eine bewusste Ambivalenz der Vorstellung zwischen ziviler Siedlung und militärischer Befestigung zu erzeugen. Zusätz 222 Da Vergil die Siedlung abweichend von der Tradition (vgl. Rehm 1932, 40–50) an der Mündung des Tiber lokalisiert, ist ihre Beschreibung auf Ostia bezogen worden: vgl. v.a. Carcopino 1919 und dag. Dingel 1997, 16. 223 Vgl. Verg. Aen. 1,425 (Karthago; siehe oben Kap. 4.1) und 5,755 (Segesta; siehe oben Kap. 4.3). 224 Vgl. Horsfall 2000, 139 (mit weiteren Angaben zu diesem römisch-etruskischen Ritus der Stadtgründung). 225 Vgl. Serv. ad Aen. 7,162: bene Romanae militiae exprimit morem; mit Stok 2016, 425. 226 Zu der dadurch ausgelösten Irritation vgl. z.B. Horsfall 2000, 141: »The military specialist (…) are slightly perplexed.«, und Binder 2019, III 28: »Die oft gewählte Übersetzung ›Zinnen‹ würde schon für diese erste Lager der Trojaner am Tiber eine Steinmauer voraussetzen; nicht auszuschließen sind dagegen ›Palisaden‹, …«. 227 Zu dieser changierenden Darstellung vgl. z.B. Rehm 1932, 40–50; Della Corte 1972, 141–164; Dingel 1997, v.a. 16 f.; Behm 2019, 287, und Binder 2019, III 29 und 215. 228 Vgl. Verg. Aen. 9,38b–45 (muri, moenia, portae); 9,502 (tecta) und 11,29–38 (limina, fores). 229 Vgl. Verg. Aen. 7,159; 7,522; 9,43; 9,230; 9,801; 10,68; 11,99 und 11,446. 230 Vgl. Verg. Aen. 9,8; 9,48; 9,473; 9,639; 9,729 und 9,784. 231 Vgl. Verg. Aen. 9,36 und 9,783 mit Dingel 1997, 53.

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Anachronistische Zeitmontagen I: Die Schilderung der Szenerie

lich zu diesem Changieren auf der inhaltlichen Ebene handelt es sich aber auch hier wieder um eine Zeitmontage, gehören doch beide Vorstellungen aus der Sicht der epischen Handlung noch der fernen Zukunft an und verweisen damit zugleich auf zwei – im Übrigen sehr erfolgreiche – Entwicklungen, die Vergils Lesern hingegen aus ihrer eigenen Zeit sehr gut bekannt gewesen sein dürften.

5. Anachronistische Zeitmontagen II: Die Ausstattung der Figuren

5.1 Scutum und clipeus: Die Trojaner auf dem Weg nach Italien Wenn wir vom Bühnenbild zu den Kostümen und Requisiten als Material für anachronistische Montagen übergehen, sollten wir uns einen wichtigen Unterschied in Erinnerung rufen: Anders als die Betrachter eines Gemäldes oder die Besucher eines Schauspiels haben wir als Leser eines Textes das Aussehen der Figuren nicht beständig vor Augen. Dieses wird vielmehr bestenfalls punktuell und in der Regel auch nur ausschnitthaft beschrieben, während sowohl die Ergänzung der übrigen Details als auch die Frage der Kontinuität über den Wechsel einer Szene hinaus der Vorstellung des Rezipienten überlassen wird. Gerade daraus ergibt sich aber die Option, zwei kontrastierende und sich im Kopf des Lesers überlagernde Kostümierungen entstehen zu lassen, von der Vergil reichlich Gebrauch macht, um auch auf diese Weise zu verdeutlichen, dass die Handlung in der Aeneis immer wieder auf zwei Zeitebenen, der homerischprähistorischen und der römisch-zeitgenössischen, zugleich spielt.1 In einem Werk, das mit dem Wort arma beginnt und über weite Partien kriegerische Konflikte schildert, kommt in diesem Zusammenhang vor allem den Angriffs- und Verteidigungswaffen sowie den verschiedenen Komponenten der Rüstung eine zentrale Rolle zu. Das weite Feld der Militaria gehört daher zu den Bereichen, in denen die Anachronismen am auffälligsten sind und die meiste Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden haben.2 Erneut mit der Ausnahme von Johann Lerschs Bonner Dissertation von 1836, in der er zu zeigen versucht, dass Vergil durchgängig ein konsequent zeitgenössisches Bild zeichnen will,3 wird dabei ein Nebeneinander konstatiert und dieser zumeist als befremdlich empfundene Befund auf unterschiedliche Art und Weise zu erklären versucht, beispielweise mit der Unachtsamkeit oder dem Desinteresse des Dichters an

1 Das gilt im Übrigen analog auch für die Beschreibung der Schiffe, siehe unten Kap. 5.2. 2 Vgl. Lersch 1836, 50–62; Heinze 1915, 196–205; Kroll 1924, 180  f.; Anthony 1930, 117–124; Saunders 1930, 129–193; Wickert 1930, 287–302 und 437–449; Couissin 1931/32; Sandbach 1990 [1965/66], 455–460; Lyne 1989, 100–116, und Malavolta 1996. 3 Vgl. Lersch 1836, 50–62; zu dem in dieser Dissertation im Ganzen verfolgten Ansatz siehe oben Kap. 1.3.

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Anachronistische Zeitmontagen II: Die Ausstattung der Figuren

solchen historischen Details.4 Demgegenüber soll hier die These vertreten werden, dass Vergil mit solchen Zeitmontagen bewusst einen Bezug zwischen den in der mythischen Vergangenheit spielenden Kämpfen und den militärischen Konflikten in der Gegenwart seiner primären Leser herstellt und diese vor dem Hintergrund von jenen und vice versa verstanden wissen will.5 Dieses binäre Interpretationsmodell stellt dabei allerdings eine Abstraktion dar, dessen konkrete Umsetzung sich vor allem mit zwei notwendigen Differenzierungen konfrontiert sieht: Schon in der Ilias scheint die Darstellung der Waffen und Kampftechniken nicht homogen zu erfolgen, sondern ihrerseits auf zwei Zeitebenen zu rekurrieren, einerseits auf diejenige der vermutlichen Entstehung des Epos um das Jahr 700 v. Chr. und andererseits auf diejenige der geschilderten Handlung in der mykenischen Epoche rund 600 Jahre zuvor.6 Auf viele moderne Leser wirken sowohl einzelne Ausrüstungsgegenstände wie der berühmte Eberzahnhelm7 und die allgemeine Beschreibung auch von Angriffswaffen wie Schwerter oder Speere als aus Bronze hergestellt,8 aber auch einzelne Elemente des Kampfgeschehens, vor allem die Bedeutung von Streitwagen9 und die hervorgehobene Rolle von Zweikämpfen10 anachronistisch. Umstritten ist allerdings, ob es sich dabei um einen vom Verfasser intendierten Effekt handelt oder ob sich die uneinheitliche Darstellung aus dem unvollständigen historischen Wissen seiner Zeit über ihre Vergangenheit zwangsläufig ergeben hat.11 Unabhängig von der Lösung dieses Problems stellt sich ferner die Frage, inwieweit Vergil diese Unterschiede wahrgenommen und als Inspiration für seine eigene Schilderung auf zwei Zeitebenen verwendet hat, auch wenn

4 Vgl. Wickert 1930, 285 f.: »Dieser Vorgang, der zweifellos dem Dichter selbst in den meisten Fällen unbewußt blieb, … wäre die seltsame Mischung, die in der Beschreibung von Waffen, Verwundungen und Kämpfen zutage tritt, dem Dichter zum Bewußtsein gekommen, so wäre sie ihm selbst gewiß nicht unwillkommen gewesen.« 5 In diese Richtung vgl. z.B. Heinze 1915, 196–205, v.a. 196: »Das Bild des Kampfes, wie es sich aus Taktik und Art der Bewaffnung zusammensetzt, ist dem homerischen zwar im wesentlichen getreu nachgebildet, aber doch gelegentlich mit Zügen ausgestattet, die im römischen Leser die Empfindung erwecken, daß ihm Kämpfe seiner eigenen Vorfahren geschildert werden: …« 6 Vgl. v.a. Grethlein 2006, 168–172, sowie allg. Mann 2013a, 4  f. (Waffen) und 65–67 (Kampftechnik). 7 Vgl. Hom. Il. 10,260–271 mit z.B. Grethlein 2006, 169; Grethlein 2008, und Vonhoff 2008, 204–207. 8 Vgl. z.B. Sandbach 1990 [1965/66], 455; Foltiny 1980, 236, und Grethlein 2006, 171 f. 9 Zu dieser umstrittenen Frage vgl. z.B. Grethlein 2006, 170; Buchholz 2010, 29–38, und Raaflaub 2011, 18–25. 10 Vgl. z.B. Latacz 1977; Hellmann 2000, v.a. 171–195, und Raaflaub 2008. 11 Zum Geschichtsbild in der Ilias vgl. allg. Grethlein 2006, v.a. 163–179, der vor der Rückprojizierung unseres Verständnisses historischen Wandels und wahrgenommener Differenz in die Entstehungszeit des Epos warnt.

Scutum und clipeus: Die Trojaner auf dem Weg nach Italien

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diese bei ihm ohnehin eine größere Rolle für die Anlage des Epos spielt, wie sich vor allem in den expliziten Bezügen zeigt.12 Die zweite Differenzierung ergibt sich aus dem Umstand, dass die homerischen Epen zwar auch bei der Schilderung von Kampfszenen den wichtigsten Referenzpunkt der Aeneis bilden, Vergil aber zugleich zahlreiche Einflüsse aus der vorangehenden lateinischen Literatur aufgenommen hat. Das betrifft zunächst das Epos selbst, aber auch die Geschichtsschreibung, die seit Fabius ­Pictors Pioniertat im späten 3. Jh. v. Chr. bis hin zu Livius’ Werk ab urbe condita, dessen erste Bücher parallel zur Aeneis in den 20er Jahren des 1. Jh. v. Chr. entstanden sind, in Rom intensiv betrieben wurde.13 Diese Rekurse sind für unsere Fragestellung deswegen besonders relevant, weil nicht nur die Historiker, sondern auch Naevius in seinem Werk über den ersten punischen Krieg und Ennius in den späteren Büchern seiner Annalen die Kämpfe römischer Soldaten mit ihren jeweiligen Gegnern geschildert und hierfür, wie die Fragmente zeigen, zumindest partiell auf ihre charakteristischen Waffen und deren Verwendungsweisen zurückgegriffen haben. Sie bilden daher, auch wenn das nur für einzelne Begriffe14 und die jeweils erhaltenen Szenen nachweisbar ist,15 generell ein wichtiges Zwischenglied für die Verbindung homerischer Darstellungstraditionen mit zeitgenössischem Inhalt und Vokabular auf dem Gebiet der Kampfschilderungen.16 Trotz dieser beiden in ihrer genauen Reichweite schwer einzuschätzenden Differenzierungen lassen sich dennoch zwei Zeitebenen herauskristallisieren und an prominenten ›Requisiten‹ gut verdeutlichen: So spricht viel dafür, dass wir bei dem von Vergil vorwiegend gebrauchten ensis an längere Schwertformen denken sollen, wie sie aus mykenischer Zeit bekannt sind,17 während das in der Aeneis insgesamt fünfmal verwendete Wort gladius einen Gegenwartsbezug 12 Zu diesen Elementen, die ohne Gegenstück bei Homer sind, siehe oben Kap. 2. 13 Für einen Vergleich der Kampfdarstellungen in der Aeneis mit denen in der römischen Geschichtsschreibung vgl. v.a. Rossi 2004, sowie ferner z.B. Ash 2002 und Horsfall 2016, 140 f. 14 So verwendet Ennius das Wort gladius und meint damit wohl die charakteristisch römische Schwertform: vgl. Frg. 239 Skutsch mit Norden 1915, 119–126, und Skutsch 1985, 420–422. 15 So verweist Macrobius (Sat. 6,3,2–4) als Parallele für Turnus’ Kampf im Lager der Trojaner bei Vergil (Aen. 9,806–816) nicht nur auf Aias bei Homer (Il. 16,102–111), sondern auch einen römischen Tribun, der am Feldzug in Aetolien 179/78 v. Chr. teilnahm und dessen Heldentat Ennius im 15. Buch er Annalen schilderte: vgl. Frg. 391–398 Skutsch mit Dingel 1997, 276–278; Fabrizi 2012, 183–192; Goldschmidt 2013, 180–187; Elliot 2013, 226–228, und Binder 2019, III 319–321; zur Eroberung von Alba Longa als möglicher Parallele zur Zerstörung Trojas vgl. Serv. ad Aen. 2,313 mit Norden 1915, 154–158; Skutsch 1985, 279 f., und Rossi 2004, 23 f. 16 Zu Ennius vgl. Goldschmidt 2013, v.a. 127–148, sowie ferner allg. Horsfall 1984, 152, und Horsfall 2016, 141. 17 Zu den verschiedenen Angriffswaffen in der Darstellung Homers vgl. allg. Foltiny 1980; Höckmann 1980; Stoevesandt 2004, 112–117, und Buchholz 2010, 113–128.

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herstellt, indem es auf das von den Römern im 3. Jh. v. Chr. aus Spanien übernommene zweischneidige Kurzschwert verweist.18 Die weiteren zumeist metonymischen Bezeichnungen wie mucro oder ferrum sind schwerer zeitlich einzuordnen, auch wenn die Angabe von Eisen als Material von der homerischen Praxis bronzener Waffen auffällig abweicht. Analog lässt sich annehmen, dass die verschiedenen und stärker poetisch konnotierten Begriffe wie hasta, hastile, iaculum oder cuspis,19 mit denen Speere und Lanzen in der Regel bezeichnet werden,20 einen Kontrast zu der Bezeichnung als pilum bilden sollen. Dieses römischen Lesern aus ihrem prosaischen Alltag sicherlich sattsam bekannte Wort wird zwar nur an zwei Stellen verwendet, beide Male jedoch in besonders markanter und daher kaum zufälliger Weise.21 Am deutlichsten zeigt sich der von Vergil intendierte Unterschied22 aber in der vierzehnmaligen Verwendung des zeitgenössischen Begriffs scutum23 neben dem epischen clipeus (50-mal) zur Bezeichnung der Schilde seiner mythischen Helden.24 Deren konkrete Form ist zwar bereits bei Homer nicht einheitlich und bleibt im Detail unklar,25 bei clipeus dachten aber die antiken Leser offenbar an die älteren Rundschilde, wie sie auch uns von der Darstellung kämpfender Hopliten etwa auf griechischen Vasenbildern aus späterer Zeit bekannt sind26 und die 18 Vgl. z.B. Saunders 1930, 164–169; Wickert 1930, 442–445; Lyne 1989, 103  f., und ­Malavolta 1996, 123–125. 19 Vgl. z.B. Saunders 1930, 145–153; Wickert 1930, 437–442; Lyne 1989, 105  f., und ­Malavolta 1996, 118–122. 20 Insgesamt lässt sich bei Vergil entsprechend der historischen Entwicklung eine Verschiebung vom Speerwurf zum Schwertkampf konstatieren, wenn beide Formen auch nach wie vor die wesentlichen Elemente bilden. 21 Siehe unten Kap. 5.3. 22 Demgegenüber zeigt sich weder in der Beschreibung von Pfeil und Bogen (Saunders 1930, 153–156; Wickert 1930, 446–449, und Malavolta 1996, 126–129) noch von Helmen oder Panzern (Saunders 1930, 176–186; Wickert 1930, 287–302, und Malavolta 1996, 137–142) ein vergleichbarer Kontrast. 23 Vgl. Verg. Aen. 1,101; 3,237; 7,722; 7,796; 8,93; 8,539; 8,562; 8,662; 9,229; 9,370 (scutati); 9,666; 10,506; 12,130 und 12,563. 24 Vgl. z.B. Saunders 1930, 169–176; Lyne 1989, 101–105, v.a. 102: »›Gladii‹ and ›scuta‹ belong emphatically to our world and the reality of Roman warfare. That is why Vergil some­ times prefers them.«, und Malavolta 1996, 132–137; für eine unterschiedslose Verwendung z.B. Heinze 1915, 203 f., und Wickert 1930, 294–300, v.a. 294. 25 Vgl. grundlegend Borchhardt 1977 und ferner zusammenfassend Grethlein 2006, 169  f.: »Sowohl ἀσπίς als auch σάκος werden mit Epitheta versehen, die auf einen kleinen runden oder einen langen Schild schließen lassen. Die kleinen runden Schilde gleichen den Funden aus den dark ages und der Archaik. Wenn die Vorstellung eines langen Schildes nicht als phantastischer Ausdruck der Stärke der Helden interpretiert wird, entspricht er der Darstellung mykenischer Langschilde. Vermutlich liegt in der Ilias eine Erinnerung an diese Schilde vor, ohne daß sie in einer scharfen Begrifflichkeit wiedergegeben wird.« 26 Zu ihrem Einfluss auf Vergil vgl. Sandbach 1990 [1965/66], 456: »… this is the shield of the classical Greek hoplite, and it will probably have been carried by the heroes of the Trojan war in all Greek painting, …«.

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in Rom, wie Livius im 8. Buch seines Geschichtswerkes festhält, im 4. Jh. v. Chr. durch das stärker ovale und später rechteckige27 scutum abgelöst wurden: clipeis antea Romani usi sunt; dein postquam stipendiarii facti sunt, scuta pro clipeis fecere. (»Früher benutzten die Römer clipei; dann, nachdem sie ihren Kriegsdienst für Sold zu leisten begannen, ersetzten sie die clipei durch scuta.«).28 Wenn man davon ausgeht, dass hier Livius den historischen Kenntnisstand zur Entstehungszeit der Aeneis richtig wiedergibt, lässt sich die Verwendung des scutum als Requisite zur Ausstattung der Trojaner durch Vergil als Ausdruck ihrer ›Römerwerdung‹ verstehen. Allerdings ist es nicht so, wie oft angenommen wird, dass es sich dabei um einen Prozess handelt, der sich erst im Lauf der Handlung des Epos vollzieht.29 Es ist zwar richtig, dass die Mehrzahl der Verwendung des Wortes in den Büchern 7 bis 12 zu finden sind, doch bezieht es sich hier nicht seltener auf ihre italischen Gegner und Verbündeten als auf die Trojaner selbst.30 Dafür werden aber umgekehrt diese schon bei ihrem ersten Auftritt mit dem scutum verbunden, ja reklamieren es gewissermaßen selbst für sich,31 und zwar in der berühmten, an die verzweifelten Worte des Odysseus angelehnten Rede,32 mit der Aeneas angesichts des von Juno entfachten Seesturms sein Schicksal als Schiffbrüchiger beklagt und seine Landsleute glücklich preist, die ihren Tod schon vor Troja gefunden haben:33 ›o terque quaterque beati, quis ante ora patrum Troiae sub moenibus altis[95] contigit oppetere! o Danaum fortissime gentis Tydide! mene Iliacis occumbere campis non potuisse tuaque animam hanc effundere dextra, saevus ubi Aeacidae telo iacet Hector, ubi ingens Sarpedon, ubi tot Simois correpta sub undis[100] scuta virum galeasque et fortia corpora volvit.‹ »Oh ihr drei- und vierfach Glücklichen, denen unter den Augen der Väter und vor den hohen Mauern Trojas  [95] zu sterben es vergönnt war! Oh Tapferster des Griechenvolkes, 27 Für eine Beschreibung vgl. z.B. Pol. 6,23,2–5 sowie ferner allg. Eichberg 1987 und ­ abbefeld 2008, 17–20. N 28 Vgl. Liv. 8,8,3 mit z.B. Bishop/Coulston 2006, 61–63, und Mann 2013a, 34. 29 Vgl. z.B. Horsfall 2016, 136, und Rood/Atack/Phillips 2020, 84: »The anachronisms become more intensive, …, the closer the poem comes to home. Aeneas’ band of Trojans become more Roman as soon as they land in Italy.« 30 Zur Verwendung des scutum in der zweiten Werkhälfte als Teil der Bürgerkriegsdarstellung siehe unten Kap. 5.3. 31 Es ist nach der Erwähnung der Waffen und des Streitwagens der Juno in Karthago (1,16 f.) und der Lanze des Aeolus (1,81) im Übrigen die erste Erwähnung einer konkreten Waffe der menschlichen Protagonisten im Epos. 32 Vgl. Hom. Od. 5,299–312 und zur epischen Tradition des Seesturms Biggs/Blum 2019. 33 Verg. Aen. 1,94b–101 mit z.B. Seider 2013, 75–86; Pausch 2017, 168–170, und Binder 2019, II 23–26.

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Diomedes! Warum habe ich nicht auf Ilions Schlachtfeld fallen und dort mein Leben durch deine rechte Hand aushauchen können, wo der grimmige Hektor liegt, getroffen von Achills Waffen, wo der gewaltige Sarpedon liegt und wo der Simois, nachdem er sie mit seinen Wogen ergriffen, [100] so vieler Männer Schilde und Helme und ihre starken Körper hin und her wälzt.«

Dass Vergil an einer so prominenten Stelle seinen Protagonisten selbst von scuta sprechen lässt, ist zwar historisch offenkundig unmöglich und wiegt als Anachronismus zudem dadurch noch schwerer, dass er nicht ex poetae persona erfolgt.34 Gerade am großes Potential zur Irritation zeigt sich aber, wie bewusst das Mittel der Zeitmontage hier eingesetzt wird: Indem schon in den Fluten des Simois keine heroischen clipei, sondern zeitgenössische scuta hervorscheinen, werden jedenfalls in der rückblickenden Erinnerung des Aeneas bereits die bei der Verteidigung ihrer Heimatstadt gefallenen Trojaner den Lesern als zukünftige Römer präsentiert. Dies geschieht jedoch immer nur vorübergehend und gewissermaßen schlaglichtartig, wie sich besonders gut an der wenig später erfolgenden Darstellung der gleichen Ereignisse auf dem Gemäldezyklus am Tempel der Juno in K ­ arthago zeigt.35 In der ausführlichen Beschreibung, die ganz den Blicken von Aeneas als Betrachter folgt, findet keine Aktualisierung des Kampfgeschehens statt, vielmehr werden in den – vergleichsweise wenigen – konkreten Angaben zu Bewaffnung und Ausrüstung gerade die homerischen Züge betont. So verfolgt Achill die fliehenden Trojaner mit seinem charakteristischen Helmbusch im Streitwagen36 und in der detaillierten Schilderung, wie Troilus von seinen Pferden und Wagen zu Tode geschleift wird, findet ansonsten nur noch die Lanze (hasta) als typische Waffe der iliadischen Heroen Erwähnung.37 Auch wenn am Ende die Unterstützung der Amazonen für Troja in Erinnerung gerufen und diese unter anderem mit Hilfe ihrer mondförmigen Schilde visualisiert werden,38 soll neben dem exotischen Charakter sicher auch die historische Distanz zur Gegenwart der Leser vor Augen geführt werden. Das gleiche Nebeneinander zeigt sich sodann auch in dem Bericht, den Aeneas in den Büchern zwei und drei selbst von den Kämpfen beim Untergang Trojas und auf den bisherigen Irrfahrten der Flüchtlinge in Didos Palast gibt:39 Auch hier wird die Ebene der historischen Distanz immer wieder durchbrochen, 34 Zu dieser in der antiken Bewertung wichtigen Kategorie siehe oben Kap. 3.1. 35 Vgl. Verg. Aen. 1,453–493 mit z.B. Putnam 1998, 23–54; Clausen 2002, 29–34, und Kirichenko 2013, 66–75. 36 Vgl. Verg. Aen. 1,468: instaret curru cristatus Achilles; mit Serv. ad 1,468: cristatus Achilles secundum Homerum, qui dicit in Achillis cristis terribile quiddam fuisse. 37 Vgl. Verg. Aen. 1,475–478. 38 Vgl. Verg. Aen. 1,490–494, v.a. 490: Amazonidum lunatis agmina peltis; mit z.B. Binder 2019, III 510. 39 Zur Bedeutung der Zeitmontagen hinsichtlich der Szenerie in und für diesen Bericht siehe oben Kap. 4.1 und 4.2.

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indem zeitgenössisch konnotierte Waffen und Rüstungsgegenstände oder mit ihnen charakteristisch verbundene Verwendungsweisen gezielt erwähnt werden. Ein gutes, wenn auch in sich wiederum vielschichtiges Beispiel hierfür bietet die Verwendung des Wortes testudo. Diese vom Panzer der Schildkröte abgeleitete Metapher kann sowohl eine bestimmte Deckenform eines Gebäudes bezeichnen – und kommt in dieser Bedeutung in der Beschreibung des JunoTempels in Karthago vor40 – oder aber das Dach, das zum Schutz gegen feindlichen Beschuss vor allem bei Belagerungen Verwendung findet und entweder aus einer temporären Holzkonstruktion oder aus den über den Kopf gehaltenen Schilden der Kämpfenden besteht.41 Vor allem in der letzten Bedeutung handelt es sich nicht erst für moderne Leser um eine typisch römische Taktik, wie die Erwähnungen dieser Formation bei Caesar oder Sallust zeigen.42 Auch wenn im Einzelnen also nicht klar ist, welche Schutzvorrichtung jeweils gemeint ist, kann man die Verwendung dieses Begriffs in Aeneas’ Bericht der Eroberung Trojas als Zeitmontage verstehen.43 Der Eindruck wird dadurch noch verstärkt, dass die Griechen sich bei ihrem finalen Sturm auf die Königsburg nicht nur der testudo bedienten, sondern auch Leitern (scalae)44 und einen Rammbock (aries)45 zum Einsatz bringen, die beide, wenn auch nicht als strenggenommen unhistorisch, so doch zumindest als unhomerisch gelten können46 und so – ebenso wie einige Elemente der in dieser Szene beschriebenen Architektur47 – einen Beitrag dazu leisten, dass die gesamte Schilderung auf mehreren Zeitebenen zugleich angesiedelt ist.48 Gerade Belagerungen und Eroberungen von Städten werden auch in der zweiten Hälfte der Aeneis besonders markant mit zeitgenössischen Aspekten versehen,49 wohl auch, weil die mit diesem Vorgang verbundene emotionale Wirkung auf diese Weise stärker zum Trage kommen dürfte.50

40 Vgl. Verg. Aen. 1,505; siehe oben Kap. 4.1. 41 Zum weiten Bedeutungsspektrum von testudo vgl. z.B. Horsfall 2008, 341  f., und ­Binder 2019, III 277. 42 Vgl. z.B. Caes. Gall. 5,43,3 und Sall. Iug. 94,3 mit Rossi 2004, 184. 43 Vgl. Verg. Aen. 2,441: obsessumque acta testudine limen mit z.B. Horsfall 2008, 341 f., und Casali 2017, 240 f. 44 Vgl. Verg. Aen. 2,442: haerent parietibus scalae mit z.B. Horsfall 2008, 342, und Casali 2017, 241. 45 Vgl. Verg. Aen. 2,492b f.: labat ariete crebro // ianua … mit Horsfall 2008, 378, und Casali 2017, 254. 46 Der Rammbock wird laut Servius (ad Aen. 9,503) im 5. Jh. v. Chr. von Artemon von Klazomenai erfunden. 47 Zur Schilderung der Architektur als Zeitmontage siehe oben Kap. 4.2. 48 Vgl. Verg. Aen. 2,434b–558 mit v.a. Rossi 2004, 17–53 und 178–188. 49 Vgl. z.B. Lersch 1836, 61; Kroll 1924, 180  f.; Wickert 1930, 456  f.; Sandbach 1990 [1965/66], 459 f.; Rossi 2004, v.a. 180–188, und Horsfall 2008, xxii–xxiv; zu den Szenen in den Büchern 7 bis 12 siehe unten Kap. 5.3. 50 Zum Motiv der urbs capta vgl. ferner Quint. inst. 8,3,67–69 mit Rossi 2004, 17–53, und z.B. Pausch 2011, 210 f.

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Anachronistische Zeitmontagen II: Die Ausstattung der Figuren

Nicht nur im Augenzeugenbericht vom Untergang seiner Heimatstadt, sondern auch in der sich anschließenden Erzählung der Abenteuer, die Aeneas und seine Gefährten auf ihrem Weg nach Karthago erlebten, lässt Vergil ihn hin und wieder auf Requisiten zurückgreifen, die einen Gegenwartsbezug zur Welt seiner zeitgenössischen Leser herstellen. Ein illustratives Beispiel enthält die auf den Strophaden angesiedelte Episode der Begegnung mit den Harpyien.51 Diese verhindern durch plötzliche Flugattacken den Verzehr der zu Unrecht getöteten Tiere52 und sollen nun durch einen Überraschungsangriff zum Kampf gezwungen und besiegt werden. Zu diesem Zweck hat Aeneas, wie er berichtet, zu folgender List gegriffen:53 sociis tunc arma capessant edico, et dira bellum cum gente gerendum.[235] haud secus ac iussi faciunt tectosque per herbam disponunt enses et scuta latentia condunt. ergo ubi delapsae sonitum per curva dedere litora, dat signum specula Misenus ab alta aere cavo. invadunt socii et nova proelia temptant, [240] obscenas pelagi ferro foedare volucres. Dann heiße ich die Gefährten, ihre Waffen zu ergreifen und Krieg mit diesem scheußlichen Volk zu führen. [235] Diese tun wie befohlen, verteilen die Schwerter und verstecken sie im Gras, verbergen die Schilde und entziehen sie den Blicken. Sobald jene daraufhin herabgleiten und die gekrümmte Bucht mit Lärm erfüllen, gibt Misenus von seinem hohen Ausguck ein Signal mit dem hohlen Erz. Die Gefährten stürmen los und wagen eine neue Art des Kampfes: [240] die garstigen Vögel des Meeres mit dem Schwert schändlich zuzurichten.

Während es sich bei einem Kampf mit Harpyien inhaltlich klar um ein mythisches Geschehen handelt, wird es sprachlich so präsentiert, dass sich gleich mehrere Bezüge zu zeitgenössischen militärischen Auseinandersetzungen ergeben: Das gilt bereits für die Aufforderung an die socii, womit hier die Gefährten, sonst aber häufig auch die römischen Bundesgenossen gemeint sind, mit der gens der Harpyien nicht allein zu kämpfen, sondern regelrecht Krieg zu führen (bellum gerere). Es zeigt sich dann an der Bezeichnung der von den Trojanern versteckten Schilde als scuta, obwohl im selben Vers die dazugehörigen Schwerter enses statt gladii genannt werden. Dafür lässt sich das von Misenus gegebene Trompetensignal als weiterer Verweis auf römische Militärpraxis verstehen, da 51 Vgl. Verg. Aen. 3,192–277 mit z.B. Kahn 1996; Horsfall 2006, 180–214, und Binder 2019, II 218–227. 52 Auch dies geschieht, wenn man die Metonymie wörtlich versteht, mit Schwertern aus Eisen (vgl. Verg. Aen. 3,222: inruimus ferro), während die Waffen bei Homer durchgängig aus Bronze bestehen: siehe oben S. 82. 53 Verg. Aen. 3,234b–241.

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diese Art der Kommunikation auf dem Schlachtfeld bei Homer noch unbekannt ist.54 Auf einer anderen Ebene enthält wohl auch der letzte Vers eine Aktualisierung, handelt es sich bei der Wendung ferro foedare doch laut Servius um ein Ennius-Zitat.55 Auch wenn wir dazu wegen des fehlendes Kontexts weiter nichts sagen können, dürfte auch so deutlich geworden sein, dass diese programmatisch als nova proelia bezeichnete Konfrontation nicht nur deswegen neu ist, weil die Trojaner erstmals gegen Harpyien kämpfen,56 sondern weil ihr Angriff so geschildert wird, dass er auf die Leser ›neu‹ im Sinne von aktuell wirken soll.

5.2 Tuba und Triere: Die Spiele für Anchises auf Sizilien Bevor wir zur zivilen Verwendung von Blasinstrumenten im Kontext der Spiele, die Aeneas zu Ehren von Anchises abhält, zurückkommen, soll zunächst erneut ein allgemeiner Blick auf die Beschreibung der Schiffe der Trojaner geworfen werden. Denn auch hier changiert der Eindruck zwischen den in der Ilias und der Odyssee beschriebenen und für die mykenische Epoche wohl historisch korrekten Langschiffen mit einer Reihe von Ruderern auf jeder Seite, von denen die bekannteste Form als Pentekontere bezeichnet wird,57 und deutlich moderneren Typen, die ihre Namen von der Anzahl der übereinander gelagerten Ruderbänke erhalten haben und als Biremen und Triremen (oder Trieren) bekannt sind.58 Für deren Einführung waren in der Antike zwar verschiedene Daten im Gespräch, diese liegen aber allesamt und in Übereinstimmung mit der modernen Forschung um 700 v. Chr. und damit deutlich nach der Handlung der Aeneis.59 Die Vorstellung deutlich modernerer Schiffe wird von Vergil dabei einerseits durch die explizite Verwendung der entsprechenden Bezeichnung erweckt: So lässt er Aeneas gleich zu Beginn der Handlung von einem Hügel an der lybischen Küste Ausschau nach seinen im Sturm versprengten phrygischen Bire-

54 Vergil lässt allerdings schon vor Troja Angreifer wie Verteidiger von der Kriegstrompete Gebrauch machen: vgl. Verg. Aen. 2,313 (Griechen) und Aen. 6,164–167 (Misenus als Herold Hektors) mit z.B. Heinze 1915, 196. 55 Vgl. Serv. ad Aen. 3,241 mit z.B. Horsfall 2006, 200. 56 Wenn natürlich auch nicht als erste innerhalb der mythologischen Überlieferung der Antike, worauf Servius in seiner Kritik an dieser Stelle verweist (ad Aen. 3,240). 57 Zur Darstellung der Schiffe bei Homer vgl. Gray 1974, 92–109; Casson 1986, 43–48, und Buchholz 2010, 13–21. 58 Vgl. v.a. Lersch 1836, 62–64; Sandbach 1990 [1965/66], 449–452; Malavolta 1996, 161– 165, und Horsfall 2016, 138; für eine durchgängig zeitgenössische Darstellung und Handhabung der Schiffe bei Vergil vgl. Mohler 1948. 59 Vgl. z.B. Thuk. 1,13 f. mit Morrison/Williams 1968, 157–165, und Casson 1986, 80–92, v.a. 81.

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men halten (Phrygias biremis)60 und verwendet den gleichen terminus technicus später noch einmal, wenn die Trojaner sich bereitmachen, um auf dem Tiber nach Proto-Rom zu fahren.61 Andererseits trägt zu diesem Effekt auch die Beschreibung einzelner Bauteile bei, wie beispielsweise des mit Erz verstärkten und zum Rammsporn (rostrum) geformten Bugs, der zwar vermutlich schon in den Jahrhunderten vor der Erfindung der Biremen aufkam, aber bei Homer keine Erwähnung findet.62 Vergil hingegen lässt die Trojaner gleich bei ihrem ersten Auftritt die Salzfluten mit einem ehernen Bug durchpflügen63 und kommt auf dieses Detail auch noch mehrfach zurück.64 Das gilt ferner für die Schilderung von Galionsfiguren, mit denen das etruskische Aufgebot ausgestattet ist, das Aeneas im 10. Buch zu Hilfe kommt,65 die aber wohl auch für die Teilnehmer an der Regatta namensgebend sind.66 Selbst die zunächst unauffällige Verwendung eines Ankers lässt sich in diesem Sinne verstehen,67 zumal der Vergleich mit der Argo bei Apollonios von Rhodos zeigt, dass Schiffe mit all ihren Details im antiken Epos auch mit antiquarischer Genauigkeit und historisch korrekt dargestellt werden können.68 Eine weitere Neuerung besteht aber auch in der Verwendung der Schiffe: Bei Homer dienen sie vor allem zum Transport und es wird zwar der Kampf um sie, aber nicht mit ihnen geschildert.69 Die Aeneis enthält demgegenüber die Beschreibung einer Seeschlacht, wenn auch nicht als Teil der epischen ­Handlung, sondern auf dem Schild des Aeneas, wo der Sieg Octavians bei Actium den Hö-

60 Vgl. Verg. Aen. 1,180–183. Während Servius (ad Aen. 1,182) nur festhält, dass Biremen über zwei Ruderreihen verfügen und Vergil auch Schiffe mit drei Reihen erwähnt, wird im sog. Servius auctus der Anachronismus unter Verweis auf eine (nicht erhaltene) Stelle bei Varro explizit als solcher benannt: quidam tamen ›biremes‹ ad suum tempus volunt dixisse Vergilium, negantes Troicis temporibus biremes fuisse. Varro enim ait post aliquot annos inventas biremes; zu den Unterschieden in der Kommentierung vgl. Stok 2016, 421 f. 61 Vgl. Verg. Aen. 8,79: sic memorat geminasque legit de classe biremis mit Fratantuono/ Smith 2018, 192 f. 62 Vgl. z.B. Morrison/Williams 1968, 7 f., und Casson 1986, 43 und 49: »Very likely it [sc. the ram] made its debut during the obscure period after 1000 B.C. that marked the transition from the Bronze to the Iron Age.« 63 Vgl. Verg. Aen. 1,34 f.: vix e conspectu Siculae telluris in altum // vela dabant laeti et spumas salis aere ruebant mit z.B. Sandbach 1990 [1965/66], 449. 64 Vgl. z.B. Verg. Aen. 5,143; 5,187; 5,232; 7,186; 10,214 und 10,301. 65 Vgl. Verg. Aen. 10,156b–214: erwähnt werden Löwe (v. 157), Tiger (v. 166), Kentaur (v. 195) und Triton (v. 209); mit Binder 2019, III 348, der bei letzterem auf die Erinnerung an Actium in der Kunst verweist. 66 Vgl. Verg. Aen. 5,114–123; ausführlicher siehe unten S. 92–97. 67 Vgl. Verg. Aen. 1,169; 3,277; 6,3 f. und 6,901 mit z.B. Anthony 1930, 101 f.; und Horsfall 2016, 67 f. und 623. 68 Zu dieser Gegenüberstellung vgl. z.B. Horsfall 1984, 152. 69 Zur epischen Tradition der Seeschlachten und ihrem Fehlen bei Homer vgl. Biggs 2019.

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hepunkt des historischen Durchblicks bildet.70 Ebenfalls ohne homerische Parallele hat Vergil zudem einen friedlichen Wettkampf mit Schiffen, eine Regatta beschrieben,71 und zwar als Teil der Spiele, die im 5. Buch recht ausführlich beschrieben werden: Nachdem Aeneas Karthago auf göttliche Weisung verlassen hat, kommt die trojanische Flotte erneut an Sizilien vorbei, woraus sich die Gelegenheit ergibt, des vor Jahresfrist ebendort verstorbenen Anchises zu gedenken und auf diese Weise zugleich das später in Rom zu diesem Zweck vom 13. bis 21. Februar gefeierte Fest der Parentalia zu begründen.72 Deren Abschluss bildeten die Feralia, die auch von Aeneas besonders aufwendig begangen werden, indem er verschiedene Wettbewerbe durchführen lässt. Solche ludi waren in Rom zwar kein fester Bestandteil der Parentalia, wurden aber durchaus gelegentlich im Rahmen privater Begräbnisfeiern der Nobilität aufgeführt.73 Auf die naheliegende Parallele der im Juli 44 v. Chr. von Octavian für seinen Adoptivvater C ­ aesar veranstalteten ludi Victoriae Caesaris verweist bereits Servius,74 auch wenn die Frage, auf wie viele Details sich diese Anspielung erstreckt, unterschiedliche Antworten gefunden hat.75 Neben diesen aitiologischen Bezügen auf die zeitgenössische kulturelle Praxis stehen die Spiele der Trojaner natürlich in der langen Tradition von Leichenspielen als Teil der epischen Gattung, mit denjenigen zu Ehren von Patroklos im 23. Buch der Ilias als wohl wichtigstem Vertreter.76 Darüber hinaus dürften sich vor allem über die Lokalisierung auf Sizilien Bezüge zu Vergils lateinischen Vorgängern ergeben haben, da die Insel sowohl in Naevius’ bellum Punicum wie bei Ennius eine zentrale Rolle spielte.77 Möglicherweise stammt auch die Idee, die traditionellen ›homerischen‹ Disziplinen um eine Regatta zu ergänzen, aus den Annalen des Letztgenannten, obwohl sich die betreffenden Fragmente auch 70 Vgl. Verg. Aen. 8,714–728 (siehe oben Kap. 2.1); zum Bezug auf die Regatta im 5. Buch vgl. z.B. Hardie 1987, 166 f. 71 Diese weist dafür aber einige Bezüge zur Fahrt der Argo bei Apollonios auf: vgl. Nelis 2001, 209–221. 72 Vgl. Verg. Aen. 5,42–103; zum anachronistischen Bezug auf den römischen Kalender v.a. Walter 2019a. 73 Vgl. Verg. Aen. 5,104–603 mit z.B. Binder 2019, II 390–453 und Walter 2020, 156–174. 74 Vgl. Serv. ad Aen. 5,45: frequenter, ut diximus, ad opus suum Vergilius aliqua ex historia derivat: nam sic omnia inducit, quasi divini honores solvantur Anchisae, quos constat Iulio Caesari tribuisse Augustum. 75 Besonders umstritten ist, ob der Feuer fangende Pfeil des Acestes (5,519–544) mit dem damals erscheinenden Kometen gleichgesetzt werden kann: vgl. dafür z.B. Glei 1991, 160 f., und Harrison 2006, 160–164, sowie dag. z.B. Heinze 1915, 165 f., und Binder 2019, II 444–447; sowie zum sidus Iulium in der Dichtung allg. Pandey 2013. 76 Zum Vergleich mit Homer vgl. z.B. Heinze 1915, 145–170; Kraggerud 1968, 118–232, und allg. Lovatt 2019. 77 Vgl. z.B. Goldschmidt 2013, 115–127, v.a. 116: »The anniversary games for Anchises’ death celebrated by the Trojans and the neighbouring Sicilians in Drepanum, therefore, also set up poetic antecedence for the Aeneid by foreshadowing the Punic narratives of Naevius and Ennius, …«

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auf eine Naumachie beziehen könnten.78 Die von Augustus unter anderem als Teil der Aktischen Spiele durchgeführten nautischen Wettkämpfe bilden aber so oder so einen weiteren Referenzpunkt.79 Die Anachronismen beschränken sich hier aber nicht auf das Schiffsrennen, auch wenn sie dort gehäuft auftreten, sondern lassen sich auch in den anderen Disziplinen – besonders prominent beim Boxkampf, der mit den typisch römischen caestus ausgetragen wird80 – und bereits in der Eröffnung durch Aeneas beobachten: Werden doch die Siegespreise circo … in medio präsentiert,81 wiederholt auf die offenbar entsprechend angeordneten Zuschauerreihen hingewiesen82 und das Startsignal schließlich mit einer Tuba gegeben,83 was von Servius explizit als Romano more bezeichnet wird.84 Wir wollen uns im Folgenden dennoch auf die Regatta konzentrieren, die fraglos ein besonders gutes Beispiel für die Verwendung der Technik der Zeitmontagen bietet.85 Dies zeigt sich schon an der recht ausführlichen Vorstellung der vier Teilnehmer und ihrer Schiffe:86 prima pares ineunt gravibus certamina remis quattuor ex omni delectae classe carinae.[115] velocem Mnestheus agit acri remige Pristim, mox Italus Mnestheus, genus a quo nomine Memmi, ingentemque Gyas ingenti mole Chimaeram, urbis opus, triplici pubes quam Dardana versu impellunt, terno consurgunt ordine remi;[120] Sergestusque, domus tenet a quo Sergia nomen, Centauro invehitur magna, Scyllaque Cloanthus caerulea, genus unde tibi, Romane Cluenti. 78 Vgl. Serv. ad Aen. 5,114 mit z.B. Kraggerud 1968, 128; Skutsch 1985, 622  f., und ­Goldschmidt 2013, 124–127. 79 Vgl. z.B. Heinze 1915, 155 f.; Briggs 1975, v.a. 275 f.; Feldherr 1995 und Anderson/Dix 2013, v.a. 11–15. 80 Vgl. v.a. Verg. Aen. 5,400b–405 mit z.B. Kraggerud 1968, 211–225; Feldherr 2002 und Binder 2019, II 430 f. 81 Verg. Aen. 5,109–110a: munera principio ante oculos circoque locantur // in medio, …; mit z.B. Feldherr 1995, 246: »The physical space of the circus receives explicit mention …« sowie dag. Binder 2019, II 401. 82 Vgl. v.a. Verg. Aen. 5,289 (circus); 5,664 (cunei) und 5,148 f. (Applaus) mit z.B. Horsfall 2016, 138 f. 83 Vgl. Verg. Aen. 5,113: et tuba commissos medio canit aggere ludos; sowie erneut in Verg. Aen. 5,139. 84 Vgl. Serv. ad Aen. 5,113 mit z.B. Fratantuono/Smith 2015, 213: »… here the instrument is probably more invested with Roman than Homeric associations, as the arena-like games are convened.« 85 Vgl. Verg. Aen. 5,114–285 mit z.B. Fratantuono/Smith 2015, 213–340, und Binder 2019, II 401–420, sowie für eine Interpretation mit Schwerpunkt auf den parodistischen Aspekten v.a. Dupont 2013, 123–133. 86 Verg. Aen. 5,114–123.

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Zum ersten Wettkampf treten gleichstark mit schweren Rudern vier Schiffe an, die aus der ganzen Flotte ausgewählt waren. [115] Die schnelle Pristis steuert Mnestheus mit eifrigen Ruderern, bald schon der Italer Mnestheus, von dessen Namen die Memmier abstammen, und Gyas die gewaltige Chimaira mit ihrer gewaltigen Masse, ein Werk wie eine Stadt, das die trojanische Jugend in drei Reihen antreibt, in dreifacher Ordnung heben sich die Ruder; [120] und Sergestus, von dem die Familie der Sergier ihren Namen hat, fährt auf der großen Kentaur und Cloanthus auf der blaugrünen Skylla, von dem deine Familie, Römer Cluentius, herrührt.

Hier wird einerseits ganz explizit ein Bezug zum weiteren Verlauf der Geschichte hergestellt, indem drei der vier Kapitäne als Vorfahren römischer Adelsfamilien eingeführt werden87 und allein Gyas ohne Nachkommen bleibt, was zu spekulativen Ergänzungen eingeladen hat.88 Da es sich bei dem bekanntesten Vertreter der gens Sergia um Catilina handelt, den Vergil als Teil der Schildbeschreibung später unter die Unterweltsbüßer einreihen wird, ist damit auch das folgende Scheitern seines Ahnherrn in der Regatta bereits präfiguriert.89 Neben dem aitiologischen Bezug über die Genealogie erweist sich aber auch die Beschreibung der Schiffe als weitere anachronistische Zeitmontage, da die meisten der genannten Merkmale offenkundig auf spätere Bootstypen Bezug nehmen: Das gilt schon für ihre mehrfach, vor allem im Vergleich mit einer urbs (v. 119) hervorgehobene gewaltige Größe, noch eindeutiger ist die doppelte Erwähnung der dreifachen Ruderreihen der Chimaira in demselben und nächsten Vers. Dass auch hier weniger wörtliche Lesarten diskutiert werden90 und die zweite Formulierung im 19.  Jh. als spätere Ergänzung zur Streichung vorgeschlagen wurde,91 kann noch einmal zeigen, dass Anachronismen innerhalb der Erzählung selbst dann Irritationen hervorrufen, wenn sie mit expliziten Gegenwartsbezügen in aitiologischer Form denkbar eng verbunden sind. Angesichts der zu Beginn betonten Vergleichbarkeit sollen wir uns darüber hinaus nicht nur das Schiff des Gyas, sondern auch die der anderen Teilnehmer als Triremen vorstellen.92 Ein weiteres Element der Modernisierung ist wohl in den jeweils ausdrücklich erwähnten Namen enthalten, da es sich bei den vier Fabelwesen 87 Vgl. z.B. Heinze 1915, 152 f.; Kraggerud 1968, 132–137; Glei 1991, 293–298, und F ­ eldherr 1995, 235–255. 88 Vgl. z.B. Serv. ad Aen. 5,117: a Gya Gegania, cuius non facit mentionem mit F ­ ratantuono/ Smith 2015, 221. 89 Vgl. Verg. Aen. 8,666–669 mit z.B. Muse 2007 und Fratantuono/Smith 2015, 224 f. 90 Vgl. z.B. DeWitt 1926 und Kraggerud 1968, 132 Anm. 46: »Triplici versu kann zugleich als ›in drei Versen‹ und ›mit drei Ruderreihen‹ ausgelegt werden.« 91 So hat Otto Ribbeck terno … remi (v. 120) athetiert; zu seinen Editionsprinzipien vgl. Conte 2021, 32–45. 92 Vgl. v.a. Sandbach 1990 [1965/66], 449 f.; aber auch für unterschiedliche Schiffstypen: ­Meijer 1988, 96 f.

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vermutlich zugleich um die Galionsfiguren der Schiffe handelt,93 wie sie später im 10.  Buch expressis verbis für die etruskische Flotte genannt werden94 und wie sie auch der Illustrator des Vergilius Vaticanus zum Ausdruck gebracht hat [Abb. 5].95

Abb. 5:  Die Schiffe der Teilnehmer an der Regatta: Vergilius Vaticanus 43v (um 400 n. Chr.) © Biblioteca Apostolica Vaticana.

Die Bezüge auf die Gegenwart der Leser werden auch im Folgenden nicht schwächer, wenn der Start des Rennens beschrieben wird. Nachdem Aeneas einen Felsen im Meer mit dem Zweig einer Eiche als Wendepunkt markiert hat und bereits hierfür der unter anderem aus dem Circus Maximus bekannte Begriff der meta verwendet wird,96 enthält auch die weitere Beschreibung eine ganze Reihe von Hinweisen auf den Ort und die typische Durchführung von Wagenrennen im zeitgenössischen Rom. Dies gilt nicht nur für das erneut mit der Tuba gegebene Startsignal, sondern auch für die als carceres (Schranken) bezeichnete Vorrichtung, die mit ihrer versetzten Anordnung einen fairen Start garantierte 93 Vgl. z.B. Sandbach 1990 [1965/66], 451; Kraggerud 1968, 136 f., und Hardie 1987, 165 f.; dass dabei Sergestus’ Schiff den Kentaur zeigt, den laut Properz (4,6,69) auch Marc Anton bei Actium verwendet hat, ist vermutlich als weiterer Hinweis auf sein Scheitern zu verstehen: vgl. Hardie 1987, 166 und Fratantuono/Smith 2015, 226. 94 Vgl. Verg. Aen. 10,156b–214; zu deren anachronistischen Potential siehe oben S. 90. 95 Vgl. Wright 1993, 131. 96 Vgl. Verg. Aen. 5,124–131 mit Kraggerud 1968, 137–142; Feldherr 1995, 246  f., und Anderson/Dix 2013, 6 f.

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und zugleich als repräsentative Gebäudefront diente,97 sowie für die ausführliche Beschreibung der akustischen Phänomene im weiten Rund:98 inde ubi clara dedit sonitum tuba, finibus omnes, haud mora, prosiluere suis; ferit aethera clamor [140] nauticus, adductis spumant freta versa lacertis. infindunt pariter sulcos, totumque dehiscit convulsum remis rostrisque tridentibus aequor: non tam praecipites biiugo certamine campum corripuere ruuntque effusi carcere currus,[145] nec sic immissis aurigae undantia lora concussere iugis pronique in verbera pendent. tum plausu fremituque virum studiisque faventum consonat omne nemus, vocemque inclusa volutant litora, pulsati colles clamore resultant.[150] Sobald die helltönende Tuba das Signal gibt, stürmen alle, ohne Verzug, von ihren Plätzen los; die Rufe der Seeleute erfüllen die Luft, [140] die von angespannten Armen gewendeten Wogen schäumen. Gleichmäßig ziehen sie Furchen, die ganze Fläche des Wassers birst auseinander, aufgewühlt von Rudern und dreizackigen Schiffsschnäbeln. Nicht legen so rasant die Rennwagen im Wettkampf der Zweigespanne die Bahn zurück, wenn sie losstürzen, herausgeschossen aus den Schranken, [145] und nicht lassen die Lenker so sehr ihre geschwungenen Zügel auf die angetriebenen Gespanne klatschen und beugen sich zum Schlag vornüber. Da ertönt der ganze Hain vom Jubel und Brüllen der Männer und vom Eifer der Unterstützer und die umgebende Bucht wirft die Stimmen zurück und die von den Schreien getroffenen Hügel lassen sie widerhallen. [150]

Die anachronistische Überblendung des Austragungsortes der Regatta vor der prähistorischen Küste Siziliens mit dem Circus Maximus im zeitgenössischen Rom findet hier allerdings nicht nur bei der Beschreibung des Hintergrundes der Handlung statt, sondern wird dadurch verstärkt, dass der Start der Schiffe auch auf der Ebene eines Gleichnisses mit dem eines Wagenrennens parallelisiert wird. Mit dem Beitrag von Gleichnissen zum Effekt der Zeitmontagen werden wir uns zwar im nächsten Kapitel noch ausführlicher beschäftigen,99 beide Elemente sind hier aber so eng miteinander verbunden, dass sich das eine nicht vom anderen trennen lässt. Doch bereits das Gleichnis als solches ist recht voraussetzungsreich und spielt auf gleich mehrere Vorgänger an:100 Zum einen stellt sicherlich das Wagenrennen als Teil der Leichenspiele für Patroklos in der 97 Sie waren vermutlich von Caesar errichtet und Augustus restauriert worden: vgl. z.B. Feldherr 1995, 248 f. 98 Verg. Aen. 5,139–150. 99 Siehe unten Kap. 6. 100 Vgl. z.B. Kraggerud 1968, 130–132; Feldherr 1995, 245  f.; Anderson/Dix 2013, 4–6; Fratantuono/Smith 2015, 248 f., und Binder 2019, II 404–409.

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Ilias einen wichtigen Referenzpunkt dar,101 daneben liegt vermutlich eine Anspielung auf den Vergleich eines startenden Schiffs mit einem Viergespann aus der Odyssee vor, wobei sich Vergils Entscheidung für die seltenere sprachlich verneinte Form auch als Überbietungsgestus verstehen lässt.102 Die spannungsgeladene Atmosphäre unmittelbar vor dem Beginn eines Wagenrennens im Circus Maximus wird aber schon von Ennius für ein Gleichnis verwendet, um das bange Warten von Romulus und Remus auf das Erscheinen der Vögel und damit den Ausgang des Auguriums darüber, wer von beiden der neuen Stadt seinen Namen geben darf, zu verdeutlichen.103 Darüber hinaus hat Vergil ein ähnliches Gleichnis, zum Teil mit den gleichen Formulierungen, schon im 3.  Buch der Georgica im Zusammenhang mit der Auswahl von Zuchtpferden verwendet.104 Für unsere Fragestellung erweist sich das ennianische Vorbild als besonders relevant, wird doch auch dort die übliche Blickrichtung eines Gleichnisses geradezu auf den Kopf gestellt, indem ein Phänomen aus dem Bereich der menschlichen Zivilisation nicht mit einer Erscheinung aus der Natur, sondern mit einem solchen aus einer technisch komplexeren Kulturstufe parallelisiert wird. Damit geht zugleich der anachronistische Charakter des Vergleichs einher und der Beitrag zu dem die Passage im Ganzen prägenden Effekt einer Zeitmontage. Dieser bleibt auch für den weiteren Verlauf der Regatta bestimmend, wenn die konkreten Bezüge auch nicht mehr in der gleichen Häufung auftreten wie zu Beginn.105 Gleichwohl lässt sich die Schilderung des wechselvollen Rennverlaufs mit der Umrundung der meta,106 dem Scheitern des Sergestus und des Gyas aufgrund ihrer charakterlichen Defizite sowie dem Erfolg der beiden anderen Schiffe durch richtige Führung und kollektive Leistung auch als eine Art Vorwegnahme der künftigen römischen Geschichte verstehen.107 Das gilt auch für die anderen Disziplinen, bevor die Bezüge auf das zeitgenössische Rom in der ausführlichen Beschreibung des Troja-Spiels,108 vor allem durch seinen expliziten Charakter als Aition,109 aber auch erneut als impliziter Hintergrund 101 Vgl. Hom. Il. 23,362–372. 102 Vgl. Hom. Od. 13,81–92 mit Macr. Sat. 5,11,20–22 und Schmitz 2015, 541. 103 Vgl. Enn. ann. Frg. 72–91 und 463–467 Skutsch mit z.B. Goldschmidt 2013, 122–127; ausführlicher siehe unten Kap. 6.1. 104 Vgl. Verg. georg. 3,103–112 mit z.B. Briggs 1980, 25 f. 105 Vgl. Verg. Aen. 5,151–285 mit z.B. Stégen 1968. 106 Zu diesem Umfahren als Analogie zum Wendepunkt der Handlung im Ganzen vgl. Kraggerud 1968, 142–179. 107 Vgl. Feldherr 1995, v.a. 255: »The boat race itself becomes another turning post, recasting the entire Trojan mission as a voyage toward the Roman future, as well as away from the Trojan past.« sowie ferner Kraggerud 1968, v.a. 128–130; Briggs 1975, 268 f., und Delvigo 2001, v.a. 15 f. 108 Vgl. Verg. Aen. 5,545–603 mit z.B. Fratantuono/Smith 2015, 531–578, und Binder 2019, II 447–453. 109 Hierzu vgl. v.a. Walter 2020, 157–165.

Pilum und gladius: Der Kampf gegen die Latiner als Bürgerkrieg

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für die geschilderte Handlung,110 wieder deutlicher werden. Damit ist dann zugleich der Übergang zur weiteren, nun bereits in Italien spielenden Handlung der nächsten Bücher vorbereitet.

5.3 Pilum und gladius: Der Kampf gegen die Latiner als Bürgerkrieg Die in der zweiten Hälfte der Aeneis ausführlich geschilderten Kämpfe der Trojaner mit den im prähistorischen Italien beheimateten Latinern und ihren Verbündeten lassen sich angesichts des Umstandes, dass, wie sich am Ende des Epos bereits abzeichnet, sie beide gemeinsam zukünftig den populus Romanus bilden werden, als ein Bürgerkrieg avant la lettre verstehen. Dabei bietet sich allerdings nicht so sehr die zur Abfassungszeit des Werks nur wenige Jahre zurückliegende Auseinandersetzung zwischen Octavian und Marc Anton als Vergleichspunkt an, sondern der als Bundesgenossenkrieg bekannte Aufstand der Mehrzahl der italischen Verbündeten (91–88 v. Chr.), der zwar mit einem Sieg Roms endete, aber dennoch zu einer signifikanten Ausweitung des Bürgerrechts und damit letztlich auch zu einer Integration der ehemaligen Gegner führte.111 Die Bezüge auf die Konflikte des 1. Jh. v. Chr., die sich bereits aus der ethnischen Konstellation ergeben, werden dadurch noch deutlicher akzentuiert, dass für ihre Schilderung wiederum nicht flächendeckend, aber wiederholt und schlaglichtartig auf Waffen und Kampftechniken aus der Gegenwart des Autors und seiner Leser zurückgegriffen wird. Damit wird sicherlich einerseits die Relevanz der dargestellten Ereignisse für die eigene Zeit erhöht, andererseits vielleicht auch einer eindimensionalen Glorifizierung durch poetische Verfremdung entgegengewirkt.112 Angesichts des Umstandes, dass in dieser Spiegelung späterer Bürgerkriege im prähistorischen Latium letztlich zukünftige Römer gegen zukünftige R ­ ömer kämpfen, ist es nicht überraschend, dass zeitgenössische Waffen und Rüstungsgegenstände nicht nur dazu verwendet werden, den Gegnern des Aeneas italisches Kolorit zu verleihen,113 sondern auch die Trojaner selbst immer mal wieder mit den gleichen Requisiten ausgestattet werden, und zwar von Anfang 110 Vgl. z.B. Verg. Aen. 5,551b f.: … ipse omnem longo decedere circo // infusum populum et campos iubet esse patentis. mit z.B. Fratantuono/Smith 2015, 540. 111 Vgl. Glei 1991, 178–181; Suerbaum 1999, 144–146; Ando 2002; Reed 2007; ­Pogorzelski 2009; Reed 2010; Marincola 2010; Fletcher 2014, v.a. 243–247, und Suerbaum 2017. 112 Vgl. in diesem Sinne Lyne 1989, 100–116, v.a. 100: »In particular, the second half of the poem sees a war that illustrates many of the agonies and dilemmas of the civil wars of recent Roman history, and Virgil could not want these to be distanced, much less glamorized. To keep reality present in this war narrative, Vergil exploits some of the language characteristic of military prose, the language used for example by Caesar ...« 113 Vgl. z.B. Heinze 1915, 201–205.

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an und sogar schon im Rückblick auf ihre alte Heimat, wie wir oben gesehen haben.114 Gleichwohl lässt sich bei der Verwendung dieser Form der Zeitmontage eine Zunahme in den zweiten sechs Büchern des Epos beobachten, der wir uns nun zuwenden wollen. Dabei werden wir uns zunächst die besonders ins Auge fallende Erwähnung anachronistischer Elemente im Italerkatalog ansehen. Entsprechende Requisiten werden aber nicht nur einführend aufgezählt, sondern immer wieder punktuell bei der Schilderung einzelner Szenen und Kämpfe, nicht zuletzt bei der Beschreibung der Bewegung größerer Truppenverbände, verwendet, wie sich im Folgenden zeigen wird. Im 7.  Buch liegt der Akzent zunächst allerdings weder auf einer historisch korrekten noch einer modern verfremdeten Ausrüstung, sondern darauf, dass die Latiner als Folge einer langen Friedenszeit bei den ersten, durch Allecto ausgelösten Feindseligkeiten auf die Werkzeuge ihrer bäuerlichen Tätigkeit angewiesen sind und diese erst nach und nach durch militärische Waffen ersetzt werden.115 Derselbe Übergang wird noch einmal in Szene gesetzt, nachdem Juno gegen den Willen des Königs Latinus die Pforten des Krieges geöffnet hat und von einer begeisterten Bevölkerung entsprechende Vorbereitungen getroffen werden, wie sich besonders daran zeigt, dass aus Sicheln und Pflugscharen wieder Schwerter geschmiedet werden.116 Für die in großer Zahl genannten Rüstungsgegenstände werden allerdings durchgängig die für die epische Zeit charakteristischen Bezeichnungen gewählt (z.B. clipei, spicula, securis, tela, thoraces, ocreae, ensis, galeae und loricae), so dass hier auch bei den ebenfalls erwähnten Feldzeichen (signa),117 Signaltrompeten (tubae, classica)118 und ausgegebenen Parolen (tessera)119 eher kein Bezug zu den historisch gesehen späteren militärtaktischen Erfindungen intendiert sein dürfte. Dieselbe epische Normalität mit einer gewissen archaischen Akzentuierung, die sich vor allem aus der Betonung der bäuerlich geprägten Lebenswelt der Latiner ergibt, zeigt sich auch in der sich unmittelbar anschließenden ausführlichen Vorstellung der Anführer und Aufgebote aus den verschiedenen Städten

114 Vgl. Verg. Aen. 1,94b–101; siehe oben Kap. 5.1. 115 Vgl. Verg. Aen. 7,505–527 mit z.B. Wimmel 1973, 48 f.; Horsfall 2000, 337–348, und Binder 2019, III 67. 116 Vgl. Verg. Aen. 7,623–640 mit z.B. Horsfall 2000, 402–414, und Binder 2019, III 78–80. 117 Vgl. Verg. Aen. 7,628 sowie zum anachronistischen Gebrauch zeitgenössischer Feldzeichen an anderen Stellen allg. Lersch 1836, 51–54, und Heinze 1915, 196. 118 Vgl. Verg. Aen. 7,628 und 637; obwohl die Trompete in der Ilias nur im Gleichnis vorkommt (Hom. Il. 18,219–221), lässt Vergil schon vor Troja Angreifer wie Verteidiger von ihr Gebrauch machen: vgl. Verg. Aen. 2,313 (Griechen) und Aen. 6,164–167 (Misenus als Herold Hektors) mit z.B. Heinze 1915, 196. 119 Vgl. Verg. Aen. 7,637 mit Horsfall 2000, 412, der sich entschieden gegen eine (schriftliche) Parole und für ein (archaisches) materielles Symbol ausspricht, das zur Kriegsankündigung im Land herumgetragen wird.

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und Gegenden des alten Italiens.120 Hierfür wie auch für die spätere Präsentation des etruskischen Heeres greift Vergil auf die entsprechenden Vorbilder bei Homer zurück, vor allem auf den detaillierten Schiffskatalog im 2.  Buch der Ilias.121 Während im Falle der mit Aeneas verbündeten Etrusker für unsere Fragestellung vor allem die Beschreibung der Schiffe einschlägig ist,122 weist die Vorstellung der italischen Gegner der Trojaner eine Vielzahl anachronistischer Zeitmontagen auf, mit denen das von ihnen im Kopf des Lesers entstehende Bild neben dem Verweis auf ihre Verwurzelung in einer goldenen Frühzeit zusätzlich Bezüge auf die spätere Geschichte Roms und die mit seinen Nachbarn geführten Kriege erhält. Diese in unterschiedliche historische Richtungen weisenden Vorstellungen können dabei auf engstem Raum miteinander verbunden und somit beinahe gleichzeitig aufgerufen werden. So wird das unter Führung des Caeculus stehende Kontingent aus Praeneste einleitend als legio agrestis charakterisiert und genau dieser Doppelcharakter damit gut auf den Punkt gebracht.123 Bei der konkreten Beschreibung seiner Bewaffnung liegt der Fokus dann allerdings vor allem auf der archaischen Einfachheit, wenn beispielsweise von Schleudern für Bleikugeln oder von Helmen aus Wolfsfell die Rede ist.124 Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch bei den von Halaesus125 und Oebalus126 kommandierten Kämpfern aus Kampanien beobachten, auch wenn einige der genannten Waffen so ungewöhnlich sind, dass eine genaue Vorstellung und zeitliche Einordnung schwer fällt.127 Beide Aspekte finden sich aber in der Schilderung der Requisiten, die für die dem Aventinus folgenden latinischen Truppen genannt werden, auf engstem Raum miteinander verbunden.128 Dieses an zweiter Stelle des Katalogs prominent erwähnte Aufgebot zeichnet sich nicht nur durch die auf den Aventin und damit das Stadtgebiet des künftigen Roms zurückgeführte Herkunft ihres Anführer aus,129 sondern 120 Vgl. Verg. Aen. 7,641–817 mit z.B. Rehm 1932, 88–92; Horsfall 2000, 414–422, und Binder 2019, III 81–109. 121 Vgl. Verg. Aen. 10,163–214 und Hom. Il. 2,484–760 mit Harrison 1991, 106–129, und Binder 2019, III 341–349. 122 Zu deren anachronistischer Schilderung siehe oben Kap. 5.2. 123 Vgl. Verg. Aen. 7,678–690, v.a. 681, mit z.B. Horsfall 2000, 442–451, v.a. 444, der sich allerdings dagegen ausspricht, legio anachronistisch aufzufassen. 124 Vgl. Verg. Aen. 7,685b–690. 125 Vgl. Verg. Aen. 7,723–732 mit Horsfall 2000, 473–478. 126 Vgl. Verg. Aen. 7,733–743 mit Horsfall 2000, 478–485. 127 So vor allem bei den aclydes, wohl eine Art Wurfspeer (vgl. Verg. Aen. 7,730b f. mit Horsfall 2000, 477) oder den cateiae, wohl eine Art Bumerang (vgl. Verg. Aen. 7,741 mit Horsfall 2000, 483 f., und Binder 2019, III 98), die mit einem wiederum anachronistischen Vergleich als Teutonico ritu beschreiben werden: siehe unten Kap. 6.2. 128 Vgl. Verg. Aen. 7,655–669 mit Saunders 1930, 147–150; Horsfall 2000, 430–438, und Binder 2019, III 84–86. 129 Vgl. Verg. Aen. 7,659 f. mit z.B. Horsfall 2000, 430, der die Abweichung von der übrigen Tradition betont.

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auch dadurch, dass es unter anderem mit dem pilum und damit der römischen Waffe schlechthin, wie schon Servius zu dieser Stelle festhält,130 ausgestattet ist. Diese wurde allerdings erst im Laufe der Republik eingeführt:131 pila manu saevosque gerunt in bella dolones et tereti pugnant mucrone veruque Sabello. Wurfspeere und schrecklich anzusehende Piken bringen sie in ihren Händen zur Schlacht und kämpfen mit länglichem Schwert und sabellischem Spieß.

Während Vergil andere zeitgenössische Ausrüstungsgegenstände häufiger erwähnt, findet das pilum nur an dieser Stelle sicher Verwendung,132 wodurch die mit der Zeitmontage verbundene Wirkung und Irritation wohl noch einmal gesteigert wird.133 Doch auch hier lässt sich der für den Italerkatalog generell prägende Doppelcharakter beobachten, da noch im gleichen Vers der dolo oder dolon als weitere Waffe der Latiner angeführt wird. Mit diesem selten belegten Wort134 wird laut Servius entweder ein Dreschflegel mit versteckter Klinge (von der Täuschung soll der Name stammen)135 oder eine Art Pike bezeichnet, wofür er sich auf Varro beruft.136 In beiden Fällen darf man aber wohl vermuten, dass es sich um eine besonders altertümliche Waffe handeln soll. Derselbe Effekt wiederholt sich im folgenden Vers, wenn das an sich unauffällige und von Vergil oft als Alternative und Metonymie zu gladius verwendete Wort mucro mit dem veru Sabellum, dem traditionellen Spieß der Samniten,137 kombiniert wird.138 Noch eindeutiger auf die römische Zukunft ausgerichtet sind die Hinweise, die sich besonders gehäuft bei der Präsentation des sabinischen Aufgebots fin 130 Vgl. Serv. ad Aen. 7,664: pilum proprie est hasta Romana, ut gaesa Gallorum, sarissae Macedonum. 131 Verg. Aen. 7,664 f. mit z.B. Horsfall 2000, 435: »… though ancient texts differ on the precise date of the pilum’s introduction (…), they concur on the c.4, …« sowie ferner Bishop/ Coulston 2006, 50–53. 132 An einer anderen Stelle gebraucht er noch das Adjektiv pilatus (Verg. Aen. 12,121), dessen Verbindung mit pilum allerdings umstritten ist, siehe unten S. 109. 133 Vgl. z.B. Lyne 1989, 105 f. 134 Ebenfalls als Teil eines Katalogs exotischer Kämpfer wird es auch von Silius Italicus aufgriffen (3,249–251). 135 Vgl. Serv. ad Aen. 7,664: dolo est aut flagellum, intra cuius virgam latet pugio … dolones autem a fallendo dicti sunt, quod decipiant ferro, cum speciem praeferant ligni; mit Suet. Claud. 13,1; Dom. 17,1 und Isid. 18,9,4. 136 Vgl. Horsfall 2000, 435, der es für wahrscheinlich hält, dass sich Vergil hier auch sonst an Varro orientiert. 137 Vgl. Malavolta 1996, 122, und Horsfall 2000, 435. 138 Laut Servius sind die v. 665 genannten Begriffe von einigen Lesern in seiner Zeit als Synonyme zu den in v. 664 genannten Waffen verstanden worden: vgl. Serv. ad Aen. 7,664 mit z.B. Saunders 1930, 148 f., und Williams 1973, 216, sowie dag. Horsfall 2000, 434: »The ›chiastic hendiadys‹ thus proposed one had its followers (…), but is unacceptable as Latin and conflicts with the little we know of the rarer weapons involved.«

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den lassen.139 Wird hier doch nicht nur der Anführer der Sabiner Clausus ganz explizit als Ahnherr der gens Claudia vorgestellt, sondern auch die umfangreiche Aufzählung ihrer Herkunftsorte mit anachronistischen Angaben angereichert,140 von denen der Verweis auf die durch die vernichtende Niederlage der Claudier im 4. Jh. v. Chr. berühmt-berüchtigt gewordene Allia nur der offenkundigste ist.141 Die gleiche Technik der Zeitmontagen kommt aber auch bei der Schilderung des Erscheinungsbildes der sabinischen Truppen zur Anwendung: So wird gleich das erste Kontingent aus Amiternum als cohors bezeichnet142 und in der abschließenden Zusammenfassung des akustischen Eindrucks, den das Aufgebot im Ganzen hinterlässt, der charakteristische Schild des römischen Legionärs prominent erwähnt: scuta sonant pulsuque pedum conterrita tellus.143 Mit dem Verweis auf die gleiche Requisite findet auch bei der Beschreibung der von Turnus angeführten Truppenteile eine Aktualisierung statt:144 Allerdings sind es hier nur die Männer aus Labicum, die mit bemalten scuta in den Kampf ziehen,145 während Turnus selbst mit dem epischen Rundschild gerüstet ist und auch seine Gefolgsleute einleitend als clipeata agmina bezeichnet werden.146 Es ist aber genau dieses Nebeneinander von prähistorischer Normalität und anachronistischen Gegenwartsbezügen in Form punktueller Zeitmontagen, das nicht nur für die Kataloge, wie es oft angenommen wird,147 sondern auch für die eigentliche Handlung in der zweiten Hälfte der Aeneis kennzeichnend ist. Das gilt bereits allgemein für die Darstellung des Kampfgeschehens, die sich einerseits am Vorbild Homers orientiert, andererseits aber auch Neuerungen enthält,148 von denen die Erwähnung der Reiterei zusätzlich zum Streitwagen wohl am meisten ins Auge sticht.149 Schaut man jedoch etwas genauer auf die Verwendung der Requisiten, zeigt sich, dass auch hier anachronistische Ausrüstungsgegenstände zwar erneut nur punktuell, aber dafür sehr gezielt genannt werden. Das gilt sowohl in der Schilderung einzelner Kämpfe, auch wenn dabei zumeist das 139 Vgl. Verg. Aen. 7,706–722 mit Horsfall 2000, 462–473, und Binder 2019, III 92–94. 140 So merkt Servius an, dass Nomentum zu dieser Zeit noch nicht existierte: vgl. Serv. ad Aen. 7,712: hoc ex sua persona dicit poeta: nam adhuc civitas Nomentana non fuerat, …mit Stok 2016, 424–430. 141 Vgl. Verg. Aen. 7,717: quosque secans infaustum interluit Allia nomen; mit z.B. Horsfall 2000, 470. 142 Vgl. Verg. Aen. 7,710 mit Binder 2019, III 93 f., der die Bezeichnung Quirites als Anachronismus versteht. 143 Verg. Aen. 7,722; zum möglichen sabininischen Ursprung des scutum als Erklärung für seine Erwähnung an dieser Stelle vgl. die Hinweise bei Horsfall 2000, 472 f., der sie zu Recht für nicht notwendig hält. 144 Vgl. Verg. Aen. 7,783–802 mit z.B. Horsfall 2000, 507–519, und Binder 2019, III 105–108. 145 Vgl. Verg. Aen. 7,796b: et picti scuta Labici. 146 Vgl. Verg. Aen. 7,793 f. 147 Vgl. z.B. Heinze 1915, 201 f., und Malavolta 1996, v.a. 116 f. 148 Vgl. z.B. Heinze 1915, 193–236; Raabe 1974, 166–242, und Rossi 2004, 73–168. 149 Vgl. z.B. Heinze 1915, 197–201; Couissin 1931/32, 615–622, und Malavolta 1996, 154–161.

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epische Vokabular dominiert, als auch in der Beschreibung größerer Truppenverbände und ihrer Bewegungen.150 Im zweiten Fall kommt zur Charakterisierung über die Bewaffnung mit beispielsweise dem scutum noch die Bezeichnung des Heeres oder einzelner Abteilungen als legio beziehungsweise cohors.151 Während von Kohorten insgesamt an vier Stellen die Rede ist und bei der Hälfte wohl eine übertragene Bedeutung vorliegt,152 sind die sieben Belege für legio, dessen Verwendung übrigens auch im Servius auctus als Anachronismus wahrgenommen wird,153 auch inhaltlich jeweils signifikant, wie wir im Folgenden sehen werden.154 Wenn wir vor diesem Hintergrund zunächst einen Blick darauf werfen, wie im anschließenden 8. Buch der erfolgreiche Versuch des Aeneas, Euander und die an der Stelle des späteren Rom siedelnden Arkader als Verbündete zu gewinnen, geschildert wird, zeigt sich, dass durch die schlaglichtartige Verwendung entsprechender Requisiten nicht nur der Eindruck erzeugt wird, dass es sich bei den Trojanern schon um Römer avant la lettre handelt, sondern dass dies auch bei ihren Verbündeten wie ihren Gegnern der Fall ist. Wobei gerade durch den letzten Aspekt noch einmal unterstrichen wird, dass die im Folgenden geschilderten Konflikte nicht zuletzt als ein Spiegel der Bürgerkriege des 1. Jh. v. Chr. verstanden werden können. Zunächst sind es jedoch naheliegenderweise die Trojaner, die als zukünftige Römer präsentiert werden, wenn ihre Delegation auf dem Tiber zur Stadt des Euander fährt und ihr ungewohnter Anblick das Staunen des Flusses wie der ihn umgebenden Natur auslöst:155 labitur uncta vadis abies; mirantur et undae, miratur nemus insuetum fulgentia longe scuta virum fluvio pictasque innare carinas. Das geteerte Tannenholz gleitet durchs Wasser; es wundern sich die Wogen, es wundert sich der damit unvertraute Wald, dass die weithin funkelnden Schilde der Männer und die bemalten Schiffe auf dem Fluss schwimmen. 150 Für einen größeren Unterschied zwischen beiden Formen vgl. Sandbach 1990 [1965/66], 457, und Lyne 1989, 101: »As a rule he excludes from the battle scenes terminology that smacks strongly of contemporary Roman army (prosaisms). Trojans and Italians (and Greeks) fight predominantly with neutral diction, i.e. with terms that might be used of contemporary military equipment, but which were equally at home in poetry: …« 151 Vgl. hierzu allg. z.B. Anthony 1930, 118, und Malavolta 1996, 150–154. 152 Vgl. Verg. Aen. 3,563 [Flotte des Aeneas]; 7,710 [Sabiner]; 10,328 [Söhne des Phorkus] und 11,500 [Volsker]. 153 Vgl. Serv. ad Aen. 10,120: prolepsis: nam legionis nomen Troiani temporis non fuit mit Stok 2016, 419, der zudem darauf hinweist, dass Servius selbst legio gleichwohl an mehreren Stellen verwendet. 154 Vgl. Verg. Aen. 7,681; 8,605; 9,174; 9,368; 10,120; 12,121 und 12,563. 155 Verg. Aen. 8,91–93 mit z.B. Fratantuono/Smith 2018, 208–212, und Binder 2019, III 122–125, die auf die Bezüge zu Ennius’ Annalen im einleitenden Vers hinweisen (Enn. ann. Frg. 376 und 505 Skutsch).

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Das typische römische scutum kommt später noch einmal vor, wenn Aeneas, durch ein Zeichen seiner Mutter Venus ermutigt, den Sieg in den auf ihn wartenden Kämpfen schon vor Augen zu haben meint. Diesmal ist es allerdings Teil der Ausrüstung gerade seiner Gegner:156 ›heu quantae miseris caedes Laurentibus instant! quas poenas mihi, Turne, dabis! quam multa sub undas scuta virum galeasque et fortia corpora volves, Thybri pater! poscant acies et foedera rumpant.‹[540] »Oh welch ein Blutbad steht den beklagenswerten Laurenten bevor! Welche Buße wirst du mir, Turnus, leisten! Wie viele Schilde der Männer und Helme und ihre starken Körper wirst du, Vater Tiber, unter deinen Wogen hin und her wälzen! Sollen sie doch Schlachten fordern und Verträge brechen!« [540]

Aeneas’ zuversichtliche Worte erhalten hier zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie sprachlich eng auf seine allererste Rede Bezug nehmen, mit der er mitten im Seesturm seiner Verzweiflung Ausdruck verlieh, indem er sich wünschte, auch vor Troja gefallen zu sein, wo der Simois die ebenfalls schon mit dem scutum versehenen Leichname seiner Landsleute hin und her wälzte.157 Es sind aber nicht nur die Trojaner, die in gewisser Weise schon immer Römer waren, sondern auch ihre zukünftigen Gegner, wie in der Erinnerung Euanders deutlich wird, wenn er auf den in seiner Jugend vor Praeneste errungenen Sieg zurückblickt und festhält, dass er im Anschluss die zu einem Haufen geschichteten scuta der Unterlegenen verbrannt habe.158 Für das Bild eines bevorstehenden Bürgerkriegs, auf dem beide Seiten die Waffen künftiger Römer tragen werden, ist aber nicht nur die wiederholte Erwähnung des scutum wichtig,159 sondern auch die Bezeichnung des Heeres der Etrusker, das sich den Trojanern anschließt, als legio, und zwar in genau dem Moment, in dem Aeneas es zum ersten Mal erblickt.160 Es sind daher neben verwandten Vorstellungen nicht zuletzt diese beiden Begriffe, die auch in der Schilderung der Kämpfe selbst immer wieder auftauchen und somit für eine

156 Verg. Aen. 8,537–540 mit Fratantuono/Smith 2018, 590, und Binder 2019, III 179. 157 Vgl. Verg. Aen. 1,94b–101; siehe oben Kap. 5.1. 158 Vgl. Verg. Aen. 8,561 f.: qualis eram cum primam aciem Praeneste sub ipsa // stravi scutorumque incendi victor acervos; zu der Funktion dieser Schilderung als Aition eines späteren römischen Brauches vgl. Serv. ad Aen. 8,562 mit Fratantuono/Smith 2018, 604 f., und Binder 2019, III 184 (u.a. mit Verweis auf Liv. 1,37,5). 159 Eine weitere Erwähnung findet sich in der Beschreibung von Aeneas’ Schild, bei dem es sich im Übrigen um einen clipeus handelt, und zwar als Teil der Ausrüstung der Gallier, die das Kapitol einzunehmen versuchen: Verg. Aen. 8,662; hierbei ist wahrscheinlich an spezifisch keltische Schilde gedacht: vgl. Eichberg 1987, 166 f. 160 Vgl. Verg. Aen. 8,605 mit z.B. Fratantuono/Smith 2018, 634: » … not necessarily anachronistic (…), though the poet’s contemporary audience would of course think first of the Roman military machine, …«

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punktuelle Verbindung der epischen Handlung mit der Gegenwart des Autors und seiner zeitgenössischen Leser hin sorgen. Das gilt zunächst für die im 9. Buch ausführlich beschriebenen Auseinandersetzungen um das Lager der Trojaner an der Mündung des Tiber, das während Aeneas’ Abwesenheit von Turnus belagert wird. Die Anlage dieses ersten trojanischen Stützpunktes wird im Übrigen sowohl nach dem Muster eines römischen castrum wie einer zivilen urbs geschildert und bildet daher selbst eine wichtige Zeitmontage auf der Ebene der Szenerie.161 Dieser bereits durch die Architektur hervorgerufene Effekt wird zum einen noch dadurch gesteigert, dass die Verteidiger bei ihrem Wachdienst auf den Palisaden explizit als legio bezeichnet werden.162 Zum anderen werden die Anführer der Trojaner um den jungen Ascanius bei ihrer Beratung, ob sie Nisus und Euryalus den von ihnen vorgeschlagenen Versuch eines Durchbrechens der feindlichen Linien gestatten sollen, mit dem scutum ausgestattet,163 wie im Vergilius Romanus in Szene gesetzt [Abb. 6].164

Abb. 6:  Anführer der Trojaner beraten im Lager: Vergilius Vaticanus 73v (um 400 n. Chr.). © Biblioteca Apostolica Vaticana. 161 Siehe oben Kap. 4.4. 162 Vgl. Verg. Aen. 9,174 f.: omnis per muros legio, sortita periclum, // excubat exercetque vices, quod cuique tuendum est. 163 Vgl. Verg. Aen. 9,229  f.: stant longis adnixi hastis et scuta tenentes // castrorum et campi medio; sowie gegen eine Bedeutung der Wortwahl an dieser Stelle z.B. Dingel 1997, 116: »Wenn Vergil von scutum spricht, so will dies weder technisch noch historisch präzis aufgefaßt sein.« 164 Vgl. Wright 1993, 72 f.

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Aber auch die Latiner werden mit genau denselben sprachlichen Mitteln als zukünftige Römer präsentiert,165 wie sich vor allem an dem Reitertrupp zeigt, dessen unvermutetes Erscheinen Nisus und Euryalus bei ihrem nächtlichen Durchbruchsversuch zum Verhängnis wird:166 interea praemissi equites ex urbe Latina, cetera dum legio campis instructa moratur, ibant et Turno regis responsa ferebant, ter centum, scutati omnes, Volcente magistro.[370] Unterdessen waren Reiter auf ihrem Weg, aus der Latinerstadt entsandt, während das übrige Heer geordnet aufgestellt in der Ebene verweilte, und brachten dem Turnus Nachrichten vom König, dreihundert, alle mit Schilden, Volcens war ihr Anführer. [370]

Hier finden wir nicht nur legio und scutum erneut und auf engstem Raum kombiniert, sondern zudem noch weitere Hinweise auf das spätere römische Militärwesen: So ist, wie schon Servius anmerkt, die Zahl dreihundert nicht zufällig gewählt, sondern nimmt auf die übliche Größe der einer Legion zugeordneten Reiterei Bezug.167 Ebenso erinnern die Bezeichnung des Volcens an den Titel eines magister equitum und das Adjektiv instructus an den militärischen Fachausdruck für die ordnungsgemäße Aufstellung eines Heeres, wie er etwa von Caesar verwendet wird. In den erbitterten Kämpfen, die am nächsten Tag auf das gescheiterte Unternehmen von Nisus und Euryalus folgen, wird zunächst der Angriff der Latiner auf das Lager der Trojaner in einer Art und Weise geschildert, die vor allem mit der Verwendung der Tuba168 und des als testudo bezeichneten Schilddachs169 deutliche Bezüge auf die spätere römische Praxis aufweist.170 Aber auch die Verteidiger verfügen über einen hölzernen Turm,171 der an die Fortifikationstech 165 Servius vermutet auch schon bei der Einteilung der Belagerung nach Hundertschaften einen Bezug auf die Centurionen, auch wenn der Begriff nicht fällt: vgl. Verg. Aen. 9,161–163 mit Serv. ad Aen. 9,160: centurionum scilicet, ex more Romanae militiae: nam ex numero militum qui eos sequuntur, gradus dignitatis apparet. 166 Verg. Aen. 9,367–370 mit Binder 2019, III 255: »Sprachlich lassen die einleitenden Verse 367-377 den Leser an römische Verhältnisse republikanischer Zeit denken: Die Szene wird anachronistisch in römisch-militärisches Kolorit getaucht.« 167 Vgl. Serv. ad Aen. 9,368, der allerdings auch die scuta mit dem Verweis auf die römische Kavallerie erklärt. 168 Vgl. Verg. Aen. 9,503 f.; der Vers nimmt die Beschreibung ihrer Wirkung bei Ennius auf: ann. Frg. 451 Skutsch. 169 Vgl. Verg. Aen. 9,505: accelerant acta pariter testudine Volsci; wie der weitere Verlauf (515 f.) zeigt, handelt es sich hier um die entsprechende Formation, keine feste Konstruktion (zum Bedeutungsspektrum siehe oben Kap. 5.1. 170 Vgl. Dingel 1997, 195–199; Rossi 2004, 180–188, und Binder 2019, III 278 f.; zur zeitgenössisch beeinflussten Schilderung der Belagerung in Troja siehe oben Kap. 5.1 (mit weiterer Literatur zu Belagerungen allgemein). 171 Vgl. Verg. Aen. 9,530–544 mit z.B. Dingel 1997, 201–205, und Binder 2019, III 280 f.

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niken denken lässt, wie sie etwa von Caesar in den commentarii de bello civili beschrieben werden,172 auch wenn er am Ende dem Angriff des Turnus nicht standhält. Zu den auf beide Kampfparteien gleichermaßen verteilten schlaglichtartigen Hinweisen auf ihr Verhalten wie zukünftige Römer passt auch, dass eine besonders heftige Phase der Auseinandersetzung mit dem Verweis auf die von zahlreichen Geschossen getroffenen Helme (galeae) und Schilde (scuta) resümiert werden kann, ohne dass sich die Requisiten konkret einer der beiden Seiten zuordnen lassen.173 Schließlich gelingt es Turnus, durch die von Pandarus und Bitias im Übermut geöffneten Tore ins Lager einzudringen und unter den Verteidigern ein Blutbad anzurichten.174 Dabei verwendet er zwar zumeist die aus dem Epos bekannten Waffen und Kampftechniken, allerdings wird auch seine Aristie an zwei Stellen mit Hilfe anachronistischer Requisiten auf die Zukunft hin geöffnet: Zum einen tötet er den riesenhaften Bitias nicht mit einer normalen Lanze, sondern mit einem als phalarica bezeichneten Wurfgeschoss, das in der römischen Armee entweder von der Mauer hinabgeworfen oder von Geschützen geschleudert wurde,175 so dass seine Handhabung durch Turnus zugleich dessen über menschliches Normalmaß hinausgehende Stärke veranschaulichen soll. Wenn man daran noch einen Anklang an die Größe der heroischen Vorzeit vermuten könnte, geht Turnus aber etwas später seinem Blutrausch kurzfristig mit der typischen und prosaischen Waffe des römischen Legionärs nach, wenn er dem Hieb des Lynceus zuvorkommt und vielmehr diesem mit dem gladius Kopf samt Helm von den Schultern schlägt.176 Da es sich hier um die erste von insgesamt nur fünf Verwendungen dieses Wortes handelt, ist davon auszugehen, dass sie mit Bedacht erfolgt. Dazu passt sehr gut die von Macrobius überlieferte Nachricht, dass für Turnus’ anschließenden Kampf gegen die Übermacht der Trojaner177 das Vorbild nicht nur der homerische Aias,178 sondern auch ein römischer

172 Vgl. Caes. civ. 2,8 f. und ferner Vitruv. 2,9,15; zu der turris ambulatoria in der Stadt der Latiner siehe unten Kap. 6.3. 173 Vgl. Verg. Aen. 9,666 f.: sternitur omne solum telis, tum scuta cavaeque // dant sonitum flictu galeae, pugna aspera surgit. 174 Vgl. Verg. Aen. 9,691–777. 175 Vgl. Verg. Aen. 9,703–709 sowie Enn. ann. Frg. 557 Skutsch; Liv. 21,8,10–12 und Lucan. 6,198 mit Heinze 1915, 202; Skutsch 1985, 702 f.; Dingel 1997, 255 f., und Binder 2019, III 305. 176 Vgl. Verg. Aen. 9,768–771: Lyncea tendentem contra sociosque vocantem // vibranti gladio conixus ab aggere dexter // occupat: huic uno deiectum comminus ictu // cum galea longe iacuit caput. 177 Vgl. Verg. Aen. 9,778–816 mit Macr. Sat. 6,3,2–4. 178 Vgl. Hom. Il. 16,102–111.

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­ ribun geliefert haben soll, der 179/78 v. Chr. am Feldzug in Ätolien teilnahm T und dessen Heldentaten Ennius geschildert hat.179 Nachdem mit dem Rückzug des Turnus aus dem Lager auch der Kampftag zu Ende gegangen ist, wird uns zu Beginn des 10. Buches zunächst in Erinnerung gerufen, dass es sich auch bei den Trojanern um zukünftige Römer handelt, wenn sie beim Ausharren auf den Palisaden ihres Lagers als legio Aeneadum bezeichnet werden.180 Noch aussagekräftiger ist aber, dass auch die Aristie des nun mit der Verstärkung der etruskischen Flotte zurückkehrenden Aeneas zweimal mit dem gladius erfolgt und so sein Wüten auch in dieser Hinsicht mit demjenigen des Turnus auf eine Stufe gestellt wird. Das ist das erste Mal unmittelbar nach seiner Ankunft bei seinem ersten namentlich genannten Opfer der Fall, wenn er Therons aus Gold und Bronze gefertigten Brustpanzer, kaum zufällig metonymisch als tunica bezeichnet, auf diese Weise durchbohrt.181 Das zweite Mal kommt das Kurzschwert des römischen Legionärs zum Einsatz, wenn Aeneas, durch die Kunde von Pallas’ Tod zu einer noch einmal gesteigerten Aggressivität getrieben, die umstehenden Gegner ›niedermäht‹ und sich so den Weg zu Turnus ›freischlagen‹ will.182 Dass beide Protagonisten gerade in Momenten besonderer Brutalität mit einem gladius in der Hand gezeigt werden, verdeutlicht gut, dass es bei der Verwendung dieser Requisiten nicht nur darum geht, die Kämpfe in der Aeneis als Präfiguration der späteren Bürgerkriege mit Blick auf die beteiligten Parteien in Szene zu setzen, sondern auch mit Blick auf die mit diesen Konflikten verbundene extreme militärische Gewalt und das durch sie verursachte Leid. Das zeigt sich in besonders eindrücklicher Weise an einer späteren Stelle im 12.  Buch: Nachdem der verabredete Zweikampf nicht zustande gekommen und es Aeneas auch nicht gelungen ist, Turnus auf dem neu entbrannten Schlachtfeld zu stellen, fasst er den Plan, die von ihren Verteidigern entblößte Stadt der Latiner anzugreifen, um durch ihre Zerstörung Druck auf seinen Gegner auszuüben. Diesen Entschluss teilt er seinen Truppen mit, indem er sie zusammenruft und von einem Hügel eine Rede hält, die schon durch diese Situation stark an ent-

179 Vgl. Enn. ann. Frg. 391–398 Skutsch (allerdings mit epischen ›Requisiten‹) mit Dingel 1997, 276–278; Fabrizi 2012, 183–192; Goldschmidt 2013, 180–187; Elliot 2013, 226–228, und Binder 2019, III 319–321. 180 Vgl. Verg. Aen. 10,120: at legio Aeneadum vallis obsessa tenetur; mit Harrison 1991, 92, der im Anschluss an Servius valli als Bezeichnung der Palisade für anachronistisch hält: »The plural valli, unlike legio a true military anachronism (…), are the individual fortification stakes carried by each Roman soldier on the march …« 181 Vgl. Verg. Aen. 10,312–314: occiso Therone, virum qui maximus ultro // Aenean petit: huic gladio perque aerea suta, // per tunicam squalentem auro latus haurit apertum. 182 Vgl. Verg. Aen. 10,513–515a; proxima quaeque metit gladio latumque per agmen // ardens limitem agit ferro, te, Turne, superbum // caede nova quaerens.

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sprechende Ansprachen römischer Feldherren erinnert, wie sie beispielsweise auf Münzen oder der Trajanssäule zu sehen sind:183 Mnesthea Sergestumque vocat fortemque Serestum ductores tumulumque capit quo cetera Teucrum concurrit legio, nec scuta aut spicula densi deponunt. celso medius stans aggere fatur: … Er ruft den Mnestheus, den Sergestus und den tapferen Serestus herbei, die Anführer, und besteigt den Hügel, wo das übrige Heer der Trojaner zusammenkommt; dichtgedrängt stehen sie und legen weder Schilde noch Spieße ab. In der Mitte auf hohem Wall stehend spricht er: …

Die Aufforderung an römische Leser, diese prähistorische Handlung auf der Folie von Bildern und Vorstellungen der eigenen Zeit zu sehen, ergibt sich aber nicht nur über die Situation einer adlocutio als solche, sondern auch dadurch, dass das Heer der Trojaner als Legion bezeichnet und explizit auch mit den dazugehörigen scuta und implizit (über die Metonymie spicula) wohl auch mit den charakteristischen pila ausgestattet wird. Der grausame Charakter des hier angekündigten und dann auch partiell umgesetzten Vorgehens wurde in seiner Wirkung für zeitgenössische Leser wohl noch dadurch gesteigert, dass ihnen zu Beginn des 12. Buches mit den gleichen sprachlichen Mitteln die Bewohner derselben Stadt ihrerseits als Römer avant la lettre präsentiert wurden. Hierfür gehen wir einen Schritt zurück und wenden uns der ausführlichen Schilderung der Vorbereitung für den zwischen Aeneas und Turnus vereinbarten Zweikampf zu.184 Diese umfassen umfangreiche religiöse Zeremonien, die sich aitiologisch unter anderem auf die spätere römische Praxis des Fetialrechts beziehen. Aber auch hier kommen Requisiten zum Einsatz, und zwar vor allem bei der Beschreibung der von beiden Seiten zum Platz des vermeintlich entscheidenden Duells strömenden Zuschauer:185 procedit legio Ausonidum, pilataque plenis agmina se fundunt portis. hinc Troius omnis Tyrrhenusque ruit variis exercitus armis. haud secus instructi ferro quam si aspera Martis pugna vocet. nec non mediis in milibus ipsi[125] ductores auro volitant ostroque superbi, 183 Verg. Aen. 12,561–564 mit Tarrant 2012, 234, und Binder 2019, III 612–616, v.a. 614: »Die Vorbereitung der Rede lässt an historische (kaiserzeitliche) Beispiele der adlocutio (…) oder cohortatio (…) des Imperators an seine Truppe denken. Zu den uns bekannten Darstellungen (z.B. Trajanssäule, Antoninussäule. Münzen) passt der Ort, nicht aber der Inhalt der Rede: Aeneas spricht zu den Kriegern von einem tumulus aus …« 184 Vgl. Verg. Aen. 12,113–215 mit z.B. Tarrant 2012, 120–145, und Binder 2019, III 552–566. 185 Verg. Aen. 12,121–130 mit Tarrant 2012, 122–124, und Binder 2019, III 552–554, v.a. 554: »Das fernere Ziel ist die Gründung Roms: … Daher die hier einsetzende römische Färbung der Erzählung.«

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et genus Assaraci Mnestheus et fortis Asilas et Messapus equum domitor, Neptunia proles. utque dato signo spatia in sua quisque recessit, defigunt tellure hastas et scuta reclinant.[130] Die Armee der Ausonier kommt heran und mit Spießen bewaffnete Scharen strömen in großer Zahl aus den Toren. Von dort stürmt das ganze Heer der Troer und Tyrrhener herbei mit seinen verschiedenen Waffen. Nicht anders in Eisen gerüstet, als wenn der harte Kampf des Kriegsgotts sie riefe. Inmitten von Tausenden eilen denn auch die Anführer selbst [125] und schreiten stolz einher, in Gold und Purpur gehüllt, des Assaracus Sohn Mnestheus, der tapfere Asilas und der Bändiger der Rosse, Messapus, der Neptunspross. Als das Zeichen gegeben war, zogen sich alle in ihren Bereich zurück, bohrten die Lanzen in die Erde und lehnten die Schilde daran. [130]

Es sind zunächst einmal die Latiner und damit die Bewohner der Stadt, deren Zivilbevölkerung Aeneas wenig später angreifen wird, die hier in römischen ›Kostümen‹ gezeigt werden: Neben der Bezeichnung ihres Heeres als legio Ausonidum186 spielt hier die Verwendung des Adjektivs pilatus eine entscheidende Rolle. Angesichts des Kontexts und der prominenten Bezugnahme auf das pilum im Rahmen des Italerkatalogs187 ist es naheliegend, auch hier eine Ableitung von der charakteristischen Waffe des römischen Legionärs anzunehmen. Das wird auch von Servius auctus zu Beginn seines Kommentares so festgehalten: hoc est pilis armata. Allerdings verweist er im Weiteren darauf, dass einige Leser an dem Widerspruch zu den später erwähnten hastae Anstoß genommen und stattdessen andere Deutungen vorgeschlagen haben.188 Von diesen hat vor allem die Verbindung mit dem Adverb pilatim (im Sinne von dicht gedrängt) auch in der modernen Forschung Anhänger gefunden.189 Da solche anachronistischen Requisiten aber auch sonst gerade nicht durchgängig, sondern immer nur punktuell eingesetzt werden, spricht auch hier nichts gegen die Annahme, dass die Latiner eingangs mit dem pilum gezeigt werden. Demgegenüber wird bei den Trojanern und Etruskern zunächst ihre abweichende Bewaffnung betont, wobei sich die Formulierung sowohl auf die Unterschiede zwischen den Truppenteilen als auch auf diejenigen zur Ausrüstung

186 Vgl. z.B. Tarrant 2012, 122: »legio: elsewhere virtually a synonym for milites, used of both Trojan and Latin forces; … Here, however, the close proximity to other Roman terms may give the word a more distinctly Roman colouring.« 187 Siehe oben. 188 Vgl. Serv. ad Aen. 12,121: quidam hoc loco ›pilata agmina‹ non a genere hastarum positum adserunt: nam paulo post dictum inferunt ›defigunt tellure hastas‹: sed ›pilata‹ densa, spissa, … 189 Vgl. z.B. Tarrant 2012, 122: »The most likely sense is ›densely packed‹, which coheres well with plenis … portis and for which are good parallels in the adverb pilatim (…).«

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ihrer gemeinsamen Gegner beziehen kann.190 So oder so ist es bemerkenswert, dass am Ende alle Differenzierungen hinter einem Bild zurücktreten, in dem beide Seiten in der Erwartung des vermeintlich finalen Zweikampfes sowohl mit der eher homerischen hasta191 als auch mit dem besonders modernen scutum und damit gleichsam als zwischen ihrer epischen Vergangenheit und römischen Zukunft stehend gezeigt werden. Da das weitere Schicksal aller Beteiligten aber nicht durch das vorgesehene Duell entschieden wird, sondern es zunächst zum Ausbruch neuer Feindseligkeiten und dann schließlich doch zum Aufeinandertreffen der Protagonisten kommt, ist es auch nicht überraschend, dass beide Phasen noch mit jeweils einer weiteren Erwähnung des gladius verbunden sind. Zum einen wird diese Waffe von den acht verbliebenen Söhnen des Gylippus gezogen, um ihren neunten Bruder zu rächen, der durch den Speerwurf des Rutulers Tolumnius getötet wurde, der so den vereinbarten Frieden gebrochen hatte.192 Durch ihren gleichzeitigen Griff zum Schwert und ihr gemeinsames Vorrücken gleicht der Familienverband einer eigenen militärischen Einheit und wird daher auch als phalanx bezeichnet, was Servius im Übrigen mit id est legio kommentiert.193 Zum anderen taucht der gladius noch ein letztes Mal in der entscheidenden Auseinandersetzung am Ende des Epos auf,194 und zwar in der Hand von Turnus. Passend zum Charakter dieser sich über weite Strecken recht eng auf epische Vorbilder beziehenden Kampfszene, mit der wir uns als Beispiel für die Verwendung anachronistischer Gleichnisse als Zeitmontagen im folgenden Kapitel noch ausführlicher beschäftigen werden,195 wird das Schwert, das von Turnus zunächst schmerzlich vermisst und ihm schließlich von seiner Schwester Juturna gebracht wird, zuvor fünfmal als ensis bezeichnet. In dem Moment vor der finalen Konfrontation jedoch, in dem sie sich das letzte Mal gleichrangig gegenüberstehen, hat sich seine Ausrüstung verändert:196

190 Für die erstere Lesart vgl. z.B. Tarrant 2012, 123, und Binder 2019, III 552. 191 An Homers Beschreibung des Verhaltens der Zuschauer vor dem Zweikampf zwischen Paris und Menelaos ist darüber hinaus auch die Szene als solche angelehnt: vgl. Hom. Il. 3,134 f. mit z.B. Binder 2019, III 554. 192 Vgl. Verg. Aen. 12,277–279: at fratres, animosa phalanx accensaque luctu, // pars gladios stringunt manibus, pars missile ferrum // corripiunt caecique ruunt; mit Tarrant 2012, 158 f., und Binder 2019, III 571–575. 193 Serv. ad Aen 12,277; für einen ähnlichen Fall vgl. Verg. Aen. 10,328: ni fratrum stipata cohors foret obvia; mit Harrison 1991, 159: »cohors, which usually refers to a tenth of a Roman legion, is both anachronistic and hyperbolical: the seven brothers (…) are like a battalion; ...« 194 Vgl. Verg. Aen. 12,728–952 mit z.B. Tarrant 2012, 276–341, und Binder 2019, III 639–682. 195 Siehe unten Kap. 6.3. 196 Verg. Aen. 12,788–790 mit z.B. Tarrant 2012, 289, und Binder 2019, III 645–648.

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olli sublimes, armis animisque refecti, hic gladio fidens, hic acer et arduus hasta, adsistunt contra certamine Martis anheli. Jene recken sich empor, wieder ausgestattet mit Waffen und Mut, dieser dem Schwert vertrauend, jener grimmig und dank der Lanze schwer zu überwinden, stehen sie einander atemlos im tödlichen Kampf gegenüber.

Dass danach von seinem Schwert wiederum als ensis die Rede ist und die genannten Waffen (außerhalb der Gleichnisse) auch sonst der epischen Tradition entsprechen, zeigt noch einmal gut, dass es sich bei der Verwendung anachronistischer Requisiten immer nur um ein punktuelles Phänomen handelt. Gerade diese Stelle kann aber auch noch einmal verdeutlichen, dass damit gleichwohl immer wieder schlaglichtartig gerade besonders entscheidende Szenen betont und in ihrer Bedeutung für die Gegenwart des Autors und seiner Leser nicht zuletzt im Sinne eines tua res agitur gesteigert werden können.

5.4 Tropaion und Triumph: Die Inszenierung von Sieg und Trauer Die Präsentation der in der zweiten Hälfte der Aeneis geschilderten Kämpfe als prähistorische Spiegelung der späteren Konflikte Roms in Italien gewinnt ihre Bedeutung nicht zuletzt aus der Betonung des durch sie verursachten Leidens. Das wird in dem Umstand besonders augenfällig, dass in einem Bürgerkrieg die Freude über militärische Siege besonders eng mit der Trauer über die daraus resultierenden Verluste und so auch jeder Triumph zugleich mit Trauer verbunden ist. Aus dieser vorwegnehmenden Perspektive auf die gemeinsame Zukunft beider Konfliktparteien, die den Lesern erneut durch mehrere anachronistische Zeitmontagen bewusst gemacht wird, entfaltet auch die ausführliche Schilderung der Reaktionen auf die vorangegangenen Kämpfe um das Lager der Trojaner, die zu Beginn des 11. Buches erfolgt, ihre Wirkung.197 So weisen sowohl die Handlungen, mit denen die Trojaner ihre Erfolge in Szene setzen, wie auch diejenigen, mit denen sie ihre Gefallenen betrauern, Anklänge an spätere Bräuche auf. Vor allem aber enthält die im Mittelteil detailliert wiedergegebene Rückführung von Pallas’ Leichnam an die Stätte des späteren Roms zahlreiche Bezüge sowohl auf eine pompa funebris wie eine pompa triumphalis und erweist sich somit als ein besonders ergiebiges Beispiel für diese literarische Technik. Beginnen wir aber mit den beiden kürzeren Beschreibungen, die sich nicht zuletzt als narrativer Rahmen verstehen lassen. Nachdem das 10. Buch mit Ae 197 Vgl. Verg. Aen. 11,1–224 mit z.B. Horsfall 2003, 49–163; Binder 2019, III 428–458, und McGill 2020, 67–120.

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neas’ Sieg gegen Mezentius geendet hat, stellt die Einlösung des von ihm vor dem Zweikampf abgelegten Gelübdes an die Götter198 die erste am neuen Tag geschilderte Handlung dar. Die Weihung der Waffen des Besiegten, die durchgängig in traditionell epischen Begriffen erfolgt, erweist sich aber zugleich als Errichtung eines Tropaion. Dieses wird auch explizit als ein solches bezeichnet wird, obwohl sowohl die Erfindung dieser Praxis zur Erinnerung an diejenige Stelle, an der die Schlachtreihe der Gegner dazu gebracht wurde, sich zur Flucht zu wenden, durch die Griechen (vielleicht erstmals nach dem Sieg bei Marathon 490 v. Chr.)199 als auch ihre Übernahme durch die Römer (laut Florus erstmals 121 v. Chr.)200 in der Antike in deutlich späteren Epochen angesiedelt wurde:201 ingentem quercum decisis undique ramis[5] constituit tumulo fulgentiaque induit arma, Mezenti ducis exuvias, tibi magne tropaeum bellipotens; aptat rorantis sanguine cristas telaque trunca viri et bis sex thoraca petitum perfossumque locis clipeumque ex aere sinistrae[10] subligat atque ensem collo suspendit eburnum. Eine gewaltige Eiche, mit auf allen Seiten abgeschlagenen Ästen, [5] stellt er auf einen Hügel und umkleidet sie mit funkelnden Waffen, der Beute vom Fürsten Mezentius, dir, mächtiger Gott des Krieges, als Siegesmal; er passt dem Stamm den bluttriefenden Helm des Helden und die zerbrochenen Speere und den an zweimal sechs Stellen getroffenen und durchbohrten Brustpanzer an, links befestigt er den Schild aus Erz [10] und hängt um die Schulter das elfenbeinverzierte Schwert.

Auch wenn die Szene als solche keine Parallele bei Homer hat, lässt sich die Beschreibung der einzelnen Rüstungsgegenstände, nicht zuletzt des prominent ans Ende gerückten Schwertes mit Elfenbeinverzierungen am Griff oder der dazugehörigen Scheide, als ein Rekurs auf die epische Tradition verstehen. Zugleich stellt die Errichtung eines Tropaions aber einen deutlichen Bezug auf die Gegenwart der Leser dar, da sich diese Form der Inszenierung militärischer Siege gerade in augusteischer Zeit großer Beliebtheit erfreute.202

198 Vgl. Verg. Aen. 10,875 f. sowie zu Mezentius, dem contemptor divum (Verg. Aen. 7,648), als Gegenspieler des pius Aeneas in dieser und anderen Szenen allg. Thome 1979 und Alessio 1993, 9–39. 199 Vgl. z.B. Charles-Picard 1957, 14–35, und Kinnee 2018, 34–60. 200 Vgl. Flor. epit. 1,37,6; wahrscheinlicher ist allerdings eine frühere Übernahme, etwa als Folge der Kontakte mit dem griechisch geprägten Süditalien: vgl. z.B. Charles-Picard 1957, 101–169, und Kinnee 2018, 61–73. 201 Verg. Aen. 11,5–11 mit z.B. Horsfall 2003, 51–56; Binder 2019, III 428–432, und McGill 2020, 67–70; sowie zu dieser und den anderen Stellen, an denen in der Aeneis auf ein Tropaion angespielt wird, Nielson 1983. 202 Vgl. z.B. Charles-Picard 1957, 232–316, und Kinnee 2018, 105–129.

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Das gleiche Nebeneinander von Verknüpfungen zur homerischen Vergangenheit einerseits und zeitgenössischen römischen Praktiken andererseits zeigt sich auch in der Beschreibung der Bestattungsriten.203 Die von beiden Seiten während eines hierfür vereinbarten Waffenstillstands vorgenommenen Zeremonien stehen dabei generell in der Tradition des Epos, wie sie etwa im 7. Buch der Ilias geschildert werden. Vor allem die Handlungen der Trojaner weisen daneben aber auch wiederum in der Schilderung wie in der Wortwahl Bezüge zu den in Rom dann später als decursio und als lustratio bezeichneten Bräuchen auf:204 ter circum accensos cincti fulgentibus armis decurrere rogos, ter maestum funeris ignem lustravere in equis ululatusque ore dedere.[190] Dreimal zogen sie in funkelnde Waffen gegürtet feierlich um die Scheiterhaufen, dreimal entsühnten sie das traurige Leichenfeuer auf Pferden und ließen die Totenklage mit dem Mund erklingen. [190]

Wenn wir uns nun der von diesen beiden Episoden gleichsam gerahmten und auch schon durch ihre detaillierte Schilderung hervorgehobenen Prozession zuwenden, mit der Aeneas den toten Pallas zurück zu seinem Vater Euander bringen lässt, so verdichten sich die anachronistischen Anspielungen hier nicht nur noch weiter, sondern sie beziehen sich jetzt auch auf einen Triumph wie auf einen Begräbniszug gleichermaßen und in vielen Formulierungen sogar gleichzeitig.205 Zugleich bleibt neben diesem simultanen Bezug auf die römische Zukunft aber auch derjenige auf die epische Tradition wirksam. Letzteres zeigt sich schon exemplarisch daran, mit welchem Schild Pallas unmittelbar vor und nach seinem Tod im 10. Buch gezeigt wird: Während zuerst explizit von einem epischen clipeus die Rede ist, der von Turnus’ Lanze durchschlagen wird,206 ist aus diesem nur wenige Verse später ein römisches scutum geworden, auf dem die Gefährten seinen Leichnam vom Schlachtfeld tragen.207 Dieses bewusste Changieren zwischen den zwei historischen Vorstellungswelten prägt dann auch das 203 Vgl. Verg. Aen. 11,182–202 mit Horsfall 2003, 145–155; Binder 2019, III 452–456, und McGill 2020, 110–115. 204 Verg. Aen. 11,188–190 mit Horsfall 2003, 148  f.; Binder 2019, III 453  f., und McGill 2020, 112, der zudem auf die prominente Rolle der Dreizahl als Parallele zur Trauer der ­Griechen um Patroklus (Hom. Il. 23,13–16) verweist. 205 Vgl. Verg. Aen. 11,29–99 mit z.B. Alessio 1993, 39–61; Horsfall 2003, 66–105; Binder 2019, III 432–441, und McGill 2020, 77–92, v.a. 82; zum gleichzeitigen Charakter und dem Effekt eines Vexierbildes Pausch 2008a. 206 Vgl. Verg. Aen. 10,482–485. 207 Vgl. Verg. Aen. 10,505b f. mit Heinze 1915, 203 f.; Wickert 1930, 294, und Lyne 1989, 102  f., der sich für einen bewussten Wechsel der Bezeichnung ausspricht; außerdem weist Harrison 1991, 200, darauf hin, dass bei Homer Tote nicht auf Schilden getragen werden, so dass hier wohl ein weiterer Anachronismus vorliegt.

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Bild, das von der an sich schon doppelten pompa des Pallas im Kopf des Lesers entstehen soll. Unter anderem aufgrund dieser dreifachen Perspektivierung ist diese Szene deutlich komplexer und umfangreicher als der Zug, in dem die ­Myrmidonen mit der Leiche des Patroklos vom Lager zum Scheiterhaufen ziehen und der wohl eine der homerischen Vorlagen bildet.208 Dabei kommen zudem zwei sich ergänzende narrative Verfahren zum Einsatz: Zunächst blickt Aeneas in der Klagerede, die er an dem inzwischen im Lager der Trojaner aufgebahrten Leichnam hält, auf die anschließende Prozession voraus, bevor deren weitere Vorbereitung dann aus der Sicht des Erzählers geschildert wird. Die an den toten Pallas gerichteten Worte des Aeneas lehnen sich ihrerseits an die Klage Achills an Patroklos’ Leichnam im 18. Buch der Ilias an,209 enthalten darüber hinaus aber Vorverweise nicht nur auf die anstehende Überführung zu seinem Vater, sondern auch auf spätere römische Verhältnisse.210 So wählt Aeneas für seine rückblickende Aussage, er sei von Euander zu einer großen Aufgabe entsandt worden, eine Formulierung (mittere in magnum imperium), die bereits so klingt, als sei er als römischer Magistrat von derselben Stelle aufgebrochen, um den Auftrag zu erfüllen, den er vom Senat erhalten hat.211 Noch deutlicher werden diese Bezüge aber in der umgekehrten Richtung, wenn er die traurige Rückkehr des toten Pallas mit der eines siegreichen Anführers vergleicht und dafür an zwei Stellen auf die in Rom so bedeutende Zeremonie eines Triumphzuges anspielt: Das geschieht einmal in impliziter Form, wenn er die dem Pallas vom Schicksal verwehrte Heimkehr als ›Einziehen in die Vaterstadt als Sieger auf dem Wagen‹ (ad sedes victor vehi paternas) beschreibt,212 und dann noch einmal explizit, wenn er ihre Ankunft anklagend mit dem erhofften Triumph kontrastiert: hi nostri reditus exspectatique triumphi?213 Dass es sich dabei nicht nur um eine metonymische Verwendung handelt, sondern damit ein konkreter Bezug auf das aus der römischen Geschichte sattsam bekannte Ritual einhergeht,214 wird in der sich anschließenden, mit 34 Versen zudem recht detailliert erfolgenden Schilderung der konkreten Vorbereitung noch deutlicher: Geht aus dieser proleptischen Beschreibung doch nicht nur das Bild eines Leichenzuges hervor, das sich seinerseits auf zeitgenössische 208 Vgl. Hom. Il. 23,128b–134. 209 Vgl. Verg. Aen. 11,42–58 und Hom. Il. 18,324–342 mit z.B. Rieks 1989, 112–116, und Gransden 1991, 73, der diese Rede des Aeneas als »one of the focal points of the entire poem« bezeichnet. 210 Trotz der Unterschiede in der Form fungiert die Rede als eine Art laudatio funebris: vgl. Rieks 1989, 113. 211 Vgl. Verg. Aen. 11,45–48 mit z.B. Horsfall 2003, 77 f., und McGill 2020, 79. 212 Vgl. Verg. Aen. 11,42–44 mit z.B. McGill 2020, 78: »The language strongly suggests a Roman triumph; …« 213 Verg. Aen. 11,54 mit z.B. Horsfall 2003, 81. 214 Zum Triumphzug vgl. Künzl 1988; Itgenshorst 2005; Beard 2007 und Östenberg 2009.

Tropaion und Triumph: Die Inszenierung von Sieg und Trauer

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Bräuche bezieht,215 sondern auch dasjenige eines Triumphzugs.216 Dabei erweisen sich vor allem die folgenden Bestandteile als besonders einschlägig für diese doppelte Perspektivierung: Das am Anfang wie am Ende erwähnte Ehrengeleit besteht aus ausgewählten Männern des verbündeten Heeres, die zwar wie im Triumphzug ihre Waffen mit sich führen, diese zum Zeichen der Trauer aber gesenkt halten.217 Auch die zur Schau gestellten Beutestücke und die mitgeführten Gefangenen erinnern einerseits an den Einzug eines siegreichen Heeres, sind andererseits aber auch mit der Begräbniszeremonie verbunden, vor allem weil letztere als Totenopfer für Pallas bestimmt sind und damit den von Achill an Patroklos’ Scheiterhaufen getöteten Trojanern entsprechen.218 Die mitgeführten kleineren Tropaia, an denen nicht nur Waffen der besiegten Feinde, sondern auch Aufschriften mit deren Namen befestigt sind, erinnern auf den ersten Blick vor allem an solche ebenfalls mit tituli versehenen Zurschaustellungen als Teil einer pompa triumphalis,219 beides dürfte aber auch bei Bestattungen militärisch erfolgreicher Angehörigen der Nobilität zu sehen gewesen sein,220 auch wenn sie erst wenig später für die großangelegte Inszenierung der pompa funebris des Augustus sicher belegt sind.221 Auch der Streitwagen des Pallas lässt sich in dieser Weise doppelt lesen: Er ist zwar an derjenigen Stelle eingereiht, an der man ihn im Triumphzug erwarten würde, ist aber zugleich leer, da sein Leichnam weiter vorn auf einer Bahre mitgeführt wird, und illustriert so noch einmal eindrucksvoll den ambivalenten Charakter dieser zwischen Sieg und Trauer changierenden Prozession.222 Dieser wird auch abschließend deutlich gemacht, wenn Euander nach der Ankunft des Zuges in Proto-Rom223 gerade das Leid beklagt, das durch ein bellum propinquum ausgelöst wird und damit auf die späteren Bürgerkriege anspielt.224 Das auf diese Weise gleich zweifach auf die Gegenwart des Autors und seiner zeitgenössischen Leser bezogene Bild der Heimkehr des gefallenen Pallas ist zugleich aber ein gutes Beispiel für die Technik anachronistischer Zeitmonta 215 Zur pompa funebris vgl. z.B. Flaig 1995; Flower 1996, 91–127, und Bodel 1999. 216 Vgl. Verg. Aen. 11,59–93. 217 Vgl. Verg. Aen. 11,59–63 und 92 f. (versis …armis) mit z.B. Binder 2019, III 441: »Die zu Boden gesenkten Waffen deuten vermutlich auf einen römischen Militärbrauch hin, …«. 218 Vgl. Verg. Aen. 11,78–82 und Hom. Il. 23,175–183 mit z.B. Panoussi 2009, 34 f. 219 Vgl. Verg. Aen. 11,83 f.: indutosque iubet truncos hostilibus armis // ipsos ferre duces inimicaque nomina figi; mit z.B. Binder 2019, III 440, und McGill 2020, 89. 220 Vgl. Flower 1996, 109; Bodel 1999, 261, und Horsfall 2003, 99: »Mere chance, I suspect, that such figures seem not to be attested for funerals.« 221 Vgl. Cass. Dio 56,34 mit z.B. Flower 1996, 244–246. 222 Vgl. Verg. Aen. 11,88: ducunt et Rutulo perfusos sanguine currus. 223 Zum Empfang mit einem nächtlichen Fackelzug und den möglichen aitiologischen Bezügen vgl. Verg. Aen. 11,142–144 mit Serv. ad Aen. 11,143 und Binder 2019, III 450, der einen spezifischen Bezug bezweifelt. 224 Vgl. Verg. Aen. 11,156–157a.

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Anachronistische Zeitmontagen II: Die Ausstattung der Figuren

gen in der Aeneis, da auch hier die Anspielungen nur partiell erfolgen und die Handlung aus der epischen Welt heraus vollständig verständlich bleibt. Das gilt analoger Weise auch für die Verwendung der übrigen Requisiten, auch wenn diese oft kleinteiliger geschieht und sich an einigen Stellen auch nur auf die Verwendung eines einzigen Wortes wie gladius, legio oder scutum beschränkt. Vor dem Hintergrund der Vielzahl der für diese Art der Darstellung einschlägigen Passagen erscheint es jedoch in hohem Maße plausibel, auch bei einer solchen nur punktuell und schlaglichtartigen Einblendung der zeitgenössischen Realität die gleichen Funktionen und intendierten Wirkungen zu vermuten.

6. Anachronistische Zeitmontagen III: Die Ebene der Gleichnisse

6.1 Neptun als Politiker und Ennius als Hintergrund Während sich die Beschreibung der Szenerie der Handlung und der Ausstattung der Figuren als Bühnenbild oder Hintergrund und Requisiten mit einer Theateraufführung oder einem Gemälde parallelisieren lassen, stößt ein solches Vorgehen bei den Gleichnissen an seine Grenzen. Bilden sie im antiken Epos doch über einen möglichen allegorischen Bezug des gesamten Geschehens hinaus auch ein wichtiges Element der literarischen Technik, um viele Details der Schilderung auf einer zweiten Ebene deutend zu erklären und zugleich zu visualisieren.1 Dabei wird zumeist ein Ereignis aus dem menschlichen Leben mit einem universellen Vorgang aus dem Bereich der Natur in Beziehung gesetzt (etwa der Anblick eines Kriegers mit demjenigen eines Löwen oder das Bevorstehen einer Schlacht mit dem Heraufziehen eines Sturmes). Solche synchronen und der epischen Konvention entsprechenden Gegenüberstellungen enthält auch die Aeneis in reicher Zahl.2 Unter den rund hundert Gleichnissen gibt es aber auch einige Fälle, bei denen die miteinander verglichenen Vorgänge gar nicht auf derselben zeitlichen Ebene liegen, darunter gleich das allererste und eines der letzten im gesamten Epos, wie wir gleich sehen werden.3 Die daraus resultierenden Anachronismen werden in der traditionellen und bereits auf die antike Philologie zurückgehenden Sichtweise allerdings zumeist nicht als Fehler wahrgenommen, da man sie der Rede des Erzählers und damit der Welt des Dichters zurechnet.4 Eine Folge dieser exkulpierenden Tendenz ist dann aber, dass diese Gleichnisse häufig isoliert betrachtet werden. Versteht man sie jedoch als Teil des Gesamtbildes, zeigt sich, dass sie ebenfalls einen wichtigen Beitrag zu den anachronistischen Zeitmontagen leisten. Man könnte sogar sagen, dass sie dieses Phänomen besonders markant verkörpern, weil es in 1 Zur Verwendung der Gleichnisse im antiken Epos vgl. allg. Gärtner/Blaschka 2019. 2 Für Übersichten vgl. Rieks 1981, v.a. 1093–1096, und Binder 2019, I 109–124, sowie z.B. Coffey 1961; Hornsby 1970; Lyne 1989, 63–99 und 128–148; Suerbaum 1999, 273–294; Beck 2014a, und Gärtner/Blaschka 2019, 744–749. 3 Vgl. Verg. Aen. 1,148–156 und 12,921a–923a; für eine Übersicht über die übrigen Beispiele siehe unten Kap. 6.2. 4 Siehe oben Kap. 3.1 sowie ferner z.B. Horsfall 1984, 153: »La presenza di elementi anacronistici nelle similitudini (…) costituisce un discorso a parte: …« und Solodow 2014.

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Anachronistische Zeitmontagen III: Die Ebene der Gleichnisse

ihnen gewissermaßen doppelt zum Tragen kommt: Lassen sich doch implizite Anachronismen wie explizite Gleichnisse als zweite Ebene verstehen, die der Kommentierung und Veranschaulichung der geschilderten Handlung dienen. Dieses Zusammenwirken soll im Folgenden an einschlägigen Beispielen aus der Aeneis näher beleuchtet werden, zuvor wollen wir aber einen kurzen Blick auf die epische Tradition bei Homer und Ennius werfen, die den Hintergrund für Vergils Verwendung dieser Technik bildet. Wie im Falle einiger der erwähnten Waffen und anderer Requisiten,5 so lässt sich die historische Distanz zwischen der Abfassung der homerischen Epen und der beschriebenen Ereignisse auch an den für die Gleichnisse gewählten Inhalten beobachten.6 So wurde in den antiken Scholien konstatiert, dass die zur Veranschaulichung der Lautstärke von Achills Schlachtruf ausgewählte Trompete in den Beschreibungen der Kämpfe selbst nicht vorkommt7 oder dass das Aufwallen des Skamander vom Erzähler zwar mit einem Kochtopf parallelisiert wird, dieses Utensil für die Zubereitung der Speisen innerhalb der Handlung aber keine Rolle spielt.8 Anders als bei Verstößen gegen die Chronologie auf der Ebene der Erzählung geschieht dies aber mit größerer Bereitschaft, hierin eine vom Dichter bewusst angewandte Technik zu erblicken.9 Auch wenn die anachronistischen Beispiele vergleichsweise viel Aufmerksamkeit bereits in der antiken Philologie gefunden haben, machen sie bei Homer im Vergleich zu den regulären Fällen doch nur eine kleine Gruppe aus. Mit Blick auf Vergils wichtigsten Vorgänger im lateinischen Epos stellt sich die Situation etwas anders dar: Unter den insgesamt natürlich deutlich weniger Gleichnissen, die sich aus Ennius’ Annalen erhalten haben, fallen unter anderem zwei ins Auge, weil sie einen expliziten Bezug zum zeitgenössischen Rom des frühen 2. Jh. v. Chr. herstellen.10 Beide Male bilden die im Circus Maximus durchgeführten Wagenrennen den Vergleichspunkt. Während im ersten Fall vom Start der Pferdegespanne aus den carceres die Rede ist, doch über den weiteren Kontext nur spekuliert werden kann,11 gehört das zweite Beispiel zu dem längsten

5 Siehe oben Kap. 5.1. 6 Zu den homerischen Gleichnissen vgl. allg. Fränkel 1921 sowie ferner Gärtner/Blaschka 2019, 732–737. 7 Vgl. Scholion A ad Hom. Il. 18,219a mit Nünlist 2009, 118 mit Anm. 11. 8 Vgl. Scholion A ad Hom. Il. 21,362a; zu einem möglichen Bezug im Turnus-Wasserkessel-Gleichnis siehe unten Kap. 6.2. 9 Vgl. Rood/Atack/Phillips 2020, 69–71, und zur Rolle der Gleichnisse in den Scholien allg. Nünlist 2009, 282–298. 10 Zu Gleichnissen bei Ennius vgl. allg. Elliot 2013, 117–125. 11 Vgl. Enn. ann. Frg. 463 f. Skutsch: quom a carcere fusi // currus cum sonitu magno permittere certant; mit Skutsch 1985, 623 f.: »Unless the idea belongs to some Hellenistic poet, it was Ennius who developed it from Hom. Od. 13. 81ff., …«; zum möglichen Einfluss auf den Start der Regatta im 5. Buch der Aeneis siehe oben Kap. 5.2.

Neptun als Politiker und Ennius als Hintergrund

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überlieferten Fragment.12 In diesem geht es um die Einholung jenes berühmten Auguriums, das zwischen Romulus und Remus über die Namensgebung und die Herrschaft der neugegründeten Stadt entscheiden soll. Da die beiden Brüder zu diesem Zweck den Himmel vom Aventin aus beobachtet haben sollen, bietet sich auch in topographischer Hinsicht das spätere Geschehen in dem zwischen diesem Hügel und dem Palatin gelegenen Circus Maximus für einen Vergleich an.13 Dieser bezieht sich allerdings nicht auf die Beobachtung des Vogelflugs selbst, sondern auf das gespannte Mitverfolgen der Entscheidung durch die Zeitgenossen der beiden Stadtgründer:14 omnibus cura viris uter esset induperator: expectant, veluti consul quom mittere signum volt, omnes avidi spectant ad carceris oras[80] quam mox emittat pictos e faucibus currus. sic expectabat populus atque ore timebat, rebus utri magni victoria sit data regni. Alle Männer einte die Sorge, wer von beiden der Herrscher sein wird. Sie sind ebenso gespannt wie, wenn der Konsul das Zeichen geben will, alle erwartungsvoll auf den Rand der Startschranken blicken, [80] wann er endlich die bemalten Wagen aus den Öffnungen hervorschickt. So wartete das Volk und ließ seine Besorgnis in der Miene erkennen, wem der Sieg zuteilwird in der Entscheidung um eine so große Herrschaft.

Angesichts der stark fragmentarischen Überlieferung sind belastbare Aussagen zur Bedeutung anachronistischer Gleichnisse kaum möglich, doch scheint die Annahme nicht unplausibel, dass Ennius’ Verwendung dieser Technik für Vergil einen wichtigen Anknüpfungspunkt bildete. Er lässt seine Leser jedenfalls gleich beim ersten Gleichnis der Aeneis auf eine solche Zeitmontage stoßen, auch wenn es sich dabei nur um eine von gleich mehreren Abweichungen handelt, durch die sich der berühmte Vergleich Neptuns, der den von Juno herbeigeführten Seesturm wieder beschwichtigt, mit dem Auftritt eines Politikers von der epischen Konvention unterscheidet.15 12 Vgl. Enn. ann. Frg. 72–91 Skutsch (= Cic. div. 1,105–108) mit Skutsch 1985, 221–238; Fabrizi 2012, 80–94; Goldschmidt 2013, 72–74; Elliot 2013, 183–185, und Fisher 2014, 57–86. 13 Das lässt sich unabhängig von dem textkritischen Problem sagen, das mit der genaueren Lokalisierung von Remus’ Standpunkt verbunden ist: vgl. v.a. Skutsch 1985, 222–224, sowie ferner Fabrizi 2012, 81 Anm. 35. 14 Enn. ann. Frg. 78–83 Skutsch mit z.B. Skutsch 1985, 228 f.: »Most Ennian similes are imitations or adaptions of Greek models. This one, however, is either entirely original or so completely recast in a Roman mould as to conceal its origin.« sowie ferner z.B. Elliot 2013, 291 f.; Fisher 2014, 61 f., und Rood/Atack/Phillips 2020, 69. 15 Verg. Aen. 1,148–156 mit z.B. Coffey 1961, 69; Otis 1963, 229 f.: »The shock effect of the simile comes from the inversion of a quite commonplace comparison.«; Hornsby 1970, 19–22; Harrison 1988; Feeney 2014, 209–221; Beck 2014b; Polleichtner 2018 und Binder 2019, II 29–31.

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Anachronistische Zeitmontagen III: Die Ebene der Gleichnisse

ac veluti magno in populo cum saepe coorta est seditio saevitque animis ignobile vulgus, iamque faces et saxa volant, furor arma ministrat;[150] tum, pietate gravem ac meritis si forte virum quem conspexere, silent arrectisque auribus adstant; ille regit dictis animos et pectora mulcet: sic cunctus pelagi cecidit fragor, aequora postquam prospiciens genitor caeloque invectus aperto[155] flectit equos curruque volans dat lora secundo. Und wie, wenn in einer großen Versammlung, was oft geschieht, Aufruhr entstanden ist und das einfache Volk übermütig wütet, schon Fackeln und Steine fliegen, die Wut Waffen verschafft; [150] dann, wenn man etwa einen Mann erblickt, würdig durch Pflichtgefühl und Verdienst, alle schweigen und mit gespitzten Ohren stille stehen; jener lenkt die Leidenschaften mit Worten und besänftigt die Herzen: So brach sich das ganze Wüten des Meeres, nachdem über die Fluten der Vater hinschaute und aus dem klaren Himmel kommend [155] die Pferde wendete und dem schnellfliegenden Wagen die Zügel gab.

So wird im 2. Buch der Ilias zwar die Reaktion der versammelten Griechen auf die ›Trugrede‹ Agamemnons ebenfalls mit einem vom Sturm aufgewühlten Meer verglichen,16 hier liegt der Akzent aber umgekehrt auf der anschließend wieder herbeigeführten Beruhigung. Wichtiger als die Umkehrung der inhaltlichen Richtung ist aber die damit einhergehende Inversion beider Bereiche des Gleichnisses, da Vergil einen Vorgang aus der Natur entgegen der Erwartung mit einem aus dem menschlichen Leben parallelisiert. Der damit verbundene Überraschungseffekt wird noch dadurch gesteigert, dass die zum Vergleich herangezogene Szene offenkundig einer späteren Zeitstufe angehört, ja vermutlich auf zeitgenössische Verhältnisse anspielt. Ob damit ein konkretes Ereignis oder eine bestimmte Person auf der politischen Bühne der Zeit wie etwa Cato der Jüngere17 oder Augustus18 gemeint ist,19 hat in der Forschung unterschiedliche Antworten gefunden. Viktor Pöschl hat genau diese Mehrdeutigkeit des ersten Gleichnisses als ein Paradebeispiel für sein Verständnis komplexerer symbolischer statt lediglich allegorischer Bezüge in der Aeneis erherangezogen.20 Ein 16 Vgl. Hom. Il. 2,142–149 mit bereits Serv. ad Aen. 1,148 sowie ferner Beck 2014b, 69–72. 17 Vgl. Conway 1931, der einen Bezug auf die von Plutarch (Cato 44) für 54 v. Chr. wiedergegebene Szene auf dem Forum annimmt, sowie ferner z.B. Harrison 1988, 55 f., der mit Einschränkungen zustimmt. 18 Vgl. z.B. Galinsky 1996, 21–23. 19 Für eine Übersicht über weitere Identifikationsversuche vgl. Polleichtner 2018, 17 f. 20 Vgl. Pöschl 1977, 19–22, v.a. 20: »… so ist der Sinn des Dichters erst recht nicht auf eine historische Einzelerscheinung gerichtet, sondern höchstens auf die Idee, die sich in ihr verkörpert, hier also die Idee des Staatsmannes, dessen Autorität die Menge in Bann schlägt. Diese Idee erscheint bei ihm in einem poetischen Symbol, in einer verklärten Form der Wirklichkeit.«

Atrien und andere Aspekte aktueller Architektur

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analoger programmatischer Charakter lässt sich dem Gleichnis aber auch mit Blick auf die Technik anachronistischer Zeitmontagen zuweisen.

6.2 Atrien und andere Aspekte aktueller Architektur Die Vermutung, dass Vergil am Beispiel des ersten Gleichnisses verdeutlichen will, wie er diese traditionelle Form in seinem Epos weiterentwickeln will, findet mit Blick auf die Einblendung der Gegenwart als zweiter Zeitebene ihre Bestätigung nicht zuletzt dadurch, dass sich dasselbe Verfahren an weiteren Stellen beobachten lässt.21 Deren genaue Zahl ist natürlich stark davon abhängig, ob man in der oft nur kurz ausgeführten Vergleichsebene einen Zeitsprung erkennen will oder nicht, es handelt sich aber letztlich um rund zehn wahrscheinliche Beispiele und damit um rund ein Zehntel der Gesamtmenge in der Aeneis. Das Bild ließe sich zudem noch erweitern, wenn man nicht nur an ausformulierte Gleichnisse, sondern auch an Kurzvergleiche denkt, die zwar in einer impliziteren Form erfolgen, aber den gleichen Effekt haben können.22 Das zeigt sich beispielsweise an der zeitverschobenen geographischen Angabe Teutonico ritu, mit der die cateiae genannten Wurfkeulen als Waffe der Männer aus Kampanien im Italerkatalog näher beschrieben werden:23 Damit soll wohl ihre Verwendung in der Art eines Bumerangs illustriert werden, wie sie die Römer aber erst deutlich später, vermutlich im Zusammenhang der Kämpfe gegen die Teutonen im 2. Jh. v. Chr. kennengelernt haben können.24 Wir wollen uns aber zunächst auf die vollständigen Gleichnisse mit anachronistischen Bezügen in der Reihenfolge ihres Vorkommens in den einzelnen Büchern konzentrieren, bevor wir uns dann ausführlicher mit der Rolle verschiedener Formen der Zeitmontage im finalen Zweikampf von Aeneas und Turnus beschäftigen werden.25 Während das erste Gleichnis für Neptuns Eingreifen einen politischen Kontext aufgerufen hat und das Ende des Epos militärisch geprägt sein wird, weisen die übrigen Stellen einen Schwerpunkt im Bereich der Errichtung oder der Ausstattung von Bauwerken auf oder nutzen aktuelle Architektur gleichsam als Hintergrund.26 21 Vgl. allg. v.a. Coffey 1961, 69 f., und Horsfall 1984, 153. 22 Für ein weiteres Verständnis von Gleichnissen z.B. die Definition bei Gärtner/Blaschka 2019, 727–730. 23 Vgl. Verg. Aen. 7,741; allg. zu den Waffen als anachronistischen Requisiten im Italerkatalog siehe oben Kap. 5.3. 24 Vgl. Binder 2019, III 97  f.: »Ein besonders eindrucksvoller Anachronismus …« und ferner Horsfall 2000, 483: »The geographical horizons of the Aen. are Augustan, not heroic.«, der zudem auf weitere Beispiele verweist. 25 Siehe unten Kap. 6.3. 26 Zu diesem Schwerpunkt vgl. Hornsby 1970, 113–117, der allerdings auf die Anachronismen nicht eingeht.

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Anachronistische Zeitmontagen III: Die Ebene der Gleichnisse

Das zeigt sich beispielsweise am zweiten einschlägigen Gleichnis im 1. Buch, in dem die zusätzliche Schönheit, die Venus dem Aeneas vor seiner ersten Begegnung mit Dido verleiht, mit der Arbeit eines Künstlers verglichen wird, der eine Statue aus Elfenbein oder parischem Marmor mit Gold und Silber umgibt.27 Im Unterschied zu der analogen Szene im 23. Buch der Odyssee, in die Verschönerung des Protagonisten durch Athene ebenfalls mit dem Wirken eines Goldschmieds parallelisiert wird,28 geht Vergil mit der Erwähnung des auf Paros abgebauten und erst später zu seiner kunsthistorischen Bedeutung gelangten Marmors aus der epischen Welt hinaus und stellt einen Bezug zu denjenigen Statuen her, die seine Leser aus ihrer eigenen Zeit kannten.29 Ein solcher Bezug auf kultureller Ebene ergibt sich auch bei der nächsten relevante Stelle, die schon aus dem 4.  Buch stammt und Didos Leiden an ihrer Liebe zu Aeneas mit dem von den Furien bei Pentheus und Orestes ausgelösten Wahnvorstellungen vergleicht. Legen einige der hier genannten Details doch die Vermutung nahe, dass es weniger um die mythische Geschichte als solche, sondern um ihre literarische Behandlung und dramatische Inszenierung geht, wie sie für diese beiden Stoffe vor allem durch Euripides in seinen Bakchen (406/405 v. Chr.) und Aischylos in den Eumeniden (458 v. Chr.) bekannt sind:30 Eumenidum veluti demens videt agmina Pentheus et solem geminum et duplicis se ostendere Thebas,[470] aut Agamemnonius scaenis agitatus Orestes, armatam facibus matrem et serpentibus atris cum fugit ultricesque sedent in limine Dirae. Wie wenn Pentheus im Wahn die Schar der Eumeniden erblickt und ihm die Sonne zweifach und Theben doppelt erscheint, [470] oder Orestes, der Sohn Agamemnos, über die Bühne gejagt wird, weil er vor der mit Fackeln und schwarzen Schlangen bewaffneten Mutter flieht, während die rächenden Furien auf der Schwelle sitzen.

27 Vgl. Verg. Aen. 1,586–596; v.a. 1,592 f.: quale manus addunt ebori decus, aut ubi flavo // argentum Pariusve lapis circumdatur auro; mit z.B. Horsfall 1984, 153, und Binder 2019, II 77. 28 Vgl. Hom. Od. 23,156–163. 29 Vgl. Polleichtner 2018, v.a. 31, der diesen Bezug mit dem auf einen Politiker im ersten Gleichnis verbindet. 30 Verg. Aen. 4,469–473 mit z.B. Horsfall 1984, 153; Hornsby 1970, 113 f.; Binder 2019, II 349–352, und Fratantuono/Smith 2022, 679–681: »Dido is not compared here to the mythological Orestes, but to Orestes performed on the tragic stage (both Greek and Latin).«

Atrien und andere Aspekte aktueller Architektur

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Neben der sich eng an eine Formulierung des Euripides anlehnenden doppelten Wahrnehmung von Sonne und Theben in Vers 47031 ist es vor allem die explizite Erwähnung der Bühne – und damit eines weiteren Elements aus dem Bereich der Architektur – im folgenden Vers,32 die den Bezug zu Wiederaufführungen der griechischen Stücke oder zu lateinischen Adaptionen dieser mythischen Stoffe als Teil des regen zeitgenössischen Theaterbetriebs herstellt.33 Bauwerke bilden auch den Bezugspunkt in den nächsten beiden Beispielen: Zum einen handelt es sich bei dem Circus Maximus und seinen carceres als Startvorrichtung für Wagenrennen um ein ganz konkretes Gebäude, das für einen Vergleich mit dem Beginn der Regatta als Teil der Spiele für Anchises im 5. Buch herangezogen wird, mit denen wir uns bereits im letzten Kapitel ausführlicher beschäftigt haben.34 Zum anderen ist es kein bestimmtes Bauwerk, aber mit dem Atrium ein charakteristisches Element eines römischen Hauses, das im 7. Buch als Hintergrund für die berühmte Parallelisierung der von ­A llecto in den Wahnsinn getriebenen Königin Amata mit einem von spielenden Kindern in rasende Bewegung versetzten Holzkreisel dient:35 ceu quondam torto volitans sub verbere turbo, quem pueri magno in gyro vacua atria circum intenti ludo exercent, ille actus habena[380] curvatis fertur spatiis; stupet inscia supra impubesque manus mirata volubile buxum; dant animos plagae: non cursu segnior illo per medias urbes agitur populosque ferocis. Wie manchmal ein Kreisel unter Peitschenschlägen dahineilt, den Kinder in großem Kreis durch das leere Atrium treiben, ganz ins Spiel vertieft, jener wird vom Riemen getroffen [380] auf gekrümmter Bahn getragen; die junge Schar staunt darüber, ohne es zu verstehen, und bewundert das raschrollende Holzstück; die Schläge geben ihm Schwung: Nicht langsamer als jener in seinem Lauf wird sie mitten durch die Städte und kriegerische Völker getrieben.

Das Gleichnis hat vor allem deswegen viel Aufmerksamkeit gefunden, weil in ihm eine Szene aus dem familiären Alltag den politisch bedeutsamen Ereignissen gegenübergestellt wird. Der Kontrast wird aber noch dadurch gesteigert, 31 Vgl. Eurip. Bacch. 918 f.: καὶ μὴν ὁρᾶν μοι δύο μὲν ἡλίους δοκῶ, // δισσὰς δὲ Θήβας καὶ πόλισμ᾽ ἑπτάστομον. 32 Da der Anachronismus in besonderer Weise an diesem Wort deutlich wird, zeigt sich in der Überlieferung des Textes erneut eine Tendenz, diese Irritation durch seine Ersetzung zu beseitigen: vgl. Conte 2019, 100 ad loc. 33 Servius denkt bei Pentheus übrigens an eine gleichnamige Tragödie des Pacuvius: vgl. Serv. ad Aen. 4,469. 34 Vgl. v.a. Verg. Aen. 5,137–150; siehe oben Kap. 5.2. 35 Verg. Aen. 7,378–384 mit z.B. von Duhn 1957, 60–64; Hornsby 1970, 130; Pöschl 1977, 24–33; Lyne 1989, 67 f. und 130 f.; Bleisch 1996; Horsfall 2000, 261–265, und Binder 2019, III 53.

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Anachronistische Zeitmontagen III: Die Ebene der Gleichnisse

dass die Kinderspiele vor einem zeitgenössischen Hintergrund stattfinden,36 der auf den ersten Blick von der epischen Welt der von einer Göttin in Raserei versetzten Königin denkbar weit entfernt ist. Zugleich werden aber genau damit die unter anderem durch Amatas Wahn ausgelösten Kämpfe zwischen Trojanern und Latinern noch deutlicher als Präfiguration der späteren Bürgerkriege erkennbar, deren Ausbruch nicht weniger irrational den friedlichen Alltag harmloser Kinderspiele abrupt beendete. Dass Vergil hierfür in einem Gleichnis auf das Atrium zurückgreift, ist für uns deswegen besonders interessant, weil er den gleichen Gebäudeteil auch bei der Beschreibung von Didos Palast37 und der trojanischen Königsburg38 und damit innerhalb der Erzählung nutzt, um eine zeitgenössische Bedeutung der epischen Handlung zu evozieren.39 An diesem konkreten Beispiel lässt sich daher gut zeigen, dass anachronistische Bezüge in den Gleichnissen kein separates Phänomen darstellen, sondern ihrerseits einen wichtigen Beitrag zur literarischen Technik der Zeitmontagen leisten. Das gilt in ganz ähnlicher Weise auch für den wenig später erfolgenden Vergleich von Turnus’ Raserei, deren zunächst verzögerter, dann aber umso heftigerer Ausbruch mit dem Aufwallen von kochendem Wasser in einem Bronzekessel parallelisiert wird.40 Das anachronistische Potential ist hier vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wird aber vor allem dadurch deutlich, dass die Verwendung des gleichen Vorganges zur Illustration des Aufbrausens des Skamander in einem Gleichnis der Ilias in der Antike als anachronistisch empfunden wurde, weil gekochte Speisen als zu modern für die Epoche der epischen Handlung galten.41 Auch wenn Vergil einerseits auf die Erwähnung eines essbaren Inhaltes verzichtet und andererseits seine Helden durchaus Kessel zur Zubereitung von Fleisch verwenden lässt,42 dürfte für einen literarisch kundigen Leser die homerische Kontroverse auch hier mitgeschwungen haben. Im Vordergrund steht aber sicherlich die Kontrastierung einer politisch bedeutsamen Handlung mit der Alltagsszene eines kochenden Kessels, wie sie später im 8. Buch noch deutlicher hervortritt, wenn der zeitige Beginn der Arbeit des Schmiedegottes Vulcan an den Waffen für Aeneas mit dem frühen Aufstehen einer geschäftigen

36 Vgl. v.a. Horsfall 2000, 263, mit einem kurzen Verweis auf die Parallelstellen. 37 Vgl. Verg. Aen. 1,725–727 und 4,666; siehe oben Kap. 4.1. 38 Vgl. Verg. Aen. 2,483 und 2,528; siehe oben Kap. 4.2. 39 Vgl. Serv. ad Aen. 1,726: atria: ut supra diximus, tangit Romanam historiam. 40 Vgl. Verg. Aen. 7,462–466 mit z.B. von Duhn 1957, 64–79; Rieks 1981, 1042 f. und Horsfall 2000, 310–315. 41 Vgl. Hom Il. 21,361–367; zu dieser Diskussion siehe oben S. 118. 42 Vgl. z.B. Verg. Aen. 1,213 oder 5,102 und dag. Serv. ad Aen. 1,213: quibus utebantur non ad elixandes carnes, sed ad se lavandos. Heroicis enim temporibus carne non vescebantur elixa.

Atrien und andere Aspekte aktueller Architektur

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Hausfrau verglichen wird, die wir uns allerdings wohl auch in einem zeitgenössischen und römischen Kontext vorstellen sollen.43 Dieser Kontext wird in den letzten beiden Gleichnissen sogar noch deutlicher, die uns zudem auch wieder in den Bereich der Architektur zurückführen. Das erste findet sich im 9. Buch und dient der Veranschaulichung, wie der tödlich getroffene Bitias zu Boden stürzt. Dieser für seine riesenhafte Körpergröße bekannte Trojaner ist von Turnus passenderweise mit einer phalarica tödlich getroffen worden, womit ansonsten ein in späteren Zeiten im Rahmen von Belagerungen verwendetes Geschoss bezeichnet wird.44 Dieser anachronistische Bezug wird auch in dem sich anschließenden Gleichnis aufgenommen und in seiner Detailliertheit sogar noch gesteigert, was erneut zeigt, dass mit Blick auf die Zeitmontagen hier kein Unterschied zu beobachten ist:45 talis in Euboico Baiarum litore quondam[710] saxea pila cadit, magnis quam molibus ante constructam ponto iaciunt; sic illa ruinam prona trahit penitusque vadis inlisa recumbit: miscent se maria et nigrae attolluntur harenae, tum sonitu Prochyta alta tremit durumque cubile[715] Inarime Iovis imperiis imposta Typhoeo. Ein so großer Pfeiler aus Stein fällt bisweilen an Baiaes [710] euböischer Küste herab, den man aus großen Blöcken zuvor errichtet ins Meer sinken lässt; so neigt jener sich vornüber, stürzt hernieder, schlägt auf die Wellen und taucht ganz unter: Das Meer wird aufgewühlt und schwarzer Sand nach oben gespült, dann erzittern von dem Krach das steile Procida und Ischia, [715] das auf Jupiters Geheiß als hartes Bett auf Typhoeus lastet.

Der Sturz eines epischen Helden wird hier also mit einem Vorgang verglichen, den die Leser von einer zeitgenössischen Großbaustelle gekannt haben oder sich anhand der Schilderung vorstellen konnten.46 Es wird zwar nicht klar, für welche Art von Gebäude diese Substruktionen hier an der Küste des hier über die Herkunft der griechischen Kolonisten seiner Mutterstadt Cumae als euböisch 43 Vgl. Verg. Aen. 8,407–413 mit z.B. Hornsby 1970, 14 f. und 105–107; Gransden 1976, 138; Fratantuono/Smith 2018, 501–506, und Binder 2019, III 166: »Das vorliegende Gleichnis geht auf Homer und Apollonios zurück (Ilias 12,433-438; Argonautika 3,291-297). … Vergil hat seine Vorbilder in einen neuen Kontext versetzt und seinem Gleichnis eine typisch römische Note, wenn nicht einen römisch-ideologischen Akzent gegeben: …« 44 Vgl. Verg. Aen. 9,703–709; ausführlicher zu dieser und anderen anachronistischen Requisiten siehe oben Kap. 5.3. 45 Verg. Aen. 9,710–716 mit z.B. Coffey 1961, 69 f.; Hornsby 1970, 115 f.; Horsfall 1984, 153; Dingel 1997, 257–259; Binder 2019, III 306: »Vorgefertigte Pfeiler (…) wurden, besonders an der neapolitanischen Küste, für den Bau von Kaianlagen und ins Meer vorgeschobener Terrassen verwendet; …« und Rood/Atack/Phillips 2020, 69. 46 Für eine detaillierte Schilderung der technischen Seite vgl. Vitr. 5,12,2–4.

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bezeichneten Baiae47 angelegt werden: Neben einer Hafenmole, wie sie Vergil in den Georgica im Zusammenhang mit der Errichtung des portus Iulius durch Agrippa 37/36 v. Chr. erwähnt hat,48 wäre auch eine Villa denkbar, auch wenn solche massiven Eingriffe in die Natur zu privaten Zwecken offenbar kritischer gesehen wurden.49 Die Wirkung dieses sehr modernen optischen und akustischen Eindrucks wird dann noch dadurch gesteigert, dass davon sogar die nahegelegenen Inseln erschüttert werden, unter denen Vergil zudem in Abweichung der von der antiken Vulgata den Verbannungsort des von Jupiter mit einem Blitz besiegten Typhoeus verlegt, nicht zuletzt wohl deswegen, weil auf diese Weise der Tod des Bitias eine weitere Aufwertung erfährt.50 Nicht in die Richtung einer solchen Konkurrenz moderner mit mythischer Gigantomachie weist das letzte Gleichnis, das wir uns ansehen wollen, bevor wir uns der Schlussszene zuwenden. Der Bezug auf eine den Zeitgenossen aus ihrem Alltag vertraute Villenlandschaft ist allerdings auch in diesem Fall nicht weniger deutlich. Wir befinden uns nun schon im 12. Buch und in der Phase, in der Juturna versucht, ihren Bruder Turnus der direkten Konfrontation mit Aeneas zu entziehen. Ihr darauf gerichtetes Bemühen wird mit der eifrigen Sorge einer Schwalbenmutter verglichen, die sich um ihren Nachwuchs kümmert. Während der von Achill in der Ilias angestellte Vergleich seiner Aktivitäten für die Griechen mit der einer Vogelmutter für ihre Jungen, der vielleicht die Anregung für diese Stelle bot,51 die Szenerie nicht weiter schildert und damit ganz in der eigenen Zeit verbleibt, lässt Vergil seine Schwalbenmutter vor dezidiert römischen Hintergrund fliegen:52 nigra velut magnas domini cum divitis aedes pervolat et pinnis alta atria lustrat hirundo, pabula parva legens nidisque loquacibus escas,[475] et nunc porticibus vacuis, nunc umida circum stagna sonat: … Wie eine schwarze Schwalbe das große Haus eines reichen Mannes durchfliegt und mit seinen Flügeln das hohe Atrium umflattert, kleine Bissen suchend als Futter für die zwitschernde Brut im Nest, [475] und bald in den leeren Säulenhallen, bald um die wassergefüllten Teiche herum ihre Stimme ertönen lässt: …

47 Vgl. Dingel 1997, 257: »Vergil nennt Baiae nur an dieser Stelle, und ohne sachliche Notwendigkeit. Man kann es als Huldigung ansehen.« 48 Vgl. Verg. georg. 2,161–164 mit z.B. Coffey 1961, 69 f.: »Vergil … had included the con­ struction of harbour works in the bay of Naples … as part of the glory of Italy (G. 2,155 ff.), …«. 49 Vgl. z.B. Hor. carm. 2,18,18–22 und 3,1,33–37. 50 Vgl. Hardie 1986, 143–146; Lyne 1989, 91; Dingel 1997, 259, und Binder 2019, III 306 f. 51 Vgl. Hom. Il. 9,323–327 mit Tarrant 2012, 213 f. 52 Verg. Aen. 12,473–477a mit z.B. Thomas 1998, 289–291; Tarrant 2012, 213–215, und Binder 2019, III 604 f.: »Das Gleichnis ist römisch (…); es ist vergilisch.«

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Mit dieser friedlichen Alltagsszene ist einerseits noch einmal ein Kontrapunkt zu den Kämpfen gesetzt, die sich nun ihrer blutigen Entscheidung nähern. Andererseits wird durch den expliziten Bezug auf die Realität des zeitgenössischen Roms auch erneut ihre Bedeutung als Präfiguration der späteren Bürgerkriege in Erinnerung gerufen. Letzteres setzt sich auch im verbleibenden Teil des Epos fort, in dem Turnus, den seine Schwester nicht länger vor dem finalen Duell bewahren kann, auf Aeneas trifft und in dem anachronistische Zeitmontagen besonders markant auftreten.

6.3 Turnus, das Torsionsgeschütz und der Todesstoß Der Bezug auf die eigene Zeit und die damit einhergehende Betonung des Gedankens, dass der Kampf zwischen Trojanern und Italern die späteren Auseinandersetzungen zunächst Roms mit seinen unmittelbaren Nachbarn und dann zwischen den römischen Bürgern selbst spiegelt, tritt im letzten Drittel des 12. Buchs noch stärker in den Vordergrund. Dabei hat neben der Einigung zwischen Jupiter und Juno, in der sie auf der Ebene der Götterhandlung und damit in der Form eines expliziten Gegenwartsbezuges die gemeinsame Zukunft des aus beiden Konfliktparteien entstehenden populus Romanus vereinbaren,53 vor allem der oftmals als verstörend empfundene Ausgang des Zweikampfs zwischen Aeneas und Turnus viel Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden. Bildet doch der Moment, in dem der siegreiche Trojaner den wehrlosen und um sein Leben bittenden Vorkämpfer der Gegenseite gleichwohl tötet, den Abschluss des gesamten Epos und wird damit fraglos in besonderer Weise hervorgehoben.54 Die kontroversen Deutungen der Schlussszene sind eng mit der Frage verbunden, welche politische Positionierung man für das Werk im Ganzen in Hinsicht auf die sich während der Abfassung etablierende Alleinherrschaft des Augustus und seine Siege in den Bürgerkriegen, die dieser Umgestaltung zugrunde liegen, annimmt.55 Hier hat die Betonung kritischerer Aspekte in Ver-

53 Vgl. Verg. Aen. 12,791–842 mit z.B. Feeney 1991, 146–152; Tarrant 2012, 290–305; Fletcher 2014, 249–251; Suerbaum 2017, 99–102; Binder 2019, III 649–658, und Farrell 2021, 283–287. 54 Vgl. Verg. Aen. 12,930–952; siehe unten S. 134f.. 55 Vgl. z.B. Glei 1991, v.a. 222–231; Horsfall 1995, 192–216; Heil 2001, 210–229; C ­ lausen 2002, 185–209; Klodt 2004; Polleichtner 2009, 223–276; Nelis/Polleichtner 2010; Tarrant 2012, 16–30; Seider 2013, 159–195; Binder 2019, I 287–296, und mit Blick auf die Haltung des Lesers Farrell 2021, 291 f.: »Aeneas over the course of his story becomes steadily less reflective, and more reactive. That is part of his tragedy. His story tempts readers, as well, to become less reflective, and more reactive. It is almost impossible not to conclude that Aeneas must act, and that we must choose. If we can resist that urge and remain reflective, however, the rewards may be greater.«

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gils Darstellung seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.56 zu einer intensiven Debatte geführt, die vor allem unter dem Schlagwort der two voices-Theorie geführt wurde.57 Auch wenn diese sicherlich nicht als abgeschlossen gelten kann, zeichnet sich als neue communis opinio doch eine Sichtweise ab, in der man weniger von einer zweiten gleichsam zwischen den Zeilen verborgenen Stimme der Opposition ausgeht als vielmehr von einer an sich ambivalenteren Bewertung der römischen Geschichte und vor allem der mit ihr verbundenen Bürgerkriege als Teil der Gesamtbildes und der Aussage des Epos. Vor dem Hintergrund dieses Deutungsrahmens lassen sich auch die in den letzten Abschnitten der Aeneis gehäuft auftretenden und sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich auf der Ebene der Gleichnisse bewegenden anachronistischen Zeitmontagen gut einordnen. Da die Handlung des 12. Buchs trotz aller Retardationen ohnehin auf das finale Duell zwischen den Protagonisten zusteuert, gibt es mehrere Wendepunkte, die diese Entscheidung nach und nach unvermeidlich erscheinen lassen sollen. Besondere Bedeutung kommt aber sicherlich dem Moment zu, in dem Turnus in einer eindringlichen Rede ­Juturna seine Bereitschaft erklärt, sich Aeneas nun doch stellen zu wollen.58 Als Grund für diese Entscheidung wird in den vorangehenden Versen beschrieben, dass ­Turnus mit ansehen musste, wie ein von ihm selbst als Teil der Befestigungsanlagen der Stadt der Latiner erbauter Turm durch den Angriff der Trojaner in Brand geraten ist:59 ecce autem flammis inter tabulata volutus ad caelum undabat vertex turrimque tenebat, turrim compactis trabibus quam eduxerat ipse subdideratque rotas pontisque instraverat altos.[675] Sieh aber, eine Feuersäule wälzt sich die Stockwerke entlang, wogt zum Himmel und hat den Turm schon ganz erfasst, den Turm, den er selbst aus zusammengefügten Balken errichtet, ihn auf Räder gestellt und mit hohen Brücken versehen hatte. [675]

Auch wenn man die Zerstörung des von Turnus erbauten Turmes symbolisch als Vorwegnahme seines späteren Todes verstehen kann, handelt es sich doch um kein Gleichnis im engeren Sinne. Vielmehr ist hier auf der Ebene der Handlung eindeutig von einer turris ambulatoria die Rede, wie sie wohl seit hellenisti 56 Vgl. v.a. Parry 1963; Putnam 1965, v.a. 151–201; Quinn 1968; Lyne 1987; Thomas 2001 und Putnam 2011, v.a. 102–117, sowie für affirmative Lesarten z.B. Vielberg 1994; Powell 2008 und Stahl 2016, v.a. 33–107. 57 Für Zusammenfassungen der Debatte vgl. z.B. Schmidt 2001; Hejduk 2017 und Binder 2019, I 303–306. 58 Vgl. Verg. Aen. 12,676–680, v.a. 676 f.: iam iam fata, soror, superant, absiste morari; // quo deus et quo dura vocat Fortuna sequamur; mit Tarrant 2012, 262–264: »The brief speech is T.’s finest moment in the poem.« 59 Verg. Aen. 12,672–675 mit Tarrant 2012, 260–262, und Binder 2019, III 629–631.

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scher Zeit eingesetzt und später von Vegetius ausführlich beschrieben wurde.60 Es handelt sich daher noch augenscheinlicher als im Fall des unbeweglichen Turmes, den Turnus zuvor seinerseits als Teil der Befestigung des trojanischen Lagers in Brand gesteckt hatte,61 um eine anachronistische Schilderung, auch wenn solche mobilen Konstruktionen sonst eher zum Angriff als zur Verteidigung von Städten verwendet wurden.62 Diese Zeitmontage lässt sich daher auch als ein Impuls für die zeitgenössischen Leser verstehen, die folgende Schilderung des Zweikampfs selbst ebenfalls verstärkt vor dem Hintergrund ihrer Sehgewohnheiten und damit in ihrer Bedeutung für die eigene Gegenwart zu verstehen. Dazu passt einerseits die Art und Weise, wie der Rollenwechsel der anderen Teilnehmer auf beiden Seiten beschrieben wird, die von Kombattanten erneut zu Zuschauern werden: Noch stärker als in der Eingangsszene des 12. Buchs wird dabei ihre gespannte Erwartung betont und damit die Analogie zur Haltung eines Publikums, das einem Gladiatorenkampf entgegenfiebert, forciert.63 Andererseits fügt sich hier auch der punktuelle Wechsel in der an sich vorwiegend der epischen Tradition folgenden Bewaffnung der beiden Kontrahenten gut ein: Denn wie wir bereits bei der Behandlung der anachronistischen Requisiten gesehen haben, wird Turnus vor der finalen Phase des Duells einmalig statt mit dem für einen Heros zu erwartenden ensis mit dem gladius eines römischen Legionärs gezeigt, während ihm Aeneas mit seiner in dieser Hinsicht unauffälligen hasta gegenübersteht.64 Gleichwohl leisten auch solche eher impliziten oder schlaglichtartigen Bezüge ihren Beitrag dazu, die zweite zeitliche Ebene als Hintergrund präsent zu halten. Expliziter werden die Bezüge auf die eigene Zeit im weiteren Verlauf dann wieder in der Form von zwei Gleichnissen. Das erste findet sich noch außerhalb der eigentlichen Kampfhandlung, leitet aber atmosphärisch schon zu ihr über: Denn nachdem Jupiter im Gespräch mit Juno die glanzvolle Zukunft des römischen Volkes besiegelt hat, entsendet er eine der beiden Dirae, um ­Juturnas Unterstützung für Turnus zu beenden.65 Der Flug dieses furienähn-

60 Vgl. Veg. mil. 4,17. 61 Vgl. Verg. Aen. 9,530–544a; siehe oben Kap. 5.3. 62 Für einen Vergleich mit historiographischen Darstellungen von Belagerungen vgl. Rossi 2004, 171–188. 63 Vgl. Verg. Aen. 12,704–709 mit Rossi 2004, 150–168; Tarrant 2012, 270 f., und Binder 2019, III 633–637, v.a. 635: »Mehr noch als bei der Vertragszeremonie wird die gespannte Atmosphäre des Amphitheaters vermittelt (…): … Die beiden Kämpfer stellen jedoch nicht den Typus des Gladiators vor, sondern repräsentieren Orient und Okzident (…), womit die Szene in eine historische Dimension gehoben wird: …« 64 Vgl. Verg. Aen. 12,788–790, v.a. 789: hic gladio fidens, hic acer et arduus hasta; siehe ausführlicher oben Kap. 5.2. 65 Vgl. Verg. Aen. 12,843–868 mit z.B. Hübner 1970, 19–23; Tarrant 2012, 306–312, und Binder 2019, III 658–662.

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lichen ­Fabelwesens zur Erde wird dann mit dem von einem Parther oder Kreter abgeschossenen Pfeil verglichen:66 non secus ac nervo per nubem impulsa sagitta, armatam saevi Parthus quam felle veneni, Parthus sive Cydon, telum immedicabile, torsit, stridens et celeris incognita transilit umbras: Nicht anders als ein von der Sehne durch die Wolken geschossener Pfeil, den mit der grausamen Galle des Giftes bestrichen ein Parther entsandt hat, ein Parther oder Kydonier, ein unheilbares Geschoss, zischend und unbemerkt durch die schnellen Schatten dahineilt.

Während sowohl die Bewohner Kretas im Allgemeinen wie auch die Kydonier im Besonderen ihre Bogenkünste zu unterschiedlichen Zeiten praktiziert haben und als Bewohner dieser Insel schon in der Odyssee Erwähnung finden,67 stellt die Erwähnung der Parther einen klaren Bezug auf die jüngere Geschichte dar. Hatten diese den Römern doch im 1. Jh. v. Chr. unter anderem dank ihrer berittenen Bogenschützen empfindliche Niederlagen zugefügt und eine Rückholung der von M. Licinius Crassus bei Carrhae 53 v. Chr. verlorenen Legionsadler war offenbar ein wiederkehrendes Thema der zeitgenössischen Politik.68 Das zweite Gleichnis, das in ähnlich expliziter Weise eine Verbindung zu den Verhältnissen in der Gegenwart des Autors und seiner Leser herstellt, gehört bereits der letzten Phase des Zweikampfs an, der sich mit seinen insgesamt über 255 Versen unter anderem am homerischen Vorbild des Duells zwischen Achill und Hektor vor den Mauern Trojas orientiert.69 Der entscheidende Lanzenwurf des Aeneas wird unter anderem mit dem von einem Torsionsgeschütz geschleuderten Geschoss gleichgesetzt, wie wir gleich sehen werden. Diese Parallelisierung gewinnt aber dadurch noch zusätzlich an Relief, dass Turnus zuvor seinerseits versucht, in der Manier homerischer Helden einen gewaltigen Felsblock, den zwölf Männer, wie sie heutzutage die Erde hervorbringt, kaum hätten heben könnten, allein mit der Kraft seiner Hände auf Aeneas zu schleudern.70 Während Diomedes mit dieser urtümlichen Kampfweise im 5. Buch der Ilias noch Erfolg hat und Aeneas daraufhin von seiner Mutter vom Schlachtfeld entführt 66 Verg. Aen. 12,856–859 mit Hornsby 1970, 135 f.; Tarrant 2012, 309 f., und Binder 2019, III 661. 67 Vgl. Hom. Od. 3,392 und 19,176; ein zeitgenössischer Bezug ergibt sich möglicherweise über die von Cassius Dio (51,2,3) erwähnte Gewährung der Autonomie für die Stadt Kydonia durch Octavian im Jahr 30  v.  Chr. als Belohnung für ihre Unterstützung im Bürgerkrieg gegen Marc Anton: vgl. Sonnabend 1999. 68 Zu den entsprechenden Erwartungen und ihrer diplomatischen Wiedererlangung 20 v. Chr. vgl. Oswald 2012. 69 Vgl. Freund 2008; für andere Einflüsse z.B. Polleichtner 2009, 227–256; Nickbakht 2010 und Kelly 2014. 70 Vgl. Verg. Aen. 12,896–918 mit z.B. Putnam 2011, 92–97; Tarrant 2012, 321–327; Mader 2015, 589–594, und Binder 2019, III 667–670.

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werden muss,71 scheitert Turnus, dessen Kräfte schwinden, mit seinem Versuch, und der Stein bleibt auf halbem Wege liegen. Auch wenn es sich bei diesem letzten heroischen Versuch des Turnus nicht um ein Gleichnis, sondern um einen Teil der Erzählung handelt, sind beide Vorgänge doch offenkundig kontrastiv aufeinander bezogen72 und sollen nicht nur die nunmehr unterschiedlichen Kräfteverhältnisse der Kontrahenten veranschaulichen, sondern wohl auch den Charakter dieser Konfrontation als historischem Wendepunkt verdeutlichen: Während das traditionelle Heldentum des Turnus der Vergangenheit angehört, zeigt sich in der Beschreibung der Kampfesweise des Aeneas bereits schlaglichtartig die römische Zukunft als Folge seines Siegs,73 auch wenn die Zeitmontage auf eines der drei Gleichnisse beschränkt bleibt, mit denen seine ansonsten der epischen Tradition folgende Kampfweise kommentiert wird.74 Unmittelbar nach dem vergeblichen Steinwurf des Turnus holt Aeneas nun zum Gegenschlag aus, indem er seine Lanze auf ihn richtet:75 cunctanti telum Aeneas fatale coruscat, sortitus fortunam oculis, et corpore toto[920] eminus intorquet. murali concita numquam tormento sic saxa fremunt nec fulmine tanti dissultant crepitus. volat atri turbinis instar exitium dirum hasta ferens orasque recludit loricae et clipei extremos septemplicis orbes;[925] per medium stridens transit femur. Vor dem Zögernden schwingt Aeneas die todbringende Waffe und, die richtige Stelle mit seinen Blicken bestimmend, schleudert sie  [920] mit ganzer Kraft aus der Ferne. So rauschen weder jemals Steine, die von einem Mauergeschütz geschleudert werden, noch verbreitet sich ein solches Brausen durch Blitze. Es fliegt wie ein schwarzer Wirbelwind, schreckliches Verderben bringend, die Lanze und durchbohrt den Saum des Panzers und den äußersten Rand des siebenhäutigen Schilds;  [925] knirschend dringt sie mitten in den Oberschenkel ein. 71 Vgl. Hom. Il. 5,302–310 mit Quint 1993, 68 f.; Freund 2008, 73 f.; Putnam 2011, 91 f., und Mader 2015, 589 f. 72 Für einen inhaltlichen Bezug trotz der verschiedenen literarischen Formen vgl. z.B. Quint 1993, 70 f.; Freund 2008, 74, und Mader 2015, v.a. 595. 73 Vgl. Mader 2015, v.a. 595: »The siege-engine emphasizes not just the superior firepower of Aeneas, but more precisely the triumph of technological rationality over vis consili expers: the archaic stone-thrower is no match for ‘modern’ mechanized warfare. The tension between spatium epicum and Vergil’s own spatium historicum comes crucially into play here – for as Turnus’ gesture connects him with the archaic world of Homer, the ballista simile looks to the future and makes Aeneas instrumental in inaugurating that new world order.« 74 Zu den homerischen Einflüssen vgl. West 1974, v.a. 24 f.; Barchiesi 1984, 91–122, und Freund 2008, 74 f. 75 Verg. Aen. 12,919–926 mit Tarrant 2012, 327–330; Mader 2015, 594–603, und Binder 2019, III 670–672.

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Der Lanzenwurf eines prähistorischen Kämpfers wird hier hyperbolisch mit der zerstörerischen Gewalt eines tormentum murale gleichgesetzt. Auch wenn aus dem verwendeten Adjektiv nicht klar hervorgeht, ob wir es mit einem mauerbrechenden Belagerungsgeschütz oder im Gegenteil mit einer auf einer Stadtmauer zur Abwehr von Angreifern angebrachten Abschussvorrichtung zu tun haben,76 so legt doch die Bezeichnung als tormentum und die explizite Erwähnung der Steine als Geschossen den Gedanken an ersteres nahe,77 und zwar im Besonderen an solche auf Torsionskraft beruhende Maschinen, die griechisch als παλίντονον und lateinisch als ballista bezeichnet werden.78 Unabhängig von den technischen Details geht damit ein klarer Anachronismus einher, da in der Antike die Kämpfe zwischen Syrakus und Karthago um 400 v. Chr. als historisches Datum der erstmaligen Verwendung von Torsionsgeschützen galten.79 Es kann daher auch nicht überraschen, dass sie bei Homer nicht nur auf der Ebene der Handlung, sondern auch in den Gleichnissen keine Erwähnung finden. Auch in der übrigen epischen Tradition scheint diese Art von Parallelisierung keine Rolle gespielt zu haben, bevor Vergil sie hier und zuvor in einem Kurzvergleich im 11. Buch verwendet, um den Sturz des Latiners Aconteus von seinem Pferd in der Folge eines Lanzenstoßes zu illustrieren.80 Beide Stellen fügen sich dabei gut in die größere Gruppe von Zeitmontagen aus dem Bereich der Belagerungstechnik ein, zu der auf der Ebene der Handlung auch die von Turnus gegen Bitias eingesetzte phalarica oder die Beschreibung der testudo gehört.81 Davon abgesehen sind Torsionsgeschütze als besonders markante Form des Anachronismus aber auch von Ovid in seinen Metamorphosen aufgegriffen worden, wenn er etwa Pentheus sich wünschen lässt, dass Theben wenigstens auf diese Weise statt von den Anhängern des Bacchus eingenommen werde,82

76 Vgl. Schork 1986, 264 Anm. 12, und Rossi 2004, 196 Anm. 82: »This occurrence of the adjective muralis, -e, used only here in the Aeneid, probably means ›causing devastation of walls‹, not ›characteristic of a wall.‹ …« 77 Zur Gleichsetzung des auf diese Weise angegriffenen Turnus mit der belagerten Stadt der Latiner als weiteres Argument vgl. Schork 1986, v.a. 264–266, sowie ferner z.B. Rossi 2004, 195 f., und Tarrant 2012, 328. 78 Von ihrer Konstruktion und von der Bedeutung im römischen Heer geben Vitruvs Beschreibungen einen guten Eindruck: vgl. Vitruv. 10,10–12 mit z.B. Campbell 2003, 23–37, und Campbell 2011, v.a. 689–693. 79 Vgl. v.a. Diod. 14,41–43 mit z.B. Baatz 1999 und Campbell 2011, 678–680. 80 Vgl. Verg. Aen. 11,615b–617: excussus Aconteus // fulminis in morem aut tormento ponderis acti // praecipitat longe et viam dispergit in auras; mit z.B. Schork 1986, 266 f.; Binder 2019, III 504 f., und McGill 2020, 213 f. 81 Vgl. Verg. Aen. 9,703–709; ausführlicher zu diesen anachronistischen Requisiten siehe oben Kap. 5.1 und 5.3. 82 Vgl. Ov. met. 3,548b–550 mit z.B. Ebert 1888, 28 f., und Wheeler 1999, 204, sowie allg. v.a. Geitner 2021.

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oder wenn er Achaemenides die Stärke der Kyklopen beim Werfen der Steine mit solchen Maschinen gleichsetzen lässt.83 Die ästhetische Wirkung der Zeitmontage an unserer Stelle wird aber dadurch noch gesteigert, dass der anachronistische Vergleich von drei konventionelleren Elementen gleichsam gerahmt wird: Erstens erinnert die Erwähnung der Steine noch einmal daran, dass es Turnus nur wenige Zeilen zuvor misslungen war, einen Felsblock mit seinen eigenen Händen zu werfen, so dass hier gleichsam zwei Methoden zur Bewegung größerer Gewichte einander gegenübergestellt werden. Zweitens steht die Parallelisierung mit dem Torsionsgeschütz nicht alleine, sondern bildet einen Teil der drei Glieder umfassenden Gruppe von Gleichnissen,84 die den Lanzenwurf nicht zuletzt in akustischer Hinsicht veranschaulicht und hierzu in ganz traditioneller Manier auf den Bereich der Natur referiert, indem ihr Flug zunächst mit einem Blitz85 und dann mit einem Wirbelwind gleichgesetzt wird.86 Dabei könnte es sich für die zeitgenössischen Leser zwar insofern um eine vertraute Zusammenstellung gehandelt haben, als sich der Vergleich eines Blitzschlags mit der Wirkung eines Torsionsgeschützes schon bei Lukrez findet und in der philosophischen Literatur der Antike auch sonst zur Erläuterung dieses Phänomens herangezogen wurde.87 Hier steht die technische Erfindung des Menschen jedoch auf einer Ebene mit den beiden Vorgängen aus dem Bereich der Natur, wodurch der vermutlich bekannte Vergleich eine neue Wendung erfährt. Der dritte Kontrast ergibt sich zu den auf der Ebene der Beschreibung genannten ›Requisiten‹:88 So wird die Lanze des Aeneas selbst mit telum und hasta in poetisch gehobener Diktion, zeitlich gesehen aber in einer eher unauffälligen Art und Weise bezeichnet.89 Das Gleiche gilt auch für die von ihr durchschlagene Rüstung des Turnus, da mit dem Wort lorica sowohl ein modernes Panzerhemd wie der altertümliche Harnisch gemeint sein kann.90 Eindeutig auf die 83 Vgl. Ov. met. 14,183 f. mit z.B. Solodow 1988, 76: »Thus it is a true (and very striking) anachronism …« 84 Zu diesem Cluster im Ganzen und der Besonderheit als Negativvergleich vgl. Schork 1986, v.a. 261–264. 85 Zum Vergleich mit dem Blitz als Gleichsetzung von Aeneas mit Jupiter und Verweis auf die Gigantomachie vgl. Hardie 1986, 147–154 und 177–180, sowie ferner zustimmend Tarrant 2012, 329, und Binder 2019, III 672. 86 Zur hiermit verbundenen Negativcharakterisierung des Aeneas vgl. z.B. Putnam 2011, 45 und 99. 87 Vgl. Lucr. 6,323–329, v.a. 328 f.: exprimitur vis atque ideo volat impete miro, // ut validis quae de tormentis missa feruntur und ferner z.B. Sen. nat. 2,16 mit z.B. Bailey 1950, 1602 f., und Hardie 1986, 177–180. 88 Zu diesem Teilbereich der literarischen Technik der Zeitmontagen siehe oben Kap. 5. 89 Vgl. Saunders 1930, 145–153; Wickert 1930, 437–442; Lyne 1989, 105 f., und Malavolta 1996, 118–122. 90 Vgl. Heinze 1915, 204; Wickert 1930, 300–302; Sandbach 1990 [1965/66], 457 f., und Malavolta 1996, 137–139.

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Anachronistische Zeitmontagen III: Die Ebene der Gleichnisse

Sprache des Epos und die Epoche der Heroen verweist jedoch der siebenhäutige Rundschild, der denn auch betont als letztes Detail genannt wird. Vor diesem traditionellen Hintergrund und im Kontext der dreifachen Rahmung durch konventionellere Elemente kann der anachronistische Vergleich noch mehr herausstechen und in ästhetischer Hinsicht sein ganzes Irritationspotential entfalten. Zugleich waren genau solche Torsionsgeschütze in der römischen Armee des 1. Jh. v. Chr. weit verbreitet und Vergils Lesern wohl nicht zuletzt aus den zurückliegenden Bürgerkriegen allzu vertraut, so dass ihre Einblendung in das entscheidende Duell noch einmal dessen Bedeutung als Präfiguration der künftigen Konflikte als Teil ihrer Geschichte in Erinnerung ruft. Dasselbe lässt sich, wenngleich in impliziterer Form, auch für die allerletzten Verse des ganzen Epos in Anspruch nehmen. Ein wichtiger Unterschied zu dem Zweikampf zwischen Achill und Hektor im 22.  Buch der Ilias, der wohl das wichtigste literarische Vorbild bildet,91 besteht darin, dass Turnus von der Lanze nur im Oberschenkel getroffen wurde und daher im Gegensatz zu dem bereits tödlich verwundeten Hektor den Sieger nicht nur um angemessene Bestattung, sondern sogar um sein Leben bitten kann und Aeneas damit tatsächlich noch einmal zum Innehalten bringt.92 Die Entscheidung, ob ein im Zweikampf besiegter und um seine Begnadigung bittender Gegner getötet oder verschont werden soll, entspricht dabei nicht zuletzt derjenigen Situation, die den zeitgenössischen Lesern als Bestandteil von Gladiatorenspielen bekannt gewesen sein dürfte.93 Diese Analogie wird einerseits dadurch verstärkt, dass nicht nur, wie oben gesehen,94 zu Beginn des Duells sein Charakter als von den Zuschauern beider Seiten gespannt erwartetes Schauspiel betont, sondern deren Reaktion auch hier noch einmal eindrucksvoll erwähnt wird, wenn der Treffer des Aeneas dazu führt, dass der italische Teil des Publikums so laut aufstöhnt, dass das Echo von den umliegenden Wäldern und Bergen zurückgeschickt wird.95 Andererseits erweist sich in diesem Kontext die genaue Beschreibung der Tötungsart als einschlägig, wenn es heißt, dass Aeneas sein Schwert wütend ganz in der Brust des bereits am Boden befindlichen Turnus versenkt habe, welche dieser ihm entgegen gehalten habe: ferrum adverso sub pectore condit // fervidus.96 Wenn 91 Vgl. Hom. Il. 22,248–343 mit Binder 2019, III 673–682, der auch auf weitere Bezüge zu Homer verweist. 92 Vgl. Verg. Aen. 12,930–949 mit z.B. Putnam 1965, 151–201; Schenk 1984, 384–395; Heil 2001, 210–229; Holzberg 2006, 204–210; Tarrant 2012, 330–341, und Binder 2019, III 673–681. 93 Vgl. z.B. Hardie 1986, 152–154; Tarrant 2012, v.a. 331: »The duel of A. and T. has some of the character of a gladiatorial combat, and in that context T.’s appeal is a request for missio, …« und Pausch 2017, 177 f. 94 Siehe oben S. 129. 95 Vgl. Verg. Aen. 12,928 f.: consurgunt gemitu Rutuli totusque remugit // mons circum et vocem late nemora alta remittunt; mit z.B. Tarrant 2012, 330. 96 Verg. Aen. 12,950–951a; für andere vielleicht mit condere verbundene Assoziationen vgl. Tarrant 2012, 340.

Turnus, das Torsionsgeschütz und der Todesstoß

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man sich diesen blutigen Vorgang im Detail vorstellen möchte, ist damit wohl ein Durchstechen der Brust von oben, vom Schlüsselbein her gemeint, wie es offenbar gängige Praxis war, wenn der unterlegene Gladiator vom Sieger den Todesstoß versetzt bekam.97 Wenn man diese Schilderung als impliziten Kurzvergleich mit dem Todesstoß eines Gladiators akzeptiert, enthält die letzte Szene nicht nur eine weitere anachronistische Zeitmontage, mit der die Relevanz der prähistorischen Handlung für die Gegenwart der Leser unterstrichen und durch die Überlagerung beider Vorstellungen in ein und derselben Schilderung der ästhetische Reiz erhöht wird. Die Parallelisierung erstreckt sich hier dann auch auf die Rolle der Zuschauer eines solchen Zweikampfes in der zeitgenössischen Praxis, die sich in dem Moment, da der siegreiche Gladiator innehält, ihre eigene Meinung darüber bilden mussten, ob der unterlegene Kämpfer, der seine Niederlage eingeräumt und um die missio gebeten hat, sein Leben behalten durfte, um diese sodann dem Spieleveranstalter zu kommunizieren und auf diese Weise an der Urteilsfindung mitzuwirken.98 Auf diese Weise wird ein römischer Leser, der die Situation wiedererkennt, stärker in die Lektüre involviert und vor allem dazu aufgefordert, sich eine eigene Meinung darüber zu bilden, wie Aeneas seiner Ansicht mit Turnus verfahren soll.99

97 Vgl. z.B. Cic. Tusc. 2,41 mit Junkelmann 2008, 139 f., und Flecker 2015, 117–125, sowie die Schilderung des Kampfs zwischen Horatiern und Curatiern bei Livius, in dem der siegreiche Horatier seinen letzten Gegner auf genau diese Weise tötet: vgl. Liv. 1,25,12: male sustinenti arma gladium superne iugulo defigit. 98 Vgl. z.B. Junkelmann 2008, 136–140, und Mann 2013b, 32, aber auch mit anderem Akzent Tarrant 2012, 331: »The analogy could suggest that T.’s appeal should not be regarded as dishonourable in itself; it also intensifies the focus on A., who combines the roles of the antagonist, audience and final arbiter.« 99 Zu diesem Aspekt vgl. Pausch 2017, 177 f.

7. Fazit und Ausblick: vom Anachronismus zur Aktualisierung

Wie die hier versammelten Beispiele zeigen sollen, spielen anachronistische Zeitmontagen in der Aeneis eine auch schon rein quantitativ nicht unerhebliche Rolle und leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass die in der mythischen Prähistorie spielende Handlung in einen engen Bezug zur Gegenwart des Autors und seiner primären Leser gesetzt wird. Während diese Verbindung in den großen Durchblicken (wie der Jupiterrede oder der Schildbeschreibung) und auch in den meisten der vielen aitiologischen Erzählungen aber explizit erfolgt,1 handelt es sich hierbei um eine implizite Darstellungstechnik, die unmarkiert an verschiedenen Stellen des erzählerischen ›Alltags‹ verwendet wird. Von den unterschiedlichen Bereichen haben wir uns die Architektur und Ausstattung der Szenerie, vor der die Handlung spielt, die Requisiten und Kostüme, mit denen der Erzähler die Figuren ausstattet, und die Gleichnisse als für das antike Epos typisches Mittel des visualisierenden Vergleichs näher angesehen. Die anachronistischen Elemente in den Gleichnissen werden zwar oft als weniger auffällige Ausnahmen angesehen, weil in ihnen der Autor ohnehin sozusagen in eigener Person spricht, doch hat dieser Unterschied keine größeren Auswirkungen auf die mit diesen Zeitmontagen verbundenen Wirkungen beim Rezipienten, so dass es sinnvoll ist, diesen vermeintlichen Sonderfall in die Untersuchung einzubeziehen.2 Mit ihrem impliziten Charakter geht einher, dass diese Passagen von den einzelnen Leserinnen und Lesern verschieden stark als Anachronismus wahrgenommen werden und dass sich manchmal erst rückblickend, bei wiederholter Lektüre oder auch im Licht der Vielzahl verwandter Stellen der Eindruck ergibt, dass an einer bestimmten Stelle eine Zeitmontage vorliegt. Die Schwierigkeit, aber auch der Reiz des Erkennens wird noch dadurch verstärkt, dass sich oft in ein und derselben Schilderung Hinweise sowohl für eine historisierende wie für eine aktualisierende Vorstellung beobachten lassen, von denen je nach individueller Lektüre natürlich auch nur eine Seite in den Vordergrund treten kann. Die Darstellungstechnik der Zeitmontage entfaltet ihr volles Potential aber erst dann, wenn man beide Epochen zugleich in den Blick nimmt, die sich dann transparent überlagern und in gewisser Weise sogar gleichzeitig sichtbar bleiben. Ein illustratives Beispiel für diesen Effekt liefert die Beschreibung des

1 Siehe oben Kap. 2.1 (Durchblicke) und 2.2 (Aitien). 2 Siehe oben Kap. 6.1.

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Fazit und Ausblick: vom Anachronismus zur Aktualisierung

im Aufbau befindlichen Karthago mit den Augen des Aeneas, als er es zu Beginn des Epos das erste Mal sieht: Die Schilderung enthält eine Reihe von Verweisen, die an eine zeitgenössische Stadt oder an das Rom der augusteischen Zeit selbst denken lassen, zugleich werden aber auch einige Elemente explizit benannt, die typisch für eine wesentlich ältere und phönizische Gründung sind: So entsteht eine Art temporäres Vexierbild, in dem je nach Perspektive eine der beiden Sichtweisen stärker in den Vordergrund tritt.3 Das ebenso zahlreiche wie vielfältige Vorkommen dieses Phänomens an verschiedenen Stellen der Aeneis legt jedenfalls die Vermutung nahe, dass sich dabei nicht um ein Versehen handelt, sondern um ein gezielt verwendetes Verfahren, auch wenn die erste Reaktion auf das Erkennen einer chronologischen Abweichung schon in der antiken Diskussion wie auch noch heute darin besteht, diese zunächst einmal als Irrtum und Fehler wahrzunehmen.4 Während sich die These einer absichtlichen Verwendung angesichts der Fülle der einschlägigen Stellen und ihres engen Bezugs zu zentralen Themen des Epos gut plausibilisieren lässt, ist die sich daran anschließende Frage nach der Funktion dieser Darstellungstechnik deutlich schwieriger zu beantworten. Auch wenn Zeitmontagen sprachlich mit ganz ähnlichen Mitteln erzeugt werden, kann ihre Wirkung doch je nach dem Kontext des Werks und den damit verbundenen Erwartungen der Rezipienten sehr unterschiedlich ausfallen: Während sie im Rahmen einer burlesken Theaterinszenierung vor allem als Element der Komik wahrgenommen werden, dienen sie in historiographischen Darstellungen oder historischen Romanen häufig der didaktischen Verständnishilfe oder sollen die aktualisierende Botschaft unterstreichen. Während eine parodistische Lesart für die Aeneis mit guten Gründen ausgeschlossen wird und allenfalls punktuell, etwa in der Beschreibung der Schiffsregatta der Trojaner im 5.  Buch auf der Folie eines zeitgenössischen Wagenrennens im Circus Maximus eine gewisse Rolle spielen könnte,5 stellt das Verständnis der Anachronismen als Element der Vermittlung einer politischen Aussage und damit als Teil der Werbung für den neuen Herrscher Roms und seine Sicht auf die Geschichte eine oft vertretene Sichtweise dar. Ein genauerer Blick auf viele der einschlägigen Stellen kann aber zeigen, dass die Zeitmontagen durchaus nicht immer auf eine eindeutig proaugusteische Deutung hinauslaufen, vielmehr legt etwa gerade die wechselnde Ausstattung der Trojaner wie ihrer italischen Gegner in der zweiten Hälfte des Epos mit den typischen Waffen eines römischen Legionärs eine komplexere Aussage hinsichtlich der Bewertung des zur Abfassungszeit des Epos nur wenige Jahre zurück 3 Vgl. Verg. Aen. 1,421–429 und siehe oben Kap. 4.1. 4 Für eine ausführlichere Diskussion siehe oben Kap. 3. 5 Vgl. Verg. Aen. 5,114–285 mit v.a. Dupont 2013, 123–133; ausführlicher siehe oben Kap. 5.2.

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liegenden Bürgerkriegs nahe.6 Überhaupt scheint die Engführung auf die Propagierung einer bestimmten Botschaft der facettenreichen Verwendung dieser Darstellungstechnik nicht gerecht zu werden. Die durch die chronologischen Verstöße ausgelösten Irritationen und die zu ihrem Verständnis erforderliche intensivere Lektüre erweisen sich vielmehr als wichtige Elemente zur Steigerung des ästhetischen Reizes des Textes und damit als genuin literarisches Verfahren. Zeitmontagen als Ganzes in den Blick zu nehmen, kann daher auch einen Beitrag dazu leisten, die Bezüge der Aeneis auf ihre Entstehungszeit nicht auf eine Aussage für oder gegen Augustus zu reduzieren. Die starke Durchsichtigkeit der epischen Handlung auf die Gegenwart der primären Leser ist jedenfalls nicht zuletzt ein ästhetisches Phänomen, das seinen Reiz vor allem aus dem Erkennen des Vertrauten im Fremden und aus dem changierenden Wechselspiel beider Perspektiven des temporalen Vexierbildes bezieht. Auch wenn dieser Effekt für Rezipienten in späteren Epochen naturgemäß verblasst und an einigen Stellen erst durch eine eingehendere Beschäftigung wieder zum Vorschein gebracht werden kann, ist damit doch eine Struktur in den Text eingeschrieben, die zu einer steten Aktualisierung der epischen Handlung auch mit Blick auf die jeweils eigene Zeit einlädt und dem Eindruck einer Abgeschlossenheit in mythischer Prähistorie entgegentritt. Neben den großen Durchblicken und den Aitien lassen sich daher gerade auch die Zeitmontagen als energisches tua res agitur! und nachdrückliche Aufforderung an die Rezipienten verstehen, trotz der zeitlichen Distanz zum geschilderten Geschehen einen unmittelbaren Bezug zu ihrem Leben und ihren Erfahrungen herzustellen.7 Vor diesem Hintergrund ließe sich auch vermuten, dass die anachronistischen Zeitmontagen ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass die Aeneis eine so reichhaltige und so viele Epochen umfassende Rezeptionsgeschichte aufweist.

6 Siehe oben Kap. 5.3. 7 Vgl. Rood/Atack/Phillips 2020, v.a. 195–198, und für eine analoge Argumentation mit Blick auf die Aitien Walter 2020, 25: »Aetia, then, constantly ask us to reflect on our relationship with ancient literature, making us aware that many aspects of antiquity remain foundational for us ‘even now’, but also that time has kept moving on.«

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Index locorum

Fett gesetzte Seitengaben verweisen auf eine ausführlichere Beschäftigung mit dem jeweiligen Eintrag. Apoll. Rhod. 3,210–234 ...............47 Anm. 21; 75 Anm. 202

463–467........................................ 96 Anm. 103 557................................................ 106 Anm. 175

App. App. 8,1 ...................................................... 45 Anm. 5

Eurip. Bacch. 918 f. .............................................. 123 Anm. 31

Caes. civ. 2,8 f............................................... 106 Anm. 172

FGrH 70 F 223.............................................. 45 Anm. 4 242 F 1................................................ 45 Anm. 4 566 F 47.............................................. 45 Anm. 5 566 F 60............................................. 45 Anm. 5 566 F 80............................................. 45 Anm. 4 566 F 125........................................... 45 Anm. 4

Gall. 5,43,3 ............................................... 87 Anm. 42 Cass. Dio 51,2,3.............................................. 130 Anm. 67 53,23,1 f............................................ 51 Anm. 47 53,30,5–6 ........................................ 51 Anm. 42 54,26,1.............................................. 51 Anm. 42 56,34............................................. 115 Anm. 221 Cic. Tusc. 2,41................................................. 135 Anm. 97 Verr. 2,4,41–60......................................... 58 Anm. 81 2,4,72.............................................. 68 Anm. 153 Diod. 14,41–43......................................... 132 Anm. 79 Dion. Hal. ant. 1,15,1.............................................. 65 Anm. 136 Ennius ann. (ed. Skutsch) 72–91 .....................96 Anm. 103; 119 Anm. 12 78–83 ..............................................................119 376 102 Anm. 155 391–398..................83 Anm. 15; 107 Anm. 179 463 f. ...............................................118 Anm. 11

Gell. 1,21,1.................................................. 33 Anm. 6 5,8,1–3................................................ 33 Anm. 6 7,6,2–5................................................ 33 Anm. 6 10,16...........................................................33–36 10,16,3–5 ..........................................................70 16,5 ............................................................... 73 f. Her. 1,30–32 ............................................ 40 Anm. 54 2,145................................................... 45 Anm. 5 Hom. Il. 2,142–149....................................... 120 Anm. 16 3,134 f............................................110 Anm. 191 5,302–310....................................... 131 Anm. 71 9,323–327...................................... 126 Anm. 51 10,260–271........................................ 82 Anm. 7 11,632–637...................................... 58 Anm. 80 16,102–111.............83 Anm. 15; 106 Anm. 178 18,219–221..................................... 98 Anm. 118 18,219................................................118 Anm. 7 18,324–342.................................. 114 Anm. 209 18,478–608...................................... 58 Anm. 79 21,362................................................118 Anm. 8

156

Index locorum

22,248–343.................................... 134 Anm. 91 23,182b–134................................ 114 Anm. 208 23,362–372.................................... 96 Anm. 101 Od. 1,144–149......................................... 59 Anm. 93 3,392............................................... 130 Anm. 67 5,299–312........................................ 85 Anm. 32 7,43–45............................................. 47 Anm. 20 7,44................................................... 49 Anm. 29 7,86–97........................................... 75 Anm. 201 7,172–176......................................... 59 Anm. 93 9,1–12............................................. 62 Anm. 106 13,81–92.................96 Anm. 102; 118 Anm. 11 19,176............................................. 130 Anm. 67 21,361–367..................................... 124 Anm. 41 23,156–163..................................... 122 Anm. 28 Hor. carm. 2,18,18–22...................................... 126 Anm. 49 3,1,33–37........................................ 126 Anm. 49 3,26,6 f........................................... 60 Anm. 101 3,29,15 ............................................. 59 Anm. 91

Lucr. 6,328–329 ..................................... 133 Anm. 87 Macr. Sat. 5,11,20–22...................................... 96 Anm. 102 5,17,5 ................................................. 45 Anm. 6 6,3,2–4......................................... 106 Anm. 177 6,4,17 44 ...........................................................60 Ov. am. 3,14,26.............................................. 59 Anm. 89 fast. 2,345 ................................................ 59 Anm. 89 met. 3,548b–550.................................... 132 Anm. 82 12,247............................................. 60 Anm. 101 14,156 f........................................... 70 Anm. 170 14,183 f........................................... 133 Anm. 83

epod. 3,22................................................... 59 Anm. 89

Plin. nat. 17,5–6............................................... 51 Anm. 43 33,147–150....................................... 58 Anm. 81 35,144 .............................................. 56 Anm. 70 36,6................................................... 51 Anm. 43

sat. 2,8,54–56......................................... 59 Anm. 91

Plut. Pop. 17 ....................................................14 Anm. 14

Isid. 18,9,4............................................ 100 Anm. 135

Pol. 6,23,2–5 .......................................... 85 Anm. 27

Iust. 18,9,9.................................................. 45 Anm. 5

Quint. inst. 8,3,67–69 ........................................ 87 Anm. 50

Liv. 1,3,6–10.............................................. 46 Anm. 8 1,11–13..............................................................30 1,19,1–4............................................ 29 Anm. 40 1,25,12 ........................................... 135 Anm. 97 1,37,5............................................ 103 Anm. 158 2,12 f..................................................16 Anm. 14 8,8,3 .............................................................. 84 f. 21,8,10–12.................................... 106 Anm. 175

R. Gest. div. Aug 13����������������������������������������������������� 29 Anm. 40 19,1................................................... 51 Anm. 45 21 ................................................... 51 Anm. 42

Luc. 6,198 ............................................ 106 Anm. 175

Sall. Iug. 94,3 .................................................. 87 Anm. 42 Serv. ad Aen. 1,148.............................................120 Anm. 120 1,159................................................. 47 Anm. 14 1,182................................................. 90 Anm. 60 1,213 .............................................. 124 Anm. 42 1,267 .................................................. 45 Anm. 6

Index locorum  1,366 ................................................ 47 Anm. 19 1,421 ................................................ 52 Anm. 50 1,422 ................................................ 49 Anm. 27 1,424 .................................................................52 1,426 .................................................................49 1,427 .................................................................49 1,438 .................................................................54 1,448 ................................................ 55 Anm. 64 1,449 .................................................................55 1,468 ................................................ 86 Anm. 36 1,505................................................. 65 Anm. 72 1,637..................................................................61 1,697 .................................................................59 1,701................................................. 59 Anm. 94 1,723 .................................................................58 1,726 ........................................60; 124 Anm. 39 2,313................................................. 83 Anm. 15 2,469..................................................................63 2,557 .............................................. 63 Anm. 125 3,241..................................................................89 3,280 .............................................. 64 Anm. 129 3,703 .......................................................... 38; 66 4,469............................................... 123 Anm. 33 5,45 ...................................................................91 5,113................................................. 92 Anm. 84 5,114.................................................. 92 Anm. 87 5,117 ................................................ 93 Anm. 88 5,755............................................... 68 Anm. 156 5,750 .............................................. 69 Anm. 158 6,69 .............................................................37; 72 6,359 .................................................................38 6,893 ................................................ 25 Anm. 10 6,900 ........................................ 37; 70 Anm. 170 7,162 ............................................... 79 Anm. 225 7,170 ............................................... 76 Anm. 204 7,176................................................77 Anm. 209 7,664 ............................................................ 99 f.; 7,678................................................. 36 Anm. 27 7,712 ...................................37 f.; 101 Anm. 140 8,562............................................. 103 Anm. 158 9,160 ............................................ 105 Anm. 165 9,368............................................. 105 Anm. 167 10,120 .............................................................102 11,143........................................... 115 Anm. 223 12,121 .......................................... 109 Anm. 188 12,277 ............................................................. 110 Sil. 3,249–251 ................................... 100 Anm. 134

157

Soph. Trach. 1–3 ....................................................................40 Suet. Aug. 31,1.....................................................................72 Claud. 13,1............................................... 100 Anm. 135 Dom. 17,1................................................ 100 Anm. 135 Gramm. 20���������������������������������������������������������������������� 33 Suet.-Don. vita Vergilii 46����������������������������������������������������� 36 Anm. 26 Thuk. 1,13 f................................................. 89 Anm. 59 6,2,3 ............................................... 68 Anm. 153 Veg. mil. 4,17................................................. 129 Anm. 60 Vell. 1,12,5.................................................. 45 Anm. 5 1,32,2–3........................................... 38 Anm. 41 Verg. Aen. 1,1–33................................................. 23 Anm. 2 1,2–3a................................................................36 1,34–156.......................................... 47 Anm. 13 1,34 f. ............................................... 90 Anm. 63 1,94b–101 ..............................................13; 85 f.; 98 Anm. 114; 103 Anm. 157 1,101.................................................. 84 Anm. 23 1,148–156 .............................................. 117–121 1,169................................................. 90 Anm. 67 1,180–183......................................... 90 Anm. 60 1,213............................................... 124 Anm. 42 1,254–296.......................................... 24 Anm. 3 1,267–274........................................... 46 Anm. 8 1,278 f. ..............................................................24 1,296–417........................................ 47 Anm. 15 1,418–420 ....................................... 47 Anm. 18 1,421–429.................................................. 47–54 1,425............................................... 79 Anm. 223 1,430–436........................................ 50 Anm. 34

158

Index locorum

1,437 ..........................................50; 54 Anm. 57 1,438 ................................................ 50 Anm. 58 1,441–506..................................................... 54 f. 1,446–449 ........................................................55 1,453–493.................................56; 86 Amm. 35 1,468 ................................................ 86 Anm. 36 1,475–478........................................ 86 Anm. 37 1,490–494 ....................................... 86 Anm. 38 1,505 f. ................................... 56 f.; 87 Anm. 40 1,586–596...................................... 122 Anm. 27 1,640–642..................................................... 57 f. 1,697–702 ..................................................... 58 f. 1,723–735......................................... 58 Anm. 83 1,725–727............................. 59 f.; 124 Anm. 37 2,132 f..............................................62 Anm. 111 2,296 f. .......................................... 62 Anm. 112 2,313.........................89 Anm. 54; 98 Anm. 118 2,434b–558..............62 Anm. 113; 87 Anm. 48 2,441 ..........................57 Anm. 74; 87 Anm. 43 2,442 ........................62 Anm. 114; 87 Anm. 44 2,483...................... 63 Anm. 120; 123 Anm. 38 2,492 ........................62 Anm. 115; 87 Anm. 45 2,506–558...................................... 63 Anm. 123 2,512–514....................................... 63 Anm. 122 2,528 ........................................63; 124 Anm. 38 2,557b f. ........................................ 63 Anm. 124 3,13–68.......................................... 64 Anm. 126 3,121–191....................................... 64 Anm. 127 3,192–277......................................... 88 Anm. 51 3,222 ................................................ 88 Anm. 52 3,227................................................. 90 Anm. 67 3,234b–241 ..................................................88 f. 3,237................................................. 84 Anm. 23 3,278–288...................................... 64 Anm. 128 3,294–505...................................... 64 Anm. 131 3,349–355...................................... 64 Anm. 133 3,353 .............................................. 64 Anm. 132 3,356–373...................................... 64 Anm. 135 3,374–462...................................... 65 Anm. 134 3,563............................................. 102 Anm. 152 3,699–708a ........................ 38 Anm. 37; 65–67 3,396–402...................................... 64 Anm. 139 3,548–553...................................... 64 Anm. 140 3,687–698...................................... 64 Anm. 141 4,86–89..................... 52 Anm. 55; 54 Anm. 60 4,259–261a....................................... 54 Anm. 60 4,469–473 ..................................................122 f. 5,42–603.................................. 67 Anm. 148; 91 5,102............................................... 124 Anm. 42 5,109 f. ............................................. 92 Anm. 81 5,113................................................. 92 Anm. 83

5,114–123............................90 Anm. 66; 92–94 5,124–131......................................... 94 Anm. 96 5,134................................................. 90 Anm. 64 5,137–150....................................... 123 Anm. 34 5,139–150 ..................................................94–97 5,148 f............................................... 92 Anm. 82 5,151–285....................................... 96 Anm. 105 5,187................................................. 90 Anm. 64 5,232................................................. 90 Anm. 64 5,289................................................. 92 Anm. 82 5,400b–405..................................... 92 Anm. 80 5,545–603................29 Anm. 37; 96 Anm. 108 5,551b f. ......................................... 97 Anm. 110 5,654–699...................................... 68 Anm. 151 5,664................................................. 92 Anm. 82 5,743–745 ...................................... 68 Anm. 152 5,746–761...................................................... 68 f. 5,755............................................... 79 Anm. 223 5,827–871........................................ 35 Anm. 18 6,2 .................................................. 69 Anm. 165 6,3 f................................................... 90 Anm. 67 6,9–76............................................. 71 Anm. 173 6,14–33........................................... 71 Anm. 175 6,17 ...................................................................36 6,69–74a ....................................................... 70 f. 6,119–123......................................... 34 Anm. 10 6,164–167.................89 Anm. 54; 98 Anm. 118 6,212–235........................................ 28 Anm. 32 6,268–294..................................................... 73 f. 6,337–383...........29 Anm. 33; 35; 70 Anm. 169 6,365–371...................................... 70 Anm. 167 6,365 f...............................................................35 6,548–627...................................... 74 Anm. 192 6,555 f. ........................................... 74 Anm. 193 6,574b............................................. 74 Anm. 194 6,603b–607 ......................................................74 6,617 f............................................... 34 Anm. 12 6,752–892..................24 Anm. 6; 69 Anm. 162 6,756–776.......................................... 46 Anm. 8 6,776 .................................................................69 6,791–807.......................................... 25 Anm. 7 6,838–840........................................ 34 Anm. 12 6,882-886a......................................... 25 Anm. 7 6,893–898.......................................... 25 Anm. 9 6,900............................................... 70 Anm. 170 6,901................................................. 90 Anm. 67 7,1–4 ..........................................29; 37 Anm. 35 7,157–159 ..................................................... 78 f. 7,159................................................ 79 Anm. 228 7,170–191....................................... 76 Anm. 293 7,170–176 .................................................. 76–78

Index locorum  7,177–191........................................ 77 Anm. 210 7,186.................................................. 90 Anm. 64 7,192–285....................................... 75 Anm. 200 7,378–384 ...................................................123 f. 7,462–466...................................... 124 Anm. 40 7,505–527....................................... 98 Anm. 115 7,522............................................... 79 Anm. 228 7,601–617....................................... 78 Anm. 219 7,623–640.........................................................98 7,641–817 ................................................98–102 7,659 f............................................. 99 Anm. 129 7,664 f. ..........................................................99 f. 7,678–690...................................... 99 Anm. 123 7,681............................................. 102 Anm. 154 7,685b–690.................................... 99 Anm. 124 7,710.............................................. 102 Anm. 152 7,717 ..............................................101 Anm. 141 7,722 ......................84 Anm. 23; 101 Anm. 143 7,723–732 ...................................... 99 Anm. 125 7,733–743....................................... 99 Anm. 126 7,741................................................ 121 Anm. 23 7,796.......................84 Anm. 23; 101 Anm. 145 8,79 .................................................. 90 Anm. 61 8,91–93 .......................................................... 102 8,93................................................... 84 Anm. 23 8,337–368............... 30 Anm. 42; 75 Anm. 198 8,359–362...................................... 61 Anm. 102 8,407–413...................................... 125 Anm. 43 8,537–540 ..................................................... 103 8,539................................................. 84 Anm. 23 8,561 f. ......................................... 103 Anm. 158 8,562................................................. 84 Anm. 23 8,605.................. 102 Anm. 154; 103 Anm. 160 8,626–728 .............. 25 Anm. 12; 75 Anm. 199 8,626–629........................................ 26 Anm. 17 8,662...................... 84 Anm. 23; 103 Anm. 159 8,666–669........................................ 93 Anm. 89 8,671–713......................................... 26 Anm. 15 8,714–728...................26 Anm. 16; 91 Anm. 70 8,720–723........................................ 57 Anm. 76 8,729–731 ........................................ 26 Anm. 18 9,8 78 Anm. 230 9,36................................................79 Amm. 230 9,38b–45........................................ 79 Anm. 228 9,43................................................. 79 Anm. 228 9,48................................................. 78 Anm. 230 9,161–163..................................... 105 Anm. 165 9,174.............................................. 102 Anm. 154 9,174 f. ......................................... 104 Anm. 162 9,230............................................... 79 Anm. 228 9,229 ..................... 84 Anm. 23; 104 Anm. 163

159

9,367–370 ...................................................... 105 9,368............................................. 102 Anm. 154 9,370................................................. 84 Anm. 23 9,473............................................... 78 Anm. 230 9,502............................................... 79 Anm. 228 9,503 f........................................... 105 Anm. 168 9,505 ......................57 Anm. 74; 105 Anm. 168 9,514..................................................57 Anm. 74 9,530–544............105 Anm. 171; 129 Anm. 61 9,639............................................... 78 Anm. 230 9,666...................... 84 Anm. 23; 106 Anm. 173 9,691–777..................................... 106 Anm. 174 9,703–709.................................... 106 Anm. 175; 125 Anm. 44; 132 Anm. 81 9,710–716 ...................................................125 f. 9,729............................................... 78 Anm. 230 9,768–771 .................................... 106 Anm. 176 9,778–816..................................... 106 Anm. 177 9,783............................................... 79 Anm. 231 9,784............................................... 78 Anm. 230 9,801............................................... 79 Anm. 228 10,68............................................... 79 Anm. 228 10,120 ............... 102 Anm. 154; 107 Anm. 180 10,156b–214.............. 90 Anm. 65; 94 Anm. 94 10,163–214..................................... 99 Anm. 121 10,214............................................... 90 Anm. 64 10,301............................................... 90 Anm. 64 10,312–314 .................................. 107 Anm. 181 10,328 ................102 Anm. 152; 110 Anm. 193 10,482–485.................................. 113 Anm. 206 10,506.................... 84 Anm. 23; 113 Anm. 207 10,513–515a ................................ 107 Anm. 182 10,875 f........................................... 112 Anm. 98 11,1–224....................................... 111 Anm. 197 11,5–11........................................................ 111 f. 11,29–38......................................... 79 Anm. 228 11,29-99..................................................113–115 11,99............................................... 79 Anm. 228 11,142–144................................... 115 Anm. 223 11,156–157a................................. 115 Anm. 224 11,188–190 ................................................. 113 f. 11,446............................................. 79 Anm. 228 11,500........................................... 102 Anm. 152 11,615b–617 .................................. 132 Anm. 80 12,113–215................................... 108 Anm. 184 12,121–130 .................................................108 f. 12,121........................................... 102 Anm. 154 12,130............................................... 84 Anm. 23 12,277–279 ................................. 110 Anm. 192 12,473–477a ..............................................126 f. 12,561–564 ................................................107 f.

160

Index locorum

12,563.................... 84 Anm. 23; 102 Anm. 154 12,672–675 ................................................128 f. 12,676–680.................................... 128 Anm. 58 12,704–709.................................... 129 Anm. 63 12,788–790 ....................... 110 f.; 129 Anm. 64 12,791–842............. 27 Anm. 20; 127 Anm. 53 12,843–868.................................... 129 Anm. 65 12,856–859 ...........................................129–131 12,896–918.................................... 130 Anm. 70 12,919–926 ........................................... 131–134 12,921a–923a...................................117 Anm. 3 12,928 f. ........................................ 134 Anm. 95 12,930–952........... 127 Anm. 54; 134 Anm. 92

12,950–951a ..............................................134 f. georg. 2,161–164........................................................126 3,46–48 ............................................................13 3,103–112....................................... 96 Anm. 104 4,377................................................. 59 Anm. 92 Vitruv. 2,9,15............................................ 106 Anm. 172 5,1,6–10............................................ 57 Anm. 75 5,12,2–4......................................... 125 Anm. 46 10,10–12......................................... 132 Anm. 78

Index rerum et nominum

Dieses Register enthält nur ausgewählte Begriffe und versteht sich als ­Ergänzung zum Stellenindex. Acestes..............................................................68 Achill...... 26, 58, 86, 114 f., 118, 126, 130–134 Actium.................................13, 26, 62, 64, 90 f. Aenas.........................................................passim Aietes.......................................................... 47, 75 Aition, Aitiologie......14, 27–31, 37, 41, 55, 64, 67 f., 70, 91, 93, 96 f., 108, 137 Allecto........................................................ 123 f. Alkinoos...........................................................62 Amata......................................................... 123 f. Anchises.......... 24 f., 29, 34, 67, 68, 91–97, 123 Anker................................................................90 anticipatio...........................................37, 38, 39 Apollo (Palatinus)........................ 57, 70–72, 76 Apollonius von Rhodos...........27 f., 46, 75, 90 Atrium................................ 60, 63, 73, 121–127 augurium.....................................................118 f. Augustus (Octavian)........................... 13 f., 19, 23–26; 29, 32, 49 f., 53 f., 56, 64, 65, 71 f., 76 f., 90–92, 97, 112, 115, 120, 127, 138 Belagerung......... 61–63, 75, 79, 87, 105 f., 125, 128 f., 132 Bestattung......................................111–115, 134 Bireme........................................................... 89 f. Bronze.................................. 55, 81, 84, 107, 124 Buthrotum.............................................62, 64 f. Bürgerkrieg..10, 13 f., 23, 26, 64, 97–111, 115, 124, 127, 127–135, 138 f. Caesar........................13 f., 50, 65, 87, 91, 105 f. Cajeta................................................... 29, 36, 70 Circus Maximus........... 94–96, 118 f., 123, 138 Cumae............................................ 69–72, 125 f. cohors....................................................101, 102 Dido........... 13, 31, 38, 44–61, 67, 86, 122, 124 Dirae............................................................ 129 f. domus Augusti.................................................76 Ennius... 60, 66, 83, 89, 91, 96, 106 f., 117–121 Etrusker........................................ 99, 103, 109 f. Euander.............30, 51, 61, 75, 102, 113, 114 f., Euripides.................................................... 122 f.

Forum Augusti.................................................77 Forum Romanum............................ 30, 51, 77 f. Gellius...............................................32–37, 73 f. Gladiatorenkampf............................ 129, 134 f. gladius..........83 f., 88 f., 100, 106 f., 110 f., 129 Harpyien...................................................... 88 f. Heldenschau............................... 9, 23 f., 34, 69 Helenus......................................................... 64 f. Hektor................................. 28, 62, 86, 130–134 Homer, homerische Epen.................................. 10, 20 f., 24, 26, 39 f., 46, 49, 56, 58 f., 62, 67, 75, 78, 81, 82 f., 84, 86, 89–91, 95 f., 99, 101 106 f., 110, 112–114, 118, 120, 122, 124, 126, 130, 132–134 Hygin...................................... 32–37, 38, 66, 70 Janus-Tempel.............................................29, 98 Juno.... 13, 46, 54 f., 85, 86 f., 98, 119, 127, 129 Jupiter....9, 23, 24, 30, 55, 125 f., 127, 129, 137 Jupiterrede........................................... 9, 24, 137 Kallimachos..................................... 27, 66, 76 f. Kapitol........................................................30, 55 Karthago... 13, 31, 44–61, 62, 67, 68, 79, 86 f., 88, 91,132, 137 f. Katapult ................................................ 130–133 Kessel, Kochtopf....................................118, 124 Latiner......................................29, 76 f., 97–111 Latinus.................................................75–78, 98 legio....................... 102, 103, 104–107, 108–110 Legionslager............... 75, 78–80, 104–107, 111 Livius................................................... 30, 82, 84 ludi saeculares.................................................72 Lukrez.............................................................133 Macrobius............................................ 60, 106 f. magalia..................................................... 48, 52 Marcellus..........................................................51 Mezentius.......................................................112 Misenus.................................................. 28 f., 88 Naevius.......................................................82, 91 Neptun................................................ 109, 119 f. Odysseus.......................................... 49, 61 f., 85

162

Index rerum et nominum

Ovid.......................................................11, 132 f. Palatin........................... 30, 33, 57, 71 f., 76, 119 Palinurus...................................... 28, 35–39, 70 Pallas...............................................107, 111–116 Parentalia............................................... 67 f., 91 Parther............................................................130 Patroklos..........................67, 91, 95 f., 113–115 Penaten.............................................................63 phalarica........................................ 106, 125, 132 pilum........................................... 84, 99 f., 108 f. pompa funebris...................................... 111–116 Pompeius..........................................................63 Priamos............................................................63 Properz.............................................................30 Rom...........................................................passim Romulus......................... 25, 26, 30, 68, 96, 119 scaenae frons............................................. 47–49 Scaevola............................................... 16–19, 32 Schiffsbug............................................... 90, 93 f. Schildbeschreibung.14, 25 f.; 58, 75, 90 f., 93, 137 scutum.......... 13, 84–86, 88 f., 101, 102, 102 f., 104–106, 108–110, 112 f. Segesta....................................................... 68, 79 Seesturm....................... 13, 46, 85 f., 103, 119 f. Servius.............................37 f., 49, 52, 54, 55 f., 58–61, 63, 66, 68 f., 72, 76, 89, 91, 92, 100, 102, 105, 109, 110 Sibylle...................................................34, 70–73

Simois................................................ 13, 86, 103 Sizilien....................... 37 f., 65 f., 67–69, 91–97 Sophokles.........................................................39 Streitwagen................................. 78, 82, 86, 101 Strophaden................................................... 88 f. Symposion.................................................58–60 testudo.......................... 56 f., 62 f., 87, 105, 132 Teutonen.........................................................121 Torsionsgeschütz.................................. 130–133 Triere (Trireme)....................................89 f., 93 Triumph.......................................... 26, 111–116 Troja.............................................61–63, passim Troja-Spiel.............................................. 29, 96 f. Tropaion.........................................................112 Trompete, Tuba........ 88 f., 92–95, 98, 105, 118 Turnus.....75, 101, 103, 104–107, 108–111, 113, 124 f., 126, 127–135 turris ambalatoria.................................... 128 f. two voices.................................................... 127 f. Unterwelt...................................... 24 f., 34, 73 f. Varro...............................................................100 Vegetius..........................................................129 Velia.....................................................35–39, 70 Venus.............................24, 47, 54, 58, 103, 122 Vergilius Vaticanus...... 52 f., 66 f., 71, 94, 104 vestibulum........................................ 63, 73 f., 77 Vexierbild.......................................... 10, 18, 138 Vulcan.......................................14, 26, 75, 124 f. Wagenrennen....................... 94–96, 118 f., 138