Vergils Weltsicht: Optimismus und Pessimismus in Vergils Georgica 3110813793, 9783110813791

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Vergils Weltsicht: Optimismus und Pessimismus in Vergils Georgica
 3110813793, 9783110813791

Table of contents :
[9783110813791 - Vergils Weltsicht] Frontmatter......Page 1
Vorrede......Page 7
Inhaltsverzeichnis......Page 9
I. Vorwort......Page 13
1. Erstes Buch......Page 16
2. Zweites Buch......Page 81
3. Drittes Buch......Page 168
4. Viertes Buch......Page 218
III. Schlußwort......Page 267
IV. Appendices......Page 270
V. Literaturverzeichnis......Page 301
VI. Indices......Page 310

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Robert Cramer Vergils Weltsicht

w DE

G

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Winfried Bühler, Peter Herrmann und Otto Zwierlein

Band 51

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1998

Vergils Weltsicht Optimismus und Pessimismus in Vergils Geórgica von

Robert Cramer

Walter de Gruyter • Berlin · New York 1998

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Cramer, Robert: Vergils Weltsicht : Optimismus und Pessimismus in Vergils Geórgica / von Robert Cramer. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1998 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte ; Bd. 51) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1996/1997 ISBN 3-11-015728-4

© Copyright 1998 by Walter de Gruyter GmbH & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

MEINEN ELTERN UND GROSSELTERN

Vorrede Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine korrigierte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1996/97 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn angenommen wurde. Zu ihrem Entstehen haben mittelbar wie unmittelbar viele beigetragen, zunächst meine Familie, außerdem meine Lehrer und Freunde in Essen, Bonn, Basel, Oxford und Düsseldorf und nicht zuletzt auch die Studienstiftung des deutschen Volkes, deren Stipendiat ich war. Unmittelbar den größten Anteil hatte mein Bonner Lehrer Professor Otto Zwierlein, der die Arbeit angeregt und stets mit der für ihn kennzeichnenden Aufrichtigkeit und Großzügigkeit betreut hat und bei dem ich erfahren habe, daß das Ideal der Einheit von Forschung und Lehre - entgegen manch anderslautender Bekundung - auch heute noch kein überholtes Konzept ist. Das Korreferat hat Professor Heinz Neitzel mit der ihm eigenen Akribie übernommen, obwohl ihn die zahlreichen Athetesen schmerzen mußten. Weiter haben meine Oxforder und Basler Lehrer, Dr. Gregory O. Hutchinson und Professor Josef Delz, sowie mein Göttinger Kollege und Freund Dr. Marcus Deufert die Arbeit zur Gänze gelesen und zahlreiche Verbesserungen beigesteuert. Dies gilt, was einzelne Teile der Arbeit anlangt, ebenso für die Mitherausgeber der Reihe, Professor Winfried Bühler und Professor Peter Herrmann. Hartmut Gastens hat die Druckvorlage erstellt, wobei er meine Änderungswünsche bis zur letzten Minute gelassen ertrug. Große Geduld hatte schließlich auch der Verlag mit mir. Ihnen allen bin ich zutiefst zu Dank verpflichtet. Bonn, im Mai 1998

Robert Cramer

Inhaltsverzeichnis

Vorrede

VII

I. Vorwort

1

II. Die Geórgica Vergils

4

1. Erstes Buch 1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.5.

4

Aufbau des Buches 4 Die Arbeit des Ackerbauern und sein Gerät 5 Geeignete Zeiten für bäuerliche Arbeiten 43 Möglichkeiten, Wetterumschwünge vorherzusagen . 50 Finale 57

2. Zweites Buch 2.1. Vorbemerkung 2.2. Die laudes Italiae 2.3. Die laudes vitae rusticae 3. Drittes Buch 3.1. Aufbau des Buches 3.2. Die Zucht von Pferden und Rindern und die Gefahr des furor amoris 3.3. Die Haltung von Schafen und Ziegen und die Norische Viehseuche 4. Viertes Buch 4.1. Vorbemerkung 4.2. Proöm 4.3. Der Bienenstock, das Schwärmen und der Garten des korykischen Greises

69 69 70 115 156 156 159 172 206 206 210 214

X

Inhaltsverzeichnis

4.4. Das Wesen der Bienen 4.5. Honigernte, Krankheiten und die Entdeckung der Bugonie durch Aristaeus

231 239

III. Schlußwort

255

IV. Appendices

258

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Zu Zu Zu Zu Zu Zu

2,32-34 2,57-60 2,64; 67f 2,165f 2,403-419 4,290-293

258 261 267 272 278 284

V. Literaturverzeichnis

289

VI. Indices

298

1. Sachen 2. Wörter 3. Stellen

298 301 302

Daß das Leben nicht verging, soviel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit. Schalom Ben-Chorin, aus "Das Zeichen"

I. Vorwort "Virgil's poem is profoundly pessimistic", so lautet das Urteil über die Grundstimmung der Geórgica, zu dem D.O. Ross in seinem 1987 erschienenen Buch "Virgil's Elements. Physics and Poetry in the Georgics" gelangt1. Und mit dieser Auffassung steht er keineswegs allein. Sie lag bereits der von M.C.J. Putnam 1979 unter dem Titel "Virgil's Poem of the Earth. Studies in the Georgics" veröffentlichten Interpretation des Werks zugrunde2 und bestimmt auch die von R.F. Thomas vertretene Deutung, die ihren umfassendsten Niederschlag in seinem zweibändigen Kommentar zu den Geórgica gefunden hat, der 1988 erschien3. Diese Interpretationen sind letztlich Teil einer Umdeutung Vergils, die vor ungefähr 40 Jahren in den Vereinigten Staaten als '"Two voices' theory" von der Behandlung der Aeneis, des offenkundig politischsten Werkes Vergils, ihren Ausgang nahm und bald auch in Großbritannien rezipiert wurde4. Ihre Vertreter wandten sich gegen die Anschauung, die Aeneis diene der Verherrlichung Roms, und rückten die Hinweise auf die Kosten des römischen Imperialismus oder auch antimilitaristische Untertöne in den Vordergrund. Dies sei die zweite, private Stimme des Dichters, die der ersten, offiziellen entgegenwirke, ja sie durch subtile Anspielungen und intertextuelle Bezüge hohl erscheinen lasse. Damit wird sie letztlich zu der Stimme, die die eigentliche Aussage des Dichters transportiert. Da viele Vertreter dieser Sichtweise an der amerikanischen Harvard Universität tätig waren oder sind, hat W.R. Johnson für sie die Bezeichnung "Harvard School" geprägt5, eine Bezeichnung, die später von D.P. Fowler in einer Rezension des Thomasschen Geórgica-Kommentars unter Einbeziehung der britischen Hochburg, des Balliol Colleges 1

Ross 1987, 241. Ihr ging 1975 ein Aufsatz desselben Verfassers unter der Überschrift "Italian Virgil and the Idea of Rome" voraus, der an sein 1965 veröffentlichtes Buch zur Aeneis anknüpfte und u.a. die laudes Italiae und die laudes vitae rusticae des zweiten Buches der Geórgica behandelte. 3 Manches davon findet sich bereits in der von Thomas unter der Anleitung von Ross angefertigten Dissertation "Lands and People in Roman Poetry: The Ethnographical Tradition", die 1982 veröffentlicht wurde. 2

4 5

Vgl. WLOSOK 1973, 1 4 l f . ; 143-146, dies. 1982,19f. sowie HARRISON 1990, 5-6; 9. S. JOHNSON 1976, 11 A n m . 10. Vgl. allerdings auch CLAUSEN 1995.

Vorwort

2

in Oxford 6 , in "Anglo-American two voices Harvard and Balliol pessimism" abgewandelt wurde7. Thomas wendet sich nachdrücklich gegen die Ansicht, die Geórgica würden beherrscht vom Glauben an den Wert und die Würde harter menschlicher Arbeit und seien als ein Ausdruck der Hoffnung in dunkler Zeit zu verstehen8. Dabei verweist er zunächst darauf, daß die Geórgica in der Tat in einem Augenblick größter Unsicherheit verfaßt worden seien, was das ganze Werk hindurch zu spüren sei9. Der Wandel im Gefolge der Schlacht von Actium spiegele sich dann zwar in der Sphragis des Gedichts wieder, jedoch hätten diese Verse wenig zu tun mit den Grundthemen der Geórgica und Vergils "dark visions", auf welche die Beilegung politischer Auseinandersetzungen keinen Einfluß gehabt habe und welche auch weiterhin seine Dichtung bestimmt hätten. Die Grundfrage der Geórgica sei die nach dem Wesen menschlicher Arbeit und nach den Ergebnissen, die diese zeitige10. Ihre geringen Erfolgsaussichten drücken sich nach Thomas in den Büchern 1 und 3 der Geórgica aus 11 . Als die größte Herausforderung für eine solche Deutung müssen jedoch natürlich die Bücher 2 und 4 gelten, die lange Zeit allgemein als zuversichtlich gestimmt angesehen wurden. Dort gehe es, meint Thomas, in der Tat nicht so sehr um den äußeren Erfolg oder Mißerfolg menschlicher Arbeit, sondern um die Kosten, die ein "Erfolg" für Mensch und Natur mit sich bringe 12 . Zusammenfassend spricht Thomas von der "complexity, ambivalence and ultimate darkness of the Virgilian world" 13 . Die Grundfrage der folgenden Untersuchung muß also lauten, ob die Geórgica in ihrer Beurteilung des politischen Geschehens wie in ihrer generellen Sicht der Welt - beides hängt natürlich letztlich miteinander zusammen - von einer eher pessimistischen oder eher optimistischen Grundhaltung geprägt sind. Grundlage für die Beantwortung dieser Frage wird im folgenden eine fortlaufende Deutung der vier Bücher der

6

Hier lehrt R.O.A.M. Lyne, ein bekennender "Pessimist": vgl. LYNE 1987, 217 Anm. 1. Lyne hört allerdings noch mehr Stimmen: vgl. ebd. Anm. 2. Vgl. auch HARRISON 1990,

7

19.

FOWLER 1 9 8 9 , 2 3 5 .

8

V g l . THOMAS 1 , 1 6 .

9

V g l . THOMAS 1 , 1 .

10

V g l . THOMAS 1 , 1 6 .

11

V g l . THOMAS 1 , 1 7 - 1 9 .

12

V g l . THOMAS 1 , 1 9 - 2 4 .

13

THOMAS 1 , 2 4 .

Vorwort

3

Geórgica bilden. Dabei werden das erste und das vierte Buch zur Gänze behandelt werden, während bei der Betrachtung des zweiten die laudes Italiae und die laudes vitae rusticae im Zentrum des Interesses stehen sollen. Hier wird insbesondere die Funktion der Goldzeitmotivik untersucht werden: Dient sie der Überhöhung des Dargestellten oder der Schaffung eines Widerspruchs zu den sogenannten technischen Passagen, wie Thomas meint 14 ? Im Zusammenhang mit dem dritten Buch wird der Schwerpunkt dagegen auf dem Binnenfinale der ersten Hälfte liegen, welches die Auswirkungen des furor amoris darstellt, sowie auf der zweiten, der Aufzucht von Schafen und Ziegen gewidmeten Hälfte, die auf das Finale über die Norische Viehseuche zuläuft. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich allerdings aus der Tatsache, daß die Textgrundlage keineswegs so sicher erscheint, wie man zumindest in diesem Jahrhundert bislang allgemein angenommen hat. In einer in Vorbereitung befindlichen Studie wird O. Zwierlein in Kürze umfangreiche Interpolationen im Vergiltext nachweisen. Die vorliegende Arbeit bezieht die Ergebnisse von Zwierleins Untersuchungen bereits weitgehend ein, beschränkt sich, da sie nicht vorrangig textkritisch, sondern im wesentlichen literarkritisch ausgerichtet ist, allerdings zumeist darauf, auf von Zwierlein erstmalig oder in Anlehnung an frühere Gelehrte, v.a. solche des 19.Jahrhunderts, vorgeschlagene Athetesen hinzuweisen und sie knapp nach inhaltlichen Gesichtpunkten zu bewerten. Für einige eigene Athetesevorschläge, die einer ausführlicheren Begründung zu bedürfen scheinen, wird auf die Appendices verwiesen.

14

V g l . THOMAS 1,19.

II. Die Geórgica Vergils 1. Erstes Buch 1.1. Aufbau des Buches Das erste Buch der Geórgica ist dem Ackerbau gewidmet. Einmal abgesehen vom Proöm in den Versen 1-42, welches zugleich das Proöm des Gesamtwerks darstellt, und vom Finale, zu dem die Verse 461ff. einen gleitenden Übergang bilden, gliedert es sich in zwei Teile, von denen der erste in den Versen 43-203 das "Was" bzw. "Wie", d.h. die Feldbestellung (Bearbeitung des Bodens, Aussaat und Ernte), der zweite in den Versen 204ff. das "Wann", d.h. die Bestimmung von Zeiten und die Vorhersage des Wetters, behandelt 15 . Eine grobe Zweiteilung legt Vergil selbst nahe, wenn er in l-5a ankündigt:

5

quid faciat laetas segetes, quo sidere terram vertere, Maecenas, ulmisque adiungere vitis conveniat, quae cura boum, qui cultus habende sit pecori, apibus quanta experientia parcis, hinc canere incipiam. ...

Entsprechend faßt Vergil in 2,1 den Gegenstand des ersten Buches ja auch mit den folgenden Worten zusammen: hactenus arvorum cultus et sidera caeli. Die Unterscheidung in einen ersten Teil, der von der Bearbeitung des Bodens ausgeht, und einen zweiten, in dem v.a. die Witterung im Vordergrund steht, spiegelt sich schließlich auch in der Warnung der Verse l,50-53 1 6 : 50

15 16

... prius ignotum ferro quam scindimus aequor, ventos et varium caeli praediscere morem cura sit ac patrios cultusque habitusque locorum, et quid quaeque ferat regio et quid quaeque recuset.

Vgl. unten S. 43. Vgl. unten S. 9-11.

Erstes Buch

5

Der zweite Teil zerfallt allerdings wiederum in zwei Abschnitte, und zwar in einen ersten, bis 350 reichenden, der von der Bedeutung des Auf- und Untergangs der Gestirne, des Laufs von Sonne und Mond und der Abfolge der Jahreszeiten für die Einteilung der Arbeit des Landmanns spricht, und einen zweiten, der in 351 beginnt und in dem es um die Möglichkeit geht, plötzliche Wetterumschwünge vorherzusagen 17 . Bereits diese Gliederung läßt deutlich den Einfluß der hesiodeischen Werke und Tage und der mit der Behandlung von Wetterzeichen ausklingenden Phainomena des Arat erkennen. Daß diese Werke auch das einzelne beeinflußt, daß sie v.a. aber auch die Grundhaltung der Darstellung geprägt haben, wird sich im folgenden immer wieder zeigen. Genauso wichtig, wenn auch auf den ersten Blick weniger offensichtlich ist die Wirkung des Lukrez, die Thomas' Einwänden zum Trotz doch erheblich über die eines generisch-stilistischen Vorbilds hinauszugehen scheint 18 .

1.2. Die Arbeit des Ackerbauern und sein Gerät Nach dem Proöm geht Vergil unmittelbar in medias res. Gleich zu Frühlingsanfang, heißt es in den Versen 43-49, wenn der Schnee schmelze und die Scholle unter der Einwirkung des Zephyrs sich löse, solle der Landmann energisch mit der Bestellung des Ackers beginnen; jener Acker, der zweimal Hitze und Kälte erfahren habe 19 , werde am Ende die Erwartungen eines gierigen Landmannes erfüllen und mit seinem Ertrag die Scheuern sprengen:

45

17

vere novo, gelidus canis cum montibus umor liquitur et Zephyro putris se glaeba resolvit, depresso incipiat iam tum mihi taurus aratro ingemere et sulco attritus splendescere vomer, illa seges demum votis respondet avari agricolae, bis quae solem, bis fri gora sensit; illius immensae ruperunt horrea messes.

S. unten S. 43ff. und S. 50ff. Vgl. THOMAS 1,4. 19 Zur Deutung von bis quae solem, bis frigora sensit vgl. MYNORS ZU 47-48. Die von ihm vertretene Auffassung empfiehlt sich v.a. vor dem hesiodeischen Hintergrund der Stelle (s.u.). 18

6

Die Geórgica Vergils

Im Hintergrund steht erkennbar Hesiod, v.a. dessen Ausführungen über das Pflügen in Op. 458-478. Hesiod mahnt dort, gleich im Frühjahr das Ende des Pflugsterz zu ergreifen, den Rücken der den Pflug ziehenden Rinder mit dem Stock zu treffen und mit dem Pflügen des Brachlandes zu beginnen, und rät dazu, diesen Vorgang im Sommer zu wiederholen. So werde das Getreide gedeihen, und die Vorratsgefäße des Bauern würden sich reichlich füllen, iam tum in georg. 1,45, welches auf cum aus 43 zurückgreift, entspricht δη τότ' in Hes. Op. 459, welches dort ehr' âi> δη πρώτιστ' aus dem vorangehenden Vers aufnimmt, vere novo am Anfang von georg. 1,43 findet sein Gegenstück zu Beginn von Hes. Op. 462: εαρι πολύν

θ'ερεος δε νεωμενη (sc. άρουρα) ov σ'

απατήσει.

Dieser Vers in seiner Gänze scheint wiederum georg. l,47f. beeinflußt zu haben, dessen einleitendes illa sich ebenso wie das dieses in 49 anaphorisch aufnehmende illius Hesiods ωδβ aus Op. 473 verdanken dürfte 20 . Bei Vergil treten dann zwar Scheuern an die Stelle der Vorratsgefäße, doch greift der Hinweis auf die gefüllten Vorratsgefäße bei Hesiod ja auf 461b zurück, wo zum Pflügen gleich zu Frühlingsbeginn aufgefordert wurde, Iva τοι πλήθωσιν άρουρα ι. Und dies erinnert an 306b-308: ... σόι δ' epya φίλ' εστω μέτρια κοσμειν, ως κε τοι ωραίου βιότου πλήθωσι καΧιαί21. έξ ερ~γων δ' άνδρες πολύμηλοί τ' άφνειοί τε.

Wie Hes. Op. 458-478 faßt georg. 1,43-49 eine ganze Runde im Kreislauf des bäuerlichen Daseins ins Auge, vom ersten Aufbrechen des Brachfeldes bis zum Einbringen der Ernte, wodurch neben der erforderlichen harten Arbeit auch schon deren Ertrag in den Blick rückt. Hinsichtlich der auffälligen Kennzeichnung des Landmanns als avarus in georg. 1,47 hat My nor s auf Hes. Op. 38 If. verwiesen22, wo Hesiod seinen Bruder Perses auffordert: σοι δ' ei πλούτου θυμός έέλδεται εν φρεαιν ησιν, ώδ' ερδειν, κάί epyov επ' êpyq ερ^άζεαθαι.

20

V g l . WEST z . S t .

21

301, 374 und 411 findet sich der Akk. Sg.

22

MYNORS ZU 4 7 - 8 .

Erstes Buch

7

Zusätzlich glossiert Mynors avari mit "licet sit avaras"23, wohl zu Recht; denn die Sperrung von votis und avari agricolae durch respondet führt zu einer aussagekräftigen Zusammenstellung von respondet und avari, und im übernächsten Vers wird avari durch die Begriffe immensae und ruperunt beantwortet. Zugleich wird hervorgehoben, daß das Ziel gefüllte Scheuern sind und daß dieses Ziel durch harte Arbeit erreicht wird 24 . Darauf daß hier von einer besonderen Art von avaritia, eben der eines Landmannes, die Rede ist, weist Vergil auch dadurch hin, daß er das Attribut avari und dessen Beziehungswort agricolae in einem Enjambement wirkungsvoll auf das Ende von Vers 47 und den Anfang von Vers 48 verteilt25. Hesiod schärft vor der oben zitierten Aufforderang seinem Bruder Perses nachdrücklich den Unterschied ein, der zwi-

23

Ahnlich bereits YONGE ("even a greedy") und Serv. auct. georg. 1,47 (quamvis avari). WAGNER ZU 47 verweist auf die Umschreibung der Geórgica in den von fremder Hand der Aeneis vorgeschalteten Versen: ... egressus silvis vicina coegi ut quamvis avido parerent arva colono gratum opus agricolis. ... avarus und avidus sind austauschbar: vgl. Sali. Catil. 7,6, wo es von den Römern der frühen Republik heißt, sie seien laudis avidi, pecuniae liberales gewesen, und Hör. ars 323f. : Grais ingenium, Grais dedit ore rotundo Musa loqui, praeter laudem nullius avaris. 24

LSDJ zu 47 verweisen auf die [Ον. fast.] l,677f. an Ceres und Tellus gerichtete Bitte: frugibus immensis ávidos satiate colonos, ut copiant cultus proemia digna sui.

frugibus immensis scheint aus immensae ... messes in georg. 1,49 gewonnen. ZWIERLELN spricht das Distichon dem Ovid ab und weist es dem Verfasser des unechten Vorproöms der Aeneis zu (vgl. oben Anm. 23). Einen weiteren Auftritt haben die avidi coloni in Aetna 260-269, wo das unablässige Gewinnstreben der Bauern jedoch negativ gewertet wird: coloni findet sich dort in 260, avidi in 269 (der letztgenannte Vers ist allerdings korrupt). Die Bauern quälen sich Aetna 267a zufolge u.a. ab, horrea uti saturent. Die Verse 262-265a wiederum scheinen angeregt von georg. l,54-56a sowie 2,177-258. 25 Vergil spielt hier wohl mit der gängigen Vorstellung, daß zwischen dem Landmann und dem Acker ein Verhältnis wie zwischen Geldverleiher und Schuldner besteht. So wird responder e auch im Zusammenhang mit der Tilgung von Schulden verwendet. Vgl. POWELL ZU Cie. Cato 51 (S.208f.), OLD 1634 s.v. respondeo 7 sowie Colum. 2,1,3 vom Brachland: magno faenore cessatorum colono respondet.

8

Die Geórgica

Vergib

sehen durch ehrliche Arbeit erworbenem Reichtum und solchem besteht, den man sich auf Unrechte Weise beschafft. Bemerkenswert scheint, daß Vergil sich im Rahmen seines hesiodeischen Einstiegs bei dem Bild des Stieres, der unter dem in den Boden gepreßten Pflug stöhnt, vom Ausdruck her an Lucr. 5,206-209 anlehnt, eine Stelle, die zusammen mit ihrem Kontext im folgenden noch eine wichtige Rolle spielen wird. Es heißt dort, daß auch der kleine Bereich landwirtschaftlich nutzbaren Landes, der dem Menschen überhaupt nur zur Verfügung stehe, von rascher natürlicher Verwilderung bedroht sei, wenn der sich diesem Vorgang nicht widersetze, gewohnt, valido ... bidenti/ ingemere et terram pressis proscindere aratrìs26. An die Stelle des unter der Hacke stöhnenden und die Erde mit dem in den Boden gepreßten Pflug aufbrechenden Menschen tritt bei Vergil allerdings entsprechend der hesiodeischen Vorlage der Stier, der aber bei Vergil keine Schläge erhält. Dem gegenüber Lukrez veränderten Bild geht bei Vergil in 43f. zudem ein Hinweis auf das Entgegenkommen der Natur voraus, die bei Lukrez lediglich als Gegner erscheint27, ein Entgegenkommen, das es jedoch zu nutzen gilt. Und in dem Hinweis auf den Glanz der in der Furche abgeriebenen Schar in 46b liegt wohl mehr als ein weiterer Verweis auf die Notwendigkeit harter Arbeit. Vielmehr dürfte es hier v.a. auch um die Würde dieser Arbeit gehen28, ein Gedanke, der sich ja ebenso Hes. Op. 311 ausspricht: êpyov δ' ούδβν όνειδος,

άίργίη

δε τ'

όνειδος.

Als Gegenbild scheint Vergil das der von schmutzigem Rost überzogenen, weil ungenutzten Schar vorzuschweben29. Trifft dies zu, dann kündigt sich hier gleich zu Beginn ein Grundgedanke der Verse 118ff. an, wo es in 121b-124 heißt: ... pater ipse colendi haud facilem esse viam voluit, primusque per artem movit agros, curis acuens mortalia corda nec torpere gravi passus sua regna veterno.

26

Richtig hervorgehoben von CONINGTON ZU 45. Ähnlich schon HEYNE ZU 45sq. Vgl. Thomas zu 43: "There is a sense of joy and promise." 28 Serv. auct. georg. 1,46 zitiert den älteren Cato: vir bonus est, Marce fili, colendi peritus, cuius ferramenta splendent. 29 Vgl. Catull. 64,42: squalida desertis rubigo infertur aratris. Dort ist der Anlaß allerdings ein erfreulicher: s. unten S. 63f. Vgl. dagegen georg. 1,506 über die Folgen des Bürgerkrieges: ... non ullus aratro/ dignus honos, squalent abduetis arva colonis ... 27

Erstes Buch

9

Die Verse 50-63a kommen gegenüber dem hesiodeischen Einstieg einem Rückruf gleich. Bevor man sich in die Arbeit stürzen kann, muß man nämlich die Witterung, die Bodenbeschaffenheit, die erforderliche Bestellungsweise sowie die eigentümlichen Hervorbringungen und die Eigenschaften des Bodens kennen. Dabei klingt in den Versen 50-53 zunächst noch einmal die oben zitierte Lukrezstelle mit ihrem terram ... proscindere nach30: 50

at31 prius ignotum ferro quam scindimus32 aequor, ventos et varium caeli praediscere morem cura sit ac patrios cultusque habitusque locorum, et quid quaeque ferat regio et quid quaeque recuset.

So schnell, wie es sich der Landmann wünschen mag, geht es also nicht, auch wenn er zu harter Arbeit bereit ist; vielmehr muß er vorher Kenntnisse über eine Reihe von Dingen erwerben. Entsprechend wurden die Landleute in 41 ja auch als ignari viae bezeichnet. Ein anderes Element aus dem Proöm, welches hier aufgegriffen wird, ist das der gedanklichen Verbindung von Ackerbau und Seefahrt (und Himmelsbeobachtung). So waren für den jungen Caesar nach einer für die Zukunft in Aussicht

30

Vgl. auch Lucr. 5,1295: et ferro coepere solum proscindere terrae. Ein weiteres Echo von Lucr. 5,209 findet sich in georg. 2,237b: ... et validis terram proscinde iuvencis. 31 Statt ac, das alle spätantiken Handschriften haben, wird man wohl in der Nachfolge von HEYNE (anders Wagner im Apparat bei HEYNE), LSDJ und PAGE mit Γ eher at lesen: Wie 63b-70 zeigen, gilt das in 43-46 Gesagte eben nur für fetten Boden, at in 67 nimmt at in 58 auf, welches wieder auf die in hic... illic ... alibi liegende Gegenüberstellung zurückgreift. Diese konkretisiert ihrerseits die in 53 vorgenommene Unterscheidung zwischen dem, was eine Gegend hervorbringen kann und was nicht, eine Unterscheidung, die sich bereits in patrios cultusque habitusque locorum, varium caeli... morem und dem Plural ventos in 50-52 andeutet. Somit scheint eine adversative Konjunktion zu Beginn von 50 erforderlich. Das adversative atque bei Plautus hat LEO 1895, 421-424 ( = 1960, 5558) verteidigt. Unter den TLL 2,1077,15ff. für die spätere Zeit aufgeführten Beispielen habe ich allerdings keine überzeugenden finden können. Dort ist ganz überwiegend jeweils tarnen hinzugefügt. Auch FRAENKEL 1957, 327 Anm. 5 entschied sich angesichts dieser Lage Hör. epist. 1,7,2 gegen atque für atqui. Vgl. ebenso georg. 2,265ff., wo immerhin M ac bietet, während sich das richtige at in Ρ und den karolingischen Handschriften (R: ad) findet, und 2,256 sowie ecl. 4,18; 26. 32 scindimus steht, wie LSDJ zu 50 richtig bemerken, für proscindimus. Vgl. Colum. 11,2,1: et ne desciscamus ab optimo vate, quod ait ille, 'vere novo' terram proscindere incipiat. Plin. nat. 1 8 , 2 4 2 setzt proscindere für das invertere Vergils in 6 5 . In 9 7 schreibt Vergil selbst proscisso ... aequore: vgl. Anm. 60. Auf Vergil scheint Ov. met. 7,119 zurückzugehen, wo es heißt, Jason habe die Feuer schnaubenden Stiere des Aetes gezwungen, insuetum ferro proscindere campum. Nach Varrò rust. 1 , 2 9 , 2 ist proscindere der Fachausdruck für das erstmalige Pflügen der Brache: vgl. KLOTZ 2 , 9 5 3 s.v. Ib.

10

Die Geórgica Vergils

gestellten Aufnahme in den Kreis der Götter drei mögliche Zuständigkeitsbereiche ins Auge gefaßt worden, zu Lande eine Tätigkeit als Schutzgott der Landwirtschaft (25b-28), zur See eine solche als Schutzgott der Seefahrt (29-31) oder schließlich eine Versetzung an den Himmel als neues Gestirn (32-35). Den inneren Zusammenhang des letztgenannten Bereichs mit den beiden erstgenannten macht ein Blick auf 204ff. klar 33 . Der Gedanke an den jungen Caesar als den zukünftigen Schutzgott der Seefahrt oder des Landbaus wirkte schon in 40-42 nach, als er von Vergil mit der Bitte angerufen wurde, (ihm) eine glückliche Fahrt zu gewähren und sich mit ihm der Landleute zu erbarmen 34 . Dabei spielte Vergil, wie Richter gesehen hat, mit der Metapher des Wegweisens auf Lukrez an 35 . Auch dies wird im folgenden noch bedeutsam werden. In 50ff. nun wird die Mahnung an den Landmann in einer Sprache dargeboten, die an einen Kauffahrer erinnert, der, bevor er sich auf See begibt, Wind und Wetter erkundet und Kenntnisse darüber erwirbt, von welcher Art die Länder sind, mit denen er Handel treiben will, und welches ihre eigentümlichen Hervorbringungen sind36. Dabei scheint hinter 50-52a (at prius ignotum ferro quam scindimus aequor,/ ventos et varium caeli praediscere morem/ cura sit ...) Catull. 64,12b zu stehen37. Dort heißt es von der Argo, in der die Blüte Griechenlands, um das Goldene Vlies aus dem fernen Kolchis zu holen, erstmals die Fahrt über das bisher an Schiffe nicht gewöhnte Meer wagt: ... rostro ventosum proscidit aequor3*. Diese Verknüpfung von Seefahrt und Landbau wird uns noch des öfteren begegnen: In 121bff. gehen sie beide aus dem Zwang zum Tätigsein hervor, den Jupiter durch Erschwerung der Lebensbedingungen auf den Menschen ausübt39. Besonders häufig werden beide artes dann in 33

Vgl. unten S. 43f. da facilem cursum geht doch wohl auf die Seefahrt - trotz des Schwankens von MYNORS ZU 40. Vgl. auch 2,39-41. Die Wahl eines anderen Bildes in 2,541f. soll wohl auf den Gegenstand des folgenden dritten Buches vorbereiten. 35 RICHTER ZU 40ff. Vgl. auch WILKINSON 1969, 76. Zugleich könnte hier das Bild von den beiden Wegen aus Hes. Op. 286-292 hineinspielen (vgl. unten S. 30). 34

36

V g l . s c h o n PAGE ZU 5 0 u n d MYNORS ZU 5 0 - 3 .

37

So schon LSD zu 50. Einen Beleg für ferrum in der Bedeutung "Schiffsschnabel" können, vgl. allerdings Plin. nat. 32,3: rostra ... aere ferroque Ach. l,429bf.: ... ferrum lassatur in usus/ innúmeros, quod arma,I.... 39 Der Vers 134 wird allerdings ebensowenig wie Vers 135 unten Anm. 135. 38

habe ich zwar nicht finden ad ictus armata und Stat. rostra liget, quod muniat von Vergil stammen: vgl.

Erstes Buch

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204ff. verbunden. Und in der Tat scheint ja die Ermahnung zur vorherigen Erkundung der Witterungsverhältnisse ein Vorausverweis auf 204ff. : Man vergleiche nur 204-207 und 252-25640. Die Verknüpfung von Landmann und Kauffahrer wirkt fort, wenn in 54-59 der Blick über die Welt der Geórgica hinaus auf den ganzen Erdkreis geweitet wird 41 : hic segetes, 55

arborei gramina. India

illic veniunt felicius

fetus

nonne

mittit

at Chalybes castorea,

alibi ebur,

atque

vides,

uvae,

iniussa croceos

virescunt ut Tmolus

molles

sua tura

nudi ferrum

virosaque

Eliadum

palmas

Epiros

odores,

Sabaei, Pontus equarum?

Der Abschnitt geht aus von der Welt der Geórgica, beginnend mit dem Gegenstand des ersten Buches, dem Ackerbau, der dem Hauptgegenstand des zweiten Buches, dem Weinbau, einerseits durch hic ... illic gegenübergestellt, ihm aber zugleich durch das gemeinsame Prädikat veniunt felicius verbunden wird. Die folgende Paarung, durch die gemeinsame Ortsbestimmung alibi und das Prädikat virescunt verknüpft 42 , beginnt mit einem Gegenstand des zweiten Buches (arborei fetus) und verweist anschließend durch gramina auf den Gegenstand des dritten, die Viehzucht 43 . Dann geht der Blick auf Dinge, die aus dem Ausland importiert werden 44 , zwei Dreiergruppen, verbunden durch das gemeinsame Prädikat mittit, voneinander abgesetzt durch die adversative Konjunktion at. Im Zentrum stehen sich die molles ... Sabaei und die Chalybes nudi mit ihren Produkten Weihrauch und Eisen gegenüber. Den Sabaeern sind ebenfalls aus dem südöstlichen Bereich der lydische Tmolus mit seinem duftenden Safran sowie Indien mit seinem Elfenbein vorgeschaltet. Dem entspricht die auf die Nennung der Chalyber folgende Erwähnung der gleichfalls im Nordosten liegenden Gegenden Pontus und Epirus mit dem 40

Unten S. 43. Zur gedanklichen und sprachlichen Verknüpfung von Ackerbau und Schiffahrt vgl. auch ecl. 4,31-36 und Aen. 5,142f., Aen. 2 , 7 8 0 und Aen. 3,495 sowie Cie. Arat. 129. OKSALA 1978, 24 und 25 leitet die Verwendung der Seefahrt als Begleitmotiv in den Geórgica aus Hes. Op. 618-694 und Arat. passim her. Als wohl grundsätzlich positiv bewertete Erwerbsquellen werden Ackerbau und Seefahrt auch Tib. 1,9,7-10 verbunden: vgl. DISSEN z.St.

41

V g l . MYNORS ZU 5 6 .

42

V g l . CONINGTON, PAGE u n d MYNORS ZU 5 5 .

43

Vgl. 2 , 2 0 0 sowie unten S. 12. Vgl. CONINGTON ZU 57. Anders als HEYNE z.St. annimmt, liegt in mittit nicht einfach eine Variation zu veniunt aus 54 vor.

44

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Die Geórgica Vergils

stinkenden Bibergeil bzw. den in Olympia siegreichen Stuten. Dabei haben die Chalyber wohl die Funktion, von den weichlichen Sabaeern mit dem für sie typischen Weihrauch ( s u a tura45) wieder in die Welt harter Arbeit zurückzufuhren. Apoll. Rhod. 2,1006b-1008 hebt die Mühsal der Chalyber nachdrücklich hervor. Ebd. 1002-1004 wird die Landwirtschaft mit ihren drei Bereichen Ackerbau-, Baum- und Viehzucht als bei den Chalybern nicht existent bezeichnet. Die sich in den Versen 54-56a und 56b-59 andeutende Gegenüberstellung wird im zweiten Buch auf den Gegensatz zwischen dem Bauernland Italien und den sagenhaft reichen Ländern des Ostens zugespitzt werden46. In 60-63a wird die räumliche Perspektive um eine zeitliche ergänzt. Diese auf ewig gültigen Satzungen, heißt es, und Bestimmungen47 habe die Natur den jeweiligen Gegenden schon zu dem Zeitpunkt auferlegt, als Deucalion Steine in das noch menschenleere Erdenrund geworfen habe, aus denen die Menschen hervorgegangen seien, ein hartes Geschlecht48: 60

continuo has leges aeternaque foedera certis imposuit natura locis, quo tempore primum Deucalion vacuum lapides iactavit in orbem, unde homines nati, durum genus. ...

Was die räumliche Perspektive betrifft, so greift patrios

u n d locorum

a u s 5 2 , quaeque

...

regio

certis/

a u s 5 3 , hic ...

...

locis illic

auf

.../...

aus 54f. und die in 56-59 genannten Ortsbezeichnungen zurück, und in orbem nimmt die v.a. in diesen Ortsbezeichnungen angelegte universale räumliche Dimension auf. Eine dementsprechende zeitlich alibi...

45

Vgl. PAGE ZU 57. Gewiß erzeugt die Gegenüberstellung von molles ... Sabaei und Chalybes nudi "an artistic contrast" (ebenso wie virosa .../ castorea spielerisch croceos ... odores zugeordnet sein dürfte), das ist aber wohl noch nicht alles.

46

V g l . THOMAS z u 5 6 - 9 .

47

MYNORS ZU 60 trifft wohl das Richtige, wenn er aeterna auch zu leges zieht. Im Hintergrund steht, wie HUXLEY ZU 60 mit Recht vermutet, Lucr. 5,916-930 (vgl. schon LSD zu 60f.). Dort schließt Lukrez zum einen die Entstehung von fabelhaften Mischwesen in der Frühzeit mit dem Hinweis aus, daß, obwohl es auch heute noch viele verschiedene Arten von Gräsern, Früchten und Sträuchern gebe, auch aus diesen keine Mischwesen hervorgebracht werden könnten, sed res quaeque suo ritu procedit et omnes/ foedere naturae certo discrimina servant. Zum anderen weist er darauf hin, daß jenes aus der harten Erde entstandene Menschengeschlecht um vieles härter als spätere und daher 48

a u c h w e n i g e r a n f ä l l i g g e w e s e n s e i . CONINGTON, L S D , HUXLEY, THOMAS u n d MYNORS

verweisen schon zu 56 auf den lukrezischen Klang des nonne vides. Die Einführung des mythischen Elements durch Vergil ist allerdings unlukrezisch. Vgl. MYNORS ZU 60. Als Vorlage haben die Verse für Ov. am. 2,14,1 lf. gedient.

Erstes Buch

13

universale Dimension liegt dagegen sowohl in aeterna wie auch in continuo .../... quo tempore primum. Die zeitliche Perspektive kommt auch in vacuum und in unde homines nati zum Ausdruck: Zunächst war der Erdkreis menschenleer, und danach hatten für die gesamte Dauer der Menschheitsgeschichte diese Gesetze Geltung. An diese Ordnung ist das Dasein der Menschen insgesamt und das des Landmanns im besonderen unentrinnbar gebunden. Auf den Gedanken einer festen Ordnung, werde sie nun im Einzelfall der Natur, den Göttern oder dem Schicksal zugeschrieben, wird Vergil im folgenden immer wieder zurückkommen. Der Zustand der Welt, der hier beschrieben wird, unterscheidet sich in der Tat deutlich von dem des wiederkehrenden Goldenen Zeitalters aus der vierten Ekloge. Dort wurde dargestellt, wie zuletzt auch der Kauffahrer vom Meer verschwinden und seine Tätigkeit einstellen werde, da dann die ganze Erde alles hervorbringen werde; dann werde auch der Ackerbau überflüssig werden, und die Wolle der Schafe werde sich von selbst einfarben (ecl. 4,37-45)49. Doch ist das Bild, welches an unserer Stelle gezeichnet wird, keineswegs ein düsteres. Wie in 43ff. neben der Notwendigkeit harter Arbeit deren Würde, das Entgegenkommen der Natur und der zu erwartende Ertrag hervorgehoben wurden50, so wird auch in 50ff. nicht nur deutlich, daß die Zeugungskraft der Natur im Vergleich zur Goldenen Zeit eingeschränkt ist, sondern auch, daß sich Reste dieser Zeugungskraft bis in die Gegenwart erhalten haben. Beachtenswert sind in diesem Zusammenhang veniunt felicius in 54, iniussa virescunt in 5551 und der Eindruck der Fülle, der durch die Aufzählung der verschiedenen Hervorbringungen entsteht. Und den unverrückbaren Gesetzen der Natur tritt in den Menschen auch ein hartes Geschlecht gegenüber: Sie sind ja aus Steinen hervorgegangen. Die Bezeichnung des Menschengeschlechts als durunr52 verweist hier nicht nur auf die Einbettung des Menschen in die

49

Diesen Gegensatz heben zu Recht CONINGTON ZU 63 und THOMAS ZU 53 hervor. S. oben S. 5-8. 51 Vgl. THOMAS ZU 54-6. In dem von ihm bemerkten "contrast between cultivation (segetes) and spontaneity (iniussa)" kann ich allerdings an dieser Stelle nicht das Wesentliche sehen. 52 In 2,340f. wird Vergil dagegen die Härte der Umwelt betonen, in die das Menschengeschlecht hineingeboren wurde. 50

Die Geórgica Vergils

14

natürliche Ordnung, sondern auch auf die innere Abgestimmtheit dieser Ordnung 53 . Mit dieser Charakterisierung des Menschengeschlechts vor dem Hintergrund der Unveränderlichkeit der natürlichen Ordnung kehrt endgültig der Gedanke der Notwendigkeit harter Arbeit zurück, der dann in 63b-66 im Bild der den fetten Boden gleich zu Beginn des Jahres wendenden Stiere weiterwirkt, die als fortes5* bezeichnet werden 55 : ... ergo age, pingue 65

fortes

solum primis invertant

pulverulenta

extemplo

tauri,

coquat

glaebasque maturis

terrae

a mensibus solibus

anni

iacentis aestas.

Die Betonung der zupackenden Arbeit in 63b-66 ist natürlich auch bedingt durch den Gegensatz zu 67f., wo für Böden mit zu geringer Feuchtigkeit lediglich ein leichtes Pflügen empfohlen wird 56 : at si non fuerit tellus fecunda, sub ipsum Arcturum tenui sat erit suspendere sulco. Hierin liegt eine Richtigstellung gegenüber 43-46 57 , womit aus der in 50-63a anempfohlenen Berücksichtigung des unterschiedlichen Wesens der Böden eine konkrete Konsequenz für den vorliegenden Fall abgeleitet wird. Zugleich wird in 69f. erkennbar, daß die verschiedenen Vorgehensweisen durch unterschiedliche Bedrohungen erforderlich werden: Zu

53

Vgl. auch Ov. met. l,414f.: inde genus durum sumus experiensque laborum/ et documenta damus, qua simus origine nati. Auf diese Stelle verweist schon YONGE ZU 63. V g l . a u c h SIDGWICK, CONINGTON, HUXLEY u n d MYNORS ZU durum

genus

in 6 3

sowie

CONINGTON und PAGE ZU der in ergo age in 63 ausgedrückten gedanklichen Verbindung (THOMAS ZU 6 3 ist e i n s e i t i g ) . 54

Vgl. CONINGTON zu 65, auch zum Rhythmus des Verses. Zu letzterem vgl. auch

HUXLEY z u 6 5 u n d MYNORS ZU 6 5 - 6 . 55

Vgl. auch primis extemplo a mensibus anni (64) mit vere novo, cum..., ... iam tum (43/45), sowie tauri (65) mit taurus (45). Die Rückführung in die Welt des Ackerbaus wird unterstützt durch das Bild des die Steine, aus denen die Menschen hervorgehen, ins Erdenrund werfenden Deucalion. Dies erinnert an den Vorgang der Aussaat: vgl. lapides iactavit in 62 mit iacto ... semine in 104, w o allerdings noch eine andere Vorstellung hineinkommt (s. unten S. 16). 56

57

V g l . THOMAS ZU 6 5 .

Vgl. LSDJ zu 68, die auf den Gegensatz zwischen suspendere 45 hinweisen. Ähnlich schon WAGNER ZU 68.

in 68 und depresso

in

Erstes Buch

15

große Feuchtigkeit kann bewirken, daß Unkraut der Ackerfrucht schadet 58 , zu geringe Feuchtigkeit kann zu Unfruchtbarkeit führen. Der Gedanke der Bedrohung des Ertrags durch ein Zuviel oder Zuwenig an im Boden befindlichen Nährstoffen wird in den Versen 71117, die das Bild von der Bearbeitung des Bodens in einen weiteren Rahmen spannen und vom Umgang mit dem Brachacker bis zur Pflege der jungen Pflanzen führen, ebenso aufgegriffen wie der, daß bei der Feldbestellung die Bedürfnisse des Bodens zu berücksichtigen sind (die formale Anbindung wird durch idem in 71 hergestellt): Wie leichter Boden im Unterschied zu fettem erst im Herbst und nur vorsichtig gepflügt werden soll, damit ihm das wenige an Feuchtigkeit, das ihm eignet, nicht verloren geht, so soll man nach der Ernte dem ausgezehrten Boden die Gelegenheit geben, wieder in Form zu kommen, sei es durch Brache, sei es durch Fruchtwechsel. Die Unterbrechung des Anbaus von Leinsaat, Hafer und Mohn und anderen Pflanzen dient den Versen 79-81 zufolge in Verbindung mit Düngung dazu, dem Boden die Mühe zu erleichtern: sed tarnen alternis 80

ne saturare effetos

fimo

cinerem

facilis pingui

labor, pudeat

immundum

arìda sola

iactare

per

tantum neve agros.

Die Antwort des Bodens auf die (sorgfältige) Bearbeitung durch den Menschen wird in 83 als gratia bezeichnet 59 . Als mögliche Begründung für den Nutzen, den bei erschöpften Äckern nach der Ernte das Abbrennen der Stoppeln bringt, wird u.a. angeführt, daß der Boden dadurch möglicherweise entgiftet und von überflüssiger Feuchtigkeit befreit und gegen die schädliche Einwirkung von Regen, Sonne und Kälte geschützt werden könne (84-93). Auch die Maßnahmen, die Vergil in 94-99 für die Zeit nach dem Aufbrechen des Bodens empfiehlt 60 , dienen dazu, die Wachstumskräfte des Bodens zu unterstützen:

58

officiant laetis ne frugibus herbae weist, wie THOMAS zu 69 bemerkt, in Wortwahl und Gedanken auf 118-12la und 150-159 voraus. 59 Vgl. PAGE z.St. 60 proscisso ... aequore in 97 greift auf scindimus aequor in 50 zurück: vgl. Anm. 32. Es bezeichnet eine neue Stufe wie im folgenden iacto ... semine (104). Vgl. auch tornas ... novalis in 71.

16 95

Die Geórgica Vergils multum adeo, rastris glaebas qui frangit inertis vimineasque trahit cratis, iuvafix arva, neque ilium flava Ceres alto nequiquam spectat Olympo; et qui, proscisso quae suscitât aequore terga, rursus in obliquum verso perrumpit aratro exercetque frequens tellurem atque imperai arvis.

Und was den Abschnitt über die Zeit nach der Aussaat in 104-110 anlangt: quid dicam, iacto qui semine comminus arva insequitur cumulosque ruit male pinguis harenae, deinde satis fluvium inducit rivosque sequentis, et, cum exustus ager morientibus aestuat herbis, ecce supercilio clivosi tramitis undam elicit? illa cadens raucum per levia murmur 110 saxa ciet, scatebrisque arentia temperai arva, 105

so hat Conington die Stimmung dieser Verse schön an ecce in 108 festgemacht: "'Ecce' at once gives the picture and expresses the unexpected relief to the soil." 62 Der Boden erscheint hier als eine Art Mitarbeiter, der der Fürsorge des Landmannes bedarf. Doch geht es bei der Fruchtwechselwirtschaft natürlich letztlich um eine Steigerung des Ertrags. In diesem Zusammenhang dient das Abbrennen der Stoppeln der Nutzbarmachung der Nährstoffreserven des Bodens. Und in 94-99 wird dieser einem harten Regiment unterworfen. Am Ende wird über die bildliche Sprache des exercetque frequens tellurem atque imperai arvis (99) das Verhältnis zwischen Landmann und dem Boden, den er bearbeitet, mit dem zwischen einem Heerführer und den seinem Befehl unterstehenden Soldaten verglichen63. Im nächsten Abschnitt wird das Vorgehen des Landmannes gar in einer Sprache beschrieben, die an einen zum Angriff übergehenden Soldaten erinnert: iacto ... semine comminus arva/ insequitur (104b-105a)64.

61

iuvat greift profuit aus 84 auf.

62

CONINGTON z . S t .

63

Zu exercere in diesem Zusammenhang vgl. TLL 5,2,1369,41-61, zu imperare vgl. TLL 7,1,588,19-33. exercere muß an sich diesen Beiklang natürlich nicht haben: vgl. TLL 5,2,1372,22-46. Auch imperare muß natürlich nicht unbedingt von militärischen Befehlshabern gesagt sein: vgl. TLL 7,1,588,79-589,6. Das gemeinsame Auftreten beider Begriffe und die im folgenden sich fortsetzende militärische Metaphorik legen eine Deutung in besagtem Sinn allerdings nahe. 64 Vgl. z.B. das Aufeinandertreffen von Mezentius und Aeneas in Aen. 10,762-788.

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Dabei sollte man allerdings zunächst einmal den oben skizzierten Kontext, der von Maßnahmen zur Unterstützung des Bodens spricht, nicht aus dem Auge verlieren. Zum anderen darf auch das Spielerische der Ausdrucksweise nicht übersehen werden65. Es sollte bereits zu denken geben, daß Vergil das Verhältnis des Landmannes zum Boden einmal als das eines Generals zu seinen Truppen, ein anderes Mal als das eines Soldaten zu seinem Gegner beschreibt. Und wenn Vergil in der Tat Krieg und Landbau hinsichtlich ihrer Gewalttätigkeit auf eine Stufe stellen wollte, so wäre damit schwer zu vereinbaren, daß er an anderer Stelle beide Tätigkeiten einander kontrastierend gegenüberstellt, so z.B im Finale dieses Buches66. Es ist in der Tat ein Kampf, den der Landmann gegen die widrigen Naturkräfte führt, aber nicht im Sinne einer Vergewaltigung und Ausbeutung der Natur, sondern in dem Sinne, daß er versucht, die in ihr ruhenden Möglichkeiten zur Entfaltung zu bringen. Nicht ohne Grund werden die Erdschollen in 94 als inertis bezeichnet. Und so dürfte auch in suscitât in 97 der Gedanke liegen, daß der Boden durch eine heftige Bewegung aus dem Zustand der Trägheit aufgeweckt oder -gescheucht wird 67 . Auch in diesem Zusammenhang ist es lohnend, auf 121b-124 vorauszublicken: ... pater ipse colendi haudfacilem esse viam voluit, primusque per artem movit agros, curis acuens mortalia corda nec torpere gravi passus sua regna veterno.

Die Vorstellung, der Boden müsse in Bewegung gebracht werden, wird dann über exercet in 99 68 - perrumpit in 98 greift auf frangit in 94

65

Gut scheint mir die Stimmung zwischen Spiel und Ernst von SIDGWICK zu 104 erfaßt: "Vergil feels deeply the hard struggle of the rustic life, but the seriousness is lightened as often in the Georgics by a touch of half humorous exaggeration. " 66 Vgl. unten S. 57ff. 67 OLD 1889 s.v. zu Recht eingeordnet unter 2 "to cause (a thing) to rise, throw up (earth, water, vapour, etc.)", wobei unter den Parallelen Acc. trag. 393 von besonderem Interesse zu sein scheint, wo ein Hirte von der in der Ferne sichtbar werdenden Argo ausruft: prae se undas volvit, vertices vi suscitât. Vgl. aber auch die zahlreichen Belege unter 3 "To rouse from sleep or unconsciousness ... to rouse from inactivity or indifference, stir to action" und 4 "To rouse (something) from a dormant or latent state, awaken, call forth". 68 Vgl. die TLL 5,2,1368,18 angegebene Grundbedeutung: "c. W agitandi, vehementer movendi".

18

Die Geórgica Vergils

zurück 69 und verweist wie dieses auf den zu überwindenden Widerstand - in die besagte militärische Metaphorik übergeführt, wobei in imperai arvis der inzwischen erreichte Grad souveräner Verfügungsgewalt zum Ausdruck kommt. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf Quint, inst. 12,10,78, wo imperare ebenfalls im übertragenen Sinn gebraucht wird. Dort ist davon die Rede, daß der Aufstieg für den Redner desto leichter werde, je höher er bereits gekommen sei. Am Ende bringe ihm der Boden seine Früchte von selbst dar, er müsse sie nur noch mit Verstand auswählen. In diesem Zusammenhang, in dem durch die landwirtschaftliche Metaphorik ebenso wie durch die des Aufstiegs an Hesiod bzw. Vergil erinnert wird, heißt es dann von dem auf dem Gipfel angelangten Redner: nitidus ille et sublimis et locuples circumfluentibus undique eloquentiae copiis imperai70. Der Gedanke souveränen Reagierens auf ständig wechselnde Erfordernisse schwingt im folgenden mit, wenn der Landmann Bäche auf trockene Felder leitet bzw. überschüssige Feuchtigkeit durch Entwässerungsgräben abzieht (deducit in 114 antwortet auf inducit in 106). Für den Ausdruck inducit rivos ... sequentis hat Richter treffend auf Ov. met. 11,2 verwiesen, wo es von dem durch seinen Gesang die Natur kontrollierenden Orpheus heißt: saxa sequentia ducit71. Der in diesem Zusammenhang notwendige Einsatz des Landmanns kommt noch einmal in den beiden einleitenden Versen mit ihrer militärischen Metaphorik zum Ausdruck 72 . Auch hier ist Richter hilfreich, wenn er darauf hinweist, daß comminus 'wirklich "mit der Hand"' bedeute73. Entsprechend wird nämlich manu in 179 und 199 dazu dienen, die Erfordernis beständiger Anstrengung auf seiten des Bauern zu unterstreichen. Was die militärische Metaphorik betrifft, so dürfte noch ein Blick auf 3,346-348 erhel-

69

Vgl. auch THOMAS zu 98. AUSTIN verweist zu imperai mit Recht auf unsere Vergilstelle. Mit copiis werden im skizzierten Zusammenhang wohl am ehesten Vorräte gemeint sein, aber auch eine militärische Konnotation, wie sie offenbar die Verfasser des OLD (844 s.v. 7a) annehmen, scheint mir nicht völlig ausgeschlossen. Vgl. Quint, inst. 7,4,24: hic regnai (sc. eloquentiä), hic imperai, hic sola vincit. 71 RICHTER zu 106. Vgl. ecl. 3,46: Orpheaque in medioposuit silvasque sequentis. Vgl. auch Aesch. Ag. 1630, Eur. Bacch. 561-564, Iph. Aul. 1211-1214a, Hör. carm. 1,12,712; 3 , l l , 1 3 f . , ars 391-396a. Anders als der Bach bei Horn. II. 21,257-262 überholt der unsere den Landmann nicht, sondern folgt ihm brav. Eine ähnliche Kontrolle über die Kräfte der Natur spiegelt sich in georg. 2,49b-52 (unten S. 125).

70

72

V g l . n o c h PAGE ZU 1 0 4 u n d MYNORS ZU 1 0 5 .

73

RICHTER ZU 1 0 6 .

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lend sein, wo der sich unter schwierigen Lebensbedingungen bewährende Hirte Libyens mit einem römischen Soldaten verglichen wird: non secus ac patriis acer Romanus in armis iniusto sub fasce viam cum carpii, et hosti ante exspectatum positis stat in agmine castris.

Schließlich sollte auch der Aufbau der Gesamtpassage nicht unberücksichtigt bleiben. Sie läßt einen deutlichen rhetorischen Aufschwung erkennen. So wird qui in 94 zunächst durch et qui in 97 emphatisch aufgenommen. Prädikat zu beidem ist das den ersten Relativsatz rahmende multum adeo ... iuvat arva. Zwischen den beiden Relativsätzen steht dann das Bild der gnädig auf den Landmann blickenden Ceres. Dieses nimmt den Gedanken des reichen Ertrags aus 47-49 wieder auf. Hing dort der Ertrag davon ab, daß die von der Natur gebotenen Möglichkeiten auch genutzt werden, so wird hier der göttliche Segen an die Bedingung geknüpft, daß der Landmann zunächst selbst seinen Beitrag leistet74. Entsprechend wird in 3,452-456 auch der Hirte getadelt werden, der sich weigert, eine Geschwulst zu behandeln, et meliora deos sedet omina poscens75. Eine weitere Steigerung bedeutet die Aufnahme des multum adeo, ... qui ..., iuvat arva ...; et qui ... aus 94-99 durch quid dicam76, ... qui ...; quid qui ... quique ... in 104ff. 77 . Dieser rhetori-

74

Zu neque ... nequiquam vgl. Serv. georg. 1,96 und MYNORS zu 96. Der Gedanke stammt, wie LSDJ zu 96 gesehen haben, aus Hes. Op. 298-301 (vgl. unten S. 30), der Segensblick ist aus Call. Dian. 129-130a übernommen (auf diese Stelle verweist schon HEYNE ZU 95.96). Vergils Verse wiederum dürften als Vorlage für Tib. l,6,83f. gedient haben. 75 HEYNE verweist zu 95.96 auf Gratt. 424b-426, wo es vom gegen die Räude vorsorgenden Hundezüchter heißt: ... nec non tarnen illum/spumosi catulos mergentem litoris aestu/ respicit et facilis Paean adiuvit in artes. Vgl. auch RICHTER zu 96. 76 Zu quid dicam vgl. MYNORS zu 104. 77 Beachtenswert auch das auf arva in 95 zurückgreifende arvis am Ende von 99 und arva am Ende von 104, welches ringkompositorisch wieder von arva in 110 aufgenommen wird (man beachte auch imperai vor arvis am Ende von 99 und temperai vor arva am Ende von 110). Angesichts dieser Entsprechungen sowie der übrigen aufgezeigten gedanklichen und sprachlichen Verknüpfungen zwischen 94-99 und 104-117, insbesondere der in 99 und 104-105a nachgewiesenen Metaphern aus dem militärischen Bereich, erscheinen die Verse 100-103, wie schon RIBBECK 1866,3lf. gesehen hat, als Fremdkörper. Ribbecks Annahme, es handele sich um eine Hinzufügung des Dichters selbst, die dieser jedoch nicht in den Text integriert habe, hat allerdings nichts, um sie zu empfehlen. Ebensowenig wird das Problem durch die von anderen vorgeschlagene Athetese der Verse lOOf. oder ihre Versetzung hinter 93 (vgl. Deuticke bei LSDJ im Anhang zu 100-103) gelöst: Die Aufforderung, um feuchte Sommer und heitere Winter zu beten, ließe sich zwar vielleicht an

20

Die Geórgica

Vergils

sehe Aufschwung unterstützt den insgesamt positiven Grundton der Passage. Damit soll keineswegs geleugnet werden, daß in dem behandelten Abschnitt auch "düstere" Töne anklingen. So kommen die Anforderungen, die an den Landmann gestellt werden, deutlich zum Ausdruck, und auch das Vorhandensein widriger Kräfte wird nicht verschwiegen. Und der in den Versen 111-117 an das Lob des Landmanns, der überschüssige Feuchtigkeit durch Entwässerungsgräben abzieht, anschließende Abschnitt endet dann ja auch mit dem Bild des während der incertae menses über die Ufer getretenen Flusses, der alles mit seinem Schlamm überzieht, und der entstandenen Lachen, aus denen warmer Dunst aufsteigt:

115

quid (sc. dicam) qui, ne gravidis procumbat culmus luxuriem segetum tenera depascit in herba, cum primum sulcos aequant sata, quique paludis harena? collectum umorem bibula deducit praesertim incertis si mensibus amnis abundans exit et obdueto late tenet omnia limo, unde cavae tepido sudant umore lacunae.

aristis,

Dabei mag Lucr. 5,200-203 anklingen, wo u.a. öde Moore die landwirtschaftliche Nutzung eines großen Teils der Erde verhindern78. Der Leser wird hier auf den folgenden Abschnitt eingestimmt, der in Anlehnung an Lukrez die ständige Gefährdung des Ertrags der bäuerlichen Arbeit zum Gegenstand hat. Schon Macrob hat bemerkt, daß im Hintergrund der Verse 118ff. Lucr. 5,200ff. steht79, ein Abschnitt, in dem Lukrez sich bemüht, die Vorstellung von einem göttlichen Ursprung der Welt durch Hinweis auf ihre Mängel zu widerlegen. Auf Lucr. 5,206-209 griff Vergil, wie wir sahen, bereits unmittelbar zu Beginn seiner Ausführungen über den Ackerbau zurück, um die im Zusammenhang mit der Feldbestellung

den in 92f. gegebenen Hinweis auf die von der Gewalt der verzehrenden Sonne und der Kälte des Winters ausgehenden Gefahren anknüpfen, jedoch scheint die Aufforderung, um umida solstitia zu beten, kaum zur Warnung vor den tenues pluviae in 92 zu passen. Andererseits tut man sich schwer, laetus ager in 102 von hiberno laetissima pulvere farra in 101 zu trennen und stattdessen als Apposition zu Mysia zu ziehen. Man wird daher mit ZWIERLEIN die Verse 100-103 insgesamt zu tilgen haben. 78

V g l . paludes

(Lucr. 5 , 2 0 2 ) mit paludis

in 113 (nur v o n PAGE und HUXLEY Ζ. St. für

kommentieningsbedürftig gehalten), tenent (Lucr. 5,202) mit tenet in 116, late (Lucr. 5,203) mit late in 116 und obducat (Lucr. 5,207) mit obdueto in 116. 79 Macr. Sat. 6,2,29.

Erstes Buch

21

erforderliche Mühe zu betonen80. Unmittelbar im Anschluß an diese Stelle heißt es Lucr. 5,213-217 81 weiter:

215

et tarnen interdum magno quaesita labore cum iam per terras frondent atque omnia florent, aut nimiis torret fervoribus aetherius sol, aut subiti peremunt imbres gelidaeque pruinae, flabraque ventorum violento turbine vexant.

Man vergleiche georg. l,118-121a: nec tarnen, haec82 cum sint hominumque boumque labores

80

Vgl. oben S. 8. 210-212 wurden zu Recht von Bockemüller athetiert: vgl. DEUFERT 1996, 201-203. Die Stelle dürfte allerdings weniger zur Rechtfertigung der Verse 206-209 interpoliert, als vielmehr ursprünglich als Randglosse zu magno quaesita labore in 213 geschrieben sein. 82 haec bezieht sich hier auf die zuvor genannten Maßnahmen zur Unterstützung der Wachstumskräfte des Bodens, während hominumque boumque labores auf den immer wieder geforderten Einsatz von Mensch und Tier geht. TLL 5,2,1680,84-1681,2 wird haec allerdings auf die verschiedenen durch übergroße Feuchtigkeit hervorgerufenen Schäden bezogen. MYNORS zu 118 wiederum faßt hominumque boumque labores unter Hinweis auf 325, Aen. 2,306, Colum. 10,330, Horn. Od. 10,98 und Hes. Op. 46 als "almost concrete, the cornfields etc. which are the results of toil" auf. Vgl. auch noch ipy'ανθρώπων Horn. II. 16,392 und LSJ 683 s.v. ëpyov 3a sowie Ov. met. 2,404. Nun war aber die ganze Zeit von den von Mensch und Tier zu verrichtenden Arbeiten die Rede. Zu boum vgl. 45 und 65. 97-99 dient die Unterdrückung der Erwähnung des Pflugochsen dazu, die Rolle des Landmanns zu betonen. So wird man hominumque boumque labores doch wohl auf die Arbeiten von Mensch und Tier zu beziehen haben. Man vergleiche auch die fruges ... boum labore quaesitas bei Curt. 7,8,18 sowie Colum. 2,4,10, wo es heißt, wenn man quer zum Hang pflüge, werde der labor ... pecudum et hominum verringert. Und Aen. 2,283ff. ruft Aeneas dem ihm im Traum erscheinenden Hektor zu: 81

... ut te post multa tuorum fuñera, post varios hominumque urbisque labores 285 defessi aspicimus!... LS DJ und CONINGTON zu Aen. 2,284 verweisen zu Recht auf georg. 1,118. Vgl. noch Aen. 2,11 mit CONINGTON z.St., der allerdings labor zu sehr im Sinne eines reinen Erleidens deutet. Vgl. auch multo spedata labore (sc. semina) in georg. 1,197 und magno quaesita labore bei Lucr. 5,213. Auson. Mos. 459, wo unsere Stelle imitiert wird, scheint hominumque boumque labores auf halbem Wege zwischen der Tätigkeit der Bauern und ihrer Pflugstiere und dem Ertrag dieser Tätigkeit zu stehen. Auch versando terram spricht dagegen, hominumque boumque labores auf das Ergebnis der Arbeit von Mensch und Tier zu beziehen, wie es auch eine Deutung von haec als Bezugnahme auf Überschwemmungsschäden als kaum möglich erscheinen läßt. Es nimmt durch das Frequentativum versando die Aufforderung zur unablässigen Bearbeitung des Bodens auf: vgl. v.a. (multum adeo ... iuvat arva ... qui ...) exercet ... frequens tellurem in 99 und unten S. 23f. Und sint ... experti dürfte in unserem Zusammenhang eher auf eine Tätigkeit als auf ein Erleiden

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versando terram experti, nihil improbus anser 120 Strymoniaeque grues et amaris intiba fibris officiunt aut umbra nocet. ... Wie bei Lukrez ist auch bei Vergil von den Anstrengungen die Rede, die dem Menschen in der Auseinandersetzung mit widrigen Naturkräften abverlangt werden. Und wie bei Lukrez ist auch bei Vergil das Erreichte gleich wieder neuen Gefährdungen ausgesetzt. Anders als bei Lukrez besteht bei Vergil die neue Gefahr allerdings nicht aus Hitze, Frost, Regen oder Sturm - z.T. hat er diese Dinge schon berührt, z.T. wird er später noch auf sie zu sprechen kommen -, sondern es sind - passend zu der Stufe eines frischbesäten Feldes, auf dem gerade die ersten Halme sprießen - hungrige Vögel, Unkraut und Schatten werfende Bäume und Sträucher. Dem Unkraut bei Vergil entsprechen aber die Dornenranken, mit denen nach Lucr. 5,206-209 die Natur alles überzieht, wenn der Mensch nicht Widerstand leistet. Gans und Kraniche Vergils scheinen ihr Gegenstück in dem genus horriferum ... ferarum/ humanae genti infestum zu finden, welches die Natur nach Lucr. 5,218220b zu Lande und zu Wasser nährt und wachsen läßt 83 . Die wilden Tiere spielen bei Lukrez auch im Proöm des fünften Buches eine Rolle, allerdings in anderem Zusammenhang. Dort findet sich im Rahmen eines Vergleichs zwischen Epikur und verschiedenen göttlichen oder halbgöttlichen Wohltätern der Menschheit eine Liste der von der Erde hervorgebrachten und von Herakles besiegten Ungeheuer, an die Lukrez die Frage knüpft, welchen Schaden diese Untiere uns zufügen könnten, wenn sie noch lebten, wo wir doch auch die wilden Tiere, die die Erde noch heute in großer Zahl hervorbringe, leicht meiden könnten (Lucr. 5,2242). Als Terminus für "schaden" erscheinen dort neben zweimaligem obesse in 25 und 34 je einmal officere und nocere, ersteres im Zusammenhang mit den Stymphalischen Vögeln in 30, letzteres in einer allgemeinen Zusammenfassung in 38 84 . Daß der Bezeichnung der Gans als improbus in 119 etwas Spielerisches anhaften dürfte, hat Jenkyns kürzlich noch einmal hervorgehoben 85 und dabei auf comix ... improba in 388 verwiesen. In der Tat gebraucht Vergil das Wort mit Bezug auf Tiere sonst nur noch in 3,431

gehen: vgl. v.a. experientia in 4. 83 Vgl. unten S. 25f. 84 Vgl. unten S. 25f. Vgl. auch Lucr. 5,33 mit georg. 3,149. Keine kontrastierende Wirkung ist durch den Rückgriff von 2,140 auf Lucr. 5,29 beabsichtigt. 85

JENKYNS 1 9 9 3 , 2 4 6 f .

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von einer Schlange, die im Frühjahr und Herbst stagna colit ripisque habitons hic piscibus atram/ improbus ingluviem ranisque loquacibus explefi6, Aen. 9,62 von einem Wolf, der von Hunger und Blutdurst getrieben asper et improbus gegen die in der Hürde bei ihren Müttern sicher geborgenen Lämmer wütet, Aen. 10,727f. von einem Löwen, der vom Hunger getrieben umherstreift, eine flüchtige Ziege oder einen jungen Hirsch schlägt und dessen improba ... ora blutverschmiert sind87, und schließlich Aen. 12,250 von einem Adler, der eine Vogelschar vor sich hertreibend plötzlich herabstößt und cycnum excellentem pedibus rapit improbus uncisss. In ähnlicher Weise dürfte auch bei der Bezeichnung der Kraniche als Strymoniae und bei der Personifizierung der amaris intiba fibris etwas Spielerisches mitschwingen. Die Schlußpartie des Abschnitts in den Versen 155-159 ist offensichtlich als Gegenstück zur Eingangspassage gestaltet89: 155

quod nisi et assiduis herbam insectabere rastris et sonitu terrebis avis et ruris opaci falce premes umbras votisque vocaveris imbrem, heu magnum alterius frustra spectabis acervum concussaque famem in silvis solabere quercu.

Auf jeder Stufe kann also alles verloren gehen. Aus nitentia culta können rasch wieder squalida culta werden, wenn der Landmann den Bedrohungen nicht beständig wehrt 90 . Dabei erinnert das vergilische quod nisi natürlich an Lucr. 5,206-209: quod superest arvi, tarnen id natura sua vi sentibus obducat, ni vis humana résistât vitai causa valido consueta bidenti ingemere et terram pressis proscindere aratris.

Sowohl das Frequentativum insectabere wie auch assiduis heben bei Vergil die Notwendigkeit beständiger Abwehrmaßnahmen hervor, was in 99 frequens in Bezug auf das Pflügen tat, auf das bereits das Frequentati-

86

Vgl. CONINGTON zu 119: "'Improbus' ... is applied ... to the unscrupulous rapacity of noxious animals, III 431, A II 356, etc. ..." 87 Vgl. HARRISON zu Aen. 10,727f.: "improbus is used, as often, of the cruelty and greed of predators." 88 Vgl. MAGUINNESS z.St.: "improbus, re-echoed by Tolumnius in 1.261; it conveys the notion of 'barefaced aggression'." 89

Vgl. MYNORS ZU 118-59.

90

V g l . PAGE ZU 153.

24

Die Geórgica Vergils

vum versando in 119 zurückgriff91. Die polysyndetische Reihung der Forderungen unterstreicht ihre Dringlichkeit. Dem entspricht in den unmittelbar vorausgehenden Versen 152b-154 die Hervorhebung der Geschwindigkeit, mit der das Übel sich ausbreitet, durch eine zunächst asyndetische und nach dem Gesetz der wachsenden Glieder geordnete Reihung. Die Gefahr wird dabei durch Ausdrücke wie aspera, infelix und steriles betont92: ... intereunt segetes, subit aspera silva lappaeque tribolique, interque nitentia culta infelix lolium et steriles dominantur avenae.

Auch in den Versen 150-159 hat der Ton allerdings etwas Spielerisches. So greifen dominantur53 und insectabere die militärische Metaphorik aus 94-117 wieder auf. Man vergleiche insbesondere 104f.: quid dicam, iacto qui semine comminus arva/ insequitur ... (die Hacken werden in 94 genannt). Darauf, daß heu in 158 "humorously grave" klinge, hat wiederum Jenkyns hingewiesen94. Es leitet einen Vers ein, der längst als verfremdendes Echo auf eine berühmte Formulierung des Lukrez erkannt ist95. Es handelt sich um die Einleitungsverse zum zweiten Buch von De rerum natura·. suave, mari magno turbantibus aequora ventis e terra magnum alterius spedare laborem.

Dieses Bild ist bei Lukrez allerdings nur ein unvollkommenes Gleichnis für die Situation des epikureischen Weisen, der dank seines Einblicks in das Wesen der Dinge in aller Ruhe auf das Gewimmel der übrigen Menschen herabschaut. Doch auch dieser, so scheint Vergil zu sagen, ist dem Gesetz des labor unterworfen und wird, wenn er sich nicht müht, vergeblich auf den Haufen seines Nachbarn blicken. Vergleichbar ist etwa Horazens augenzwinkernde Darstellung des stoischen Weisen in epist. 1,1,106-108:

91

Vgl. oben Anm. 82. Vgl. zuvor schon mala in 150 und segnis in 151 sowie HEYNE ZU 150: "horreret, cum vi, pro crescerei." (Hervorhebung von mir) 93 Die Ersetzung von nascuntur durch dominantur ist, wie HUXLEY ZU 154 hervorhebt, die einzige Veränderung gegenüber ecl. 5,37. Vgl. auch Carduus in 152 und ecl. 5,39. 92

94

JENKYNS

95

S o v o n CONINGTON u n d SIDGWICK zu 158. HUXLEY z . S t . spricht v o n "a ( s u b c o n -

1993,248.

scious?) echo of the sound, not the sense of Lucret. 2,2".

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25

ad summam: sapiens uno minor est love, dives, liber, honoratus, pulcher, rex denique regum, praecipue sanus, nisi cum pitvita molestasi.

Bei aller Leichtigkeit des Tones bleiben die in 118-12la und 150159 genannten Kräfte jedoch natürlich Bedrohungen. Faßt man allerdings beide Passagen zusammen ins Auge, so fallt auf, daß das lukrezische ni und et tarnen bei Vergil ihre Plätze getauscht haben. Während nämlich bei Lukrez auf den Hinweis, die Verfallstendenzen würden sich durchsetzen, wenn der Mensch sich dem nicht entgegenstemmte (ni, 5,207), die Feststellung folgt, und dennoch (et tarnen, 5,213) würden die Mühen des Menschen immer wieder zunichte gemacht, stellt Vergil den Hinweis auf die ständige Bedrohung des vom Menschen Geschaffenen (nec tarnen, 118) an den Anfang und schließt mit der Feststellung, wenn der Mensch sich nicht beständig einsetze (quod nisi, 155), werde er scheitern. Aus Lukrezens Beweis für die Mangelhaftigkeit der Welt wird bei Vergil eine Mahnung zu rastlosem Einsatz. Die militärische Metaphorik setzt sich in 160-175 fort. So werden die Geräte des Bauern in 160 als arma bezeichnet. Auch der Ausdruck digna ... divini gloria ruris in 168 dürfte so konnotiert sein. Das Beiwort duris, welches die Bauern in 160 erhalten, erinnert wiederum daran, daß sie duris ... in rebus (146) tätig sind96, aber auch daran, daß die Menschen ihrer Herkunft nach ein durum genus (63) sind97: Sie sind den Umständen, in denen sie leben müssen, angepaßt. Der Gedanke der ständigen Bedrohung des Ertrags menschlicher Arbeit und des dadurch immer neu geforderten Einsatzes wird in 176ff. wieder aufgegriffen - inzwischen allerdings auf der Stufe der Ernte: Der Landmann muß nun seinen ingentem farris acervum (185)98 sichern - , zunächst in spielerischem Ton, wenn in 181-186 von den variae ... pestes99 die Rede ist, die durch den brüchig gewordenen Boden des Dreschplatzes dringen und ihr Spiel mit dem landwirtschaftlichen Ertrag treiben: ... saepe exiguus mus sub terris posuitque domos atque horrea fecit, aut oculis capti fodere cubilia talpae, 96

Vgl. unten S. 39. Vgl. oben S. 12-14. 98 Vgl. magnum ... acervum in 158. 99 tum variae inludant pestes 181a könnte ein bewußter Anklang an tum variae venere artes in 145a sein. 97

26 185

Die Geórgica Vergils inventusque cavis bufo et quae plurima terrae monstra ferunt, populatque ingentem farris acervum curculio atque inopi metuens formica senectae.

Auch hier soll man wohl wieder an das genus horriferum ... ferarum, welches die Natur nach Lucr. 5,218-220b zu Lande und auf dem Meer nährt und wachsen läßt, sowie an die Ungeheuer (portento., Lucr. 5,37) denken, die die Erde bei Lucr. 5,22-42 reichlich (ad satiatem, Lucr. 5,39) hervorbringt100. Man vergleiche besonders den horrens Arcadius sus am Ende von Lucr. 5,25 mit dem exiguus mus am Schluß von 181 101 und insgesamt die pestes, die Vergil ab 181 aufzählt, mit der Lernaea ... pestisi hydra bei Lucr. 5,26f. populat in 185 greift dominantur aus 154 auf. Hier ist der Kontrast zwischen dem ingens farris acervus102, der geplündert wird, und den winzigen Plünderern (curculio atque inopi metuens formica senectae, 186) gewiß in der gleichen Weise intendiert wie zuvor der zwischen der area ... ingenti aequanda cylindro und dem exiguus mus103. Dabei tritt die Ameise mit ihrer Sorge um das Alter ebenso wie die winzige Maus mit ihren Kornspeichern (181b-182) in deutliche Konkurrenz zum Menschen. Die überraschende Wirkung von monstra in 185 wird ebenfalls durch Enjambement unterstützt. Der Gedanke der Bedrohung tritt dann in 193-196 104 etwas in den 100

Vgl. oben S. 22. Zum Monosyllabon am Versende vgl. FARRELL 1991, 229 Anm. 49. 102 In 158 war der acervus noch magnus. Vgl. auch unten Anm. 522. 103 Vgl. OKSALA 1978, 27 und JENKYNS 1993, 246f.; zu Vergils Vorliebe für "the 'play of great and small'" vgl. WILKINSON 1969, 127f. 104 187-192 sind mit ZwiERLEiN wohl als ein Zusatz von fremder Hand anzusehen. In 176-186 und 193-203 geht es um dem Landmann abverlangte Vorsorgemaßnahmen gegen mögliche Schäden. In beiden Fällen wird der Anspruch an den Landmann durch manu in 179 bzw. 199 hervorgehoben, welches im abschließenden Vergleich durch bracchia (202) aufgegriffen wird. In beiden Fällen wird auch die Gefahr genannt, der es zu wehren gilt: Im einen sind es die Nagetiere, die einen Weg durch den brüchig gewordenen Boden der Tenne finden und die Ernte schädigen, im anderen ist es die der Natur selbst innewohnende Verfallstendenz, die zur Verschlechterung des Saatguts führt, degenerare in 198 greift auf fallacibus in 195 zurück, koordiniert werden 193-196 und 197-199a durch das vorangestellte semina in 193 und das anaphorische vidi in 193 und 197. Dem vorangestellten semina 193 entspricht dabei das ebenfalls vorgezogene area in 178, dem creta solidando tenaci in 179 das et nitro ...et nigra perfundere amurca in 194. All die genannten Bezüge würden durch 187-192 gestört. Eine Versetzung der Verse hinter 203 kann ebenso wenig befriedigen wie ihre Deutung als Randbemerkung des Dichters für eine zweite Auflage oder die Erklärung der Unebenheit aus "des Dichters Mosaikarbeit" (Deuticke bei LSDJ im Anhang z.St.; vgl. daneben noch RIBBECK 1866, 55). 101

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27

Hintergrund - nur in der Bezeichnung der Schoten als fallaces klingt er in 195 noch durch -, kehrt aber in 197-199a in einem an 155-159 erinnernden Bedingungsgefüge wieder, wenn es, wiederum mit deutlichen Anklängen an Lucr. 5,206-209; 213-217, von den Saatkörnern heißt 105 : labore vidi lecta diu et multo spedata degenerare tarnen, ni vis humana quotannis maxima quaeque manu legeret. ...

Im folgenden weitet sich ähnlich wie in 50ff. und in 121bff. der Blick. So wie das Saatgut verfällt den Versen 199b-203 zufolge alles nach dem Willen des Schicksals und gleitet rückwärts, nicht anders als der Ruderer, der seinen Kahn gegen die Strömung des Flusses kaum voranbringt, zurückgleitet, wenn er zufällig die Arme sinken läßt und ihn dann der Fluß jäh stromabwärts reißt: 200

... sic omnia fatis in peius ruere ac retro sublapsa referri, non aliter quam qui adverso vixflumine lembum remigiis subigit, si bracchia forte remisit atque illum in praeeeps prono rapit alveus amni.

Die Bezugnahme auf das Schicksal entspricht dabei der auf die Satzung der Natur in 60-63a und auf den Willen Jupiters in 121bff. Es wäre auch von daher ein Fehler, wollte man das Bild vom Ruderer am Ende des ersten Teils des ersten Buches und das zwischen 118-121a und 155-159 stehende Mythologem voneinander trennen und letzteres seinerseits nur als Antwort auf die lukrezische Kulturentstehungslehre betrachten. Es ist vielmehr ein Teil der Auseinandersetzung mit der den ganzen ersten Abschnitt des ersten Buches über und noch darüber hinaus im Hintergrund stehenden lukrezischen These von der nachweislich nicht von den Göttern nach den Bedürfnissen der Menschen eingerichteten Welt 106 .

105

Vgl. oben S. 20f. und 23. Zur Bezugnahme von 197-203 auf Lucr. 5,206-217 vgl. FARRELL 1991, 176f. Farrell übersieht allerdings sowohl, daß Lukrez schon vorher hereinspielt, wie auch, daß die Verse 197-203 vor dem Hintergrund von 118ff. gesehen werden müssen. Daher ist seine Aussage, daß Vergil, indem er in 197-203 auf Lucr. 5,206-217 anspiele, in Wesentlichem mit seinem Vorgänger übereinstimme, dahingehend zu modifizieren, daß Vergil den Schwierigkeiten der menschlichen Daseinssicherung einen Platz in einer nichtsdestoweniger von göttlicher Vorsehung eingerichteten Welt zuweist, während Lukrez sie heranzieht, um diese Vorstellung zu widerlegen. 106

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Zu Beginn des Mythologems der Verse 121b-154 werden die Schwierigkeiten, denen sich der Mensch beim Bemühen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, immer wieder gegenüber sieht, nach dem lukrezischen Echo in 118-121a 107 geradezu herausfordernd auf den Willen Jupiters zurückgeführt: Der Vater selbst 108 habe gewollt, daß der Weg der Landbestellung nicht leicht sei. Er habe überhaupt erst die Äcker durch die Begründung der Kunst der Feldbestellung in Bewegung gebracht, indem er den Verstand der Menschen durch Sorge erfordernde Tätigkeiten geschärft und es nicht geduldet habe, daß sein Reich in schwerfälliger Untätigkeit erstarre: ... pater ipse colendi haud facilem esse viam voluit, primusque per artem movit agros, curis acuens mortalia corda nec torpere gravi passus sua regna veterno. Dabei vermag ich die in 123 erwähnten curae nicht als etwas rein von außen Kommendes, also als "lastende Sorgen", zu verstehen. Vielmehr scheint es mir hier auch um eine Beteiligung des Menschen, im Sinne von "sorgenden Tätigkeiten" zu gehen. Dies empfiehlt sich zum einen durch das unmittelbar anschließende Gegenstück nec torpere gravi passus sua regna veterno (dieser Zustand wird in 125-128 beschrieben) wie auch das vorausgehende und zu erläuternde per artem, welches seinerseits colendi/ haud facilem esse viam voluit aufgreift. Die Begriffe cura und cultus wurden ja auch in 3f. miteinander verbunden, wo Vergil versprach, er werde in den Geórgica u.a. darlegen, quae cura boum, qui cultus habendo/ sit pecori. Unmittelbar anschließend war dort von der experientia die Rede, die der Bienenhaltung zugute kommen solle, eine Stelle, auf die wir bereits im Zusammenhang mit sint... experti in 118f. Bezug genommen haben 109 . In 176ff. werden einige dieser sorgenden Tätigkeiten mitgeteilt werden: possum multa tibi veterum praecepta referre, ni refugis tenuisque piget cognoscere curas. Man vergleiche auch die pectora, die nach Manil. 1,82, als die artes entstanden, seducía in varias certarunt... curas.

107

Vgl. oben S. 20-22.

ios

Vgi

109

Vgl. oben Anm. 82.

P a g e und

mynors zu 121.

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per artem am Ende von 122 hat Farrell wohl zu Recht als einen Nachklang des Epikurlobs aus den Versen 8-12 des Proöms zum fünften Buch von Lukrezens De rerum natura verstanden 110 :

io

dicendum est, deus ille fuit, deus, inclute Memmi, qui princeps vitae rationem invertit earn quae nunc appellatur sapientia, quique per artem fluctibus e tantis vitam tantisque tenebris in tarn tranquillo et tarn clara luce locavit.

Wir haben oben bereits den Ton des pater ipse in 121b als "nach dem lukrezischen Echo in 118-12la geradezu herausfordernd" gekennzeichnet. per artem in 122 klingt nun vor dem Hintergrund der angeführten Lukrezstelle nicht weniger provozierend, wird unmittelbar darauf Epikur doch von Lukrez im Vergleich mit den Göttern des Mythos als der wahre Gott herausgestrichen, da seine geschichtlichen Leistungen deren angebliche Gaben bei weitem übertreffen:

15

20

confer enim divina aliorum antiqua reperta. namque Ceres fertur fruges Liberque liquoris vitigeni laticem mortalibus instituisse; cum tarnen his posset sine rebus vita manere, ut fama est aliquas etiam nunc vivere gentis. at bene non poterai sine puro pectore vivi; quo magis hic merito nobis deus esse videtur, ex quo nunc etiam per magnas didita gentis dulcía permulcent ánimos solada vitae.

D e m hat Farrell wieder zu Recht georg. stellt 1 1 1 :

1,147-149

gegenüberge-

prima Ceres ferro mortalis vertere terram instituit, cum iam glandes atque arbuta sacrae deficerent silvae et victum Dodona negaret.

110 FARRELL 1991, 180f. Man wird hinsichtlich der grundsätzlichen Deutung des per artem daher eher PAGE als MYNORS zu 122 folgen. Vgl. auch Manil. l,51f. über die Begründer der Astronomie: hi tantum movere decus primique per artem/ sideribus videre vagis pendentia fata, sowie ebd. 3,27. 111 FARRELL 1991, 181f. Die Beziehung schon gesehen von LSDJ zu 147f. Vgl. auch

OKSALA 1 9 7 8 , 7 5 .

30

Die Geórgica

Vergils

Bei dem Ausdruck colendi/... viam in 12If. dürfte im Hintergrund das Bild der beiden Wege bei Hes. Op. 286-292 stehen, von denen der zur κακότης führende glatt sei und in der Nähe liege112: 290

της δ' αρετής Ιδρώτα θΐοί προπάροιθεν ίθηκαν αθάνατοι- μακρός ôè και όρθιος οιμος ές αυτήν και τρηχυς το πρώτον ίπήν δ' etç άκρον ϊκηται, ρηιδίη δή ϊπΐιτα πé\ei, χαλεπή πep έοϋσα.

Weil der andere Weg ins Verderben führe, fordert Hesiod seinen Bruder dazu auf, zu arbeiten, damit der Hunger ihn hasse, Demeter ihn jedoch liebe und seine Scheuer mit dem zum Leben Nötigen fülle (Op. 298301) 113 . Auf die letztgenannte Stelle griff Vergil bereits in 95bf. zurück, wo es hieß, daß Ceres auf den, der die genannten Arbeiten verrichte, nicht vergeblich blicke 114 . Im vorliegenden Zusammenhang scheinen nun noch zwei weitere Stellen bei Hesiod von Interesse. An der ersten, Op. 11-26, korrigiert Hesiod eine Aussage, die er Th. 225 getroffen hat. Dort sprach er von nur einer Eris als Tochter der Nacht. Nun unterscheidet er zwei. Die eine dürfte einer, so heißt es, wenn er nur nachdenke, loben. Sie habe Zeus tief in der Erde verankert, sie sei die bessere für die Menschen, da sie auch den Untätigen zur Arbeit treibe. Der nämlich erblickt einen Wohlhabenden, der eifrig pflügt und pflanzt und sein Haus gut bestellt, und schon strebt der Nachbar dem eifrig um Wohlstand bemühten Nachbarn nach. Der Blick auf den Nachbarn findet sich noch einmal Op. 477f., wo es heißt, nur wenn Perses die Anweisungen seines Bruders befolge und dazu noch der Segen der Götter komme, werde er reiche Vorräte sammeln können und sich nicht nach anderen umblicken müssen (vgl. auch 388-400). γαίης ev ρίζησι in Op. 19 deutet West wohl zu Recht folgendermaßen: "The idea seems to be that she (sc. die gute Eris) is firmly embedded in the earth we live on, fundamental to our Sicura; perhaps also that she, like Demeter and Zeus Chthonios, must be honoured if we are to enjoy the earth's produce." 115 Bei der zweiten für uns im vorliegenden Zusammenhang interessanten Stelle handelt es sich um Op. 4246:

112 113 114 115

Vgl. auch 41, wo Vergil die Bauern als ignaros ... viae bezeichnete. Auf diese Stelle verweisen LSDJ zu 155. Vgl. oben Anm. 74. WEST z u H e s . O p . 19.

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45

31

κρύψαντβς yàp ϊχουσι θεοί βίον άνθρώποισιν. ρηιδίως yàp κεν και tir' ήματι εpyáaaaio, ώστε σε κε'ις ένιαυτόν εχειν κάί àepyov ιόντααϊφά κε πηδάλιον μεν hireρ καπνού καταθεΐο, ëpya βοών δ' άπόλοιτο και ήμιόνων ταλαεργών.

Mögen sich hier allerdings auch Ansätze für Vergils eigene Überlegungen finden, so ist doch von nahezu noch größerer Bedeutung, was ihn von Hesiod unterscheidet. Der Grund nämlich, aus dem Zeus bei Hesiod das Feuer vor den Menschen verbirgt und Pandora zu ihnen sendet, ist sein Zorn über den Opferbetrug bzw. den Feuerdiebstahl des Prometheus (χολωσάμβνος in Op. 47 und 53) 116 . Bei Vergil macht Jupiter den Menschen das Leben schwer, um in ihnen schlummernde Fähigkeiten zu wecken, eine Vorstellung, die Wilkinson zu Recht mit kynisch-stoischem Denken in Beziehung gebracht hat 117 . In der Tat lehrte Chrysipp, daß nicht nur die auf den ersten Blick nützlichen Tiere wie Pferde und Hunde um der Menschen willen geschaffen worden seien, sondern auch die Tiere, die auf den ersten Blick eine Belastung für den Menschen darstellten, wie Leoparden, Bären und Löwen 118 . Sie hätten die Götter als ανδρείας -γυμνάσια geschaffen. An anderer Stelle heißt es, die wilden Lebewesen seien geschaffen -γυμνασίου ενεκα ... τφ Χογικω £ωω119. Aber auch kleinere "Raubtiere" sind nach Chrysipp "a blessing in disguise", selbst die Wanzen, die uns zu unserem Nutzen aus dem Schlaf aufscheuchen, oder die Mäuse, die uns dazu anhalten, die Dinge nicht sorglos aufzubewahren120. Man denke hier an den exiguus mus aus 181. In seiner Verteidigung der göttlichen Vorsehung wird Seneca später Gott als parens ... magnifiais, virtutum non lenis exactor bezeichnen, der, wie strenge Väter es täten, seine Kinder hart erziehe 121 . Er lasse sie sich mühen, schwitzen, auf steilem Wege sich emporarbeiten. Er prüfe sie, härte sie ab, entwickle sie auf sich hin 122 . Der Gute empfinde die Widrigkeiten zwar, aber er besiege sie 123 . Ohne einen Gegner

116

V g l . OKSALA 1 9 7 8 , 1 1 - 1 2 ; 7 8 .

117

WILKINSON 1 9 6 9 , 1 4 0 .

118

SVF 2,1152; vgl. auch ebd. 1173. SVF 2,1173. 120 SVF 2,1163. 121 Sen. Dial. 1,1,5. Vgl. auch ebd. l,2,5f. 1,2,5 heißt es u.a., Väter duldeten (vgl. passus in georg. 1,124) auch an Feiertagen nicht, daß ihre Söhne müßig seien: vgl. georg. 1,268-275 (unten S. 47f.). 122 Sen. Dial. 1,1,6. Vgl. ebd. 1,4,7. 123 Sen. Dial. 1,2,2. 119

32

Die Geórgica Vergils

erschlaffe die Tatkraft 124 . Was in Trägheit gemästet werde, erschlaffe und versage nicht bloß angesichts einer Mühe, sondern bereits angesichts einer Bewegung und der eigenen Last 125 . Epiktet wird die Vorsehung u.a. mit dem Hinweis verteidigen, daß es einen Herakles ohne die Ungeheuer, mit denen er zu kämpfen hatte, bestimmt nicht gegeben hätte. Vielmehr hätte er wohl in Üppigkeit und Faulheit sein Leben verschlafen. Die wilden Tiere aber hätten ihm die Gelegenheit gegeben, sich zu üben und als Herakles zu erweisen 126 . Diese Überlegungen sollten weiterwirken 127 und später in ihren Grundzügen auch in die Lehre des Christentums Eingang finden 128 . Insofern kann ich den ersten Einwand, den Jenkyns gegen die Bezeichnung des vorliegenden Mythologems als "Virgil's Theodicy" 129 erhebt, nicht ganz nachvollziehen, wohingegen mir sein zweiter schon eher einzuleuchten vermag: "It is misleading to call the passage 'Virgil's Theodicy', not only because this implies a Christian concern to justify the ways of God to men which Virgil does not have, but also because the divine motivation plays only a small part in the passage, which is centred upon the consequences for humanity." 1 3 0 In der Tat geht es zunächst darum, den Ursprung menschlicher Mühsal aufzuzeigen. Indem diese aber als sinnvoll einem göttlichen Weltplan eingeordnet wird, wird eben nicht nur ihr Ursprung aufgezeigt, sondern zugleich auch dieser göttliche Weltplan gerechtfertigt. In 125-128 schildert Vergil den Zustand (man beachte die Imperfekte), der vor Jupiter herrschte: 125

ante lovem nulli subigebant arva coloni: ne signare quidem aut partiri limite campum fas erat; in medium quaerebant, ipsaque tellus omnia liberius nullo poscente ferebat.

Nach 121b-124 muß in subigebant in 125 vor allem der Gedanke der in der Zeit nach Jupiter dem Menschen abverlangten Anstrengung lie-

124

Sen. Dial. 1,2,4. Sen. Dial. 1,2,6. 126 Epict. 1 , 6 , 3 2 - 3 6 . 127 Zu Plotin vgl. POHLENZ 1947, 393. 128 Vgl. POHLENZ 1947, 430; 4 4 0 f . (Minucius Felix); 443 (Laktanz); 4 4 5 (Ambrosius); 4 5 6 (Augustin). 129 So der Titel v o n WILKINSON 1963. 130 JENKYNS 1993, 2 4 3 A n m . 1. 125

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gen 131 . 126-127a machen deutlich, daß es vor Jupiter auch den anspornenden Blick auf den Nachbarn nicht gab. In 129-132 werden die Maßnahmen beschrieben, durch die Jupiter den vor ihm herrschenden Zustand beendete und die Menschen zum Handeln veranlaßte. Dabei greift das einleitende ille sehr nachdrücklich auf das in 125 ebenfalls betont am Anfang stehende ante Iovem zurück, welches seinerseits ja schon das in 121b selbst vorangestellte pater ipse aufnahm. Nachdrücklich wird so hervorgehoben, daß Jupiter es war, der die genannten Veränderungen herbeiführte. Und diese Veränderungen, die sich in von Jupiter geschaffene Bedrohungen und von ihm im Vergleich zur Zeit zuvor herbeigeführte Mangelerscheinungen unterscheiden lassen, werden wohl bewußt in besonders starken Ausdrücken bezeichnet: 130

ille malum virus serpentibus addidit atris [praedarique lupos iussitpontumque moveri]lil mellaque decussit foliis ignemque removit et passim rivis currentia vina repressit.

Das Problem wird hier deutlich über das der gefräßigen Gans, der Kraniche vom Strymon und des Unkrauts sowie des Wildwuchses aus 118-12la

131

subigere ist nach POWELL ZU Cie. Cato 51 (S. 210) "the normal agricultural term for making the ground suitable for cultivation". Vgl. auch CONINGTON ZU georg. 2,50, SUMMERS ZU Sen. epist. 79,6 und OLD 1841 s.v. 7b. Es scheint daher fraglich, ob hier wirklich ein Beispiel für "the ... use of military language ... to define the relationship between agrarian man and his task" (THOMAS ZU 99) vorliegt. 132 Der Vers 130 scheint bedenklich, bringt er doch ein sekundäres Moment in die Darstellung der von Jupiter bewirkten Veränderungen; denn das Aufwogen des Meeres kann für den Menschen erst nach oder höchstens im Zusammenhang mit der Entwicklung der Seefahrt von Bedeutung sein, es kann aber selbst nicht Auslöser dieser Entwicklung sein. Es würde daher eher in den Zusammenhang von 147ff. passen, wo Vergil berichtet, wie nach dem Aufkommen des Ackerbaus dann auch dieser selbst noch erschwert worden sei (vgl. unten S. 36). Für die Echtheit des Verses spricht auf den ersten Blick, daß das durch ihn zusammen mit Vers 129 gebildete Trikolon ein Gegengewicht zu demjenigen in den Versen 131f. darzustellen scheint: vgl. ALTEVOGT 1952, 8f. Während allerdings die in den Versen 131f. beschriebenen Maßnahmen in der Tat durch die Vorstellung des Wegnehmens deutlich untereinander verbunden sind, bildet der Vers 130 zusammen mit Vers 129 keine solche Einheit, obwohl der Vers 129 für sich genommen mit seinem Hinweis auf die Ausstattung der Schlangen mit Gift erkennbar als Gegenstück zu 13 lf. gestaltet ist. Neben den Prädikaten addidit in 129 und decussit, removit und repressit in 131f., die alle das energische Eingreifen Jupiters hervorheben, auf dessen Verantwortlichkeit für die Veränderungen gegenüber dem früheren Zustand ja auch durch das jeweils am Anfang der Aussage stehende pater ipse in 121b, ante Iovem in 125 und ille in 129 nachdrücklich der Ton gelegt wird, wirkt iussit in 130 schwach. Es spricht daher vieles dafür, den Vers nach dem Vorgang ZWIERLEINS zu tilgen.

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Die Geórgica Vergile

hinausgetrieben 133 . Zugleich werden allerdings durch den Hinweis auf den von den Blättern tropfenden Honig und die Ströme von Wein der Zeit vor Jupiter Züge eines Schlaraffenlandes verliehen. In die Beseitigung dieser beiden Züge eingebettet ist das Verbergen des Feuers, welches Vergil aus Hesiod übernimmt 134 . Die Absicht Jupiters jedoch, so wird noch einmal nachdrücklich hervorgehoben, war, daß der Umgang des Menschen mit den Dingen in Verbindung mit seiner Erfindungsgabe allmählich die verschiedenen artes hervorbringe: Er flößte ja den grauenhaften Schlangen schlimmes Gift ein, schüttelte den Honig von den Blättern, verbarg das Feuer und drängte den überall in Bächen strömenden Wein zurück,

135

133

ut varias usus meditando extunderet artis [paulatim, et sulcis frumenti quaereret herbam, ut silicis venis abstrusum excuderet ignem]135.

Vgl. oben S. 21-23. Vgl. oben S. 31. 135 Auch die Verse 134f. wollen sich dem Zusammenhang nicht recht fügen. Zum einen wird durch sie die Wirkung der in 136ff. folgenden Liste der nun wirklich hervorkommenden artes beeinträchtigt, die doch, wie v.a. der wiederholte emphatische Rückgriff auf das zu Beginn stehende tunc zeigt, auf Wirkung berechnet ist, ja sie erschweren das Verständnis dieser Liste, indem sie mit dem durch Enjambement betonten und auf Lucr. 5,1453f. zurückgreifenden paulatim den Gedanken einer zumindest zeitlichen Abfolge in der Entwicklung der artes ins Spiel bringen (vgl. unten S. 35), der sich aber in 136ff. schwer festmachen läßt (144 ist wohl ebenfalls zu athetieren). Vielmehr verweist der wiederholte Rückgriff auf das einleitende tunc auf ein im großen und ganzen zeitgleiches Entstehen der artes. So dürfte auch das abschließende tum variae venere artes in 145a zu verstehen sein, welches die in 136 beginnende Liste zusammenfaßt und offensichtlich auf ut varias usus meditando extunderet artis aus 133 zurückgreift: Die Absicht Jupiters ist in Erfüllung gegangen (vgl. auch Tib. 2,1,43-46). Die Erweiterung der Zielvorgabe in 134f. will dazu nicht recht passen, zumal der zweite Bestandteil der Erweiterung auch noch durch ein betontes ut eingeführt wird (die Übernahme des von A gebotenen et ließe das Ganze noch schwächer erscheinen). Der Vers 135 erscheint im übrigen wie ein Abklatsch zu 133, einem Vers, dem er bis auf die Ersetzung der Doppelkürze im dritten Metrum durch eine Länge metrisch völlig entspricht. Neben der Wiederholung des ut aus 133 kommt dann noch der Anklang excuderet/ extunderet hinzu. Mutet es nicht auch ein wenig kleinlich an, wenn, nachdem in 131b von der Entfernung des Feuers die Rede war, nun als Absicht nachgetragen wird, daß der Mensch das verborgene Feuer aus den Adern des Kiesels schlagen sollte - und das auch noch mit solchem Nachdruck? Dann sähe man doch ganz gerne noch einen Hinweis, daß die Ausstattung der Schlangen mit Gift zur Erfindung von Abwehrmitteln gegen diese Bedrohung führen sollte! Auch die Wiederaufnahme von ignem aus 131 in 135 scheint nicht allzu einfallsreich, zumal wenn man Aen. 1,174 vergleicht, wo als direktes Objekt zu silici ... excudit das anschaulichere scintillant gewählt ist. Die Erwähnung der Einführung des Ackerbaus wird für 147-149 aufgespart, 134

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Dies greift auf das in 121b-124 über die Begründung der methodischen Feldbestellung durch Jupiter Gesagte zurück, der den Verstand der Menschen durch sorgende Tätigkeiten schärfen und nicht zulassen wollte, daß sein Reich in träger Untätigkeit verdumpfe. Deutlich steht bei der Beschreibung des Vorgangs der Entstehung der artes der Schluß der Kulturentstehungslehre des Lukrez im Hintergrund (Lucr. 5,1448-1457): navigia136 atque agri culturas, moenia leges arma vías vestes et cetera de genere horum, 1450 proemia, delicias quoque vitae funditus omnis, carmina picturas et daedala signa polita, usus et impigrae simul experientia mentis paulatim docuit pedetemptim progredientis. sic unumquicquid paulatim protrahit aetas 1455 in medium ratioque in luminis erigit oras: namque alid ex alio clarescere corde videbant, artibus ad summum donee venere cacumen.

Das usus meditando Vergils entspricht dem usus et impigrae simul experientia mentis bei Lukrez 137 . Vergils artes scheinen allerdings ausschließlich der Sicherung des menschlichen Überlebens zu dienen 138 . Hervorgehoben wird, daß ihre Hervorbringung eigene Anstrengung kostet. Dies liegt v.a. in extunderet, welches das lukrezische docuit ersetzt und im Thesaurus zu Recht mit "fere i.q. (cum labore) efficere"m umschrieben wird. Zugleich erinnert der Begriff angesichts seiner Verbindung mit der Schmiedekunst selbst an ein Handwerk140. Insbesondere aber wird die Entwicklung der artes im Unterschied zu Lukrez auf göttliches Eingreifen zurückgeführt und geschieht mit göttlicher Hilfe. Die Vielfalt der artes wird von Vergil von 136 an durch die Kette tunc ... tum ... tum ... atque alius ... alius ... tum ... betont, bis es dann in 145a mit einem deutlichen Anklang an 133 zusammenfassend heißt:

um so wieder zum Ausgangspunkt des Mythologems zurückzuführen. Bereits RIBBECK 1866, 50 hat die Athetese von Vers 135 vorgeschlagen und Bedenken hinsichtlich des vorangehenden Verses geäußert. ZWIERLEIN folgend wird man wohl in der Tat beide zu tilgen haben. 136 Das Aufkommen der Seefahrt wird von Vergil in 136-138 geschildert. Zur Aufsparung der Erwähnung des Ackerbaus vgl. oben Anm. 135. 137 Zur Bedeutung vgl. MANUWALD 1 9 8 0 , 27f. Vgl. auch georg. 2,22, wo usus mit via verbunden wird (unten S. 120). 138

Zu artibus in Lucr. 5,1457 vgl. BAILEY z.St.

139

TLL 5,2,2091,65 (Hervorhebung von mir). Vgl. TLL 5,2,2092,7f.

140

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tum variae venere artes. Diese Aufzählung verdeutlicht, daß Jupiter in der Tat seine Absicht erreicht hat, die Menschen zur Hervorbringung der artes zu bewegen. Dabei weitet sich nun allerdings der Blick zu einer ganzen Reihe der Sicherung des Lebensunterhalts dienender artes. Gleichzeitig tritt der Gedanke des Mangels und der der Bedrohung weiter in den Hintergrund, und in den Vordergrund rückt die Vorstellung von dem sich durch Anstrengung und Einfallsreichtum die Natur dienstbar machenden Menschen. Zuletzt scheinen die artes fast von selbst hervorzukommen. In diesem Zusammenhang kann das den Rest von 145 füllende labor omnia vicit nicht anders verstanden werden denn als ein Hinweis auf den Erfolg menschlicher Arbeit, welche die genannten artes hervorbrachte 141 . labor liegt damit auf der Linie von labores in 118 und labore in 197 142 . Doch auch labor in 79 dürfte nicht ein reines Leiden des Bodens unter der Belastung durch auszehrende Pflanzen bezeichnen, sondern vielmehr die Anstrengung, die er aufwenden muß, um diese hervorzubringen 143 . Ahnlich dürfte es sich auch in 150 verhalten. Nachdem Vergil in 147-149 mit der Bemerkung, Ceres habe zuerst die Sterblichen gelehrt, die Erde mit dem eisernen Pflug zu wenden, als den heiligen Wäldern schon die Eicheln und die Früchte des Erdbeerbaumes ausgegangen seien und der Hain von Dodona die Nahrung verweigert habe, auf das Gebiet des Ackerbaus zurückgeführt hat, fährt er in 150152a fort: 150

mox et frumentis labor additus, ut mala culmos

esset robigo segnisque horreret in arvis Carduus;

....

Dies dürfte bedeuten, daß auch dem Getreide Schwierigkeiten bei der Hervorbringung seiner Frucht zugemutet wurden 144 , ähnlich wie den heiligen Wäldern und dem Hain von Dodona (dies scheint die Bedeutung des etiA5 zu sein). Ebenso wie der Boden in 79-81 bedarf hier das Getreide der Unterstützung durch den Menschen. Damit erfüllt sich der Wille Jupiters aus 121f. colendi/ haudfacilem esse viam.

141

Vgl. auch WILKINSON 1969, 141 und MILES 1980, 81f. So bezeichnet venere bei Lucr. 5,1457 (vgl. Ικ-ηται in Hes. Op. 291) den Aufstieg des Menschen. 142 Vgl. oben S. 21f. und S. 27. 143 Vgl. oben S. 15. 144 Gegen P A G E zu 1 5 0 vgl. HUXLEY zu 1 5 0 - 1 . Zur Konstruktion vgl. Liv. 5 , 5 0 , 7 : matronis gratiae actae honosque additus, ut earum sicut virorum post mortem sollemnis laudatio esset. 145 So richtig P A G E zu 150. Verfehlt RICHTER zu 147ff.

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Das Prädikat des labor omnia vicit fügt sich gut der in den vorangehenden Abschnitten aufgezeigten militärischen Metaphorik, die sich, wie wir bereits gesehen haben, in den folgenden Abschnitten fortsetzt. Auch vor dem Hintergrund des omnia vincit Amor: et nos cedamus

Amorì

aus ecl. 10,69 dürfte man es kaum anders verstehen können, als wir es soeben getan haben146. Manilius zumindest scheint es so aufgefaßt zu haben, als er schrieb (1,95): omnia cenando docilis sollertia

vicit.147

Ahnliches gilt später für Valerius Flaccus, der Idmon den Argonauten prophezeien läßt (l,235bf.): 235

... praeduri plena laboris cerno equidem, patiens sed quae ratis omnia vincet.

Vergleichbar ist auch Sali. Catil. 7,4f., wo von der römischen iuventus nach der Vertreibung der Könige die Rede ist, die, sobald sie kriegstauglich war, in castris per laborem usum militiae discebat, magisque in decoris armis et militaribus equis quam in scortis atque conviviis

146 Vgl. die spielerischen Umkehrungen bei Tib. 1,5,60 (... donis vincitur omnis amor, mit PUTNAM ζ.St.) und Ov. rem. 462 (successore novo vincitur omnis amor, mit LÜCKE z.St.). Auch in Tib. 1,4,40 (... obsequio plurima vincet amor) sieht MURGATROYD ζ.St. "a roguish adaptation of Virg. Ecl. 10.69", wobei plurima an dieser Stelle allerdings auch als innerer Akkusativ gedeutet werden könnte. Eindeutig jedoch Tib. 2,3,14: quidquid erat medicae vicerat artis amor. Mit Blick auf die letztgenannte Stelle vgl. auch medicina in ecl. 10,60. GAISSER 1977, 136 Anm. 10 meint, die Ähnlichkeit zwischen Tib. 2,3,14 und ecl. 10,60 könne Zufall sein, und hebt unter Hinweis auf Prop. 1,1,25f.; 1,5,28; 2,l,57f. die Geläufigkeit des Gedankens hervor (Prop. l,2,7f. gehören in einen anderen Zusammenhang). Im Blick auf Apoll den Gedanken ins Spiel zu bringen, daß gegen die Liebe kein Kraut gewachsen ist, lag natürlich nahe, medicina in ecl. 10,60 mag dann jedoch den Rückgriff auf das vergilische omnia vincit Amor aus ecl. 10,69 befördert haben. GAISSER 1977, 133 verweist in Anlehnung an die Kommentare noch auf die Entsprechung von Tib. 2,3,11 und ecl. 10,18. Diese akzeptiert selbst MURGATROYD in der Einleitung zu seinem Kommentar zu Tib. 2,3. 147 Wenn sich Manilius hier in der Tat "deutlich gegen das vergilische labor omnia vicit/ improbus wendet", wie EFFE 1971, 398 meint, dann hat er zumindest omnia vicit im traditionellen Sinne verstanden. Der Sinn von labor in Mani). 1,80, das nach EFFE 1971 auf Vergil zurückgreift, wiederum scheint mir von GOOLD in seiner Übersetzung durch "struggle for survival" treffend erfaßt zu sein. MYNORS ZU 145-6 führt Manil. l,79f. jedenfalls neben Colum. 10,337-341 als frühes Zeugnis für die traditionelle - und von ihm mit Altevogt für verfehlt gehaltene - Interpretation des vergilischen labor omnia vicit/ improbus an.

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lubidinem habebant. igitur talibus viris non labor insolitus, non locus ullus asper aut arduos erat, non armatus hostis formidulosus: virtus omnia domueratl4S. Die treibende Kraft war dabei das Streben nach gloria: laudis avidi, pecuniae liberales erant; gloriam ingentem, divitias honestas volebant (7,6; vgl. auch 7,3). Ist es an unserer Stelle wie auch bei Hesiod die Not, die zum labor treibt, so ist doch in 168 auch von der divini gloría ruris die Rede, die der Landmann anstrebt. Es ist bezeichnend, daß es von Herakles, dem kynisch-stoischen Helden der Arbeit 149 , gerne heißt, er habe alles überwunden. Man vergleiche etwa den folgenden Dialog zwischen Philoktet und dem Chor im Seneca zugeschriebenen Hercules Oetaeus (1610ff.): 1610 Phil.: ... esse iamflammasnihil ostendit ille. quid sub hoc mundo Hercules immune vinci liquit? en domita omnia. Cho.: inter vapores quis fuit forti locus? Phil.: quod unum in orbe vicerat nondum malum, 1615 et fiamma vieta est; haec quoque accessit feris: inter labores ignis Hercúleos abit. Bei Silius Italicus wendet sich die Virtus in einer Neuauflage des Prodikosschen Mythos vom Scheideweg an den jungen Scipio mit der Frage (15,78f.): ... referam quid cuncta domantem Amphitryoniaden? ... Über sich selbst sagt sie dann in Anlehnung an Hesiod: 101 casta mihi domus et celso stani colle penates; ardua saxoso perducit semita clivo, asper principio ... prosequitur labor, annitendum intrare volenti, 106 ... mox celsus ab alto infra te cernes hominum genus ...150 omnia vicit an unserer Stelle bedeutet allerdings nicht, daß der menschliche labor ein für alle Mal alle Bedrohungen und Mängel abgestellt hätte. Vielmehr legt der Zusammenhang es nahe, die Aussage nur

148

Vgl. auch 2,7: quae homines arant navigant aedificant, virtuti omnia

149

V g l . HAUCK 1 9 5 0 , 5 8 7 .

parent.

150 Vgl. auch noch 7,578f. über Quintus Fabius Maximus: ... omnia namque/dura devicta viro ...

simul

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als auf den geschichtlichen Vorgang der Hervorbringung der genannten artes bezogen zu verstehen151. Dem omnia vicit wird zudem sogleich alles Triumphalische durch das in nachdrücklichem Enjambement zu Beginn des nächsten Verses stehende improbus genommen, welches über omnia vicit hinweg an labor anknüpft und diesem damit Gewicht verleiht und es zugleich charakterisiert. Diesem labor.../ improbus verbindet sich dann auch noch das schwer den Rest von 146 füllende et duris urgens in rebus egestas. Am Ende liegt das Gewicht auf labor ... improbus et duris urgens in rebus egestas: Sie waren es, die alle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Hervorbringung der genannten artes überwanden. Diesem Gedanken entspricht das oben zitierte hesiodeische της δ' αρετής Ιδρωτα θ eoi προτάροιθβν εθηκαν/ αθάνατοι (Ορ. 289f.) oder der zusammen mit diesem Xen. Mem. 2,1,20 zitierte Vers Epicharms: των πόνων πωλούσιν ήμίν πάντα τά-γάθ' οί θεοί152 (Epich. 287 Kaibel). Etwas mehr Zuversicht scheint in Men. Mon. 221 mitzuschwingen: εκ των πόνων Toi Tayád' αϋξβται βροτοίς153. Außergewöhnlich zuversichtlich klingt Archil. 17 West: πάντα πόνος τεύχει θνητοις μελέτη re βροτείη154. Zu unserer Deutung passen auch gut die zahlreichen Stellen, an denen die schöpferische Kraft des Mangels hervorgehoben wird. Von Anaximenes von Lampsakos ist die Aussage überliefert: ή yàp πενία και προς τάς τεχνας δεινοτερους και προς τον βίον τεχνικωτερους τους άνθρώπους καθίστησι (FGrHist 72 F 36). In einem vielzitierten Euripidesfragment wiederum heißt es: πενία be σοφίαν éXaxe (frg. 641,3 Ν 2 ). Und bei Aristoph. Pl. 532-534 zwingt die Armut den Handwerker danach zu suchen, woher er seinen Lebensunterhalt gewinnen kann, επαναyKáζουσα an der zuletzt genannten Stelle dürfte unserem urgens entsprechen 155 . Auch Horaz sagt von sich: paupertas impulit audaxj ut ver151

V g l . JENKYNS 1 9 9 3 , 2 4 4 .

152

Beide Stellen werden in Übersetzung bei Prise, rhet. 2,10 p. 553,21-24 angeführt. Die Hesiodstelle findet sich auch Plat. Lg. 718e/719a, Epicharm wiederum kommt dem gemeinplatzartigen nil sine magno/ vita labore dedit mortalibus bei Hör. sat. 1,9,59f. am nächsten. Vgl. auch Pind. O. 10,22f., P. 12,28f. und Com. Sev. carm. frg. 2,2 Blänsdorf ( z u s a m m e n mit DAHLMANN 1975, 13-18). 153 Wieder etwas zurückhaltender: Men. Mon. 252 und 463. Vgl. auch Men. et Phil, comp. l,238f. 154 Die Zuweisung des Verses an Archilochos ist allerdings vielfach angezweifelt worden:

v g l . z . B . PFEIFFER 1 9 2 9 , 142 ( = 1960, 4 5 ) A n m . 4. 155

Das OLD 2106f. s.v. urgeo ordnet unsere Stelle unter 4 ein: "(of painful or distressing conditions) To bear hard on, be oppressive to (often ellipt. or absol.)". Vgl. aber auch ebd. 10b: "To press or urge (to a course of action)(of impulses, fate, circumstances, etc.)". Dort wird u.a. auf georg. 4,177 verwiesen.

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sus face rem (epist. 2,2,5 If.). Und Publil. sent. H 8 findet sich die Sentenz: hominem experi ri multa paupertas iubet156. Bereits Wagner verweist auf [Theoc.j 21, Iff. 1 5 7 : 'a irevía, αντα

159

τω μόχθοιο

άνδράσιν καν òXiyov 5

Δ ι ά φ α ν τ ε , μόνα

άίφνίδιον

τάς τέχνας

διδάσκαλος,

tpyarívaiai

κακαί

νυκτός

τις ί-κφρίσσησ

θορυββϋντι

ίφιστάμΐναι

ούδϊ yàp

τταρέχοντι

èyeipeι158· evöuv μίριμναι-

ι, τον ύπνο ν μΐλεδώναι.

Hier begegnet ebenfalls die Wirkungskette egestas-labor-artes. Um eine gedankliche Anbindung von 145bf. an das Vorangehende hat sich im übrigen auch Altevogt bemüht. Zwar meinte er, daß, während duris urgens in rebus egestas die in 131f. genannten Mangelerscheinungen auf einen Begriff bringe, dies für die in 129f. 160 genannten Bedrohungen labor .../ improbus tue, und verstand diesen, den er in dem Aen. 6,276f. zusammen mit der turpis Egestas am Eingang zur Unterwelt hockenden Labos wiederzuerkennen glaubte, daher als "die Unheilsgewalt, die sich überall dort auswirkt, wo man unter Plagen und Gefahrdungen zu leiden hat, wie Giftschlangen, Raubtiere und stürmisches Meer sie verursachen", als Bezeichnung für die "Leidenszustände", die mit diesen Erscheinungen verbunden gewesen seien 161 . Allerdings bedeuten dann seiner Ansicht nach 145bf., daß diese Bedrohungen und Mangelerscheinungen "den gottgewollten Zweck ihres Wirkens, die Menschen zur Tätigkeit zu zwingen, vollständig durchsetzten" 162 . Dabei sieht er in omnia vicit einen Gräzismus, eine lateinische Entsprechung etwa zu τά

156 Eine Sammlung von Stellen, an denen nécessitas auftritt, bei GATZ 1967 Reg. 2 Β IIb 4a. 157

158

(àvâyiçq)

als Kulturschaffende Kraft

B e i HEYNE ZU 1 4 5 .

Vgl. Hes. Op. 20 und Arat. 6. 159 Zur Bedeutung von μόχθοιο vgl. G o w z.St.: "μόχθοιο: labour rather than hardship, as e . g . , 16.60, Arat. 761." 160 Zur Zweifelhaftigkeit von Vers 130 vgl. oben Anm. 132. 161 ALTEVOGT 1952, 9. Ebd. 10 wird labor verstanden als "das Wesen, das um den Ruhezustand zu stören, Unerwünschtes, Widriges auftreten läßt" bzw. als "das Prinzip des Unfriedens und der Unmuße". Ebd. 11 wird labor mit "Friedlosigkeit" wiedergegeben. 162 ALTEVOGT 1952, 10. Wie unbefriedigend Altevogts Versuch ist, eine gedankliche Verbindung zwischen 145a und einem in seinem Sinne verstandenen 145bf. herzustellen, zeigt unbewußt BLUSCH 1970, 108-111, der Altevogts Argumentation zustimmend referiert, dann aber eine Andeutung von ALTEVOGT 1952, 9 aufgreifend 133-145 als bewußt zur Erhöhung der Spannung eingesetztes retardierendes Moment deutet. Der 'Exkurs' laufe genau auf den Ausgangsgedanken, die variae artes zurück, er werde gleichsam in Klammern gesetzt.

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•πάντα, νικάν bei Xen. Anab. 2,1,1. Dies ist etwas ganz anderes als das Thomassche "Insatiable toil occupied all areas of existence"163. Gerade aber, daß uns in 145f. ein Hinweis auf die Tätigkeit der Menschen selbst, die ja als Hervorbringerin der variae artes in 133 ausdrücklich genannt worden war, fehlen sollte, mutet merkwürdig an. Und wenn man schon einen Gräzismus annehmen will - den inneren Akkusativ bei vincere und seinen Komposita kennt Vergil ja durchaus, vgl. etwa 3,289, Aen. 5,196 und Aen. 10,370 -, dann doch wohl eher im Sinne des Horn. II. 4,389; 5,807 ebenfalls am Versende stehenden πάντα δ' è νίκα: "er gewann alle Kämpfe". Eine ähnliche Konstruktion dürfte auch die Vorlage zu omnia vicit (sc. Paris) bei Hygin. fab. 91,5 gebildet haben164. Lämmli weist mit Recht darauf hin, daß ein Rückbezug auf die in 129f.165 angeführten Bedrohungen auch in duris ... in rebus gesehen werden könne166. Lau schließlich hebt hervor, daß labor an allen Stellen, die Altevogt anführt, um seine Deutung zu stützen, keineswegs nur "Leiden und Bedrängnis" bedeute, ebenso wie laborare an den von Altevogt herangezogenen Stellen nicht einfach mit "leiden, bedrängt werden" wiedergegeben werden könne. Bei labor und laborare gehe es immer auch um ein Tätigsein. Erst recht sei labor keine von außen kommende Macht167. Zu einem hinsichtlich seiner Bedeutung heiß umstrittenen Begriff haben wir uns bisher jedoch noch nicht geäußert. Es handelt sich um improbus, das Attribut zu labor. Mir scheint, daß dieses in unserem Zusammenhang einfach soviel wie "schamlos" bedeutet. Im Hintergrund dürfte Hes. Op. 317-319 stehen, wo Scham als schlechter Gefährte für einen bedürftigen Menschen bezeichnet wird: αιδώς δ' ουκ αγαθή κεχρημένον άνδρα κομίζει, αιδώς, ή τ' άνδρας μίγα aíverai ήό' όνίνησιν αιδώς τοι προς άνολβίη, θάρσος δί προς οΚβψ.

163

THOMAS ZU 145-6. Wenn sich Vergil in 145b wirklich inhaltlich auf ecl. 10,69 beziehen sollte, so ist darauf hinzuweisen, daß dort omnia vincit amor wohl kaum "Liebe erfaßt alle Lebensbereiche" bedeuten kann. Auch Altevogts Deutung des Ausdrucks omnia vincere wird der Eklogenstelle kaum gerecht, obwohl er sie ausdrücklich auch dort angewandt wissen will. Vgl. oben S. 37 mit Anm. 146. 164

V g l . ROSE z . S t .

165

Zur Zweifelhaftigkeit von Vers 130 vgl. oben Anm. 132.

166

LÄMMLI 1 9 6 8 , 5 1 A n m . 2 7 1 .

167

LAU 1975, 246f.

42

Die Geórgica Vergils

Conington weist mit Blick auf improbus anser in 119 zu Recht auf die häufige Verbindung von probus und pudicus hin und sieht in der Aufforderung des Thyrsis an seine Rinder in ecl. 7,44 ite domum pasti, si quis pudor, ite iuvenci eine Entsprechung zur Bezeichnung der Gans als improbus168. Und Vergil selbst scheint Aen. 12,687 das Homerische λάας αναιδής aus II. 4,521 und Od. 11,598 (vgl. auch II. 13,139) mit mons improbus widerzugeben 169 . Der Gedanke, daß Bedürfigkeit bzw. Armut dazu zwingt, Scham und Zurückhaltung abzulegen, dürfte auch Plaut. Asin. 671 zu Grunde liegen, wo es heißt: quidvis egestas imperai, und ebenso Hör. epist. 2,2,51 f., an einer Stelle, die oben bereits zur Illustrierung des urgens angeführt wurde 170 : paupertas impulit audax/ ut versus facerem. Für die Verbindung von improbus und audax bzw. audere vergleiche man etwa Sen. dial. 5,7,2 (actiones nostrae necparvae sint nec audaces et improbae) oder Plin. nat. 2,95 (ausus (sc. Hipparchus) rem etiam deo improbam). Plin. nat. 2,247 spricht von einem improbum ausum, verum ita subtili argumentatione comprehensum, ut pudeat non credere. Und in georg. 1,79-81 war ja auch schon die Rede davon, daß es notwendig sei, den pudor zu überwinden, damit der labor des Bodens leichter werde:

80

sed tarnen altemis facilis labor, arida tantum ne saturare fimo pingui pudeat sola neve effetos cinerem immundum iactare per agros.

Ebenso wird in 3,452-456 vom Hirten einiges an Selbstüberwindung verlangt werden:

455

non tarnen ulla magis praesens fortuna laborum est 111 quam si quis ferro potuit rescindere summum ulceris os: alitur Vitium vivitque tegendo, dum medicas adhibere manus ad vulnera pastor abnegai et meliora déos sedet omina poscens.

Dies bedeutet nicht, daß das Konzept des labor ... improbus ein angenehmes wäre. Vielmehr zwingt der in harten Lebensumständen wirkende Mangel den Menschen zu einer Arbeit, die er nicht verrichten will und die ihm nicht angenehm ist, sondern auf ihm lastet. Sie ist al168 improbus auf die Gefräßigkeit zu beziehen, legt Ov. met. 5,484f. nahe, w o es in ähnlichem Zusammenhang heißt: avidaeque volucres/ semina iacta legunt. 169

V g l . MAGUINNESS ZU A e n .

170

Vgl. oben S. 39f. Vgl. LSDJ sowie PAGE zu 3,453 und WILKINSON 1969, 130f.

171

12,687.

Erstes Buch

43

lerdings Teil eines göttlichen Planes, der den Menschen aus Untätigkeit und Trägheit aufscheuchen soll. Sie hat einen Sinn.

1.3. Geeignete Zeiten für die bäuerlichen Arbeiten Ging es im ersten Teil des ersten Buches der Geórgica darum, was der Ackerbauer zu tun hat, und um das Gerät, welches er für dieses Tun benötigt, so tritt nun die Frage in den Vordergrund, wann bestimmte Arbeiten getan werden müssen bzw. können (vgl. tempus in 213, 253 und 305): Nach den Werken gilt die Aufmerksamkeit nun v.a. den Tagen (vgl. dies in 205, diem in 253, diebus in 268 und dies in 276 172 ). Mit ihnen rücken sogleich auch die Gestirne (vgl. sidera in 204) ins Blickfeld. Wie zu Beginn des ersten Teiles geht Vergil dabei auch hier von einem Vergleich des Landmanns mit einem Seefahrer aus (204-207): Wie die Seefahrer, die über das windige Meer ihrer Heimat zusegeln und dabei den Pontus und "den Schlund (d.h. die Meerenge) des austernreichen Abydos" zu befahren wagen 173 , muß auch der Landmann die Gestirne beobachten 174 . Die Ausmalung der zum Vergleich herangezogenen Seefahrt unterstreicht die Dringlichkeit der Aufforderung: Die Seeleute streben, als offenbar die Zeit, in der das Meer schiffbar ist, bereits zu Ende geht, auf einer gefährlichen Route wieder der Heimat zu. Daran schließt sich eine Liste von durch Sternzeichen gegebenen Zeiten an, zu denen bestimmte Getreide- und Gemüsearten gepflanzt werden sollen (208-230). Der darauf folgende allgemeine Abschnitt über die Bahnen der Gestirne und die Himmelszonen (231-239) ist durch idcirco an das Vorausgehende angeknüpft: Die Einrichtung des Himmelsgewölbes dient dem Zweck, dem Bauern (und dem Seemann) Anhaltspunkte für sein Tun zu geben. Dem idcirco in 231 entspricht in 252f. das zweifache emphatische hinc115. Der durch dieses eingeleitete Abschnitt wiederum

172

Vgl. THOMAS zu 276-7. HEYNE ZU 204 faßt temptantur offenbar neutral auf. Vgl. aber HUXLEY ZU 207. 174 Vgl. o b e n S . 9-11. 175 Vgl. LSDJ zu 231 : "Was 252/8 vom Standpunkte des Menschen aus besprochen wird, erscheint hier als Absicht des Sonne. " Der Anschluß des doppelten hinc an die Spekulationen, die in 240-251 über die zweite der beiden bewohnbaren Zonen angestellt werden, scheint schwierig. Unbefriedigend Serv. georg. 1,252, wo hinc mit ex racione astrologiae 173

g l o s s i e r t w i r d , s o w i e MARTYN, YONGE, CONINGTON, SIDGWICK, PAGE, HUXLEY u n d

THOMAS z.St. Anknüpfungspunkt des zweifachen hinc kann nur der von der Sonne

44

Die Geórgica

Vergils

korrespondiert dem von 204-230 176 und enthält erneut eine Zusammenstellung von Landmann und Seefahrer: Durch Beobachtung der Sternzeichen könne die Entwicklung der Witterung vorausbestimmt werden, durch sie die Zeit für Ernte und Aussaat wie auch die Zeit angegeben werden, zu der das Meer befahren, die Schiffe zu Wasser gelassen und Holz (für den Schiffbau177) geschlagen werden könne. Auch hier wird im Zusammenhang mit der Seefahrt die mit ihr verbundene Gefahr hervorgehoben: Die marmorne Glätte des Meeres ist trügerisch178. Durch diese Verbindung wird die Notwendigkeit der Beobachtung der Gestirne durch den Landmann erneut herausgestrichen. Der Nutzen der Beobachtung der Gestirne steht in 252-256 außer Frage 179 .

angeführte Sternenreigen aus 23lf. und 238bf. sein. Vgl. LSDJ zu 252: "Rückkehr zum Gedanken von 232: Aus der Annäherung und Entfernung der Sonne im Tierkreise können wir auf die kommende Witterung schließen ... und die passendste Zeit für die einzelnen Beschäftigungen feststellen." Ähnlich schon HEYNE zu 252 und WAGNER ZU 252sqq. Daher dürfte ZWIERLEIN zuzustimmen sein, wenn er 240-251 als nachträgliche Einfügung von fremder Hand tilgt. 176 So richtig WILKINSON 1969, 82. Vgl. auch RICHTER zu 252ff. und MYNORS zu 254f. 177

V g l . THOMAS ZU 2 5 6 ( p a c e MYNORS z . S t . ) .

178

infidum ... martnor scheint Vergil zu gehören. Zu den Vorlagen dieser Stelle vgl. HUXLEY und THOMAS zu 254. Das Gewicht von infidum betont zu Recht CONINGTON zu 253. 179

Die Zuordnung der Verse 257f. hat den Herausgebern und Kommentatoren einige

S c h w i e r i g k e i t e n b e r e i t e t . MARTYN, HEYNE, WAGNER, HUXLEY u n d THOMAS z i e h e n s i e z u m F o l g e n d e n , w ä h r e n d JAHN, L S D J , CONINGTON, SIDGWICK, PAGE, RICHTER u n d

MYNORS sie als Abschluß des Vorangehenden betrachten. YONGE macht aus ihnen gar einen eigenen Abschnitt. THOMAS zu 257-310 meint, an den vorausgehenden Abschnitt angebunden, ergäben sie "a feeble closing" und vertrügen sich "as well" mit dem folgenden Abschnitt. Das klingt an sich schon etwas merkwürdig; denn "as well" wäre in diesem Fall doch wohl gleichbedeutend mit "ebenso schlecht". Der Neueinsatz in 351 scheint anders gelagert, und im Unterschied zu Thomas u.a. vermag ich in 259-267 keinen Hinweis auf den Winter zu sehen, der durch den Hinweis auf die Jahreszeiten in 258 vorbereitet würde (vgl. unten Anm. 188). Unter denen, die 257f. an den vorausgehenden Abschnitt anbinden, gehen wiederum die Meinungen darüber auseinander, wie eng der Zusammenhang zwischen 252-256 und 257f. ist. PAGE setzt nach 256 einen Punkt und paraphrasiert 252-258 (zu 204-258): "Thus from the stars may we foretell the seasons, the time of harvest and of sowing, of sailing and of wood-cutting, nor is the observation of the sky useless. " Hier scheinen die Verse 257f. allerdings in der Tat nur eine äußerst dürftige Doppelung der vorangehenden Verse zu bilden. SIDGWICK setzt einen Doppelpunkt und bemerkt mit Blick auf 257f.: "These two lines come in a little awkwardly: but if rightly placed here, the sense of 252-258 is 'from this knowledge of the heavens we learn to foretell weather, right times of harvest, and sowing, and sailing, and wood-cutting: not useless is the knowledge of stars and seasons'." Diese Auffassung rückt das einleitende nec in seiner Bedeutung sehr nahe an ein einfaches non heran. Dieser Gebrauch scheint

Erstes B u c h

45

Indem Vergil die Einrichtung des Himmelsgewölbes als Zeichen für das Wohlwollen der Götter gegenüber den Menschen deutet, folgt er Arat180 und setzt sich zugleich mit Lukrez auseinander. Arat hatte seine Phainomena mit einem Anruf an Zeus begonnen, der Land und Meer erfülle und dessen Geschlecht die Menschen seien (l-5a). Er gebe den Sterblichen gnädig günstige Zeichen und wecke die Menschen zur Arbeit, indem er sie an den zu beschaffenden Lebensunterhalt erinnere (5b7a). Er bedeute ihnen, wann die Scholle am besten zur Bearbeitung durch Rinder und Karst geeignet sei, wann die rechte Zeit sei, die Pflanzen zu umhäufeln und den Samen auszustreuen (7b-9). Weiter heißt es (10-13): 10

αύτός yàp τά ye ση ματ' tu ουρανό? ίστήριξΐν άστρα διακρίνας, ίακίψατο δ' eiç ίνιαυτον άστίρας οι κε μ ά λ ι σ τ α τετυγμίνα σημαίνουν άνδράσIV ώράων, δφρ' Ιμττΐδα πάντα φύωνται.181

allerdings "in der klassischen Zeit, abgesehen von ein paar erstarrten Ausdrücken, sehr selten" (LÖFSTEDT 2 1942, 338; vgl. auch HSz 448f. und O L D 1171 s.v. neque 1, großzügiger: RIBBECK 1869, 24-26, MUNRO zu Lucr. 2,23, KS 1, 817f. und KROLL 1933 2 , 100108). CONINGTON setzt zwar auch einen Doppelpunkt, läßt aber zu 252 das zweifache hinc in 252f. über 256 hinauswirken und paraphrasiert: "Hence it is that our watchings for the rising and setting of the stars and our attention to the course of the seasons are not useless" (ähnlich CONINGTON 3,496). In 258 scheint allerdings die Wirkung von hinc zu schwinden, da hier die Einteilung des Jahres in die vier Jahreszeiten bereits selbst als eine regelmäßige bezeichnet wird (parem; vgl. CONINGTON z.St.). Eine merkwürdige Ähnlichkeit weist unsere Stelle zu Cie. rep. 3,3 auf, wo es von der Erfindung der Zahl heißt: inpulit etiam ut suspiceremus in caelum, nec frustra siderum motus intueremur. Zum Ausdruck signorum obitus ...et ortus verweist Nettleship bei CONINGTON zu 257 auf Cie. inv. 1,59, wo die signorum ortus et obitus (vgl. auch signorum ortus obitusque bei Cie. de fato 17 und (signorum) ortus atque obitus omnes bei Cie. Arat. 347) zum Beweis dafür angeführt werden non mediocri quodam Consilio naturam mundi administran. Vgl. auch Cie. nat. deor. 2,155 (ebd. 153 astrorum ortus obitus cursusque). Auch Germ. 292 scheint unsere Stelle beeinflußt zu haben, zumal wenn die Konjektur speculaberis zutrifft. Der Versschluß quattuor annum nur noch bei Ov. met. 1,118 (im Zusammenhang mit der Einführung der Jahreszeiten); 15,199 (auch hier mit Bezug auf die Einteilung des Jahres in vier Jahreszeiten). 180 LSDJ verweisen zu 231 auf Arat. lOf. und zu 253 auf Arat. 8b-9 und (wie schon HEYNE ZU 252) auf Arat. 7 4 l f . 181 Zur Bedeutung dieses Proöms vgl. MARTIN ZU Arat. 1-18: "Ces dix-huit vers donnent la clé du poème entier: l'univers est rempli de la présence d ' u n dieu dévoué au bonheur des hommes, ses enfants; il guide leurs travaux par des signes et des avertissements sans nombre, qui n'exigent d'eux qu'un effort de déchiffrement. Aratos entreprend une oeuvre de piété: révéler aux hommes la bonté de Zeus en leur expliquant ces signes."

Die Geórgica Vergils

46

Bei Lukrez heißt es dagegen an der oben bereits mehrfach herangezogenen Stelle aus dem fünften Buch von De rerum natura, man könne ex ipsis caeli rationibus, was im vorliegenden Zusammenhang v.a. auf das Wetter geht 182 , ebenso wie aus vielen anderen Dingen schließen, daß die Annahme, die Welt sei von den Göttern im Interesse der Menschen gestaltet, falsch sei (195-199). Unter anderem enthielten ja extreme Hitze und Kälte den Sterblichen zwei Drittel der Erde vor (204f.). Und in dem Bereich, der übrigbleibe, quod superest arvi (206), vernichteten oft zu große Hitze oder plötzliche Kälteeinbrüche die Ernte (213-217). Entsprechend hatte Lukrez bereits im zweiten Buch die Ansicht derer zurückgewiesen, die annähmen, in derart den menschlichen Bedürfnissen entsprechender Weise könne sich der Wechsel der Jahreszeiten, die Entstehung der Früchte und alles andere zum Fortbestehen des Menschengeschlechts Erforderliche nicht ohne Eingreifen der Götter vollziehen (167-176). Im fünften Buch selbst wiederum benennt er das regelmäßige Kreisen des Himmelsgewölbes und den Wechsel der Jahreszeiten als eine wesentliche Ursache der Götterfurcht (1183-1193; vgl. auch 1204-1210). Richter 183 hat zu Recht darauf hingewiesen, daß Vergil von der Darstellung in Lucr. 5,195ff. ausgehend "ihre sachliche Feststellung übernimmt, aber gegen ihre Tendenz polemisiert" 184 , so v.a., wenn er in 237f. formuliert: duae (sc. zonae) mortalibus aegrisl muñere concessae divum. aegris hebt dabei die Fürsorge der Götter für die Menschen hervor 185 , erinnert aber zugleich an die Bedrohungen, denen die Menschen sich gegenübersehen, ebenso wie dies die Zusammenstellungen von Landmann und Seefahrer in 204-207 und 252-256 tun. Dies ist ein Zu-

182 Vgl. 204; 213-217 und BAILEY ZU 2,178; ebd. auch zu ipsis. 5,1183 bezieht sich caeli rationes zunächst auf den regelmäßigen Lauf der Gestirne. 183

184

RICHTER z u 2 3 I f f .

Vgl. FARRELL 1991, 172: "... the two poets (sc. Lukrez und Vergil) draw opposite conclusions from similar data", und ebd. 176: "Vergil rebuts the pessimism of Lucretius' passage by drawing more optimistic conclusions from essentially the same data. " Farrells Versuch, aus 176-203, 231-258 und 493-497 eine Art dialektischen Prozeß zu konstruieren, dessen Ergebnis "an ambivalent but ultimately rather bleak view of the human condition" (ebd. 186) sei, kann allerdings nicht überzeugen. Vgl. oben Anm. 106 und unten S. 62f. Ebenso scheint er mir fehlzugehen, wenn er an Vergils Darstellung "its constantly shifting nature" (ebd. 187) hervorhebt. 185 So richtig MYNORS ZU 237 unter Hinweis auf Aen. 2,268 und Lucr. 6,1. Für eine mögliche negative Konnotation verweist er auf Aen. 10,274 und Aen. 12,850. Vgl. auch Horn. Od. 11,19. Bei Eratosth. frg. 16 Powell 18f. heißt es einfach tv Sé μιν ανδρβς/ ... ναίουσιν. Vgl. RICHTER zu 23Iff.

Erstes Buch

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geständnis an Lukrez und eine Einschränkung gegenüber Arat und stimmt mit der Position überein, die Vergil im ersten Teil des Buches bezogen hat: Anerkennung der Schwierigkeiten, von denen menschliches Leben umgeben ist, doch Versuch einer Sinngebung durch ihre Aussöhnung mit der Vorstellung einer fürsorglichen Gottheit. Dadurch wird Vergils Darstellung zu einem spannungsvollen Ganzen. Zum Folgenden bemerkt Klingner mit Recht 186 : "Nachdem sich das Sternenthema nun also zu seiner höchsten Höhe erhoben hat, entspannt sich das Gedicht." Zugleich wirkt der Gedanke, daß es für jede Tätigkeit eine bestimmte Zeit gibt und daß der Bauer durch den regelmäßigen Lauf der Gestirne Planungssicherheit erhält, jedoch fort. Dabei verbindet sich die Vorstellung, daß die vorgegebene Einteilung eine Hilfe ist, mit der, daß diese dann auch genutzt werden muß 187 . Selbst der kalte Regentag 188 scheint eine sinnvolle Einrichtung zu sein, ermöglicht er es dem im Hause festgehaltenen Bauern doch, rechtzeitige Vorbereitungen für diejenigen Arbeiten zu treffen, die nach dem bald zu erwartenden Wetterumschwung zu verrichten sein werden, bzw. Dinge zu erledigen, für die er später keine rechte Zeit mehr haben wird (259267) 189 . Die Notwendigkeit, solche Zeiten dann auch für die entsprechenden Arbeiten zu nutzen, wird besonders durch das dreimalige nunc in der abschließenden Aufforderung 266f. hervorgehoben 190 : nunc facilis rubea texatur fiscina virga, nunc tórrete igni fruges, nunc frangile saxo.

Daran knüpft die Bemerkung an, daß auch an Festtagen bestimmte Arbeiten erlaubt sind (268-275), worauf wiederum der Hinweis auf die

186

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 1 0 .

187

Mit multa .../maturare datur in 260f. vgl. ipsa dies alios alio dedit ordine luna/ felicis operum in 276f. und multa adeo gelida melius se nocte dedere in 287 (mit HEYNE und MYNORS z . S t . ) . 188 D a g e g e n d a ß , wie MARTYN zu 259, MYNORS ZU 2 5 9 f f . und THOMAS ZU 2 5 9 nahele-

gen (vgl. auch RICHTER ZU 259ff.), hier schon konkret an den Winter gedacht sein soll, sprechen, wie CONINGTON zu 259 mit Recht hervorhebt, si quando (und wohl auch mox) sowie die Tatsache, daß die Beschäftigungen im Winter ausdrücklich erst ab 305ff. eine Rolle spielen. Der Gedanke an die Jahreszeiten wird erst allmählich in den Blick genommen. Vgl. im übrigen Cato agr. 2,2-4 und 39. 189 Zum Verhältnis von maturare und properare vgl. HEYNE ZU 260, der allerdings, wie Wagner ebd. zu Recht bemerkt, zu skeptisch ist. 190 THOMAS zu 266-7 hebt zu Recht die Entsprechung zu 289f. (dreifaches - zusammen mit 287 sogar vierfaches - nocte(s)) und 305-308 (dreifaches tum) hervor, die allerdings über das Formale hinausgeht. Vgl auch das doppelte medio ... aestu in 297f.

48

Die Geórgica

Vergils

Eignung (bzw. im folgenden dann auch Nichteignung) von bestimmten Tagen des durch den auf- und abnehmenden Mond festgelegten Monats für bestimmte Handlungen folgt (276-286). An den Gedanken der besseren oder geringeren Eignung bestimmter Tage, oder genauer: Nächte191 für bestimmte Handlungen schließt sich ein Abschnitt über Handlungen an 192 , für die sich die feuchte Kühle der Nacht im Unterschied zur trockenen Hitze des Tages besonders gut eignet (287-298) 193 . Hierbei ist offenbar an den Sommer gedacht194. Das Gegenbild zum Rest des Jahres, in dessen Verlauf der Landmann weder bei Tag noch bei Nacht Ruhe kennt, bildet der Winter, in dem der Bauer zumeist 195 den Ertrag des Jahres genießt (299-302). Auch hier findet sich wieder der Vergleich der Landarbeit mit der Seefahrt: Der Winter erfreut den Landmann ebenso wie das Erreichen des Hafens den Seemann (300-304) 196 . Und doch wird auch die Winterzeit für be191

192

V g l . RICHTER ZU 2 8 7 f f .

Zum Übergang vgl. auch THOMAS ZU 286 und zu 287. 193 Vgl. CONINGTON zu 287. Dem vierfachen node ... node ... node ... nodes in 287290 entspricht das doppelte medio ... aestu in 297f. Zu letzterem vgl. HUXLEY ζ.St. 194 Vgl. Tib. 2,l,47f. Die Verse 291-296 bilden, wo sie heute stehen, einen offensichtlichen Fremdkörper. Der von THOMAS zu 291 unternommene Versuch, den vorzeitigen Wintereinbruch zu begründen, macht die Schwierigkeit nur noch deutlicher fühlbar. Die Verse scheinen ursprünglich als Ergänzung zu 299-310 gedacht gewesen zu sein, und RIBBECK erwägt in der zweiten Auflage seiner editio maior in der Tat eine Versetzung hinter 310, die er in der zweiten Auflage der editio minor dann auch vornimmt. Damit würde allerdings die Liste der Tätigkeiten, die während des nach 299b-304 weitgehend von Untätigkeit und dem Genuß des Erreichten bestimmten Winters dennoch zu verrichten sind, doch wohl über Gebühr ausgedehnt (vgl. auch longum ... laborem in 293). Hält man dagegen an dem gegenwärtigen Schluß fest, so wird in 310 noch einmal wirkungsvoll die Erstarrung der Welt während des Winters in Erinnerung gerufen. Von der Anlage des gesamten Abschnitts her scheint also einiges für die von ZWIERLEIN vorgeschlagene Athetese von 291-296 zu sprechen. 195 plerumque aus 300 findet seine Entsprechung in sed tarnen in 305. 196 Auch im Blick auf 302 kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, daß es sich bei diesem Vers um die Hinzufügung eines Interpolators handelt, da er mir den sorgfältig abgestimmten Vergleich zwischen Bauer und Seemann zu stören scheint (weitere durch ceu ... cum eingeleitete Vergleiche: 4,96-98a, Aen. 7,670-677; 698-702a; 9,791-793a; 10,96-99; 11,296-299; einen besonderen, nicht ganz einfachen Fall stellt Aen. 9,25-32 dar). THOMAS hat zu 300-4 mit Recht auf die chiastische Entsprechung zwischen agricolae ... laeti ... laeti ... nautae hingewiesen. Weiter enthält pressae in 303 doch wohl eine gedankliche Entsprechung zu parto in 300 (vgl. RICHTER zu 303f.; Serv. georg. 1,303 glossiert pressae mit onustae: vgl. TLL 10,2,1168,63-66, wo auf Prop. 4,1,116, Ον. met. 15,694; 698 und Sen. epist. 76,13 hingewiesen wird (man könnte noch Tib. 1,3,40 hinzufügen)), und das Bekränzen der Schiffe dürfte auf ähnliche Feiern verweisen, wie sie bei den Bauern stattfinden. Des weiteren erschwert die Unterbrechung durch 302 die

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stimmte Tätigkeiten empfohlen, so für das Pflücken von Eicheln, von Lorbeeren, von Oliven und Beeren der Myrte sowie für die Jagd (SOSSIO). Sommer und Winter mit ihrer Hitze bzw. Kühle werden in 311-337 um Herbst und Frühjahr mit ihren starken Wetterschwankungen und plötzlichen Stürmen ergänzt, die zugleich einen Kontrast bilden zur verhältnismäßigen Ruhe des Winters. Hier werden die Freude der Seeleute über das Erreichen des Hafens in 303f., ihr sorgenvolles Ausschauen nach den Gestirnen auf der Heimfahrt in 204-207 sowie ihre Vorsicht bei der Ausfahrt in 254-256 erst recht verständlich197. In den Vordergrund rückt jetzt allerdings die Gefährdung des Landmanns. Jahn hat mit Recht angenommen, daß im Hintergrund von 311-321 wiederum die bereits mehrfach herangezogene Stelle aus dem fünften Buch von Lukrezens De rerum natura steht, wo es u.a. heißt, daß das mit großer Mühe Hervorgebrachte manchmal ... subiti peremunt imbres gelidaeque pruinae/ flabraque ventorum violento turbine vexant (213217) 198 . 322-334 gehen dagegen nach Jahn auf Lucr. 6,246ff. zurück 199 . Der Darstellungsabsicht des Lukrez läuft es aber natürlich klar zuwider, wenn Vergil in seinem Gewitter den Blitze schleudernden Jupiter auftreten läßt (328-333a) 200 . Für die volle Antwort auf die Ein-

Verbindung von frigoribus ... plerumque in 300 und sed tarnen ... tum in 305. Ob das zweifache hiems in 299 und 302 besonders kunstvoll erscheint, mag ein jeder selbst entscheiden. Die Entsprechung zwischen frigoribus ... agricolae ... laeti convivía curant in 301 und hiems curas ... resolvit in 302 könnte man wohl nur als eine Art Oxymoron deuten. Die Junktur curas resolvere findet sich nach TLL 4,1473,24-26 erstmals hier und später nur noch Val. Fl. 4,703 (Sen. Oed. 764 ist ein Fehlzitat), Boeth. mus. 1,1 und Homer. 685 (vgl. SCAFFAI z.St.). Der übliche Ausdruck scheint curas solvere gewesen zu sein (nach TLL 4,1473,32-36 belegt bei Lucr. 4,908, Catull. 31,7, Hör. epod. 9,37, Ov. met. 10,368, Sen. nat. 3 pr.2, Lucan. 5,504 und Val. Fl. 8,220). Die Verwendung von genialis im weiteren Sinne von "voluptuosus, iucundus", "festus, laetus" oder "hilaris" scheint den TLL 6,1807,45-75 gesammelten Belegen nach zu urteilen in nennenswertem Umfang erst mit Ovid zu beginnen, ja für diesen geradezu kennzeichnend zu sein. Vorher findet sich sonst nur noch Verg. Aen. 6,603, wo es vom Hochzeitslager auf ein schwellendes Polster übertragen ist. Dabei stand wohl Catull. 64,45-49 Pate. Vorbild für den Ausdruck genialis hiems mag Ov. fast. 3,58 mit der Wendung acceptus geniis ... December gewesen sein. 197 Vgl. oben S. 43f. und 48. 198

JAHN 1 9 0 3 , 4 2 2 f .

199

JAHN 1903, 423-425. Vgl. RICHTER zu 328ff. sowie Lucr. 5,399ff. oder auch 4,170f., wo rearis eine bezeichnende Einschränkung bildet (6,251-254 wurden schon von Bockemüller getilgt;

200

v g l . DEUFERT 1 9 9 6 , 2 1 6 - 2 1 8 ) .

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wände, die wir oben aus Lukrez gegen die Annahme benannt haben, die Welt sei von der göttlichen Vorsehung im Interesse der Menschen gestaltet, müssen wir zwar noch den nächsten Abschnitt abwarten. Hier aber sei immerhin schon darauf hingewiesen, daß die Schilderung der Unwetter die Notwendigkeit unterstreicht, den Lauf der Monate und der Gestirne zu beachten (335-337: hoc metuens201 ...) 2 0 2 . Dabei greift sidera in 335 rahmend auf sidera zu Beginn des Abschnitts in 311 zurück. Beide zusammen nehmen sidera aus 204 vom Beginn dieses Großteils wieder auf, ein Zusammenhang, der durch den Rückgriff des vigilanda in 313 und des serva in 335 auf servandi in 205 bekräftigt wird 203 . Zugleich aber wird auch die Abhängigkeit vom Wohlwollen der Götter, insbesondere der Ceres, hervorgehoben, die gerade im Frühjahr und Herbst 204 zu verehren der Landmann nachdrücklich aufgefordert wird (338-350) 205 . Der Abschnitt schließt nicht mit der Schilderung von Unwettern, die die Arbeit des Menschen vernichten, sondern mit dem Gegenbild eines ländlichen Festes 206 .

1.4. Möglichkeiten, Wetterumschwünge vorherzusagen Klingner hat hervorgehoben, daß der Abschnitt über die Gestirne und starken Wetterschwankungen bzw. plötzlichen Stürme in Frühjahr

201

THOMAS' Bemerkung zu 335 "it is the man who can conquer this dread (sc. die Furcht, die sich aus der Unkontrollierbarkeit der Welt der Natur ergibt) through the intellect, not the pious man, who is V.'s ideal: felix qui .../ ... metus omnis .../subiecit pedibus, 2.490-2" wirkt im Blick auf das ebd. 493ff. folgende fortunatus et ille ... befremdlich. 202 THOMAS' Hinweis zu 311-50, die Stürme kämen ohne Warnung und die einzige Hoffnung gegen sie liege in der Verehrung der Götter (was für Thomas keine wirkliche Hoffnung darstellt) (ähnlich ders. zu 335-50), mutet angesichts von 311-315, 335-337 und 351-355 (zu 354b-355 vgl. unten S. 55f.) erstaunlich an. Die Tatsache wiederum, daß Jupiter selbst als Wettergott im Rahmen eines Sturmes dargestellt worden ist, kann wohl kaum in dem Sinne gedeutet werden, daß die Verehrung der Götter sinnlos ist, ganz im Gegenteil! 203

V g l . THOMAS zu 3 3 5 .

204

Vgl. 338-347a mit 313b-315 und 347b-350 mit 316-321. THOMAS ZU 347 und zu 350 bringt die Beschreibung der Feste zu Ehren der Ceres in Zusammenhang mit der Beschreibung der ländlichen Feste in den laudes vitae rusticae. 2,538 ist jedoch kaum ein Argument für deren Unwirklichkeit: die Bauern sind in gewisser Hinsicht Überreste vom Geschlecht des Saturn. Vgl. unten S. 142f.

205

206

V g l . PAGE ZU 3 4 1 , 2 u n d KLINGNER 1 9 6 7 , 2 1 3 .

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und Herbst sowohl nach hinten wie nach vorne bezogen ist 207 . Gleiches gilt, wie wir gleich sehen werden, in gewisser Weise auch für die Feste, die der Landmann im Frühjahr und Herbst zu Ehren der Ceres feiern soll. In 351-355 wird ausdrücklich eine Rückbindung vorgenommen: atque haec ut certis possemus discere signis, aestusque pluviasque et agentis frigora ventos, ipse pater statuii, quid menstrua luna moneret, quo signo caderent Austri, quid saepe videntes 355 agricolae propius stabulis armento tenerent. Die Erläuterung des haec in 351 durch die Aufzählung in 352 2 0 8 ist dabei wegen der Einschaltung des Abschnitts über die Verehrung der Götter notwendig, pluvias greift hier auf pluvia in 325 (vgl. auch imbriferum in 313, imbribus in 323 und imber in 333), ventos auf ventorum in 318 und vento in 334 zurück, während in aestus und frigora das doppelte aestu aus 297f. bzw. frigoribus aus 300 (beachte aber auch frigidus in 259) nachklingen mögen, so daß haec einen etwas weiteren Bezugsrahmen haben dürfte als hoc in 335. Daß Vergil jedoch ebenso an die plötzlichen Stürme aus 31 Iff. denkt - allerdings sowohl im Blick auf ihr Aufkommen wie auch im Blick auf ihr Abflauen 2 0 9 -, zeigen 354f., wo Austri aus 333 wieder aufgenommen wird. Vergil verengt den Blick auf den Wechsel von heiterem zu stürmischem Wetter und umgekehrt, eine Unterteilung, die auch das Folgende bestimmt: 356-392 Zeichen für einen Umschwung von heiterem zu stürmischem Wetter, dabei zunächst Zeichen für aufkommenden Wind (356-369) und daran anschließend Zeichen für aufkommenden Regen (370-392), 393-414 210 Zeichen für

207

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 1 4 . Ä h n l i c h auch WILKINSON 1 9 6 9 , 8 3 . RICHTER ZU 31 I f f . w i l l

den dritten Teil des ersten Buches bereits in 311 beginnen lassen. 208 Wagner bei HEYNE ZU 351 folgt hier zu Recht Wunderlich. 209 Zur Bedeutung von caderent vgl. HEYNE zu 354. Vgl. auch 340a. 210 Die Echtheit des Verses 412 sowie der Verse 415-423 scheint mir zweifelhaft. Die Verse 410-414 über das Verhalten der Raben bei einem Umschwung von schlechtem zu gutem Wetter lehnen sich eng an Arat. 1003-1009 an. Vergleicht man Vorbild und Nachahmung, so hat es zunächst den Anschein, als werde georg. 1,412, wo es heißt, die

Raben vollführten ihren Lärm nescio qua praeter solitum dulcedine laeti, durch die Entsprechung bei Arat. 1006a χαίρειν κί τις ώίααιτο (sc. το'υς κόρακας) gestützt. Nimmt man allerdings jeweils den gesamten Abschnitt in den Blick, so wird in georg. 1,410-414 ein Bemühen um Komprimierung von Arat. 1003-1009 erkennbar. Die Freude der Raben scheint dabei durch iuvat in 413 und dulcís in 414 eingefangen. In 412 dagegen wird das Motiv geradezu ausgewalzt, indem die Charakterisierung der im Frühling ausschwärmen-

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Die Geórgica

Vergib

einen Umschwung von stürmischem zu heiterem Wetter. Die Feststellung, daß Jupiter selbst die Zeichen festgesetzt hat, durch deren Beobachtung die Menschen die Entwicklung des Wetters, sowohl das Herannahen eines Unwetters wie auch das bevorstehende

den Bienen als nescio qua dulcedine laetae aus 4,55b zu einem ganzen Vers gedehnt wird. Man vergleiche hinsichtlich der Ähnlichkeit des Umfeldes beider Stellen auch imbribus actis in 413 mit ubi pulsarti hiemem sol aureus egit! sub terras in 4,51f. und progeniem nidosque fovent in 4,56 mit iuvat...! progeniemparvam dulcisque revisere nidos in 413f. Bezeichnenderweise erhält in 4,56 nidos kein Attribut, ebenso wie auch das Prädikat dort einfach fovent lautet. Schließlich will die Unbestimmtheit des nescio qua praeter solitum dulcedine laeti schwer zur Bestimmtheit des iuvat imbribus actis/ progeniem parvam dulcisque revisere nidos passen. 415-423 haben keine Entsprechung bei Arat und fügen sich nicht einmal glatt an 413bf. an; denn wie die in 422bf. aus 417-421a gezogene Folgerung hinc ille avium concentus in agris! et laetae pecudes et ovantes gutture corvi zeigt, muß die in 415f. zurückgewiesene Begründung zuvörderst auf das freudige Lärmen der Raben gehen. Die Verse 415-423 scheinen zudem die Proportionen des Abschnitts über die Zeichen, aus denen auf einen bevorstehenden Wechsel von gutem zu schlechtem Wetter geschlossen werden kann, zu sprengen. Dieser ist klar erkennbar zweigeteilt, wobei der erste Teil bis 400 durch eine Reihung von negierten Aussagen gekennzeichnet ist. Der zweite beginnt mit at in 401 und besteht aus positiv formulierten Aussagen. Beide Teile gehen von Zeichen im Bereich der unbelebten Natur aus, um dann zu solchen aus der belebten überzuleiten. Diese Grundgliederung wird durch 415-423 verwischt. Auch der Rückgriff von imbribus actis in 413 auf ex imbri in 393 legt es nahe, 413b-414 als Abschluß des Abschnitts zu betrachten. Wären die Verse 415-423 echt, wäre das Verhalten der Raben schließlich das einzige Wetterzeichen, dessen Ursache gesondert behandelt würde, und dies in einer Weise, die nicht besonders gut zu der grundsätzlichen Zurückführung der Wetterzeichen auf den Willen Jupiters in 351-355 zu passen scheint. Zu der deutlich materialistischen Tendenz und lukrezisch-epikureischen Note vgl. PAGE zu 415 und HUXLEY ZU419. Zudivinitus in415 vgl. Lucr. 1,116; 150; 4,1278; 5,198 (!); 1215. Lucr. 5,1083-1086 heißt es, daß sich bei den Raben je nach Wetter der Klang der Stimme ändere, eine Stelle, die Vergil 388f. benutzt hat (allerdings natürlich ohne das einschränkende dicunturl). THOMAS zu 415-16 setzt die Verse 415-422 in Beziehung zu den Bemerkungen über die die stoische Theorie von der Weltseele in 4,219-227. Anders als er sehe ich allerdings weder hier noch dort eine Distanzierung gegenüber dieser Vorstellung. Zu der zuletzt genannten Passage, deren Echtheit mir gleichfalls zweifelhaft erscheint, vgl. unten Anm. 219. An der erstgenannten Stelle ist ein Bezug auf die besagte Lehre keineswegs offenkundig (so auch MYNORS zu 416). Fast scheint sie mehr mit 4,149-152 zu tun zu haben, wo das staunenswerte Wesen der Bienen als ein besonderes Geschenk Jupiters gedeutet wird (vgl. unten S. 231). Bereits HEYNE zu 1,415 hat maior in 416 richtig durch quam in hominibus esse solet ergänzt. Und auch PAGE hat zu 415 festgestellt: "Editors wrongly suppose that he (sc. Vergil) rejects this doctrine (sc. der stoischen Weltseele) here, for Virgil certainly makes his birds living and intelligent, which is all the anima mundi can do for them: what he denies is that either 'god' or 'destiny' has granted them an intelligent power to read the future beyond what is given to men. " (Hervorhebung von mir) Mit prudentia in 416 vgl. imprudentibus in 373 undprudentia in Aen. 3,433.

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Aufklaren, voraussagen und ihre Arbeit entsprechend einrichten können, entspricht dem, was in 231-256 über die Einrichtung des Himmelsgewölbes gesagt wurde211, ut in 351 bildet das Gegenstück zu idcirco in 231 und dem zweifachen hinc in 251 f., haec (ut) ... possemus discere ... in 351 das zu (hinc) tempestóles ... praediscere .../ possunuis in 252f. (selbst wird es wiederum in 394 nachklingen) und quid saepe ... tenerent in 354f. das zu den sich aus der Beobachtung der Himmelszeichen ergebenden Handlungsanweisungen in 204-230 und in 252-256, während videntes in 354 die ständige Aufforderung zur Beobachtung der Himmelszeichen aufgreift (servandi in 205, vigilando in 313 und serva in 335). In 351-355 zeigt sich ähnlich wie im Abschnitt über die Einrichtung des Himmelsgewölbes das Wohlwollen der Götter im Großen, auf das der Landmann im Kleinen in 338ff. mit der Aufforderung zur Verehrung der Ceres im Frühjahr und im Herbst verwiesen worden war: Jupiter selbst ist es gewesen (im Unterschied zu der in 338-350 viermal erwähnten Ceres, die den Landmann über das Jahr hin unterstützt), der das Himmelsgewölbe von Anfang an so eingerichtet hat212. Wie oben nämlich eine Verbindung zwischen dem Abschnitt über die Einrichtung des Himmelsgewölbes und dem Proöm zu Arats Phainomena erkennbar wurde213, so läßt sich ein Nachklang dieser Aratstelle auch in 351-355 feststellen, ipse pater statuii, quid menstrua luna moneret in 353 greift deutlich auf αυτός yàp τά ye σήματ' ev obpavù ίστήριÇevl άστρα όιακρίνας (Arat. 10-1 la) zurück214. Zugleich aber antwortet ipse pater in 353 dem ipse pater aus der Sturmschilderung in 328: Jupiter ist für die Bedrohung verantwortlich, gibt dem Menschen jedoch zugleich die Mittel in die Hand, sie zu meistern. Dies ist nun die vollständige Antwort auf die oben im Zusammenhang mit den Sturmbeschreibungen angeführten Einwände des Lukrez gegen die Annahme, die Welt sei von den Göttern im Interesse der Menschen eingerichtet215. Dabei werden aber wie auch in 204-256 die Bedrohungen, denen die Menschen ausgesetzt sind, nicht verschwiegen: Es ist die Furcht vor der vernichtenden Macht der Natur, die den Menschen zur genauen Beobachtung der Gestirne und der Wetterzeichen treibt (hoc metuens in 335). Ein ähnlicher

211

Vgl. oben S. 43-47 und RICHTER zu 351ff. Eine ähnliche "Arbeitsteilung" zwischen Jupiter und Ceres fanden wir schon im ersten Großabschnitt des Buches: vgl. 95b-96 (oben S. 19) und 121bff. (oben S. 28ff.). 213 Vgl. oben S. 4 3 ^ 7 . 214 So schon HEYNE zu 351. 215 Vgl. oben S. 49f. 212

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Gedanke lag auch in 118ff. zugrunde. Auch dort war es pater ipse (121), der den Menschen alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg legte, um sie zur Hervorbringung der artes zu bewegen 216 . Die helfende Seite der göttlichen Macht dagegen wurde in 147-149 durch Ceres verkörpert, die die Menschen den Ackerbau lehrte 217 . Thomas übersieht nun, indem er die Schilderung der Frühlings- und Herbststürme in 311-334 als eine Spezifizierung der in 199b-203 der Natur insgesamt zugeschriebenen Verfallstendenz deutet 218 , sowohl den Zusammenhang, in dem die zuletzt genannte Stelle steht und der weiter oben behandelt wurde 219 , als auch den, in den die erstgenannte Stelle eingebettet ist und der soeben in den Blick genommen wurde. Dabei gehören beide Stellen in der Tat in vergleichbare gedankliche Zusammenhänge, nur ist der Grundgedanke dabei nicht der des Scheiterns menschlichen Sichmühens, sondern der, daß es angesichts durchaus zugegebener erheblicher Bedrohungen darauf ankommt, daß der Mensch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt und immer wieder die sich bietenden Herausforderungen zu überwinden sucht. Beides, sowohl die Bedrohungen wie auch die zu ihrer Überwindung bereitgestellten Mittel stammen von den Göttern, insbesondere von Jupiter, der nicht dulden wollte, daß sein Reich in träger Untätigkeit verdumpfe (124). Des weiteren hat Thomas die signa, die schlechtes bzw. gutes Wetter anzeigen, mit denjenigen in Verbindung gebracht, die im dritten und vierten Buch das Herannahen von Krankheiten ankündigen und gefolgert: "Man, then, can learn {discere, cognoscere) of impending disaster, but still that disaster always occurs, and occurs completely, in spite of the signs that tell of its coming." 220 Und zu numquam imprudentibus imber/ obfuit in 373f. bemerkt er: "V. does not say that rain or its effects can be avoided, merely predicted." In der Tat spielt das Wort signum im folgenden die Rolle eines Leitbegriffs, dessen wiederholte Verwendung den Abschnitt über die Wetterzeichen zusammenbindet und Vergils Verpflichtung gegenüber dem 216

Vgl. oben S. 28ff. Die Beziehung zwischen den Stellen wird auch von THOMAS ZU 328 gesehen, aber falsch gedeutet. HUXLEY ZU 3 3 0 verweist auf die Entsprechung v o n mortalia corda in 3 3 0 und 123 und deutet diese Wiederholung als Verstärkung des religiösen Elements in den Geórgica. Mit viris in 313 (mit MYNORS z.St.) vgl. viri in 210. 217

Vgl. oben S. 2 9 sowie mortales in 147 mit mortalibus aegris in 237. THOMAS 1,18. Zu der ebd. vorgenommenen Verknüpfung des Vergleichs aus 199-203 mit dem in 5 1 2 - 5 1 4 s. unten S. 68. 219 Vgl. S. 26f.

218

220

THOMAS z u 3 5 1 .

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Arats Phainomena beschließenden Katalog anzeigt221. Dabei wird immer wieder die Verläßlichkeit dieser Zeichen hervorgehoben222. Zugleich werden aber auch die Notwendigkeit, diese Zeichen zu beachten, und der Nutzen, der darin liegt, betont. So heißt es ja, wie schon gesehen, in 354f., daß bei gewissen Sturm ankündigenden Wetterzeichen die Bauern ihr Vieh in der Nähe des Stalles hielten223. Ahnlich verhalten sich in 4,191-196 die zwischen Vieh und Mensch stehenden Bienen:

195

nec vero a stabulis pluvia impendente recedunt longius, aut credunt caelo adventantibus Euris, sed circum tutae sub moenibus urbis aquantur excursusque brevis temptant, et saepe lapillos, ut cumbae instabiles fluctu iactante saburram, tollunt, his sese per inania nubila librant.

Das Verbleiben in der Nähe des Stocks bewahrt die Bienen offensichtlich vor Gefahr (tutae in 193). Und dies dürfte der Gedanke sein, der auch unserer Stelle zugrundeliegt. Thomas' Hinweis auf 1,483224, wo es vom über die Ufer getretenen Po heißt, daß er cum stabulis armento tulit, überzeugt dagegen nicht, da dieses Geschehen außerhalb des üblichen Laufs der Natur steht: Es ist wie die anderen außergewöhnlichen Erscheinungen nach Cäsars Ermordung selbst ein signum, welches anzeigt, daß die Ordnung des Kosmos durch menschliches Handeln gestört ist225. Die Zerstörungen in der Welt des Landmanns, die der Po anrichtet, dürften die Verwüstungen in eben dieser Welt ankündigen, die der Bürgerkrieg verursachen wird (vgl. v.a. 506b-508), insano ... vertice dürfte die Raserei des Krieges spiegeln (vgl. v.a. 511b)226. Dabei führt uns der Po in Vergils oberitalienische Heimat, in die Gegend Italiens also, die am härtesten von den in den Eklogen (9,26-29) und noch in georg. 2,198f. thematisierten Landenteignungen seit dem Ende des Jahres 42 betroffen war. Die besondere Verbundenheit Vergils mit seiner Heimat zeigt auch die herausgehobene Erwähnung des Po am Ende des 221

Vgl. THOMAS ZU 351-463.

222

Vgl. 35lf. (mit 393f.), 373b-374a, 424-426, 438-440 sowie 4 6 M 6 4 a . Vgl. oben S. 51.

223 224

225

THOMAS ZU 3 5 5 .

Vgl. unten S. 58. 226 In Aen. 2,496-499a werden die in das Innere des Palastes des Priamos eindringenden Griechen mit einem spumeus amnis verglichen, der seine Dämme durchbricht und mit seinem Strudel die ihm entgegengesetzten Hindernisse fortspült: fertur in arva furens cumulo camposque per omnis/ cum stabulis armenta trahit. Unmittelbar darauf bezeichnet Aeneas den Neoptolemos als furentem/ caede (ebd. 499bf.).

56

Die Geórgica Vergils

Flußkatalogs in 4,371-373. Dort strömt er - als Flußgott mit einem Stierkopf und vergoldeten Hörnern ausgestattet - violentior als alle anderen Flüsse per pinguia culta ins purpurfarbene Meer. Als weiteres Beispiel für den Nutzen, der aus der Beobachtung der Wetterzeichen erwächst, mag man 454-457 anführen, wo gegen Ende des Abschnittes über die Wetterzeichen aus Sonnenflecken die Folgerung gezogen wird, in der Nacht nicht mit dem Boot aufs Meer hinauszufahren. Dieses Bild des Nichtausfahrenden am Ende der Reihe von Zeichen, die die Sonne für schlechtes Wetter gibt (441-457), wiederum entspricht dem Bild der glücklich Heimkehrenden am Ende des Abschnitts über die Zeichen, mit denen der Mond gutes Wetter ankündigt (432-437; hier 436437). Thomas' Auslegung von 373f. scheint ebenfalls nicht stichhaltig. Denn angesichts der den Abschnitt einleitenden Verse 351-355 wird man 373f. wohl auch so deuten dürfen, daß der Regen den Bauern niemals ohne Vorwarnung schadet, d.h. ohne ihnen Gelegenheit gegeben zu haben, sich auf den Wetterumschwung einzustellen 227 . Entsprechend heißt es in der schon von Heyne 228 verglichenen Einleitung des Abschnitts über die von Sonne und Mond gegebenen Wetterzeichen in 424426: 425

si vero solerti ad rapidum lunasque sequentis ordine respicies, numquam te crastina fallet hora, ñeque insidiis noctis capiere serenae.

Daß auch Thomas' Deutung der einschlägigen Stellen des dritten und vierten Buches nicht zutrifft, wird sich unten zeigen.

227

Der Seemann in 372b-373a hätte nicht ausfahren müssen (vgl. 454-457) und zieht seine Segel zudem, wie MYNORS ZU 370-3 bemerkt, wohl deswegen ein, weil er Böen erwartet. Derselbe verweist zu 373 u.a. auf Apoll. Rhod. 2,1086f., wo die Argonauten, die unter einem Schilddach den Federgeschossen der Vögel des Ares trotzen, mit den Einwohnern einer Stadt verglichen werden, über deren Häusern Zeus einen Hagelsturm niedergehen läßt: ήνται άκην, (π ti ον σφε κατίΧΚαβε χάματος ωρη/ άπροφάτως, άλλά •πριν ίκαρτυναντο μίλαθρον. Vgl. auch schon ebd. 1074, wo die das Schilddach bildenden Argonauten mit einem Mann verglichen werden, der sein Haus mit Ziegeln deckt, δώματος ά·γ\οΰην re και ieroîi ίμμίναι άλκαρ. Gegen PAGE zu 374, der an unserer Stelle bei obfuit "its original meaning 'am in the way, confront'" als "the prominent one" sehen will, verweist HUXLEY ζ.St. mit Recht auf 4,89. TLL 9,263,20ff. findet sich kein Beleg für obesse im neutralen Sinn. Für imprudentibus gegen das ebenfalls überlieferte prudentibus zu Recht MYNORS z.St. 228

HEYNE zu 373. Vgl. auch dens. zu 370.

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Aus den Wetterzeichen werden im folgenden die von Sonne und Mond gegebenen herausgegriffen (424ff.), wobei Vergil in chiastischer Ordnung mit dem Mond beginnt (427-437), um sich dann der Sonne zuzuwenden (438ff.). Beide Abschnitte enthalten wiederum Hinweise auf Ackerbau und Seefahrt. Werden sie in 429 im Rahmen des Abschnitts über die Schlechtwetterzeichen des Mondes (427-431) noch zusammen erwähnt, so werden das Bild der Seeleute, die, nachdem sie ihre Fahrt bei gutem Wetter zu Ende gebracht haben, ihre Gelübde einlösen (436437), am Ende des Abschnitts über die Zeichen, die der Mond für gutes Wetter gibt (432-437), sowie das Bild eines aufgewühlten Meeres, auf das man sich nicht hinauszufahren traut (455-457), am Ende des Abschnitts über die Schlechtwetterzeichen bei Sonnenuntergang (450-457), durch zwei Erwähnungen der Gefahren für Bäume, Saaten, Vieh und Weinstöcke durch Regen bzw. Hagel (441-444 bzw. 445-449) im Abschnitt über die Schlechtwetterzeichen bei Sonnenaufgang (441-449) ausbalanciert. Wie der Abschnitt über den Mond endet auch der über die Sonne mit den Zeichen für gutes Wetter (458-460). Anders als im Fall des Abschnitts über den Mond, wo die Passagen über Zeichen für schlechtes und für gutes Wetter ungefähr gleich lang sind, fällt hier allerdings die Passage über die Zeichen für gutes Wetter wesentlich kürzer und wohl auch weniger anschaulich aus: Wir befinden uns von der Stimmung her bereits im Übergang zum Finale.

1.5. Finale Der Gedanke, vermittels dessen das Finale an den vorausgehenden Abschnitt über die Möglichkeit der Vorhersage von Wetterumschwüngen anknüpft, ist der der Zuverlässigkeit, mit dem die Sonne das Wetter anzeigt, gutes wie schlechtes, und mit der sie oftmals auch drohende Kriege ankündigt, wie auch den Bürgerkriegen nach Caesars Ermordung Zeichen am Himmel, zu Lande und auf dem Meer vorausgingen (46Iff.) 2 2 9 . Thomas sieht zwischen diesem Finale und dem vorangehenden "technischen" Material dasselbe Verhältnis walten wie zwischen der Sturmszene und den ihr voraufgehenden Passagen: "As the storm came unseasonably and in spite of man's precautions, so comes the storm of civil discord; the sun may tell of its coming (though it does so after the fact extincto, 466 ...), but that is of little comfort or aid. By the end of

229

Vgl. falsum in 463 und fallet in 425.

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Georgics 1 the artes of the world of labor have brought man no great advancement." 230 Daß Thomas' Deutung der Sturmszene so nicht zutrifft, wurde bereits gezeigt 231 . Daß er auch in seiner Auffassung des Finales von Buch 1 fehlgeht, soll nun bewiesen werden. Thomas bemerkt natürlich zu Recht, daß die geschilderten Vorzeichen nach der Ermordung Caesars auftraten. Das bedeutet aber, obschon es kleinlich erscheinen mag, darauf hinzuweisen, nicht, daß es vor der Ermordung keine solche Zeichen gab. Ebenso hat Thomas zwar recht, wenn er keinen Hinweis für Vergils Auffassung findet, daß aufgrund der Zeichen die folgenden Ereignisse hätten verhindert werden können 232 . Aber darum geht es hier auch gar nicht, wie Thomas selbst richtig vermerkt: "the utility of signs is no longer a topic". In den Vordergrund gerückt ist vielmehr, wie soeben gesehen, der Gedanke der Untrüglichkeit der gegebenen Vorzeichen. Dabei findet sich unter diesen Vorzeichen auch das Anschwellen des Po, der über die Ufer tritt und auf allen Feldern das Vieh mitsamt den Stallungen fortreißt (481-483a). Thomas bringt, wie schon erwähnt, dieses Bild in Zusammenhang mit dem des Bauern, der, wenn er Zeichen für das Herannahen eines Sturmes entdeckt, seine Tiere in der Nähe der Ställe hält (354bf.), und folgert daraus, daß die Beobachtung von signa letztlich sinnlos sei 233 . Wir haben allerdings auch schon gesehen, daß der Bezugsrahmen an der uns nun beschäftigenden Stelle ein anderer ist: Wie der Waffenlärm, der am Himmel über Germanien zu hören ist (474475a), auf die durch die innere Zwietracht der Römer beförderten Bedrohungen des Reiches von außen vorausweist (509) 234 , so kündigt das Bild des über die Ufer tretenden Flusses die Verwüstungen an, die der Bürgerkrieg in der Welt des Bauern verursachen wird (506b-508). Zugleich bildet es die Tatsache ab, daß die Welt aus den Fugen geraten ist, wie es auch der Ausbruch des Aetna tut (471b-473). Der Sturm, der hier losbricht, hat mit den üblichen Wetterzeichen und Wetterumschwüngen nichts mehr zu tun. Gegen ihn muß Hilfe von anderer Seite kommen. Doch zurück zur Sonne und ihrem Verhalten bei Caesars Tod! Jene zeigte ja auch, so heißt es in 466-468, nachdem Caesar ausgelöscht worden war, ihr Mitleid mit Rom, als sie ihr strahlendes Haupt mit düste-

230

231

zu 463-514. Vgl. oben S. 49ff. THOMAS

232

T H O M A S ZU 4 6 6 .

233

T H O M A S ZU

234

V g l . THOMAS ZU 4 7 4 - 5 .

481-3. Vgl. oben S. 55.

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rem Dunkel bedeckte und das frevlerische Geschlecht ewige Nacht fürchtete: ille etiam cum caput impiaque

exstincto obscura aeternam

miseratus

Caesare

nitidum ferrugine timuerunt

saecula

Romam, texit noctem.

Zum einen ist dies natürlich als eine Ankündigung des Schrecklichen zu verstehen, das auf Caesars Tod folgen sollte. Die Sonne wurde ja eingeführt, insofern sie Zeichen hinsichtlich künftiger Ereignisse zu geben vermag, wobei nach 464bf. insbesondere an bevorstehende Unruhen, Anschläge und Kriege gedacht ist. Die aeterna nox in 468 ist insofern über das konkrete durch die Verfinsterung der Sonne entstehende Dunkel hinaus 235 auch bildlich zu verstehen als das Dunkel der verbrecherischen Bürgerkriege: tot bella per orbem,/ tarn multae scelerum facies (505b-506a). Lucan wird später von dem bei Pharsalos seine Truppen antreibenden Caesar selbst sagen: quacumque vagatur/ ... nox ingens scelerum est (7,567b-571a) und Lucan. 4,244 ist von den Grausamkeiten die Rede, die sich caeca bellorum in nocte ereignen. Des weiteren liegt in aeterna nox die Drohung des völligen Untergangs. Vergil selbst verwendet den Ausdruck im bildlichen Sinne in Aen. 10,746 zur Umschreibung des Todes (in aeternam clauduntur lumina noctem), und Seneca läßt Phaedr. 835 Theseus die Unterwelt als noctis aeternae plagam bezeichnen. Ahnliche Vorstellungen schwangen Jahre vor Vergil wohl mit, als Cicero von der Nacht sprach, in der die Gesandten der Allobroger verhaftet wurden, und ausrief: o nox ilia, quae paene aeternas huic urbi tenebras attutisti! (Flacc. 102)236 Zugleich aber bildet die Verfinsterung der Sonne wohl auch den Vorgang von Caesars Ermordung selbst ab, die ja als ein Ausgelöschtwerden beschrieben wird, wonach ein innerer Zusammenhang zwischen der Ermordung Caesars und dem angekündigten Verderben zu bestehen scheint. Deiot. 15 verteidigt Cicero den Fürsten gegen den Vorwurf, er

235

Für die konkrete Auffassung vgl. die aeterna .../ nox bei Lucr. 5,980f. Ob etwas Ähnliches auch in Ciceros Gedicht über seinen Consulat gestanden hat? Erhalten ist uns immerhin mit Cie. carm. frg. 6 Blänsdorf eine Passage, die von den Zeichen spricht, die den damals im Geheimen von den Catilinariern vorbereiteten Bürgerkrieg ankündigten, wobei es einzelne Übereinstimmungen zwischen Vergil und Cicero gibt, die allerdings nicht viel besagen müssen, da die Prodigien inzwischen nahezu standardisiert waren. Vgl. die auf Livius fußenden Zusammenstellungen bei Iulius Obsequens. Daher darf man wohl auch den Einfluß von Apoll. Rhod. 4,1278-1289 nicht

236

ü b e r s c h ä t z e n (pace THOMAS ZU 4 6 4 - 8 8 ) .

60

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habe Caesar ermorden wollen, mit dem dem Hinweis, welche Grausamkeit dazu gehört hätte, omnium gentium atque omnis memoriae clarissimum lumen exstinguere231, und nat. deor. 2,14 heißt es vom Tod des jüngeren Africanus in Ausdeutung des Prodigiums der Doppelsonne: quo quidem anno P. Africanus sol alter exstinctus est. Phil. 10,12 wiederum wird Brutus von Antonius unterschieden mit dem Hinweis: eam legem sibi statuerat, ut, quocumque venisset, lux venisse quaedam et spes salutis videretur13*. Vergil beschreibt Caesars Ermordung als die Auslöschung eines Lichts und meint damit wohl auch das Verlöschen einer Hoffnung auf Rettung vor dem Verderben der Bürgerkriege. Bemerkenswert scheint, daß exstinguere vor der Aeneis bei Vergil sonst nur noch in ecl. 5,20 zu finden ist, wo es den vorzeitigen Tod des jugendlichen 239 Daphnis bezeichnet, exstinctum steht dabei offenbar überschriftartig Candidus in 56 gegenüber, welches auf die Vergöttlichung (bzw. Verstirnung) des Daphnis verweist 240 . Es ist seit der Antike immer wieder und m.E. zu Recht - vermutet worden, daß hinter dem Tod und der Apotheose des Daphnis die Ermordung und Verstirnung Caesars stehen 241 . So möchte mir das exstincto an unserer Stelle nahezu als Selbstzitat erscheinen. Auch der Tod des Daphnis führt übrigens zu Vorwürfen an die Adresse der Götter, zur mitfühlenden Klage der Natur sowie zur Verödung des Landes. An die Stelle der hoffnungsvollen Apotheose des Caesar/Daphnis tritt im Finale des ersten Buches der Geórgica allerdings etwas anderes. Doch zunächst zur Bedeutung des Ausdrucks impia ... saecula in 468. Zu Recht hat Heyne die Charakterisierung der Zeitläufte als impia zunächst einmal auf die unmittelbar zuvor erwähnte Ermordung Caesars bezogen 242 . Zugleich dürfte dieses Epitheton aber auch auf die Bürger-

237

Vgl. Catil. 3,24 (RICHTER/EBERHARD z.St. geben lumina mit "die Sterne" wieder), Phil. 2,51, Balb. 34, Manil. 11 (mit Trag. Adesp. frg. 128 N 2 ) und Tac. ann. 2,37,1. 238 Hör. sat. 1,7,24-26 preist Persius den Brutus als solerti Asiae, dessen Freunde als stellas salubres, während er seinen Gegner als Hund(sstern) apostrophiert. 239

V g l . PAGE z . S t .

240

V g l . P A G E z u 5 6 u n d C O L E M A N ZU 5 6 - 7 s o w i e C L A U S E N ZU 5 6 - 7 u n d 5 6 .

241

Vgl. COLEMAN am Ende seines Kommentars zu ecl. 5. Natürlich darf man die Lieder des Mopsus und des Menalcas nicht als reine Allegorien deuten, wie CLAUSEN in der Einleitung zu seinem Kommentar zu ecl. 5 in Anm. 4 hervorhebt; daß sie auch auf Zeitgeschichtliches Bezug nehmen, muß man andererseits wiederum deshalb doch keineswegs ausschließen. 242

HEYNE zu 4 6 6 .

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kriege gehen, deren Opfer Caesar geworden war (vgl. Mars impius243 in 511), und insgesamt den Charakter der Zeit bezeichnen, aus dem Mord und Bürgerkrieg erwachsen. Die Mißachtung der pietas ist auch bei Catull Zeichen der gesunkenen Zeit. So heißt es zu Beginn der Schlußpassage von Catull. 64, die Götter hätten hilfreich die unbefleckten Häuser der Heroen besucht, nondum spreta pietate (386), und am Ende der Liste von Verbrechen, die für die neue Zeit kennzeichnend sind, wird die Mißachtung der pietas in einem zweifachen emphatischen impía noch einmal herausgestrichen (403f.). Catull dürfte, wie Buchheit gesehen hat 244 , auch im Hintergrund stehen, wenn es in 505 von dem eversum ... saeclum aus 500 heißt: fas versum atque nefas. Catull. 64,405f. heißt es ja, omnia fanda nefanda malo permixta furore hätten die Götter dazu gebracht, ihren gerechten Sinn von den Menschen abzuwenden. Letzteres ist bei Catull die Antwort darauf, daß diese die Gerechtigkeit aus gierigem Sinn verjagt haben und die Erde scelere est imbuía nefando (397f.). Als erstes konkretes Beispiel führt Catull das Vergießen von Bruderblut an: perfudere manus fraterno sanguine fratres (399). In 491f. spricht Vergil von dem Boden Nordgriechenlands, der in den Bürgerkriegsschlachten von Pharsalos und Philippi mit Römerblut getränkt worden sei 245 . Das allgemeine scelere vom Anfang wird bei Catull im scelerare am Ende der Aufzählung konkreter Beispiele in 404 wieder aufgegriffen. Darauf dürfte sich Vergils tarn multae scelerum facies in 506a beziehen 246 . In Vergils Darstellung verbindet sich also die Vorstellung von den Schrecken des Eisernen Zeitalters mit den Erfahrungen der jüngsten römischen Geschichte 247 .

243

Bürgerkrieg als Verstoß gegen die pietas: ecl. 1,70; Aen. 6,612f. (die arma impía in Aen. 12,31 sind solche, die entgegen den Verpflichtungen des Gastrechts ergriffen werden); Hör. carm. 1,2,29; 2,1,5; 30; 3,24,25f. Mars impius zur Abgrenzung gegenüber Mavors bei Catull. 64,394? 244

V g l . BUCHHEIT 1 9 6 6 , 8 3 .

245

Dieser Bezug scheint mir näher zu liegen als der von BUCHHEIT 1966, 83 zu 510 hergestellte, zumal angesichts der Wiederaufnahme des Catullverses in 2,510, auf die Buchheit selbst verweist (vgl. unten S. 154). 246

247

S o r i c h t i g BUCHHEIT 1 9 6 6 , 8 3 .

THOMAS zu 468 hebt die Gestaltung des Verses in der Art eines von Catull gerne eingesetzten versus aureus hervor (vgl. PAGE z.St. und THOMAS ZU 117) und verweist zu impia auf Hör. epod.16,9; 63-66 und zu saecula auf ecl. 4,5; Aen. 1,291; 8,325 (vgl. noch Catull. 64,22). Zu impia wäre v.a. noch georg. 2,537 zu nennen. Vgl. auch Hör. carm. l,3,23f. und das unten S. 64ff. zum Bild Octavians Gesagte. Ov. met. 1,149 dürfte auf Catull zurückgreifen. Hinter ferrugine in 467 eine Anspielung auf das Eiserne Zeitalter zu vermuten, wie THOMAS z.St. dies tut, geht aber wohl zu weit. Zugrundeliegen dürfte

62

Die Geórgica

Vergils

Daß die impia ... saecula nun eine ewige Nacht fürchten, hängt, wie gesagt, sicher über die Verfinsterung der Sonne hinaus mit der Auslöschung der Hoffnung zusammen, die Caesar darstellte. So wird man auch die im Folgenden genannten Zeichen teils als Hinweise auf künftiges Geschehen, die aus Caesars Tod erwachsenden Bürgerkriege, teils aber wohl auch als Hinweise darauf deuten, daß die Ordnung der Welt durch die Ermordung Caesars gestört worden ist. Buchheit hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die Römer das Auftreten derartiger Prodigien als Hinweis auf eine Störung der pax deum betrachteten 248 , ergo in 489 dürfte daher doch mehr bedeuten als "angesichts dieser Vorzeichen war es nicht verwunderlich, daß", obwohl das gewiß die zuoberst liegende Bedeutung ist. Darunter liegt aber der Gedanke, daß diese Bürgerkriege sich aus dem Wesen der Zeit ergaben, daß sie eine Folge der gestörten pax deum waren. Letzteres wird bestätigt durch die Verse, die auf 489f. unmittelbar folgen und mit ihnen gedanklich aufs engste verbunden sind: nec fuit indignum superis249 bis sanguine nostro Emathiam et latos Haemi pinguescere campos.

Die Götter haben zumindest nicht eingegriffen, als die Römer sich das Leid zufügten, zu dem sie selbst mit Caesars Ermordung den Grund gelegt hatten. Die Frage, ob die Bürgerkriege aufgrund der Vorzeichen hätten verhindert werden können, scheint in diesem Zusammenhang nicht sehr sinnvoll. Die Frage muß vielmehr lauten, ob gegen den bereits angerichteten Schaden Abhilfe zu schaffen ist. Die Antwort wird Vergil etwas weiter unten geben. Zunächst arbeitet er nachdrücklich das Perverse des Geschehens heraus, indem er es der Welt der Geórgica kontrastiert. Das Bild vom Blut, welches Emathia und die weiten Felder zu

Catull. 64,222ff., wo der um Theseus fürchtende Aigeus zu diesem bei dessen Ausfahrt nach Kreta sagt, er werde nicht zulassen, daß er fortunae signa secundae führe: inde infecta vago suspendant lintea malo,/ nostros ut luctus nostraeque incendia mentis/ carbasus obscurata dicet ferrugine Hibera (Aen. 9,582, wo ferrugine ... Hibera sich mit ganz anderer Konnotation noch einmal findet, gehört zu einem von ZWIERLEIN für unecht gehaltenen Abschnitt). Im Falle des Erfolges solle er funestam ... vestem durch candida ... vela ersetzen. Vgl. auch Aen. 6,303 (mit L S D J und A U S T I N z.St.) und Ov. met. 15,789. 248

V g l . BUCHHEIT 1 9 6 6 , 7 9 m i t A n m .

249

Zum Ausdruck vgl.

MYNORS

5.

zu 491.

Erstes Buch

63

Füßen des Haemus250 düngt, weist dabei voraus auf das vom Landmann, der dort einmal beim Pflügen auf rostige Waffen und Knochen stoßen wird (493-497) 251 . Daß die Welt auf dem Kopf steht, das saeclum in der Tat, wie es in 500 heißt, ein eversum ... saeclum ist, wird dann in 505ff. noch einmal mit ähnlichen Bildern wie in 489-497 ausgeführt: der Ackerbau liegt darnieder, die Bauern sind für den Krieg abgezogen, Sicheln werden zu Schwertern umgeschmiedet. Angesichts der bisher erkennbar gewordenen Bedeutung von Catull. 64 für das Finale des ersten Buches der Geórgica darf man wohl wirklich mit Buchheit vermuten, daß Vergil bei der Abfassung dieser Verse an Catull. 64,35-42 gedacht hat, wo beschrieben wird, wie ganz Thessalien nach Pharsalos zum Hochzeitsfest von Peleus und Thetis aufbricht und darüber die Landwirtschaft unterbleibt. Zusätzlich zu den von Buchheit festgestellten Entsprechungen zwischen Catull. 64,35-42 und 505-514 252 mag man darauf verweisen, daß die thessalischen Bauern dort zusammenströmen, wo eine der Bürgerkriegsschlachten, auf die Vergil Bezug nimmt, stattfinden sollte. In derselben Gegend wird dann später, so stellt Vergil sich vor, ein Bauer mit seinem Pflug an die Überreste der Kämpfer der Bürgerkriege stoßen, auf ihre Geschosse, die von Rost zerfressen sind - Catull. 64,42 überzieht er die zurückgelas-

250

Beide Ortsangaben zusammengenommen bezeichnen grob Nordgriechenland, den Bereich, den Philipp II. beherrschte und den später die römischen Provinzen Makedonien und Thrakien umfaßten. In 493 heißt es dann auch ganz unbestimmt finibus Ulis. Vgl. MYNORS zu 491 (Emathia in 4,390 dürfte allerdings enger zu fassen sein). 251 Abgesehen von den rostzerfressenen Wurfgeschossen, sind die hohlen Helme und die Knochen alles, was übrigbleibt: Der Rest hat den Boden gedüngt (vgl. LSDJ und CONINGTON zu 496). grandia soll die Bürgerkriegsschlachten wohl kaum aufwerten: Irgendwann werden von den in den Bürgerkriegen sich so heftig Befehdenden nur noch grandia ... ossa übrigsein (einen etwas anderen Klang hat das ossa peremptorum ... immania regum in der Imitation bei Claud. 21,137). Zu mirabitur treffend RICHTER zu 493ff.: "Sein (d.h. des Bauern) mirari ist nicht Anerkennung eines höheren Ranges, sondern das naive Erstaunen vor dem Ungeheuerlichen, das einer fremden und vergangenen Welt angehört." Ebensowenig sollen die Verse 493-497 wohl Ausdruck der Hoffnung sein (pace CONINGTON zu 493, RICHTER ZU 493ff. und MYNORS ZU 493-7): Vielmehr greift das Bild des Bauern, der beim Pflügen auf die Überreste der Kämpfer von Philippi und Pharsalos stößt, wie gesagt, auf das vorangegangene Bild von der Düngung der weiten Felder Nordgriechenlands mit Römerblut zurück. Hoffnung schwingt auch in der Nachahmung durch Horaz in carm. 1,2,21-24 nicht mit. Vgl. auch Hör. carm. 2,1,29-31: quis non Latino sanguinepinguior/ campus sepulcris impiaproelia/ testatur ... ? 252

Z u r ü c k h a l t e n d MYNORS ZU 5 0 5 .

64

Die

Geórgica

Vergils

senen Pflüge - 253 , und ihre gewaltigen Knochen. Die Welt, die Vergil im ersten Buch der Geórgica beschreibt, ist als Folge der Bürgerkriege aus den Fugen geraten. Die Hilfe für sie muß gleichfalls von außen kommen. Zwischen den Bildern der aus den Fugen geratenen Welt in 489-497 und 505ff. steht die Bitte an die Schutzgötter Roms, wenigstens den jungen Octavian nicht davon abzuhalten, dem eversum ... saeclum zu Hilfe zu kommen 254 . Hier spricht sich in euphemistischer Formulierung die Angst aus, Octavian selbst könne dem Bürgerkrieg wie zuvor Caesar und unzählige andere zum Opfer fallen 255 : Schon längst habe man genug mit Römerblut für das meineidige Troja des Laomedon gebüßt, schon längst mißgönne die Königsburg des Himmels Octavian den Menschen und beklage sich darüber, daß der sich um Triumphe von Menschen bekümmere, da bei denen ja Recht und Unrecht verkehrt seien. Es dürfte Octavian geschmeichelt haben, daß ihm die Bereitschaft und die Fähigkeit zugeschrieben werden, die aus den Fugen geratene Welt zu retten, und daß er in diesem Zusammenhang zum Schutzbefohlenen der Götter Roms erklärt wird. Daß diese den wünschenswerten Beistand bislang nicht geleistet haben, schwingt ebenfalls mit 256 . So bezeichnet Horaz in seiner Adaption des Finales des ersten Buches der Geórgica Vesta auch als minus audientem/ carmina (carm. l,2,26b-28). Unmittelbar zuvor wird in audiet pugnas vitio parentum/ rara iuventus "with Horatian economy"257 auf die Entvölkerung Italiens durch die

253

Der Gegensatz liegt hier wohl zwischen dem schweren Pflug mit seiner durch ständigen Einsatz glänzenden Schar (vgl. 43-46 und oben S. 5-8) und den von Rost zerfressenen Geschossen. Explizit wird der Kontrast im folgenden im Fall der schweren Hacken, die an die leeren Helme stoßen. Beide Geräte, vomis et inflexi ... grave robur aratri und iniquo pondere rostri, wurden 160ff. unter den arma der duri agrestes genannt. Vgl. auch Tib. l,10,49f.: pace bidens vomerque nitent at tristia duri/ militis in tenebris occupât arma situs. 254 Die Einrahmung des Gebets zu Recht hervorgehoben von BUCHHEIT 1966, 78. 255 Die bisherigen Deutungsversuche werden bei MYNORS zu 500 einer Prüfung unterzogen. Er selbst faßt saltern im Sinne von "da der Bürgerkrieg nun schon einmal ausgebrochen ist". Dabei könnte er sich durchaus auf Aen. 6,371 berufen. Der unmittelbar vorausgehende Hinweis auf den Blutzoll der Bürgerkriege, der dann in 501 aufgegriffen wird (vgl. sanguine nostro in 491 und 501), läßt mir allerdings die oben skizzierte Deutung plausibler erscheinen. 256 Somit lag BARWICK 1935, 271 immerhin nicht ganz falsch. 257 NISBET/HUBBARD z.St. Hes. Op. 228 wird der Frieden, den Zeus der gerechten Stadt schenkt, im Unterschied zum Krieg, der die ungerechte heimsucht, als κονροτρόφος bezeichnet.

Erstes Buch

65

Bürgerkriege angespielt (carm. l,2,23f.; zugleich handelt es sich natürlich um eine Umsetzung von 493-497 258 ). Mit everso ... saeclo in 500 vergleiche man die impia ... saecula, die in 468 nach Caesars Ermordung ewige Nacht fürchteten 259 . In den folgenden Versen wird die Bitte an die Götter bzw. die Angst um das Leben des jungen Octavian begründet, weswegen nach ne prohíbete ein Doppelpunkt und kein Punkt stehen sollte. Dabei scheint iam pridem in 503 das in 501 anaphorisch aufzunehmen. Man sollte daher zwischen die beiden Sätze weniger ein Semikolon (schon gar nicht einen Punkt) als vielmehr ein Komma setzen. Beide beziehen sich auf die Bürgerkriege: Sie haben schon längst genug Römerblut gekostet, um alle Frevel der Vergangenheit zu sühnen, und schon längst auch den einzigen in Gefahr gebracht, der nach Caesars Ermordung - nicht ohne Grund wird Octavian selbst als Caesar angeredet - Rettung bringen kann 260 . Dies wird allerdings in 503ff. wie schon in 498ff. euphemistisch-schmeichelhaft ausgedrückt: hominum ... curare triumphos,/ quippe ubi fas versum atque nefas in 504-505b entspricht dem everso ... succurrere saeclo in 500. Die Wendung, die Götter mißgönnten Octavian den Menschen und beklagten sich, daß er sich zu sehr um Triumphe bei diesen sorge, bei denen doch Recht und Unrecht verkehrt seien 261 , rückt Octavian selbst in die Nähe der Götter. Er könnte wie zuvor Caesar zu den Göttern abberufen werden 262 . Octavian rückt dabei in die Stellung von

258

So richtig BARWICK 1935, 271.

259

Oben S. 58. 260 Vgl. BUCHHEIT 1966, 81; ebd. 80f. Bedenkenswertes zur Deutung des invidet. Im Unterschied zu BUCHHEIT 1966, 81 Anm. 5 halte ich allerdings einen Streit darüber, ob "die tiefe Sorge, in einer so verwirrten Zeit müsse man für Octavians Leben fürchten", oder der Gedanke, "daß ein Mann, der für die Götter bestimmt ist, nicht lange in einer so zerrütteten Welt verweilen wird", im Vordergrund steht, für überflüssig. 261 Diese gedankliche Verbindung stellen mit Recht HEYNE ZU 503, CONINGTON ZU 498514, HUXLEY ZU 503-5 und MYNORS ZU 504 her. Anders offenbar THOMAS in seiner

Paraphrase zu 503-5 ("'For long now has heaven begrudged us your presence, Caesar, complaining that you care for triumphs among mortals (which you are compelled to do), inasmuch as right and wrong are inverted among them (i.e. among mortals).'" (Hervorhebung von mir)), obschon er selbst auf Hör. carm. 1,2,45-49 als Parallele verweist. 262 So scheint auch Manilius das mit der Ermordung Caesars beginnende und mit dem von Schilderungen der aus den Fugen geratenen Welt umgebenen Gebet um die Erhaltung Octavians endende Finale des ersten Georgicabuches verstanden zu haben, als er zum Abschluß seiner Darstellung der durch Kometen angezeigten Bürgerkriege nach Caesars Tod am Ende des ersten Buches der Astronomica schrieb: sit pater invictus patriae, sit Roma sub ilio, / cumque deum caelo dederit non quaerat in orbe. Den letzten Vers hat HOUSMAN z.St. treffend gedeutet: "quoniam deum caelo dedit, C. Iulio Caesare inter

66

D i e Geórgica

Vergils

Aidos und Nemesis bei Hesiod bzw. von Parthenos/Dike bei Ar at, die angewidert vom Treiben der Menschen als letzte der Himmlischen die Erde verlassen. Diese Deutung wird bestätigt durch die Nachahmung unserer Stelle bei Horaz, der carm. 1,2,41-44 zunächst erwägt, ob vielleicht der erhoffte göttliche Retter vor dem durch Vorzeichen angedrohten Untergang bereits auf Erden weile und Merkur die Gestalt eines iuvenis angenommen habe und sich als Rächer Caesars bezeichnen lasse, und dann fortfährt (45-52) 263 : 45

serus in caelum laetus

intersis

redeas

neve te nostris odor tollat: 50

vitiis

Quirini, iniquum

aura

hic magnos

potius

hic ames dici pater neu sinas Medos te duce,

diuque

populo

atque

equitare

triumphos, princeps, inultos

Caesar.

Kiessling/ Heinze verweisen zu Recht auf Arat. 133 264 . Während die erste Aussage allerdings noch an die Götter adressiert war, formuliert Vergil die zweite an Octavian gewendet 265 . Dadurch wird die Erläuterung des Ausdrucks everso ... saeclo aus 500 in 505ff. zugleich eine Aufforderung an Octavian, diesem auch wirklich zu Hilfe zu kommen und auf der eingeschlagenen siegreichen Bahn voranzuschreiten. Darin liegt allerdings ebenso die Hoffnung, daß Octavian dazu in der Lage sein werde 266 . Man darf sich in diesem Zusammenhang durch iuvenem in 500 wohl auch an die erste Ekloge erinnert fühlen, in der Tityrus von dem iuvenis erzählt, dem er in Rom begegnete und der ihm den Fortbestand seiner

superos relato, deum in terris quaerere ac desiderare ne cogatur, sed praesente fruatur Augusto." 263 Eine Entsprechung, die bereits HEYNE ZU 503 vermerkt hat. Zum Verhältnis zwischen dem Finale des ersten Buches der Geórgica und Hör. carm. 1 , 2 vgl. N I S B E T / H U B B A R D 16f. 264 KIESSLING/HEINZE zu 47. So auch NISBET/HUBBARD z.St., die bemerken: "Horace pictures Octavian as leaving the earth in disgust, like Astraea (Iustitia) in the old legend." Während Kiessling/Heinze zu vitia auf κακότητος in Arat. 121 verweisen, sehen Nisbet/Hubbard darin hauptsächlich eine Bezugnahme auf die Bürgerkriege. Das lohnt jedoch nach dem oben Ausgeführten keinen Streit. 265 Auch deswegen, weil der Name dessen, auf den mit hunc ... iuvenem hingewiesen wird, erst jetzt fällt, dürfen die Einschnitte in 501 und 502 nicht zu stark sein. 266

V g l . PAGE u n d MYNORS z u 5 0 4 .

Erstes Buch

67

bisherigen Existenz garantierte und den er dafür als Gott bezeichnet. Im Finale des ersten Buches der Geórgica scheint allerdings eher das ausschließliche Wirklichkeit geworden zu sein, was in der ersten Ekloge Folie für das Glück des Tityrus gewesen war, die leidvolle Situation um ihn herum, exemplifiziert an der des aus seiner Welt vertriebenen Meliboeus. Dort hieß es: undique totis/ usque adeo turbatur agris (IIb-12a), und später: impius haec tarn culta novalia miles habebit,/ barbarus has segetes. en quo discordia civis/ produxit miseros (70-72a). Statt auf die Landverteilungen als Folge des Bürgerkriegs blicken wir in den Geórgica nun auf den Bürgerkrieg selbst: saevit toto Mars impius orbe (51 lb). Und als seine Folge wird nun nicht nur ein Teil der bisherigen Siedler durch mit Land zu versorgende Soldaten ersetzt, vielmehr verödet das Land völlig, und Pflugscharen werden zu Schwertern (506b-508). Der Ersatz des Pfluges als Mittel des Lebensunterhalts durch die KdKoepyòv ... μάχαιραν/ άνοόίην fiel bei Arat. 129ff. mit dem Entstehen des Ehernen Geschlechts und der Flucht der Parthenos/Dike in den Himmel zusammen 267 . Weit entfernt sind wir von der märchenhaften Welt, auf die Vergil in der vierten Ekloge hoffte. Statt von ihrer beständigen Furcht befreit zu werden (ecl. 4,14), fürchten die Menschen nun ewige Nacht (468). Anstelle der Tilgung der letztenpriscae vestigia fraudis (ecl. 4,31), kündigen die Vorzeichen nun gerade fraudem an (465). Ahnlich steht es mit den sceleris vestigia nostri aus ecl. 4,13: 506 werden nun die tarn multae scelerum facies beklagt. Statt daß sich auf der ganzen Welt ein Goldenes Geschlecht erhebt (ecl. 4,9), wütet auf dem ganzen Erdkreis Bürgerkrieg (511). Die saecula sind impia (468). Auf dem Erdkreis, den der Knabe nach seiner Befriedung patriis virtutibus lenken sollte (ecl. 4,17), herrschen nun zahllose Kriege (505). Und statt daß die Ummauerung der Städte überflüssig wird (ecl. 4,32b-33a), erheben diese Waffen gegeneinander (510-51 la). An Stelle der Freude über das kommende saeclum (ecl. 4,52) tritt nun die Klage über den Zustand des gegenwärtigen (500). Am Ende steht das Bild des aus den Startboxen hervorbrechenden und von Runde zu Runde an Geschwindigkeit gewinnenden Gespanns, welches dem Wagenlenker nicht mehr gehorcht, als Gleichnis für den auf dem ganzen Erdkreis rasenden Bürgerkrieg. Während man in dem aus den Startboxen hervorbrechenden Gespann ein Bild für den entfesselten Bürgerkrieg sehen wird, dürfte man unter dem Wagenlenker, dem die Kon267

Die Verse antworten bei Arat auf 108-114. Vergil wird auf beide Passagen in 2,536540 zurückgreifen. Vgl. unten S. 141-143.

68

Die Geórgica Vergils

trolle entglitten ist, nach dem Gebet in 498ff. wohl kaum mit Servius Octavian verstehen 268 . Wenn man ihn überhaupt identifizieren will, wird man wohl am ehesten an das saeclum aus 500 und dahinter an die impia saecula aus 468 denken269: Hat man den Bürgerkrieg einmal begonnen, dann entwickelt er sich nach seinen eigenen Gesetzen. Vergleichbar mit dem Bild in 51 lbff. ist das der rasenden, aus der Unterwelt entlassenen Tisiphone, die von Tag zu Tag ihr Haupt höher emporreckt, aus der Pestschilderung im Finale des dritten Buches270. Wie die Schilderung der norischen Seuche aber dazu dient, die Warnung vor den Gefahren einer Pest zu unterstreichen, so dient das Bild am Ende des ersten Buches dazu, die Dringlichkeit der Erhaltung Octavians zu betonen 271 und die an ihn gerichtete Bitte um Hilfe hervorzuheben. Gleiches gilt, wenn man das Bild des Ruderers am Ende des ersten Großteils des ersten Buches vergleicht272. Auch dieses diente, wie gesehen, dazu, die Aufforderung zu beständigem Sichmühen zu unterstreichen. Eine schöne Entsprechung bietet wieder Hör. carm. 1,2. Dort heißt es in Vers 25-26a: 25

quem vocet divum populus imperi rebus? ...

mentis273

Auf diese Frage antwortet bei Horaz dann schließlich das soeben zitierte Gebet an Merkur/Octavian. Wenn bei Vergil das Gebet um die Erhaltung Octavians umgeben ist von Beschreibungen der aus den Fugen geratenen und immer rascher und unkontrolliert dem Verderben zurasenden Welt, so liegt in der Bitte, den Menschen diesen iuvenis zu belassen, und der Wendung an ihn doch auch die Hoffnung auf Rettung. Die Spannung zwischen ihr und dem sie umgebenden Bild des drohenden Untergangs verweist den Leser auf das Folgende: Noch sind die Geórgica ja nicht zu Ende.

268

Serv. georg. 1,512. CONINGTON zu 498-514 spricht von "humanity" als der Entsprechung zum Wagenlenker. PAGE zu 511 hebt die Verknüpfung von 51 lb und 512ff. durch orbe am Ende von 511b hervor. 270 Vgl unten S. 198f.; 203; 205. saevit aus 511 findet sich in 3,551 wieder, in spatia in 513 entspricht in dies in 3,553.

269

271

Vgl. BUCHHEIT 1966, 81 und unten S. 188.

272

Diese Verbindung stellt THOMAS 1,18, zu 199-203 und zu 512-514 her. Vgl. oben S.

26f. 273 Vgl. Hör. epod. 16,2 (suis ... ipsa Roma viribus ruit.) und auch georg. l,199f. (... sic omnia fatisi in peius ruere ...).

2. Zweites Buch 2.1. Vorbemerkung Das zweite Buch der Geórgica wurde lange als das helle und optimistisch gestimmte Gegenstück zum ersten betrachtet. So meinte Klingner: "Bei allem Glauben, allem Trost tritt im ersten Buch doch das Weltleid hervor, das des Trostes bedürftig ist, wenigstens in den Anfangsteilen, die den ersten Eindruck bestimmen, und dann wieder im Finale. Im zweiten herrscht ein beinahe paradiesischer Aspekt. ... Widerstrebt die Natur im ersten Buch dem Menschen, so schenkt sie sich im zweiten." 274 Diese Deutung ist jüngst v.a. durch Thomas in Zweifel gezogen worden. Im zweiten Buch geht es seiner Ansicht nach wie im ersten (und dritten) um das Problem des menschlichen labor. Dieser sei im Unterschied zu den anderen beiden Büchern im zweiten Buch zwar äußerlich erfolgreich, jedoch seien es hier nun eben gerade "the nature or quality of that success which Virgil calls into question, as well as the desirability of the products of the labor"215. Für eine solche Deutung müssen nun allerdings die drei laudes des Buches, die laudes Italiae, die laudes veris und die laudes vitae rusticae, zum Problem werden. Und so widmet Thomas ihnen auch besondere Aufmerksamkeit. Wir werden im folgenden Thomas' Deutung der beiden bekanntesten dieser laudes, der laudes Italiae sowie der laudes vitae rusticae, einer Prüfung unterziehen. Erweist sie sich als nicht stichhaltig, so verliert damit auch seine Deutung des zweiten Buches insgesamt an Überzeugungskraft. Unsere eigene Sicht des zweiten Buches wird im Zusammenhang mit der Behandlung dieser Einzelpassagen, v.a. im Zusammenhang mit der der laudes vitae rusticae, deutlich werden.

274

KLINGNER 1967, 227. Vgl. auch WILKINSON 1969, 85 zum Übergang vom ersten zum zweiten Buch: "To turn from the end of Book 1 to the beginning of Book 2 is like waking up from a nightmare on a fine morning." 275

THOMAS 1 , 1 9 .

70

Die Geórgica Vergils

2.2. Die laudes Italiae Im Kern der von Thomas vorgetragenen Deutung der laudes Italiae steht die Behauptung, Vergil erwecke in ihnen durch Anklänge an die vierte Ekloge zwar den oberflächlichen Eindruck, in Italien sei das Goldene Zeitalter verwirklicht, tue dies jedoch nur, um diesen Anspruch implizit zu widerlegen, indem er zum einen bestimmte Züge aus der Goldzeitvorstellung auf Italien übertrage, die mit der italischen Wirklichkeit nicht übereinstimmten, und zum anderen auf bestimmte Züge der italischen Wirklichkeit anspiele, die der Goldzeitvorstellung widersprächen. Dabei benutze Vergil die ethnographische Tradition als Folie, um durch Abweichen von ihr bestimmten Punkten eine größere Prominenz zu verleihen 276 . Es ist also zu untersuchen, ob und wie Vergil das historische Italien in den laudes Italiae zur Goldzeitvorstellung in Beziehung setzt, und zu prüfen, ob Vergil dieses Bild durch die übrigen Aussagen der laudes Italiae in Frage zu stellen versucht. Zunächst ist allerdings nach dem Zusammenhang zu fragen, in dem die laudes Italiae stehen. Dabei fällt auf, wie sorgsam Vergil den Leser bereits im vorausgehenden Abschnitt auf diesen "Exkurs" 277 einstimmt. Er geht aus von dem Gedanken, daß nicht alle Gegenden alles hervorbringen könnten: nec vero terrae ferre omnes omnia possunt (109). Dieser Gedanke ist bereits aus l,50ff. bekannt 278 . Der Ausdruck erinnert an Lucr. l,165f., wo Lukrez der Vorstellung, etwas könne aus nichts entstehen, als einer Quelle der Götterfurcht u.a. mit dem Hinweis begegnet: nec fructus idem arboribus constare sole rent,/ sed mutarentur: ferre omnes omnia posseni219. Vergil zieht hier eine deutliche Grenze gegenüber der märchenhaften Goldzeit, von deren Rückkehr er in der vierten Ekloge träumte, hieß es in ecl. 4,39 doch: omnis feret omnia tellus. Als Beweis für seine Behauptung nennt Vergil in georg. 2,110-113 zunächst Landschaftsformen, Böden, WitterungsVerhältnisse, die bestimmte Gewächse begünstigen bzw. die von bestimmten Gewächsen bevorzugt werden. In 114-116a weitet sich der Blick, er umfaßt die Enden der Erde:

276 277 278 279

Vgl. THOMAS 1982,39 und 49 sowie THOMAS ZU 136-76. Zur Problematik des Begriffs vgl. HORSFALL 1995, 75-77. Vgl. oben S. 9. Zu Entprechungen im Bereich der Fachschriftstellerei vgl. LSD zu 109.

Zweites Buch

115

71

aspice et extremis domitum cultoribus orbem Eoasque domos Arabum pictosque Gelonos: divisae arboribuspatriae. ...280

Zugleich verengt er sich jedoch; denn nun geht es um bestimmte Herkunftsländer. Dabei werden die für diese eigentümlichen Produkte zunächst noch nicht näher bezeichnet. Anschließend werden dann aber verschiedenen Ländern bestimmte charakteristische Hervorbringungen zugeordnet. Allerdings sind die nun genannten Länder nicht gar so verschieden; denn es sind alles solche des Ostens: Als einziges Land bringe Indien schwarzes Ebenholz hervor, allein den Sabaeern eigne die Weihrauchstaude (116b-117). Bei der Nennung der wohlriechenden Balsam ausschwitzenden Bäume und der Beeren des immergrünen Akanthus in 118-119 dürfte Vergil an Syrien und Ägypten gedacht haben281. Märchenhaft und kostbar sind die Erzeugnisse 282 , und der Dichter scheint ganz von ihnen erfaßt. Er nennt die von weicher Wolle schimmernden Haine der Äthiopier und die zarten Vliese, welche die Serer von den Blättern ihrer Bäume kämmen (120121). Schließlich widmet Vergil sich ausführlich den Zitrushainen Mediens (126-135) 283 . Hier kommt allerdings nun ein etwas anderer Ton

280

Vgl. KLINGNER 1967, 230f. Vgl. THOMAS zu 118-9. 282 Vgl. FISCHER 1968, 118f. Schon Herodot gesteht den am Rande des Erdkreises gelegenen Gegenden zu, sie brächten τά κάλλιστα δοκβοντα ήμϊιι tifai και στανιώτατα hervor (3,116,3). 283 Die Verse 122-125 werden wohl mit Recht von ZWIERLEIN athetiert ( H E Y N E hielt im Apparat zu 125 bereits den letzten dieser Verse für verdächtig). Es erscheint schwer vorstellbar, daß Indien nach der Erwähnung in 116b-l 17a nun noch einmal genannt werden sollte, und dann auch noch, ohne daß die es auszeichnende Hervorbringung genauer bezeichnet würde (pace THOMAS ZU 122). Die hohen Bäume, die hier ohne eine nähere Bestimmung genannt werden, passen auch schwer in die Reihe der sinnlichen Hervorbringungen, die den Ländern des Ostens in 116a-121 und 126-135 zugeschrieben werden: das schwarze Ebenholz aus Indien, der Weihrauch der Sabaeer, der von duftendem Holz ausgeschwitzte Balsam, die Beeren des immergrünen Akanthus, die von weicher Wolle weißlich schimmernden Haine der Äthiopier, die zarten Vliese, welche die Serer von den Blättern kämmen, der herbe Saft und lange Nachgeschmack der Zitrone Mediens. aut quos ...? bildet nach dem doppelten jeweils zweizeiligen und (in leicht unterschiedlicher Weise) jeweils zweigeteilten quid tibi referam ... ?/quid ... ? eine etwas müde Fortsetzung, zumal mit dem Nachsatz et gens illa quidem ... Durch gerit in 122 wird zudem fert in 126, welches a u f f e r t in 117 zurückgreift und so gleichsam einen Rahmen bildet, einiges an Wirkung genommen. Auch daß der Gedanke von den Enden der Erde, der in 114 ausgesprochen worden ist und bedeutungschwer am Ende der laudes Italiae in 17 lf. wieder aufgegriffen wird (unter gleichzeitiger Bezugnahme auf die Inder 281

72

Die Geórgica Vergile

hinein; denn die Hervorbringung Mediens wird als wirksames Gegenmittel bei Vergiftungen eingeführt. Damit wird zugleich die Vorstellung von den zahlreichen Giften wachgerufen, für die der Osten berühmt war 284 . Medien nahm in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Stellung ein, sollte sein Name sich doch von der Tatsache herleiten, daß Medea in diesem Land Zuflucht gesucht hatte, nachdem sie ihren Stiefsohn Theseus in Athen vergeblich zu vergiften unternommen hatte 285 . So werden dem Leser nicht nur die Reichtümer des Ostens vor Augen geführt, sondern er wird zugleich auch schon sachte auf die Schrecknisse eingestimmt, die diesen Ländern in den laudes Italiae zugeschrieben werden. In 136-139 werden dem Leser die Aussagen aus 114-135 auf anderer Ebene noch einmal vor Augen gestellt: sed ñeque Medorum silvae ditissima terra nec pulcher Ganges atque auro turbidus Hermus laudibus Italiae certent, non Bactra neque Indi totaque turiferis Panchaia pinguis harenis.

136 schließt dabei mit der Nennung der Medorum silvae ditissima terra286 gut an die in 126-135 behandelten Zitronenbäume Mediens

aus 138; vgl. unten S. 109f.), nun während der Aufzählung noch einmal wiederholt werden sollte, mutet merkwürdig an. 284 Von 140-142 auf diese Verse zurückblickend meint Ross 1987, 113-116, Vergil wolle zeigen, "that there is in the monstrous and unnatural East the antidote itself for its own (traditional) evil". Freilich dürfte auch in 140-142 Medea dem Dichter vor Augen gestanden haben, über Giftkräuter spricht er jedoch erst in 152. Im übrigen darf man die Reihenfolge der Aussagen doch wohl nicht so willkürlich vertauschen, wie Ross dies tut. 285

Vgl. GEISAU 1969, 1127 und CZECH 1936, 30 Anm. 1. Vgl. auch Ov. met. 7,404-

424. Auch in einer heute verlorenen Tragödie des Ennius scheint Medea nach Athen gekommen zu sein. Vielleicht folgte Ennius dabei den Spuren des Euripides (vgl. JOCELYN 342ff.). 286

Es ist wohl mit HEYNE z.St., V o s s 325f., JAHN, YONGE, FORBIGER, SIDGWICK und

MYNORS z.St. Medorum, silvae ditissima, terra abzutrennen, und nicht, wie CONINGTON, PAGE, WILLIAMS und THOMAS z.St. wollen, Medorum silvae, ditissima terra (Conington will silvae merkwürdigerweise als Apposition zu terra auffassen). Schon Manilius hat ja wohl Medorum und terra bzw. silvae und ditissima verbunden, wie seine Imitation in 4,754 (et mollis Arabas, silvarum ditia regna) zeigt. Medorum greift Medi aus 134 auf, und Medorum ... terra entspricht Media in 126. Vgl. auch patriae in 116 und terrae in 109. Im Blick auf das Folgende steht Medorum ... terra in einer Reihe mit Ganges, Hermus, Bactra, Indi, Panchaia. silvae ditissima steht dagegen parallel zu pulcher, auro turbidus und turiferis ... pinguis harenis oder auch zu divisae arboribus in 116, nur ist jetzt der Baumbestand ein Kriterium unter anderen. Der Ausdruck nemora Aethiopum in 120 ist dagegen nur eine sehr schwache Stütze für die Verbindung von Medorum und

Zweites Buch

73

an 287 . Auch sonst scheint die Liste der in 136-139 genannten Länder die der 114-135 angeführten zu spiegeln 288 . Der märchenhafte Reichtum des Ostens wird deutlich hervorgehoben und gleichzeitig nicht mehr nur an der Hervorbringung eines Strauches oder eines Baumes festgemacht, sondern an einem Fluß, der Gold mit sich wälzt 289 . "Hier ist die Kostbarkeit des Morgenlandes noch entschiedener herausgetrieben und mit einem umfassenden Blick über Baum und Strauch hinaus auf Gold und unbestimmt angedeutete Herrlichkeiten überhaupt erstreckt."290 Im Schlußvers über die märchenhafte Weihrauchinsel Panchaia291 mit seiner doppelten Alliteration und seinem weichen Klang kommt noch einmal das märchenhaft Sinnliche und Weichliche der Welt des Ostens zum Ausdruck292. Das Gewicht liegt dabei nun ganz auf dem Land, welches durch seine Hervorbringungen charakterisiert wird. Eine Andeutung der hier vorgenommenen Charakterisierung fanden wir bereits in 1,57b, wo es hieß, die molles ... Sabaei exportierten sua tura, wobei es durch die Sperrung von molles und Sabaei zu einer aussagekräftigen Zusammenstellung von molles und sua kam 293 . Hier nun werden ausdrücklich die Länder des Ostens mit Italien verglichen: Mit ihm können sie an Ruhm nicht wetteifern294. Dabei

silvae. Durch diese entstünde zudem eine merkwürdige Spannung zwischen der sehr spezifischen Formulierung Medorum silvae und dem unbestimmten Zusatz ditissima terra. 287

V g l . HEYNE u n d CONINGTON z u 136. M i t l e i c h t e r E i n s c h r ä n k u n g MYNORS ZU 136.

288

V g l . FISCHER 1 9 6 8 , 13f. Ä h n l i c h s c h o n CZECH 1 9 3 6 , 3 0 .

289

pulcher, das Epitheton, welches 137 dem Ganges beigelegt wird, mag natürlich einfach eine Entsprechung zu dem im Griechischen gebräuchlichen Flußepitheton καλός sein (vgl. KLENZLE 1936, 86). Gerade im vorliegenden Zusammenhang könnte man jedoch auch an das nach Plin. nat. 33,66; 37,200 vom Ganges mitgeführte Gold und Edelgestein denken (so DE LA CERDA und wohl auch MARTYN z.St.). Zu Bactra in 138 vgl. RICHTER zu 136ff. 290

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 3 1 .

291

V g l . RICHTER ZU 1 3 6 f f .

292

Vgl. MCKAY 1972, 153: "The doubly alliterative line ... compounds and accents the exotic aspects of the east. " 293 Vgl. oben S. 1 If. 294 Während ERREN laudibus Italiae certent durch "können mit dem Lob Italiens wetteifern" wiedergibt (ähnlich LEACH 1988, 156: "may contend with the praises of Italy"; auch KS 1,319 scheinen diese Ansicht zu vertreten), bevorzuge ich mit THOMAS ZU 138 die gewähltere Auffassung von laudibus als ablativus respectus oder limitationis (vgl. KS l,392f.) und von Italiae als "Dativ des Vergleichs nach griechischer Manier" (RICHTER ZU 138; vgl. KS 1,319). Vgl. TLL 3,895,9-20, wo sich mit [Sen.] Here.O. 1807 eine exakte Parallele findet: videre natum laude certantem Iovi. Bei dieser Auffassung treten die genannten Länder des Ostens in eine unmittelbare Auseinandersetzung mit Italien.

74

D i e Geórgica

Vergils

wird Italien allerdings zunächst noch ganz unbestimmt über die Länder des Ostens gestellt. Ein Vergleich Italiens mit anderen Ländern, v.a. eben solchen des Ostens, findet sich auch bei Varrò rust. 1,2,3-7, wo Italien durch die Qualität und Menge seiner landwirtschaftlichen Hervorbringungen eine Vorrangstellung einnimmt. Auch bei Dion. Hal. l,36,2f. wird Italien über alle übrigen Länder gestellt und v.a. mit solchen des Ostens verglichen, die sich jeweils lediglich durch ein Einzelnes auszeichnen, wie z.B. durch eine bestimmte Fruchtsorte oder durch guten Ackerboden, während Italien sowohl hervorragendes Ackerland als auch reiche Baumbestände wie auch guten Weidegrund als auch eine reizvolle und vielfältigen Nutzen gewährende Landschaft aufzuweisen hat. Ganz allgemein räumt Plin. nat. 37,201f. Italien einen Vorrang vor allen übrigen Ländern ein: Alles scheint hier vorzüglicher als anderswo 295 . Auch Griechenland wurde von denen, die es priesen, gerne über die übrigen Länder gestellt. So wird Hdt. 3,106,1 die Eukrasie Griechenlands den Schätzen der Länder am äußersten, v.a. östlichen Rand der Welt gegenübergestellt. Formal verweist die σύγκρισις 296 in 136-139 auf die Nähe der laudes Italiae zur epideiktischen Beredsamkeit 297 : laudibus in 138 bereitet den Leser auf ein Enkomion vor. Im folgenden findet sich nun keine reine Aufzählung der Vorzüge Italiens; vielmehr bleibt der Vergleich mit dem Osten gegenwärtig. So wird in 140-142 als erstes von Italien ausgesagt, daß es von den Schrekken frei ist, welche "die Kehrseite der Wunder und Kostbarkeiten" 298 ausmachen, die sich in den Ländern des Ostens finden: 140

haec loca non tauri spirantes naribus ignem invertere satis immanis dentibus hydri,

U n e n t s c h i e d e n MYNORS z . S t . 295

Der zweite Platz wird 203 exceptis Indiae fabulosis Spanien vor Gallien eingeräumt. Vgl. LAUSBERG 542f. 297 Vgl. SCHMIDT 1930, 80. Was die ebd. 80f. vorgenommene Gliederung der laudes Italiae nach den Kategorien φύσις (140-154) und θίσις (158-172) betrifft - mit einem Abschnitt von drei Versen als Übergang (155-157) -, so sei darauf hingewiesen, daß die beigezogene Stelle aus der Rhetorik des Menander (344,15ff.) diese Einteilung nicht stützt. Menander faßt nämlich unter θίσις nicht nur die Frage, wie das zu preisende Land zum Meere liege, sondern auch die Frage nach der Klimazone, in welcher sich das zu preisende Land befinde (344,19-30). Zum zuletzt genannten Punkt äußert sich Vergil allerdings schon in 149 (vgl. unten S. 84ff.). Und unter φύσις fällt für Menander nicht nur die Fruchtbarkeit des zu preisenden Landes, sondern auch die Gestalt seiner Landschaft und sein Wasserreichtum (344,31-345,4). Und diese beiden letztgenannten Punkte berührt Vergil in 156f. bzw. 159f. (vgl. unten S. 9Iff.). 296

298

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 3 1 .

Zweites Buch nec galeis densisque

virum seges horruit

75 hastis.

Auch dies wurde, wie wir sahen, in 109-135 bereits vorbereitet. Verwies Vergil dort indirekt auf Medien als das Land der Gifte und auf die Zauberin Medea 2 9 9 , so geht es nun um die "schrecklichen Abnormitäten, von denen ... die Iason-Sage weiß" 300 : feuerschnaubende Pflugstiere und eine Drachensaat 301 , aus der waffenstarrende Krieger emporwachsen 3 0 2 . Durch dieses Bild von der entstellten Landwirtschaft des Ostens bereitet Vergil zugleich auf das Gegenbild der gesunden Landwirtschaft Italiens vor: "... the myth has the poetic function of leading the reader blindfold into a splendid antithesis." 303 Anstatt besät mit Drachenzähnen von Helmen und Lanzen zu starren, tragen die Äcker in 143f. eine Fülle von Getreide, und anstelle von feuerschnaubenden Stieren findet sich dort strotzendes Vieh: sed gravidae fruges et Bacchi Massicus umor implevere; tenent oleae armentaque laeta.

"If he (sc. Vergil) had contrasted his description of Italy with the initial survey of eastern riches (136-139), his argument for Italian superiority would hardly have seemed compelling. By introducing it directly after

299

S. oben S. 71f.

300

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 3 1 .

301 Zu den verschiedenen Möglichkeiten, satis immanis dentibus hydri aufzufassen, vgl. Wagner bei HEYNE im Apparat zu 141, PAGE ZU 141 und KS 1,757-759. Eine Deutung in dem Sinn, daß die Saat zunächst ausgebracht und dann durch Einpflügen mit Erde bedeckt worden sei (vgl. georg. 1,213, Varrò rust. 1,29,2 und Plin. nat. 18,180), kommt angesichts der gängigen Darstellung des Mythos bei Apoll. Rhod. 3,1330-1339 oder Ov. met. 7 , 1 1 8 - 1 2 2 wohl kaum in Frage. Bei Wagner, der satis immanis dentibus hydri als Dativ faßt, scheint mir der Ausdruck letztlich noch am besten in den Gesamtsatz eingebunden zu sein: "sententia haec est: invertere loca dentibus hydri - seil, serendis - quales ab Iasone satos aeeepimus." 302 Den Verzicht auf die Nennung von Namen mag man als hellenistische Manier deuten. Er führt aber auch zu einer Verallgemeinerung der Sage, so daß "it symbolizes the quintessence of all that is most to be feared and avoided" (WILLIAMS 1968, 425). Vgl. unten S. 168 zur Unterdrückung der Namen bei der Bezugnahme auf den Mythos von Hero und Leander in 3,258ff. 303 WILLIAMS 1968, 425. Schon von daher ist es keineswegs "perplexing", wie PUTNAM 1979, 105f. schreibt, daß Vergil gerade "the metamorphosis of a serpent's fangs into men equipped with helmets and thick spears" auswählt (Varrò von Atax hatte soeben, worauf MILES 1980, 121 aufmerksam macht, die Argonautika des Apollonios Rhodios ins Lateinische übertragen). Nur wenn man den Zusammenhang außer Acht läßt, kann man zu der Annahme gelangen, Vergil wolle hier sagen, "that Italy contains no miraculous (i.e. false) features" (THOMAS ZU 140-4).

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Die Geórgica

Vergils

references to Aeetes' perverted agriculture, he has defined the contrast as one between the exotic and essentially corrupt riches of the east and the wholesome fruitfulness of Italy." 304 Die Zusammengehörigkeit der durch sed einander gegenübergestellten Versgruppen 140-142 und 143f. betont Vergil durch die gedankliche Wiederaufnahme des haec loca aus 140, welches in 144 sowohl zu implevere als auch zu tenent zu ergänzen ist, durch die Stellung des invertere und des implevere in 141 und 144, deren Positionen im jeweiligen Vers einander entsprechen 305 , und wohl auch durch die gleiche metrische Struktur von 140 und 143. Die Aussage der Verse 136-144 ist also: Die märchenhaften Reichtümer des Ostens in 136-139 sind nur eine Seite der Medaille. Auf ihrer Kehrseite finden sich Schrecken wie die, von denen in 140-142 die Rede ist. Demgegenüber ist vorzuziehen, was Italien ausmacht: eine gesunde Fülle an einfachen Dingen. Hier spitzt sich die Gegenüberstellung zu, die sich bereits in 1,54-59 andeutete 306 . Dieser Hintergrund darf bei der Deutung von 145-148 nicht außer Acht gelassen werden: 145

hinc bellator equus campo sese arduus inferi, hinc albi, Clitumne, greges et maxima taurus victima, saepe tuo perfusi flumine sacro, Romanos ad templa deum duxere triumphos.

So verweist 145 in der Tat stolz auf die kriegerischen Vorzüge Italiens (vgl. v.a. arduus). Aber das Bild dieses stolzen Rosses unterscheidet sich denn doch von dem der aus Drachenzähnen geborenen, waffenstarrenden Krieger des Ostens. Es ist eine Hervorbringung des mit gesunden landwirtschaftlichen Erzeugnissen angefüllten Italiens: haec loca aus 140, welches ja auch in 143f. zu ergänzen ist, wird in hinc in 145 wie auch in hinc in 146 aufgenommen, und die Bemerkungen zu Kriegsroß und Opferstier in 145-148 bilden eine nähere Ausführung zur Erwähnung der armenta laeta in 144 307 . Das gleiche gilt natürlich für den Stier, der

304

305

MILES 1 9 8 0 ,

123.

OKSALA 1978, 115 Anm. 4 nennt diese Entsprechung als ein Beispiel für die "besonders klangreiche Sprache" der laudes Italiae. 306 Vgl. oben S. l l f . 307 S. Anm. 381. THOMAS' Bemerkung zu 145-8, der Einsatz von Tieren im Kriege werde hier in einem Maße betont, "not represented in the treatment of lifestock in Book 3 (the war horse is mentioned at 83-94, while sacrificial animals receive four words, aut aris servare sacros, 160)", kann so nicht stehengelassen werden; denn in 3,49-283 wird bei der Behandlung der Pferde den im Krieg eingesetzten nicht weniger Beachtung

Z w e i t e s Buch

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die römischen Triumphe zu den Tempeln der Götter hinaufführt. Mit ihm haben die feuerschnaubenden Stiere des an Kostbarkeiten reichen Ostens wenig gemein 308 . Auch mit der in 146 genannten Landschaft verbindet sich anderes als mit Kolchis, dem Ort der Ereignisse, auf die in 140-142 angespielt wird: Die Anrede des Clitumnus scheint "affectionate in tone" 309 . Vor allem aber wird in 146-148 die Frömmigkeit der Römer in feierlichem Ton hervorgehoben (man beachte das an Ennius gemahnende saepe tuo perfusi flumine sacro in 147 310 und die klangliche Gestalt von 148: Romanos ad templa φmm ¿uxere triumphos)311: Die Siege Roms entspringen dem Frieden mit den Göttern312. Dies ist das Gegen-

geschenkt als den für das Wagenrennen vorgesehenen. In 49-51 werden allgemein Rinder und Pferde einander gegenübergestellt. In 72-122 geht es dann um Zuchtwahl. Bei der Behandlung der jungen, für die Zucht geeigneten Pferde scheint Vergil ein für den Kriegsdienst bestimmtes vorzuschweben (75-94; man beachte v.a. 83). Im Zentrum der Passage, die vor verbrauchten, zur Zucht ungeeigneten Tieren warnt (95-122), steht die Beschreibung eines Wagenrennens (103-112). In 123-137 wird die Pflege der zur Zucht vorgesehenen Tiere behandelt. In 179-208 rückt die Aufzucht sowohl der für den Kriegsdienst als auch der für das Wagenrennen bestimmten Pferde ins Blickfeld (man beachte v.a. 179-181 und 202-204), und in 209-211; 250-254 und 266-283, wo es um die Wirkung der caeci stimuli amoris geht, findet keine Unterscheidung statt. Dazu, daß das Pferd im Altertum v.a. im Krieg und im Rennsport und erst spät und dann in geringem Ausmaß mit unedlen Kaltblutrassen auch als Arbeitstier Verwendung fand, vgl. RICHTER 1972. Daß das Rind als Opfertier im dritten Buch der Geórgica nur kurz erwähnt wird, hängt damit zusammen, daß es keine besondere "Erziehung" benötigt wie das Rind, welches für den Ackerbau bestimmt ist. 308

Vgl. MILES 1980, 123: "... the spirited war-horse and the gleaming white bulls of Italy are more noble beasts than the fire breathing bronze bulls of Colchis." 309 THOMAS ZU 146-7, wo weitere entsprechende Stellen aus den laudes Italiae gesammelt sind. Hinzuzufügen wäre natürlich noch salve ... Saturnia tellus aus 173. Zur Erwähnung der idyllischen Landschaft am Clitumnus bemerkt MCKAY 1972, 154f. mit Recht: "a marked contrast ... with Jason's locale". Vgl. Plin. epist. 8,8. 310

311

V g l . THOMAS ZU 146-7.

Vgl. MILES 1980, 123: "As the account of Aeetes' agriculture implies a judgement on Eastern civilization, so the war horse and the sacrificial bulls which ascend to the gods' temples in celebration reflect the piety, valour and patriotism of the Italians." Es ist absurd, den Hinweis auf den Opferstier, der den Triumphzug zu den Tempeln hinaufführt, mit der von Vergil am Ende des Buches in 536f. aufgegriffenen Bemerkung Arats in Zusammenhang zu bringen, die gottlosen Menschen des Ehernen Zeitalters hätten als erste ihre Pflugstiere geschlachtet, um sie zu verzehren (vgl. unten S. 141). So allerdings Ross 1987, 117. 312 Vgl. ZANKER 1987, 189: "Seit alters hatten sich die Götter Roms in den 'gerechten' Kriegen engagiert. Ein großer Sieg war immer ein Zeichen dafür, daß die Beziehungen zwischen der res publica und ihren Göttern gut waren. Eine Niederlage dagegen zeigte religiöse Versäumnisse an."

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bild zu den aus einer gestörten pax deum erwachsenden Bürgerkriege aus dem Finale des ersten Buches 313 . Klingner gibt eine treffende Deutung der Verse, wenn er meint, nach Vergil sei die Lebensfülle der Natur "in den Erträgnissen, ja im ganzen Wesen des Morgenlandes in äußersten Grenzfallen, im Mirakulosen verschwendet, ins Maßlose getrieben, im Land der Mitte aber ohne alles einseitige Übermaß gesammelt, in menschengemäßer Weise so vereint, daß höchstes menschliches, staatliches, geschichtliches Dasein daraus hervorgehen kann"314. Das Bild vom pervertierten Ackerbau des Aetes findet seine Entsprechung in 151-154: at rabidae tigres absunt et saeva leonum semina, nec miseros fallunt aconita legends, nec rapit immensos orbis per humum neque tanto squameus in spiram tractu se colligit anguis.

Zugleich findet sich hier allerdings auch ein deutlicher Anklang an das Bild vom Goldenen Zeitalter. Ganz ähnlich heißt es ja in ecl. 4,22ff.: ... nec magnos metuent armenia leones, [ipsa tibi blandos /undent cunabula flores. ]315

313

S. oben S. 62.

314

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 3 2 .

315

Auch Vergils Bezugnahme auf diese Stelle in den Geórgica läßt erkennen, daß es sich bei ecl. 4,23 nur um eine nachträgliche Einfügung handeln kann. Will man den Vers als vergilisch retten, so wird man ihn mit GEYMONAT hinter 20 versetzen, fundet statt fundent lesen und annehmen müssen, daß er zunächst durch einen Augensprung von ipsa zu ipsae in 21 ausgelassen, anschließend entweder mit einem kritischen Zeichen versehen sofort dort eingefügt wurde, wo er heute in den Handschriften steht, oder vorerst am Rande nachgetragen und erst später nach dem mit ipsae beginnende Verspaar an falscher Stelle wieder eingefügt worden ist, wobei dann auch fundet in fundent geändert wurde. CLAUSEN zu 23 hat gegen die Umstellung, die weder MYNORS noch COLEMAN auch nur als Möglichkeit nennen, viererlei geltend gemacht. Sein erster Einwand ("ipsae (21) extends the the idea of spontaneity from inanimate nature (18 'nullo ... cultu') to animals and ought not to be seperated from 11.18-20 further") läßt sich noch ergänzen um den Hinweis, daß der in fundet aus 20 liegende Gedanke der Fülle in distenta in 21 auf die Tierwelt übertragen wird. Wie die Erde (tellus am Ende von 19) ohne Pflege zusammen mit Baldrian ringsum wuchernden Efeu und mit strahlendem Akanthus durchmischte Wasserrosen in Fülle sprießen lassen wird, so werden die Ziegen (capellae am Ende von 21) von selbst ihre mit Milch prall gefüllten Euter nach Hause tragen. Der zweite Einwand ("ipsa followed so closely and emphatically by ipsae in a different sense would surely be very akward" (Hervorhebung von mir)) sticht natürlich nur, wenn man an fundent festhält. Es fragt sich allerdings, ob dieser Einwand nicht auch gegen den Vers an seiner überlieferten Stelle erhoben werden könnte. Immerhin bilden die beiden vorausgehenden Verse eine festgefügte Einheit. Der vierte Einwand, daß die syntaktischen und lautlichen Entsprechun-

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occidet et serpens, et fallax herba veneni occidet. ... Vergleicht man die beiden Passagen allerdings etwas genauer, so stellt man fest, daß Vergil in den Geórgica eine Reihe von bemerkenswerten Veränderungen gegenüber der vierten Ekloge vorgenommen hat. Die erste besteht, auch wenn es kleinlich erscheinen mag, darauf hinzuweisen, darin, daß in den Geórgica die Existenz von Löwen und Tigern negiert wird, während es in den Eklogen hieß, die Herden würden die Löwen nicht mehr fürchten müssen 3 1 6 . Zweitens wurde in der vierten Ekloge ganz allgemein das Verschwinden von Giftkräutern angekündigt, in den Geórgica jedoch spricht Vergil von der Abwesenheit eines ganz bestimmten Giftkrautes, nämlich des Aconitum. Zum dritten schließlich betont Vergil in den Geórgica bei dem Hinweis auf die Abwesenheit von Schlangen deren Größe, während es in den Eklogen um das Verschwinden aller Schlangen ging 3 1 7 . Es scheint bemerkenswert, wie behutsam Vergil bei der Übernahme der genannten Züge aus der Goldzeitvision der vierten Ekloge in die laudes Italiae der Geórgica vorgegangen ist 3 1 8 . Gerade hier soll sich Vergil jedoch nach Thomas absichtlich in Widerspruch zur Wirklichkeit Italiens gesetzt haben, um zu zeigen, daß

gen, die CLAUSEN ZU 22-3 zwischen 23 und dem vorangehenden Vers feststellt, darauf hindeuteten, daß jener im Zusammenhang mit diesem entstanden sei, weist in eine andere Richtung, daß es sich nämlich bei ecl. 4,23 um das Werk eines Interpolators handelt. Man wird den Vers daher mit ZWIERLEIN ZU athetieren haben, der dabei einem mündlichen Vorschlag M. Deuferts folgt. Versetzt man ihn hinter ecl. 4,18-20 und ändert fundent in fundet, wirkt er, abgesehen davon, daß er dem Folgenden einiges an Wirkung nimmt, wie ein schwacher Abklatsch des Vorangehenden, beläßt man ihn, wo er steht, fügt er sich erst recht nicht dem Zusammenhang. Einen weiteren Einwand gegen seine Beibehaltung an der überlieferten Stelle liefert CLAUSEN selbst in der Appendix zu ecl. 4 in Anm. 9. Seine letzte Zuflucht wirkt nicht gerade sonderlich überzeugend: "A certain oddness, a difficulty, may indicate an imperfect imitation, and Virgil evidently had some trouble arranging his unconventional cradle." 316 Diesen Unterschied vermerkt auch THOMAS zu 151-2. 317 THOMAS ZU 153-4 scheint einen Zirkelschluß zu begehen, wenn er aus dem Anklingen von ecl. 4,24 in 153f. zunächst folgert, Vergil verdeutliche hier den Anspruch auf die uneingeschränkte Verwirklichung der Goldzeit in Italien, und dann meint, in 153f. müsse von der Abwesenheit aller Schlangen die Rede sein, da dies nach ecl. 4,24 ein Zug des Goldenen Zeitalters sei. 318 Daß die Motive aus ecl. 4,22ff. in 151-154 "umgestaltet und ihres märchenhaften Charakters entkleidet" werden, hat bereits WIFSTRAND SCHIEBE 1981, 25 (vgl. ebd. 3235) erkannt. Die von Vergil in 151-154 gegenüber ecl. 4,22ff. vorgenommenen Veränderungen übersieht KUBUSCH 1986, l l l f . Ebd. 113 werden allerdings auch bedenkenlos 149-154 und 1,129-132 zusammengestellt.

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dieses Land alles andere als das Land des Goldenen Zeitalters sei. Jedoch weiß Thomas bereits zu 151-152a nichts Rechtes zu sagen; denn die Behauptung Yergils, daß es in Italien keine Löwen und Tiger gebe, trifft ja zweifellos zu. Und so muß Thomas zu der Feststellung Zuflucht nehmen, daß auch andere Länder so gesegnet seien319 und dieser Zug ein reines Cliché darstelle 320 , wobei er übersieht, daß in den laudes Italiae Italien nicht irgendwelchen Ländern, sondern denen des Ostens gegenübergestellt wird. Und in der Tat ist das Vorkommen des Tigers in der Antike bezeichnend für "Asien, d.h. für die Alten Indien, Persien, und 'Hyrkanien' s. des kasp.Meeres" 321 , während der Löwe im Altertum charakteristisch ist "für N.-Afrika (einschl. Äg.), Äthiopien, ganz Vorderasien (einschließlich Arabien), Persien, Baktrien und Indien" 322 . Wichtig ist nicht, daß auch andere Länder frei von Löwen und Tigern sind, sondern daß es sie in den Ländern des Ostens gibt und in Italien nicht. Auch Plinius hebt in seinen laudes Italiae die tarn innoxii saltus (nat. 3,41) und die ferorum animalium innocentia (nat. 37,201) hervor. Die Freiheit von wilden Tieren wird bei Plat. Menex. 237d übrigens auch an Attika gerühmt 323 . Vergils Behauptung nec miseros falluni aconita324 legends (sc. in Italia) aus 152b hat bereits den antiken Erklärern Kopfzerbrechen bereitet. So bemerkt Servius: mira arte usus est (sc. Vergilius), ut excusaret rem, quam negare non potuit; nam aconita nascuntur in Italia: sed non ea obesse dicit, quia sunt omnibus nota,325 Zu dieser gewundenen Erklärung sah man sich wohl durch eine Bemerkung des Dioskurides, des

319

S o THOMAS ZU 151-4.

320

So THOMAS 1982, 41. Auch Ross 1987, 117 gibt zu, daß Vergils Behauptung der Wahrheit entspricht, meint dann aber kaum überzeugender als Thomas: "In the first stage of Virgil's reversion to the Saturnian Age, however, herds will no longer fear great lions (Eel. 4,22), which is why they are absent from Italy here" (Hervorhebung von mir). 321 RICHTER 1975, 825. Die folgende Bemerkung: "trotz Verg. Aen. 4.367 ... und vielen anderen röm. Dichterstellen mit willkürl. geogr. Epitheta", ist allerdings überraschend, da Vergil gerade Aen. 4,367 von Hyrcanae ... tigres spricht. Sonst kennt Vergil Tiger in Armenien (ecl. 5,29), Indien (Aen. 6,805), allerdings wohl auch in Libyen (georg. 3,245249). Hinsichtlich der Tiger am Strymon (georg. 4,510) vgl. HEYNE, LSDJ und CONINGTON z.St. 322

323

RICHTER 1 9 6 9 , 7 0 4 .

Darauf macht DE LA CERDA z.St. aufmerksam. Zum Plural vgl. TLL 1,419,75-80. 325 Serv. georg. 2,152. Noch BAUCK 1919, 21 verweist zustimmend auf Servius, wobei er jedoch fälschlich auch in Plin. nat. 27,4 einen Hinweis auf das Vorkommen von Aconitum in Italien sieht. Mit fallunt in 152 vgl. fallax in ecl. 4,24. 324

81

Zweites Buch

"berühmteste(n) Pharmakologe(n) des Altertums" 326 , veranlaßt, ÙKÒVLTOV erepov komme überaus reichlich in den sogenannten Vestinischen Bergen vor (4,77). Diese Behauptung wurde auch wörtlich in die medizinische Anthologie des Oreibasios übernommen (11 s.v.). Neuzeitliche Interpreten haben die Aussage des Dioskurides zwar nicht angezweifelt 327 , aber darauf hingewiesen, daß Italien im Vergleich mit den Ländern des Ostens immer noch vergleichsweise arm an Aconitum gewesen sei, und gemeint, entweder habe Vergil von dem italischen Aconitum nicht gewußt oder er habe es vernachlässigen können 328 : "The shade and exactitude of Linaeus are anomalous in such a rhapsodic eulogy!" 3 2 9 Dagegen meint Thomas, Vergil spreche hier absichtlich eine offensichtliche Unwahrheit aus 330 . Wagler wies jedoch bereits 1893 daraufhin, άκόνιτον sei "eine von verschiedenen Autoren in durchaus verschiedenem Sinne gebrauchte Bezeichnung für eine giftige Pflanze, weshalb größte Vorsicht bei der Interpretation der diesbezüglichen antiken Stellen angebracht ist" 331 . Und in der Tat bescheinigt Dioskurides das reichliche Vorkommen in den Vestinischen Bergen ja einem ά,κόνηον tjepov, welches durchaus von der sonst als Aconitum bezeichneten Pflanze zu unterscheiden ist, die er selbst kurz zuvor behandelt (4,76) und deren Beschreibung der des σκόρπιος oder des θηΚΰφονον bei Thphr. HP 9,13,6; 18,2 332 und der des Aconitum bei Plin. nat. 27,4-10 333 entspricht. Nach Abbe handelt es sich bei der letztgenannten Pflanze möglicherweise um das heutige Doronicum austriacum 334 . Wieder eine eigene Art scheint das Aconitum bei Thphr. HP 9,16,4-7 darzustellen, welches nach Abbe heute möglicher-

326

KUDLIEN 1 9 6 7 , 9 1 .

327

Vgl. V o s s 332 sowie RICHTER und CONINGTON z.St. 328 Vgl. V o s s 332 und RICHTER z.St. Auch bei PUTNAM 1975, 172 und dems. 1979, 109 wird noch eingeräumt, Vergil habe von dem Vorkommen des Aconitum in Italien möglicherweise nicht gewußt. 329

MCKAY 1972,

156.

330

So THOMAS ZU 152, w o unzutreffenderweise behauptet wird, auch Dioskurides habe sich ausdrücklich auf Vergil bezogen und diesen auf dieselbe Art wie Servius zu verteidigen versucht. Auch R o s s 1987, 117 reiht 152 unter die angeblichen Lügen Vergils ein. An anderer Stelle läßt Thomas Vergil poetische Ungenauigkeiten übrigens durchaus durchgehen: vgl. dens. zu 374 und 380-96. 331

WAGLER 1 8 9 3 ,

332

Vgl. SPRENGEL zu Thphr. HP 9 , 1 3 , 6 . Vgl. ABBE 1965, 192. Vgl. auch das thelyphonon

333

1178.

25,122. 334

S o ABBE 1 9 6 5 , 191 f.

bzw. scorpion

bei Plin. nat.

82

Die Geórgica Vergils

weise unter dem Namen Doronicum caucasicum bekannt ist. Was das bei Dsc. 4,77 betrifft, so ist es keineswegs unwahrÒÌKÒVLTOV ërepov scheinlich, "that Dioscurides knew of the aconites by repute only and mistook another plant for one of them"335. Das Aconitum jedenfalls wird, wenn, dann im Osten lokalisiert, vornehmlich im Gebiet der Mariandy ner um das bei Heraklea am Pontus gelegene Akonai, wo es nach einer in der Antike verbreiteten Ursprungssage aus dem zu Boden getropften Geifer des von Herakles aus der Unterwelt entführten Kerberos entstanden sein soll 336 . Es wird also wiederum deutlich, daß es die Länder des Ostens sind, denen Italien hier gegenübergestellt wird. Vergil tut dies, indem er eine ganz bestimmte, nur im Osten vorkommende Spezies eines Übels 337 , wenn auch eine besonders prominente338, nennt, da er das Vorhandensein des Übels allgemein in Italien nicht verneinen kann. Einen ähnlichen Weg beschreitet Properz, wenn er in seiner Adaption unserer laudes Italiae für Italien nicht das Vorkommen von Schlangen im allgemeinen, wohl aber die Existenz der im Osten verbreiteten Hornviper leugnet (3,22,27) 339 . Vergil wiederum legt besonderes Gewicht auf die Größe 335

ABBE 1965, 192.

336

Vorkommen des Aconitum nördlich und östlich des schwarzen Meeres: Herodor. FGrHist 115 F 181a-c, Thphr. HP 9,16,4 (πλείστον Sì και άριστον. Theophrasts Bemerkung φύεται δε πανταχού και ουκ έν ταϊς ' Ακόναις μόνον, άφ' ων εχει την προση-γορίαν muß man wohl im Rahmen der vorangegangenen Lokalisierung auf Kreta, Zakynthos und Heraklea am Pontos sehen. Vielleicht verdanken wir den Hinweis auf einen weiteren Ort aber auch einem Mißverständnis; denn der Name des άκόνιτον wurde ja auch von ai άκόναι - cantes abgeleitet: Man beachte das folgende φι\εϊ 6i μάλιστα τους πετρώδεις τόπους), Euph. 40f. van Groningen, Nie. Alex. 12-15; 41f. mit Scholion, Str. 12,3,7, Ov. met. 7,406-419, Plin. nat. 6,4 (vgl. Sol. 43,1); 27,4, Dion. Per. 788-792, Auson. 345,9-11 p. 163; aufKreta: Thphr. HP9,16,4, Lucan. 4,322f.; auf Zakynthos: Thphr. HP 9,16,4; während Plin. nat. 8,100 allgemein über die Verwendung des Aconitum bei der Pantherjagd der Barbaren spricht, nennt Sol. 17,9 ausdrücklich die Hyrcani. Daß das Scholion zu Nie. Alex. 41 das Vorkommen von Aconitum auch beim argivischen Hermione und böotischen Tanagra belegt, halte ich anders als GRUPPE 1918, 1079 und BÖMER ZU Ov. met. 7,408 keineswegs für sicher. Vgl. auch WAGLER 1893, 1181: "Für ganz besonders reich an giftigen Kräutern galten ... im Altertum die Küstenlandschaften des Schwarzen Meeres, in erster Linie Bithynien, Pontus und Kolchis." Entsprechend heißt es ecl. 8,95f. ja auch: has herbas atque haec Ponto mihi lecta venena/ ipse dédit Moeris (nascuntur plurima Ponto). 337 aconito meint nicht "herbas omnes ... veneno imbutas" (DE LA CERDA), und bedeutet auch nicht einfach "venenatae plantae" (HEYNE zu 151-154), "poisonous herbs" (CONINGTON zu 152) oder "Giftkräuter" (WAGLER 1893, 1179). 338 339

Plin. nat. 27,4 bezeichnet das Aconitum als omnium venenorum ocissimum. Vgl. KOCHER z.St. Vgl. auch unten S. 107.

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Z w e i t e s Buch

der Schlangen, deren Existenz in Italien er im Anschluß an die Bemerkung über das Nichtvorkommen des Aconitum dort verneint 340 , worauf in 153 nicht allein tanto, wie Thomas anzunehmen scheint 341 , sondern auch immensos hinweist 342 . Auch das, was 3,425-436 343 über die in Kalabrien vorkommende Ringelnatter gesagt wird, reicht daran nicht heran: Ihre Bezeichnung als notis longam maculosus grandibus alvum (427) ist in diesem Zusammenhang schon das Äußerste 344 . Und wenn auch Plin. nat. 8,37 345 von Schlangen spricht, die in Italien boae genannt worden seien und eine solche Größe erreicht hätten, daß im Magen einer unter Claudius am Vatikan erlegten ein Kleinkind gefunden worden sei, so waren Riesenschlangen doch offenbar eine eigentümliche Hervorbringung Afrikas und der Länder des Ostens 346 . Auch von Plinius werden die italischen Boen nur angeführt, um die Äußerungen des Megasthenes bzw. des Metrodoros über die indischen 347 bzw. pontischen Riesenschlangen, die ganze Hirsche und Stiere verschlängen bzw. selbst hoch fliegende Vögel fangen könnten, sowie die Geschichte von der berühmten 348 36 m langen Schlange glaubwürdig erscheinen zu lassen, die Regulus während des ersten punischen Krieges in Afrika mit einer Wurfmaschine habe erlegen lassen und deren Haut und Kinnladen bis zum numantinischen Krieg in einem Tempel in Rom ausgestellt gewesen seien (nat. 8,36f.). Während die meisten modernen Kommentatoren zu tanto tractu etwas wie "quam alibi" 349 ergänzen, lag Servius richtiger, als er bemerkte: sunt quidem serpentes in Italia, sed non tales, guales in

340

Zur Verbindung von Giftkräutern und Schlangen vgl. LSDJ zu 215. Vgl. auch 1,129. Vgl. THOMAS ZU 153-4. Vergil legt übrigens selbst "great stress" auf tanto: Es steht an betonter Versstelle. Auch Ross 1987, 117f. reiht 153f. unter die "Lügen" Vergils ein. Schon PUTNAM 1975, 172 scheint diese Verse recht oberflächlich gelesen zu haben, da er bemerkt: "... there were snakes in Virgil's native soil (as he well knew) ..." Ebenso ders. 1979, 99. Vgl. auch THOMAS zu 214-16. 342 Vgl. Aen. 2,203-227 oder Ov. met. 3,41-45. 343 Zu 3,437-439 s. unten Anm. 725. 341

344

V g l . RAMAIN 1 9 2 4 ,

117f.

345

Sol. 2,33 spricht in diesem Zusammenhang immerhin von immensa moles. Stellen sind den "Pessimisten" bisher offensichtlich entgangen. 346

Diese

V g l . RICHTER 1 9 7 5 , 1 2 - 1 7 .

347

Vgl. auch Plin. nat. 8,32 zur Feindschaft zwischen der indischen Riesenschlange und dem indischen Elefanten. 348 Vgl. Tubero hist. 8 ( = Gell. 7,3), Liv. perioch. 18, Val. Max. 1,8 ext. 19, Sen. epist. 82,24, clem. 1,25,4, Sil. 6,140-293, Oros. hist. 4,8,10-15, Zonar. 8,13. 349

HEYNE zu

und MYNORS zu

151-154. 153.

Ä h n l i c h a u c h MARTYN, JAHN, L S D J , CONINGTON,

SIDGWICK

Die Geórgica Vergils

84

Aegypto aut in Africa!5°. Voss hat mit Recht die Verbindung zu 136139 herausgestellt: "Auch Schlangen erkennt der Dichter in seiner Heimat; aber nicht von so unermeßlicher Größe, als in den eben verglichenen Ost- und Südländern" 351 . Wieder ist zu beobachten, daß im Hintergrund der Vergleich Italiens mit dem Morgenland steht. Alle von Vergil aufgestellten Behauptungen haben also ein fundamentum in re. Was in 151-154 geschieht, ist die behutsame Übernahme bestimmter Züge aus einer Vision von der universalen Wiederkehr des Goldenen Zeitalters in das Lob der Wirklichkeit eines bestimmten Landes. 149f. haben wir bislang ausgespart. Dabei stehen wir hier vor ganz ähnlichen Fragen wie in 151-154: Wie dort, so spricht manch modernem Erklärer wie Thomas Vergil auch hier mit Absicht eine offensichtliche Unwahrheit aus: 150

hie (sc. in Italia) ver adsiduum atque alienis mensibus aestas: bis gravidae pecudes, bis pomis utilis arbos.

Das Konzept, welches hinter dem Preis der klimatischen Verhältnisse Italiens steht, ist das der Eukrasie. Die sogenannte κρησις των ώρέων meint eine ausgewogene Mischung der klimatischen Extreme. Dieses Konzept findet sich häufig in der Ethnographie 352 , wo es sich mit der Vorstellung einer geographischen Mittellage verbindet. Es wurde dort zunächst auf Asien, insbesondere Ionien, angewandt, so z.B. Hdt. l,142,lf. Herodot verwendete es auch für Ägypten (2,77,3) 353 . Und es war die Eukrasie Griechenlands, die derselbe Autor dann den Schätzen der Länder am äußersten, v.a. östlichen Rand der Welt gegenüberstellte: ai δ' ίσχατιαί κως της ο'ικβομβνης τα κάλλιστα βλαχον, κατά πβρ ή 'Ελλάς τάς ώρας πολλόν τι κάλλιστα κβκρημβνας Ζλαχε (3,106,1). Später wurden die ausgewogene Mischung der Extreme und die geographische Mittellage v.a. für Attika beansprucht 354 , um schließlich auch für Italien behauptet zu werden: Beide Konzepte werden fester Bestandteil der laudes Italiae355. Doch ist die κρησις των ωρβων auch ein typisches

350

Serv. georg. 2,153.

351

VOSS 3 3 2 .

352

Vgl. KlENZLE 1936, 14-18, REYNEN 1965, 416f., BORSZÁK 1971, 43-45. Vgl. auch Isoc. 11,12. 354 Vgl. z.B. Eur. frg. 981,2f. N 2 , Plat. Tim. 24c, Xen. Vect. 1,3, Phot. Bibl. 441a. 355 Vgl. Varrò rust. 1,2,4, Vitr. 6,1,9-11, Dion. Hal. 1,37,5, Str. 6,4,1, Plin. nat. 3,41; 37,201, Ael. VH 9,16. Auch die Verfasser der laudes Hispaniae wollten offenbar auf das Motiv der Eukrasie nicht verzichten: Plb. 34,8,4, lust. 44,1,4, Pan. Lat. 2,4,3 (s. auch 353

Zweites Buch

85

Motiv in Beschreibungen von Wunschländern 356 . So herrschen auf der von Hekataios beschriebenen Insel der Hyperboreer 357 sowie auf der Insel der Seligen bei Horaz 358 ausgewogene klimatische Bedingungen. Schon Servius nahm allerdings daran Anstoß, daß Vergil statt von temperies caeli - dies wäre die korrekte Entsprechung zu κρήσις των ώρέων - von ver adsiduum spricht: nam ver adsiduum esse non potest. 3 5 9 Doch während Servius Vergils ver als verna temperies erklärt und bei Servius auctus das vergilische adsiduum mit longum glossiert wird, sagt Vergil hier nach Thomas und anderen wieder mit Absicht eine offensichtliche Unwahrheit 360 . In der Tat mutet das sich eines beständigen Frühlings erfreuende Italien reichlich märchenhaft an. Es erinnert an die Elysische Ebene und den Garten des Alkinoos bei Homer, über die ein dauernder Zephyr hinwegstreicht 361 , oder an die Insel der Seligen, zu der Lukian bemerkt: καί μέντοί καί ώραν μίαν ίσασιν του ίτους• aiel yàp παρ' αύτοϊς lap €στί καί εις άνβμος irvel παρ' αϋτοϊς ό ζέφυρος (VH 2,12). Und doch heißt es schon bei Hp. Aer. 12. über den Teil Asiens, der in der Mitte zwischen dem Warmen und Kalten liege, daß diese Gegend sowohl im Blick auf seinen Charakter als auch im Blick auf die Ausgewogenheit seines Klimas τον ηρος εγγύτατα sei 362 , während Dion Chrys. 35,21 später über Indien ausführt, die Witterungsverhältnisse blieben dort über das ganze Jahr hin gleich und entsprächen am ehesten denen bei Anbruch des Sommers 363 . Bei Sol. 52,1 lesen wir über ebendieses Land: India in anno bis habet aestatem, bis legit frugem. Und Curt. 4,7,17 heißt es über die das Orakel des Jupiter Ammon umgebende Oase: caeli quoque

Anm. 366). Es wird ein Topos im Städte- und Länderlob: Men. Rh. 345,29-31. 356 Vgl. SCHRÖDER 1921, 39-45, REYNEN 1 9 6 5 , 4 1 7 f . sowie GATZ 1967, 174-200; 203f. Die Grenze zwischen ethnographischer Studie und Wunschlandvorstellung ist dabei nicht immer klar zu ziehen. 357 FGrHist 264 F 7. 358 epod. 16,53-56. 359 Serv. georg. 2,149. 360

361

V g l . THOMAS 1 9 8 2 , 4 0 f . , R o s s 1 9 8 7 , 1 1 7 u n d THOMAS z u 1 4 9 .

Od. 4,566-568; 7,118f. Zur Verbindung von Zephyr und Frühling vgl. Arist. Probi. 943b21-28, w o auf Horn. Od. 4,567 verwiesen wird. Vgl. auch GATZ 1967, 187: "Es herrscht ewiger Frühling (sc. im paradiesisch überhöhten Jenseits), was seltener eigens herausgehoben wird, da es sich aus der Eukrasie von selbst ergibt." 362 Auf diese Stelle verweist THOMAS 1982, 41 noch selbst, auch dort allerdings, ohne aus ihr irgendwelche Folgerungen zu ziehen. 363 Diese Stelle findet sich wie auch die weiter unten aus dem Gedicht des Rutilius genannte bei GERNENTZ 1918, 9f.

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Die Geórgica Vergils

mira temperies, verno tepori maxime similis, omnes anni partes pari salubritate percurrit. Was Italien betrifft, so begründet Plin. nat. 2 , 1 3 6 die Häufigkeit von Blitzen dort folgendermaßen: mobilior aer mitiore hieme et aestate nimbosa semper quodammodo vernai vel autumnal. Und nach Flor. epit. 1,16,3 herrscht in Kampanien, der Landschaft also, in welcher die Geórgica entstanden sind und in welcher sich in 217-225 die positiven Natureigenschaften verdichten werden, zwar kein "ewiger" Frühling, aber immerhin erstrahlt es dank der milden klimatischen Bedingungen zweimal im Jahr in frühlingshafter Blütenpracht: nihil mollius caelo: denique bis floribus vernai65. Schließlich rühmt Rut. Nam. 1,113f. das Klima Roms mit den Worten: vere tuo numquam mulceri desinit annus, deliciasque tuas vieta tuetur hiems.366 Daß hic ver adsiduum keineswegs ausdrücken soll, in Italien gebe es keine andere Jahreszeit als den Frühling, erhellt daraus, daß Vergil im selben Atemzug vom Sommer spricht, der in Monaten herrsche, die ihm eigentlich fremd seien: atque alienis mensibus aestas. Auf das Folgende vorausblickend, müssen wir wohl verstehen, daß die klimatischen Bedingungen in Italien das ganze Jahr über dem Wachstum und der Reife günstig sind 3 6 7 .

364 365

Auf diese Stelle macht bereits Voss 330 aufmerksam. Zur Verbindung von Blumen und Frühling vgl. [Plat.] Ax. 371c7-d5 über die Aus-

stattung des Landes der Frommen im Jenseits: Ινθα άφθονοι μίν ωροα πα-γκάρπου -γονής βρύουσιν, ττη-γαί δΐ υδάτων καθαρών ρίουσιν, παντοίοι δί Χβιμώνΐς ανθβσι ποικΐΚοις ίαριξόμενοι ... οϋτβ -γαρ χεϊμα σφοδρον otre θάλπος iyyiyverai, άλλ' εύκρατος άηρ χύται άπαλαίς ήλιου άκτΐσιν άνακιρνάμενος. Cie. Verr. 4,107 sagt über das Plateau, auf dem das sizilische Enna lag, den angeblichen Ort der Entführung Proserpinas: quam circa lacus lucique sunt plurimi atque laetissimi flores omni tempore anni (vgl. Diod. 5,3,2-3), während es Ov. met. 5,391 über diese Gegend heißt: perpetuum ver est. Enna galt als Mittelpunkt Siziliens (vgl. KIENZLE 1936, 24). Mit georg. 2,219 über den immergrünen Boden Kampaniens vgl. Ov. am. 2,6,50 und Claud, rapt. Pros. 3,231 (mit GRUZELIER zu 223). Bei Str. 5,3,8 findet sich eine Bemerkung über die zu allen Jahreszeiten grünenden und blühenden Gärten des Marsfeldes. 366 Vgl. auch Flor. Verg. 2,7-8, wo die Gegend von Tarraco in Spanien u.a. ihres Klimas wegen gerühmt wird: caelum peculiariter temperatum miscet vices, et notam veris totus annus imitatur. Auf diese Stelle verweist REYNEN 1965, 426 Anm. 65. S. Anm. 355. Vgl. auch hier Men. Rh. 348,1-7. 367 Vgl. CONINGTON zu 149: "'Ver' and 'aestas' are used loosely. The meaning is that there is verdure all the year, and warmth in winter." Thphr. CP 1,13,2 schließt an den Hinweis auf eine του άΐρος κράσιν την ήρινην κοινήν, die Empedokles vorausgesetzt habe, als er von Bäumen gesprochen habe, die das ganze Jahr über Blätter und Früchte trügen,

Zweites Buch

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Hinsichtlich der Ausdrucksweise sei noch auf 3,356-359 verwiesen, wo Vergil den "ewigen" Winter Skythiens beschreibt, obschon die Ethnographen lediglich davon sprechen, daß in Skythien der Winter fast das ganze Jahr über andauere 368 . Die Fruchtbarkeit eines Landes erscheint schon bei Hp. Aer. 12 als Folge seiner Lage und seines Klimas. In Asien sei wegen seiner Mittellage und der daraus resultierenden κρήσις των ώρέων alles viel schöner und größer, das Land sei kultivierter als Europa. Und von dem Teil Asiens, der genau in der Mitte zwischen Warmem und Kaltem liege diese Gegend wird, wie gerade gesehen, dann ja auch als του ηρος εγγύτατα bezeichnet 369 -, heißt es, es sei natürlich, daß die Ernten dort reichlich ausfielen und daß das dort gezüchtete Vieh hervorragend gedeihe und den fettesten und ansehnlichsten Nachwuchs hervorbringe und aufziehe 370 . Und Xen. Vect. 1,3 gibt in seinem Lob Attikas als Beleg für die Milde der Jahreszeiten, daß das, was an allen anderen Orten nicht einmal sprosse, dort Früchte trage und man sich all dessen, was die Götter in den einzelnen Jahreszeiten an Gutem gewährten, dort am längsten erfreuen könne. Daß Schafe und Ziegen an manchen Orten, die sonnig seien und an denen sie sich wohlfühlten und reichlich Nahrung hätten, zweimal würfen, lesen wir bei Arist. HA 573b21f. Und Thphr. CP 1,14,1 weist daraufhin, daß sowohl bei Schafen, die zweimal im Jahr würfen, als auch bei Bäumen, die zweimal im Jahr Früchte trügen, die ein Austragen bzw. Reifen ermöglichenden Bedingungen lange genug anhalten müßten. Plin. nat. 16,114 heißt es vom zweimal tragenden Apfelbaum: sequens eius fructus post ardurum, in apricis maxime371.

die Frage an, ob der Reifevorgang dann nicht unter einem Mangel an Hitze und einem Überfluß an Feuchtigkeit litte. 368

369

V g l . L S D J u n d MYNORS z . S t . s o w i e THOMAS 1 9 8 2 , 5 1 A n m . 7 0 .

S. oben S. 85. -πυκνότατα könnte allerdings auch auf die Fülle des Nachwuchses gehen. 371 Neben dem Schaf und der Ziege (vgl. noch Varrò rust. 2,3,4) können nach antiken Autoren noch das Schwein (Varrò rust. 2,4,14) und die Taube (Varrò rust. 3,7,9; Plin. nat. 10,158) zweimal im Jahr Junge hervorbringen, während bei den zwei- oder dreimal im Jahr Frucht tragenden Bäumen von den Alten neben Apfel- (vgl. noch Thphr. HP 1,14,1, CP 1,13,9, Varrò rust. 1,7,6) auch Feigen- (Colum. 5,10,11; 10,403, Plin. nat. 15,71; 16,114, Suet. Aug. 76, Macr. Sat. 3,20,1), Birnbäume (Thphr. CP 1,13,9, Plin. nat. 16,114), Walnußbäume (Plin. nat. 15,91), Weinstöcke (Varrò rust. 1,7,6, Plin. nat. 16,115) und Zypressen (Plin. nat. 16,115) genannt werden (Varrò rust. 1,7,6 spricht allgemein von multa). Vgl. dagegen Ross 1987, 117: "In the real world lambing time is an annual occurrence and fruit trees bear just once." Die von THOMAS 1982, 41 Anm. 27 aufgestellte Behauptung, biferitas scheine "a result of cult association" zu sein, scheint 370

88

Die Geórgica Vergils

Die Fruchtbarkeit Italiens wiederum ist ein prominentes Thema in den laudes Italiae bei Varrò, Strabo, Plinius und Aelian. Diese heben ja auch das milde Klima und (mit Ausnahme Aelians) die Mittellage des Landes hervor. Von besonderem Interesse ist Dion. Hal. 1,37,2, wo von drei Ernten die Rede ist, die Kampaniens Äcker im Jahr hervorbrächten. Von drei bis vier Ernten in Kampanien berichten auch Str. 5,4,3 und Plin. nat. 18,111; 191372. In einer wohl auf Theopomp373 zurückgehenden Notiz bei Arist. Mir. 836al9-21 lesen wir gar, daß in Umbrien das Vieh dreimal im Jahr werfe 374 . Die Tatsache schließlich, daß Varrò nur den zweimal tragenden Apfelbaum ausdrücklich in Italien ansiedelt, nämlich in agro Consentirlo (rust. 1,7,6), bedeutet keineswegs, daß die übrigen zweimal tragenden Bäume, auf die er sich ebendort mit multa bezieht, und die zweimal werfenden Ziegen, die Varrò rust. 2,3,4 als die bevorzugte Zuchtrasse erwähnt, gerade in Italien ihr Wesen verleugneten. Vergil selbst spricht in 4,119 immerhin von den bife ri ... rosaría Paesii375. Dies düfte genügen, um zu zeigen, daß die Aussagen Vergils durchaus ein fundamentum in re haben. Er sagt ja auch nicht ausdrücklich, daß in Italien alle Obstbäume zweimal im Jahr Früchte trügen oder daß dort alle Ziegen und Schafe zweimal im Jahr würfen. Bei Rindern, Pferden u.ä. ist natürlich ein zweimaliges Werfen im Jahr ausgeschlossen: Während die Schwangerschaft bei Ziegen und Schafen nur drei bis vier Monate in Anspruch nimmt 376 , dauert sie bei

durch die von ihm angeführten Stellen (Thphr. HP 1,9,5, Varrò rust. 1,7,6) nicht gestützt zu werden. 372 Diese Stellen nennt bereits V o s s 331. Vgl. Goethe, Italienische Reise (Neapel, zum 17. März 1787): "Hierzulande begreift man erst, wie es dem Menschen einfallen konnte, das Feld zu bauen, hier, wo der Acker alles bringt, und wo man drei bis fünf Ernten des Jahres hoffen kann. In den besten Jahren will man auf demselben Acker dreimal Mais gebaut haben." Voss 331 finden sich noch weitere Belege für die außergewöhnliche Fruchtbarkeit dieser Gegend auch in der Neuzeit. 373 Vgl. Theopomp. Hist. FGrHist 115 F 130. 374 Auf diese Stelle verweisen schon DE LA CERDA und HEYNE ZU 150. Auch bei BAUCK 1919, 39 wird sie noch genannt, dann erst wieder bei MYNORS z.St. 375 Vgl. Mart. 12,31,3. Zweimal im Jahr blühende Rosen bezeugt Thphr. CP 1,13,11 für Dium in Makedonien. Sol. 2,2 erwähnt in seinem an Plin. nat. 3,41 angelehnten Italienlob über Plinius hinausgehend bífera violaría. Zweimal jährlich blühende Veilchen auch bei Thphr. CP 1,13,12 (vgl. HP 6,6,2; 8,2), der ebenfalls die zweimal im Jahr blühende Rose kennt (vgl. HP 6,8,2). 376 Vgl. Arist. HA 573b20-21.

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ihnen neun bzw. elf Monate 377 . Es ist aber auch nicht einzusehen, weshalb wir unter pecudes in 150 unbedingt auch "larger animals" 378 verstehen müssen. Vielmehr meint pecus bei Vergil und anderen insbesondere "Schaf" 3 7 9 , während armentum Großvieh bezeichnet 3 8 0 . Daß letzteres auch in 144 so gebraucht ist, legen die Verse 145-148 nahe 381 . Und es ist durchaus natürlich, daß Vergil, nachdem er in 143f. auf die Menge an hervorgebrachtem Getreide, an Wein und Öl sowie an weidendem Großvieh hingewiesen hat, nun in 150 die Häufigkeit hervorhebt, mit der das Kleinvieh Junge gebären und die Obstbäume Früchte tragen können. Damit findet der Gegenstand des ersten Buches der Geórgica (Feldfrüchte) in 143f. Erwähnung, während die Gegenstände des zweiten und des dritten Buches (Bäume, Vieh) jeweils teils in 143f. (Weinstöcke, Olivenbäume, Großvieh) und teils in 150 (Kleinvieh, Obstbäume) genannt werden 382 . Doch ist ein mehrfacher Ertrag im Jahr natürlich auch ein häufig wiederkehrender Zug in den Beschreibungen von Wunschländern 383 . So läßt Homer den Menelaos berichten, in Libyen brächten die Schafe dreimal im Jahr Junge zur Welt 384 , und erzählt selbst, in dem beständig vom Zephyr durchwehten Garten des Alkinoos reife unablässig Birne auf Birne, Apfel auf Apfel, Traube auf Traube und Feige auf Feige 385 . Bei Hesiod bringt auf den Inseln der Seligen die Erde dreimal im Jahr ihre Frucht 386 , während sie es bei Hekataios auf der mit einem ausgeglichenen Klima gesegneten Insel der Hyperboreer zweimal tut 387 . Auf der mit ewigem Frühling gesegneten Insel der Seligen bei Lukian trägt

377

Vgl. Arist. HA 575a25-26; b26-27.

378

THOMAS 1982, 41 Anm. 27 und ders. zu 150.

379

Vgl. KOCH 392 s.v. b) und OLD 1317 s.v. lb), wo Suet. frg. 176 (p.286 Re) ( — Diff. ed. Uhlfelder 13) besondere Beachtung verdient: pecudes oves tantum accipimus, pecora autem mixtura omnium animalium est. 380

V g l . KOCH 4 7 s . v . a), MERGUET 6 7 s . v . , T L L 2 , 6 1 l f . u n d O L D 172 s . v . V g l . a u c h

CONINGTON zu 195. 381

Vgl. THOMAS ZU 145-8: "... mention of armenia leads to an elaboration..." 382 W I R WER(JEN AISO anders als CZECH 1936, 30 in 150 nicht "eine Kombination der in Vss. 143/4 und 144-148 aufgeführten Vergleichsmomente: Pflanzen und Tiere" (Hervorhebung von mir) sehen. 383 Auch hier ist die Grenze zwischen ethnographischer Studie und Wunschlandvorstellung nicht immer klar zu ziehen. 384 Od. 4,85f. 385 Od. 7,117-121. 386 Op. 172f. 387 FGrHist 264 F 7.

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Die

Geórgica

Vergils

der Wein zwölfmal im Jahr, Granate, Apfelbaum und die übrigen Obstbäume tun dies sogar dreizehnmal 388 . So rückt Vergils Aussage Italien zwar also durchaus auch in die Nähe einiger Wunschlandvorstellungen, gerade aber wenn wir die beiden Abschnitte aus Homer über die dreimal werfenden Schafe in Libyen und das unablässige Fruchttragen der Bäume im Garten des Alkinoos oder die zwölf- bzw. dreizehnmal tragenden Weinstöcke und Obstbäume auf der Insel der Seligen bei Lukian oder auch die auf Theopomp zurückgehende Notiz bei Aristoteles über das dreimal werfende Vieh Umbriens mit den Aussagen Vergils über Italiens zweimal im Jahr werfendes Kleinvieh und seine zweimal im Jahr tragenden Obstbäume vergleichen, stellen wir fest, daß Vergil den Bereich des Realistischen gerade nicht verläßt und das Abgleiten ins rein Märchenhafte vermeidet. Er bleibt im Rahmen des Möglichen und hier und dort auch Anzutreffenden und überhöht es durch Anklänge an das Utopische und Ideale. Thomas hat allerdings natürlich recht, wenn er meint, der "ewige Frühling" scheine kein für Goldzeitvorstellungen typisches Motiv zu sein 3 8 9 . Die Eukrasie ist aber, wie wir sahen, ein charakteristisches Motiv in Wunschlandschilderungen. Und die Wunschlandvorstellungen wiederum sind denen vom Goldenen Zeitalter verwandt 3 9 0 . Insofern bereiten 149f. auf 151-154 vor. Wenn wir schließlich noch auf den Aufbau von 136-154 insgesamt blicken, so wird deutlich, wie sich mehrere Ringe um 145-148 legen. Darauf, daß sich 149f. und 143f. inhaltlich ergänzen, ist bereits hingewiesen worden 3 9 1 . Auffällig ist auch, daß 143 und 150 an gleicher Versstelle das Adjektiv gravidae aufweisen. Ebenso sind die inhaltlichen Entsprechungen zwischen 151-154 und 140-142 schon hervorgehoben worden 3 9 2 . Es mag mehr als ein Zufall sein, daß mit semina in 152 das Bild der Saat wiederkehrt, welches in 140-142 so beherrschend war. Es ist ebenfalls bereits davon die Rede gewesen, daß 140-144 und 149154 jeweils eine Einheit bilden 393 . Auch wenn man diese beiden Ab-

388

VH 2,13. So THOMAS 1982, 41 mit ANM. 29, wo auf REYNEN 1965, 419-426 (besser: 416-429) verwiesen wird. REYNEN 1965, 417 nennt immerhin eine vorovidische Darstellung des Goldenen Zeitalters, in der die Eukrasie eine Rolle spielt: Plat. Pit. 272a5-7, eine Darstellung, die allerdings auch in anderer Hinsicht aus dem Rahmen fällt. 389

390

V g l . GATZ 1 9 6 7 ,

391

S. oben S. 89. S. oben S. 78. S. oben S. 74-76 bzw. S. 78ff.

392 393

174.

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schnitte miteinander vergleicht, werden Entsprechungen sichtbar: Während in 143f. haec loca aus 140 ergänzt werden mußte, so ist in 151-154 hic aus 149 mitgedacht. Und leitete in 143 die adversative Partikel sed nach den negativ formulierten Aussagen über Italien die positiv formulierten ein, so tut in 151 at genau das Umgekehrte 394 . So scheint Italien in 140-154 gleichsam von den Schrecken der Welt des Ostens eingekreist, wie es in 136-139 ja auch von den Wundern dieser Welt eingeschlossen war 395 . Allerdings wird im Zentrum von 140-154 bereits Italiens überlegene Wehrhaftigkeit hervorgehoben 396 . Die offene Konfrontation zwischen Italien und der Welt des Ostens findet jedoch erst in 17lf. Erwähnung 397 . Im folgenden gewinnen beginnend mit den Versen 155-157 die technischen Leistungen der Bewohner Italiens besondere Prominenz: 155

adde

tot egregias

tot congesta fluminaque

urbes

operumque

manu praeruptis antiques

subter

oppida labentia

laborem, saxis muros.

Es überrascht nicht, daß Vergil hier für Thomas noch deutlicheres Unbehagen hinsichtlich des Wirkens seiner Landsleute äußert, "depicting civilized man imposing his will on a natural, innocent and unwarlike world" 398 . Die drei Verse werden durch den einleitenden Imperativ adde in 155 399 zusammengehalten. Die Reihe der abhängigen Objekte wiederum wird durch die Wiederaufnahme des tot aus 155 in 156 in zwei Teile untergliedert. Der erste Teil umfaßt nur einen Vers und weist auf Italiens zahlreiche glänzende Städte und die sich in ihren Bauten 400 zeigende Arbeits-

394

V g l . d a g e g e n PUTNAM 1 9 7 5 , 172 A n m . 4 .

395

S. oben S. 72-74. 396 S. oben S. 76-78. 397 S. unten S. lOlff. 398 THOMAS zu 136-76. 399 PUTNAM 1975, 173 Anm. 7 meint: "It is curious, if we look at the normally positive turn the rhetoric takes at line 155 ( a d d e ...), that in one sense the poet disclaims responsibility for what he is about to catalogue - you the reader, may add these matters if you like!" Vgl. aber προστίθπ bei Str. 6 , 4 , 1 . GUSTON 1962, 323 Anm. 17 verweist auf Krekelberg, J./Remy, E.: Les formes typiques de liaison et d'argumentation dans l'éloquence latine. Namur 1896, 66. 400

Vgl. Quint, inst. 3 , 7 , 2 7 : ... est laus et operum: in quibus honor, utilitas, pulchritudo, auctor spectari solet. honor ut in templis, utilitas ut in mûris, pulchritudo vel auctor utrubique ... Zum Thema "Mauern" im Städtelob vgl. auch KIENZLE 1936, 30f. und GER-

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Die Geórgica Vergils

leistung hin. Hier werden die menschlichen Schöpfungen zunächst für sich betrachtet. Dabei kommt im zweiten Glied der Gedanke des labor ins Spiel, ein Hinweis darauf, was die im ersten Glied genannten Städte zustande gebracht hat. Der zweite Teil umfaßt zwei Verse, in deren erstem die zahlreichen auf steilem Felsen 401 aufgeführten Orte und in deren zweitem die unter alten Mauern dahingleitenden Flüsse genannt werden. Hier werden nun die menschlichen Schöpfungen in der sie umgebenden Landschaft gezeigt. Das erste Glied, doppelt so umfangreich wie das zweite des ersten Teils, greift von dort den Gedanken des labor auf und intensiviert ihn, indem es die Anstrengung betont, mit der selbst auf steilen Felsen Städte errichtet wurden. Die Wiederaufnahme des tot bringt zusätzliche Emphase. Der Zusammenhang legt es nicht nahe, mit Thomas in manu einen Hinweis auf Gewaltanwendung zu sehen 402 . Man wird bei diesem Vers allerdings in der Tat wohl vorrangig an die militärischen Vorzüge denken, die die Anlage einer Stadt praeruptis saxis mit sich brachte. So hebt Cie. rep. 2,11 hervor, Roms arduipraeruptique montes - das Kapitol erscheint als circuitu arduum et quasi circumcisum saxum - gewährten einen ausgezeichneten Schutz gegen Angriffe, obwohl er auch auf die Zuträglichkeit der Hügellage für die Gesundheit hinweist 403 . Doch geht Putnam deutlich zu weit mit der Behauptung: "... in the building of walls and cities the control of landscapes is associated

ΝΕΝΤΖ 1918, 50f. Vgl. ebenso ZANKER 1987, 323f. LEACH 1988, 157 gibt praeruptis ... saxis mit "from broken stone" wieder und erläutert in Anm. 20: "Ancient walls ... such as those at Cosa in Ansedonia, are Cyclopean walls, and the image of Cyclopean masonry brings together a sense of the visible present and the Italian past." Eine ähnliche Übersetzung war bereits von F.Catrou (Catroeus) vorgeschlagen, aber von BURMANN ZU 156 mit Recht verworfen worden; denn ihr steht der sonstige Gebrauch von praeruptus entgegen: Dieses Adjektiv bedeutet im eigentlichen Sinne soviel wie "schroff, zerklüftet, steil" und ist ein typisches Epitheton für Berge, Hügel und Felsen (vgl. TLL 10,2,801,70-72, wo auch unsere Stelle eingeordnet wird). Bei Vergil begegnet es ein weiteres Mal: ... insequitur cumulo praeruptus aquae mons (Aen. 1,105). Das Verb praerumpere wird in der Bedeutung "vorne abschneiden, reißen, -trennen" Caes. Gall. 3,14,6 und Ον. met. 14,547 im Zusammenhang mit Tauen und Colum. 3,18,2 im Zusammenhang mit einem Setzling verwandt, dessen umgebogenes unteres Ende eingegraben wird. 402 Vgl. THOMAS 1982, 42 und dens. zu 155-7. Vgl. auch Aen. 4,344; 7,127 und die Verwendung von manu in georg. 1,179; 199 (oben S. 25-27). 403 Vgl. auch Plin. nat. 3,41, der an Italien die montium adflatus rühmt. Zum Thema "Lage einer Stadt auf Bergen und Hügeln" im Städtelob vgl. KLENZLE 1936, 22f. und

401

GERNENTZ 1 9 1 8 , 8 f . ; 18f.

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with the use of energy for hostile purposes." 404 Zwischen dem Schutz vor Angriffen und der Ausführung derselben besteht ja doch wohl ein Unterschied. Der Schritt vom ersten zum zweiten Glied geht mit einer Verlagerung des Akzents von der menschlichen Schöpfung auf die sie umgebende Landschaft einher. Gleichzeitig bringt das zweite Glied mit dem idyllischen Bild der unter alten Mauern dahingleitenden Flüsse eine deutliche Beruhigung 405 . Man muß den Ton dieses Verses schon gänzlich mißachten, um in muros einen Hinweis auf menschliche Aggressivität oder Gewaltanwendung entdecken zu können 406 . Auch Ael. VH 9,16 hebt die hohe Zahl von Städten hervor, die schon in alter Zeit in Italien gegründet worden seien. Sol. 2,3, der hier über Plin. nat. 3,42 hinausgeht, spricht von colonias tarn frequentes, tarn

assiduam novarum urbium gratiam, tarn darum decus veterum oppidorum407. Und Flor. epit. 1,16,6 preist Kampaniens urbes ad mare. Die Berge Italiens rühmt Plin. nat. 37,201: montium articula. Str. 6,4,1 hebt hervor, daß jeder Teil Italiens sowohl die Vorzüge gebirgiger als auch die ebener Landschaft genieße, da der Apennin die ganze Halbinsel durchziehe. Der Reichtum Italiens an Flüssen wird Dion. Hal. 1,37,4, Str.

404

PUTNAM 1975, 173. Der nächste Satz allerdings lautet: "Men do not rear walls unless they have enemies to ward off ..." (Hervorhebung von mir) Ähnlich ders. 1979, 101. 405 Vgl. PAGE ZU 156: "Note the sense of effort in one line (sc. 156) and that of repose in the other (sc. 157), the contrast between oppida congesta manu and antiques muros, and the artistic opposition of praeruptis saxis with flumina subter labentia", und WILKINSON 1 9 6 3 , 6 3 . 406

Die Verse klingen an bei Auson. Mos. 20-22, wo die Rede ist von:

20

culmina villarum pendentibus edita ripis et virides Baccho colles et amoena fluenta subter labentis tacito rumore Mosellae, und ebd. 454f., wo es heißt: 455

addam urbes, tacito quas subter laberis alveo moeniaque antiquis te prospectantia muris.

Diese und weitere Anspielungen der Moseila auf Vergils laudes Italiae bei GÖRLER 1969, 103-109 ( = 1991, 159-167). Hier wäre allerdings noch Mos. 333f. zu ergänzen: haec (sc. villa) summis innixa iugis labentia subter flumina despectu iam caligante tuetur. 407

antiques in 157 ist wohl mehr als "chiefly pictorial" (CONINGTON ζ.St.): "Antiquitas enim urbibus máximo honori laudique esse solet" (FORBIGER z.St.). Schon Quint, inst. 3,7,26 bemerkt zum Städtelob: multum auctoritatis adfert vetustas, ut iis, qui terra dicuntur orti. Das Altrömische und Altitalische spielt in den vorliegenden laudes Italiae ja eine besondere Rolle.

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6,4,1, Plin. nat. 3,41 und Ael. VH 9,16 vermerkt. Dabei erscheinen die Flüsse an der erstgenannten Stelle nicht nur als Bestandteil einer Landschaft von großer natürlicher Schönheit, sondern auch als Verkehrswege. Was Verdichtung und Anschaulichkeit betrifft, bleibt Vergils Darstellung der Städte, Berge und Flüsse Italiens allerdings unübertroffen: Zunächst gleitet der Blick bei ihm unbestimmt über Italiens glänzende Städte hin, hebt sich dann zu solchen auf schroffen Felsen und senkt sich darauf wieder ins Tal zu den unter den alten Wällen dahingleitenden Flüssen. Diesen ruhig dahingleitenden Flüssen aus 157 mag der Blick des Lesers dann zum Meere folgen, welches in 158 sanft an die Küsten Italiens spült. Cie. rep. 2,10 lobt Roms Anlage am Tiber, weil dieser eine ideale Ver kehr sverbindung zum Meer darstelle 408 . Und auch Ael. VH 9,16 nennt nach den Flüssen, von denen Italien durchzogen ist, sogleich das Italien umgebende Meer, δρμοις πανταχόθβν διβιλημμβνη και κατα-γω-γαΐς άφθόι>οις κάί κατάρσβσιν. Mittels der durchgängigen Verwendung der rhetorischen Frageform werden die Verse 158-164 als Einheit gekennzeichnet: an mare quod supra memorem, quodque adluit infra? anne lacus tantos? te, Lari maxime, teque, 160 fluctibus et fremitu adsurgens Benace marino? an memorem portus Lucrinoque addita claustra atque indignatum magnis stridoribus aequor, Iulia qua ponto longe sonat unda refuso Tyrrhenusque fretis immittitur aestus Avernis? Gegliedert wird der Abschnitt durch Wiederaufnahme des an ... memorem aus 158 in anne in 159 und an memorem in 161 409 . Der erste Teil besteht aus nur einem Vers und preist das Meer, welches - unterschieden in ein oberes, das Adriatische, und ein unteres, das Tyrrhenische 4 1 0 friedlich die italische Küste bespült. Der zweite Teil umfaßt schon zwei

408

Auf diese Stelle verweist schon Serv. georg. 2,157. Zum Thema "Lage der Stadt am Fluß" im Städtelob vgl. weiterhin GERNENTZ 1918, 13-15. 409 Zu an ... memorem vgl. Hör. carm. 1,12,33-36 mit NISBET/HUBBARD z.St., die auf den hymnischen Ton der Formel verweisen. Verfehlt wiederum PUTNAM 1975, 173 Anm. 7: "... the near praeteritio at 158 (an memorem ...) helps us to see beyond the mere rhetorical question, to entertain firmer doubts about any positive thrust in the poet's continuing list: Ought I recall?' 'Should I remember?'" (ähnlich auch ders. 1979, 100 Anm. 2 2 ) . 410 Zu Bedeutung und Herkunft der Bezeichnungen mare inferum und mare superum vgl. TLL 7,1,1389,38ff.

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Verse. Er wird emphatisch durch das an ... memorem aus 158 aufgreifende anne eingeleitet, und nennt zunächst gleichsam als Kategorie die großen Seen Italiens, um dann zwei von ihnen als Beispiele direkt anzureden, zuerst - noch verhältnismäßig knapp - den Comersee, dann - ausführlicher - den Gardasee. Die Darstellung der beiden Seen als gewaltig und als mit Meeresbrausen aufwogend knüpft steigernd an das Bild des friedlich die italischen Küsten bespülenden Meeres aus 158 an 411 . Der dritte Teil schließlich umfaßt vier Verse. Er greift mit dem einleitenden an memorem über anne in 159 auf an ... memorem in 158 zurück. Auch hier wird zunächst die Kategorie eingeführt, nämlich die der Häfen Italiens, für die dann beispielhaft der aus zwei Seen gebildete Portus Julius beschrieben wird. Daß Vergil im Anschluß an das allgemeine an memorem portus bestimmter wird, ist nicht so überraschend, wie Thomas meint 412 ; denn ähnlich ist Vergil, wie wir sahen, auch zuvor schon verfahren und wird es auch im folgenden tun 413 . Es ist auch wichtig zu beachten, daß Vergil den Averner- und den Lucrinersee als Bestandteile des Portus Julius, also als Bestandteile eines Hafens, einführt. Daher kann es hier gar nicht um die dort betriebene Fischzucht 414 gehen, die nach Thomas als Zeichen fortschreitender Dekadenz betrachtet wurde 415 . Der Portus Julius wurde 37 v.Chr. von Octavians Admiral Agrippa angelegt, der einerseits den schmalen Damm, der den Lucrinersee vom Meere trennte, aufstockte und mit Durchlässen versah (vgl. Str. 5,4,6, Plin. nat. 36,125 (... praetereo ... mare Tyrrhenum a Lucrino molibus seclusum ... 4 1 6 ), Flor. epit. 4,8,6 und Dio Cass. 48,50,3; 51,5) und andererseits einen Kanal zu dem weiter landeinwärts liegenden Avernersee grub (vgl. Flor. epit. 4,8,6) 4 1 7 . Diese technische Leistung fand bei antiken Autoren hohe Anerkennung 418 . Suet. Aug. 16,1 schreibt das Unternehmen insgesamt dem Augustus zu: port um Iulium apud Baias

411

PAGE ZU 160 hebt die Assonanz von ßuctibus et fremitu hervor. Vgl. THOMAS 1982, 43 und dens. zu 161-4. 413 Vgl. unten S. lOlff. 414 Die Zeugnisse für die Austernzucht im Lucrinersee sind gesammelt bei PAGET 1968, 163 Anm. 40.

412

415

416

S o THOMAS 1 9 8 2 , 4 4 .

Vgl. georg. 2,161: ... Lucrino addita claustra und 164: Tyrrhenus ... aestus. 417 Vgl. PAGET 1968, 163-166. Die Zeugnisse für den Bau des Portus Julius sind gesammelt ebd. 163 Anm. 30. 418 Flor. epit. 4,8,5 spricht von einer molitio ... magnifica, Dio Cass. 4 8 , 4 9 , 5 von einem ipyov μ ί γ α λ ο π ρ β π έ ς .

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Vergils

immisso in Lucrinum et Avernum lacum mari effecit (sc. Augustus)419. Und so dürfte die bei Servius auctus geäußerte Vermutung zutreffen: Iulia unda per prolepsin positum est, ut loca prius laudet, quam ilium, qui ea fecit, ut laudes inveniant auctorem, id est Augustum.420 Gerade solche Bauten aber, mit denen der Mensch Naturkräfte wie die See zurückdränge, seien, so bemerkt Thomas, von Vergils Zeitgenossen als Exzesse einer hochentwickelten Gesellschaft betrachtet worden 421 . Und Vergil hebe die Anwendung von Gewalt gegen die Natur ja auch hervor. Thomas verweist besonders auf das indignatum magnis stridoribus aequor vor den Dämmen des Lucrinsersees in 162, welches er mit dem pontem indignatus Araxes in Verbindung bringt, dessen Bild Aen. 8,728 in dem auf Aeneas' Schild dargestellten Triumphzug des Augustus mitgeführt wird. Aus Bemerkungen bei Servius und Servius auctus zur letztgenannten Stelle schließt er auf eine Tradition, die Xerxes, das Musterbeispiel für den die Natur vergewaltigenden Menschen, mit Alexander dem Großen und Octavian in Verbindung gebracht habe. Zu indignatum in 162 zieht Thomas ebenfalls Servius auctus heran: Bei der Verbindung des Lucriner- und des Avernersees sei ein gewaltiger Sturm aufgekommen und Schweiß am Standbild des Avernus ausgebrochen. Schließlich hält Thomas es noch für bemerkenswert, daß Hör. ars 63-69 gerade den Portus Julius als Beispiel für die Vergänglichkeit menschlichen Reichtums und menschlicher Leistung anführe. Sollte Horaz wirklich diese Hafenanlage meinen, so ist allerdings von Interesse, daß er "statt auf unfruchtbare königliche Prunkbauten, etwa die Pyramiden, hinzuweisen", an dieser Stelle ausschließlich Werke nennt, die "von Menschenhand zum Nutzen der Menschheit geschaffen" 422 wurden. Gewiß sind dies auch Werke, "in denen sich des Menschen Herrschaft über die Natur offenbart", aber Horaz klagt nicht die Vergewaltigung der Natur durch den Menschen an, sondern beklagt den Verfall menschlicher Großtaten. Und wenn Horaz die Exzesse bei der Aufführung von Bauten geißelt, so tut er dies in bezug auf private Luxusbauten und nicht in bezug auf Bauten, die von öffentlichem Nutzen sind423. Auch Cicero wußte zwischen beidem wohl zu unterscheiden. Das von Thomas auf die

419

Vgl. georg. 2,163f.: Iulia qua ponto longe sonai unda refiisol Tyrrhenusque immititur aestus Avernis. 420 Serv. auct. georg. 2,162. 421 Vgl. hierzu und zum folgenden THOMAS 1982, 43f. und dens. zu 161-2. 422

KIESSLING/HEINZE ZU H ö r . ars 6 3 .

423

V g l . HARDIE 1 9 8 6 , 2 0 9 A n m . 1 3 4 u n d ZANKER 1 9 8 7 ,

141.

fretis

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Verwendung von indignari in 162 und Aen. 8,728 gegründete Konklusionsgebäude ist bereits durch einen Hinweis auf Aen. 1,55 erschüttert worden 424 , wo es von den Winden in der Höhle des Aeolus heißt: 55

illi indignantes magno cum murmure circum claustra fremunt. ,..425

mentis

Eine Befreiung der Winde hätte nach Aen. l,58f. schlimme Folgen: ... maria ac terras caelumque profundum quippe ferant rapidi secum verrantque per auras.

Hier kann man somit wohl kaum von einer Hybris beweisenden Gewaltausübung gegenüber der Natur sprechen. Daß sich bei der Anlage des Hafens ein gewaltiger Sturm ereignet haben soll, wird allein durch Servius auctus bezeugt. Keiner der anderen Berichte über den Bau des Portus Julius spricht davon 426 . Dio Cass. 48,50,4 erwähnt immerhin, daß an einem oberhalb des Avernersees aufgestellten Standbild Schweiß ausgebrochen sei, meint allerdings, es habe sich entweder um das der Kalypso, der dieser Platz heilig sei, oder um das einer anderen Halbgöttin gehandelt, und schließt mit der Bemerkung, was dieser Vorfall zu bedeuten gehabt habe, könne er nicht sagen. Wie dem auch sei, die Personifizierung des Meeres und seine von gewaltigem Zischen begleitete Empörung in 162 sind vorbereitet durch die Apostrophe des Comer sees und des Gardasees in 159bf. - das Aufwogen des letzteren wurde ja in 160 bereits von meerartigem Brausen begleitet -, und die von Thomas hergestellte Verbindung zwischen dem Meer, welches sich bei Vergil über die Dämme empört, die es vom Lucrinersee trennen, und dem Sturm, der sich nach Servius auctus bei der Verbindung des Lucriner- und des Avernersees (wohl wegen der Verletzung des heiligen Haines um den Avernersee) ereignet haben soll, scheint sehr weit hergeholt. Kein Hinweis findet sich bei Vergil schließlich auf das schwitzende Götterbild. Angelegt wurde der Portus Julius als Kriegshafen gegen Sextus Pompeius, der mit seiner Flotte von Sizilien und Sardinien her die Küste Italiens bedrohte 427 . McKay dürfte daher kaum fehlgehen in der Annahme, daß Vergils Darstellung mitbestimmt ist "by the ultimate success

424

V g l . HARDIE 1 9 8 6 , 2 0 9 A n m .

425

134.

Vgl. magno cum murmure mit magnis stridoribus in georg. 2,162, claustra mit claustra in georg. 2,161 und fremunt mit fremitu in georg. 2,160. 426 S. Anm. 417. 427

Vgl. PAGET 1968, 160-166.

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of Octavian and Agrippa against Sextus Pompey in 36 B.C." 4 2 8 . Die Bezeichnung dieser Maßnahmen als "militaristic adventuring" 4 2 9 scheint gänzlich verfehlt. Die Nennung der beiden den Portus Julius bildenden Seen rahmt gleichsam dessen Beschreibung: Der Blick richtet sich zunächst auf die den Lucrinersee vom Meer trennenden Dämme, um sich dann dem mit gewaltigem Zischen vor ihnen aufwogenden Meer zuzuwenden. Im folgenden Vers, der mit seinen on- und un-Lauten "the booming of the waves" nachzuahmen scheint 430 , strömt das Meer in den Lucrinersee 431 , bis schließlich gezeigt wird, wie es durch den Kanal in den Avernersee eingelassen wird. In diesem Doppelhafen vereinen sich Meer und Seen. ου πβρίρρυτος aber dennoch άμφιθάλαττος zu sein, ist eine der Eigenschaften, die bei Xen. Vect. 1,7 an Attika gerühmt werden: So könne es sowohl auf dem See- als auch auf dem Landwege Handel betreiben. Das Italien umgebende Meer und seine Häfen sowie Größe und Zahl der italischen Seen werden auch bei Str. 6,4,1 gerühmt. Dort jedoch wird der Bereich der Binnengewässer gesondert behandelt und betont, daß die Häfen Italiens zwar groß und bewundernswert, aber doch wenige seien. Letzteres entspricht einer Bemerkung bei Dio Cass. 48,49,5 und wohl auch der damaligen Wirklichkeit 432 . Plinius hebt nat. 3,41 allerdings sowohl die Zahl der Seen Italiens als auch die der es umgebenden Meere und seiner Häfen hervor und preist nat. 37,201 seine portuosa litora. Auch Ael. VH 9,16 erwähnt, wie bereits gesehen, die θάλασσα àyαθή ... ορμοιζ πανταχόθεν δΐΐΐΧημμένη και καταγωγαΐς άφθόνοις καί κατάρσεσιν. Flor. epit. 1,16,4 schließlich rühmt die Häfen ander kampanischen Küste: hic illi nobiles portus Caieta, Misenus, tepentes fontibus Baiae, Lucrinus et Avernus, quaedam maris oda. Dabei ist es keineswegs so, daß die genannten Autoren sich auf "the natural beauty of these features" 433 beschränken. Str. 6,4,1 weist im Zusammenhang mit den Häfen sehr deutlich auf die militär- und handelspolitischen Vorteile der

428 429 430

MCKAY 1972, 161. PUTNAM 1979, 101. Zur klanglichen Gestaltung dieser Verse vgl. WILLIAMS zu 161f. und THOMAS zu

163. 431

Auch diese Schilderung scheint von Ausonius in seinem Mosellob aufgegriffen worden zu sein. Vgl. GÖRLER 1969, 106-108 ( = 1991, 163-165). 432 Vgl. PAGET 1968, 161. 433 THOMAS 1982, 43.

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Situation hin. Die kommerziellen Chancen berühren auch Plin. nat. 3,41; 37,201 und Ael. VH 9,16. Vergil jedoch verleiht Italien mit der Beschreibung seiner Meere, Seen und Häfen Gestalt und Leben: Zunächst faßt der Leser mit dem Meer, welches friedlich die beiden Küsten Italiens bespült, ganz Italien in den Blick, anschließend wendet er ihn nach Norden, der Heimat Vergils, zum riesigen Comersee und zum gewaltig aufwogenden Gardasee, um ihn schließlich wieder nach Süden, dem Entstehungsort der Geórgica, zu richten, wo sich im Portus Julius Meer und Seen zu einem großartigen Schauspiel verbinden 4 3 4 . Im Vergleich zum Vorausgehenden rücken in 155-164, wie bereits bemerkt, die technischen Leistungen in den Vordergrund: War im vorausgehenden Abschnitt der laudes Italiae das Bild der Kriegstüchtigkeit der Einwohner und ihrer Frömmigkeit in die Darstellung der landwirtschaftlichen Hervorbringungen und der Witterung Italiens eingebettet, so umgeben nun die Hinweise auf die menschlichen Schöpfungen in 155-164 das Bild der italischen Landschaft und seiner Gewässer. Dabei geht die Darstellung aus von den menschlichen Schöpfungen und kommt dann über das Verhältnis dieser Schöpfungen zu der sie umgebenden. Landschaft zu den Gewässern und zur Nutzung dieser Gewässer durch den Menschen. Wir haben dabei keinen Hinweis darauf gefunden, daß Vergil die Vergewaltigung der Natur durch den Menschen geißelt. Er scheint vielmehr die Meisterung der von der Natur gestellten Herausforderungen durch den Menschen hervorzuheben und so auch auf das folgende vorauszuweisen: "... da muß ein tüchtiges Volk wohnen." 4 3 5 Auch für die angebliche Sorge Vergils im Blick auf die Aggressivität seiner Landsleute haben wir keinen Beleg gefunden. Eher verweist Vergil auf die alte Wehrhaftigkeit der Bewohner Italiens und auf Octavians noch in frischer

434

Zur gedanklichen Bewegung von 155-164, die mit dem Hinweis auf die Städte Italiens anhebt, von denen einige sich auf steilen Felsen erheben, vgl. WILLIAMS 1968, 421 f.: "The poet's eye moves down the rocky cliff to the river beneath ... (157). Then the sea follows naturally (158), and the lakes in an apostrophe that expresses the poet's emotional pleasure in them. Then (in preparation for a transitition that will open out into a great rollcall of the Italian tribes and the wars of Rome) his eye moves to a work of man: the great naval base at Misenum ..." und ebd. 424: "... the hilltowns, the rivers beneath, the seas, the lakes as big as seas, the harbours that are lakes both keeping the sea out and yet letting it in - under control." 435 SCHMIDT 1930, 80, die aber, da sie 155-157 als Übergang zwischen zwei jeweils 15 Verse umfassenden Blöcken (140-154; 158-172) betrachtet (vgl. oben Anm. 297), nicht zu erkennen vermag, daß dieser Schluß auch in 155-157 nahegelegt wird.

Die Geórgica Vergils

100

Erinnerung befindlichen, erfolgreichen Kampf gegen Sextus Pompeius, damit vorausdeutend auf die Abwehr der Streitkräfte des Antonius und der Kleopatra durch Octavian bei Actium, die in der altitalischen Kriegstüchtigkeit wurzelt 436 . Im Lob einer Stadt oder eines Landes ist die Würdigung der von den Einwohnern vollbrachten Taten ein fester Bestandteil: virtutes ac vitia circa res gestas eadem (sc. sunt in urbibus), quae in singulis. ... cives Ulis (sc. urbibus) ut hominibus liberi437 sunt decori (Quint, inst. 3,7,26f.). Bei diesen Taten kann man zwischen den im Frieden und den im Krieg vollbrachten unterscheiden: ei τι πέπρακται τη πόλβι ή ev πολέμοις η έπ' βιρήνης (Dion. Hal. Rh. 1,3) 438 . So wurde z.B. an den Athenern neben ihrer Klugheit immer wieder ihre Kriegstüchtigkeit gerühmt. Isoc. 7,74 meint, wie andere Länder sich durch eigentümliche Hervorbringungen an Früchten, Bäumen oder Lebewesen auszeichneten, so sei Attika in der Lage, άνδρας φέρβιν και τρέφβιν ... ον μόνον προς τάς τβχνας καί τάς -κράζεις κοί τους λόγους βϋφυεστάτους, αλλά και προς άνδρβίαν καί προς άρβτήν πολυ διαφέροντας. Insbesondere die Abwehr der Perser wurde im Lob Athens zum zentralen Topos 439 . Häufig wird ein ausdrücklicher Zusammenhang zwischen der Lage und dem Klima eines Landes und dem Charakter bzw. den Leistungen seiner Bewohner hergestellt. Plat. Tim. 24c/d heißt es, Athene habe Attika wegen seiner Eukrasie zur Hervorbringung der vernünftigsten und ihr, der φιλοπόλεμος re και φιλόσοφος, am meisten ähnelnden Männer ausgewählt. Und bei Arist. Polit. 1327b27-33 lesen wir, die Völker der kalten Gegenden seien zwar tapfer, aber geistig schwerfällig, und umgekehrt die Asiens zwar erfindungsreich, aber feige, wohingegen die Griechen, die die mittleren Gegenden bewohnten, sowohl Mut als auch Verstand besäßen, so daß sie alle übrigen Völker beherrschen könnten, wenn sie sich nur zusammenschlössen 440 . Ganz ähnliches wie Aristoteles über Griechenland sagt Vitr. 6,1,9-11 über Italien. Dieses hat jedoch erreicht, was jenem lediglich in Aussicht gestellt worden war: itaque consiliis refringit barbarorum virtutes, forti manu meridianorum cogitationes. ita divina mens civitatem populi Romani egregia temperataque regione collocavit, uti orbis terrarum imperii potiretur. Str. 6,4,1 be-

436

Zu 165f. vgl. Appendix 4.

437

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

438 439 440

die Bezeichnung Italiens als magna (parens) auch Men. Rh. 3 6 4 , 1 7 f f . KlENZLE 1936, 74. auch Phot. Bibl. 441a.

virum in 174.

Zweites Buch

101

merkt über Italien, es sei von seiner Lage und von der Tapferkeit seiner Bewohner her zur Vorherrschaft bestimmt. Plinius rühmt nat. 3,42 Italiens ingenia ritusque ac viros et lingua manuque superatas ... gentes (am Ende der mit diesem Lob beginnenden Darstellung Italiens wird nat. 3,138 dessen militärisches Potential noch einmal hervorgehoben), und nat. 37,201 heißt es: ergo in toto orbe ... pulcherrima omnium est ... Italia rectrix parensque mundi altera, viris feminis, ducibus militibus, servitiis, artium praestantia, ingeniorum claritatibus. Vergil verwendet sechs Verse auf die Bewohner Italiens. Dabei ist seine Perspektive eine historische. Beginnend mit den Völkern der italischen Frühzeit gelangt er in 167-172 über die Helden der Republik mit der Anrede an Octavian bis in die Gegenwart:

no

haec genus acre virum, Marsos pubemque Sabellam adsuetumque malo Ligurem Volscosque verutos extulit, haec Decios Marios magnosque Camillos, Scipiadas duros bello et te, maxime Caesar, qui nunc extremis Asiae iam victor in oris imbellem avertis Romanis arcibus Indum.

Die sechs Verse werden unterteilt, indem haec vom Anfang von 167 in 169 noch einmal emphatisch aufgegriffen wird. Das beiden Teilen zugehörige Prädikat extulit steht am Ende des ersten Teiles. In diesem wird zunächst wieder die Kategorie genannt, um die es nun geht, das genus ... virum. Dieses wird zugleich bereits als acre gekennzeichnet. Hierauf folgt als Apposition eine erläuternde Aufzählung, die aus vier Gliedern besteht, die ersten beiden, ein Plural und ein Singular, ohne, die letzten beiden, ein kollektiver Singular441 und ein Plural, mit Epitheton (in chiastischer Stellung, das erste Epitheton aus zwei Wörtern, das zweite aus einem bestehend). Angeführt werden vier altitalische Stämme, die besonders für ihre Genügsamkeit und Wehrhaftigkeit gepriesen werden 442 . Der zweite Teil nennt zunächst vier Helden bzw. Heldenpaare Roms, 441

Vgl. KS 1,67f. Zur Kriegstüchtigkeit dieser Stämme vgl. RICHTER ZU 167. Vgl. auch Plin. nat. 3,106: sequitur regio quarta gentium vel fortissimarum Italiae, unter denen dann die Marser (ebd.) und die Sabeller/Sabiner (ebd. 107) genannt werden. Es nimmt Wunder, daß die "Pessimisten" noch nicht auf die "Doppeldeutigkeit" in der Charakterisierung der Ligurer aufmerksam geworden sind. Schon DE LA CERDA Ζ.St. bemerkt: "Nisi quis sententiam torqueat, ut volunt aliqui, ad gentis huius κακία ν, et malos, ac vitiosos mores ... Sed recte monet Germ, hunc cavillum non satis aptum laudibus Italiae." Und V o s s 336 meint: "Den Aufsuchern des Doppelsinns, die hier ligurische Arglist fanden, verschmähte Virgil durch einen unverdrehbaren Ausdruck zu entgehen." Vgl. auch HEYNE zu 167-170. 442

102

Die Geórgica Vergils

deren Kriegstüchtigkeit und Größe besonders hervorgehoben werden. Dabei werden erst ein mythisches Paar 443 und eine Einzelgestalt der jüngeren Geschichte, dann eine mythische Einzelgestalt und ein Paar der jüngeren Geschichte zusammengestellt: die Glieder der ersten Gruppe, ein natürlicher und ein genereller 444 Plural, durch Auslassung der Konjunktion enger aneinander gebunden und ohne Epitheton, die Glieder der zweiten Gruppe, ein genereller und ein natürlicher Plural, wieder untereinander unverbunden, aber jeweils mit einem Epitheton ausgestattet (in chiastischer Stellung, das erste aus zwei Wörtern, das zweite aus einem bestehend). Zuletzt wird Octavian genannt, abgesetzt durch die unmittelbare Anrede und durch einen Relativsatz ausgezeichnet. Octavian wird gleichfalls für eine militärische Leistung gerühmt, die nun allerdings näher bezeichnet wird. Auch durch das Attribut maxime wird er über die zuvor Genannten gestellt, von denen Camillus, der wie auch Marius im generellen Plural erschien, lediglich als magnus bezeichnet wurde. Die allmähliche, sehr sorgfältig durchgeführte Steigerung ist offensichtlich. Anstoß hat allerdings die Nennung des Marius in 169 erregt. Richter 445 z.B. meint, Vergil die Einbeziehung des Marius in eine Reihe der aus dem "halbmythischen Bereich der frühen Republik" stammenden Heroen nicht zutrauen zu dürfen, und verweist demgegenüber auf "die

443

Während Serv. georg. 2,169, SIDGWICK, PAGE und wohl auch CONINGTON ZU 169 in

Decios einen Hinweis auf zwei Helden der römischen Frühzeit sehen, nämlich auf P. Decius Mus, der sich im Ersten Samnitischen Krieg (343-341) hervorgetan und durch seine Selbstaufopferung 340 den Sieg über die Latiner bei Veseris gesichert haben soll, und auf dessen gleichnamigen Sohn, dessen Name sich mit dem Zweiten und Dritten Samnitenkrieg (326-304; 298-291) verbindet und der sich 295 in der Schlacht von Sentinum gegen das vereinigte Heer der Samniten und Kelten dem Tode weihte, gehen MARTYN und WAGNER ZU 169 und MYNORS ZU 169-70 von einem Bezug auf drei Generationen der Decii aus, nehmen also noch den Enkel P. Decius Mus hinzu, der 279 als Consul mit seinem Kollegen bei Ausculum dem Pyrrhos entgegentrat. Die Überlieferung zur angeblichen devotio diesen dritten Deciers ist allerdings vergleichsweise dürftig und uneinheitlich, was damit zusammenhängen mag, daß die Schlacht bei Ausculum für die Römer in einer Niederlage endete. Vgl. MÜNZER 1901, 2284-2286, BROUGHTON 1951, 192, SKUTSCH ZU Enn. Ann. 191-4. Die Zahl der Stellen, an denen von zwei Deciern die Rede ist, liegt deutlich höher als die derjenigen, an denen drei Decier erwähnt werden: vgl. MÜNZER 1901, 2281, wo allerdings unter ersteren Cie. Phil. 11,13; 13,27 wohl zu streichen sind (dafür mag man Val. Max. 5,6,5-6, Plin. nat. 28,12 und Sen. epist. 67,9 hinzufügen). 444 Vgl. KS 1,72; HSz 19. Zur Frage, ob es sich bei Marios um einen natürlichen Plural handeln könnte, vgl. auch unten S. 104. 445

RICHTER zu 1 6 9 f .

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103

traditionelle Reihe (Decius) Curius Camillus" 446 , die "fast ein literarisches Sigel römischer Heldenverehrung seit dem Ausgang der römischen Republik" geworden sei, weswegen er Curios anstatt des einhellig überlieferten Marios in den Text aufnimmt. Marios ist allerdings auch in der Wiedergabe von 169f. bei Quint, inst. 9,3,24 zu lesen 447 . Richters Argumentation büßt zudem schon dadurch an Überzeugungskraft ein, daß nach ihren Begriffen auch die Nennung der Scipionen aus dem Rahmen fällt und einer Rechtfertigung als Ausnahme bedarf. Und selbst an einigen der von Richter als Beleg für die "traditionelle Reihe (Decius) Curius Camillus" ins Feld geführten Stellen treten historische Gestalten neben solche aus dem mythischen oder halbmythischen Bereich. So werden zwar Hör. epist. 1,1,64 und Mart. 1,24,3 nur Curii und Camilli erwähnt, doch schon Cie. Pis. 58 stoßen wir auf Camilli und Curii nach einer Liste von lebenden Triumphatoren und vor einer Liste, die Fabricii, Calatini, Scipiones, Marcelli, Maximi und L. Aemilius Paullus umfaßt - und in der Nennung des Marius gipfelt. Cie. Sest. 143 nennt zwar ausdrücklich nur Brutos, Cantillos, Ahalas, Decios, Curios, Fabricios, Máximos, Scipiones, Lentulos, Aemilios, schließt jedoch mit dem Hinweis auf innumerabiles alios, qui hanc rem publicam stabiliverunt. Und Hör. carm. 1,12,33-60 stehen in einer Reihe 448 : Romulus, Numa Pompilius, Tarquinius Superbus, Cato Uticensis, Regulus, M. Aemilius Scaurus (und/ oder M. Aurelius Scaurus), L. Aemilius Paullus, C. Fabricius Luscinus, M ' . Curius Dentatus, Camillus, M. Claudius Marcellus und Augustus 449 . Richters Beiseiteschieben von luv. 8,245-253, wo Marius als Mann aus dem Volke und Retter Roms zwischen Cicero und den Deciern erscheint (es folgen noch weitere Helden der römischen Frühzeit), wirkt schließlich nicht sehr überzeugend. Marius ist gewiß keine unproblematische Gestalt. Doch scheint Thomas' Behauptung, er habe v.a. für "brutality and despotism" gestan-

446 447 448

449

Z u r Verbindung des Camillus mit Curius vgl. noch OTTO 102, s.v. Curius. Dies hebt MCKAY 1972, 163 Anm. 23 hervor. V g l . j e w e i l s KIESSLING/HEINZE u n d NISBET/HUBBARD z . S t .

Zur Vermischung historischer und (halb-)mythischer Exempla vgl. z.B. noch Prop. 3,11,57ff. Vgl. auch unten S. 108f., Manil. 4,86f. (... Decios non omne tulit, non omne Cantillos/ tempus et invicta devictum mente Catonem) und Val. Max. 2 , 1 , 1 0 (inde (sc. ex hac domestica disciplina) oriebantur Camilli, Scipiones, Fabricii, Marcelli, Fabii, ac ne singula imperii nostri lumina simul percurrendo sim longior, inde, inquam, caeli clarissima pars divi fuiserunt Caesares).

104

Die Geórgica Vergils

den, sei insbesondere als der Mann betrachtet worden, "who did his best to tear apart the Roman republic", kaum gerechtfertigt450. Thomas stützt sich im wesentlichen auf die dem Marius feindliche Tradition, wie sie sich in Plutarchs Marius-Biographie niedergeschlagen hat 451 . Er räumt zwar ein, Marius sei "to some extent an ambivalent figure", wobei er auf Veil. 2,11,1 verweist: quantum bello optimus, tantum pace pessimus, meint aber, des Livius Urteil scheine "somewhat slanted to the negative": vir, cuius si examinentur cum virtutibus vitia, haud facile sit dictu, utrum bello melior an pace perniciosior fuerit. adeo quam rem p. armatus servavit, earn primo togatus omni genere fraudis, postremo armis hostiliter evertit (perioch. 80) 452 . Diejenige Stelle, die er aus der Rede des Philippus in Sallusts Historien anführt und die seiner Ansicht nach Marius unter diejenigen einreiht, die tumultum ex tumultu, bellum ex bello serunt, bezieht sich wahrscheinlich nicht einmal auf unseren Marius, sondern auf dessen Sohn453. Anders als Martyn 454 annimmt, dürfte an der vorliegenden Stelle kaum an den älteren und den jüngeren Marius oder gar an das ganze Geschlecht der Marii gedacht sein, ebensowenig wie dies Cie. Verr. 5,14 der Fall ist, wo Cicero mit Blick auf Verres' angebliche Verdienste um den Schutz Siziliens vor einem Übergreifen des Spartacusaufstandes sowie vor Überfällen durch Seeräuber ausruft: o praeclarum imperatorem nec iam cum M'. Aquilio, fortissimo viro, sed vero cum Paulis, Scipionibus, Mariis conferendum!455 Thomas läßt das eher positive Bild, welches Cicero von seinem Landsmann zeichnet, gänzlich unberücksichtigt. Cicero stellt ihn, den er sogar mit einer eigenen Dichtung ehrte 456 , sehr häufig mit Scipio zusammen 457 , bezeichnet ihn auch als pater patriae458, was ihn mit Camillus verbindet459. 450

Vgl. hierzu und zum folgenden THOMAS 1982, 47 mit Anm. 52 und dens. zu 169-

172. 451

V g l . CARNEY 1 9 6 0 ,

83.

452

Vgl. Livius' Urteil über Caesar (Sen. nat. quaest. 5,18,4). Die Äußerungen des Livius gehören in ein verändertes geistiges Klima: vgl. FLACH 1985, 140f. 453 Vgl. JACOBS/WIRTZ/KURFESS zu Sali. hist. frg. 1,77,7. 454

MARTYN zu

455

Vgl. ebd. 25.

456

V g l . CARNEY 1 9 6 0 , i n s b e s . 8 5 u n d 1 2 0 - 1 2 2 , s o w i e FUHRMANN

169. 3

1991, 33-36.

Zeug-

nisse für Ciceros Gedicht über Marius und erhaltene Bruchstücke: Cie. carm. frg. 18-22 Blänsdorf. 457

V g l . CARNEY 1 9 6 0 , 9 3 u n d

458

V g l . CARNEY 1 9 6 0 ,

459

Vgl. Liv. 5,49,7.

121f.

121.

Z w e i t e s Buch

105

V.a. aber kommt es auf den Zusammenhang an, in dem Marius an unserer Stelle genannt ist: Er erscheint zum einen als Vertreter altrömischer Einfachheit und Genügsamkeit. Er, der Cie. Pis. 58 als rusticus und Cie. Tusc. 2,53 als rusticanus vir, sed plane vir bezeichnet wird, scheint nicht schlecht mit Camillus zusammenzupassen, wie er uns z.B. Hör. carm. 1,12,41-44 entgegentritt460. Auch an den altitalischen Stämmen wurde ja deren Genügsamkeit hervorgehoben461. Zum anderen sind es die militärischen Qualitäten, die seine Nennung am Platze erscheinen lassen. Die Tatsache, daß er mit den Deciern, mit Camillus und den Scipionen zusammengestellt wird, lenkt den Blick deutlich auf seine Siege über die Kimbern und Teutonen. Und auch die genannten altitalischen Stämme standen ja, wie gesagt, in dem Ruf besonderer Kriegstüchtigkeit. Schwierigkeiten hat auch imbellem in 172 bereitet. Servius schlug vor, es proleptisch zu deuten: imbellem avertis: id est avertendo reddis imbellem.462 Bei Servius auetus findet sich dagegen die Überlegung, ob man es nicht als victum iam, nec bellantem fassen solle. Daraus ergibt sich dann allerdings die Frage: ceterum quid grande, si imbellem avertisP463 Hieran anknüpfend haben einige moderne Interpreten gemeint, Vergil wolle an unserer Stelle Octavians militärische Unternehmungen im Osten ausdrücklich als überflüssige imperialistische Maßnahmen geißeln: Octavian führe Krieg gegen ein unkriegerisches Volk im äußersten Osten, welches nicht die geringste Bedrohung für Rom darstelle 464 . Unsere Stelle ist allerdings nur dann richtig zu verstehen, wenn man ihren historischen Kontext berücksichtigt. Im Hintergrund steht der Konflikt zwischen Octavian auf der einen und Kleopatra und Antonius auf der anderen Seite, der auf Octavians Seite als Konfrontation zwischen Ost und West betrachtet wurde 465 und seine Entscheidung im Jahre 31 v.Chr. in der Schlacht von Actium fand. Vor allem auf den Sieg Octavians bei Actium werden wir iam victor in 171 zu beziehen haben 466 .

460

Vgl. auch OTTO 68, S.V. Camillus. Vgl. oben S. 101 und MYNORS ZU 169-70: "As a farmer's son from Arpinum in the Volscian hills (Juv. 8.245-53) he (sc. Marius) is especially apt." 462 Serv. georg. 2,172. 463 Serv. auct. georg. 2,172. 464 So PUTNAM 1975, 174f., ders. 1979, 104, THOMAS 1982, 48 sowie ders. zu 170-2. Etwas vorsichtiger BOYLE 1986, 83 mit Anm. 103. 465 Vgl. KLINGNER 1967, 237f. 466 Vgl. PAGE zu 171: "iam, 'by this time' with reference to the progress of his (sc. Octavians) arms - first Actium, then Alexandria, and at last Asia. " 461

106

Die Geórgica

Vergils

Aen. 8,705 nennt Vergil im übrigen die Inder ausdrücklich unter den Hilfsvölkern des Antonius bei Actium. Und sie stehen auch sonst in der Dichtung nicht selten für den Osten insgesamt467, extremis Asiae iam victor in oris/... avertis Romanis arcibus Indum bedeutet nichts anderes, als daß die Anwesenheit des Siegers im äußersten Osten in höchstmöglichem Maße die Sicherheit Roms gewährleistet, die man durch den Osten bedroht gesehen hatte468. Es ist Thomas zuzugeben, daß die Tatsache, daß die entgegengesetzten Beiwörter, die unmittelbar zuvor den Römern und Italern beigegeben werden, deren Wesen umschreiben, dafür spricht, auch das Epitheton der Inder auf deren Charakter zu beziehen 469 . Wie wir sahen, denkt Vergil jedoch wohl gar nicht ausschließlich an die Inder, sondern vielmehr an den bei Actium geschlagenen Osten insgesamt. Dem Osten werden in der Tat auch sonst gerne Weichlichkeit und Feigheit als Charakteristika zugeschrieben. Vor allem auch den Ägyptern galt dieser Vorwurf 470 .

467

Vgl. VOSS 339f., 34lf. und RICHTER ZU 171f. Romanis arcibus meint nicht allgemein römische Städte oder Befestigungen, wie Serv. georg. 2,172 (und Aen. 6,396), BURMANN ZU 171, HEYNE ZU 171-173 sowie TLL 2,740,1-3 annehmen, sondern die Hügel Roms: vgl. Voss 341f., LSDJ zu 172 sowie TLL 2,742,9-23. Dabei erscheint das über den Sieben Hügeln errichtete Rom als eine glänzende Vertreterin für Italiens teils auf steilen Bergen errichtete Städte aus 155-157 (vgl. oben S. 91ff.), wie Octavian selbst in 167-172 als Vertreter der Völker Italiens erscheint. In 176 singt Vergil Romana per oppida: vgl. oppida in 156 und Romanis in 172 (unten S. 112f.). Zu Vergils Sicht des Verhältnisses von Rom und Italien WILKINSON 1969, 153-159 ("The unification of Italy").

468

469

V g l . THOMAS 1 9 8 2 , 4 8 .

470

V g l . WÖLFFLIN 1892,

1 3 7 , THOMAS 1 9 8 2 , 4 8 f . u n d d e n s . z u 1 7 0 - 2 .

SCHRIJVERS

1987, 208 bemerkt allerdings zu Recht, daß Thomas seine Belegstellen merkwürdig ausgewählt zu haben scheint: Tac. Germ. 12,1 geht es um die Bestrafung von Verrätern, Überläufern, Kriegsscheuen, Feiglingen und Perversen bei den Germanen, lust. 39,5,5 um die Reiche der Seleukiden und Ptolemäer, die, nachdem sie sich angesichts des Vordringens Roms gegeneinander gewandt haben, schließlich geschwächt den Arabern erliegen, die zuvor nicht auf Kriege aus waren, und Liv. 29,25,12 schließlich geht auf Libyen. Schrijvers verweist stattdessen auf lust. 38,4,7 und Curt. 9,2,2, wobei er die letztgenannte Stelle offensichtlich selbst versehentlich statt Curt. 9,2,27 gibt. WÖLFFLIN 1892, 137 weist auf Liv. 9,19,10 hin, wo Livius innerhalb eines Gedankenspiels "Was wäre gewesen, wenn Alexander der Große gegen die Römer gezogen wäre?" meint: ne ille saepe, etiam si prima prospere evenissent, Persas et Indos et imbellem Asiam quaesisset et cum feminis sibi bellum fuisse dixisset (vgl. auch 5, wo es heißt, die persischen und indischen Hilfstruppen wären für Alexander eher eine Belastung gewesen). Vgl. schließlich neben Vitr. 6,1,3-12 noch Arist. Polit. 1327b23-33 (oben S. lOOf.). Vergil selbst spricht ja 1,57 von den molles Sabaei (so schon HEYNE ZU 171-173; vgl. auch oben S. 1 lf. und S. 73). Allerdings werden den Indern und auch manch anderem vereinzelten

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107

Wie allerdings bei den römischen Helden und den altitalischen Stämmen Kriegstüchtigkeit nicht gleich Angriffslust ist, so kann man eben auch bei den Völkern des Ostens Weichlichkeit und Feigheit nicht einfach mit Friedfertigkeit gleichsetzen 471 . Oben wurde bereits auf Vitr. 6,1,9-11 hingewiesen, wo von den meridianae nationes gesagt wird, sie seien zwar zum Schmieden kühner Pläne in der Lage, kämen jedoch zu Fall, wenn es um deren tapfere Umsetzung gehe. Italien dagegen sei bewohnt von Völkern, die sowohl klug als auch tapfer seien, woraus schließlich die Folgerung gezogen wird: refringit (sc. Italia)... forti manu meridianorum cogitationes. Auch Prop. 3,11,33 spricht von dem frechen Angriff der noxia Alexandria, dolis aptissima tellus472 auf Rom, welches Properz in seiner Vergils laudes Italiae verarbeitenden Elegie seinerseits als armis apta magis tellus quam commoda noxae473 bezeichnet (3,22,19) 4 7 4 . Und bei Lucan. 10,63-67 lesen wir schließlich über Kleopatra:

65

terruit illa suo, si fas, Capitolia sistro et Romana petit imbelli signa Canopo Caesare captivo Pharios ductura triumphos; Leucadioque fuit dubius sub gurgite casus, an mundum ne nostra quidem matrona teneret.

Eine andere Stelle aus der elften Elegie des dritten Properzbuches bringt uns von diesem Problem auf das mit der Nennung des Marius

Volk Asiens durchaus kriegerische Vorzüge zuerkannt: vgl. WÖLFFLIN 1892, 137, M Ü T Z E L L ZU C u r t . 9 , 2 , 2 7 u n d M U N D DOPCHIE/VANBAELEN 1 9 8 9 , 2 1 5 m i t A n m . 4 1 . 471

Nach TLL 7,l,419,50ff. hat imbellis, wenn es im eigentlichen Sinn von Menschen gebraucht wird, entweder die generelle Bedeutung "unkriegerisch" (vgl. ebd. 51 ff.) oder die spezielle Bedeutung "zum Kriegsdienst ungeeignet" (vgl. ebd. 420,25ff.). Im erstgenannten Fall kann es in der Tat dem Sinn von "friedlich" nahekommen, zumeist aber scheint es hier "nicht tapfer, feige" zu meinen (vgl. TLL 7,1,419,5lf.: "accedit hic illic notio quae est 'timidus' ..., 'ignavus' sim. ..." und insbesondere ebd. 4 2 0 , l l f f . ("loco maledicti"), wo auch unsere Stelle eingeordnet wird). Es scheint mir fraglich, ob nicht selbst an der Stelle, die BOYLE 1986, 83 Anm. 102 als Beleg für die Bedeutung "peaceful" anführt (Sali. lug. 20,2), doch auch leichte Verachtung mitschwingt: ipse acer, bellicosus (sc. Iugurtha); at is (sc. Adherbal) quem petebat quietus, imbellis, placido ingenio, opportunus iniuriae, metuens magis quam metuendus. 472 Hinsichtlich dieser Charakterisierung Ägyptens verweist KOCHER z.St. noch auf Bell. Alex. 7,3 und Lucan. 8,823. 473 Vgl. WILLIAMS 1968, 423f., der Prop. 3,22,19-22 durch 167-174 angeregt sieht: "... but while Virgil mentioned Italian tribes ..., then great Roman heroes, and finally Augustus, Propertius retreats into abstracts." Vgl. auch oben S. 82. 474

V g l . KOCHER z . S t .

108

Die Geórgica Vergils

verknüpfte zurück. Prop. 3,11,45f. nämlich gipfelt die Vermessenheit des Rom bedrohenden Ostens in Kleopatras Wunsch, 45

foedaque Tarpeio conopia tendere saxo, iura dare et statuas inter et arma Mari?15.

Besondere Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang die "schweigenden Hinweise"476 auf Scipio und Marius bei Hör. epod. 16,Iff.: Dort nämlich werden die Kimbern und Teutonen sowie Hannibal unter den Gefahren genannt, die Rom selbst unmittelbar bedrohten 477 , die jedoch wiederum durch die nun in der zweiten Generation geführten 478 , selbstzerstörerischen Bürgerkriege in den Schatten gestellt zu werden drohen, weshalb vor den Augen des Dichters die Vision aufsteigt, Rom selbst könne von den Barbaren zerstört werden. Ein ähnlicher Gedanke deutete sich ja ebenfalls im Finale des ersten Buches der Geórgica an, wo sich angesichts der Bürgerkriege nach der Ermordung Caesars auch die auswärtigen Feinde wieder zu rühren begannen: hinc movet Euphrates, illinc Germania bellum (509)479. In den laudes Italiae scheint die Gefahr von Octavian gebannt, ebenso wie die Karthager von den Scipionen und die Kimbern und Teutonen von Marius geschlagen worden waren 480 . Auf dem nach ihm benannten Forum 481 ließ Augu-

475

Die Wiederaufstellung der Siegeszeichen, die an den Sieg des Marius über Jugurtha und über die Kimbern und Teutonen erinnerten, durch Caesar erregte großes Aufsehen: vgl. Suet. lui. 11, Plut. Caes. 6,1-2, Veil. 2,43,4. MARTYN ZU 169 und MCKAY 1972, 163f. Anm. 23 heben die verwandtschaftliche Beziehung des Marius zur Familie der Julier hervor. 476

RICHTER ZU 1 6 9 f .

477

Vgl. KIESSLING/HEINZE zu Hör. epod. 16,3-8.

478

Vgl. KIESSLING/HEINZE ZU Hör. epod. 16,1.

479

Vgl. MYNORS z.St. sowie l,474f. mit THOMAS z.St. Im Proöm zum dritten Buch wandelt sich die Angst vor einer doppelten außenpolitischen Bedrohung in den Preis eines doppelten Triumphes über die auswärtigen Feinde: et (sc. addarti) duo rapta manu diverso ex hoste tropaeal bisque triumphatas utroque ab litore gentis (32-33). Vgl. auch die Sphragis, in der Vergil die Geórgica auf die Zeit datiert, Caesar dum magnus ad altuml fulminât Euphraten bello victorque volentisl per populos dat iura viamque adfectat Olympo (4,560b-562). 480 Schon CONINGTON zu 169 bemerkt: "These heroes saved Rome, the Decii from the Latins, Marius from the Cimbri, Camillus from the Gauls, the Scipios from Carthage. So Octavian saves her from the enemies in the east." Ähnlich auch MCKAY 1972, 164. Vgl. auch PAGE'S treffende Deutung des nunc in 171: "'now' at the present day as opposed to the heroes of old." 481

Vgl. DEGRASSI 2-8, ROWELL 1941, 267-270, ZANKER 1968, 14-18 sowie dens. 1987,

213-217.

Zweites Buch

109

stus später mit Elogien versehene Statuen derjenigen aufstellen, qui imperium p.R. ex minimo maximum reddidissent (Suet. Aug. 31,5). Er tat dies in der Absicht, ut ad illorum velut ad exemplar et ipse, dum viveret, et insequentium aetatium principes exigerentur a civibus (ebd.). Unter denen, die durch ein solches Standbild mit einem Katalog ihrer Taten geehrt wurden, waren auch Camillus482, der jüngere Scipio483 - und Marius 484 . Wir dürfen allerdings nicht übersehen, daß es Vergil an unserer Stelle primär nicht um die Ausdehnung des Reiches geht, sondern um die Abwehr einer Bedrohung. Gerade vor diesem Hintergrund fällt es schwer, aus Vergils Worten die Anprangerung eines aggressiven Militarismus herauszulesen. Blicken wir von hier aus zurück, so wird deutlich, wie die vorausgehenden Verse allmählich auf das Bild des sich der Bedrohung aus dem Osten erwehrenden Italien hingeführt haben: In 114-135 wurde das Bild des weichlichen, aber bedrohlichen Ostens vorbereitet. Nicht ohne Grund wird in 171f. auf die Inder zurückgegriffen, von denen in 114-139 gleich mehrfach die Rede war 485 . Und auch extremis ... cultoribus aus 114 wird in extremis ... in oris in 171 aufgenommen. In der Gegenüberstellung Italiens und des Ostens in der ersten Hälfte der laudes Italiae erschien dessen gesunde Fülle von den Schrecken, die die Kehrseite der Wunder des Ostens bildeten, gleichsam eingekreist. In ihrem Zentrum fand sich aber auch dort schon ein Hinweis auf die überlegene, dem Frieden mit den Göttern verbundene Wehrhaftigkeit dieser Welt 486 . In 155ff. wurde dann das Bild des tüchtigen und wehrhaften Italien fortentwickelt487. In 171f. erwehrt sich dieses Italien des Ostens nun in direkter Konfrontation. Diese Entwicklung hat bereits Klingner im wesentlichen gesehen, als er zu 140-154 bemerkte: "Die edle Natur steigert sich in Stufen aufwärts und reicht bis in Roms Triumphprozession hinauf. Diese Begehung taucht vor dem inneren Blick auf, vorbereitend auf den triumphalen Gipfel der zweiten Hälfte. Umgeben ist der Preis solcher Natur von Gegenbildern, in denen sich die Ungeheuerlichkeit des Ostens darstellt, sie, die am Ende in Menschengestalt als der glücklich abge-

482

V g l . DEGRASSI 3 8 f . n o . 6 1 ( m i t 3 7 ) .

483

Vgl. Plin. nat. 22,13. Vgl. DEGRASSI 22-24 no. 17. Darauf weist MCKAY 1972, 163f. Anm. 23 hin. 116b-l 17a; 137; 138. Zu 122-125 s. oben Anm. 283. S. oben S. 76-78. S. oben S. 91ff.

484 485 486 487

110

D i e Geórgica

Vergils

wehrte Gegner aus dem Osten erscheinen wird." 4 8 8 Von hier aus erklärt sich auch, daß die altitalische und altrömische Genügsamkeit in 167170 v.a. unter militärischen Gesichtspunkten betrachtet wird: Der ganze Abschnitt ist ausgerichtet auf den Abwehrsieg Octavians über den Osten. In 167-172 wurde Italien, immer noch in Gestalt eines Pronomens, in den laudes Italiae erstmals zum Subjekt eines Satzes. Zugleich erinnerte das Prädikat extulit an die Hervorbringung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen 489 . In 173-174a nun redet Vergil Italien in hymnischem 490 Ton unmittelbar als Mutter von Früchten und Menschen an: salve,

magna

magna

virum

parens

frugum,

Saturnia

tellus,

...

Damit faßt Vergil beide Teile der laudes Italiae noch einmal zusammen: magna parens frugum greift den Anfang (143: gravidaë fruges), magna (parens) virum das Ende (167: genus acre virum) auf. Auch in der Anrede Italiens als Saturnia tellus klingt bereits Gesagtes nach. Eine ähnliche Wendung findet sich bei Ennius: Saturnia terra. Sie scheint sich jedoch dort nur auf Latium zu beziehen 491 . Von einer besonderen Verehrung des Kronos im gesamten Westen sprechen allerdings schon Philochoros 492 und Karneades 493 . Diod. 5,66,4-6 berichtet, Kronos, der die unter seiner Herrschaft stehenden Menschen aus einem tierischen Zustand in ein gesittetes Leben überführt und deswegen an vielen Orten der Welt freundliche Aufnahme gefunden habe, habe vor allem im Westen geherrscht und dort auch die meiste Verehrung genossen, und vergleicht diese Herrschaft mit dem Goldenen Zeitalter 494 . Diod. 3,61,3 nennt ausdrücklich Libyen, Sizilien und Italien, wo Kronos Burgen angelegt habe, weswegen viele der hochgelegenen Plätze Κpóma genannt worden seien. Dionys von Halikarnaß zitiert ein den Pelasgern

488

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 3 6 .

489

Vgl. OLD 589 s.v. effero1 5a.

490

V g l . KLINGNER 1 9 6 7 , 2 4 0 , MYNORS ZU 1 7 3 s o w i e KROLL ZU C a t u l l . 6 4 , 2 2 . Z u e i n e m

anderen Element aus dem Bereich der hymnischen Dichtung vgl. oben Anm. 409. 491 Dazu und zur Ungewißheit in bezug auf terra vgl. SKUTSCH ZU Enn. Ann. 21. 492 Philoch. FGrHist 328 F 175. 493 Bei Cie. nat. deor. 3,44. 494

D i e s o w o h l v o n GATZ 1 9 6 7 , 1 2 3 als a u c h b e i WLFSTRAND SCHIEBE 1 9 8 1 , 3 6 A n m .

11 ohne Nachweis behauptete Abhängigkeit von Euhemeros von Messene scheint allerdings alles andere als gesichert zu sein: vgl. JACOBY 1907, 954 (Diod. 5,66,4ff. erscheint auch nicht unter den Euhemeros-Fragmenten FGrHist 63) und VAN DER MEER 1949, 36.

Z w e i t e s Buch

111

gegebenes Orakel, in welchem von ΈίκβΚών Σοιτόρνιον OÌIOÌV die Rede ist (1,19,3), und meint an einer späteren Stelle bei der Besprechung der früheren Bezeichnung des Kapitols als Σατόρνιος λόφος, nicht nur dieser Ort, sondern ganz Italien sei dem Kronos heilig gewesen und von den Einwohnern Σατορνία genannt worden, wie in den Sibyllinischen und anderen Orakeln nachzulesen sei (1,34,5; vgl. auch 1,35,3). Und sowohl am Eingang wie auch am Ende seiner laudes Italiae heißt es, es sei keineswegs verwunderlich, wenn die Bewohner Italiens meinten, daß vor Jupiter Kronos bei ihnen die Herrschaft innegehabt und das nach ihm benannte Dasein bei niemandem mehr als bei ihnen geherrscht habe (1,36,1): Es sei verständlich, daß man geglaubt habe, dieses Land sei dem Kronos bzw. dem Saturn heilig (1,38,1). Keinen Hinweis gibt es dafür, daß an unserer Stelle schon die sog. Fluchtlegende hineinspielt, der zufolge Saturn in Italien die Zivilisation einführt, nachdem er dort nach seinem Sturz durch Jupiter Zuflucht gefunden hat. Die Belege für die Verbreitung der Fluchtlegende vor Aen. 8,314ff. sind dürftig 495 . In ecl. 4,6 jedenfalls bezieht sich Vergil auf die Vorstellung von der universalen Goldzeit vor der Herrschaft Jupiters. Und auf die vierte Ekloge bezogen sich ja auch 151-154 496 . Auch der aureus ... Saturnus aus den laudes vitae rusticae, einem Abschnitt, der, wie noch zu zeigen sein wird 497 , mit dem unseren eng verbunden ist, gehört in die Zeit ante ... sceptrum Dictaei regis (536-540). In der Anrede Saturnia tellus verschmelzen das Bild Altitaliens und die Vorstellung vom Goldenen Zeitalter. Der Schritt von den Saturnia regna aus ecl. 4,6 zu der Saturnia tellus in 173 ist dabei nicht unerheblich; auch hier spiegelt sich der

495

Zu dem bei Lact. div. inst. 1,14,10 überlieferten Fragment aus der von Ennius angefertigten Übersetzung der iepà άνα-γραφή des Euhemeros vgl. WLFSTRAND SCHIEBE 1981, 35f. mit Anm. 11. Zu der dort vorausgesetzten Abhängigkeit von Diod. 5,66,4ff. von Euhemeros s. allerdings oben Anm. 494. Was das sicher auf Euhemeros zurückgehende Diodor-Fragment bei Euseb. praep. ev. 2,2,52ff. betrifft, so ist zu betonen, daß wir dort ohnehin eine sehr verknappte Schilderung haben, so daß die Nichterwähnung der Fluchtlegende nicht weiter verwunderlich ist. Schließlich erscheint es mir ungewiß, ob Macr. Sat. 1,7,19 sich in der Tat auf Hygin und Protarchos von Tralles auch als Gewährsmänner "für die von ihm vorgelegte Erzählung von der Aufnahme Saturns in Italien durch Ianus" bezieht. Zu Min. Fei. Oct. 23,9ff. vgl. ebd. 42 Anm. 12. Zu GATZ 1967, 124 ist zu bemerken, daß bei lust. 43,1,3-5 auf die Fluchtlegende höchstens angespielt wird. Es geht dort um den von Saturn bewohnten und nach ihm benannten Hügel, in quo nunc veluti ab love pulso sedibus suis Saturno Capitolium est. 496

497

Vgl. oben S. 78ff. Vgl. unten S. 115ff.

112

Die Geórgica Vergils

Schritt von der Vision einer universalen Wiederkehr eines märchenhaften Goldenen Zeitalters zum Lob der Wirklichkeit eines bestimmten Landes. Der hymnische Ton bleibt erhalten, wenn Vergil in 174b-176 seine Dichtung nun dieser Saturnia tellus widmet 4 9 8 ; für sie behandelt er einen Gegenstand und eine Kunst 499 , die bereits bei den Alten in hohem Ansehen standen, indem er es wagt, heilige Quellen der Dichtung zu erschließen 5 0 0 , für sie besingt er in der Nachfolge Hesiods den Landbau in den römischen Städten: 175

498

... tibi res antiquae laudis et artem ingredior sanctos ausus recludere fontis, Ascraeumque cano Romana per oppida carmen.

V g l . KLINGNER 1 9 6 7 , 2 4 0 s o w i e KROLL u n d FORDYCE ZU C a t u l l . 6 4 , 2 4 .

499

Mit MYNORS ziehe ich artem, die Lesart des Palatinus, den Lesarten des Laurentianus und der karolingischen Handschriften vor. Vgl. RLBBECK 1866, 309: "... in textum ... recepì (sc. e codice Palatino) ...: ... ge. ... II 174 artem (artis M qui si genetivus habetur, admodum languet) ..." Die Verschreibung von artem zu artis ist nach vorausgehendem laudis sehr naheliegend, könnte aber auch durch das darunter stehende fontis veranlaßt sein. In artem sehe ich eine nähere Erläuterung zu res antiquae laudis: "Ich begebe mich an einen Gegenstand alten Lobes, und zwar an eine Kunst..." res antiquae laudis et artem bezieht sich also insgesamt auf die Kunst des Landbaus, der bei den Alten in hohem Ansehen stand. Den Landbau führt Vergil selbst ja in l,118ff. unter den artes ein. CONINGTON zu 174 vergleicht l,122f.: "... primusqueper artem! movit agros (sc. pater ipse) ... (vgl. oben S. 29 mit Anm. 110). Der Landbau wird auch bei Varrò rust. 1,3 ausdrücklich als ars bezeichnet: igitur, inquit Agrasius, ...de iis rebus, quae scientia sit in colendo nos docete, ars id an quid aliud ... primum, inquit (sc. Scrofa), non modo est ars, sed etiam necessaria ac magna ... Zusätzlich zu Cato agr. praef. 2-3 (... virum bonum quom laudabant (se. maiores nostri), ita laudabant: bonum agricolam bonumque colonum. amplissime laudari existimabatur, qui ita laudabatur.), einer Stelle, die auch CoNINGTON zu 174, LS DJ zu 174f. und MYNORS zu 174-5 anfuhren, vgl. Varrò rust. 3,1,1;4: antiquior enim multo rustica (sc. vita quam vita urbana) ... ñeque solum antiquior cultura agri, sed etiam melior... (vgl.auch ebd. 6). THOMAS zu 174-5 versteht unter artem die Dichtkunst, die hier dem Gegenstand (res) gegenübergestellt werde. Beide seien großen Lobes (antiquae laudis) würdig. 500

In der Deutung der Konstruktion folge ich KLINGNER 1967, 240 Anm. 1. Neben den T L L 7,1,1571,73ff. genannten Stellen scheint für die Konstruktion unserer Stelle von den ebd. 1573,5ff. unter "II translate (incorporaliter) c.not.incipiendi ... Β de rebus: 1 per metonymiam: a de eis, quae ad homines pertinent" eingeordneten Stellen Cie. Tim. 8 von Belang: cum autem ingressa est (sc. oratio) imitata et efficta simulacra, bene agi putat, si similitudinem veri consequatur. Der dort gegebene Verweis auf die ebd. 1574,68 zu findende Stelle aus Quint, inst. 9,4,139 ist allerdings irreführend, da dort fälschlich pedes orationis als Subjekt ergänzt wird. Ebenso ist die von FORBIGER ZU 174 aus Quint, inst. 1,3,18 gegebene Stelle verfälscht.

Zweites Buch

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Auch sanctos ausus recludere fontisj Ascraeumque cano Romana per oppida carmen klingt feierlich ennianisch501. Vom Beginn des siebten Buches der Annalen des Ennius ist uns das Bruchstück nos ausi reserare erhalten, wozu das Objekt gut fontes gelautet haben könnte502, recludere und reserare erscheinen austauschbar503. Und Lucr. 1,117-119 heißt es über Ennius: ... qui primus amoeno detulit ex Helicone perenni fronde coronam, per gentis Italas hominum quae clara clueret.

Dem Ruhm des Ennius stellt Vergil seine eigene Leistung zur Seite: die Eroberung des hesiodeischen Lehrgedichts für Rom bzw. Italien 504 . Will man annehmen, daß Vergil mit dem in Ascraeum ... carmen liegenden Hinweis auf die hesiodeischen Erga noch mehr sagen will, dann scheint es mir von einem äußerst einseitigen Bild dieses hesiodeischen Werkes zu zeugen, wenn man es wie Putnam reduziert auf den "pessimistic spirit", in welchem Hesiod seinen Weltaltermythos beschließe, oder auf ein Gewebe von "strife, decay, rampant evil, injustice and hatred", welches Hesiod "around the broader context of brother's enmity with brother" webe 505 . Hesiods Werk ist als Mahnung geschrieben, als Mahnung zu einem arbeitsamen Leben - nicht ohne Grund unterscheidet Hesiod ja gleich zu Beginn, eine Aussage aus der Theogonie berichti501 502

V g l . KLINGNER 1967, 2 4 l f . und BUCHHEIT 1972, 22-25. V g l . KLINGNER 1967, 241f. Etwas zurückhaltender SKUTSCH ZU Enn. Ann. 210.

503

Vgl. Aen. 8,244. KLINGNER 1967, 241f. verweist auf Ov. met. 15,144f. Vgl. oben Anm. 468 und BUCHHEIT 1972, 21f., wo u.a. hervorgehoben wird, daß ingredior häufig "das Originelle einer geistigen Leistung" bezeichne (21 mit Anm. 85). Columella schmilzt übrigens ingredior in ein primus um, wenn er am Ende seines Gedichtes über den Gartenbau (10,435f.) von Vergil sagt: 504

435

qui primus veteres ausus recludere fontis Ascraeum cecinit Romana per oppida carmen.

505 PUTNAM 1979,107f. Ganz ähnlich schon ders. 1975, 177. PUTNAM 1975, 177 ( = ders. 1979, 108) glaubt, in Ascraeum carmen stecke ein Hinweis auf Hesiods wenig schmeichelhafte Beschreibung seines Heimatdorfes Askra. Ross 1987, 119 hört aus diesem Ausdruck etwas anderes heraus: "I suspect that part at least of Virgil's point in concluding this passage with the claim of an Ascraean poem ... was the Muse's pronouncement to Hesiod, Ιδμεν φβύδβα πολλά \íyeii> ίτύμοισιν όμοια, ιδμίν δ' ίΰτ' έθέλωμ(ν άΧηθία -γηρνσασθαι ... Theog. 27-28." Daß man allerdings auch darüber noch hinausgehen kann, beweist ders. 1987, 121 f., indem er in einem beliebigen Anklang an Hesiod (und zwar an eine Stelle aus den Erga\) einen Hinweis auf die besagten Verse der Theogonie sieht.

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Die Geórgica

Vergils

gend, zwischen der guten und der bösen Eris (Op. 11-26) - und als Mahnung zur Gerechtigkeit. Hesiod beklagt in der Tat Op. 174-178, daß er dem verderbten fünften Zeitalter angehöre. Selbst diesem sei allerdings, so fährt er Op. 179 fort, noch Gutes beigemischt 506 . Der Untergang werde erst mit weiterem sittlichen Verfall kommen (Op. 180-201). Und dann entwirft Hesiod als Gegenbild zu dem der von Zeus gestraften ungerechten Stadt (Op. 238-247) das der von Zeus gesegneten gerechten Stadt, welches Züge des Goldenen Zeitalters trägt (Op. 225-237) 507 . In den Schlußversen der laudes Italiae erscheint Vergil also als Dichter und Mahner im Dienst eines Landes, das somit nicht nur gravidae fruges und ein genus acre virum auszeichnen. Bei der Betrachtung der laudes Italiae hat sich gezeigt, daß Vergil die Anklänge an die Goldzeitversion der vierten Ekloge keineswegs so gewählt hat, daß sie der Wirklichkeit Italiens widersprechen. Vielmehr wurde erkennbar, daß er in der entsprechenden Passage deutliche Veränderungen vorgenommen hat, um die Motive aus der Goldzeitvision der vierten Ekloge der Wirklichkeit Italiens anzupassen. Daraus läßt sich folgern, daß Vergil das Verhältnis zwischen der vierten Ekloge und den laudes Italiae als ein qualifiziertes gesehen hat und es ihm keineswegs darauf ankam, daß jeder Zug der Goldzeitvision als in der Wirklichkeit Italiens genau so existierend nachgewiesen würde. Dies bedeutet aber, daß Vergil die vierte Ekloge nicht im Thomasschen Sinne als Folie verstanden wissen wollte, was auch daraus erhellt, daß Vergil an den Stellen, an denen die Wirklichkeit Italiens hinter der Vision des Goldenen Zeitalters zurückbleiben mußte, diese Unterschiede keineswegs herausgearbeitet hat.

506

Bei PUTNAM 1975, 177 und bei dems. 1979, 107 werden dieser Vers wie auch das Folgende unterschlagen. 507 Auch im Blick auf das, was wir oben über den literarischen Hintergrund von 175f. gesagt haben, scheint die von PUTNAM 1979, 108 gegebene Deutung von ausus weit hergeholt: "This (sc. die in der von Putnam in der angegebenen Weise gedeuteten Erga) is the holy spring which it takes courage on Virgil's part to broach. His boldness rests not only generally on the novelty of his role as purveyor of Hesiodic didacticism to Rome, but specifically here on his tempering extravagant praise of the Italian earth with more realistic appraisals of the beings that now people it and of their ways." Ähnlich schon ders. 1975, 177.

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2.3. Die laudes vitae rusticae Die laudes Italiae finden eine wichtige Ergänzung in den laudes vitae rusticae am Ende des zweiten Buches. Auch diese enthalten allerdings nach Thomas "deliberate falsehoods whose effects can only serve to qualify the apparent success of man's activities throughout the book" 508 . Daß diese Deutung dem Finale des zweiten Buches der Geórgica ebensowenig gerecht wird wie den laudes Italiae, soll im folgenden gezeigt werden. Gegen sie spricht zunächst einmal die sorgsame Hinfxihrung auf die laudes vitae rusticae, die den Leser allmählich auf eine Darstellung des Landlebens vorbereitet, über der ein Schimmer des Goldenen Zeitalters und des idealen Daseins liegt, und die damit deren Glaubwürdigkeit eher untermauert als untergräbt. Nachdem Vergil die Anlage einer Weinpflanzung und den Umgang mit den jungen Pflanzen beschrieben hat, kommt er im Anschluß an die Schilderung des Bacchusfestes (380-396), in welcher der Gedanke der mühseligen Arbeit bereits in den Hintergrund tritt, in 397-402 auf die Pflege der Pflanzung über das Jahr hin zu sprechen. Diese findet nie ein Ende, dauert das ganze Jahr und beginnt jedes Jahr von neuem:

400

est etiam ille labor curandis vitibus alter, cui numquam exhausti satis est: namque omne quotannis terque quaterque solum scindendum glaebaque versis aeternum frangendo bidentibus, omne levandum fronde nemus. redit agricolis labor actus in orbem, atque in se sua per vestigia volvitur annus.

Dazu treten die Verse 420ff. in deutlichen Kontrast 509 . Im Gegensatz zum Wein erhalten nämlich schon die Ölbäume nach 420-422 keine Pflege und verlangen weder nach Sichel noch nach Hacke, wenn sie einmal Wurzel gefaßt und sich an die freie Luft gewöhnt haben: 420

contra non ulla est oleis cultura, ñeque illae procurvam exspectant falcem rastrosque tenacis, cum semel haeserunt arvis aurasque tulerunt.

Der durch cum semel eingeleitete Konjunktionalsatz macht allerdings deutlich, daß die Anlage einer Ölbaumpflanzung durchaus menschliche Arbeit erfordert. Wichtig ist auch, daß die Aussage über die bei Ölbäu-

508 509

THOMAS 1,21. Vgl. dens. zu 4 5 8 - 5 4 0 und zu 538. Zu 4 0 3 - 4 1 9 vgl. Appendix 5.

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Die Geórgica Vergils

men entfallende Pflege vor dem Hintergrund der Hinweise auf die beständig erforderliche Betreuung der Weinstöcke getroffen werden. Wie contra non ulla est oléis cultura .../ .../ cum semel haeserunt arvis aurasque tulerunt in 420a und 422 auf est etiam ille labor curandis vitibus alter, I cui numquam exhausti satis est aus 397-398a zurückgreift, so nimmt neque illae/ procurvam exspectant falcem rastrosque tenacis in 420b-421 die Hinweise auf den beständig notwendigen Einsatz von Hacke und Sichel aus 398b-401a auf. Von fern mag hier auch schon die Erinnerung an die Vision von der Wiederkehr des Goldenen Zeitalters aus der vierten Ekloge anklingen, wo es in Vers 40 hieß: non rastros patietur humus, non vinea falcem. Natürlich nimmt sich Vergils Bemerkung über die nahezu keiner Pflege bedürftigen Ölbäume bei weitem nicht so märchenhaft aus. Und zu Recht bemerkt Conington: "'Non ulla' is a rhetorical exaggeration. They do not need the same constant attention as the vine."510

510 CONINGTON ZU 420. Vgl. Serv. auct. georg. 2,420, Serv. georg. 2,421, HEYNE ZU 420.421 und YONGE zu 420. MARTYN ZU 420 verweist auf Colum. 5,8,1-2. Dennoch scheinen mir die Verse 423f. schwer mit ihrem Kontext vereinbar: ipsa satis tellus, cum dente recluditur unco,! sufficit umorem et gravidas cum vomere fruges. Dabei weisen sie allerdings zunächst einmal in sich einige Schwierigkeiten auf. "These two lines have been as variously interpreted as any passage in Virgil." (MARTYN ZU 423) Zur Frage, ob satis Dat. Pl. zu sata oder Adverb ist, vgl. THOMAS zu 423-4. Was die Deutung von cum dente recluditur unco und cum vomere betrifft, weist MYNORS zu 423-4 darauf hin, daß dens bei Vergil nur vom Pflug (1,262), nicht aber von der Hacke gebraucht werde. Entsprechendes gelte für uncus (1,19; 2,223). Für dens zur Bezeichnung des Teils eines Pfluges vgl. auch Varrò ling. 5,135; Ον. am. 1,15,31; 3,10,14 (curvo dente (sc. aratri)); trist. 4,6,13; Colum. 2,2,25 (mit RICHTER Ζ.St.); 4,6; 10,69 (curvi vomere dentis)·, vgl. noch Claud. 10,102f. Erst Colum. 10,89, wo allerdings das Attribut ligonis die Bedeutung erläutert, wird dens zur Bezeichnung der Zinke einer Hacke verwendet; möglich erscheint dies immerhin auch Lucan. 7,859 (trotz Ov. trist. 4,6,1: vgl. georg. 1,496), sonst nur noch Ps. Alex. c. Dind. coli. p. 172,15 (vgl. TLL 5,1,542,4-34). Vgl. auch dente in den wohl ebenfalls interpolierten Versen 2,403-419 (Appendix 5, S. 279). Zur Verwendung von uncus mit Bezug auf einen Pflug vgl. noch Lucr. 1,313f.; Ov. met. 5,341; 7,210f. Schließlich hebt Mynors hervor, daß der Einsatz von Hacken in 421 ausdrücklich ausgeschlossen werde. Er versteht daher cum dente recluditur unco vom Pflügen. Dann läßt sich cum vomere aber wohl nur als präpositionaler Ausdruck fassen. Einmal abgesehen davon, ob dies sprachlich möglich ist (das von Mynors wie schon von Wagner bei HEYNE zu 420.421 aus 1,190 zitierte cum magno calore scheint mir keine überzeugende Parallele zu sein (vgl. T L L 4,1361,66f.) und steht zudem in einer wohl unechten Passage (s. oben Anm. 104)), bleibt jedoch auch dann die Frage, "why the plough needed so much emphasis", v.a. angesichts des Kontexts. Interessant erscheinen der Hinweis von CONINGTON zu 424, der meint, die Verwendung von cum "to express close connexion not so much of time as of causation ... may be illustrated by the opposite 'sine'", sowie die Serv. georg. 2,423 zu findende Paraphrase von fruges mit frumenta (vgl. auch MARTYN ZU 423 und

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426-428 wiederum scheinen gedanklich und formal deutlich als Steigerung zu 420-422 konzipiert: poma quoque, ut prìmum truncos sensere valentis et vìris habuere suas, ad sidera raptim vi propria nituntur opisque haud indiga nostrae.

Der durch ut primum eingeleitete Konjunktionalsatz in 426b-427a entspricht dem mit cum semel beginnenden in 422, der Hauptsatz in 426a und 427b-428 dem in 420-421. Die gedankliche Übereinstimmung wird durch quoque in 426a ausdrücklich hervorgehoben. Der Unterschied zwischen 426-428 und 420-422 besteht jedoch darin, daß der Hauptsatz und der einschränkende Nebensatz die Plätze getauscht haben und daß nun das kraftvolle Wachstum stark betont wird (truncos ... valentis in 426, viris suas in 427, ad sidera raptim/ ... nituntur in 427f. 511 , vi propria in 428). Der Dichter beschreitet hier den umgekehrten Weg wie zu Anfang des Buches. Ein Blick zurück kann daher das Verständnis des Übergangs zu den das Finale bildenden laudes vitae rusticae fördern. Zu Beginn des zweiten Buches behandelt Vergil die verschiedenen Entstehungsweisen bzw. Züchtungsverfahren von Bäumen: principio arboribus varia est natura creandis (9) 512 . Es ist längst erkannt, daß im Hintergrund die Einteilung Theophrasts vom Anfang des zweiten Buches seiner Historia Plantarum steht (Thphr. HP 2,1,1) 513 . Theophrast unterscheidet dort zwischen Entstehungsweisen, die im engeren Sinne von selbst geschehen, und solchen aus dem Samen oder aus der Wurzel des Mutterbaumes auf der einen und solchen aus einem Schößling, aus einem Ast, aus einem Zweig, aus dem Stamm oder sogar aus Holzscheiten auf der anderen

MYNORS ZU 423-4, der auf gravidae fruges in 143 verweist (vgl. noch 1,111; 319)). Hinter dem Ende von 424 dürfte nämlich Ov. am. 3 , 8 , 3 5 ^ 0 stehen, wo es heißt während der Herrschaft des Saturn habe die Erde den Menschen die Metalle vorenthalten: at meliora dabat, curvo sine vomere fruges,/ pomaque et in quercu mella reperto cava. Der Versschluß vomere fruges kommt in der antiken lateinischen Dichtung nur dort und an unserer Stelle in den Geórgica vor. Wie die Verse 423f. durch ihr Dazwischentreten die Steigerung in der Behandlung oleae - poma beeinträchtigen, so tut dies natürlich auch Vers 425, der mit dem unbestimmten hoc und der singulären Form nutritor zudem noch seine ganz eigenen Schwierigkeiten aufweist (vgl. CONINGTON und MYNORS z.St.). 511 Vgl. den mit Obstreisern gepfropften Wildling in 80af. (... nec longum tempus, et ingens/ exiit ad caelum ramis felicibus arbos (unten S. 123f.)) sowie die actas ad sidera pinus in Aen. 11,136. 512 Dieser Vers verbindet geschickt den Gedanken des Künstlichen und des Natürlichen. 513

So s c h o n HEYNE zu 9 - 2 1 .

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Die Geórgica Vergils

Seite. Es leuchtet ein, daß Theophrast annahm, das im engeren Sinne selbsttätige Hervorkommen der Bäume müsse am Anfang gestanden haben. Die Entstehungweisen aus dem Samen oder aus der Wurzel des Mutterbaumes wiederum schienen ihm im Vergleich zu den anderen, die das Eingreifen des Menschen erforderten, am natürlichsten. Daß sie ein Eingreifen des Menschen durch Kunst oder Auswahl nicht erforderlich machten, rückte sie für Theophrast so nah an die erste Gruppe heran, daß er auch sie im weiteren Sinne als selbsttätige Entstehungsweisen bezeichnete. Vergil unterscheidet ebenfalls zwischen Entstehungsweisen, die natura ... primum dedit (20), und anderen, die ipse via sibi repperit usus (22). Die ersteren behandelt er in den Versen 10-19. Dabei übernimmt er die Einteilung Theophrasts in solche, die im engeren Sinne von selbst hervorkommen (10-13), solche, die aus Samen hervorgehen (14-16), und solche, die aus der Wurzel des Mutterbaumes hervor sprießen (17-19). Nachdrücklich hebt Vergil hier die vielfältige Zeugungskraft der Natur hervor 514 . Zugleich wird ihre Verbindung mit den Göttern herausgearbeitet. So heißt es von der ersten Gruppe, von den Bäumen, die ganz aus sich selbst heraus ins Dasein treten, in Vers 10 noch einmal nachdrücklich, sie kämen nullis hominum cogentibus ipsae hervor 515 , weithin bedecken sie Felder und Flußufer, und drei der als Beispiele genannten Bäume erhalten sinnliche Beiwörter: die Bachweide ist schmiegsam 516 , der Ginster biegsam, und das Weidengebüsch schimmert in seinem silbrig-blauen Laub 517 . Von den Bäumen, die sich in den Versen 14-16 aus gefallenem Samen erheben, werden die Kastanien

514

Vgl. auch Plinius, für den die Natur multis modis mirisque memorabilis ist (nat. 16,134). Ähnlich begeistert spricht er allerdings v o n den v o m Menschen erfundenen Züchtungsmethoden, sie seien an Zahl nicht geringer als die v o n der Natur vorgegebenen: tarn benigne naturae gratiam retulimus (nat. 17,58). 515 sponte sua dürfte dem αντόμαται im engeren Sinne entsprechen, mit dem bei Thphr. H P 2 , 1 , 1 die Entstehungsweise von Bäumen bezeichnet wird, die ohne Mutterbaum auskommen. Vgl. georg. 2,47 und Plin. nat. 16,134. Theophrast bezeichnet im weiteren Sinne allerdings auch die Entstehungsweisen άπο σπέρματος und ά π ό ρίζης als αντόμαται. Ähnlich tut dies auch Plinius mit sponte sua in nat. 17,1. So dürfte das polare nullis hominum cogentibus ipsae auch auf die beiden anderen in den Versen 14-19 beschriebenen natürlichen Entstehungsweisen zu beziehen sein. Vgl. schon CONINGTON ZU 9, PAGE zu 11 s o w i e MYNORS ZU 10-19 und 11. 516

Dies ist nur eine notdürftige Wiedergabe. Denn weder ist klar, um welchen Baum es sich genau handelt, noch läßt sich die Bedeutung von molle in diesem Zusammenhang eindeutig bestimmen. Vgl. RICHTER und MYNORS ZU 12. 517 V g l . PAGE und MYNORS ZU 13.

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und die dem Jupiter beispielhaft zugeordnete Wintereiche hinsichtlich ihrer Höhe hervorgehoben, und die Eichen werden durch den Hinweis ausgezeichnet, daß sie den Griechen als Orakel gelten. Mit der unmittelbar vorangehenden Erwähnung Jupiters zusammengenommen ergibt letzteres einen Hinweis auf das Zeusorakel von Dodona 5 1 8 . Der Zeugungskraft der Natur haftet also etwas Göttliches an. Sie wird auch im Zusammenhang mit der letzten Gruppe, den aus Wurzelschösslingen hervorgegangenen Bäumen, in den Versen 17-19 hervorgehoben: Hier sprießt 519 aus der Wurzel ein dichter Wald hervor, und der kleine Lorbeer schießt 520 unter dem gewaltigen Laubdach seiner Mutter aus dem Boden. Er wird dabei durch das Beiwort Parnasia als dem Apoll heilig gekennzeichnet 521 . Diesem Göttlichen eignet nichts Bedrohliches, ja das Bild des kleinen Lorbeerbaumes, der unter dem ungeheueren Schatten seiner Mutter emporschießt, hat geradezu etwas Genrehaftes 5 2 2 . In den beiden abschließenden Versen 20-21 werden die den Abschnitt beherrschenden Gedanken noch einmal zusammengefaßt, der von der selbsttätigen vielfältigen Zeugungskraft der Natur und dem sie umgebenden Numinosen: 20

hos natura modos primum dedit, his genus omne silvarum fruticumque viret nemorumque sacrorum.

In der Tat gemahnt die vielfältige selbsttätige Zeugungskraft der Natur an die Welt vor Jupiter, wie sie im ersten Buch beschrieben wurde. Man vergleiche nullis hominum cogentibus ipsae in 10 mit ipsa .../ ...

518

Zum Baumkult in der Antike vgl. ROLOFF/LEBONNIEC 1965. Nach Plin. nat. 12,3 wurden den Göttern gerade besonders hohe Bäume geweiht. Als dauerhaft bestimmten Göttern zugeordnete Sorten nennt er aesculus (Jupiter), Lorbeer (Apoll), Ölbaum (Minerva), Myrte (Venus) und Pappel (Hercules)(vgl. Vers 66). 519 Mit 17-19 vgl. Lucr. 5,1363f. 520 Zu se subicit vgl. ecl. 10,74. 521 Zur Verbindung der Parnasia laurus mit dem delphischen Apoll, aber auch mit Jupiter vgl. Plin. nat. 15,134: in gremio Iovis optimi maxumique deponitur, quotiens laetitiam nova victoria attulit, idque non quia perpetuo viret, nec quia pacifera est, praeferenda utroque olea, sed quia specialissima in monte Parnaso ideoque etiam grata Apollini, adsuetis eo dona mittere, oracula inde repetere iam et regibus Romanis teste L. Bruto, fortassis etiam in argumentum, quoniam ibi libertatem publicam is meruisset lauriferam tellurem illam osculatus ex responso, et quia manu satarum receptarumque in domos fulmine sola non icitur. 522 Man beachte ν.a. die Zusammenstellung von parva und ingenti in 19.

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Die Geórgica

Vergils

nullo poscente aus l,127f. 523 . Sie scheint dem Menschen als ein Rest der Goldenen Zeit belassen zu sein. Man sollte jedoch vorsichtig damit sein, diese Welt mit der vor Jupiter aus dem ersten Buch einfach gleichzusetzen524. Dagegen spricht schon die Erwähnung Jupiters selbst in 15. Es fallt zudem auf, daß sich unter den auf natürliche Weise entstehenden Bäumen kein Obstbaum befindet. Hier ist nichts von einem Schlaraffenland zu spüren. Wird der Landmann infolge mangelnden Einsatzes auf diese Welt allein zurückgeworfen, dann ist er in der wenig beneidenswerten Lage dessen, von dem es in l,158f. hieß: heu magnum alterius frustra spectabis concussaque famem in silvis solabere

acervum quercu.

Der Mensch ist also trotz allem auf die von ihm hervorgebrachten artes angewiesen. Diese kommen in 22 dann ja auch ins Spiel: sunt alii (sc. modi),

quos ipse via sibi repperit

usus.

Dieser Vers erinnert deutlich an die entsprechende Passage im ersten Buch, in der Jupiter den Menschen in Vers 133 mit Schwierigkeiten konfrontierte, ut varias usus meditando

extunde ret

artij525.

In 2,5If. wird es entsprechend von den sponte sua entstandenen, aber anschließend verpflanzten Bäumen heißen:

523

105

Vgl. oben S. 32f. Vgl. auch Ov. met. 1,101-106 über das Goldene Zeitalter: ipsa quoque immunis rastroque intacta nec ullis saucia vomeribus per se dabat omnia tellus, contentique cibis nullo cogente creatis arbuteos fetus montanaque fraga legebant cornaque et in duris haerentia mora rubetis et, quae deciderant patula Iovis arbore, glandes.

Ebd. 90 auch sponte sua (allerdings in anderem Zusammenhang: Gegenstück ist dort vindice nullo in 91). Vgl. auch ebd. 137-138a über die Eiserne Zeit: nec tantum segetes alimentaque debita dives poscebatur humus ... 524

So allerdings THOMAS zu 9: "... much of V.'s concern in Book 2, as throughout the poem, is to observe and comment upon the struggle of the world of usus, which in mythical terms is the world of Jupiter ..., against the natural world, that of Saturn ..." (Hervorhebung von mir) 525 Vgl. oben S. 34. Vgl. auch inventum in 140.

121

Zweites Buch exuerint silvestrem animum, cultuque frequenti in quascumque voles artis haud tarda sequentur.

Mit dem ersten Beispiel für künstliche Züchtungsverfahren knüpft Vergil in 23f. an das Bild des kleinen Lorbeer an, der unter dem gewaltigen Schatten seiner Mutter in die Höhe schießt526: hic (sc. usus) plantas tenero abscindens de corpore deposuit sulcis, hic stirpes527 obruit arvo.

matrum

Auch hier scheint Vergil sich an Theophrast anzulehnen, der zwischen solchen Setzlingen unterscheidet, die zusammen mit einem Stück der Wurzel oder des Wurzelstocks vom Mutterbaum abgezogen werden 528 , und solchen, bei denen dies nicht möglich ist. Erstere sollen aufrecht eingesetzt, letztere, die möglichst vom unteren Teil des Baumes zu nehmen sind, sollen eingegraben werden529. Die Abtrennung von einer 526

So richtig SIDGWICK zu 23. Vgl. auch Thphr. HP 2,1,3: άπό Sì ταρασιτάδος και την δάφνην (sc. yíveadaιι) φααίν, táv τις τα tpvr¡ irapekìjiv φντίύσrj. bei δί ϋνόρριζον tlvai μαΚιστά ye το ναραοπωμ^ νον η ΰπόπρΐμνον. 527 Zur Bedeutung von stirpes an dieser Stelle vgl. Lucr. 5,1365 und Colum. 3,5,3. 528 Zur Bedeutung von παραστάδ(ς vgl. ELNARSON/LLNK zu Thphr. CP 1,1,3. 529 Vgl. Thphr. HP 2,1,3; 5,3-5. Zur erstgenannten Gruppe vgl. Varrò rust. 1,40,4 und Plin. nat. 17,67. Vers 25 (quadrifidasque sudes et acuto robore vallos) soll offenbar das zweite Verfahren im Sinne zweier bestimmter Anweisungen der Vorlage erläutern. Theophrast referiert nämlich die Forderung, Setzlinge ohne ein Stück Wurzel oder Wurzelstock sollten am unteren Ende gespalten und mit einem Stein darüber eingegraben werden. Bei der Feige sei es möglich, einen kräftigen Setzling zuzuspitzen, mit dem Hammer in den Boden zu treiben und dann mit Erde zu bedecken (vgl. Thphr. HP 2,5,4; zum zweiten Fall vgl. Varrò rust. 1,40,4 und Plin. nat. 17,123 (mit Thphr. HP 2,1,2)). Dies scheint in unserem Kontext allerdings eine sehr spezielle Erläuterung zu sein. Sie zerstört zudem die formale Parallelität, in der die beiden jeweils durch hic eingeleiteten Sätze einen inhaltlichen Gegensatz zum Ausdruck bringen: plantas entspricht stirpes wie deposuit sulcis dem obruit arvo. sudes und valli sind in den Geórgica sonst nur Stützpfähle für den Wein. Letztere werden in 1,264 zugespitzt, erstere in 359 bereitgemacht. Sie sind dort mit fraxineasque zu Beginn des Verses verbunden. Zusammen mit ihnen nennt Vergil rasae hastae virgae (vgl. acuto robore vallos in 25) und furcas valentis. furcas bicornis verbindet der Dichter auch mit den valli in 1,264. Aen. 11,473 handelt es sich bei den sudes um Bauholz: Indem man die Spitzen der Balken im Feuer härtet, werden daraus Waffen (Aen. 11,894; wenn Aen. 7,524 einem interpolierten Abschnitt zuzurechnen ist, wie ZwiERLElN vermutet, so könnte die dortige Bewaffnung der Landleute mit sudespraeustae durch diese Stelle angeregt sein), quadrifidus findet sich im überlieferten Vergiltext noch einmal, allerdings in einem Abschnitt, der von ZwiERLElN ebenso für interpoliert gehalten wird (Aen. 7,509), gleichfalls zu Beginn des Verses, wo es ein Stück Eichenholz bezeichnet, welches mithilfe von Keilen in vier Teile gespalten wird. In unserem Zusammenhang will allerdings die Spaltung (des unteren Teils) des Setzlings in vier Teile gerade auch vor dem Hintergrund der Theophraststelle nicht recht einleuchten.

122

Die Geórgica Vergils

zarten Stelle des Mutterbaumes, scheint die Voraussetzung für das gute Anwachsen des Schößlings zu sein. Schon dies läßt die von Thomas vorgeschlagene Deutung fragwürdig erscheinen, der Hinweis auf die Abtrennung der Schößlinge vom zarten Körper ihrer Mütter solle die Gewalttätigkeit des Züchters im Umgang mit der Natur hervorheben 5 3 0 . Gegen diese Annahme spricht allerdings auch das Folgende. In 26-29 werden zwei weitere künstliche Hervorbringungsarten einander gegenübergestellt. Den Bäumen, die erwarten, daß ihr Setzling, ohne von ihnen getrennt zu werden, umgebogen und mit seiner Spitze in jenen Boden eingepflanzt wird, aus dem sie selbst emporwachsen, treten andere gegenüber, deren Setzlinge keiner solchen Verbindung zur Wurzel des Mutterbaumes bedürfen, sondern vielmehr von dessen höchstem Wipfel genommen werden können: silvarumque aliae presses propaginis arcus exspectant et viva sua plantaría terra, nil radiéis egent aliae summumque putator haud dubitai terrae referens mandare cacumen. Die Zusammengehörigkeit der aus je zwei Versen bestehenden Gruppe wird durch das an die Spitze gestellte silvarumque betont. Gegliedert werden sie durch das doppelte aliae in 26 und 28. Auch hier wird von

Das Adjektiv findet sich nach einer Computerrecherche in der überlieferten lateinischen Literatur sonst nur noch an zwei weiteren Stellen, und zwar Colum. 4,33,4, wo es vierfach spaltbare Pfähle, und Val. Fl. 1,663, wo es einen vierfach gespaltenen Balken bezeichnet. Weit größerer Popularität als die Komposita quadrifldus und bifidus, von denen letzteres abgesehen von seiner auf je ein Mal beschränkten Verwendung durch Ovid (met. 14,303), Columella (an der bereits genannten Stelle) und Valerius Flaccus (1,570) ein Lieblingswort des älteren Plinius gewesen zu sein scheint (sieben Belege), hat sich in der Dichtung die Bildung multifldus erfreut (außerhalb der Dichtung nur Plin. nat. 11,128). Auch hier findet sich mit multifidasque faces der früheste Beleg bei Ovid (met. 7,259; 8,644), eine Junktur, die die unsere durchaus beeinflußt haben könnte. Merkwürdig mutet auch der Ausdruck acuto robore vallos an. Ausdrücke wie magna Iovis antiquo robore quercus in 3,332, annoso validant... robore quercum in Aen. 4,441, robore secto/ ingentem ... pyram in Aen. 6,214f., robore duro/ stipitibus in Aen. l l , 8 9 3 f . oder ferro praeflxum robur acuto in Aen. 10,479 machen jeweils das Besondere unseres Ausdrucks recht fühlbar. Auch Aen. l l , 5 5 2 f . , eine Stelle, die zu der von ZWIERLEIN für unecht gehaltenen Camilla-Episode gehört, ist mit telum immane .../... solidum nodis et robore cocto nicht vergleichbar. So scheint einiges dafür zu sprechen, daß Vers 25, wie ZWIERLEIN vermutet, in der Tat nicht von Vergil stammt, sondern von fremder Hand eingefügt worden ist. Weicht er, so verschwindet auch der unschöne Anklang zwischen silvarumque zu Beginn von 26 und quadrifidasque am Anfang von 25. 530

S o THOMAS ZU 2 3 .

Zweites Buch

123

Seiten des Menschen durchaus Zwang ausgeübt (pressespropaginis arcus am Ende von 26), doch scheint die Natur dies geradezu zu erwarten, wie aus exspectant zu Beginn von 27 hervorgeht, in dem zugleich die Vermenschlichung des Setzlings aus 23-24a nachklingt 531 . In viva sua plantaría terra tritt am Ende von 27 auch schon das Ergebnis vor das Auge des Lesers. Zugleich schwingt hier die Vorstellung von der Lebenskraft der Natur mit. Und wenn es in 28f. heißt, daß andere Bäume einer solchen Verbindung mit der Wurzel nicht bedürfen und der Züchter nicht zögert, ihre höchsten Wipfel abzuschneiden und sie der Erde anzuvertrauen, aus der sie hervorgegangen sind, so spricht sich darin doch wohl aus, daß er sich auf eben diese Lebenskraft verlassen kann. Daran schließt sich in 30f. folgerichtig der Gedanke an, daß sogar nach Zersägen des Stammes die Wurzel des Ölbaums noch aus dem trockenen Holz hervortreibe 532 : 30

quin et caudicibus sectis (mirabile dictu) truditur e sicco radix oleagina ligno.

Die Sperrung des e sicco ... ligno durch radix oleagina betont das Außergewöhnliche dieses Vorgangs. Sowohl sicco wie auch radix werden hier hervorgehoben. Dabei greift die Vorstellung der radix oleagina, die noch aus dem trockenen Holz des zersägten Stammes hervortreibt, auf den Gedanken zurück, daß einige Setzlinge bei der Züchtung einer Verbindung zur Wurzel des Mutterbaumes nicht bedürfen, sondern aus der am weitesten entfernten Spitze genommen werden können: radicis in 28 und radix in 31 bilden somit eine Klammer für diese Verse, e sicco ... ligno in 31 wiederum scheint das Gegenstück zu tenero ...de corpore matrum in 23 zu sein. Bildete dort die Zartheit des Setzlings eine gute Voraussetzung dafür, daß dieser im Boden Wurzel fassen konnte, so treibt hier selbst das trockene Holz Wurzeln hervor. Dies erscheint wie ein Wunder: mirabile dictu (30). In ähnlicher Weise schreibt Vergil auch dem Vorgang des Pfropfens (und Okulierens) am Ende des in den Versen 69-82 gegebenen Berichts über diese Veredelungsmethoden etwas Wunderbares zu: 80

531

... nec longum tempus, exiit ad caelum ramis felicibus

et ingens arbos,

Vgl. das Gegenstück in 420f. (oben S. 115f.). Es handelt sich um die einzige andere Stelle, an der diese Verbform in den Geórgica auftritt. 532 Zur besonderen Fortpflanzungsfähigkeit bzw. Lebenskraft des Ölbaums vgl. Thphr. HP 2,1,2; 4.

124

Die Geórgica Vergils miratastque

novas frondes et non sua

poma,533

An die Darstellung der verschiedenen Entstehungsweisen bzw. Züchtungsverfahren sowie der Zeugungskraft der Natur schließt sich in den Versen 35-38 ganz natürlich die Aufforderung an 534 : 35

quare agite o proprios generatim discite cultus, agricolae, fructusque feros mollite colendo, neu segnes iaceant terrae, iuvat Ismara Baccho conserere atque olea magnum vestire Taburnum.

Dies erinnert nun schon sehr an die Aufforderung, mit der Vergil den übereifrigen Landmann in 1,50-53 stoppte: 50

at prius ignotum ferro quam scindimus aequor, ventos et varium caeli praediscere morem cura sit ac patrios cultusque habitusque locorum, et quid quaequeferat regio et quid quaeque recuset.535

Lag dort allerdings der Ton mehr auf der Einschränkung der Möglichkeiten, so liegt er nun eher auf deren Vielfalt. Zugleich scheint unsere Stelle auf l,121bff. zurückzuverweisen, wo der auf dem Menschen liegende Zwang zur Arbeit mit dem Wunsch Jupiters begründet wurde, daß sein Reich nicht in träger Untätigkeit verdumpfen solle 536 . Während dort jedoch die Vorstellung von dem auf dem Menschen lastenden Druck im Vordergrund stand, so scheint es sich hier nun gleichsam um eine Einladung an den Menschen zu handeln. Die Aufforderung, den Bäumen Fürsorge angedeihen zu lassen und sie durch Pflege zu veredeln, wird in 47ff. aufgenommen. Dabei trägt sich über die Wendung an Maecenas auch der Schwung durch, der die Verse 35-38 kennzeichnet 537 . In 47-52 spricht Vergil zunächst von den im engeren Sinne von selbst hervorkommenden Bäumen, von denen auch in 9ff. im Rahmen der Behandlung der natürlichen Entstehungsweisen zunächst die Rede war 538 . An ihnen hebt er, obschon er ihre Unfruchtbarkeit im engeren Sinne einräumt, in 47-49a die natürliche Lebenskraft nachdrücklich hervor:

533

Man vergleiche auch se ... trudunt in 74 mit truditur in 31 !

534

Zu 32-34 vgl. Appendix 1.

535

Vgl. oben S. 9-11. Mit quare agite in 2,35 vgl. ergo age in 1,63 (oben S. 14f.).

536

Vgl. oben 537 Schon von wohl zu Recht 538 Vgl. oben

S. 28ff. daher fügen sich die Verse 42-46 schwer dem Zusammenhang. Sie werden von ZWIERLEIN athetiert. S. 117ff. und insbesondere sponte sua in 47 und 11.

Zweites Buch sponte sua quae se tollunt in luminis infecunda quidem, sed laeta et fortia quippe solo natura subest. ...

125

oras, surgunt;

natura in 49 greift dabei auf natura in 20 zurück. Diese natürliche Lebenskraft stellt sowohl eine Chance wie auch eine Herausforderung dar. Wenn sie sich dienstbar machen läßt, kann sie von großem Nutzen sein. Um sie dienstbar zu machen, muß man sie allerdings zähmen. Die Wildlinge legen jedoch den Versen 49b-52 zufolge offenbar leicht ihre Wildheit ab und bequemen sich rasch dem menschlichen Willen an 539 , wenn man sie einpflanzt oder in Gruben mit aufgelockertem Boden versetzt 540 und ihnen häufige Pflege angedeihen läßt: 50

... tarnen haec quoque, si quis insérât aut scrobibus mandet mutata subactis, exuerint silvestrem animum cultuque frequenti in quascumque voles artis haud tarda sequentur.

cultu in 51 greift hier offenbar auf colendo aus 36 zurück. Das Beiwort frequenti erinnert jedoch an die Aufforderung zu beständigem Einsatz, wie wir sie bereits aus dem ersten Buch kennen. Man vergleiche v.a. frequens in 1,99 541 . Davon, daß der Natur Gewalt angetan wird, ist wenig zu spüren, sequentur am Ende von 52 erinnert an sequentis am Ende von 1,106 542 . In den Versen 53-56, die auf die aus dem Wurzelstock hervorgegangenen Triebe aus 17-19 Bezug nehmen 543 , klingt ein anderer Gedanke aus dem ersten Buch nach: nec non et, sterilis quae stirpibus exit ab imis,

539

Ganz ähnlich wird sich der gepfropfte Baum in 80b-82 verhalten. S. unten S. 129f. insérât und mutata dürften im vorliegenden Zusammenhang kaum auf den Vorgang des Pfropfens gehen. In der den Abschnitt zusammenfassenden Bemerkung in 61f. (unten S. 126) wird ausdrücklich nur vom Verpflanzen gesprochen. Und auch in 53-56 ist nur von Verpflanzung die Rede, inserere muß ja nicht unbedingt "pfropfen", sondern kann auch "einpflanzen" bedeuten. So unterscheidet Cato agr. 45,1 zwischen serere in scrobe und serere in seminario, wobei er für letzteres dann einfach inserere sagt. Vgl. auch Varrò rust. 1,26, wo von der Anpflanzung von Zypressen als Stützbäumen für den Wein die Rede ist. Colum. 3,10,16 findet sich inserere zugleich vom Pfropfen wie vom Einpflanzen eines Setzlings. Curt. 6,5,14 wird durch inserere das Einpflanzen eines Senkers bezeichnet. Plin. nat. 17,158 verwendet das Verb im Zusammenhang mit Setzlingen. insérât scheint auf conserere in 38 zurückzugreifen. 541 Oben S. 16 und Anm. 82. 542 Oben S. 18. 543 Vgl. oben S. 117ff. und insbesondere stirpibus ...ab imis in 53 mit ab radice in 17. 540

126 55

Die

Geórgica

Vergils

hoc faciat, vacuos si sit digesta per agros; nunc altae frondes et rami matris opacant crescentique adimunt fetus uruntque ferentem.

Hier gilt es nicht mehr nur, den Kräfteüberschuß der Wildlinge zu zähmen und in die rechte Bahn zu lenken, sondern Verfallstendenzen entgegenzuwirken. Die Natur, die den Wildling im ersten Fall mit erstaunlicher Vitalität ausgestattet hatte, scheint nun ihre eigenen Kinder zu fressen. Hier wird deutlich erkennbar, daß die Lage des kleinen Lorbeers, der in 18b-19 unter dem gewaltigen Schatten seiner Mutter in die Höhe schoß, in der Tat seine Schattenseiten hat 544 . Die selbsttätige Zeugungskraft der Natur hat also ihre Grenzen. Wird sie sich selbst überlassen, droht angesichts der ihr innewohnenden Verfallstendenzen Unfruchtbarkeit. Damit sind wir wieder beim laborGedanken des ersten Buches. Doch wie im ersten Buch, so muß nach 6Iff. auch hier der labor mit Verstand angewendet werden, da bestimmte Bäume besser auf bestimmte Züchtungsmethoden reagieren:

63 65

scilicet omnibus est labor impendendus, et omnes cogendae in sulcum ac multa mercede domandae. sed truncis oleae melius, propagine vites, plantis edurae coryli nascuntur et ingens fraxinus

Herculeaeque

arbos

umbrosa

coronae545.

Hier folgt nun in 69ff. auch noch das Pfropfen als eine Möglichkeit, Bäume zu veredeln: 70

544

inseritur vero et fetu nucis arbutus hórrida, et steriles platani malos gessere valentis [castaneae fagos; ornusque incanuit albo flore piri glandemque sues fregere sub ulmis]546.

Vgl. oben S. 119. Zu den Versen 57-60, 64 und 67f. vgl. die Appendices 2 und 3. 546 Die Verse 71f. haben den Interpreten seit der Antike Schwierigkeiten bereitet. Zu Recht meint Serv. georg. 2,70, der Sinn des Abschnitts verlange, daß die Kastanie auf die Buche gepfropft werde: non enim in castanea fertili infecunda fagus inseritur. Dieser Sinn ist aber mit dem in den Handschriften überlieferten castaneae fagos schwer zu erzielen. Für die Verwendung von fagos als griechischer Nominativ fehlen Belege. Und man wird Vergil wohl kaum zutrauen wollen, das mit einer solchen Formulierung geradezu vorprogrammierte Mißverständnis billigend in Kauf genommen zu haben. Zudem würde eine solche Auslegung der Überlieferung dazu zwingen, incanuit albo/flore auch zu castaneae fagos zu ziehen, an sich schon keine elegante Lösung, die aber noch weniger ratsam erscheint angesichts der inhaltlichen Schwierigkeiten, die sich nach MYNORS zu 71 durch sie ergeben: "It remains open to doubt whether V. would have coupled the greenish545

Zweites Buch

127

Nun hat Thomas gemeint, daß Vergil gerade im Zusammenhang mit dem Pfropfen die Erfolgsaussichten des Menschen in seinem Bemühen, die Natur zu domestizieren, dadurch in Frage stelle, daß er unter die Beispiele, die er anführe, bewußt gänzlich unwirkliche Fälle mische. So seien, wie man nach Varrò rust. 1,40,5-6 bereits in der Antike gewußt habe, das Pfropfen des Pflaumenbaumes mit der Kornelkirsche (34), das des Erdbeerbaumes mit der Walnuß (69), das der Platane mit dem Apfel (70) und das der Esche mit der Birne (71b-72a) völlig unmöglich. Andere Beispiele (Apfel auf Birne in 33 und Kastanie auf Buche in 71a) klängen

yellow catkins of the sweet-chestnut with the brilliant white flowers of the pear-tree under incanuit albo flore." Der gleiche Einwand gilt, entscheidet man sich für das bei Prise, gramm. II 438,8 in einem nicht-spezifischen Zitat gebotene castaneae fagus. Eine letzte Möglichkeit bietet Scaliger mit seiner Konjektur castaneas fagus. Diese macht es allerdings dann angesichts des vorausgehenden steriles platani malos gessere valentis wohl notwendig, fagus unter Bezug auf Varrò bei Char, gramm. p. 130,5f. und Cui. 141 als Nom. Pl. aufzufassen (pace THOMAS zu 71, der offenbar mit dem Nom. Sg .fagus durchzukommen meint). Nun bildet allerdings castaneas (sc. gessere) fagus nach steriles platani malos gessere valentis einen deutlichen Abstieg. Es kommt Vergil offenbar darauf an, besonders zu betonen, daß durch Pfropfen aus unfruchtbaren Bäumen Frucht tragende gemacht werden können (vgl. auch poma am Ende von 82). Bereits im ersten Fall, der dem zweiten durch ... et ... et koordiniert ist und zusammen mit ihm auch eine Art Chiasmus bildet, wird bereits die Verbesserung ganz ähnlich hervorgehoben: inseriturvero ... fetu nucis arbutus hórrida. Die Esche scheint ein merkwürdiger Baum zu sein, um mit Birnenreisern gepfropft zu werden, nicht einmal so sehr angesichts der von Thomas erhobenen Einwände, sondern weil er für Vergil der Baum des Gebirges par exellence ist: vgl. 111 sowie ecl. 6 , 7 1 ; A e n . 2 , 6 2 6 ; 4 , 4 9 1 ; 6 , 1 8 2 ; 11,138 ( 1 0 , 7 6 6 wird v o n ZWIERLEIN

zu Recht athetiert) (vgl. T L L 9,1034,76: "genus arborisfere in montibus prolatae"). Eine Form von incanescere findet sich bei Vergil sonst nicht. Vgl. aber die glauca canentia fronde salida in 13 und die nemora Aethiopum molli canentia lana in 120. Catull. 64,13 ist wohl das incanuit der Aldina dem überlieferten incanduit vorzuziehen (vgl. FORDYCE z.St.). Dort heißt es dann etwas später von dem Tag, an dem mit der Argo zum ersten Mal ein Schiff das Meer befuhr: illa, atque alia, viderunt luce marinas/ mortales oculis nudato corpore Nymphas (17f.). Vgl. die casus abies visura marinos in georg. 2,68, einem wohl gleichfalls interpolierten Vers (vgl. Appendix 3, S. 270f.). Ein Baum mit fremden Blüten findet sich ecl. 8,53b: narcissofloreat alnus (dort geht unmittelbar voraus aurea durae/ mala ferant quercus). Die unter Ulmen Eicheln knackenden Schweine in georg. 2,72 bezeichnen schließlich den Tiefpunkt der Entwicklung. MYNORS z.St. sieht hier einen "touch of humour". Zur Verbindung von Eicheln und Schweinen vgl. 520: glande sues laeti redeunt. Vgl. auch Aen. 8,82 (albo am Versende) und 3,390 (sub ilicibus): Beidesmal geht es um das Sauprodigium. Scheiden die Verse 71f. aus, so ergibt sich mit steriles platani malos gessere valentis als Abschluß der Aussage ein nachdrücklicher Hinweis auf die Zeugungskraft der Natur. O. Zwierlein macht mich auf den Schluß des Hochzeitsgedichts Catull. 61 aufmerksam: muñere assiduo valentem/ exercete iuventam (227f.).

128

Die Geórgica Vergib

zumindest unwahrscheinlich. Das letzte, das Pfropfen der Ulmen mit Eichen, läßt Thomas unberücksichtigt. Auch wenn wir hier zunächst diejenigen Fälle außer Betracht lassen, die an Stellen erwähnt werden, die wir in Verdacht haben, nachträgliche Hinzufügungen von fremder Hand zu sein, so bleiben immer noch zwei (Walnuß auf Erdbeerbaum in 69 und Apfel auf Platane in 70), die Thomas in das Reich der offenkundigen Lüge verbannen will. Nun mußte Vergil allerdings, wenn er wirklich die Möglichkeiten des Pfropfens als Höhepunkt des menschlichen Bemühens um die Veredelung der Pflanzen herausarbeiten wollte, erstaunliche Grenzfalle wählen. Dabei dürfte es ihm weniger auf die fachwissenschaftliche Unangreifbarkeit als vielmehr auf die poetische Wirkung angekommen sein. Dennoch wäre es in der Tat erstaunlich, wenn er dabei auch für den antiken Leser so klar erkennbar danebengegriffen hätte. Doch scheint schon die zitierte Varrostelle nicht allzu aussagekräftig. So heißt es dort lediglich allgemein, man müsse darauf achten, von welchem Baum man einen Reiser auf welchen anderen Baum pfropfe, zu welcher Zeit man dies tue und wie man den Reiser befestige. Mit Blick auf die erste Frage verweist Varrò zwar darauf, daß man einen Birnenreiser nicht auf eine Eiche pfropfen könne, meint aber zugleich, daß ein Apfelbaum ihn durchaus annehme. Die Verbindung von Apfel und Birne wird von Thomas jedoch unter dem Stichwort "unwahrscheinlich" verbucht. Varrò fügt dann lediglich noch hinzu, daß, wenn man eine Spezies mit einem Reiser derselben Spezies pfropfe, etwa einen Apfel mit einem Apfel, solle man um des Ertrags willen darauf achten, daß die Spezies des Reisers besser sei als die des Baumes, der gepfropft werde. Colum. 5,11,1 ( ~ a r b . 26, l) 5 4 7 könnte man zwar zunächst ganz in dem Sinne verstehen, daß ein Pfropfen nur möglich sei, wenn beide Bäume die gleiche Rinde hätten, kurz darauf aber werden dann die Alten getadelt, die der von Columella gemachten Einschränkung Gesetzeskraft zuerkannt hätten, denn man könne sehr wohl jedes beliebige Reis auf jeden beliebigen Baum pfropfen (Colum. 5,11,12-15 ( ~ a r b . 27)), und das dies ermöglichende Verfahren, welches anschließend am Beispiel Olive auf Feige beschrieben wird, entspricht dem, welches Varrò an der besagten Stelle als nuper animadversa ausfuhrlich darstellt. Geop. 10,20,1 lesen wir dann, ein Apfelreiser könne auf jede wilde Birne gepfropft werden 548 . Ebd. 2 wird auch die Platane unter die Bäume eingereiht, die mit einem

547

Von den folgenden Stellen finden sich einige schon bei HEHN 1911, 438f., andere bei

FOWLER 1 9 8 8 , 9 3 f . 548

Vgl. auch NICLAS z.St. sowie Geop. 10,76,3.

129

Zweites Buch

Apfelreiser gepfropft werden können549. Geop. 10,76,3 heißt es, die Walnuß könne allein auf den Erdbeerbaum gepfropft werden 550 . Ebd. 5 wird vermerkt, die Kastanie könne auf Walnuß, Eiche und - Buche gepfropft werden. Wie es verschiedene Entstehungsweisen bzw. Züchtungsverfahren von Bäumen gibt, so gilt es allerdings auch beim Propfen Unterschiede zu beachten, z.B. den zwischen dem Pfropfen im engeren Sinn und dem Okulieren: nec modus551 inserere atque oculos imponere simplex (73). Der diese beiden Veredelungsmethoden behandelnde Abschnitt schließt in 80b-82 mit dem Bild des Baumes, der nach kurzer Zeit seine nun Frucht tragenden 552 Zweige kräftig in den Himmel reckt und über sein neues Laub staunt und über Früchte, die ursprünglich nicht die seinen waren: 80

... nec longum tempus, et ingens exiit ad caelum ramis felicibus arbos, miratastque novas frondes et non sua poma.

Auf die Entsprechung zwischen miratasi in 82 und mirabile dictu in 30 wurde bereits hingewiesen. Letzteres hob das Wundersame an der Lebenskraft des Ölbaumes hervor, der noch aus trockenem Holz Wurzeln treibe 553 . Auch jetzt wird das kräftige Wachstum durch die Ausdrücke ingens und ad caelum nachdrücklich betont. Die Geschwindigkeit des Wachstums wiederum drückt sich nicht allein in nec longum tempus, sondern auch in der Konjunktion et554 sowie im Perfekt exiit555 aus. Dies erinnert an die in 52 beschriebene Reaktion der im engeren Sinne von selbst enstehenden Bäume auf die Pflege durch den Menschen: in quascumque voles artis haud tarda sequentur556. Allerdings ist an unserer Stelle in den Versen 78-80a zuvor in der Tat auch von drastischen

549

Vgl. NICLAS z.St. sowie Geop. 10,76,3. Vgl. wieder NICLAS z.St. Zum Realitätsgehalt der Fälle, die in Versen erwähnt werden, deren Authentizität mir zweifelhaft erscheint, vgl. jeweils die die Athetese begründenden Fußnoten bzw. Appendices. 551 Vgl. modos in 20. 552 THOMAS zu 81 hebt mit Recht hervor, daß felicibus in 81 feraces aus 79 aufnimmt. Vgl. schon HEYNE zu 78-82. LSD zu 81 verweisen passend auf Hör. epod. 2,14. 553 Vgl. oben S. 123f. 550

554

V g l . schon Wagner bei HEYNE zu 78-82.

555

So

CONINGTON,

MYNORS ZU 7 8 - 8 2 . 556

Vgl. oben S. 125.

SIDGWICK u n d L S D J

zu 81

sowie

PAGE ZU 7 9 .

Zurückhaltend

Die Geórgica Vergils

130

Maßnahmen die Rede, die der Züchter ergreifen muß, um das besagte Ergebnis zu erzielen 557 :

80

finditur plantae

... enodes trunci resecantur558, et alte in solidum cunéis via, deinde feraces immittuntur

Hier geht es jedoch offensichtlich zunächst einmal darum, den Unterschied gegenüber dem in 74-77 beschriebenen Verfahren des Okulierens hervorzuheben (dies setzt sich im folgenden in der Betonung der Geschwindigkeit, mit der sich beim Pfropfen die Ergebnisse einstellen, fort), und zum zweiten überwiegt doch deutlich das positive Ergebnis. Im Vordergrund steht in 73-82 nicht, daß der Mensch der Natur Gewalt antut, sondern daß der Mensch durch verständige und ggf. auch energische Maßnahmen die Wachstumskräfte der Natur fördert. Wenn die Entwicklungen zu Beginn des Buches und zu seinem Finale hin also auch in der Tat gegenläufig sind - dort von der Beschreibung der Selbsttätigkeit der Natur hin zur Forderung nach einem Einsatz von Seiten des Menschen, hier von dieser Forderung zurück zur Beschreibung der Sebsttätigkeit der Natur -, so scheint es sich doch lediglich um eine Akzentverschiebung zu handeln. Lag dieser zu Anfang des Buches eher darauf, daß die Kräfte der Natur auf ein Eingreifen des Menschen angewiesen waren, so liegt er nun stärker auf der Unterstützung des Menschen durch eben diese Kräfte. Die Entwicklung verstärkt sich noch, wenn Vergil in 429f. zu der großen Gruppe der wild wachsenden Sträucher und Bäume übergeht: 430

nec minus interea fetu559 nemus omne gravescit, sanguineisque inculta rubent aviaria bacis.

nemus omne in 429 entspricht poma aus 426, fetu ... gravescit in 429 ad sidera raptiml ... nituntur in 427f., inculta in 430 greift vi propria und opis haud indiga nostrae aus 428 auf. Nun allerdings findet sich keine Einschränkung hinsichtlich der Unabhängigkeit von menschlicher Fürsorge mehr. Stattdessen werden in 430 durch sanguineis und rubent starke sinnliche Eindrücke vermittelt und durch Anspielung auf ecl. 4,29 (incultisque rubens pendebit sentibus uva) nun deutlich Erinnerungen an die

557

Vgl. THOMAS ZU 78-80: "the verbs all express force against the tree." Vgl. caudicibus sectis aus 30. 559 Vgl. fetu an gleicher Versstelle in 69 (oben S. 126). An anderer Versstelle findet sich die Form bei Vergil noch in 390 und 517 sowie Aen. 6,207 und 8,82.

558

Zweites Buch

131

Vision von der Wiederkehr des Goldenen Zeitalters aus der vierten Ekloge wachgerufen, wobei allerdings auch hier der entsprechende Zug seines phantastischen Charakters entkleidet wird. In den Versen 431-439 wird die Kategorie der wild wachsenden Bäume und Sträucher in einzelne Sorten unterteilt. Dabei wird zunächst der Aspekt des Nutzens in den Vordergrund gerückt:

435

tondentur cytisi, taedas silva alta ministrai, pascunturque ignes nocturni et lumina fundunt. [et dubitant homines serere atque impendere curam?]560 quid maiora sequar? salices humilesque genistae, aut illae pecori frondem aut pastoribus umbram sufficiunt saepemque satis et pabula melli.

Mynors hat darauf aufmerksam gemacht, daß in 434-436 mit Hinweisen auf die Bücher 3 (pecori sowie pastoribus in 435), 1 (satis in 436) und 4 (melli ebenfalls in 436) die gesamte Welt der Geórgica außerhalb des zweiten Buches ausgeschritten wird 561 . Zugleich wird wieder die Erinnerung an die Vision von der Wiederkehr des Goldenen Zeitalters aus der vierten Ekloge wachgerufen. So klingt humilesque genistae, der Versschluß aus ecl. 4,2, in humilesque myricae am Ende von georg. 2,434 nach 562 . Man mag wohl auch an das Bild denken, welches Meliboeus in ecl. 1,51-55 vom Glück des Tityrus zeichnet:

55

fortunate senex, hie inter flumina nota et fontis sacros frigus captabis opacum; hinc tibi, quae semper, vicino ab limite saepes Hyblaeis apibus florem depasta salicti saepe levi somnum suadebit inire susurro.

Am Ende stehen in georg. 2,437-439 wieder die sinnliche Erfahrung der sich schenkenden Natur 563 und der nachdrückliche Hinweis auf die Unabhängigkeit von der Fürsorge des Menschen:

560

Dieser Vers, der in M fehlt, ist zu Recht von RlBBECK 1866, 49 athetiert worden. Vgl. auch THOMAS z.St. 561

562

MYNORS ZU 4 3 5 .

Vgl. auch paulo maiora canamus aus ecl. 4,1 mit quid maiora sequar in georg. 2,434 sowie iuvat in 437 und 438 mit iuvant in ecl. 4,2. Die Nennung des Ginsters bezieht sich wohl auf georg. 2,12, die einzige andere Stelle, an der dieser Strauch sich bei Vergil findet. Vgl. auch salices in 434 und frondem in 435 mit glauca canentia fronde salida in 13. 563 Vgl. LSDJ zu 437: "Nicht nur Nutzen gewähren die Bäume, sondern auch Freude."

132

Die Geórgica Vergils et iuvat undantem buxo spedare Cytorum Naryciaeque picis lucos, iuvat arva videre non rastris, hominum non ulti obnoxia curae.

In 439 wird dabei mit non rastris ... obnoxia auf ñeque .../... exspectant ... rastros ... tenacis aus 420f. und mit hominum non ulli obnoxia curae auf opis ... haud indiga nostrae aus 428 zurückgegriffen. Die Gegenläufigkeit der Entwicklung zu Beginn und am Ende des zweiten Buches wird hier noch einmal besonders deutlich. Man vergleiche die Verse SSSS: 35

quare agite o proprios generatim discite cultus, agricolae, fructusque feros mollite colendo, neu segnes iaceant terrae, iuvat Ismara Baccho conserere atque olea magnum vestire Taburnum.

Zugleich könnte allerdings im Hintergrund der Beginn des Proöms zum zweiten Buch von Lukrezens De rerum natura stehen, eine Stelle, auf die sich Vergil, wie wir gesehen haben, bereits im ersten Buch der Geórgica in spielerischem Ton bezieht564. Lukrez beschreibt dort, wie süß es sei, vom Land aus die Mühen eines anderen zu betrachten, der sich auf stürmischer See befindet, oder ohne eigenen Anteil an der Gefahr auf eine Schlacht in der Ebene zu blicken. Die dabei empfundene Freude verblaßt ihm aber verglichen mit jener, die der epikureische Weise fühlt, wenn er von der wohlgesicherten Plattform seiner Lehre aus auf das Herumirren und die Kämpfe der anderen blickt sowie auf deren Bemühungen, sich emporzuarbeiten und nach oben zu gelangen (1-13). Dem doppelten suave, von dem jeweils ein Verb des Sehens abhängig ist, entspricht bei Vergil das doppelte iuvat, dem ebenfalls jeweils der Infinitiv eines Verbs des Sehens folgt. Statt suave findet sich übrigens in Lucr. 2,3 iucunda voluptas565. Der Infinitiv spedare kommt bei Vergil an dieser Versstelle nur hier vor (an anderer Versstelle noch einmal Aen. 5,655). Bei Lukrez findet er sich nur an dieser Versstelle und zwar viermal, davon eben einmal in 2,2 (außerdem noch 3,55; 360 und 5,958; sonst begegnet nur noch das Gerundium spectando in 4,1102). Man vergleiche auch videre am Ende von georg. 2,438 und von Lucr. 2,9. Die bildhafte Verwendung von undare im Zusammenhang mit den Buchsbäumen des Cytorus schließlich mag damit in Zusammenhang gebracht 564

S. oben S. 24f. Auch in der Adaption bei Ov. met. 15,147b-153 tritt an die Stelle des doppelten suave ein doppeltes iuvat. 565

Zweites Buch

133

werden, daß Lukrez zunächst von dem Glück spricht, die Mühen eines anderen auf vom Wind aufgewühltem Meer zu betrachten. Am Ende des gerade betrachteten Abschnitts aus dem Proöm zum zweiten Buch von De rerum natura faßt Lukrez in den Versen 14-16a seine Klage über das Elend und die Blindheit der meisten Menschen in dem Ausruf zusammen: 15

o miseras hominum mentes, o pectora caeca! qualibus in tenebris vitae quantisque periclis degitur hoc aevi quodcumquest!...

Bei Vergil findet sich an entsprechender Stelle in den Versen 458460 566 eine Seligpreisung des Landmanns, in der sich die Freude über

566

Vgl. auch den Ausruf fortunate senex aus ecl. 1,51 (oben S. 131). Die Seligpreisungen in 490-494 stehen in einem ähnlichen Zusammenhang (vgl. unten S. 146ff.). Die Verse 440-453 werden zu Recht von ZWIERLEIN getilgt. Sie unterbrechen die engen Bezüge zwischen 420-439 und 458ff. und walzen den Gedanken der Nützlichkeit bestimmter Holzsorten (dant utile lignum in 442b) für bestimmte Zwecke aus. Auch dieser Gedanke wird freilich nicht völlig bruchlos entwickelt (vgl. frondibus ulmi (sc. fecundae) in 446b). V.a. aber werden Bäume und Sträucher sowie Nutzanwendungen erwähnt, von denen unmittelbar zuvor bereits die Rede war: vgl. salices in 446 und 434, frondibus in 446 mit frondem in 435 sowie buxum in 449 mit buxo in 437. fetus in 442 greift a u f f e t u in 429 zurück. Daß in 447f. auf die Herstellung von Waffen - und zwar nicht nur für die Jagd, sondern auch für den Krieg (bona bello/ cornus) - verwiesen wird, scheint schlecht zu dem Hinweis in 459 zu passen, der Landmann lebe procul discordibus armis. Auch der angebliche Bau von Schiffen durch den Landmann (445, 451-452a) wirkt im Blick auf die folgenden laudes vitae rusticae befremdlich: vgl. 503a und MYNORS ZU 444-5. Ebd. werden auch das Ungewöhnliche der Verwendung von tympanum in der Bedeutung "solid cart-wheel" sowie die Schwierigkeit vermerkt, die in der Verbindung von tympana mit trivere oder posuere liegt. THOMAS zu 449-52 weist auf das beispiellose dreifache nec non hin: "such lack of variatio in the use of connectives is unusual in V." MYNORS ZU 449 versucht zu deuten: "The exceptional triple use here suggests that Nature's generosity strains the poet's powers of expression. " Der Ausdruck vitiosae... ilicis alvo in 453 mutet ebenfalls merkwürdig an: vgl. Hör. epod. 16,47 und Ov. am. 3,8,40. Hinter 440-450 könnte, wie LSDJ z.St. annehmen, Thphr. HP 5,6-7 stehen. Zu posuere in 445 vgl. ύποτιθίασι in Thphr. HP 5,7,2, zu tympana aus 444 ebd. 6 (mit HORT z.St.). Auch die Verse 454-457 unterbrechen die aufgezeigte gedankliche Entwicklung und werden zu Recht von ZWIERLEIN athetiert. THOMAS 1986,259 meinte dagegen noch: "Peerlkamp and Forbiger (but nobody since) took the most convenient expedient of ejecting all four lines." (Hervorhebung von mir) Diese Feststellung scheint nun überholt. Der bei THOMAS 1986, 258-260 unternommene Versuch, die Olive "the Saturnian tree of peace which grows without culture and produces in abundance" gegen den Wein als Produkt des von labor bestimmten Zeitalters Jupiters auszuspielen, das in "a kind of warfare against the resurgences of nature" hervorgebracht werde und "morally vitiated" sei, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen dürfte es sich auch bei 425 um eine nachträgliche Einfügung von

D i e Geórgica

134

Vergils

das E n t g e g e n k o m m e n der Natur gegenüber d e m M e n s c h e n bündelt: o fortunatos nimium, sua si bona norint, agrícolas! quibus ipsa procul discordibus armis fundit humo facilem victum iustissima tellus.567

460

A u c h die Ü b e r h ö h u n g der reichlich spendenden Natur durch A n k l ä n g e an die Vorstellung des G o l d e n e n Zeitalters setzt sich fort. v e r w e i s t P a g e 5 6 8 z u fundit

So

mit Recht auf ecl. 4 , 1 8 - 2 0 , w o die Z e i c h e n

einer Rückkehr d e s G o l d e n e n Zeitalters beschrieben werden,

die

die

Geburt des Knaben begleiten: at tibi prima, puer, nullo munuscula cultu errantis hederas passim cum baccare tellus mixtaque ridenti colocasia fundet acantho.

20

Klingner569

fügt dieser

B u c h d e r Geórgica

omnia

liberius

Stelle noch die V e r s e

127f.

aus d e m

ersten

b e i , w o e s j a v o n d e r Z e i t v o r Jupiter h e i ß t : ... ipsaque tellus nullo poscente ferebat510.

E b e n s o bemerkenswert w i e die Übereinstimmungen sind allerdings die U n t e r s c h i e d e . Zunächst einmal sind es keine r e i z v o l l e n B l u m e n , die die Erde an unserer Stelle sprießen läßt571.

Sie bringt auch nicht überall

a l l e s h e r v o r , w ä h r e n d e s e c l . 4 , 3 9 j a a u s d r ü c k l i c h h i e ß : omnis572 omnia

tellus.

feret

N o c h handelt e s sich u m v o n Blättern rinnende H o n i g s t r ö m e

fremder Hand (vgl. oben Anm. 510) handeln, zum anderen erscheinen Olive und Wein in den Versen 2-3, 37b-38, 63, 83ff., 143-144, 179-194, 221-222a und 519b/ 521bf. in friedlicher Eintracht, wobei letztere Stelle aus den laudes vitae rusticae selbst stammt. In 527-531 bildet der Wein einen Bestandteil des Festes, welches der idealisierte Landmann feiert, und ein reiches Weinangebot war nach 1,132 ja auch ein Zug der Zeit vor Jupiter (allerdings flöß dieser damals im wahrsten Sinne des Wortes "in Strömen")(vgl. auch Hör. epod. 16,44 und ecl. 4,29; 40). Auch die Anlage einer Ölbaumpflanzung erfordert natürlich, wie bereits bemerkt, menschliche Arbeit, und erst, wenn der Baum Wurzeln gefaßt und gelernt hat, Wind und Wetter zu ertragen, bedarf er einer vergleichsweise geringen Pflege (vgl. oben S. 115f.). 567 Die Hinzufügung von humo scheint auf eine starke Personifizierung von tellus zu weisen. So dürfte es kein Druckfehler sein, wenn MYNORS zu 460 /ustissima Tellus schreibt. Vgl. auch die starke Personifizierung der Saturnia tellus in 173. 568

PAGE ZU 4 5 9 . Z u ecl. 4 , 2 3 s. o b e n A n m . 315.

569

KLINGNER 1 9 6 4 , 2 5 5 .

570

Vgl. oben S. 32f. Vgl. auch ecl. 4,25b: Assyrium vulgo nascetur amotnum. Dies greift auf passim in 19 und auf vulgo in 25 zurück.

571 572

Zweites Buch

135

oder um Weinbäche, wie es sie nach georg. 1,131 f. in der Zeit vor Jupiter gab. Desgleichen wird die Selbsttätigkeit der Erde keineswegs absolut gesetzt. Ein Ausdruck, der nullo ... cultu aus ecl. 4,18 oder nullo poscente aus georg. 1,128 an die Seite zu stellen wäre, findet sich an unserer Stelle nicht. Entsprechende Formulierungen klangen in 420-422, 426-428, 429-430 und 437-439, wie wir sahen, zwar an, allerdings nur in ganz speziellen Zusammenhängen, liberius aus 1,128 wird durch die Formulierung an unserer Stelle ebenfalls nicht konterkariert. Bleibt, daß das Bild der Erde, die dem Menschen reichlich seinen Lebensunterhalt gewährt, ohne daß dieser sich groß um ihn bemühen müßte, schlecht zu der Botschaft von der Notwendigkeit harter Arbeit aus dem ersten Buch 573 , oder auch zu der Vorstellung von der ständiger, mühevoller Pflege bedürftigen Weinpflanzung des zweiten Buches zu passen scheint. Auch diesen "Widerspruch" wird man nach der oben beschriebenen allmählichen Vorbereitung des Gedankens nicht als zu schwerwiegend empfinden. Ebensowenig darf man den Vergleichsgegenstand aus dem Auge verlieren. Und letzterer erscheint hier zunächst in Gestalt der discordia arma. Die Gegenüberstellung setzt sich im folgenden fort. Dabei tritt in 461-474 der Welt eines Mächtigen und Reichen, die allerdings von Unruhe charakterisiert und letztlich zutiefst korrupt ist, die genügsame und bescheidene, dafür aber ruhige und moralisch intakte Welt des Landmannes gegenüber:

573

Vgl. CONINGTON zu 460: "The tone of the present passage is opposite to that which prevails generally in the Georgics, where the laborious side of the farmer's life is dwelt on." THOMAS ZU 459-60 verweist auf 1,121 F.: ... pater ipse colendi/ haud facilem esse viam voluit ... Auffällig ist, daß an den Stellen, an denen facilis in Verbindung mit cibus/-i oder victus in der Bedeutung "leicht zu beschaffen" gebraucht wird, häufig die Bedeutung "einfach" mitschwingt und als Gegenbild die aufwendigen Speisen der Reichen und Mächtigen vorschweben. Vgl. [Sen.] Here.O. 655f.: carpii (sc. pauper) faciles vilesque cibosJ sed non strictos respicit enses (vgl. procul discordibus armis in georg. 2,459) (beachte auch die Gegenüberstellungen [Sen.] Herc.O. 653f.; 657 und 658-670), Sen. Phaedr. 515ff. (Hippolytos kontrastiert Stadt- und Landleben): excussa silvis poma compescunt famem/ et fraga parvis vulsa dumetis cibos/ faciles ministrant. regios luxus procul/ est impetus fugisse ... {faciles dürfte hier doch wohl kaum, wie COFFEY/MAYER z.St. unter Berufung auf Sen. epist. 95,15 meinen, "easily digested" bedeuten; Cie. fin. 2,64 wird diese Bedeutung durch den Zusatz ad concoquendum gesichert). Vgl. noch Sen. dial. 9,1,6 und Petron. 93,2 V.3 sowie Paul. Noi. carm. 6,233ff. (in einem Loblied auf Johannes den Täufer): praebebant victum facilem silvestria mella/ pomaque et incultis enatae cautibus herbae/ arentemque sitim decurrens unda levabat.

136

465

470

Die Geórgica Vergils si non ingentem foribus domus alta superbis mane salutantum totis vomit aedibus undam, nec varios inhiant pulchra testudine postis inlusasque auro vestís Ephyreiaque aera, alba ñeque Assyrio fucatur lana veneno, nec casia liquidi corrumpitur usus olivi; at secura514 quies575 et nescia /allere vita, dives opum variorum, at latis otiafundis, speluncae vivique lacus, at frigida tempe mugitusque boum mollesque sub arbore somni non absunt; illic saltus ac lustra ferarum et patiens operum exiguoque adsueta iuventus, sacra deum sanctique patres; extrema per illos Iustitia excedens terris vestigia fecit.

Wenn Vergil die zum Morgenbesuch erscheinenden Klienten als ingentem ... undam bezeichnet, die sich in alle Räume des Palastes ergießt, hebt er damit die äußere Unruhe hervor, die dieses Ereignis bringt576, inhiant verweist dagegen auf die innere Unruhe des Betrachters. Demgegenüber ist die Welt des Landmanns bestimmt von secura quies, latis otia fundis und molles ... somni. latis otiafundis dürfte dabei einen Gegensatz zur Enge der Paläste der Reichen und Mächtigen mit den sich in ihnen drängenden Klienten bezeichnen 577 . Es scheint bemerkenswert, daß ein Teil

574 Vgl. [Sen.] Here.O. 648-652: o sipateantpectora ditum!/quantos intus sublimis agit/ fortuna metus! .../pectora pauper secura gerit, Sen. Phaedr. 520f.: ... certior somnus premit/ secura duro membra laxantem toro, und Paul. Noi. carm. 23,228, wo Johannes der Täufer aus dem Haus seiner Eltern und vor dem Gedränge der Menschen in die Wüste flieht, wo sein Geist libera ... α curis sacra adpraeeepta vacaret. 575 Vgl. [Sen.] Here.O. 644ff.: caespes Tyrio mollior ostro/ solet impávidos ducere somnos;/aurea rumpunttexta quieterà/ vigilesque trahit purpura noctes, Sen. Thyest. 469 rebusque parvis magna praestatur quies. 576 Vgl. LSDJ zu 462. Die Metaphorik könnte auf 437 zurückgreifen. 577 Vgl. Sen. Phaedr. 522-525 über den, der ein Leben führt, quae relictis moenibus silvas amat (ebd. 485): non in recessu furta et obscuro improbus/ quaerit cubili seque multiplici timens/ domo recondit: aethera ac lucem petit/ et teste caelo vivit (vgl. auch ebd. 494-502a) und epist. 90,41-43. Allgemeiner CONINGTON und PAGE ZU 468, die es auf die Enge der Stadt im allgemeinen beziehen. Vergil denkt hier sicher nicht an Großgrundbesitz, wie THOMAS ZU 468 meint: vgl. Aen. 8,8 sowie MYNORS ZU 470. Auch Tib. 2,3,3 dürfte latos eher die Weite des Landes im Unterschied zur Enge der Stadt bezeichnen als auf den Großgrundbesitz des Rivalen verweisen (anders PUTNAM, unentschieden MURGATROYD z.St.). Der Ausdruck latifundium findet sich erst ab Val. Max. 4,4,7. Varrò rust. 1,16,4 kann allenfalls als eine ferne Vorstufe angesehen werden: in hoc genus coloni potius anniversaries habent vicinos, quibus imperent, medicos, fullones, fabros, quam in villa suos habeant, quorum non numquam unius artifleis mors tollit fundi fruetum.

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137

der mit dem Lebensstil des Reichen und Mächtigen in Verbindung gebrachten Luxusgüter erklärtermaßen aus dem Osten stammt: vgl. etwa Ephyreia ... aera und Assy rio ... veneno. Auch casia gehört in diesen Zusammenhang578. Denen, die einen so luxuriösen Lebensstil pflegen, tritt die Landjugend gegenüber, patiens operum exiguoque adsueta. Spätestens hier wird deutlich, daß es sich bei der Welt des Landmannes keineswegs um ein Schlaraffenland handelt. Die Darstellung des ruhigen Daseins des Landmannes, dem das Land einen reichlichen Lebensunterhalt darbietet, wird im zweiten Teil der laudes vitae rusticae vor dem Hintergrund eines ruhelosen, von Gier nach Reichtum und Macht geprägten Daseins fortgesetzt, wenn es in 495502 heißt579: 495

illum non populi fasces, non purpura regum flexit et infidos agitans discordia fratres, aut coniurato descendens Dacus ab Histro, non res Romanae perituraque regna; ñeque ille aut doluit miserans inopem aut invidit habenti.

quam partem lati fundi divites domesticae copiae mandare soient, si enim a fundo longius absunt oppida aut vici, fabros parant, quos habeant in villa, sic ceteros necessarios artifices, ne de fundo familia ab opere discedat ac profestis diebus ambulet feriata potius, quam opere faciendo agrum fructuosiorem reddat. Während lati fundi in den beiden jüngsten Übersetzungen als Nom. Pl. aufgefaßt und zusammen mit divites durch "reiche Großgüter" (FLACH) bzw. "les grandes propriétés riches" (HEURGON) wiedergegeben wird, nahm man es früher als Gen. Sg. und machte es von quam partem ("this department of a great estate" (HOOPER/ASH; Fehlzitat bei HEURGON z.St.)) oder von divites ("die reichen Besitzer großer Güter" (SUTER; nach HEURGON z.St. ähnlich schon Ursinus)) abhängig. Die erstgenannte Auffassung, die lati und fundi eng aneinanderrückt und angesichts der Satzaussage sowie des Folgenden nahezu zu einer Person macht, dürfte kaum zutreffen. Selbst der Ausdruck divitum copiosi agri ac villae, den HEURGON z.St. aus dem vorangehenden Paragraphen heranzieht, um seine Übersetzung von lati fundi divites zu stützen, scheint doch eher dafür zu sprechen, unter divites die Gutsbesitzer zu verstehen. Sie treten den coloni des vorausgehenden Satzes gegenüber, die potius aniversarios habent vicinos, auibus imperent. medicos, fullones, fabros, quam in villa suos habeant, quorum non numquam unius artifìcis mors tollit fundi fructum. während die divites diesen Aufgabenbereich domesticae cooiae mandare soient, si enim a fundo longius absunt oppida aut vici, fabros parant, quos habeant in villa, sic ceteros necessarios artifices, ne de fundo familia ab opere discedat ac profestis diebus a?nbulet feriata potius. quam opere faciendo agrum fructuosiorem reddat. Ich selbst neige dazu, lati fundi mit HOOPER/ASH zu quam partem zu ziehen. Für die Verbindung von divites mit dem als Gen. Sg. verstandenen lati fundi habe ich keine völlig überzeugende Parallele finden können. 578

V g l . CONINGTON zu 4 6 6 .

579

Zum Rückbezug dieser Verse vgl. KLINGNER 1964, 276.

138 500

Die Geórgica Vergils quos rami fructus, quos ipsa volentia rura sponte tulere sua, carpsit5*0, nec ferrea iura insanumque forum aut populi tabularía vidit.

In 503-512 wird dargestellt, was andere unternehmen, um Reichtum und Macht zu gewinnen581:

505

510

sollicitant alii remis fréta caeca, ruuntque in ferrum, penetrant aulas et limina regum; hic petit excidiis urbem miserosque penatis, ut gemma bibat et Sarrano dormiat ostro; condii opes alius defossoque incubât auro; hic stupet attonitus rostris, hune plausus hiantem per cuneos geminatus enim plebisque patrumque corripuit; gaudent perfusi sanguine fratrum, exsilioque domos et dulcía limina mutant atque alio patriam quaerunt sub sole iacentem.

Dabei wird das Bemühen der nach Reichtum und Macht Gierenden als eines beschrieben, welches ihnen und anderen nur Unrast und Verderben einbringt. Auch hier gehören zu den erstrebten Reichtümern wieder Luxusgüter des Ostens. Man vergleiche Sarrano ... ostro in 506. Diesen

580

Die Lukrezverse, die hier, wie schon Macr. Sat. 6,1,65 gesehen hat, im Hintergrund stehen, bezeichnen übrigens ein Sichbegnügen seitens der frühen Menschen mit dem, was die Erde von selbst (d.h. ohne daß Ackerbau betrieben worden wäre) hervorbrachte: quod sol atque imbres dederant, quod terra crearat/ sponte sua, satis id placabat pectora donum (5,937f.). 581 Zum Aufbau dieses Abschnitts vgl. im einzelnen KLINGNER 1964, 270. Schwierigkeiten bereitet Vers 507: Zwar ist das Bild des Geizigen, der sein Geld vergräbt, nichts Ungewöhnliches (vgl. etwa Hör. carm. 2,2,If., sat. 1,1,41f. (vgl. auch ebd. 70b-72)), doch mutet der Hinweis auf einen solchen Menschen in unserem Zusammenhang merkwürdig an, bezieht er sich doch nicht auf den Erwerb von Reichtümern, sondern auf die Art, wie manche mit bereits erworbenen Schätzen umgehen. In Aen. 6,610f., wo ein ähnliches Verhalten beschrieben wird wie an unserer Stelle (vgl. ineubuere in Aen. 6,610 mit incubât an unserer Stelle), passen die Verse viel besser in den Zusammenhang. Macr. Sat. 6,1,40 verweist zu georg. 2,506 auf Varius carm. frg. 2 Blänsdorf: ineubet ut Tyriis atque ex solido bibat auro. Gegenüber der Vorlage ist in georg. 2,506 allerdings die Reihenfolge vertauscht sowie der Ausdruck verändert (übernommen sind ut und bibat an jeweils anderer Versstelle). Die Einsetzung von gemma für ex solido ... auro bedeutet schließlich nicht nur eine syntaktische, sondern auch eine inhaltliche Variation (vgl. DAHLMANN 1983, 26). Sollte bereits vor Macrobius jemand die Beziehung zwischen 506 und Varius bemerkt und, angeregt durch Varius, die Passage aus der Aeneis und die genannten Horazstellen, unseren Vers gebildet und in den Text eingefügt haben? Imitiert wird er bereits bei Petron. frg. 43,11 Müller (Hinweis von M. Deufert). COURTNEY zu Varius carm. frg. 2 verweist noch auf Sen. Thyest. 909.

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Menschen tritt ab 513 wiederum der Landmann gegenüber, der ruhig seinen Acker bestellt und damit sich und die Seinen erhält. Auch hier wird vor dem Hintergrund des Gegenbildes das Entgegenkommen der Natur gepriesen:

515

520

agricola incurvo terram dimovit aratro: Λ/c582 anni labor, hinc patriam parvosque nepotes sustinet, hinc armenia boum meritosque iuvencos. nec requies, quin aut pomis exuberet annus autfetu pecorum aut Cerealis mergite culmi proventuque oneret sulcos atque horrea vincat. venit hiems: teritur Sicyonia baca trapetis, glande sues laeti redeunl,583, dant arbuta silvae;

582

Anstelle des überlieferten und zuletzt von THOMAS akzeptierten hinc lese ich mit MYNORS und GEYMONAT im Anschluß an eine Konjektur Marklands (zu Stat. Silv. 1,2,144) hic. Wollte man annehmen, daß Vergil hinc geschrieben hat, so müßte man anni labor doch wohl wie LSD zu 514 mit "der mühsame Jahresertrag" (ähnlich auch SlDGwiCK z.St.) wiedergeben, da man wohl kaum sagen kann, daß aus dem Pflügen die Arbeit über das Jahr hin erwächst, schon gar nicht in dem Sinn, in dem man den Erhalt der Heimat und der Nachkommen auf das Pflügen zurückführen kann. Daher vermag die von Wagner bei HEYNE im Apparat z.St. gegebene Paraphrase "hinc annui labores, quos rustici subeunt, ut domum suam patriamque sustineant" nicht zu überzeugen. Der von CONINGTON z.St. gegen die Deutung von anni labor im Sinne von "der mühsame Jahresertrag" erhobene Einwand scheint aber ebenso berechtigt: "The use of 'labor,' like πόνος, for the fruits of labour, is common, but seems hardly applicable here, as it would require us to suppose that Virg. uses the word to designate those fruits as distinguished from the labour whence ('hinc') they come" (er entscheidet sich dann für die Auffassung von anni labor im Sinne von "annual employment", allerdings unter Beibehaltung von hinc; ähnlich auch PAGE z.St.). Vom Ertrag, den das Jahr in seinem Lauf bringt, ist erst in 516ff. die Rede. Markland verweist auf 3,288 (einen nach ZWIERLELN allerdings wohl von fremder Hand eingefügten Vers), MYNORS z.St. fügt noch 4,532 hinzu. Vgl. auch 4,100, Aen. 3,167 und Lucr. 4,1058-1060. Als Beleg für dreimaliges hinc könnte man georg. 4,55 und Aen. 2,97 anführen. Zur Verbindung von annus und labor vgl. georg. 2,401f. Wenn labor an unserer Stelle soviel wie "Arbeit, Beschäftigung" bedeutet, könnte eine Bezugnahme auf Lucr. 3,59-64 vorliegen, wo es heißt, Gier nach Reichtum und Macht, die nicht zum geringsten Teil durch die Angst vor dem Tod gespeist werde, zwinge die Menschen, sich Tag und Nacht praestante labore darum zu bemühen, nach oben zu kommen (ähnlich schon 2,7-13). Wie anders sieht da der labor des Landmannes aus! 583

Vgl. MYNORS ZU 520: "V. does not say that their return was spontaneous; but this would add the right touch of Golden-Age feeling, as in E. 4.21, Hor. epod. 16.49-50, Livy 24.3.5 (of the sacred livestock of Juno Laecinia at Croton)." Dagegen meint THOMAS z.St.: "Again V. suggests features of the golden age: the animals, it is implied, return well-fed and of their own accord ..., and the acorn and the leaves or fruit of the arbutus have a distinct cultural association; they failed at the end of the Saturnian age, when Ceres introduced agriculture (1.148-9). That they were actually used as fodder does

140

Die Geórgica Vergils et varios ponit fetus autumnal, et alte mitis in apricis coquitur vindemia saxis.

Schon das Bild des Landmanns am Pflug zeigt jedoch, daß der Gedanke, daß auch dieses Leben Anstrengung erfordert, nicht völlig aus dem Blick gerät585. In 514 ist dann ja auch ausdrücklich von labor die Rede, und in 515 bezeichnet Vergil die iuvencos des Landmanns als méritos. Auch die corpora ... praedura in 531 verweisen darauf, daß es sich hier nicht um die Schilderung eines Schlaraffenlandes handelt, und das ländliche Fest, welches zuvor beschrieben wird, ist eher durch Einfachheit als durch Wohlleben gekennzeichnet586. Der von Thomas unternommene Versuch, einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Bild des Landlebens in den laudes vitae rusticae und dem im Rest der Geórgica nachzuweisen, büßt schon von daher an Überzeugungskraft ein. Entsprechendes gilt für sein Bemühen, den Landmann der laudes vitae rusticae der Welt des von Jupiter beendeten Zeitalters aus 1,125-128 zuzuordnen. Bemerkenswerterweise wird ja gerade in 536-540 ein klarer Bezug auf diese Stelle aus dem ersten Buch vermieden. Und das Leben, welches der

not diminish this impact of the line ..." (Hervorhebungen von mir) Es scheint in der Tat bemerkenswert, daß Vergil an dieser Stelle eben nicht ausdrücklich sagt, daß die Schweine von selbst von der "Weide" zurückkehren, anders als dies in ecl. 4,21f. (und in georg. 3,316f.) mit Blick auf die Ziegen geschieht. Übrigens liegt der Akzent auch gar nicht auf der Heimkehr der Schweine, sondern auf ihrer Sättigung mit Eicheln. Vergil spricht in 519f. - die Ausdrucksweise jeweils geschickt variierend - von dem reichen Ertrag an Oliven, Eicheln und Früchten des Erdbeerbaumes, die der Winter bietet. So erscheint auch diese Jahreszeit nicht gänzlich ohne Ertrag, wie sie ja auch in l,299b-310 nicht gänzlich frei von Anforderungen war (oben S. 48f.). Anders als in l,148bf. erscheinen die Eicheln und Früchte des Erdbeerbaumes hier allerdings eben nicht als Nahrung für den Menschen, sondern als Viehfutter. Der selbst auf Eichelnahrung angewiesene Landmann war 1,159 ja eine wenig beneidenswerte Gestalt (oben S. 23f.). Die Früchte des Erdbeerbaumes begegnen als Schweinenahrung bei Colum. 7,9,6 (als Futter für Krammetsvögel werden sie Colum. 8,10,4, als Nahrung für Wild(schweine) Colum. 9,1,5 genannt). Somit verwundert die Zuversicht, mit der MYNORS z.St. unter Hinweis auf georg. 3,301, Prop. 2,33,12 und ecl. 3,82 (an der erst- und an der letztgenannten Stelle geht es um Ziegen, an der zweitgenannten um die in eine Kuh verwandelte Io) erklärt, hier sei zweifellos das Laub des Erdbeerbaums gemeint. Wie dem aber auch sei, jedenfalls scheint es mir auch hier bemerkenswert zu sein, mit welcher Behutsamkeit Vergil das Dasein des Landmannes idealisiert. Ähnlich verhält es sich in 524b-525a (vgl. THOMAS zu 524-5). 584 Vgl. CONINGTON zu 521 "The willingness of nature is dwelt on, as in 'dant arbuta silvae.'" 585

Dies räumt sogar THOMAS zu 513-40 ein.

586 XHOMAS ZU 527 sieht die dies ... festos, die der Landmann nach 527ff. ausrichtet, "in direct conflict with details elsewhere", insbesondere mit 1,268-275.

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aureus ... Saturnus geführt haben soll, ist doch offenbar das eines Landwirts, die Landwirtschaft war aber in der 1,125-128 beschriebenen Zeit erklärtermaßen noch nicht existent. Mit den Versen 536-540 kehrt am Ende der laudes vitae rusticae v.a. der Gegensatz zwischen dem Dasein des Landmanns und einem durch den Gebrauch von discordia arma bestimmten noch einmal eindringlich wieder:

540

ante etiam sceptrum Dictaei regis et ante impia quam caesis gens est epulata iuvencis, aureus hanc vitam in terris Saturnus agebat; necdum etiam audierant inflari classica, necdum impositos duris crepitare incudibus ensis.

Dabei spielt Vergil auf Arat an, der 130-132 über die Menschen des Ehernen Geschlechts bemerkt, sie seien προτέρων òXoùrepoi ctvbptç gewesen, oi πρώτοι KdKoepyòv ίχαΧκβύσαντο μάχαφαν βινοδίην, πρώτοι Se βοών ίπάσαντ άροτήρων ...

Aus Ciceros Aratübersetzung 587 hat sich dessen lateinische Fassung dieser berühmten Verse erhalten. In seiner Schrift über das Wesen der Götter werden sie von Baibus, dem Vertreter der stoischen Lehre, angeführt (nat. deor. 2,159 = Arat. frg. 18): ferrea tum vero proles exorta repentest ausaque funestum primast fabricarier ensem et gustare manu iunctum domitumque iuvencum.

Während Arat die Abfolge der Geschlechter nicht bis in die Gegenwart fortsetzt, sondern mit dem Ehernen abbricht, dem dritten der bei Hesiod vorgegebenen fünf Geschlechter, macht Cicero aus Arats Ehernem Geschlecht kurzerhand das Eiserne, also das letzte der hesiodeischen Geschlechter, wodurch er es mit der eigenen Gegenwart gleichsetzt. An der genannten Stelle aus De natura deorum stellt Baibus ihm zudem unter Auslassung des Silbernen Geschlechts auch lediglich das Goldene gegenüber. Bei Cicero ist allerdings noch etwas anderes auf der Strecke geblieben, nämlich das Attribut dvobiην566. Dieses bei Arat durch Enjambe-

587

Zu den römischen Aratübersetzungen vgl. GATZ 1967, 64-70. Auch πρώτοι ... ίχαλκίΰσαντο scheint mit ausa ... prima est fabricarier nicht besonders gut wiedergegeben. Vergil hat das Bild des Schmiedens in 540 besser eingefangen. Oder hat Cicero in seiner Aratausgabe wie später auch Máximos von Tyros (24,1) 588

142

Die Geórgica

Vergils

ment noch hervorgehobene Wort ist jedoch von besonderer Aussagekraft, bezeichnet es doch zusammen mit dem Hinweis auf die Schlachtung des Pflugochsen, daß man sich seinen Lebensunterhalt von nun an nicht durch friedlichen Ackerbau, sondern gewaltsamen Raub verschaffte 589 . Vergils Formulierungen nun dürften eher vor dem Hintergrund der ursprünglichen arateischen Fassung als vor dem der späteren ciceronianischen Verwässerung zu sehen sein. Die Goldene Zeit als ganze ist also zwar erklärtermaßen beendet, allerdings scheint sich ein Rest von ihr in der ländlichen Welt erhalten zu haben, was übereinstimmt mit der ebenfalls an Arat erinnernden Bemerkung über die Bewohner dieser Welt in 473b-474 am Ende des ersten Teils der laudes vitae Iustitia

excedens

rusticae:

... extrema per illos terris vestigia fecit.

Unmittelbar nachdem Arat in den oben zitierten Versen die Abwendung des Ehernen Geschlechts vom bäuerlichen Dasein beschrieben hat, heißt es 133-136 nämlich:

135

και τότε μισησασα Αίκη κείνων "γένος ανδρών επταθ' ύτουρανίη, ταντην δ' äpa νάσσατο χώρην, ηχί τερ εννυχίη en φαίνεται άνθρώποισι ΐίαρθενος έγγυς ¿ούσα πολυσκέπτοιο Βοώτεω.

Bereits zu Zeiten des Silbernen Geschlechtes hatte sich die Rechtlichkeit nach Arat in die Berge zurückgezogen (115-128), während sie mit dem

ίτίκτησαντο gelesen? 589 Vgl. auch die Darstellung der Ehernen und der Eisernen Zeit bei Ov. met. 1,125-150, nach der in der Eisernen Zeit im Gefolge der entstehenden Habgier erstmals Verbrechen zu beklagen sind. Man fordert dem immer noch reichen Boden nicht nur die geschuldete Nahrung ab, sondern forscht sogar in seinen Eingeweiden nach den mit gutem Grund verborgenen Bodenschätzen (141-144a): iamque nocens ferrum ferroque nocentius aurum prodierat: prodit bellum, quod pugnai utroque, sartguineaque manu crepitantia concutit arma, vivitur ex rapto: ... Vgl. auch Tib. 2,3,35-38 (mit SMITH, der auf das vergilische des Ausdrucks armis cingere verweist, sowie PUTNAM und MURGATROYD z.St.): 35

ferrea non Venerem sed praedam saecula laudani: praeda tarnen multis est operata malis. praeda feras acies cinxit discordibus armis: hinc cruor, hinc caedes mors propiorque venit.

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143

Goldenen Geschlecht noch von Angesicht zu Angesicht verkehrte und ihm in Gemeinschaft mit Rindern und Pflug alles im Überfluß gewährte (96-114). Das Konzept der Goldenen Zeit, auf das Vergil sich hier bezieht, ist also offenbar das des Arat, nach dem es bereits Ackerbau gab, nach dem der Mensch also für seinen Lebensunterhalt arbeiten mußte, es aber auch tat und sich ihn nicht durch Gewalt zu verschaffen suchte. Diejenigen, die ein solches Leben in seiner Zeit führen, betrachtet Vergil als Überrest dieser Goldenen Zeit. Auch bei Varrò rust. 3,1,5 findet sich diese Sichtweise des Landlebens: nec sine causa terram eandetn appellabant matrem et Cererem, et qui earn colerent, piam et utilem agere vitam credebant atque eos solos reliquos esse ex stirpe Saturni regis590. Zugleich erinnert die oben vom Ende des zweiten Buches der Geórgica zitierte Passage natürlich an das Finale des ersten Buches, wo der Bürgerkrieg in Vers 508 u.a. mit den Worten umschrieben wird: et curvae rigidum falces conflantur in

ensem.591

Kurz darauf erhält der auf dem ganzen Erdkreis wütende Kriegsgott dort das Beiwort impius (511), was die Bezeichnung der saecula als impia vom Anfang des Finales aufgreift (468) 592 . Die auffalligste Entsprechung besteht jedoch zwischen dem Vers, mit dem im Finale des zweiten Buches die ruhige und aufbauende Tätigkeit des Landmannes dem rastlosen und zerstörerischen Streben des von Gier nach Reichtum und Macht Erfüllten gegenübergestellt wird (513: agrícola incurvo terram dimovit aratro), und der Aussage, die sich in 1,494 in dem Abschnitt findet, welcher die Perversion der die Felder mit Römerblut düngenden Schlachten von Philippi und Pharsalos im Bild des Landmannes verdeutlicht, der später in diesem Gebiet mit seinem Ackergerät auf zerfressene Geschosse, leere Helme und gewaltige Knochen stoßen wird:

590

THOMAS ZU 538 betrachtet die Herstellung dieser Verbindung bei Varrò als "anecdotal", bei Vergil als "part of a developed theme which creates and is intended to create contradictions with the body of the poem". Bemerkenswerterweise läßt Thomas die unmittelbar vorausgehende Bemerkung Varros unberücksichtigt. Vgl. unten S. 145f. Zur Verbindung von Landleben und glücklicher Frühzeit vgl. auch Hör. epod. 2,2 mit MANKIN z.St. Cato agr. praef. 4 meint, aus der Landwirtschaft gehe maxime ... pius quaestus hervor. 591

V g l . THOMAS ZU 5 3 9 - 4 0 .

592

Vgl. oben S. 60f.

144

495

Die Geórgica Vergile scilicet et tempus veniet, cum finibus illis agrìcola incurvo terram molitus aratro exesa inveniet scabra robigine pila aut gravibus rastris galeas pulsabit inanis grandiaque effossis mirabitur ossa sepulcris.

Man vergleiche auch gaudent perfusi sanguine fratrum aus 2,510 mit l,491f. : nec fuit indignum superis bis sanguine nostro Emathiam et latos Haemi pinguescere campos. Die Bedrohung der ländlichen Welt durch den Bürgerkrieg aus dem Finale des ersten Buches klingt also am Ende des zweiten nach. Der Schwerpunkt liegt am Ende des zweiten Buches allerdings auf der Herausarbeitung der Gegensätzlichkeit zweier Lebensformen. Hier wird deutlich, wo die Wurzeln der Bürgerkriege liegen, die im Finale des ersten Buches die ländliche Welt bedrohten. Vor diesem Hintergrund erhebt sich die Frage nach dem Verhältnis der laudes vitae rusticae zu den laudes Italiae aus der ersten Hälfte des Buches. Die laudes Italiae stellen, wie wir gesehen haben, Italien als das Land, welches reich ist an gesunden und einfachen ländlichen Dingen, dem Osten mit seinen märchenhaften Reichtümern, aber auch seinen Gefahren gegenüber. Dieses Land wird bewohnt von einem wehrhaften Volk, welches die Bedrohungen aus dem Osten abweist und dabei die Macht Roms bis an die Grenzen der Erde ausdehnt. In den laudes vitae rusticae wird die schlichte, ruhige Lebensform des Landmannes dem von Gier nach Reichtum und Macht bestimmten Dasein, wie es die Städte beherrscht, gegenübergestellt. Letzteres bietet zwar allen erdenklichen Luxus; jene, die es führen, zerstören jedoch sich selbst und die Gemeinschaft, in der sie leben. Die Existenz des Landmannes dagegen wird als eine glückliche und aufbauende beschrieben. Das Landvolk der laudes vitae rusticae ist das gleiche wie das Volk der laudes Italiae. Wenn die Landjugend in 472 als patiens operum exiguoque adsueta charakterisiert wird, so erinnert das daran, daß Vergil in 168 den Ligurer als adsuetum ... malo gekennzeichnet hat. Und wenn die Hirten in 531 die corpora ... praedura auf dem ländlichen Ringplatz entblößen, verweist dies zurück auf die Scipionen, die Vergil in 170 als duros bello bezeichnet hat. Daß in den laudes Italiae stärker die kriegerische Seite dieser Vorzüge betont wird, liegt an dem unterschiedlichen

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Zusammenhang593. Aber auch in den laudes vitae rusticae heißt es ja im Anschluß an die Darstellung der ländlichen Lebensform in 532534 594 : hanc olim veteres vitam coluere Sabini, hanc Remus et frater; sie fortis Etruria crevit scilicet et rerum facta est pulcherrima Roma.595

Und unmittelbar vor der oben aus rust. 3,1,5 zitierten Passage über die Herkunft der Bauern ex stirpe Saturni regis bemerkt Varrò: non sine causa maiores nostri ex urbe in agros redigebant suos cives, quod et in pace a rusticis Romanis alebantur et in bello ab his allevabantur596. 593 THOMAS zu 531 sieht in praedura eine Anspielung auf "the idealized notion of duritia, assigned to primitive and ethically superior people". Dabei verweist er u.a. auf Aen. 9,603. Im dortigen Zusammenhang werden aber damit gerade auch militärische Qualitäten verbunden. 594 Vgl. KLINGNER 1964, 274: "... das Bauernleben, das bisher zeitlos erschienen ist, zeigt sich nun als Teil einer geschichtlichen Welt." Eine ähnliche Entwicklung haben wir am Ende der laudes Italiae beobachtet (vgl. oben S. 109f.). 595 Der Vers 535 (septemque una sibi muro circumdedit arces) wird mit Recht von RICHTER in Anlehnung an Peerlkamp getilgt. Er ist (abgesehen von der Verbform circumdedit statt circumdabit) identisch mit Aen. 6,783. Pace CONINGTON zu 535 ("This line seems an anticlimax here, and still more where it recurs in A. VI 783.") halte ich den Hinweis auf die Ummauerung Roms in der Aeneis für passender. Die dort in 6,781-784a über Rom getroffenen Aussagen sind nämlich deutlich auf den in 784b-787 folgenden Vergleich mit Kybele ausgerichtet, wobei der Hinweis auf die Ummauerung Roms aus 783 seine klare Entsprechung in der Bezeichnung Kybeles als turrita in 785 findet. Vgl. NORDEN ZU Aen. 6,784 und AUSTIN ZU Aen. 6,785. Dagegen scheinen in georg. 2,532-534 die veteres ... Sabini und Remus et frater einerseits und fortis Etruria und Roma andererseits einander paarweise zugeordnet zu sein, wobei die Zusammengehörigkeit der Paarhälften im ersten Fall durch das gemeinsame Prädikat coluere mit der Zeitbestimmung olim sowie durch die Wiederaufnahme des gemeinsamen Objekts hanc ... vitam durch hanc, im zweiten Fall durch sie.../ scilicet und die Entsprechung der beiden Prädikate crevit und rerum facta est pulcherrima unterstrichen wird. Das aus hanc ... vitam/hanc ... hervorwachsende sie .../ scilicet ... wird in 538 wiederum durch hanc vitam aufgenommen, ein Zusammenhang, der durch etiam in 536 noch verstärkt wird. Der Vers 535 wirkt dabei wie ein Fremdkörper, da sie .../ scilicet ... sich kaum auf 535 ausdehnen lassen dürfte, rerum facta est pulcherrima Roma scheint dagegen den Schlußpunkt eines Abschnitts zu markieren. Damit entfallt auch der von THOMAS zu 535 erhobene Einwand, der Hinweis auf die Mauern Roms passe schlecht zu dem folgenden Hinweis auf das Goldene Zeitalter. 596

Konjektur von Ellis für das offenbar korrupte alebantur. Vgl. Cato agr. praef. 4: ex agricolis et viri fortissimi (vgl. fortis Etruria in georg. 2,533) et milites strenuissimi gignuntur. CZECH 1936, 41 Anm. 1 betont unter Verweis auf KROLL 19331, 28, auch im Bild vieler Helden der Republik spiegele sich die Überzeugung, "daß nur das einfache Landleben derartige Beispiele der Genügsamkeit hervorbringe". Vgl. auch Sen. epist. 86,5 zum älteren Scipio: terram .... ut mos fuit priscis, ipse subigebat.

146

Die Geórgica Vergils

Deutete sich bereits in den laudes Italiae eine Verbindung zwischen der ländlichen Welt und der Größe Roms an, als in 173f. die Saturnia tellus als magna parens frugum .../ magna virum gepriesen wurde 597 , so wird die Größe Roms nun nachdrücklich in dieser ländlichen Welt verankert. Instruktiv ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf Sallust. Dieser beschreibt zu Beginn seines Catilina in knappen Worten den Aufstieg des römischen Staates 598 sowie dessen Niedergang 599 . Während sich ersterer für Sallust labore atque iustitia vollzieht (10,1), ist letzterer für ihn mit einem Anwachsen der Gier nach Reichtum und Macht verbunden (10,3: primo pecuniae, deinde imperi cupido crevit600). Als ein wichtiges Ereignis nennt Sallust die Verweichlichung der unter Sulla in Asien stehenden Truppen. Dort, heißt es, habe sich das römische Heer erstmals daran gewöhnt, signa tabulas pietas vasa caelata mirari (11,6). Dies erinnert an das gierige Starren auf die varios ... pulchra testudine postis/ inlusasque auro vestís Ephyreiaque aera aus georg. 2,463f. Im Blick auf di e fores ... superbae in 461 mag man darauf hinweisen, daß die superbia eine Begleiterin der luxuria und avaritia ist, die die römische Jugend in Sali. Catil. 12,2 ergreifen, während paupertas als Schande gilt und innocentia als Übelwollen (Sali. Catil. 12,1). Anstand und Scham gehen dabei über Bord, Göttliches und Menschliches verlieren gleichermaßen an Bedeutung (Sali. Catil. 12,2). Es ist das Leben des Landmanns, welches bei Vergil gerade die Werte repräsentiert, deren Verlust Sallust beklagt. Ihre Verdrängung hat in den selbstzerstörerischen Bürgerkrieg geführt. Nur eine Rückbesinnung auf sie kann eine Gesundung des Staates bringen. Für ein volles Verständnis des Finales des zweiten Buches der Geórgica ist es allerdings wichtig, die Auseinandersetzung Vergils mit Lukrez zu beachten, die wir im Übergang zu den laudes vitae rusticae sich bereits haben andeuten sehen. In 493f. heißt es zu Beginn von deren zweiter Hälfte in deutlichem Rückgriff auf den der ersten: fortunatus et ille, deos qui novit agrestis, Panaque Silvanumque senem Nymphasque

597

sorores.

Vgl. oben S. 110. Vgl. creverit und crevit in Sali. Catil. 7,3 bzw. 10,1 mit crevit in georg. 2,533. 599 Mit ut paulatim inmutata ex pulcherruma < atque optuma > pessuma ac flagitiosissuma facta sit (sc. res publica)(Sa\\. Catil. 5,9; vgl. ebd. 10,6) vgl. sie ... rerum facta est pulcherrima Roma in georg. 2,534. 600 Vgl. 10,4 avaritia und 10,5 ambitio. 598

Zweites Buch

147

Ausdrücklich als agricola wird der fortunatus hier jedoch erst in 513 bezeichnet. Eine weitere bezeichnende Änderung liegt darin, daß nun nicht mehr einfach die Vorzüge des eigenen Lebens, sondern die ländlichen Götter erkannt werden sollen. Sowohl die Erweiterung des in den Blick genommenen Personenkreises als auch die Nennung der Götter des Landes hängt mit den vorangehenden Versen 475ff. zusammen. In ihnen stellt Vergil das Dasein eines Naturphilosophen dem Leben des Landmannes gegenüber. Dabei erscheint die erstgenannte Existenz zunächst als die von ihm für sich selbst gewünschte: 475

480

601

me vero 601 primum dulces ante omnia Musae, quorum sacra fero ingenti percussus amore, accipiant caelique vias et sidera monstrent, defectus solis varios lunaeque labores; unde tremor terris, qua vi maria alta tumescant obicibus ruptis rursusque in se ipsa résidant [quid tantum Oceano properent se tingere soles hiberni, vel quae tardis mora noctibus obstet]602.

Zur Bedeutung des me vero vgl. Klingner 1964, 264. Die Verse 481-482 werden von ZWIERLEIN wohl mit Recht athetiert. Sie sind identisch mit Aen. l,745f., wo sie ihren ursprünglichen Sitz zu haben scheinen. Im vorliegenden Zusammenhang stören sie eine Entwicklung, in deren Verlauf die Bedrohlichkeit der geschilderten Vorgänge allmählich gesteigert wird: vom Umschwung des Himmels und der Gestirne über die Sonnen- und Mondfinsternisse (vielleicht war es doch nicht allein die Merkwürdigkeit des Ausdrucks, wie BAILEY Ζ.St. meint, die Vergil bewog, latebras aus Lucr. 5,751 durch labores zu ersetzen; zur Abgrenzung von labores gegenüber defectus vgl. P A G E z.St.) und den Ursprung von Erdbeben zu der Macht, die die Meere anschwellen und die sie begrenzenden Dämme sprengen und dann wieder in sich selbst zurücksinken läßt. Daran schlössefelix quipotuit rerum cognoscere causas/atque metus omnis .../ subiecit pedibus ... in 490-492 gut an. Dies läßt auch die alte Frage, worauf sich die Verse 479f. nun genau beziehen, in neuem Licht erscheinen. H E Y N E hatte zu 479 bemerkt, Vergil meine "caussas accessus ac recessus maris aestuantis. Argumentum sane philosophicae contemplationis solennius, quam alteram, tempestatum maris caussae." Dies scheint einleuchtend, nur fügte Heyne gleich selbst hinzu: "quod quidem et ipsum verba ferrent". Und CONINGTON zu 479 meinte: "... the words seem to denote something more irregular (sc. als den Wechsel der Gezeiten), such as the sudden rise of the sea at an earthquake (as described by Thuc. Ill 89), or storms, comp. Lucr. V 1002, Sil. XIV 348" (Haverfield ergänzte, daß ein plötzliches Anschwellen der See bei Erdbeben längs der Mittelmeerküsten, vor allem in der Nähe Neapels, wo Vergil die Geórgica schrieb, nicht selten sei). P A G E z.St. Schloß sich an. Geklärt scheint die Frage allerdings immer noch nicht: vgl. MYNORS ZU 479 und THOMAS ZU 479-80. CAPELLE 1940,207 nennt den Vorgang der Gezeiten, der "im Bereich des Mittelmeeres kaum in Erscheinung (tritt) oder doch nur in gewissen Sunden und Meerengen in einem für die Schiffahrt fast unmerk602

148

Die Geórgica Vergils

Daß im Hintergrund dieser Verse v.a. Lukrez steht, ist längst erkannt. So vergleiche man zu dulces ... Musae, / quorum sacra fero ingenti percussus amore in 475f. Lucr. 1,922-925:

925

... acri percussit thyrso laudi s spes magna meum cor et simul incussit suavem mi in pectus amorem Musarum ...603

Zu 477 vergleiche man Lucr. 5,509ff. 6 0 4 , zu 478 Lucr. 5,751770 605 und zu 479a Lucr. 6,535-607 606 . Daß Vergil v.a. Lukrez im Sinn hat, wird durch den Makarismos in 490-492 bestätigt: 490

felix, qui potuit rerum cognoscere causas607 atque metus omnis et inexorabile fatum subiecit pedibus strepitumque Acherontis avari.

Ziel der Naturerkenntnis ist es ja auch bei Lukrez, den Menschen von seinen Ängsten, insbesondere von seiner Angst vor dem Tode zu befreien, die das Leben vergiftet. So heißt es in den Versen 14-16a im Epikurlob zu Beginn des dritten Buches von De rerum natura: 15

nam simul ac ratio tua coepit naturam rerum, divina mente

vociferari coorta,

liehen Grade", zu Recht eine "gewaltige Naturerscheinung". Caes. Gall. 4,28,2-29,3 berichtet von der verheerenden Wirkung einer mit einem Sturm zusammentreffenden Springflut bei Vollmond. Wie dem aber auch sei, in jedem Fall scheint es Vergil darauf angekommen zu sein, bei der letzten der genannten Naturerscheinungen den Eindruck des Gewaltigen und Bedrohlichen im Ausdruck soweit als möglich zu steigern. 603 HEYNE ZU 475.476. Vgl. auch das am Eingang des Abschnitts stehende cognosce (Lucr. 1,921) sowie das ihn beschließende dum perspicis omnem/ naturam rerum (Lucr. 1,949-950) mit naturae accedere partis in georg. 2,483 und rerum cognoscere causas in 490. Zu naturae ... partis verweist CONINGTON zu 483 noch auf Lucr. 3,29. 604 LS DJ z.St. 605 HEYNE z.St. CONINGTON z.St. sieht in varios eine Entsprechung zu pluribus e causis in Lucr. 5,752. Ebenso wie in 479-480 (undel qua vi) geht es also auch hier um die Einsicht in die Ursachen der Naturphänomene (vgl. rerum cognoscere causas in 490). Dies übersieht THOMAS ZU 478, wenn er Vergils Rückgriff auf Lucr. 5,751 zwar einräumt, aber unter Hinweis auf 1,351-464 meint: "the theme is as Virgilian as it is Lucretian". 606 LSDJ z.St. MYNORS z.St. verweist noch auf Lucr. 6,287, einen Vers, auf den Vergil auch in 3,250 zurückgegriffen hat. 2,479b-480 dürften allerdings wenig mit Lucr. 5,1002ff. zu tun haben (pace LSDJ und MYNORS zu 479). 607 rerum cognoscere causas greift über has ... naturae accedere partis in 483 auf 475ff. zurück.

149

Zweites Buch diffugiunt animi terrores

...

Die Unterwelt dagegen erweist sich in 25-27 als nichtexistent: 25

at contra nusquam apparent Acherusia templa, nec tellus obstat quin omnia dispiciantur, sub pedibus quaecumque infra per inane geruntur.

Kurz darauf umschreiben die Verse 37-40 das von Lukrez im dritten Buch verfolgte Ziel mit den Worten:

40

et metus ille foras praeceps Acheruntis agendus, funditus humanam qui vitam turbai ab imo, omnia suffundens mortis nigrore, neque ullam esse voluptatem liquidam puramque relinquit.

Auffällig ist allerdings, daß im Hintergrund von Vergils Ausruf felix, qui potuit rerum cognoscere causas in 490 v.a. Lucr. 5,1185 zu stehen scheint, wo es im Rahmen der Kulturentstehungslehre von den den regelmäßigen Umschwung des Himmels und den Wechsel der Jahreszeiten beobachtenden Menschen heißt: nec poterant quibus id fieret cognoscere

causis-608

Etwas später, in 1194, bricht Lukrez dann in den Ruf aus: o genus infelix humanum ...

Und die Phänomene, die nach 1204-1240 die Menschen ängstigen, verteilen sich wie in georg. 2,475ff. auf die drei Bereiche Himmel (12041217; vgl. georg. 2,477f.), Erde (1218-1225; 1236-1240; vgl. georg. 2,479a) und Meer (1226-1235; vgl. georg. 2,479b-480). Dabei ist im Zusammenhang mit den Erscheinungen am Himmel von den magni caelestia mundi templa (1204f.), von den solis lunaeque viae (1206) sowie von dem varius motus der candida side ra (1210) die Rede: vgl. die caelique viae et sidera in georg. 2,477 und die defectus solis varios lunaeque labores in georg. 2,478. Im Bereich der Erde geht es in 1218-1225 zunächst um Blitze, die die Erde erschüttern, in 1236-1240 dann um wirkli608

MUNRO ZU Lucr. 1,78 verweist noch auf Lucr. 3,1071 f. : quam (sc. causam morbi) bene si videat, iam rebus quisque relictislnaturamprimum studeat cognoscere rerum. Vgl. auch zu Beginn des Absatzes 1053-1056: si possent homines, proinde ac sentire videntur pondus inesse animo, quod se gravitate fatiget, 1055 e quibus id fiat causis quoque noscere et unde tanta mali tamquam moles in pectore constet, ...

150

Die Geórgica Vergils

che Erdbeben 609 . In 1221 fallt immerhin das Stichwort contremit: vgl. tremor in georg. 2,479. Für das Meer schließlich wird von einem Sturm berichtet. Gegenstand des besagten Abschnitts aus De rerum natura ist allerdings nicht so sehr die Todesfurcht - obschon diese natürlich mit hineinspielt -, sondern vielmehr die Furcht der Menschen vor den Göttern. Bemerkenswert scheint in diesem Zusammenhang auch der Ausdruck subiecit pedibus in georg. 2,492. Dieser erinnert nämlich an eine andere Stelle bei Lukrez, an der dieser wiederum Epikur preist. Allerdings ist es auch Lucr. l,78f. die Religion, über die der Grieche seinen Sieg erringt: quare religio pedibus subiecta vicissim opteritur, nos exaequat victoria cáelo.

Vor diesem Hintergrund gewinnt Vergils Hinweis auf die ländlichen Götter in 493f. besonderes Gewicht. Anders als Lukrez hält Vergil offenbar die Religion dem Seelenfrieden nicht für abträglich. Dies stimmt gut zu der Rückführung der Götter in die von Lukrez entgöttlichte Welt, die wir bisher beobachtet haben und auch im folgenden immer wieder beobachten werden. Vergil stellt an unserer Stelle die Besinnung auf die Götter der ländlichen Welt geradezu pointiert der Erklärung der Natur und ihrer Entzauberung durch Lukrez gegenüber 610 . Dabei hat bereits die Art, in der Vergil in 483-489 von der Existenzform des Naturphilosophen zu der angeblich nur zweitbesten übergeht, etwas Spielerisches:

485

609

sin has ne possim naturae accedere partis frigidus obstiterit circum praecordia sanguis, rura mihi et rigui placeant in vallibus amnes, flumina amem6n silvasque inglorius. o ubi campi Spercheosque et virginibus bacchata Lacaenis Taygeta! o qui me gelidis convallibus Haemi sis tat, et ingenti ramorum ρ rote gat umbra!

1215-1225 sind offenbar als Übergang vom Abschnitt über die Himmelsbewegungen zu dem über die Stürme auf dem Meer gestaltet. 610 Auf so unsicherem Boden, wie M Y N O R S ZU 490 meint, bewegen wir uns also nicht. 611 Vgl. Sen. Phaedr. 485 (oben Anm. 577).

Zweites Buch

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In der Überleitung nämlich spielt Vergil deutlich auf eine Lehre des Empedokles an: αίμα yap άνθρώτοις πβρι,κάρδών kan νόημα612. Und inglorius ist an dieser Stelle wohl ebensowenig wörtlich zu nehmen wie ignobilis in Die begeisterten Ausrufe in 2,486b-489 machen recht deutlich, wofür Vergils Herz schlägt 614 , und dürften primum in 475 doch wohl relativieren 615 , so daß der Makarismos in 490-492 eher wie ein Zugeständnis erscheint. Thomas 616 hat allerdings die Auffassung vertreten, die Verse 475482 und 490-492 bezögen sich gar nicht so sehr auf die Naturphilosophie und Lukrez, sondern vielmehr auf die Geórgica selbst, die allerdings in der Tradition solcher Lehrdichter wie Arat und Lukrez stünden. Die Verse 483-489 und 493-494 dagegen gingen auf die Welt der Eklogen, mit der Vergil sich bescheiden wolle, sollte sein neues Werk kein Erfolg werden. Am besten werde man daher, so Thomas, den Gesamtabschnitt verstehen "as applying to Virgil and his career". Wie er sich zu Beginn des dritten Buches mit dem Verhältnis zwischen seinem gegenwärtigen und seinem zukünftigen Werk beschäftige, so gehe es ihm hier am Ende des zweiten Buches um das Verhältnis zwischen seinem gegenwärtigen und seinem vorhergehenden Werk. Diese Auffassung verträgt sich allerdings kaum mit dem oben zu den Versen selbst Gesagten, und sie ignoriert auch den Kontext, in dem die Verse stehen. So hat man doch wohl das zweite der beschriebenen Lebensmodelle mit dem Dasein des Landmannes zu identifizieren, wie es sonst in den laudes vitae rusticae vorgestellt wird. Die in 485-489 gezeichnete Welt ist die aus 467-474, und letztere ist die des Landmannes (iagrícolas, 459), wenn diese auch um des Kontrastes willen deutlich idealisiert wird. Daß in 485-489 mit griechischen Begriffen wie Spercheos, Lacaenis, Taygeta und Haemi die literarischen Obertöne über-

612

Emp. frg. 105,3 D K . Vgl. CONINGTON ZU 484: "Virg. gives a philosophic reason for his possible inaptitude for philosophy." Ebenso THOMAS ZU 483-4: "The theory is taken, perhaps with a degree of irony, from Empedocles ..." (Hervorhebung von mir) Vgl. auch Plat. Phd. 96b, Cie. Tuse. 1,19, Lucr. 3,43. Auch Horaz spielt mit dieser Vorstellung, wenn er ars 465 den in den flammenden Aetna springenden Empedokles als frigidus bezeichnet (vgl. KIESSLING/HEINZE zu Hör. ars 461). 613 Schwerlich richtig THOMAS ZU georg. 2 , 4 8 6 . 614 Vgl. T H O M A S ZU 4 8 6 - 9 : "the tone is emotional and personal ..." 615 Zu primum vgl. KLINGNER 1964, 263. Prop. 3,5,23ff. verschiebt die naturwissenschaftlichen Studien auf die Zeit, ubi iam Venerem gravis intereeperit aetas/ sparserit et nigras alba senecta comas. 616

T H O M A S ZU 4 7 5 - 8 2 .

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Die Geórgica Vergils

wiegen, wundert nicht, setzt Vergil sich hier doch mit Lukrez zugleich von einem anderen Dichter und seinem Werk ab 617 . Auch was das Folgende betrifft, sind die Verse 485-489 in die Darstellung der Welt des Landmannes eingebunden, wie sie der Rest der laudes vitae rusticae gibt; denn der Makarismos in 493-494 bezieht sich doch wohl auf die in 485489 beschriebene Daseinsform. Und ille aus 493 wird dann im folgenden doch offenbar durch illum in 495 und ille in 498 aufgegriffen, bis schließlich in 513 ausdrücklich vom Landmann (agricola) die Rede ist. Im übrigen hat man natürlich längst gesehen, daß Lukrez mit seinem Proöm zum zweiten Buch von De rerum natura auch im Hintergrund von 458ff. steht618. Kurz nach dem klagenden Ausruf über das Elend des menschlichen Verstandes und seine Blindheit, den wir bereits zitiert haben, heißt es Lucr. 2,20-31, nur nach ganz wenigem verlange die Natur unseres Körpers, nämlich nach den Dingen, die zur Schmerzvermeidung beitrügen, wobei diese Dinge mitunter auch als Beigabe vielfaltige Lustempfindungen vermitteln könnten. Keineswegs aber verlange die Natur des menschlichen Körpers nach luxuria:

25

30

... neque natura ipse requirit, si non aurea sunt iuvenum simulacra per aedes lampadas igníferas manibus retinentia dextris, lumina nocturnis epulis ut suppeditentur, nec domus argento fulget auroque renidet, nec citharae reboant laqueata aurataque teda, cum tarnen inter se prostrati in gramine molli, propter aquae rivum, sub ramis arboris altae, non magnis opibus iucunde corpora curant.619

Die Struktur dieser Passage ist von Vergil deutlich in 461-474 übernommen worden 620 . Bei Lukrez heißt es dann weiter, daß umgekehrt Reichtum, Geltung und Macht nicht in der Lage seien, den Menschen von körperlichen Krankheiten zu heilen (34-36). Gleiches wie für den Körper gelte aber für den Geist des Menschen (37-39). Auch Aberglauben, Todesfurcht und Sorgen könnten durch Waffen, Macht, das Strahlen von Gold oder das Schimmern von Purpurgewändern nicht vertrieben werden. Dies vermöge

617 Vorbereitet durch frígida tempe in 469. Vgl. KLINGNER 1964, 266f., MYNORS und THOMAS ZU 486-9. Vgl. auch 437-439 (oben S. 132). 618 Vgl. schon Macr. Sat. 6,2,4-5. 619 Zur Frage der Echtheit von 32f. vgl. DEUFERT 1996, 40ff. 620 Vgl. oben S. 135f.

ZU

488

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allein die Kraft der Vernunft (40-53621). Mit armis und armorum in 43 bzw. 49 findet sich hier ein Gegenstück zu discordibus armis in georg. 2,459; mit dem Hinweis auf die Macht der Vernunft hingegen begegnen wir genau der Position, die bei Vergil den Versen 475-480 und 490-492 zugrundeliegt. Die Verse 495ff. dagegen erinnern noch an ein anderes Proöm aus Lukrezens De rerum natura, auf welches wir im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls schon Bezug genommen haben, nämlich an das zum dritten Buch622. Auch dieses endet mit einem Bekenntnis zur befreienden Kraft der Vernunft (87-93). Zunächst führt Lukrez dort allerdings im Anschluß an den Preis Epikurs die Gier nach Reichtum und Macht non minimam partem auf die Furcht vor dem Tode zurück. Diese Gier zwinge die elenden Menschen, die Schranken des Rechts zu überschreiten und mitunter als Gefährten und Helfershelfer bei Verbrechen - Tag und Nacht unter großer Anstrengung danach zu streben, zum höchsten Gipfel zu gelangen (59-64). Schändliche Verachtung und bittere Armut schienen ihnen nämlich in der Regel zu einer anderen Welt als der eines angenehmen und ungestörten Lebens zu gehören und gleichsam schon vor den Pforten des Todes zu hausen (65-67). Davor versuchten die Menschen zu fliehen und verschafften sich durch das Vergießen des Blutes ihrer Mitbürger Besitz und verdoppelten gierig ihre Reichtümer, indem sie Mord auf Mord häuften, und fänden in ihrer Grausamkeit Freude am kläglichen Verderben ihres Bruders, während sie andererseits die Tischgemeinschaft mit ihren Angehörigen haßten und fürchteten (68-73). Ahnlich quäle sie

621

Zur Frage der Echtheit der Verse 54-61 vgl. DEUFERT 1996, 55ff. Vgl. CONINGTON zu 495: "This passage again is somewhat similar to Lucr. Ill 59-86, who is speaking of the civil wars of his own time." HEINZE zu Lucr. 3,59 führt übrigens Sali. Catil. 10,3-5 als Beweis dafür an, daß "L. ... hier nicht aus philosophischen Compendien, sondern aus der Stimmung seiner Zeit geschöpft hat" (vgl. oben S. 146). Zu Recht verweist CONINGTON ZU georg. 2,495 des weiteren auf Lucr. 3,996. Dort werden die Strafen, denen bekannte Unterweltsbüßer unterworfen sind, als Abbilder der menschlichen Verirrungen auf Erden gedeutet. Dabei erscheint der Sisyphus dieser Welt als derjenige, qui petere a populo fasces saevasque secures/ imbibii, et semper victus tristisque recedit. Man vergleiche damit nicht nur die populi fasces in georg. 2,495, sondern auch den politischen Aspiranten in 508-510a: hic stupet attonitus rostris, hunc plausus hiantem/ per cuneos geminatus enim plebisque patrumque/ corripuit. Mehr wüßte man gerne über den Inhalt des Gedichts de morte aus der Feder des L. Varius Rufus, auf das Vergil in den Versen 505f. zurückgreift (vgl. oben Anm. 581). Bezöge sich Vergil sich dort auf "ein kurzes philosophisches Lehrgedicht, das in Lucrezens Weise die Todesangst bekämpfte" (vgl. DAHLMANN 1983, 32), so stimmte dies gut zu unserer Deutung der laudes vitae rusticae als Auseinandersetzung mit Lukrez. 622

154

D i e Geórgica

Vergils

der Neid, daß jener vor ihren Augen mächtig sei, daß sie jenen anschauen müßten, der als Träger eines angesehenen Amtes einher schreite. Sie selbst aber beklagten sich, daß sie sich in Dunkelheit und Schmutz herumwälzten. Und so gingen sie mitunter eines Standbildes und eines großen Namens wegen zugrunde (74-77). Die Quelle aller Sorgen, die Macht, die die Achtung zerstöre, die die Bande der Freundschaft zerreiße, die kurz gesagt die pietas umstürze 623 , sei die Angst vor dem Tode (82-84). Die deutlichste Bezugnahme Vergils auf diese Stelle bei Lukrez findet sich, wenn es gegen Ende seiner Darstellung eines von Gier nach Reichtum und Macht bestimmten Lebens in 510b heißt: gaudent perfusi sanguine fratrum. Hier klingt deutlich Lucr. 3,72 nach: crudeles gaudent in tristi funere fratris (in 70 ist davon die Rede, daß sich diese Leute sanguine civili ein Vermögen verschaffen) 624 . Vergil hat diese Lukrezstelle allerdings verknüpft mit einem Vers aus dem Schlußabschnitt von Catull. 64 625 . Dort geht es darum, wie die Frühzeit, in der die Götter mit den Menschen verkehrten, einer Zeit gewichen ist, in der die Götter sich den Menschen nicht mehr von Angesicht zu Angesicht zeigen. Im Anschluß an zwei einleitende Verse wird der Umschwung dort als erstes durch den Hinweis gekennzeichnet: perfudere manus fraterno sanguine fratres (399). Die Iustitia, die die Menschen in Catull. 64,398 aus ihrem gierigen Sinn verjagen (weswegen die Götter dann in 406 ihren gerechten Sinn von den Menschen abwenden), hat, wie wir sahen, Vergil zufolge in der Welt des Landmannes, bei dem es sacra deum gibt (473), der die ländlichen Götter kennt (493f.) und Bacchus opfernd zum ländlichen Fest ruft (529a), ihre letzten Spuren hinterlassen (473bf.) 626 .

623

Das am Ende von Lucr. 3,84 überlieferte suadet halte ich pace BAILEY ZU Lucr. 3,824 für verderbt. Vgl. KENNEY ZU Lucr. 3,82-4, dem jedoch auch zuzustimmen ist, wenn er meint: "None of the suggested corrections is wholly convincing." Auch das von MÜLLER in den Text genommene foede bildet da keine Ausnahme. 624 Vgl. Macr. Sat. 2,6,15 und KENNEY zu Lucr. 3,72-3: "Virgil clearly had the present passage in mind when he wrote ... G. 2.505-12." 625 Zur Verwendung von Catull. 64 im Finale des ersten Buches vgl. oben S. 60f.; 63f. 626 THOMAS zu 524 verweist auf die Entsprechung zwischen den domos ... castas/ heroum, welche die Götter Catull. 64,384-386 zufolge in der Frühzeit zu besuchen pflegten, und der casta ... domus des Landmannes, die in georg. 2,524a die Keuschheit bewahrt (interessant in diesem Zusammenhang auch sein Hinweis auf das Ungewöhnliche der Verwendung von domus als "equivalent to 'wife'"). Ganz anders in Catull. 64,401404: optavit genitor primaevi futiera nati,/ liber ut innuptae poteretur flore novercae,/ ignaro mater substernens se impia nato/ impia non verità est divos scelerare penates (parentes V).

Zweites Buch

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Wenn Vergil damit am Ende des zweiten Buches der Geórgica eine Antwort auf die durch das Ende des ersten Buches aufgeworfenen Fragen nach den Ursachen der Bürgerkriege und dem möglichen Heilmittel gegeben und zugleich einen Gegenentwurf zu Lukrez geboten hat, der seine Leser durch eine naturwissenschaftliche Erklärung der Welt von ihrem selbstzerstörerischen Tun heilen wollte, so ist er eine Antwort auf die Kardinalfrage des Lukrez nach der Bedeutung des Todes noch schuldig geblieben. Diese Frage spielt jedoch eine Schlüsselrolle im dritten und vierten Buch der Geórgica.

3. Drittes Buch 3.1. Aufbau des Buches Das dritte Buch der Geórgica gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste im Anschluß an das bis Vers 45 reichende Proöm 627 das Großvieh, Rinder und Pferde, der zweite nach einem knappen Binnenproöm von Vers 295 an das Kleinvieh, Schafe und Ziegen, behandelt 628 . Vom Großvieh werden also die Esel ausgespart, denen Varrò rust. 2,6 gewidmet ist - Rinder und Pferde werden in 2,5 bzw. 7 behandelt -, vom Kleinvieh die Schweine - ihnen wendet Varrò seine Aufmerksamkeit nach Schafen und Ziegen (rust. 2,2 bzw. 3) in 2,4 zu. Aus Varros dritter Gruppe, der der Maulesel (rust. 2,8), Hunde (rust. 2,9) und Hirten (rust. 2,10), die, wie es 2,1,12 im Rahmen der Gliederung der Viehzucht in die drei Großgruppen und deren Untergruppen heißt, non parantur, ut ex iis capiatur fructus, sed, propter earn (sc. pecuariam) aut ex ea (sc. pecuaria) sunt, finden sich bei Vergil nur die Hunde, die in 404ff. als Schutz gegen vier- und zweibeinige Diebe sowie als Helfer bei der Jagd eingeführt werden 629 . Klingner hat nun darauf hingewiesen, daß Vergil Großvieh und Kleinvieh in genau umgekehrter Reihenfolge wie Varrò behandelt 630 . Den Grund dafür meint er in parallelen Bewegungen innerhalb des ersten und dritten Buches der Geórgica zu finden. In beiden Fällen sieht er eine in der zweiten Buchhälfte einsetzende Entwicklung zum Leichteren, Helleren, bevor das zurückgestaute Dunkle, Schwere sich im Finale jeweils wieder Bahn breche 631 . Ich möchte dagegen den Grund zunächst einmal im Gegenstand des dritten Buches selbst sehen. Im Rahmen von dessen Binnenproöm hebt

627

Die Verse 46-48 stellen, wie bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts der spätere Bischof von Worcester und Erzbischof von Canterbury Richard Hurd (zu Hör. epist. 2,1,16; vgl. HEYNE im Apparat zu georg. 3,46.47.48) gesehen hat, eine nachträgliche Einfügung von fremder Hand dar. 628 Die Zweiteilung kündigt sich schon in 1,3f. an: ... quae cura boum, qui cultus habende/ sitpecori ...I hinc canere incipiam. 629 S. unten S. 183f. 630

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 9 1 .

631

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 9 7 .

Drittes Buch

157

Vergil in 289f. hervor, daß er sich bewußt sei, welch große Aufgabe es darstelle, Gegenstände wie Schafe und Ziegen mit Worten zu meistern und derart begrenzten Dingen diese Ehre zuteil werden zu lassen: nec sum animi dubius, verbis ea vincere magnum 290 quam sit et angustis hunc addere rebus honorem. In diesem Eingeständnis liegt natürlich etwas Spielerisches, aber es hat auch seinen wahren Kern. Rinder und Pferde gehören eben zum maius pecus, Schafe und Ziegen sind minores pecudes (Varrò rust. 2,1,12). Wollte Vergil nicht, daß seine Schafe und Ziegen von seinen Rindern und Pferden erdrückt würden, mußte er die vorliegende Reihenfolge der Behandlung wählen. Es ist auffällig - und dies hat Klingner mit Recht hervorgehoben -, daß Pferd und Rind in der Schilderung der Norischen Viehseuche am Ende des Buches wieder ins Blickfeld rücken und daß es die Schilderung ihres Sterbens ist, welche das Finale ganz wesentlich prägt 632 . Dadurch gewinnt das Buch insgesamt an Geschlossenheit und Eindringlichkeit. Zugleich kann bei der gegebenen Reihenfolge der Behandlung von Großvieh und Kleinvieh das Spiel zwischen Klein und Groß, welches sich im Binnenproöm zur zweiten Hälfte des Buches andeutet, über das Finale des dritten Buches hinweg dann im vierten Buch fortgesetzt werden - mit einem allerdings etwas verschobenen Akzent, doch dazu später. Somit dient die von Vergil gewählte Anordnung auch der Verknüpfung der beiden letzten Bücher der Geórgica. Noch etwas anderes kommt hinzu. Es ist natürlich längst erkannt, daß sich das Binnenfinale über den furor amoris ab 209 an die Warnung des Lukrez vor den Auswirkungen des amor am Ende des vierten Buches von De rerum natura anlehnt 633 , während das Finale über die Norische Viehseuche wiederum mit Lukrezens Schilderung der Pest von Athen am Ende des sechsten und letzten Buches von De rerum natura wetteifert. Vom fachwissenschaftlichen Standpunkt bot sich die Behandlung des furor amoris geradezu an, um den Ausführungen über Pferde und Rinder einen wirkungsvollen Abschluß zu geben, waren doch gerade Liebesbrunst und Windbefruchtung der Stuten berühmt. Man vergleiche etwa

632

Vgl. unten S. 199-201. THOMAS ZU 209-41 will den lukrezischen Einfluß auf die Diktion beschränken. Noch skeptischer äußert sich FARRELL 1991, 189 Anm. 32: "One would expect to find that Lucretius' diatribe against love (DRN 4.1058-1287) exerted a powerful influence on G.3.242-283, but specific allusions are extremely difficult to establish." Einen starken Einfluß des Lukrez erkennt dagegen GALE 1991.

633

158

Die Geórgica Vergile

Varrò rust. 2,1,19 und v.a. Vergils Vorlage Arist. HA 572a8-31. Dagegen galten die Ziegen als besonders anfällig für Krankheiten. So wird bei Varrò rust. 2,3,8 die rhetorische Frage gestellt: quid dicam de earum sanitate, quae numquam sunt sanae? Im Blick auf die Größe der gehaltenen Herde wird kurz darauf die Gefahr von Seuchen berührt und als Warnung auf die Vernichtung der ganzen Herde eines römischen Ritters hingewiesen (9-10). Auf der anderen Seite bieten auch Lukrezens Darstellungen am Ende des vierten bzw. sechsten Buches von De rerum natura Ansatzpunkte dafür, in der Weise auf die Tierwelt übertragen zu werden, wie Vergil dies getan hat. So heißt es Lucr. 4,1197-1200 im Zusammenhang mit der Feststellung, daß auch Frauen beim Sexualakt Lust empfänden: nec ratione alia volucres armenia feraeque et pecudes et equae maribus subsidere possent, si non ipsa quod illarum subat ardet abundans 1200 natura et Venerem salientum laeta retractad.

Ahnlich liest man zu Beginn der Ausführungen über die Ursachen von Seuchen in Lucr. 6,1090-1093a: 1190 nunc ratio quae sit morbis, aut unde repente mortiferam possit cladem confiare coorta morbida vis hominum generi pecudumque catervis, expediam. ...

Entsprechend heißt es dann gegen Ende des Abschnitts (1125-1132): 1125 haec igitur subito clades nova pestilitasque aut in aquas cadit aut fruges persidit in ipsas aut alios hominum pastus pecudumque cibatus, aut etiam suspensa manet vis aere in ipso, et, cum spirantes mixtas hinc ducimus auras, 1130 illa quoque in corpus pariter sorbere necessest. consimili ratione venit bubus quoque saepe pestilitas et lanigeris635 balantibus aegror.

Und in 1235f.; 1245 wird die Verbreitung der Pest unter den Athenern mit der einer Seuche unter Schafen und Rindern verglichen: 1235 quippe etenim nullo cessabant tempore ex aliis alios avidi contagia morbi,

634 635

Vgl. auch Lucr. 6,1263-1267. lanigeris Vossius: iam pigris edd.

apisci

Drittes Buch 1245 lanígeras tamquam pecudes et bucera

159

saecla636.

Vergil hat es dabei im Binnenfmale wie im Finale des dritten Buches der Geórgica genau umgekehrt gemacht wie Lukrez, indem er nun seinerseits den Menschen als unter den Auswirkungen des furor amoris bzw. der Seuche leidendes Wesen in seine Darstellung einbezogen hat, sei es durch die Bezugnahme auf die Geschichte von Hero und Leander in 258262 637 , sei es durch den Hinweis, daß Menschen, die Kleidungsstücke aus der Wolle von an der Seuche eingegangenen Schafen zu tragen versuchten, selbst bald unter Hautentzündung und Fieber litten (563-566; vgl. Lucr. 6,1163-1167). Auf der anderen Seite werden die betroffenen Tiere stark vermenschlicht, so der seines Gefährten beraubte Pflugstier in 515-524 ebenso wie die um eine Kuh kämpfenden Stiere in 215241 638 .

3.2. Die Zucht von Pferden und Rindern und die Gefahr des fiiror amoris Die erste Hälfte des dritten Buches der Geórgica ist, wie gesagt, dem Großvieh gewidmet. Anhand von Pferden und Rindern werden Fragen der Zucht behandelt, eine Schwerpunktsetzung, durch die von Anfang an eine gute Anknüpfungsmöglichkeit für das Binnenfinale über den furor amoris gegeben ist. Dabei geht es zunächst um die Zuchtwahl beim Rind, hier am Beispiel der Kuh (49-71; vgl. legat in 51), und beim Pferd, hier am Beispiel des Hengstes (72-122; vgl. dilectus in 72 und exquirunt in 119). Danach werden am Beispiel des Pferdes Fragen der Begattung (123-137) und am Beispiel des Rindes solche der Schwangerschaft (138-156) behandelt639. Schließlich wird die Aufzucht des Kalbs (157-178) bzw. des Fohlens (179-208) erörtert: Langsam sollen sie gezähmt und an die Aufgabe, für die sie jeweils bestimmt sind, herange-

636

Der Vers wurde von Bentley hierher versetzt. Gestützt wird diese Umstellung durch

Thuc. 2,51,4, wo es heißt: οτι erepoç άφ' ίτίρου θεραπείας άναττιμπλάμοΌΐ ώστιρ τα τράβα τα ΐθνηοκον. 637

Der Vers 263 wird von RIBBECK 1855, 5 und - mit weiteren Gründen - von ZWIER-

LEIN a t h e t i e r t . 638

Vgl. unten S. 163-165; 199-201. Die beiden Abschnitte haben ungefähr die gleiche Länge. Sieht man die Verse 148 (ZwiERLEIN im Anschluß an Peerlkamp) und 152-153 (Verf.) als interpoliert an, so ergibt sich für die ursprüngliche Fassung eine noch deutlichere Entsprechung, nämlich von 15 zu 16 (statt von 15 zu 19) Versen.

639

160

Die Geórgica Vergils

führt werden. Beide Abschnitte, der über die Aufzucht und Zähmung des Kalbes ebenso wie der über die des Fohlens, enden mit Bemerkungen zur Fütterung (174-178 bzw. 205-208). Diese erscheinen geradezu gegenläufig. Im ersten Fall wird nämlich in 174-176a empfohlen, dem Kalb bereits vor dem Zeitpunkt der Zähmung reichlich Futter zukommen zu lassen: interea pubi indomitae non gramina tantum 175 nec vescas salicum frondes ulvamque palustrem, sed frumento manu carpes sata. ... Im zweiten, dem des Fohlens, ist dies dagegen erst für die Zeit nach der Zähmung vorgesehen: 205

tum demum crassa magnum farragine corpus crescere iam domitis sinito; namque ante domandum ingentis tollent ánimos, prensique negabunt verbera lenta pati et duris parere lupatis.

Hier wird deutlich, daß es Kräfte gibt, die sich gegen die Zähmung sperren, und diese Kräfte sind ein Zuviel von etwas, was eigentlich positiv zu bewerten ist. Ahnlich verhielt es sich mit den natürlichen Wachstumskräften der Bäume in 2,47-62, die gleichfalls der Zähmung bedurften (vgl. domandae in 2,62) 640 . Ebenso wie das Futter muß 209-214 zufolge im Rahmen der Aufzucht auch die Befriedigung des Sexualtriebs dosiert werden: 210

sed non ulta magis viris industria firmai quam Venerem et caeci stimulos avertere amoris, sive boum sive est cui gratior usus equorum, atque ideo tauros procul atque in sola relegant pascua post montem oppositum et trans flumina lata, aut intus clausos satura ad praesepia servant.

Nun heißt es bei Varrò, man solle die männlichen Tiere eine gewisse Zeit vor der Paarung von den weiblichen trennen (rust. 2,1,18). Dabei geht es allerdings nur um eine Frist von zwei Monaten (2,5,12 wird dies für Stiere empfohlen 641 , 2,2,13 für Schafe und 2,4,7 für Schweine). Offenbar soll dadurch das Gelingen der Begattung sichergestellt werden. Bemerkenswerterweise fand sich davon bei Vergil im Zusammenhang mit der Behandlung des Themas "Begattung" in 123-137 nichts. Colum.

640 641

Vgl. oben S. 124-126. Darauf beziehen LSDJ zu 212 unsere Stelle.

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161

6,27,8 empfiehlt dagegen, wertvolle Hengste das ganze Jahr über bis auf die Zeit um die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche von den Stuten getrennt zu halten, damit sie nicht zu jeder beliebigen Zeit deckten oder, wenn man sie daran hindere, vom Trieb gequält Schaden nähmen. Ahnlich, wie Vergil es 212-214 mit Blick auf den Stier verschreibt, heißt es dort: itaque vel in longinqua pascua marem placet ablegari vel ad praesepia contineri. Andererseits rät Colum. 6,27,3 aber, streng darauf zu achten, daß in der Zeit um die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche Stuten und Hengste auch wirklich die Gelegenheit zur Paarung bekommen, wenn sie danach verlangen. Als Begründung wird darauf hingewiesen, daß gerade dieses Tier, wenn man es an der Paarung hindere, vom Lusttrieb rasend gemacht werde: si prohíbeos, libidinis exstimulaturfiiriis. In 6,27,4-7 folgt darauf die Geschichte der Windbefruchtung, wobei aus unserem Zusammenhang die Verse 266 und 269-275 zitiert werden. Vergils Bemerkungen weisen allerdings ebenso wie seine spätere Schilderung der Auswirkungen des furor amoris über die Welt der Landwirtschaft hinaus. Vergils Beschreibung der Aufzucht des jungen Rinds bzw. Fohlens evoziert bereits die Vorstellung vom Heranwachsen eines Menschen. So soll die Zähmung des Rinds beginnen, dum faciles animi iuvenum, dum mobilis aetas (165). Man vergleiche die allmähliche Aufzucht des Fohlens in 179-208 mit dem Heranwachsen des Knaben in ecl. 4, oder auch sed non ulla magis viris industria642 firmai in 209 mit hinc, ubi iam firmata virum te fecerit aetas in ecl. 4,37. Lukrez schickte in 4,1030-1057 seiner Diatribe über die verderblichen Wirkungen des amor das Bild eines pubertierenden Jünglings voraus. Vergils Anweisungen zum Umgang mit dem Sexualtrieb der Rinder und Pferde wiederum erinnern an eine der von Lukrez aufgeführten Möglichkeiten, um sich vor den verderblichen Wirkungen des amor zu schützen (Lucr. 4,10631072; vgl. auch 1141-1152): sed fugitare decet simulacra et pabula amoris absterrere sibi atque alio convertere mentem 1065 et iacere umorem conlectum in corpora quaeque, nec retiñere, semel conversum unius amore, et servare sibi curam certumque dolorem; ulcus enim vivescit et inveterascit alendo, inque dies gliscit furor atque aerumna gravescit, 1070 si non prima novis conturbes volnera plagis

642

Colum. 6,27,1 heißt es, wem die educado (!) generis equini am Herzen liege, der müsse insbesondere für einen actor industrius sorgen.

162

Die Geórgica Vergils volgivagaque vagus Venere ante recentia cures aut alio possis animi traducere motus.

Lukrez empfiehlt also, die "Fütterung" der Liebessehnsucht durch Vorstellungen von der Geliebten zu meiden und die Aufmerksamkeit auf anderes zu lenken. Dem entspricht bei Vergil die Verlegung des Stieres auf weit entfernt liegende, einsame Weidegründe hinter hohen Bergen und breiten Flüssen bzw. ihre Haltung in verschlossenen Ställen an vollen Futterkrippen 643 . Auch Epicur. Sent. Vat. 18 stellt fest, den Anblick, die Gemeinschaft und den Umgang mit der Geliebten zu meiden, befreie vom βρωτικον ττά0ος 644 . Cie. Tuse. 4 , 7 4 ist von einem Wechsel des Aufenthaltsortes als einem Mittel gegen den furor amoris die Rede. Die verborgenen Stacheln der Liebe werden wie bei Vergil auch bei Lucr. 4 , 1 0 8 2 erwähnt 645 . Die von den Viehzüchtern getroffenen Maßnahmen sollen nach georg. 3,215-218 verhindern, daß der beständige Anblick der Färse die Kräfte der Stiere verzehrt, indem er sie die Nahrungsaufnahme vergessen läßt oder sie gar zu nutzlosen und Kräfte verschwendenden Auseinandersetzungen untereinander veranlaßt: 215

643

carpii enim viris paulatim uritque videndo femina, nec nemorum patitur meminisse nec herbae dulcibus illa quidem inlecebrisM6, et saepe superbos cornibus inter se subigit decernere amantis.

Vgl. RICHTER ZU 209ff.: "Das dort (sc. bei Lucr. 4,1063ff. und 1121ff.) vorgetragene erzieherische Motiv überträgt Verg. nun auf die Welt des Tieres, als dessen Erzieher der Bauer oder Hirte schon in den vorigen Abschnitten gezeichnet ist." 644 Vgl. BROWN 115 Anm. 42: "In recognising the effect of mental as well as visual images, Lucretius seems to depict love as a rather more insidious force ..., but the Epicurean aphorism is too slender a basis for meaningful contrast." 645 Vgl. auch Lucr. 3,874 sowie 4,1120 und 1068f. zusammen mit Aen. 4 , I f . ; 66f. Gegen die von HEYNE zu georg. 3,209-283 vorgenommene Glossierung von caeci durch "clam per venas et ossa saevientis" wendet MYNORS zu 209-11 ein: "this is valid for human beings (A.4,2), and false of beasts." Vgl. aber 271 über die Brunft der Stuten: continuoque avidis ubi subdita fiamma medullis. Dies entspricht dem Feuer, welches der durus amor dem Jüngling in 258f. versai in ossibus. Dadurch werden Menschen und Tiere ein weiteres Mal fest zusammengebunden. Jedoch mag caeci natürlich durchaus auf "the way beasts behave" gehen, wiewohl, von blinder Liebeswut zu sprechen, im vollen Sinne eigentlich auch nur beim animal rationale Mensch möglich ist. Vgl. Lucr. 4,1153. 646 Vgl. inliciaris am Ende von Lucr. 4,1145. Eine Form von inlecebra kommt bei Vergil nur an dieser Stelle vor. inlicere verwendet er überhaupt nicht. Lukrez hat eine Form dieses Verbs noch 2,788 und 5,169, beidesmal in einem nichterotischen Kontext. Vgl. auch THOMAS z.St.

Drittes Buch

163

Ahnlich heißt es Lucr. 4,1121-1122 über die sich verzehrenden Liebhaber: adde quod absumunt viris pereuntque labore, adde quod alterius sub nutu degitur aetas.

Etwas später ist dort auch von der vergiftenden Wirkung der Eifersucht die Rede (1131-1140). Selbst das seltsame videndo in georg. 3,215 erklärt sich zumindest ein Stück weit aus der Anlehnung an Lucr. 4,1101-1102, wo die in heftiger Liebe Entbrannten mit einem Menschen verglichen werden, der im Traum seinen brennenden Durst zu löschen versucht, aber lediglich nach Trugbildern hascht: sic in amore Venus simulacris ludit amantis, nec satiare queunt spedando corpora coram647.

Für den in georg. 3,219ff. beschriebenen Kampf der beiden Stiere wird Vergil zum einen natürlich Arist. HA 575a20-22 vorgelegen haben: οχεύει δ ' ό νικών των ταύρων

όταν δ' εξαδννατήση

δια την

\ayveiav,

επιτίθεται ό ήττώμενος, και κρατ€Ϊ πολλάκις. Allerdings hat Conington wohl zu Recht vermutet, daß auch der zwischen Herakles und Acheloos um Deianeira ausgetragene Kampf hineingespielt haben dürfte, den das zweite Stasimon der Trachinierinnen des Sophokles als Beweis für die gewaltige Macht der Aphrodite anführt 6 4 8 : μέ-ya τι σθένος à Κύπρις (497). Sie ist denn auch Schiedsrichterin bei dieser Auseinandersetzung: μόνα δ' εύλεκτρος

εν μέσφ Κύπρις/

ραβδονόμει

ξννούσα

(515f.). Der

gehörnte Flußgott aber wird folgendermaßen eingeführt: ό μεν ην ποταμού σθένος,

ύψίκερω τετραόρου/

φάσμα

ταύρου,/

' Α χ ε λ ώ ο ς άπ'

Οίνια-

δάν (507-510). Vom Kampf selbst heißt es dann: TÒT ην χερός, ην δε τό-Ιξων πάταγος,/ ταυρείων τ' άνάμιγδα κεράτων/ ην δ' άμφίπλεκτοι κλίμακες, ην δε μετώ-/ πων όλόεντα/ πλήγματα και στόνος άμφοίν

(517-522). Die reizende Deianeira sitzt derweil in Erwartung ihres zukünftigen Gatten "auf weitschauendem Hang" (Solger), und schließlich lesen wir: καπό ματρός

αφαρ βέβαχ',ί

ώστε πόρτις έρημα (529f.). Es

scheint bemerkenswert, daß Ovid in der Geschichte, die er den Acheloos von seinem Zweikampf mit Herakles erzählen läßt, diesen selbst das Ringen mit dem zweier Stiere um eine schöne Färse vergleichen läßt, 647

Von der Verwendung her entspricht dem vergilischen videndo das alendo am Ende von Lucr. 4,1068. Vgl. auch Aen. 1,713 und Prop. 3,21,1-4. amantis am Ende von georg. 3,218 entspricht amantis am Ende von Lucr. 4,1101 (anders THOMAS z.St.). 648 Vgl. CONINGTON zu 220. Vgl. auch dens. zu 222. Haverfield ist allerdings skeptisch: "the resemblance is very slight."

164

Die Geórgica Vergile

womit er der Geschichte noch eine besondere Pointe verleiht (met. 9,4649): non aliter vidi fortes concurrere tauros, cum pretium pugnae toto nitidissima saltu expetitur coniunx: spectant armenia paventque nescia, quem maneat tanti victoria regni.

Dabei scheint die Tatsache, daß die umkämpfte Färse als coniunx bezeichnet wird, auf unsere Stelle aus den Geórgica zu verweisen (vgl. femina in georg. 3,216). Für die zweite Belohnung, die den Sieger erwartet, nämlich die Herrschaft über die Herde, dürfte Ovid wiederum auf Aen. 12,715ff. zurückgegriffen haben, wo Vergil selbst unter Nutzung der in den Geórgica gegebenen Darstellung den Kampf zweier Menschen, den des Aeneas und des Turnus, mit dem zweier Stiere vergleicht: 715

720

ac velut ingenti Sila summove laburno cum duo conversis inimica in proelia tauri frontibus incurrunt, pavidi cessere magistri, stat pecus omne metu mutum, mussantque iuvencae quis nemori imperitet, quem tota armenta sequantur; Uli inter sese multa vi vulnera miscent cornuaque obnixi infigunt et sanguine largo colla armosque lavant, gemitu nemus omne remugit: non aliter Tros Aeneas et Daunius héros concurrunt clipeis, ingens fragor aethera complet.

Auch hier geht es um eine coniunx. So spricht Turnus von Lavinia unter dieser Bezeichnung wiederholt als dem Kampfpreis. Man vergleiche Aen. 12,17; 80 und 937b 649 . Auch Apoll. Rhod. 2,88f. hat man im Zusammenhang mit georg. 3,215ff. zu Recht herangezogen 650 . Dort werden zwei Boxer, die neuerlich aufeinander losstürzen, mit zwei Stieren verglichen, die einer weidenden Färse wegen ( φ ο ρ β ά δ ο ς 6 5 1 άμφί βοάς) voll Zorn gegeneinander anrennen. Dabei hat die weidende Färse des Gleichnisses allerdings keine Entsprechung in der Wirklichkeit des Kamp-

649

Insofern trifft die von CONINGTON zu georg. 3,220 im Blick auf Aen. 12,720ff. gemachte Einschränkung ("The conflict there is not for a particular heifer, but for the sovereignty of the herd.") nur teilweise zu. 650 So schon HEYNE zu 218. 651 Daher könnte pascitur in georg. 3,219 stammen. Dieser Vers dürfte allerdings kaum echt sein, sondern in Anlehnung an Aen. 12,715ff. von fremder Hand verfaßt sein. Vgl. schon Wagner bei HEYNE im App. z.St.: "Malim ... abesse hunc versum, ut ingratam moram narrationi obiicientem. "

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165

fes zwischen dem Bebrykerfürsten Amykos und dem Argonauten Polydeukes. Nicht zu Unrecht hat Page zu ventosque lacessit/ ictibus in georg. 3,233f. auf die Luftschläge eines Boxers zur Einstimmung auf einen Kampf verwiesen. Genau solche Luftschläge vollführt auch Polydeukes Apoll. Rhod. 2,45b vor dem Kampf 652 . Und in der Tat sagt Vergil später selbst vom Boxer Dares: et verberat ictibus auras (Aen. 5,377). Schon angesichts der in der Auseinandersetzung der beiden Stiere sich aussprechenden Macht der Aphrodite stellt sich natürlich die Frage nach der Wirksamkeit der in 209-214 empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen. Später heißt es über die vom furor amoris ergriffenen Hengste dann in 252-254 sogar ausdrücklich: ac ñeque eos iam frena virum ñeque verbera saeva, non scopuli rupesque cavae atque obiecta retardant flumina correptosque unda torquentia montis.

Ahnliches findet sich in 266ff. auch über die Stuten. Sie verweigern allerdings nicht nur den Gehorsam, wie es die Hengste tun 653 , sondern zerfleischen in 266-268 sogar ihren Besitzer: scilicet ante omnis furor est insignis equarum, et mentem Venus ipsa dedit, quo tempore Glauci Potniades malis membra absumpsere quadrigae.

Diese Steigerung ist vorbereitet durch die Erwähnung der Luchse, Wölfe, Hunde und Hirsche in 264-265. Dabei wird in der gewählten Reihenfolge das Bemühen um einen allmählichen Übergang erkennbar. Während die Luchse und Wölfe nämlich von Natur aus aggressiv sind, gilt dies für Hunde und Hirsche nicht. Daß die Hunde mit dem genus acre luporum zusammengestellt werden, hat eine ähnliche Bedeutung, wie wenn es später bei der Darstellung der Norischen Viehseuche heißt: hinc canibus blandís rabies venit (496) 654 . Und von den Hirschen wird ausdrücklich gesagt, daß sie, obgleich sie von Natur aus imbelles seien, dennoch unter

652

Mit et temptat sese zu Beginn von georg. 3,232 vgl. ττtipáfav zu Beginn von Apoll. Rhod. 2,46. 653 Wenn Vers 252 denn echt ist. So verweist CONINGTON ZU 252 auf Keightleys Einwand "that no one would beat a runaway horse to stop him" und MYNORS ZU 252 vermerkt die Seltenheit von eos in augusteischer Dichtung (bei Vergil nur noch Aen. 1,413; vgl. AXELSON 1945, 70). 206b-208 sowie Aen. 6,548-558 wären dann Vorbildstellen gewesen. 654 Vgl. unten S. 199f.

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Die Geórgica

Vergils

dem Einfluß des furor amoris Kämpfe austrügen. Dies führt dann auf die Behandlung des außergewöhnlichen Liebeswahnsinns der Stuten, die ihren eigenen Herrn zerfleischen. Dem Hinweis darauf, daß die Hengste sich, wenn sie dem Liebeswahnsinn verfallen, weder durch Felsen noch Flüsse aufhalten lassen, entspricht das Bild der Felsen und Täler überwindenden Stuten in 27Iff. 6 5 5 . Dabei treten in 276 saxa an die Stelle der rupes aus 253. Letztere finden sich bereits in 273. Die Vorstellung, die dort in rupibus altis liegt, ist in 276 durch depressas convallis eingefangen. Diese wiederum treten an die Stelle der flumina aus 254, deren Nennung im Zusammenhang mit den Hengsten vor allem dadurch motiviert scheint, daß sie auf das Bild des den Hellespont durchschwimmenden Leander vorbereitet. Dort tauchen 261 die Felsen aus 253 als Meeresklippen wieder auf, und die Bezeichnung der flumina als correptos ... unda torquentia montis in 254 soll sicherlich auf die der fréta als abruptis turbata procellis in 259 einstimmen 656 . Der Hister in 350 macht dagegen als turbidus et torquens flaventis ... harenas einen vergleichsweise bescheidenen Eindruck. Daß bei correptos ... unda torquentia montis auch an das Dröhnen der vom Fluß mitgewirbelten Felsen gedacht ist, wodurch auf die an die Klippen donnernde Flut in 261 f. vorbereitet wird, scheint sich mir durch die Beschreibung des Phlegeton in Aen. 6,551 nahezulegen: torquet... sonantia saxa. Dort ertönen auch saeva .../ verbera (557f.), ebenso wie in 553 auch die viri erscheinen, die dort ebenso wie die Götter angesichts der Tore des Tartarus machtlos sind. An unserer Stelle werden sie dagegen mit natürlichen Barrieren zusammengestellt: Ebenso wie diese erweisen sie sich als unfähig, den furor amoris der Hengste in Schranken zu weisen.

655

Die Verse 269f. werden zu Recht von RICHTER athetiert. Vgl. dens. zu 269f. Vgl. auch CONINGTON zu 270 ("The introduction of the general after the particular, 'montis et flumina' after Gargarus and Ascanius is weak, ...") und Deuticke bei LSDJ im Anhang zu 249ff. mit den Heilungsversuchen Peerlkamps und Ribbecks. 656 U.a. die enge begriffliche und gedankliche Verknüpfung von 250-254 und 258ff. haben ZWIERLEIN zur Athetese von 255-257 bewogen, wohl zu Recht. Sabellicus sus kann nur entweder ein Wildschwein oder ein Hausschwein bezeichnen. Im ersten Fall aber entsteht in der Tat einerseits eine befremdliche Doppelung zu 248, zum anderen wird die Erklärung von ipse erschwert (MYNORS ZU 255), im zweiten Fall wird der Gedanke vorweggenommen, der in 265b auf die Darstellung des Liebeswahnsinns der Stute hinführt, daß nämlich selbst Tiere, von denen man dies nicht erwartet, unter dem Einfluß des furor amoris aggressiv werden. Die athetierten Verse dürften schon Statius als Teil des vergilischen Corpus vorgelegen haben, als er Theb. 6,868 dichtete.

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Thomas sieht die Funktion von 253f. darin, die Unwirksamkeit der in 209-214 zur Trennung der Geschlechter empfohlenen Maßnahmen zu offenbaren 657 . Dies scheint mir nun aber doch eine unzulässige Vereinfachung zu sein, ging es doch an der zuletzt genannten Stelle darum zu verhindern, daß sich die männlichen Tiere durch den dauernden Anblick der Färse allmählich {paulatim, 215) vor Liebesglut verzehren. Dies muß keineswegs bedeuten, daß man versuchen soll, die Geschlechter immer getrennt zu halten. Dem entspricht das bei Colum. 6,27 Ausgeführte 658 . Auch die Zähmung der Tiere erweist sich an dieser Stelle nicht insgesamt als wertlos 659 . Es begegnet hier allerdings eine Macht, die sich der völligen Kontrolle durch den Menschen entzieht. Daß sie sogar diesen selbst beherrscht, spricht sich gleich in den einleitenden Versen 242-244 aus: omne adeo genus in terris hominumque ferarumque [ et genus aequoreum, pecudes pictaeque volucres, ]660

253-4. Vgl. auch dens. zu 209-10 und 213. Vgl. oben S. 160f. 659 Vgl. CONINGTON zu 2 5 2 : "'lam' implies that the fury has risen beyond control." (Hervorhebung von mir) 660 Der Vers 243 wird wohl zu Recht von ZWIERLEIN athetiert. Dabei will mir scheinen, daß schon der Vers 242 bei rechtem Hinsehen keine Erweiterung zuläßt. So wird nach der Veranschaulichung der partikularen Wirksamkeit des amor am Beispiel des Stiers durch omne adeo genus in terris hominumque ferarumque die universale so prononciert zum Ausdruck gebracht, daß für ein ergänzendes et genus aequoreum, pecudes pictaeque volucres kein Raum mehr bleibt. Die allumfassende Wirksamkeit des amor scheint dabei nicht nur in omne adeo genus, sondern auch in der Umklammerung von in terris durch omne adeo genus ... hominumque ferarumque sowie in der Verknüpfung von hominum und ferarum durch -que -que "zu einer begrifflichen Einheit" (NORDEN ZU Aen. 6,232ff.) zum Ausdruck zu kommen. Dabei nimmt das doppelte -que als "a mannerism of high epic style" (AUSTIN ZU Aen. 4,83) die Tonlage des Gleichnisses vom Ende der Darstellung des Kampfes der beiden Stiere um die Färse aus 237-241 auf. Das unmittelbare Überborden des hypermetrischen Hexameters 242 in das in furias ignemque ruunt würde zudem schön die Macht malen, mit der sich alle Lebewesen dem feurigen Liebesrasen ergeben. Es ist schwer vorstellbar, daß Vergil, der als erster den hypermetrischen Vers "for artistic purposes" (AUSTIN zu Aen. 4,558) eingesetzt hat, sich diesen Effekt sollte haben entgehen lassen. Wie dem aber auch sei, jedenfalls bedeutet 243 eine Verzögerung, die sich mit in furias ignemque ruunt nur schwer vereinbaren läßt. Zur "ferocity of the expression" vgl. MYNORS ZU 244. Auch das den Rest dieses Verses füllende amor omnibus idem verliert an Wirkung, wenn omne adeo genus in terris hominumque ferarumque/in furias ignemque ruunt durch 243 erweitert wird. Gerade omnibus in 244 mag für einen Interpolator jedoch Anlaß gewesen sein, die Gruppe der vom furor amoris betroffenen Lebewesen scheinbar zu erweitern. Dabei können im Hintergrund Stellen gestanden haben wie der Venushymnus vom Anfang des ersten Buches von Lukrezens De rerum natura (1-20; von dorther 657

658

THOMAS ZU

168

Die Geórgica in finias ignemque

Vergils

ruunt: amor omnibus

idem.

Des weiteren wird es durch die Bezugnahme auf den Mythos von Hero und Leander verdeutlicht. Die aufgewühlten und an die Klippen schlagenden Fluten, denen zum Trotz der Jüngling des Nachts zu seiner Geliebten zu gelangen versucht, entsprechen ja, wie gesagt, den Felsen und Flüssen, die die Hengste nicht aufhalten können, bzw. den Felsen und tiefen Tälern, die die Stuten überwinden. Und während es bei den Pferden die Zähmung durch ihre Besitzer ist, die sich in dieser Lage als unwirksam erweist, so ist es bei Leander die pietas gegenüber den Eltern (vgl. nec ... possunt ... revocare in 262, einen Ausdruck, der, wenn Mynors* Deutung zutrifft 661 , durch réclamant in 261 vorbereitet wird, mit non ... retardant in 253): Wie die Löwin in 245 ihre Jungen vergißt, so tut dies Leander in 262 mit seinen Eltern. Bereits Richter hat darauf hingewiesen, daß die Anspielung auf den Mythos von Hero und Leander und die folgende Erwähnung von Luchsen, Wölfen, Hunden und Hirschen durch das anaphorische quid in 258, 264 und 265 so eng miteinander verknüpft werden, "daß die Absicht des Dichters, den Menschen mitten unter sie zu stellen, nicht übersehen werden kann" 662 . Derselbe hebt auch hervor, daß das wahnsinnige Tun des Jünglings im Präsens geschildert wird, und sieht darin ebenso wie in der Unterdrückung der Namen einen Hinweis auf das Bemühen Vergils, die Leandersage "ins Allgemeingültige, Paradigmatische" umzusetzen663. Der Mensch ist der Macht des amor ebenso unterworfen wie die verschiedenen Tiere.

sind ja auch die ebenfalls interpolierten Verse 269f. beeinflußt: vgl. oben Anm. 655) oder ein ähnlicher Hymnus vom Anfang des vierten Buches von Ovids Fasten (4,91-106) oder auch Ov. ars 2,473-488, wo das letzte Beispiel an Vergils Behandlung des furor amoris erinnern mußte (möglicherweise auch durch sie angeregt war): in furias agitantur equae spatioque remota/per loca dividuos amne sequuntur equos (487f.). Auch Lucr. 2,342-344 mag hineingespielt haben, nicht nur wegen des Einschlusses des genus humanuni und der mutae ... natantes/squamigerumpecudes sowie der variae volucres, sondern auch wegen der Unterscheidung von laeta armenia (pecudes war für die Meeresbewohner verbraucht, anders 1,162) und ferae. Bei der Interpolation im Rahmen der Norischen Viehseuche scheint die Stelle noch einmal Pate gestanden zu haben: vgl. das genus omne natantum in 541 sowie unten S. 202. Die phocae in 543 galten als eine Art Vieh des Meeres (vgl. 4,394b-395 und 425-436 mit Horn. Od. 4,411-413 sowie Hör. carm. 1,2,7). Für den echten Vergil vergleiche man am ehesten Lucr. 2,994ff. (omnibus ille idem pater est in 992 erinnert an amor omnibus idem an unserer Stelle). 661

V g l . MYNORS ZU 2 6 1 . S k e p t i s c h PAGE z . S t .

662

RICHTER ZU 242ff.

663

RICHTER ZU 258ff. Vgl. schon MARTYN ZU 258 und oben Anm. 302.

Drittes Buch

169

Diese Macht schätzt Vergil dabei bezeichnenderweise anders ein, als Lukrez es tut. Während Lukrez nach einer bildhaft überhöhten, aber letztlich doch mechanistischen Darstellung eines Samenergusses sarkastisch bemerkt: haec Venus est nobis (4,1058), so begründet Vergil in 267f. den furor amoris der Stuten mit einer direkten göttlichen Intervention: et mentem Venus ipsa dedit, quo tempore Glauci Potniades malis membra absumpsere quadrigae.

Dies erinnert an die Art und Weise, in der Vergil in l,60-63a die Unterschiede hinsichtlich dessen, was bestimmte Böden und Länder hervorbringen und was nicht, zum Naturgesetz erhob: 60

continuo has leges aeternaque foedera certis imposuit natura locis, quo tempore primum Deucalion vacuum lapides iactavit in orbem, unde homines nati, durum genus. ...

Nur liegt der Ton an unserer Stelle nicht so sehr darauf, daß es sich um etwas handelt, was schon immer so war und immer so sein wird (vgl. contìnuo ..., quo tempore primum und aeterna ... foedera) - dadurch sollte im ersten Buch die Notwendigkeit betont werden, dieses Gesetz zu beachten -, sondern daß Venus selbst (Venus ipsa) es war, die den furor amoris der Stuten geweckt hat. Dadurch soll das Besondere dieses furor im Unterschied zu dem aller anderen Lebewesen betont werden; und so heißt es ja auch unmittelbar zuvor in Vers 266: scilicet ante omnìs664 furor est insignis equarum.

Die besondere Betonung des göttlichen Ursprungs dieses furor wiederum läßt an 4,149-152 denken, wo Vergil das besondere Wesen der Bienen, zu dem nach 4,197-202 auch die Freiheit von sexueller Begierde gehört, als Gabe Jupiters bezeichnet, als Dankeserweis für den Dienst, den ihm die Bienen leisteten, als man ihn in einer Höhle auf Kreta vor den Nachstellungen seines Vaters in Sicherheit gebracht hatte: 150

nunc age, naturas apibus quas Iuppiter ipse addidit expediam, pro qua mercede canoros Curetum sonitus crepitantiaque aera secutae Dictaeo caeli regem pavere sub antro.

664 ante omnis greift auf omnibus in 244 zurück ebenso wie furor auf das dort vorangehende furias. Etwas anders Keightley bei CONINGTON zu 267.

Die Geórgica Vergils

170

Der Gedanke an ein göttliches Wesen schwingt wohl auch schon in 3,258-259a mit: quid iuvenis, magnum cui versât in ossibus ignem durus amor? ... Man vergleiche etwa Aen. 6,100bf., wo es vom Seherwahnsinn der Sibylle heißt: 100

... eafrenafiirenti concutit et stimulos sub pectore vertit Apollo,

oder 9,717-719, wo Mars den Latinern Mut und den Trojanern Schrekken einflößt: hic Mars armipotens animum virisque Latinis addidit et stimulos acris sub pectore vertit, immisitque Fugam Teucris atrumque Timorem. Auch die Bezeichnung des amor als durus weist in diese Richtung. Mynors verweist auf σχέτλι' "Ερως, μέγα -κημα bei Apoll. Rhod. 4,445 und improbe Amor bei Vergil selbst (Aen. 4,412) 665 . Die Stelle aus der Unterweltsschilderung im sechsten Buch der Aeneis, die Mynors davon abhält, auch an der vorliegenden Stelle Amor zu drucken (442f.), scheint mit der unsrigen nicht ganz vergleichbar, weil dort in der Tat das Prädikat von anderer Art ist: hic quos durus amor crudeli tabe peredit secreti celant calles. ... Während Lukrez leugnet, daß dem amor etwas Übernatürliches eigne, schreibt Vergil ihm dies also gerade zu. Ja, Lukrez hält den Sexualtrieb offensichtlich für kontrollierbar, wenn der Mensch nur im Geiste Epikurs seine falschen, romantischen Vorstellungen von der Liebe ablegt 666 . Für Vergil ist amor dagegen eine göttliche Macht, der Be-

259. LSDJ z.St. verweisen auf Mus. 245f. (Leander spricht): δανός ά λ λ ά θαλάσσης/ εστίν ύδωρ, το δ' "Έρωτος ίμβ \íyei 239bf. 666 Vgl. BROWN 68: "In his account of human sexuality, it is Lucretius' general aim to strip away the dross of ignorance and misinterpretation surrounding the subject and thus to banish the anxieties attending sex and provide the necessary knowledge for the rational management of our sexual lives. ... sex and procreation finally stand revealed as natural - not supernatural - phenomena, which can be understood and regulated in a manner conducive to the satisfaction of body and mind."

665

M Y N O R S ZU

"Έρως, και πόντος άμα'λιχοςίνδόμνχον πυρ. Vgl. auch Mus.

Drittes Buch

171

herrschbarkeit durch den Menschen entzogen. Als solche wird er uns im vierten Buch der Geórgica wiederbegegnen. Was die Einordnung des Binnenfinales über den furor amoris in das Ganze der Geórgica anbelangt, so hat Thomas einen Bezug zu den laudes veris des zweiten Buches hergestellt 667 . Besonders die Zeitangabe im Zusammenhang mit dem Auftreten des Liebeswahnsinns bei den Stuten in 272 (vere magis, quia vere calor redit ossibus668) verweise auf diesen Zusammenhang. Auch im Rahmen der laudes veris werde ja in 2,329 kurz auf "animal sexuality" Bezug genommen, und das Erwachen der Vegetation werde dort "in terms of human or animal sexuality" dargestellt. Thomas' Folgerung für die Einschätzung der laudes veris lautet: "The reader who has observed the progress and effects of amor in Book 3 will readjust his view of those 'praises'." Nun dürften allerdings zunächst einmal die Verse 2,328f. kaum von Vergil selbst stammen, da sie erkennbar den Gedankengang unterbrechen. Geht es doch in 2,315ff. um den günstigsten Zeitpunkt für die Anlage einer Weinpflanzung. Die Empfehlung, sie im Frühling (oder Herbst) anzulegen, wird damit begründet, daß diese Jahreszeit dem Pflanzenwachstum besonders günstig sei und die Erde in dieser Jahreszeit anschwelle und genitalia semina verlange. Im Bild des zwischen Aether und Erde stattfindenden lepôç γάμος wird der Vorgang der Befruchtung mythisch überhöht. Daran muß der Hinweis auf das Kreißen des Ackers und das Hervorkommen der Pflanzen ursprünglich unmittelbar angeschlossen haben. Es ist schwer vorstellbar, daß Vergil selbst zwischen den Vorgang der Befruchtung und des Gebärens eine Bemerkung über den Gesang der Vögel und die Begattung des Viehs eingeschoben haben sollte, zumal sie noch durch die emphatische Aufnahme des tum mit der Darstellung des iepôç γάμος auf eine Stufe gestellt würde. Die Lebewesen kommen erst in 336ff. bei der Beschreibung des Urfrühlings ins Spiel, wo aber zumindest die Menschen aus der Erde hervorgehen. Die Erwähnung der candida ... avis longis invisa colubris in 320, deren Erscheinen lediglich zur Bezeichnung eines Zeitpunktes dient, kann die avibus ... canoris widerhallenden Sträucher in 328 nicht rechtfertigen, ja sie läßt ihre Erwähnung noch unpassender erscheinen. Die Anregung zur Eindichtung dürfte aus dem Proöm zum ersten Buch von Lukrezens De

667 668

THOMAS ZU 2 7 2 . V g l . Arist. H A 5 7 3 a 2 7 f . ; 5 7 6 a 2 7 f .

Die Geórgica Vergils

172

rerum narura stammen, wo es im Rahmen des Venushymnus in den Versen 10-20 heißt: 10

15 14

20

nam simul ac species patefactast verna diei et reserata viget genitabilis aura favoni, aeriae primum volucres te, diva, tuumque significant initum, perculsae corde tua vi. inde ferae pecudes persultant pabula laeta et rápidos tranant amnis: ita capta lepore te sequitur cupide quo quamque inducere pergis. denique per maria ac montis fluviosque rapacis frondiferasque domos avium camposque virentis, omnibus incutiens blandum per pectora amorem efftcis ut cupide generatim saecla propagent.

Zugleich scheint es fraglich, ob der Hinweis in georg. 3,272, der Liebeswahnsinn der Stuten trete besonders im Frühling auf, quia vere calor redit ossibus, zu einer Neubewertung der laudes veris führen muß. Denn der Liebeswahnsinn der Stuten hat ja keineswegs seine Ursache in der Rückkehr des Frühlings. Vielmehr verhält es sich hier mit dem Einfluß des Frühlings doch wohl eher so wie in 509-514 mit der Wirkung des Weins, der den von der Seuche erfaßten Rennpferden als Medizin eingeflößt wird, mit dem Ergebnis, daß die wiederhergestellten Tiere {refecti, 511) in Raserei entbrennen und sich selbst zerfleischen (in 267f. tun dies die liebestollen Stuten mit ihrem Herrn). So scheinen mir die laudes veris des zweiten Buches durch das Binnenfinale des dritten über den furor amoris keineswegs als Lüge entlarvt zu werden, ebensowenig wie dies mit dem Venuspreis im Proöm zum ersten Buch von Lukrezens De rerum natura angesichts seiner Diatribe über die schädlichen Auswirkungen einer falsch verstandenen Liebe am Ende des vierten Buches geschieht 669 . Was Vergil allerdings tut, ist aufzuzeigen, daß es in der Natur neben positiven, Leben fördernden Kräften auch negative, Leben zerstörende gibt. Die Frage ist, welche Kräfte für ihn das letzte Wort behalten.

3.3. Die Haltung von Schafen und Ziegen und die Norische Viehseuche In der zweiten Hälfte des dritten Buches der Geórgica wendet sich der Blick, wie gesagt, dem Kleinvieh zu. Vergil beginnt seine Ausführun-

669

Vgl.

BROWN

91-99.

Drittes Buch

173

gen über die Haltung von Schafen und Ziegen mit Bemerkungen de pastione, in enger Anlehnung an Varrò rust. 2,2,7-12. Die Bemerkungen de pastione machen bei Varrò den ersten von vier Unterpunkten dessen aus, was in pecore pascendo zu beachten ist 670 . Den vierten Unterpunkt, der zu Beginn von rust. 2,2,20 allerdings nur ganz knapp behandelt wird, bilden Hinweise de sanitate, und dies ist genau auch der Punkt, mit dem Vergils Ausführungen über die Haltung von Schafen und Ziegen enden werden. Entsprechend seiner Feststellung, er wisse, welch große Aufgabe es sei, Gegenstände wie die Haltung von Schafen und Ziegen mit Worten erfolgreich zu meistern und geringen Gegenständen (wie diesen) diese Ehre zuteil werden zu lassen, wie auch seiner Aufforderung an Pales, nun sei ein entsprechend hoher Ton anzuschlagen, beginnt Vergil mit gewichtigen Ausdrücken wie incipiens ... edico ... (295) 671 bzw. hinc digressus iubeo ... (300) und adelt schließlich die Ausführungen zur pastio noch durch zwei Exkurse, den Libyen- und den Skythenexkurs (339-383). Ausgehend von den Erzeugnissen von Schafen und Ziegen (384-403) gelangt er dann über den Schutz vor Dieben, Wölfen und Feinden sowie den vor Schlangen (404-436 672 ) schließlich zu den abzuwehrenden Krankheiten (440-477), deren Behandlung in das große Finale über die Norische Viehseuche überleitet (478-566). Und hier blicken wir dann auch wieder in die Ställe, deren Anlage zu Beginn beschrieben wurde. Nur türmt Tisiphone dort jetzt Tierkadaver auf Tierkadaver (556f.). Zunächst allerdings empfiehlt Vergil, die Tiere im Winter in den Ställen vor Frost und kalten Winden zu schützen. Dabei hebt er im Blick auf die Schafe besonders deren Empfindlichkeit hervor {molle pecus in 299 entspricht in je unterschiedlicher Weise duram ... humum in 297f. und stabulis ... in mollibus in 295), während er mit Blick auf die Ziegen ihren Nutzen (usus in 306 und usum in 313) und ihre geringe Pflegebe-

670

Anders THOMAS ZU 295. Dem in pecore pascendo zu Beachtenden geht bei Varrò das voraus, was in pecore parando zu berücksichtigen ist, ebenfalls nach vier Unterpunkten gegliedert. Eine Sonderstellung nehmen die abschließenden Angaben de numero ein, die sich am Ende von rust. 2,2,20 finden: Sie gelten sowohl für die Anschaffung der Herde wie auch für den späteren Umgang mit ihr. 671

V g l . PAGE z . S t .

672

Zu 437-439 vgl. unten Anm. 725.

174

Die Geórgica Vergils

dürftigkeit während des übrigen Jahres (3 14-3 17)673 herausstreicht. Den zuletzt genannten Gedanken bringt Vers 319 in Rahmen der Schlußfolgerung gerade auch im Blick auf das einleitende hae (sc. caprae) quoque non cura nobis leviore tuendae (sc. quam oves) aus 305 so unzureichend und geradezu schief zum Ausdruck, daß der Verdacht naheliegt, er sei nachträglich von fremder Hand zur Verdeutlichung des Gedankens eingefügt worden 674 :

320

ergo omni studio glaciem ventosque nivalis, [quo minor est illis curae mortalis e gestas,] averies, victumque feres et virgea laetus pabulo, nec tota Claudes faenilia bruma.

Mit dem Hinweis auf die Schutzbedürftigkeit der Tiere ist von Anfang an der Gedanke der Bedrohung gegenwärtig, der im Finale breit entfaltet wird. Der Stallhaltung von Schafen und Ziegen während des Winters und der Abwehr der Kälte tritt in 322-338 die Sommerweide von Schafen und Ziegen gegenüber zusammen mit den Möglichkeiten, die Tagesrhythmus und Landschaftsform bieten, um mit der jahreszeitbedingten Hitze fertigzuwerden. So empfiehlt Vergil, die Tiere im Sommer bei Aufgang des Morgensterns auf die Weide zu treiben, wenn es noch kühl ist und Tau auf dem Gras liegt (322-325 075 ). Zur vierten Stunde sollen sie dann ihren Durst an der Tränke löschen (327-330), um anschließend, wenn die Hitze am größten ist, im Schatten eines Haines Schutz zu suchen (331334). Zuletzt sollen sie bis zum Sonnenuntergang erneut trinken und weiden, wenn der Abendstern die Hitze durch die von ihm gebrachte Kühle ausgleicht 676 und der Mond den Tau auf den Triften erneuert (335-338). Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt: Jeden Tag hat der Landmann also diesen Rhythmus zu beachten.

673

Vgl. CONINGTON zu 294-321; zu dem emphatischen pascuntur vgl. THOMAS z.St. sowie pascua in 323 und 339 und pascere bzw. pascitur in 335 bzw. 342. 674 Reichlich dunkel wäre der Ausdruck, sollten die Verse 318-320a wirklich das bedeuten, was THOMAS zu 319 vermutet: "'to the extent that (as members of a Saturnian age), they are less involved in the dire want (which is man's lot in the age of Jupiter) - to that extent you should all the more protect them against (the features of the age of Jupiter,) the ice and snowy winds of winter.'" Diese Auffassung liegt allerdings schon angesichts von 305 nicht nahe. Vgl. auch curae in 384 und cura in 404. 675 Zu 326 vgl. unten Anm. 702. 676 CONINGTON zu 336 verweist auf 1,110. Dort ist es allerdings der Landmann, hier ist es die Natur selbst, die für einen Ausgleich sorgt.

Drittes Buch

175

Auf die Abschnitte über die Stallhaltung im Winter und die Sommerweide folgen der Libyen- und der Skythenexkurs. Thomas677 hat in den Versen über Libyen und Skythien einen Reflex der Kräfte gesehen, an denen menschlicher labor im dritten Buch der Geórgica insgesamt scheitere. Beide Länder repräsentierten offenbar "an extreme in temperature", und während im Finale des Abschnitts über Rinder- und Pferdezucht der zerstörerische furor amoris durch übermäßige Hitze gekennzeichnet sei, würden Hitze und Kälte im Finale des Abschnitts über die Haltung von Schafen und Ziegen sowohl unter den Ursachen wie auch unter den Folgen der Erkrankung genannt. Es stimmt allerdings schon etwas mißtrauisch, wenn man bedenkt, daß Kälte im Zusammenhang mit dem furor amoris keine Rolle spielt, während die übermäßige Hitze wiederum nur als Begleiterscheinung genannt wird 678 . Und im Finale des Buches führen ein Übermaß von Hitze und Kälte auch nicht unmittelbar zur Seuche, vielmehr werden eine Reihe von Mitteln genannt, um diese abzuwenden, und am Ende wird die als Beispiel angeführte Norische Viehseuche durch eine Vergiftung des Klimas ausgelöst, die durch hohe Temperaturen lediglich verschärft wird 679 . In dem Abschnitt über Skythien im besonderen hat Thomas eine Entsprechung zu den laudes Italiae des zweiten Buches der Geórgica gesehen680. Während dort ewiger Frühling herrsche (2,149), starre hier alles in nie endendem Winter (3,356). Während hier die Landwirtschaft nur mit Einschränkung (Viehzucht: 352a, 368a) oder gar nicht (Ackerbau/ Baumzucht: 352b-353) möglich sei, sei sie dort hochentwikkelt (2,143-150). Doch wie Italien keineswegs frei von Mängeln sei, so statte Vergil die Skythen mit einer ganzen Reihe von Vorzügen aus, die dann wiederum den Mängeln Italiens stärkeres Profil verliehen. So hätten sich die Skythen ihrer Umgebung angepaßt und lebten in Einklang mit dieser (3,371-383), während in den laudes Italiae vom Versuch der Umgestaltung der natürlichen Umwelt berichtet werde (2,155-164). Während die Bewohner Italiens mit ihren kriegerischen Neigungen von einer Welt des otium ausgeschlossen seien (2,167-172), zeichne otium das Leben der Skythen ganz wesentlich aus (3,376-380). Thomas erkennt hier

677

THOMAS 1982, 51-56. Vgl. oben S. 165ff. 679 Vgl. unten S. 188ff. 680 Vgl. auch THOMAS ZU 339-83. Darin sieht THOMAS ZU 3 4 9 zumindest einen Grund dafür, daß der Skythenexkurs erheblich länger ausfallt als der Libyenexkurs. 678

176

Die Geórgica Vergile

Entsprechungen zum idealisierten Dasein des Landmanns vom Ende des zweiten Buches der Geórgica6*1. Hör. carm. 3,24 begreift er als Antwort auf die Darstellung Vergils. Indem Horaz die Lebensweise des unzivilisierten Nomaden über die der eigenen Gesellschaft stelle, die er durch das Streben nach Geld und Gewaltakte gegen die Welt der Natur gekennzeichnet sehe, und die Lebensweise der Skythen mit der der frühen Bewohner Italiens in Verbindung bringe, greife er Vergils Sichtweise auf. Bevor man derart weitreichende Bezüge herstellt, scheint es allerdings auch hier sinnvoll, den Sky then-Exkurs zunächst einmal in seinen unmittelbaren Kontext einzuordnen. Wie die beiden vorangehenden Abschnitte werden auch die beiden Exkurse einander durch at kontrastierend gegenübergestellt682. Insgesamt herrscht schon formal ein chiastischer Aufbau vor: zunächst der längere Abschnitt über die Stallhaltung im Winter, erweitert durch die Bemerkungen über den Anspruch der Ziegen auf Fürsorge (295-318, 320321: 26 Vv. 6 8 3 ), dann der kürzere über die Sommerweide (322-325, 327-338: 16 Vv. 684 ), anschließend zunächst der kürzere Exkurs über Libyen (339-348: 10 Vv.) und darauf der längere über Skythien (349362, 365, 367-383: 32 Vv. 685 ) 686 . Die Exkurse über Libyen und

681

682

V g l . auch THOMAS ZU 3 7 6 - 7 und 379.

Vgl. auch die chiastische Anordnung von pastores Libyae und Scythiae gentes in 339 bzw. 349. Die Ersetzung des speziellen pastores durch das generelle gentes scheint bemerkenswert. 683 Zu Vers 319 s. oben S. 173f. mit Anm. 674. 684 Zu Vers 326 s. unten Anm. 702. 685 3 63f. und 366 werden von ZWIERLEIN athetiert, wohl zu Recht. So scheinen die Verse 360-362 und 365 gedanklich eng miteinander verbunden zu sein, wird in 360-362 doch beschrieben, wie ein plötzlicher Temperatursturz (subitae in 360 und iam in 361) in dem nach 352-359 ohnedies schon bitterkalten Klima eine Eisschicht ( concrescunt... crustae in 360) auf den fließenden Gewässern (currenti in flumine in 360) entstehen läßt. Daran scheint der Gedanke in 365, daß sich stehende Gewässer zur Gänze (totae ... lacunae) in festes Eis verwandelt haben (solidam in elaciem verteré), unmittelbar anzuschließen. Auch bei Ov. trist. 3,10,25-50 sind das Gefrieren von Bach und See bzw. von Strom und Meer zusammengestellt. Das Gefrieren des Weines wird dort ebenso wie die Bildung von Eiszapfen in Kopf- und Barthaar (die passend an die Behandlung der Kleidung angeschlossen wird, die nur das Gesicht freiläßt) vorher behandelt (19-24). Man vergleiche die Verse aus James Thomsons Winter, die CONINGTON zu 360 zitiert: 'An icy gale, oft shifting, o'er the pool/ breathes a blue film, and in its mid career/ arrests the bickering stream' (723-725). In Haydns Die Jahreszeiten heißt es dann: 'Gefesselt steht der breite See,/ gehemmt in seinem Lauf der Strom' (Nr.35, Rezitativ). Vgl.auch CONINGTON zu 365: 'The line is not very clearly connected with v. 364.' Die von THOMAS ZU 365 aufge-

Drittes Buch

177

Skythien umfassen mit insgesamt 42 Versen ebensoviele Verse wie die vorausgehenden Abschnitte über die Stallhaltung im Winter und die Sommerweide zusammengenommen. Auch von den gedanklichen Bezügen her liegt zwischen den Abschnitten über die Stallhaltung im Winter und die Sommerweide einerseits und den Exkursen über Libyen und Skythien andererseits ein chiastisches Verhältnis vor. So bildet der Libyenexkurs inhaltlich das Gegenstück zum Abschnitt über die Sommerweide. Anders als das Vieh der Hirten Italiens - und an dieses Land der Mitte dürfte doch wohl in 295-338 v.a. gedacht sein 687 - weidet das der libyschen Hirten nämlich 339-343a zufolge oft Tag und Nacht und mitunter sogar einen ganzen Monat in Folge und zieht in sich weit erstreckende Einöden ohne irgendein Obdach688: 340

quid tibi pastores Libyae, quid pascua versu prosequar et raris habitata mapalia tectis? saepe diem noctemque et totum ex ordine mensem pascitur itque pecus longa in deserta sine ullis hospitiis: tantum campi iacet. ...

zeigte gedankliche Verbindung wirkt nicht sonderlich überzeugend, gerade wenn man Ov. trist. 3,10,23-26 vergleicht. Es mag auch die Stellung von 365 zwischen den Hinweisen auf zerspringende Erzgefäße, am Körper starr werdende Kleidungsstücke, gefrierenden Wein und sich in den Barthaaren bildende Eiszapfen gewesen sein, die Serv. georg. 3,365 zu der Herabstufung der lacunae zu fossae ad siccandos agros paratae veranlaßte (interessant übrigens auch das cum alibi tantum incrustentur (vgl. concrescunt ... crustae in 360), illic usque ad imum gelantur). Auch Servius' Versuch, die ungepflegten Bärte in 366 als Ziegenbärte oder als Eiszapfen in Form von Bärten zu deuten, könnte mit seinem Bemühen zusammenhängen, eine klare gedankliche Linie herzustellen. Der von MYNORS zu 366 über Servius geäußerte Spott mag daher nicht ganz so berechtigt sein, wie er unterhaltsam ist. Ähnlich verkennt wohl auch PAGE ZU 365 Coningtons Bemühen, eine gedankliche Verbindung zwischen 365 und 366 herzustellen, obschon er Coningtons Vorschlag natürlich mit Recht verwirft. Wenn Vers 366, der übrigens im Romanus fehlt, ausscheidet, erhalten wir jedoch einen wirkungsvollen Gegensatz zwischen 365 und 367: Während die stehenden Gewässer zur Gänze (totae ... lacunae) zu Eis geworden sind (solidam in elaciem vertere), füllt sich in der Zwischenzeit (interea) in ähnlicher Weise (,non setius) der ganze Luftraum mit Schnee (toto ... aere ningit). 686

Vgl. schon RICHTER ZU 349ff.a.E. Mit tibi in 339 dürfte dieselbe zweite Person wie in 318-321 angesprochen sein. Ihr werden die pastores Libyae (und später in 349 die Scythiae gentes) vor Augen gestellt. 688 Vgl. PAGE zu 341: "A beautiful line, emphasising by its rhythm and repeated accusatives the idea of unbroken sequence," (Hervorhebung von mir) und THOMAS zu 341-3. Bei einem Vergleich dürfte allerdings "the Italian farmer and shepherd, for whom night and day, and the days of the month, bring distinct labours and duties" doch wohl gerade wegen dieser "distinct labours and duties" besser abschneiden. 687

178

Die Geórgica Vergils

pascua in 339 greift zurück auf pascua an gleicher Versstelle in 323, während pascere in 335 durch pascitur in 342 aufgenommen wird. Trotz allem machen die Hirten Libyens jedoch das Beste aus ihren schwierigen Lebensbedingungen und werden von Vergil in 343b-348 nicht nur im Hinblick auf die Anstrengung, die ihnen abverlangt wird, sondern auch im Blick auf die Disziplin, die sie zeigen, mit einem römischen Soldaten verglichen:

345

... omnia secum armentarius Afer agit, tectumque laremque armaque Amyclaeumque canem Cressamque pharetram; non secus ac patriis acer Romanus in armis iniusto sub fasce6S9 viam cum carpit, et hosti ante expectatum positis stat in agmine castris690.

Während die Hirten Libyens mit ihrem Vieh 691 nahezu ständig im Freien sind, halten die Bewohner Skythiens das ihre fast dauernd in Ställen eingeschlossen (352a) 692 , da bei ihnen normalerweise Winter herrscht (356). Ihre Welt ist dabei allerdings nahezu ebenso öde wie die der libyschen Hirten. Den weiten Einöden entspricht in 354f. eine Landschaft, die ellenhoher Schnee weithin gestaltlos erscheinen läßt: 355

... iacet aggeribus niveis informis et alto terra gelu late septemque adsurgit in ulnas693.

Und doch machen auch die Skythen das Beste aus ihrer Lage. Während ihr Vieh im Schneetreiben zugrundegeht, nutzen sie die Gelegenheit zur "Jagd" (368-375), wobei das Waidwerk bei ihnen allerdings nicht besonders hoch entwickelt scheint: Sie schlachten das eingeschneite Wild einfach ab. Dem lauten Gejohle, mit dem sie nach Barbarenart ihre Beute heimtragen, geht das dumpfe Gebrüll des hilflosen Wilds voraus 694 .

689

690 691 692

693

Vgl. auch WILKINSON 1969, 196 sowie THOMAS ZU 344-5. Vgl. auch WILKINSON 1969, 198. Zur Bedeutung von armento vgl. MYNORS ZU 352-5. Vgl. PAGE ZU 343 sowie THOMAS zu 341-3 und 342-3.

PAGE verweist zu 354 auf die informis hiemes bei Hör. carm. 2,15,5 (Druckfehler statt: 2,10,15). Vgl. auch epist. 2,2,115-118, wo es heißt: obscurata diu populo bonus (sc. poeta) eruet atque/proferet in lucem speciosa vocabula rerum,/quaepriscis memorata Catonibus atque Cethegis/ nunc situs informis premit et deserta vetustas, sat. 1,8,16 bezeichnet der Dichter einen Totenacker als albis informem ... ossibus. 694 Liegt in den Versen wirklich eine "bewundernde, froh machende Freude an einem reckenhaft, barbarisch gesunden Geschlecht, das über die Schrecken einer unüberwindlich scheinenden Umwelt zu triumphieren weiß", wie MEULI 1960, 91 meint (zustimmend

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179

Immerhin verbringen sie in ihren Erdhöhlen dann in der Tat secura ... otia (376-378) und besitzen in einem aus wilden Beeren vergorenen Getränk auch einen Weinersatz (379f.) 695 , aber eben nur einen Ersatz 696 . Und die Beeren, aus denen sie das besagte Getränk herstellen, werden ausdrücklich als sauer (acidis in 380) bezeichnet. Hier geht es doch wohl vor allem um die Genügsamkeit dieses Volkes. Und so sehen wir es am Ende des Exkurses auch dem Ostwind trotzen, indem es den Körper in struppige Felle hüllt (381-383; dieser Hinweis bildet zugleich die Überleitung zu den folgenden Ausführungen über die Hervorbringungen von Schafen und Ziegen 697 ). Die Schilderung des Lebens der Skythen bietet jedoch nicht allein das Gegenstück zu den Ausführungen über das Dasein der libyschen Hirten, sondern auch zu den Bemerkungen über die Stallhaltung von Schafen und Ziegen in Italien während des dortigen Winters. Auch die Hirten Italiens müssen ihre Herden im Winter in Ställen einschließen, um sie vor Frost und kalten Winden zu schützen, doch nur, dum mox frondosa reducitur aestas (296) 698 . In Vers 322, in dem aestas an der gleichen Versstelle erscheint, wird diese Erwartung dann auch eingelöst 699 . Ganz anders sieht es 352f. und 356 zufolge in Skythien aus: illic clausa tenent stabulis armenia,

ñeque ullae

zitiert bei THOMAS 1982, 52 Anm. 73)? Vgl. THOMAS ZU comminus obtruncant ferro in 374: "a brutal combination, expressing the defencelessness of the 'hunted' animal" und PAGE ZU caedunt in 375: "the heavy spondee followed by a pause gives a sence of harshness and cruelty." Auch THOMAS z.St. hält caedunt fur "very emphatic". Vgl. auch dens, zu 317. 695 MARTYN zu 379 schlägt zwei Deutungen vor, von denen CONINGTON zu 380 die eine, fermento atque sorbis im Sinne eines Hendiadyoins für sorbisfermentatis zu verstehen, für möglich, aber "scarcely likely" hält. PAGE z.St. weist allerdings daraufhin, es sei "difficult to see how fermento can by itself mean (1) 'fermented liquor' and (2) 'beer'". Gegen den zweiten, in Anlehnung an Plin. nat. 14,149; 22,164 und Tac. Germ. 23 vorgetragenen Vorschlag Martyns, frumento statt fermento zu lesen, wird von Page eingewendet, dies lasse uns "without any mention of the way in which the intoxicating drink ist produced; 'to imitate wine with grain' is too startling an expression". Martyns erstgenannte Deutung wird auch von THOMAS ZU 379-80 übernommen. 696

V g l . T a c . G e r m . 2 3 mit PERL z.St.

697

S o a u c h THOMAS u n d MYNORS ZU 3 8 3 .

698

PAGE ZU 296 übersetzt: "'until presently leafy summer returns.'" (Hervorhebung von mir) Vgl. ecl. 9,23: 'Tityre, dum redeo (brevis est via), pasce capellas ...'. Vgl. auch M Y N O R S ZU 3 0 3 - 4 . 699

Diese Beziehung ist gesehen, aber nicht ausgewertet bei THOMAS ZU 296.

180

Die Geórgica Vergils aut herbae campo apparent aut arbore frondes700 semper hiems, semper spirantes frigora Cauri.

...

Und während der Dichter in 302f. die italischen Hirten auffordert, stabula a ventis hiberno opponere soli/ ad medium conversa diem, heißt es in 357-359 vom skythischen Winter: tum Sol pallentis haud umquam discutit umbras, nec cum invectus equis altum petit aethera, nec cum praecipitem Oceani rubro lavit aequore currum701.

Insofern der libysche Hirte und die Bewohner Skythiens das Beste aus ihren schwierigen Lebensbedingungen machen, können sie dem italischen Hirten Vorbild und Ansporn sein 702 . Um wieviel mehr muß dieser sich dann nämlich angesichts der weit besseren Ausgangsbedingungen bemühen, die Vorzüge der Welt, in der er lebt, zu nutzen!

700

Es scheint mir daher fraglich, ob man das Fehlen von herbae und frondes auf die Nichtexistenz von Ackerbau und Baumzucht beziehen darf, wie THOMAS ZU 352-3 es tut, der hierin einen Kontrast zu 2,143-144 sehen will. Vgl. dens. zum Bau von 353. 701 Vergil lehnt sich hier an das an, was Horn. Od. 11,14-19 über das am Okeanos in der Nähe des Eingangs zur Unterwelt (pallentis umbras findet sich Aen. 4,26 von den Schatten der Unterwelt) wohriende Nordvolk der Kimmerier gesagt ist, wo έττl νυξ öXorj τίταται ίίΐλοίσι βροτοϊσι. Die Auslassung des letztgenannten Verses als Hinweis darauf zu deuten, daß "V.'s Scythians, in spite of their climate, are not so wretched" (THOMAS zu 357-9), dürfte kaum möglich sein. Vergil läßt diesen Vers aus, da die Menschen bei ihm erst später in den Blick rücken. Dort finden dann auch die langen Nächte Erwähnung (379). 702 Vgl. HEYNE zu 339sq.-383: "In saltus et pascua educendos esse greges dixerat a V.322. Dum poeta undique ornatum carmini et gratiam ex varietate quaerit, ut ad hanc pascendarum ovium curam exemple invitet, Afrorum nomadum morem memorat, qui per totam aestatem pecus in saltibus habent. " (Hervorhebung von mir) CONINGTON zu 343 verweist auf Varrò rust. 2,2,9, eine Stelle, die in der Tat den Libyenexkurs mit angeregt haben dürfte (anders THOMAS ZU 339-83), und bemerkt: "Possibly Virg. intended his Illustration to convey an indirect precept to the Italian shepherd." Vgl. auch viam ... carpii in 347 ("The phrase here suggests rapidity (cf. acer)." (PAGE z.St.)) und frigida rural carpamus in 324f. An der letztgenannten Stelle mag gewiß auch die Vorstellung vom Abweiden der Triften mitspielen (vgl. carpere zu Beginn von 296 und die Hinweise auf die Stallfütterung in 300f. und 320f.), aber doch wohl auch der Gedanke, daß es die frühe Morgenstunde auszunutzen gilt (Luciferiprimo cum sidere... dum ... dum ...). Vgl. auch 141f., wo es heißt, die trächtigen Rinder dürften nicht saltu superare viam ... et acri/ carpere prata fuga. Dieser Gedanke würde übrigens durch ein ausschwingendes et ros in tenera pecori gratissimus herba in 326 verdunkelt, weshalb ZWIERLEIN wohl zuzustimmen ist, wenn er diesen Vers, der nahezu völlig mit ecl. 8,15 übereinstimmt (nur mit et statt cum), athetiert. Mit 322-325 vgl. 163-165.

Drittes Buch

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Das Dasein der Skythen schließlich ist nur teilweise dem des idealisierten Landmannes aus dem Finale des zweiten Buches an die Seite zu stellen. Letzterer betreibt nämlich eine vollständige Landwirtschaft (516526) und ist Teil einer geschichtlichen Gemeinschaft, die er durch seine Tätigkeit erhält und groß gemacht hat (514f.; 532-534 703 ). Er hat eine Familie und ein Haus (523-524a), er kennt Arbeit ebenso wie (Wett-) Spiele (513-515; 527-531). Sein Getränk ist der Wein (528b). Und er lebt in der Landschaft und unter den klimatischen Bedingungen, die auch für das Dasein der italischen Hirten im dritten Buch der Geórgica gelten. Seine Genügsamkeit, durch die er Rom groß gemacht hat, hat er mit den Völkern Italiens gemein, die Italien in den laudes Italiae gegen die Völker des Ostens verteidigen 704 . Auch sie entstammen einem fruchtbaren und von seiner Obenflächenstruktur abwechslungsreichen Land (2,143150; 155-164). Daß die militärische Seite der Genügsamkeit in den laudes Italiae stärker herausgestrichen wurde als in den laudes vitae rusticae, lag, wie gesehen, an der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung 705 . In diesem Zusammenhang sei nochmals daran erinnert, daß der libysche Hirte in 3,346-348 sowohl hinsichtlich der Anstrengung, die ihm abverlangt wird, wie auch hinsichtlich der Disziplin, die er zeigt, einem acer Romanus verglichen wird (vgl. das genus acre virum aus 2,167). Und ihn darf man kaum von der gens effrena virum der Skythen aus 382 trennen, wie Thomas dies tut. Mit 384 kehrt der Leser wieder in die italische Hirtenwelt zurück 706 . Dabei werden in jeweils zehn Versen zunächst mit Blick auf die Schafe Fragen der Wollproduktion (384-393) und anschließend mit Blick auf die Ziegen 707 Fragen der Milch- bzw. Käseproduktion (394403) behandelt. Ahnlich werden auch Varrò rust. 2,11 die Ausführungen de fructu nach Milch und Wolle gegliedert 708 . Besonders 384-385a knüpfen insofern an den Abschnitt vor dem Libyen- und dem Skythenexkurs an, als diese Verse Hinweise zur Beschaffenheit der Weide ge-

703

Zu 2,535 vgl. oben Anm. 595. Vgl. oben S. 101; 105. 705 Vgl. oben S. 144ff. 706 YGI M Y N O R S ZU 384-413: "After this long excursion into strange climes we return, without even a particle of transition, to the centre of the world and to our subject." 707 Vgl. haedos in 398 (mit RICHTER z.St.) und das in 308b-310 über die Milchproduktion der Ziegen Gesagte. 708 T H O M A S ZU 3 9 4 - 4 0 3 geht in die Irre, wenn er Varrò rust. 2 , 3 im Hintergrund dieses Abschnitts sieht. 704

182

Die Geórgica Vergils

ben 709 . Erst im Anschluß wird eine Bemerkung zur Fütterung gemacht (385b) 710 , die zu Beginn des Abschnitts über die Milchproduktion dann ihre Entsprechung findet (394-397) 711 . Die schneeweißen Vliese in 386-393 heben sich deutlich von den roten Borsten ab, in die die Skythen in 383 ihre Körper hüllten. Die Geschichte von Pan, dem Gott Arkadiens (!), und Luna verleiht dem Ganzen noch eine besonders exquisite Note in 394 wird amor dann auch wohl nicht ohne Grund als Ersatz für cura gewählt 712 -, ebenso wie das Bild des Käse herstellenden und ihn zum Verkauf in die Stadt tragenden bzw. für den Winter zurücklegenden Hirten in 400-403 heimelig wirkt 713 . Milch und Käse dürften auch wieder einen positiven Kontrast zu dem sauren Beerenwein der Skythen aus 379bf. bilden. Insgesamt liegt über den beiden Abschnitten wohl eine heitere Stimmung 714 , und doch wird durch den Hinweis auf das zu meidende Dornengestrüpp in 384-385b auch eine Bedrohung bezeichnet 715 , wie auch die Witterung in 295ff. als eine solche erschien 716 . In 444b werden struppige Dornensträucher ausdrücklich als Quelle für Verletzungen genannt werden, die ebenso wie Unterkühlung oder nicht abgewaschener Schweiß nach 441-444a zur Räude führen können 717 .

709

Zu absint in 385 vgl. absint in 4,13 (unten Anm. 826). Schon RICHTER ZU 385 weist darauf hin, daß sich zu der Vorschrift, zu reiche Weidegründe zu meiden, in der antiken Fachschriftstellerei keine Parallele findet. Er geht aber wohl fehl, wenn er in der Anweisung lediglich "ein offenkundiges Füllstück zur Ergänzung des Verses" sieht. 711 Auch zu Beginn des folgenden Abschnitts über die Hundehaltung findet sich eine solche Angabe, hier mit einem zusätzlichen Bezug zum unmittelbar vorangehenden Abschnitt über die Milch- und Käseproduktion: pasce sero pingui (406a). Varrò rust. 2 , 9 , 1 0 ist lediglich von in Milch eingetauchtem Gerstenbrot die Rede. Hes. Op. 604 empfiehlt allgemein, nicht am Futter zu sparen. Vgl. aber Dsc. 2,71: ό 6e παλαιότερος (sc. τυρός) κοιλίας στάΚηκός, b δί ίζ αυτού ορρός κυνων τροφιμώτατος. 712 Vgl. auch die Verwendung des Begriffs amor in 292 nach dem Binnenfinale über den furor amoris sowie RICHTER ZU reice in 389. Zur Deutung von 391-393 vgl. MYNORS z.St. 713 Z u m Verständnis von 400-403 vgl. THOMAS z.St. 714 pleno ... campo in 390 ist doch wohl mehr als toto grege, wie THOMAS ZU 390 will. Vielmehr klingt hier wohl auch das gute Gedeihen der Herde an. Vgl. auch die Begründung, die Varrò rust. 2,3,9 für die Empfehlung gibt, bei Ziegen eine geringere Zahl anzuschaffen als im Falle von Schafen: Ziegen weideten verstreut, Schafe drängten sich zusammen. 710

715

V g l . THOMAS zu 3 8 4 - 5 .

716

Vgl. oben S. 173f. Vgl. unten S. 185.

717

Drittes Buch

183

In wiederum zehn Versen wird dann kurz die Hundehaltung berührt (404-413) 718 . Auch um Hunde soll der Viehzüchter sich bemühen (cura in 404 nimmt amor in 394 und curae in 384 auf)· Dabei nehmen sie allerdings insofern eine Sonderstellung ein, als ihre Haltung sich zu einem erheblichen Teil aus ihrem Wert für die anderen Bereiche der scientia pastoralis rechtfertigt. So wird die Hundehaltung Varrò rust. 2,1,12 der dritten Abteilung der Viehzucht zugerechnet, deren drei Untergruppen, Maulesel, Hunde und Hirten, wie gesehen, non parantur, ut ex iis capiatur fructus, sed propter earn (sc. pecuariam) aut ex ea (sc. pecuaria) sunt. Insbesondere wird 2,9,1 die Bedeutung der Hundehaltung für den Schaf- und Ziegenzüchter hervorgehoben 719 . Entsprechend der soeben zitierten Definition wird 2,9,2 dann allerdings auch zwischen Jagd- und Wachhunden unterschieden. Erstere werden dabei von der Behandlung ausgeschlossen, ja es wird davon abgeraten, Hunde von Jägern zu erwerben, da solche, wenn sie einen Hasen oder Hirsch sähen, eher diesen folgten als den Schafen (2,9,5). Bei den Hunden aus Sparta mag an unserer Stelle daher v.a. an Jagdhunde (vgl. velocis in 405) gedacht sein, bei dem Molosser v.a. an einen Wachhund 720 . Jedenfalls aber erkennt Vergil den Hunden neben ihrem Wert als Wächter - stabulis in 407 stellt wiederum einen Bezug zu den Abschnitten vor dem Libyenund Skythenexkurs her - auf dem Gebiet der Jagd durchaus eine eigenständige Bedeutung zu. Die Jagdbeute erscheint hier gleichsam als ihr Produkt. Der Bereich "Jagd" als Teil des Hirtenlebens klang bereits 43b45 am Ende des Proöms an. Und auch der Amyclaeus canis des libyschen Hirten aus 345 mochte in Verbindung mit der Cressa pharetra diesem Zweck dienen. Schließlich spielte das Thema "Jagd" ja auch im Skythenexkurs eine Rolle. Allerdings verdient das 371-375 beschriebene Abschlachten der Hirsche, wie bereits gesagt, wohl kaum die Bezeichnung "Jagd", so daß wir hier wiederum eine Art Gegenbild zum Skythenexkurs

718

THOMAS ZU 404 sieht in nec tibi cura Canum fuerit postrema "some irony", insofern es sich gerade um die cura ... postrema des dritten Buches handele. Dies trifft insoweit zu, als die Hunde die letzte Tiergruppe bilden, die im Rahmen der scientia pastoralis neu eingeführt wird. Jedoch setzt sich anschließend die Behandlung der cura pecudum natürlich fort. MYNORS zu 404 glossiert non postrema zu Recht mit paene prima.

719 Vgl. custos mit custodibus Ulis in 406. Bei Varrò wird als Bedrohung ausdrücklich der Wolf erwähnt. Hes. Op. 604f. empfehlen die Anschaffung eines Hundes als Schutz gegen nächtliche Diebe. Zu den impacatos ... Hiberos vgl. MYNORS zu 407-8. 720 Vgl. CONINGTON zu 405. Ulis in 406 bezieht sich allerdings auf beide Hundearten.

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Die Geórgica Vergils

haben 721 . Indem der Nutzen der Hunde zunächst mit der Notwendigkeit begründet wird, vier- und zweibeinige Diebe abzuwehren, wird nicht nur der Zusammenhang mit der Schaf- und Ziegenzucht hergestellt, sondern tritt zugleich auch das Bedrohliche noch einmal hervor, das dann durch das lebhafte Bild der Jagd, welches den Bildern am Ende der vorausgehenden Abschnitte entspricht, jedoch aufgefangen scheint 722 . Zugleich bereiten der Gedanke vom Schutz der Ställe und der vom Aufscheuchen des Wilds in den Bergen auf den folgenden Abschnitt vor, in dem der Hirte aufgefordert wird, in den Ställen (mit stabulis in 414 vgl. stabulis in 407) duftendes Zedernholz zu entzünden (414f.) und mit dem Rauch von Galbanharz stinkende 723 Schildkrötenschlangen aufzuscheuchen (mit agitare in 415 vgl. agitabis in 409 724 ), Viper oder Natter, die sich gern unter der Futterkrippe und einem schützenden Dach verkriechen, zu erschlagen (416-424) und sich schließlich im Freien vor der kalabrischen Wasserschlange in Acht zu nehmen (425-436 725 ). Dabei ist innerhalb dieses Abschnitts eine deutliche Steigerung zu erkennen, nicht allein der Verszahl nach. Werden die Schildkrötenschlangen nur als gravis (415) bezeichnet, ist die Viper schon mala tactu (416), die Natter dann eine pestis acerba boum (419), die das Vieh mit ihrem Gift bespritzt (hier weitet sich also der Blick bereits auf die Rinder). Die Schildkrötenschlangen werden ausgeräuchert, Viper und Natter werden zerschmettert, während sie sich drohend erheben und zischend ihren Nacken anschwellen lassen 726 . Die kalabrische Wasserschlange schließlich erhält eine ausführliche, ihre Größe hervorhebende Beschreibung. Sie verbirgt sich im Sommer nicht einfach vor dem Tageslicht,

721

Die Bezeichnung von 384-413 als "'didactic interlude' between the accounts of Libya and Scythia on the one hand, and the precautions against snakes on the other" (THOMAS zu 384-94) wird den Versen wohl kaum gerecht. Man ist übrigens wohl auch kaum auf 539-540 angewiesen, um die Behandlung des Themas "Jagdhunde" im vorliegenden Abschnitt zu rechtfertigen, wie THOMAS zu 409-13 offenbar meint. 722 Vgl. oben S. 181f. MYNORS ZU 404-13 weist auf die epischen Konnotationen des Themas "Jagd" hin: "it ... could enhance the dignity of his (sc. Vergils) subject ('angustis hunc addere rebus honorem')." 723 Vgl. CONINGTON zu 415. 724 CONINGTON zu 422 weist darauf hin, daß auch deicere "not an uncommon term in hunting" sei. 725 Die Verse 437-439 werden zu Recht von Peerlkamp und - mit ergänzenden Argumenten - von ZWIERLEIN athetiert. 726 Zur Wirkung von deice in 422 vgl. PAGE z.St., zum Rhythmus von 420 und 422 vgl. jeweils RICHTER z.St.

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sondern flammantia lumina torquens121 / saevit agris asperque siti atque exterritus aestu (433b-434). Die von ihr ausgehende Bedrohung wird nicht mehr abgewehrt, sondern nur noch gemieden728. Bedeutsam scheint zu sein, daß Vergil diese Schlange in Kalabrien im äußersten Süden Italiens ansiedelt, haben wir doch gesehen, daß Vergil in der zweiten Hälfte des dritten Buches von der Welt des italischen Hirten ausgeht 729 . Deutlich dringt in diese Welt nun Zerstörerisches ein. Die Viehseuche wird Vergil demgegenüber in 474-477 in Noricum an der Nordgrenze Italiens lokalisieren. Sie beruht auf einer Vergiftung des Klimas, die durch die glühende Hitze des Herbstes noch verschärft wird (vgl. aestu am Ende von 434 und 479), und bildet den Fluchtpunkt einer Kette von Krankheiten, die immer bedrohlicher werden und deren Bekämpfung immer drastischere Maßnahmen erfordert. Auf einer ersten Stufe werden im Abschnitt über die Krankheiten zunächst leichtere Maßnahmen empfohlen, wie das Waschen oder Einreihen der Tiere (441-451). Dabei greift Vergil auf den Anfang seiner Ausführungen über die Haltung von Schafen und Ziegen aus 295-321 zurück, wo im Zusammenhang mit der Stallhaltung während des Winters von den Gefahren die Rede war, die eisiger Frost und kalte Winde für die empfindlichen Tiere mit sich brächten. Sie könnten scabiem ... turpisque podagras verursachen, hieß es in 299. Nun ist in 441 von der turpis ... scabies die Rede, die die Tiere angreife, ubifrigidus imber/ altius ad vivum persedit et hórrida cano/ bruma gelu (441b-443a). Dem treten in 443bf. die Gefahren nach der Schur gegenüber, ebenso wie in 322ff. auf die Stallhaltung im Winter die Sommerweide gefolgt war. Wie zu Beginn der ersten Hälfte des dritten Buches das Thema Zuchtwahl von Anfang an auf das Binnenfinale über den furor amoris hinführt, so geschieht dies am Anfang der zweiten Hälfte des dritten Buches mit dem Hinweis auf die Empfindlichkeit der Tiere im Blick auf das Finale über die Viehseuche 730 .

727

Vgl. die beiden von Tenedos gestarteten Riesenschlangen, von deren Landung am troischen Gestade es Aen. 2,209bff. heißt: iamque arva tenebant/ ardentisque oculos suffecti sanguine et igni/ sibila lambebant Unguis vibrantibus ora. 728 Vgl. KLINGNER 1967, 294: "Hier ist von Raten und Helfen keine Rede mehr. Das Schreckbild tödlicher Gefahr hat sich selbständig gemacht, ein Vorspiel des grausigen Finales." 729 Vgl. RICHTER zu 425ff., der allerdings meint, der Dichter biete hier "Unmittelbares, sei es Selbstgeschautes, sei es aus Berichten seiner unteritalischen Landsleute Gewonnenes". 730 Vgl. oben S. 159.

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Die Geórgica

Vergile

An die Stufe der Vorsorge schließt sich im Abschnitt über die Krankheiten des Viehs in 452 eine weitere Stufe an, auf der das Tier bereits erkrankt ist. Dabei handelt es sich zunächst noch um ein Geschwür an der Oberfläche (452-456). Im nächsten Fall ist Fieber bereits tief in das Tier eingedrungen (457-463). Der letzte schließlich ist der gefahrlichste. Hier trägt das Tier eine von außen schwer erkennbare, ansteckende Krankheit in sich, die heimtückisch nicht nur das befallene Tier selbst, sondern die ganze Herde bedroht (464-469). Parallel zum Anwachsen der von der Erkrankung ausgehenden Gefahr wird auch die Behandlung immer radikaler. Gemeinsam ist den auf dieser Stufe empfohlenen Gegenmaßnahmen, daß sie den Einsatz des Messers erfordern (vgl. ferro in 453 und 468). Im ersten Fall muß allerdings lediglich die Oberfläche des Geschwürs aufgeschnitten werden (452-454a), im zweiten ist bereits ein Aderlaß notwendig (459f.), im dritten hilft nur noch die Notschlachtung (468f.). Auch die Aufforderungen zum Eingreifen werden immer dringlicher. Im ersten Fall muß der Hirte sich bereits überwinden, das Geschwür aufzuschneiden731. Dem Hirten, der die Hände in den Schoß legt und meliora ... omina von den Göttern verlangt, werden bittere Vorwürfe gemacht. In 445-451 wurde dagegen nur festgehalten, die Hirten täten zur Abwendung der Krankheit dieses oder jenes. In 457-463 muß der Hirte dann die von Blut pulsierende Vene aufschlagen. Das Bild der Bisalten und des Gelonen, die geronnene Milch mit Pferdeblut vermischt zu sich nehmen, verstärkt den Eindruck des Unerfreulichen. Schließlich kommt nach der geradezu gemächlichen und fast idyllischen Beschreibung des in 464-467 fern von der Herde allzu häufig den Schatten aufsuchenden, als letztes Tier nur träge die Spitzen der Grashalme zupfenden oder sich mitten auf der Weide niederlegenden und erst spät der hereinbrechenden Nacht weichenden Tieres die knappe anakoluthische Aufforderung 732 mit ihren alliterierenden c-Lauten wie ein Schock: continuo culpam ferro çompesçe (468a). An sie schließt sich in 468b-469 noch eine bedrohliche Warnung vor den anderenfalls eintretenden Folgen an, die in einem versus aureus ausklingt: ... priusquam dira per incautum serpant contagia vulgus.

731 732

Vgl. oben S. 42. Vgl. LSDJ zu 468.

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Die Mahnung in 468a erinnert in ihrer Abruptheit an das deice, mit dem der Hirte in 422 zum Zerschmettern der Schlange aufgefordert wurde. Und wie die Viper und Natter in 416-424 im Verborgenen lebten, so auch hier die ansteckende Krankheit. Schon in 454b hieß es ja von dem zu behandelnden Geschwür: alitur Vitium vivitque tegendo (Vitium in 454 entspricht culpam in 468). Es ist wohl auch kein Zufall, daß die Ausbreitung der schrecklichen Ansteckung per incautum ... vulgus in 469 mit dem Wort serpant bezeichnet wird. Dies kann nur auf die Heimtücke der Krankheit, nicht auf die Geschwindigkeit ihrer Ausbreitung gehen, wird doch in 470-473 die Plötzlichkeit betont, mit der sie die gesamte Herde dahinrafft: 470

non tarn creber agens hiemem ruit aequore turbo quam multae pecudum pestes, nec singula morbi corpora corripiunt, sed tota aestiva repente, spemque gregemque simul cunctamque ab orìgine gentem.

Der Verwendung des Begriffs serpere für die Verbreitung der Krankheit entsprach in 419 die Bezeichnung der Natter als pestis acerba boum733. Der Gedanke, man müsse stets auf der Hut sein, erinnert natürlich an einen Grundgedanken des ersten Buches, der sich besonders einprägsam im Bild des Ruderers aussprach, der die Arme nur einen Augenblick sinken läßt, und schon wird sein Kahn von der reißenden Strömung fortgerissen (1,201-203), ein Bild, welches zu nicht nachlassender Sorgfalt bei der Auslese des Getreidesaatguts anspornen sollte, ohne die die gesamte über Jahre bereits geleistete Arbeit ausgelöscht würde (1,197199a) 734 . Daß man stets auf der Hut sein muß, ist eine Lehre, die auch Grattius dem Leser seiner Cynegetica immer wieder einschärft, so wenn er die rabies als invicta ... taráis (383) bezeichnet, als unkontrollierbar für diejenigen, die in der Behandlung säumig sind, während am Ende des Abschnitts über scabies, der mit einer klaren Anspielung auf die bei Vergil empfohlene Notschlachtung beginnt (410-412) 735 , der Ausruf steht (427-429): o rerum prudens quantam experìentia vulgo materiem largita boni, si vincere curent desidiam et gratos agitando prendere fines! 733

Ον. met. 7,533-535 gehören zu den Auslösern der Pest auf Aegina Tausende von Schlangen, die mit ihrem Gift die Flüsse infizieren. 734 Vgl. oben S. 26f. 735

M Y N O R S ZU 4 6 8 .

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Und in der Tat versagen nach Ausbruch der Norischen Viehseuche die Heilmittel, wie am Ende der das Zentrum bildenden Abschnitte über das Pferd und über den Pflugstier jeweils hervorgehoben wird, ja sie schaden sogar (georg. 3,509-514; 549)736. So dient der in 474-477 gegebene Hinweis auf die Ergebnisse einer konkreten Viehseuche, auf die gespenstisch leeren Weiten737 Noricums nämlich, auch dazu, die unmittelbar vorausgehende Aufforderung und die mit ihr verbundene Warnung zu bekräftigen 738 : 475

tum sciât, aërias Alpis et Norica si quis castella in tumulis et Iapydis arva Timavi nunc quoque post tanto videat, desertaque regna pastorum et longe saltus lateque vacantis.

Vergils Darstellung der Norischen Viehseuche steht in einer langen Reihe von Pestschilderungen. Vorläufer sind Thukydides (2,47-54) und Lukrez (6,1138ff.) mit ihren Darstellungen der Seuche zu Athen, zu den Nachfolgern gehört u.a. Ovid mit seiner Schilderung der Pest auf Aegina (met. 7,523-657) 739 . Deutlich fordert Vergil einen Vergleich mit seinem Vorgänger Lukrez heraus 740 . Bereits die Zweiteilung in die Benennung der morborum causae et signa auf der einen (440-473) und die Schilderung einer konkreten Seuche auf der anderen Seite (474-566) erinnert an Lukrez, der zunächst allgemein verspricht, die Entstehungsweise und Ursache von Seuchen darzustellen (1090-1137), um dann ein historisches Beispiel anzuführen

736

Vgl. unten S. 200; 202. Treffend MYNORS ZU 474: "The wording of these four lines (d.h. 474-477) is chosen to give a great effect of space." 738 Vgl. PAGE ZU 440-477: "... If you note a sheep getting into the shade, feeding badly, or lingering by itself, the best thing is to kill it and so stop the contagion, for otherwise the plague may carry off whole flocks as it did lately in Noricum and beside the Timavus." (Hervorhebungen von mir) Colum. 7,5,16 warnt: est etiam insanabilis sacer ignis, quam pusulam vocant pastores, ea nisi conpescitur intra primam pecudem, quae tali malo correpta est, universum gregem contagioneprosternit... Vgl. schließlich noch unten Anm. 737

765. 739

Einen Überblick über die Pestdarstellungen von der Antike bis in die Neuzeit gibt

GRIMM 1 9 6 5 . 740

THOMAS ZU 478-566 spielt diesen Aspekt zu Unrecht herunter, um dann dementsprechend immer wieder die programmatische Bedeutung der Darstellung zu betonen. Vgl. dens. zu 1,231-56.

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(1138ff.) 741 . Wie Lukrez so betont auch Vergil die Plötzlichkeit, mit der die Seuche hereinbricht. Man vergleiche repente in georg. 3,472 mit dem in Lucr. 6,1090ff.: 1090 nunc ratio quae sit morbis, aut unde repente mortiferam possit cladem confiare coorta morbida vis hominum generi pecudumque catervis, expediam. ...

Vergils Hinweis auf die völlige Zerstörung, die durch die Seuche angerichtet wird, erinnert an den Vers, in dem Lukrez beschreibt, wie sich die Seuche auf das ganze Volk von Athen gelegt habe (6,1143): incubuit tandem populo Pandionis omni.

Das Bild der immer noch andauernden Verödung Noricums scheint dagegen durch Lucr. 6,1138-1140 angeregt: haec ratio quondam morborum et mortifer aestus finibus in Cecropis funestos reddidit agros 1140 vastavitque vias, exhausit civibus urbem.

Auf diese Stelle bezieht sich Vergil auch deutlich zu Beginn der Darstellung der Norischen Viehseuche in 478ff. :

480

741

hie quondam morbo caeli miseranda coorta est tempestas totoque autumni incanduit aestu et genus omne neci pecudum dedit, omne ferarum [corrupitque lacus, infecit pabula tabo]742.

Vgl. KLEPL 1 9 4 0 , 5 2 f . Bei Vergil aber macht natürlich schon die Hinzufiigung von signa an dieser Stelle deutlich, daß es ihm zunächst einmal darum geht, wie man diesen Krankheiten begegnen kann. Bei Lukrez geht es dagegen v.a. darum, sie als natürliches Geschehen begreifbar zu machen. 742 y e r s 481 habe jch in Verdacht, eine nachträgliche Hinzufiigung von fremder Hand zu sein. Auf den ersten Blick scheint er zwar durch zwei Lukrezstellen gestützt zu werden, und zwar formal durch Lucr. 6,1140 (vastavitque vias, exhausit civibus urbes-, Wagner war durch das Fehlen einer Konjunktion zwischen dem zweiten und dritten Glied der Aufzählung in unserem Vers so irritiert, daß er bei HEYNE im App. z.St. einen Eingriff in den Text erwog) und gedanklich durch Lucr. 6,1125-1127 (haec igitur subito clades nova pestilitasquel aut in aquas cadit aut fruges persidit in ipsas/ aut alios hominum pastus pecudumque cibatus.), schaut man jedoch genauer hin, so fallen zunächst gewisse Ungereimtheiten hinsichtlich des weiteren Zusammenhangs ins Auge. Hätte man sich Gras und Wasser nämlich vergiftet vorzustellen, nähme das doch den Versen 494, 498f. und 520-522 einiges an Wirkung. Und dann wäre die Nutzlosigkeit des Futterplatzwechsels in 548 doch wohl kaum der Rede wert {pabula steht in 548 an der gleichen Versstelle wie in 481). Des weiteren scheint mortis in 482 unmittelbar auf neci in 480 zurückzugreifen.

190

Die Geórgica

Vergils

Ail die Stelle des haec, welches bei Lukrez auf die vorausgehenden Ausführungen zur Ursache von Seuchen verweist, tritt bei Vergil hic, welches auf die Lokalisierung der Pest in Noricum aus 474-477 zurückgreift. Der Ausdruck morbo caeli miseranda coorta est/ tempestas scheint ein Nachklang aus Lucr. 6,1096f. zu sein. Lukrez spricht dort davon, daß ebenso, wie es Samen vieler Dinge gebe, die dem Leben des Menschen dienlich seien, in großer Anzahl semina umherflögen, die Krankheit und Tod verursachten: ... ea cum casu sunt forte coorta et perturbarunt caelum, fit morbidus aer.

Insgesamt kommen Formen des Wortes caelum in dem entsprechenden Abschnitt Lucr. 6,1090-1137 neunmal vor. An die Stelle des Ausdrucks morbo caeli aus georg. 3,478 wird später in Aen. 3,138 die Junktur corrupto caeli tractu treten. Man vergleiche dazu perturbarunt in Lucr. 6,1097, conturbai in Lucr. 6,1122, corrumpat in Lucr. 6,1124 und corruptum in Lucr. 6,1135.

Was die Ausdrucksweise betrifft, so befremden sowohl lacus wie auch tabo. lacus wirkt im Vergleich zu in aquas bei Lucr. 6,1126 und in fontes ... lacusque bei Ov. mej. 7,533 merkwürdig eng. Aus der zuletzt genannten Stelle könnte aber ein Interpolator natürlich gut sein lacus bezogen haben, tabo glossiert HEYNE z.St. mit "veneno, miasmate aeris". CONINGTON z.St. erklärt: "'Tabo' is used partly as associated with 'tabes,' partly ... to express the analogy between the corruption of the juices of the herbage and that of human blood in death or disease." Lucr. 6,1125 ist von einer clades novapestilitasquedie Rede, die Wasser und Nahrungsmittel verseucht (vgl. Serv. auct. georg. 3,478: 'tabo' abutitur propestilentia.), Ov. met. 7,533 spricht von einem Vitium, welches Quellen und Seen vergiftet. Vergil gebraucht tabum sonst nur im Blick auf die Verwesung menschlicher oder tierischer Körper bzw. auf verwesendes Blut: vgl. 557; Aen. 3,29; 626; 8,197; 487; 9,472. Auch Aen. 3,137-139 dürfte kaum genügen, um die Verwendung von tabum im vorliegenden Zusammenhang zu rechtfertigen; denn CONINGTON weist zu Aen. 3,137 mit Recht darauf hin, daß tabida dort von seiner Stellung her eher zu membris gehört, während miseranda stärker auf arboribusque satisque bezogen ist. Sehr wohl aber könnte wiederum ein Interpolator durch diese Stelle in Verbindung mit georg. 3,557 zu seinem tabo angeregt worden sein. Vgl. auch corrupto am Anfang von Aen. 3,138 mit corrupitque am Anfang von georg. 3,481. Möglicherweise hat auch Hör. epod. 5,65 hineingespielt, wo von einer palla, tabo munus imbutum, die Rede ist. Dort bezeichnet tabum das, was Verwesung auslöst (vgl. Eur. Med. 789 und 1183ff.). MYNORS z.St. verweist auf Tac. hist. 2,70,1 (infecta tabo humus), wo allerdings an verwesendes Blut gedacht ist, welches den Boden tränkt (vgl. HEUBNER z.St.). Näher kommt unserer Stelle (und 557) schon Liv. 4,30,9 corpora... adfecta tabo. WEISSENBORN/MÜLLER z.St. erklären tabo an dieser Stelle mit "'Seuche', verzehrende Krankheit". Auch hier geht es allerdings natürlich um die Verwesung menschlicher Körper.

Drittes Buch

191

Dabei werden Lucr. 6,1098-1102 zwei Arten von Seuchen unterschieden: atque ea vis omnis morborum pestilitasque aut extrinsecus ut nubes nebulaeque superne i loo per caelum veniunt aut ipsa saepe coorta743 de terra surgunt, ubi putorem umida nactast intempestivis pluviisque et solibus icta.

Vergil sagt nicht, woher sein morbus caeli stammt. Die Vorstellung einer über das Meer kommenden Klimaveränderung mag sich aber in dem Vergleich mit den Böen eines auf dem Meere losbrechenden Wirbelsturmes in 470-47la spiegeln, mit dem Vergil die Häufigkeit von Seuchen (wie auch ihre zerstörerische Wirkung) betont744. Man vergleiche auch in diesem Zusammenhang den Hinweis auf die große Zahl der umherfliegenden Erreger tödlicher Krankheiten in Lucr. 6,1095-1096a. Der Hinweis auf die Verschlimmerung der klimatischen Verhältnisse durch die spätsommerliche Hitze am Ende von georg. 3,479 dürfte dadurch angeregt sein, daß Lucr. 6,1138 auch mortifer aestus für die Verwüstung Athens verantwortlich macht 745 . Die beiden Ablative morbo und aestu bilden bei Vergil einen Rahmen. Die Verknüpfung der Vergiftung des Klimas und der spätsommerlichen Hitze findet sich auch in Aen. 3,137-142:

140

743

iura domosque dabam, subito cum tabida membris corrupto caeli tractu miserandaque venit arboribusque satisque lues et letifer annus. linquebant dulcis animas aut aegra trahebant corpora; tum sterilis exurere Sirius agros, arebant herbae et victum seges aegra negabat.

Von M Ü L L E R im kritischen Apparat zu Recht gegen Lachmanns coortae verteidigt. In tempestas in 479 könnte dieser Vergleich fortwirken, bedeutet es doch, wie MYNORS ZU 479-81 hervorhebt, "in V. nearly always storms, literal or metaphorical". Mynors versteht es allerdings aufgrund von Lucr. 2,32f.; 4,169; 5,1395; georg. 1,417 und Aen. 9,20 hier "in the general sense of caeli fades". 745 Zwar übersetzt man mortifer aestus allgemein mit "'a deadly emanation' or 'influence'" (BAILEY z.St.), vgl. aber MUNRO ζ.St.: "The first words of Virgil's description Hie quondam morbo are evidently suggested by Lucr. and it is not unlikely that the aestu of 479, used in a different sense, is a reminiscence of our aestus." Vgl. auch Vergils letifer annus am Ende von Aen. 3,139 und schließlich noch aestu am Ende von Lucr. 6,1262, wo der Text allerdings nicht ganz sicher scheint (vgl. MÜLLER im App.z.St.). 744

192

Die Geórgica

Vergils

Das vergilische genus omne ned pecudum dedit, omne ferarum in georg. 3,480 entspricht dem lukrezischen funestos reddidit agros/ vastavitque vias, exhausit civibus urbem (6,1139b-1140). Den Gedanken der Verödung hat Vergil allerdings, wie wir gesehen haben, bereits in 476bf. ausgesprochen. Der Doppelausdruck genus ... omne pecudum .... omne ferarum in 480 scheint von Lucr. 6,1092 angeregt: hominum generi pecudumque catervis746. Da Vergil sich so deutlich auf Lukrez bezieht, scheint ein kurzer Blick auf dessen Schilderung der Pest zu Athen angemessen, um dann die Verschiebung gewisser Akzente, was die Darstellung der Norischen Seuche betrifft, besser beurteilen zu können. Im sechsten Buch von Lukrezens De rerum natura ist es das ausdrückliche Ziel des Dichters, bestimmte bedrohliche Erscheinungen am Himmel oder auf der Erde, die die Menschen in ihrer Unwissenheit dem Wirken erzürnter Götter zuzuschreiben geneigt sind, naturwissenschaftlich zu erklären, um den Menschen dadurch von der sein ganzes Leben vergiftenden Götterfurcht zu befreien (47-79). Die Erläuterung der Entstehung von Seuchen in 1090-1137 bildet dabei einerseits den Schlußpunkt dieser Reihe, leitet andererseits aber zugleich über in die das Finale des Buches und des ganzen Werkes bildende Darstellung der Pest von Athen (1138ff.). In ihr folgt Lukrez weitgehend der Schilderung, die Thukydides im zweiten Buch seines Werkes über den Peloponnesischen Krieg gibt (2,47-54). Dieser hatte allerdings auf die Erforschung der Ursachen der Seuche ausdrücklich verzichtet und sich erklärtermaßen darauf beschränkt, zu schildern, wie es war (2,48,3); nur die Merkmale wolle er schildern, durch deren Kenntnis man, sollte die Seuche noch einmal hereinbrechen, davor bewahrt werden könne, in die Irre zu gehen. Dafür nimmt er Autopsie in Anspruch, da er dies als einer mitteilen will, der selbst krank war und selbst andere leiden sah. Durch diese scheinbar so nüchterne Feststellung bekommt das Folgende eine ganz besondere Note, v.a. aber natürlich die Stelle, wo es heißt: "Am meisten hatten immer noch die Geretteten Mitleid mit den Sterbenden und Leidenden, weil sie alles vorauswußten und selbst nichts mehr zu fürchten hatten; denn zweimal packte es den gleichen nicht, wenigstens nicht tödlich. Diese wurden glücklich gepriesen von den andern und hatten auch selbst seit der Überfreude dieses Tages eine hoffnungsvolle Leichtigkeit für alle

746

LSDJ z.St. verweisen noch auf Lucr. 1,163 armenia atque aliaepecudes, ferarum.

genus omne

Drittes Buch

193

Zukunft, als könne sie keine andere Krankheit je mehr umbringen." (2,51,6) 747 Es ist bemerkenswert, daß diese Stelle bei Thukydides zu den wenigen gehört, die keine Entsprechung bei Lukrez haben: An Überlebenden ist Lukrez nicht sonderlich interessiert748. Im Gegenteil verstärkt er, wo immer er kann, den Eindruck des Schrecklichen und der völligen Verwüstung. Ahnlich bemerkenswert wie die genannte Auslassung ist eine Hinzufügung an anderer Stelle. Dort nämlich, wo Thukydides davon spricht, daß das Überschreiten des Höhepunkts der Krankheit dadurch angezeigt worden sei, daß sie sich auf den Gliedmaßen niedergeschlagen habe, und viele mit deren Verlust entronnen seien, oder auch mit dem der Augen (2,49,7f.), verdüstert Lukrez nicht nur das Bild, sondern fügt auch eine bezeichnende Motivation hinzu (1205-1212)749: 1205 profluvium porro qui taetri sanguinis acre exierat, tarnen in nervös huic morbus et artus ibat et in partis genitalis corporis ipsas.

(Davon, daß das Schlimmste vorbei ist, ist bei Lukrez also nicht die Rede, tarnen in 1206 erinnert an das in 1201.) et graviter partim metuentes limina leti vivebant ferro privati parte virili, 1210 et manibus sine nonnulli pedibusque manebant in vita tarnen, et perdebant lumina partim: usque adeo mortis metus his incesserat acer.

Die Handlungsweise dieser Menschen ist also gerade von der Regung bestimmt, der Lukrez mit seinem Werk den Kampf angesagt hat, der Todesfurcht. Auch in 1230-1241 wird im Vergleich zur Thukydideischen Vorlage (2,51,4-5) die Todesfurcht bzw. Lebensgier besonders hervorgehoben. So haben die mutlos gewordenen Kranken in Lucr. 6,12301234 anders als in Thuc. 2,51,4 den Tod bereits deutlich vor Augen 750 . Und von denjenigen, die davor zurückschrecken, ihre kranken Angehörigen zu besuchen, sagt Lukrez in 1238-1241, sie seien von übermäßiger Gier nach Leben und Furcht vor dem Tod erfüllt gewesen: ... quicumque suos fugitabant visere ad aegros, vitai nimium cupidos mortisque timentis

747

Übersetzung nach Landmann.

748

V g l . KLEPL 1 9 4 0 , 6 5 u n d BRIGHT 1 9 7 1 , 6 0 8 - 6 1 0 .

749

V g l . BRIGHT 1 9 7 1 , 6 1 2 - 6 1 3 u n d MÜLLER 1 9 7 8 , 2 2 0 .

750

Richtig gesehen von BRIGHT 1971, 613.

194

Die Geórgica

Vergils

1240 poenibat paulo post turpi morte malaque, desertes, opis expertis, incuria mactans.

Thuc. 2,51,5 heißt es einfach, daß sie sich fürchten (δβδιότες), und dort ist auch nicht vonfagitare, sondern einfach von fehlender Bereitschaft die Rede (eire yàp μη 'dêXoiev). Doch die Flucht vor dem Tod ist sinnlos, worauf pointiert morte in Lucr. 6,1240 hinweist, das geradezu sarkastisch mortis aus dem vorausgegangenen Vers aufnimmt. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die Pest zu Athen in die Zeit fällt, bevor Epikur als Sohn eines attischen Kolonisten auf Samos geboren wurde. Von diesem Ereignis aber ist im Proöm des Buches die Rede. Dort heißt es, daß allen anderen Entdeckungen zum Trotz erst die Lehre Epikurs dem Menschen wirklich Sicherheit gebracht habe bzw. bringen könne (1-42). Lukrez dürfte die geistige Verwüstung, die die Seuche im vorepikureischen Athen verursachte, als Beleg für diese Behauptung betrachtet haben: An der Reaktion des Lesers auf ihre Darstellung entscheidet sich nun auch, ob die vorangehenden Bücher ihr Ziel erreicht haben oder nicht 751 . Blickt man auf das Gesamtwerk, so bildet das Finale des sechsten Buches von De rerum natura das Gegenstück zum Proöm des ersten: Wurde in jenem die Leben spendende Macht der Natur gepriesen, so wird nun, da der Leser durch sechs Bücher hindurch darauf vorbereitet worden ist, das Gegenteil auszuhalten, in krassester Form ihre Leben zerstörende Macht vor Augen geführt 752 . Man fragt sich natürlich, worin Vergil das Gegenstück zu seiner Schilderung der Norischen Viehseuche gesehen haben mag. Wenn zutrifft, was wir oben über das Verhältnis des Binnenfinales zu den laudes veris im zweiten Buch gesagt haben 753 , liegt die Vermutung

751

Vgl. MÜLLER 1978, 220: "Der Dichter erwartet vom Leser, dass er sich nicht nur an den bedeutungsvollen Hinweis im Epikurpreis des 6. Proömiums hält, sondern an alles, was er über die wahre Philosophie im gesamten Gedicht gelernt hat, um so gelenkt die Erzählung vom athenischen Unheil in das richtige Licht zu stellen." Ebd. 219 wird das Unheil am Ende des sechsten Buches als "extremer Probefall" bezeichnet, der "mit furchtlosem Herzen unter Bewahrung des summum bonum ... bestanden werden" sollte. Treffend auch CLAY 1983, 266 (zustimmend zitiert von BROWN 60 Anm. 27): "De rerum natura does not end with requies. Nor does it end in a contradiction. Its end is the last and greatest test of the reader who would master its teaching; for the piety the poem makes possible is the ability to contemplate everything and anything with a mind that has found its peace: placata posse omnia mente tueri (5.1203). There is a certain pleasure in this." Vgl. auch BROWN 57. 752

V g l . MÜLLER 1 9 7 8 , 2 1 8 u n d BROWN 5 5 .

753

Vgl. oben S. 171f.

Drittes Buch

195

nahe, daß das Finale des dritten Buches ein Gegenstück zur dort folgenden Beschreibung des Bacchusfestes bildet. Auch dort wird wie zu Beginn der Darstellung der Norischen Viehseuche ein Opfer dargebracht: vgl. 2,395 et ductus cornu stabit sacer hircus ad aram und 3,486 saepe in honore deum medio stans hostia ad aram. Auch dort ist wie am Ende der Darstellung der Norischen Viehseuche vom Haupt einer Gottheit die Rede. Doch während in 3,551-557 die ihr gieriges Haupt immer höher reckende Tisiphone in den Ställen Tierleichen aufhäuft, füllt sich dort alles mit Ertrag, wohin auch immer Bacchus sein edles Haupt wendet (2,390-392) 754 . In seiner Darstellung der Norischen Viehseuche appelliert Vergil von Anfang an an das Mitgefühl des Lesers. So erhält die Seuche gleich eingangs in 478 das Beiwort miseranda155, und in 483 bezeichnet Vergil die unter Einwirkung des austrocknenden Fiebers einschrumpfenden Glieder als miseros756. Zugleich betont Vergil von Anfang an das Unheimliche, die gewohnte Welt Sprengende der Seuche. Sie erfaßt jede Art tierischen Lebens (478-480). Der Leser weiß aus 474-477, daß am Ende die völlige Auslöschung dieses Lebens stehen und nur die leere Landschaft zurückbleiben wird. Aber auch das Sterben selbst ist ungewöhnlich und erschreckend, da es nicht geradlinig verläuft, sondern von einem Mangel zu einem Überschuß an Flüssigkeit führt (482-485):

485

nec via mortis erat simplex; sed ubi ignea venís omnibus acta sitis miseros adduxerat artus, rursus abundabat fluidus liquor omniaque in se ossa minutatim morbo conlapsa trahebai151.

Diesen Aspekt des Unheimlichen und Außerordentlichen streicht Vergil im folgenden anhand von konkreten Beispielen immer packender heraus. Den Anfang macht das am Altar stehende Opfertier, welches entweder, während ihm die schneeweißen Wollbinden umgelegt werden, zusammenbricht, bevor die Opferdiener noch die Opfervorbereitungen

754

KLEPL 1940, 72 dagegen sieht hier eher eine Entsprechung zu den laudes veris des zweiten Buches: "Wie in den Frühlingsversen alle lebensfördernden Kräfte in den himmlischen Gatten verkörpert sind, so hier alle zerstörenden in der Gestalt der Tisiphone." 755 Aen. 3,138 bezeichnet Aeneas die Seuche, die die Trojaner bei ihrem Versuch einer Ansiedlung auf Kreta heimsuchte, als miseranda. 756

757

V g l . KLEPL 1 9 4 0 , 5 8 - 5 9 .

Vgl. KLEPL 1940, 59: "... das war kein einfaches Sterben, wie es die Hirten an ihren Tieren kannten. "

Die Geórgica Vergils

196

abgeschlossen haben, oder sich, wenn es denn doch geopfert werden kann, als in seinem Innern bereits zersetzt erweist (486-493):

490

saepe in honore deum medio stans hostia ad aram, lanea dum nivea circumdatur infiila vitta, inter cunctantis cecidit moribunda ministros; aut si quam ferro mactaverat ante sacerdos, inde ñeque impositis ardent altaría fibris, nec responso potest consultus reddere vates, ac vix suppositi tinguntur sanguine cultri summaque ieiuna sanie infuscatur barena.

Thomas hat diese Stelle als Hinweis auf die Sinnlosigkeit kultischer Praktiken gedeutet 758 , ein Ansatz, der mir sehr fragwürdig erscheint. Denn zunächst einmal ist der Altar nach 160 einfach eine der möglichen Bestimmungen, zu der ein Tier vorgesehen werden kann, ebenso wie der Pflug (160b-161; das Sterben des Pflugstiers wird in 515-524 beschrieben) oder die Rennbahn (180-181, 202-203; dem Leiden des Rennpferdes sind 498-514 gewidmet). Des weiteren liegt der Akzent in 486-493 deutlich auf dem unerwarteten Zusammenbrechen der Tiere und der bei ihnen unbemerkt bereits weit fortgeschrittenen inneren Zersetzung. Für ein Opfer wurden ja nur makellose Tiere ausgewählt 759 (auf die scheinbare - Reinheit der Tiere verweist auch lanea dum nivea circumdatur infula vitta in 487 760 ). Ihr plötzliches Zusammenbrechen macht den heimtückischen Charakter der Seuche am ehesten deutlich, die das Innere des Tieres bereits zersetzt hat, bevor der Befall äußerlich erkennbar wird (in cecidit in 488 klingt conlapsa aus 485 nach 761 ). Dazu paßt auch der folgende Hinweis, daß die Eingeweide, wenn sie auf den Altar gelegt werden, kein Feuer fangen und daß aus ihnen keine Sehersprüche gewonnen werden können sowie daß statt Blut aus den Kehlen der Opfertiere eine dürftige Menge Eiters rinnt. Dies nimmt den Gedanken der inneren Zersetzung aus 482-485 wieder auf. Der Gedanke des unerwarteten und unerklärlichen Hinsinkens der Tiere setzt sich anschließend 494497 in raschen Bildern fort: die Rinder, die allenthalben im üppigen Gras

758

759

V g l . THOMAS ZU 4 7 8 - 5 6 6 .

LSDJ zu 486. 760 V g l Qv. m e t 7,594, wo der Priester purum ... vinum zwischen die Hörner des Opferstieres gießt. 761 Vgl. Ov. met. 7,595 haud exspectato ceciderunt vulnere tauri (quotiens in 593 entspricht saepe in georg. 3,486) und ebd. 598 subito conlapsa (sc. est victima) sine ictibus ullis.

Drittes Buch

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verenden, die zahmen Hunde, die plötzlich tollwütig werden, und der keuchende Husten, der die Schweine schüttelt und ihnen die Kehle abschnürt. Schließlich wird ja auch gar nicht ausdrücklich gesagt, daß es sich bei den Opfern um solche zur Abwendung der Pest handelt 762 . Die Verse 486-493 scheinen weniger als ein Hinweis auf die generelle Sinnlosigkeit kultischen Handelns, sondern vielmehr als ein böses Omen gedacht zu sein 763 , weswegen sie auch an den Anfang der Pestschilderung gestellt werden und nicht an ihr Ende. Man denke an die Vorzeichen, die zu Beginn des Finales am Ende des ersten Buches das grausame Geschehen der Bürgerkriege nach Caesars Ermordung ankündigen (l,466-488) 764 . Eine bemerkenswerte Nachahmung bietet in diesem Zusammenhang Sen. Oed. 133ff., wo der Chor die Ausbreitung der Pest in Theben beschreibt:

135

140

prima vis tardas tetigit bidentes: laniger pingues male carpsit herbas; colla tacturus steterat sacerdos: dum manus certum parat alta vulnus, aureo taurus rutilante cornu labitur segnis; patuit sub ictu ponderis vasti resoluta cervix: nec crúor, ferrum maculavit atra turpis e plaga sanies profusa.

Die an erster Stelle genannten Schafe stammen aus georg. 3,464ff. 765 . Doch gleich an zweiter Stelle folgt eine Nachahmung unserer Opferszene, die doch auch bei Seneca wohl kaum die Sinnlosigkeit aller kultischen Praktiken zeigen soll. Deren bedingte Wirkungslosigkeit wird erst am Schluß des Chorlieds zum Thema (197-201).

762

V g l . d a g e g e n FARRELL 1 9 9 1 , 9 1 - 9 3 .

763

V g l . CONINGTON, PAGE u n d RICHTER ZU 4 9 0 s o w i e MYNORS ZU 4 8 6 - 9 3 . KETTEMANN

1982, 26 bemerkt treffend: "Das Versagender Opferflamme, ein unseliges Omen, und die sonstigen Anomalitäten des Opferverlaufs lassen die Verbindung zu den übergeordneten göttlichen Mächten gestört erscheinen. " 764 Auf die Beziehung zu 1,483-485 verweist THOMAS ZU 491, allerdings ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. 765 Indem Seneca diese einbezieht, bietet er eine zusätzliche Stütze für unsere Annahme, daß georg. 3,464ff. und die Pestschilderung eng zusammengesehen werden müssen und letztere als Warnung vor den Folgen eines zu zögerlichen Einschreitens zu sehen ist. Vgl. oben S. 188.

198

Die Geórgica Vergils

Erst am Ende der jeweiligen Darstellungen ist auch bei Thukydides und Lukrez vom Verfall göttlicher Ordnung die Rede 766 . Statt der Tempel, in denen sich bei Thukydides (2,52,3) und Lukrez (6,12721277) die Leichen türmen, finden wir bei Vergil Ställe voller Tierkadaver (556-557). Nach einem Hinweis auf die Sinnlosigkeit religiöser Praktiken wäre wohl auch ein apotropäischer Ausruf wie der in 513 angesichts der Selbstzerfleischung der Pferde ausgestoßene (di meliora piis, erroremque hostibus illum!) geradezu widersinnig. Einen weiteren deutlichen Unterschied zwischen Vergils Darstellung und der des Thukydides und des Lukrez markiert die Personifizierung der Kräfte der Zerstörung als Gestalten der Unterwelt in 551-557. Denn auch wenn bei den Letztgenannten dem Leser keine der grauenhaften Einzelheiten der Pest erspart wird, so wird diese doch betont als ein natürliches Ereignis beschrieben. In ihr toben sich keineswegs irgendwelche dunklen Mächte aus. So heißt es bei Lukrez nur, der Tod habe die Leichen auf den Straßen und in den Häusern und sogar in den Tempeln aufgehäuft (6,1262f.; 1272-1275). An seine Stelle setzt Vergil in 551ff. pointiert die Unterweltsfurie Tisiphone:

555

766

saevit et in lucem Stygiis emissa tenebris pallida Tisiphone Morbos agit ante Metumque, inque dies avidum surgens caput altius effert. [balatu pecorum et crebris mugitibus amnes arentesque sonant ripae collesque supini,]767 iamque catervatim dat stragem atque aggerat ipsis in stabulis turpi dilapsa cadavera tabo [doñee humo tegere acfoveis abscondere discunt]16*.

Daß Vergil sich auf Thuc. 2,47,4 beziehen könnte, wo auf die Nutzlosigkeit von Bittprozessionen zu den Tempeln der Götter hingewiesen wird, glaube ich nicht. Um dies wahrscheinlich zu machen, wäre wohl zunächst ein unmittelbarer, d.h. nicht durch Lukrez vermittelter Einfluß der thukydideischen Pestschilderung auf Vergil nachzuweisen. 767 Die Verse 554f. scheinen nachträglich eingefügt, vielleicht um eine Entsprechung zu den Straßen und Plätzen bei Lukrez oder um ein Gegenstück zu ipsis/ in stabulis in 556f. zu schaffen. Dadurch wird allerdings das Subjekt aus 551-553 pallida Tisiphone von den ihr in 556f. beigelegten Prädikaten abgetrennt. Anders verhält es sich bei Lukrez, bei dem mors sowohl in 1263 wie auch in 1273 jeweils ausdrücklich als Subjekt erscheint. 768 Ich kann in Vers 558 anders als KLEPL 1940, 73, KLINGNER 1967, 296 und (noch prononcierter) KETTEMANN 1982, 3 lf. keine Vorausdeutung auf das Ende der Seuche oder gar ihre Überwindung erkennen: Die Seuche wird, wie wir aus 474-477 wissen, erst mit dem Verenden des letzten Tieres zum Abschluß kommen, ja nach 563-566 vielleicht nicht einmal damit. Auch die "schwebende Harmonie", die nach KLINGNER 1967, 296 durch die fortdauernde Gültigkeit der Gebärde von 558 und durch das dann doch stattfindende

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199

So zeigt sich auch hier deutlich, daß Vergil die übernatürlichen Mächte keineswegs aus seiner Welt verbannt, sondern sie im Unterschied zu Lukrez geradezu wieder in diese zurückführt769. Unter den Bildern vom Leiden und Sterben der verschiedenen Tierarten ragen das vom Leiden und Sterben des Rennpferdes (498-514) und das vom Tod des Pflugstieres (515-524) heraus. Die besondere Stellung ergibt sich dabei nicht allein aus dem reinen Umfang des jeweiligen Abschnitts, sondern vielmehr v.a. daraus, daß die betreffenden Tiere so etwas wie eine Persönlichkeit gewinnen: Sie nähern sich den Menschen an. Die Zeichnung der Opfertiere in 486-493 am Beginn der Reihe ist dagegen noch blaß (die Bedeutung dieses Abschnitts liegt, wie gerade gesehen, auch auf einer anderen Ebene)770: Durch saepe in 486 wird ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich um einen häufig wiederkehrenden Vorgang handelt. Auch die Rinder, die in 494 allenthalben (vulgo)

Überholen dieser Gebärde in einem "letzten Schub des Entsetzlichen" entstehen soll, vermag ich nicht nachzuempfinden. Der Vers scheint mir ungeeignet, die Funktion zu erfüllen, die ihm hier zugewiesen wird. Vielmehr wirkt er ungeschickt und störend. So bilden ja auch die Verse 559ff. nicht die Begründung dafür, daß man die Tierleichen begrub, sondern dafür, daß man sie sich in den Ställen stapeln ließ. Man wird den in Frage stehenden Vers daher mit ZWIERLEIN ZU tilgen haben. Bei Lucr. 6,1273f. bleiben die Leichen übrigens ebenfalls in den Tempeln liegen. 769 FARRELL 1991, 86 sieht im Bild der Krankheiten und Furcht vor sich hertreibenden Tisiphone, die ihr gieriges Haupt von Tag zu Tag höher hebt, eine Anspielung auf die Religion, die im ersten Buch des Lukrez ihr Haupt aus den Himmelsregionen hervorstreckt und mit schrecklichem Antlitz die Sterblichen aus der Höhe bedrängt (62-65). Dann hat aber Vergils Tisiphone doch wohl noch mehr mit den Schlangen in 414ff. gemein. Man denke etwa an das drohende Sichaufrichten der Schlangen in 421, einer Bedrohung, welcher der Hirte in 422-424 durch entschlossenes Zuschlagen gerade noch Herr wird: iamquefuga timidum capul abdidit alte. Damit vergleiche man die Beschreibung der Tisiphone in 552bf. : Morbos agit ante Metumque/ inque dies avidum surgens caput altius effert. Ihrer ist nicht mehr Herr zu werden. Ähnlich wie sie das Vieh in 556f. haufenweise sterben läßt, füllt die kalabrische Wasserschlange in 430-431 während des Frühjahrs ihren schwarzen Schlund gierig mit Fischen und Fröschen. Und wie diese in 432-434 während der Hitzeperioden an Land springt und auf den Äckern wütet, so wütet in 551f. die aus der Unterwelt hervorgebrochene Tisiphone: vgl. saevit in 434 und 551. Bezeichnenderweise wird ja auch die Beschreibung der Schlange als flammantia lumina torquens aus 433 mit leichter Variation in Aen. 7,448f .flammea torquens/ lumina auf Allecto, eine Schwester der Tisiphone, übertragen, die ihrerseits wiederum mit Schlangen im Haar ausgerüstet ist (450). Vgl. auch KETTEMANN 1982, 30f. zur Gestalt der Tisiphone: "Ihr Wüten, das an die Allecto der Aeneis erinnert, veranschaulicht in einem gewaltigen Bilde die Existenz und Wirklichkeit des Dämonischen, macht deutlich, daß in dieser Welt Mächte des Bösen und der Finsternis am Werke sind." 770 Man hat wohl mit HEYNE ZU 486 gegen LSDJ z.St. an einen Stier zu denken. Vgl. O v . met. 7,593-601 und Sen. Oed. 135-141.

200

Die Geórgica Vergils

umgeben von reichlicher Nahrung verenden, gewinnen keine rechten Konturen. Erst die Hunde in 496a erhalten ein Beiwort: Sie werden als blandi charakterisiert. Nun allerdings sind sie von rabies erfaßt. Noch anschaulicher wird das Leiden bei den Schweinen in 496bf. : Keuchender Husten quält sie, während ihre Kehle geschwollen ist. Die höchste Stufe an Veranschaulichung, Personalisierung und Vermenschlichung wird in dem Abschnitt über das leidende und sterbende Pferd in 498-514 sowie in dem über den sterbenden Pflugstier in 515-524 erreicht 771 . Bei beiden wird das übliche Bild ihrem neuen Zustand gegenübergestellt. Daß beide, das Pferd wie der Pflugstier, ihre höchste Bestimmung, wie sie in der ersten Hälfte des Buches ins Auge gefaßt wurde, erreicht haben, verleiht den beiden Abschnitten besonderes Pathos. So ist das Pferd ein siegreiches Rennpferd, welches von seinen früheren mutvollen Bestrebungen abläßt und nur noch unruhig mit dem Huf den Boden schlägt (498-500a). Seine Mutlosigkeit drückt sich in den herabhängenden Ohren aus (500). Es stirbt nicht einfach inmitten strotzender Weiden wie die Rinder in 494, sondern ist immemor herbae (498) und wendet sich selbst von der Tränke ab (499). Im Vergleich zu den Schweinen in 496bf. wiederum werden die Symptome in 500b-508 ungleich ausführlicher geschildert. Dabei sind diese, wie schon die beim Schwein, aus Lucr. 6,1145-1169; 1182-1195 und 1199-1204 genommen, d.h. vom Menschen auf das Tier übertragen. So dürfte auch die Selbstzerfleischung des Pferdes in 509-514 durch die Selbstverstümmelung der von der Krankheit befallenen Menschen in Lucr. 6,1205-1214 angeregt sein 772 . Durch diese Raserei wird das Außerordentliche an der rabies der Hunde in 496a bei weitem in den Schatten gestellt, ebenso wie das Unheimliche, das ihr eignet, jenes, welches dem Zusammenbrechen des Opfertieres am Altar in 486-493 anhaftete, noch übertrifft: Dies drückt sich in dem an die Götter gerichteten apotropäischen Ausruf in 513 aus: di meliora

piis,

erroremque

hostibus

illum!

Der Pflugstier bricht dagegen während seiner Arbeit zusammen und haucht sein Leben aus (515-517a). Hier ist das Kontrastbild der Situation vor Ausbruch der Seuche noch stärker präsent als im Fall des Hengstes

771

Vgl. KLEPL 1940, 69: "Wo bei Lukrez in sich unbewegte Bilder nebeneinandergestellt sind, entwickelt Vergil in sich gesteigerte und einander steigernde Szenen. " Ebd. 70 heißt es zur Darstellung von Pferd und Pflugstier: "... beide werden als Einzelwesen dargestellt. " 772 Vgl. schon fiiriosus voltus et acer in Lucr. 6,1184.

Drittes Buch

201

und auch die von dem verbliebenen Stier verschmähten Reize der ländlichen Welt werden noch nachdrücklicher herausgestrichen, der Schatten, die weiche Wiese und der klare Bach (520-522a)773. Es ist dieser verbliebene Pflugstier, dem die besondere Aufmerksamkeit gilt: Er betrauert den Tod seines Bruders (518), seine Flanken lösen sich, der Blick wird stumpf und der Nacken sinkt schwer herab (522b-524). Die Trostlosigkeit ist hier verglichen mit der des Hengstes noch weiter gesteigert, doch wohl in Anlehnung an Lucr. 6,1230ff., wo die Mutlosigkeit der Menschen angesichts des allgemeinen Sterbens als das Bejammernswerteste an der damaligen Lage bezeichnet wird: 1230 illud in his rebus miserandum magnopere unum aerumnabile erat, quod ubi se quisque videbat implicitum morbo, morti damnatus ut esset, deficiens animo maesto cum corde iacebat, 1235 fuñera respectons animam amittebat ibidem.

Auf den Abschnitt über den Pflugstier folgen drei recht befremdliche Passagen, zunächst in den Versen 525-530 eine Klage über den Tod des Pflugstieres, in der auf dessen Verdienste und auf seine schlichte Lebensweise fern aller ausschweifender Gelage verwiesen wird. Diese Verse erinnern deutlich an den Anfang der laudes vitae rusticae aus dem Finale des zweiten Buches (461-474), wo einem von Gier nach Macht und Reichtum geprägten, verderbten Dasein (in der Stadt) ein einfaches und unverdorbenes Leben (auf dem Lande) gegenübergestellt wurde. Doch ging es dabei natürlich beidesmal um menschliche Lebensformen, während an unserer Stelle in merkwürdiger Weise zwei Ebenen vermischt werden, die menschliche und die tierische. Während nämlich das Leben, welches nicht geführt wurde, mit Dingen verbunden wird, die eindeutig der menschlichen Sphäre angehören, hebt die Beschreibung des tatsächlichen Lebensstils auf Dinge ab, die rein, oder doch zumindest überwiegend der tierischen Sphäre angehören. Es ist nicht so sehr die "Vermenschlichung", die hier stört. Sie finden wir zur Steigerung der pathetischen Wirkung ja auch in der Schilderung der Trauer des Pflugstiers über den Tod seines "Bruders" (518). Vielmehr wirkt die Tatsache, daß in einer Doppelaussage die beiden Teilaussagen völlig unterschiedlichen 773

Der Stier verschmäht diese nicht etwa, weil sie vergiftet wären (wie sollten auch der Schatten der Bäume und die Weichheit des Grases vergiftet sein?), sondern aus Trauer über den Verlust des Gefährten und im Bewußtsein des nahenden eigenen Todes. Ähnlich läßt bei Lucr. 2,352-366 ja auch die Kuh die zarten Weidensträucher, das tauige Gras und die reich dahinfließenden Bäche aus Sehnsucht nach dem geopferten Kälbchen unbeachtet.

202

Die Geórgica Vergils

Sphären angehören sollen, befremdlich. Bei Grattius ist an einer vergleichbaren Stelle der unmittelbare Zusammenprall der menschlichen und tierischen Sphäre vermieden (307-325). Als nächstes beschreiben die Verse georg. 3,531-536 die Auswirkungen des Viehsterbens auf die Tätigkeit des Bauern. Dies geschah jedoch bereits unüberbietbar in dem Bild des traurig den verbliebenen Stier aus dem Joch lösenden und den Pflug auf dem Feld zurücklassenden Bauern in 517b-5 1 9 774 . Schließlich folgt in 537-547 noch eine unmittelbar aus Lucr. 6,12151224 gewonnene und zu einer auf äußere Wirkung berechneten Tour de force ausgeweitete Passage über die Wirkung der Pest auf Wölfe, Hirsche, Hunde, Fische, Robben, Schlangen und Vögel. Hunde wurden von Vergil als der Welt des Bauern zugehöriges Pestopfer bereits in 496 erwähnt. Und obwohl bei Ovid die Seuche doch auf einer Insel wütet, finden met. 7,536-551 bezeichnenderweise Fische und Robben keine Berücksichtigung. Arist. HA 602M2-15 bestreitet ja auch ausdrücklich, daß Fische von einer Pest betroffen werden könnten775. In all diesen Fällen hegen wir mit Zwierlein erhebliche Bedenken gegen die Authentizität der Passagen, nicht nur im Blick auf Einzelnes, sondern auch im Blick auf den Gesamtgedankengang. So scheint der auf den zuletzt genannten Abschnitt folgende Vers 548 praeterea iam nec mutari pabula referí vorauszusetzen, daß zuvor vom Versagen anderer Mittel die Rede gewesen ist. Colum. 7,5,2 bezeichnet den Wechsel von Futter, Tränke und Klima im Falle der Erkrankung des ganzen Viehbestandes als remedium praesentissimum. Der Anknüpfungspunkt für 548 dürfte in 520-522a zu finden sein: 520

non umbrae prata purior

movere electro

altorum

nemorum,

animum campum

non molila

(se. tauri), petit

amnis.

possunt

non qui per saxa

volutus

...

Der Hinweis auf den kühlenden Schatten, die weichen Wiesen und den durch Felsen rinnenden Bach entspricht dem auf den Wechsel des Futters, während non ... possunt/ ... movere animum sein Gegenstück in iam nec ... refert hat.

774

Vgl. KLEPL 1940, 71: "... das ungewisse, bedrückende Bild des verlassenen Pfluges, der halb vollendeten Arbeit, läßt ahnen, daß durch die Pest die agricultura überhaupt in Frage gestellt wird." 775 Dies vermerkte, wie HEYNE ZU 541 hervorhebt, bereits de le Cerda.

Drittes Buch

203

Ferner erinnert die Art, in der Vergil im Abschnitt über den Pflugstier auf die durch die Pest erzwungene Einstellung des Ackerbaus hinweist, an das Finale des ersten Buches, wo in 506b-508 die Folgen des Bürgerkriegs für die ländliche Welt beschrieben werden: ... non ullus aratro dignus honos, squalent abductis arva colonis, et curvae rigidum falces conflantur in ensem.

Noch interessanter ist in unserem Zusammenhang allerdings die Stelle, die, wie wir oben gesehen haben, im Hintergrund eben dieser Verse steht, Catull. 64,38-42 776 :

40

rura colit nemo, mollescunt colla iuvencis, non humilis curvis purgatur vinea rastris, non glebam prono convellit vomere taurus111, nonfabc attenuai frondatorum arboris umbram, squalida desertis rubigo infertur aratris.

Man wird sich erinnern, daß das Finale des ersten Buches im Anschluß an die genannte Stelle mit dem Bild des auf dem ganzen Erdkreis wütenden Mars und dem des Gespanns schließt, welches aus den Boxen hervorgebrochen von Runde zu Runde schneller wird und sich der Kontrolle des Wagenlenkers entzieht (511b-5 1 4) 778 . Ganz ähnlich verhält es sich ja mit Tisiphone im Finale des dritten Buches: Die Künste der in Heilkunde bewanderten Hüter der Herden sind machtlos angesichts des Wütens (saevit in 551 und 1,511) der aus der Unterwelt entlassenen Tisiphone, die ihr Haupt von Tag zu Tag höher emporreckt und Leichen auf Leichen türmt (548-557) 779 . Schließlich noch ein Blick auf Lukrez! Wie gesehen, steht hinter dem Abschnitt über den Pflugstier Lukrezens Darstellung der angesichts des allgemeinen Sterbens sich ausbreitenden Mutlosigkeit 780 . Im Anschluß an diese Stelle schildert Lukrez, daß es für das Schicksal des einzelnen keinen Unterschied bedeutet habe, ob er sich um seine Mitmen776

Vgl. oben S. 63f. Der Versschluß vomere taurus findet sich auch an unserer Stelle in 515. 778 Vgl. oben S. 67f. 779 Zum Verhältnis zwischen dem Finale des ersten und dem des dritten Buches vgl. auch KETTEMANN 1982, 32f., der jedoch mit Blick auf die von uns hinsichtlich ihrer Echtheit angezweifelten Verse 531-536 sowie 558 (oben Anm. 768) und unter Verkennung der Bedeutung des Gebets um die Erhaltung Octavians die Darstellung der Norischen Seuche für tröstlicher gestimmt hält als die der Bürgerkriegswirren. 780 Vgl. oben S. 200f. 777

204

Die Geórgica Vergils

sehen gekümmert habe oder nicht: Diejenigen, die aus Angst vor dem Tod ihre kranken Angehörigen gemieden hätten, seien wenig später selbst in Verlassenheit gestorben (6,1238-1241). Diejenigen aber, die aus Mitleid und Anstand die Kranken versorgt hätten, seien aufgrund des Kontaktes mit den Kranken und der Mühe, die deren Pflege kostete, gestorben (1242-1244). Dies seien gerade die Besten gewesen (1246). Unmittelbar darauf wird beschrieben, wie das Wüten der Seuche noch eine besondere Förderung dadurch erfuhr, daß nun auch die Bewohner des umliegenden Landes in die Stadt strömten. Von hier an beginnen sich die Leichen zu türmen 781 . Schon auf dem Lande füllen sich die Hütten der Hirten und Bauern mit Körpern, die Armut und Krankheit dem Tode überliefern (1252-1255). Das Alter spielt dabei keine Rolle: Die Leichen der Eltern liegen über denen ihrer Kinder und umgekehrt (1256-1258). Die kranken Bauern, die in die Stadt strömen, verschärfen die Lage dort (1259-1261). Überall häuft der Tod Leichen auf Leichen, auf den Straßen und in Gebäuden (1262-1271). Auch die Tempel der Götter füllt der Tod mit Leichen (1272-1275). Wie bereits gesehen, entspricht dem Wüten des Todes bei Lukrez bei Vergil das Rasen der aus der Unterwelt entlassenen Tisiphone, die ihr Haupt von Tag zu Tag höher reckt und in den Ställen selbst die Tiere haufenweise dahinrafft und zu Leichenbergen türmt (551-557)782. Am Ende wird bei Vergil in 559-566 der Mensch selbst in diesen Totentanz einbezogen, als er versucht, Kleidungsstücke aus der Wolle verendeter Tiere zu tragen. Es scheint mir fraglich, ob Vergil die gerade aufgezeigten gedanklichen Verbindungen und Entsprechungen durch den Einschub der beanstandeten Passagen zwischen die Abschnitte über den Pflugstier und das Wüten der Tisiphone verdunkelt hätte 783 . Wie mit dem Finale des ersten Buches so ist allerdings auch mit dem des dritten die Geschichte noch nicht zu Ende. In diesem Zusammenhang scheint es bemerkenswert, daß Vergil die Pestschilderung, mit der Lukrez sein Werk beschließt, an das Ende seines dritten Buches versetzt hat (ebenso wie er Lukrezens Diatribe über die Gefahren der Liebe vom Ende des vierten Buches von De rerum natura ans Ende der

781

KLEPL 1940, 64-68 läßt den unter dem Leitgedanken des catervatim mori stehenden Abschnitt bereits in Lucr. 6,1215 einsetzen. 782 Vgl. oben S. 198f. 783 Die Klage um den so ungerecht dahingerafften Pflugstier in 525-530 könnte durch Ov. met. 15,120-126 angeregt sein, wo Pythagoras danach fragt, welche Schuld denn die Stiere auf sich geladen hätten, daß man sie als Opfertiere verwende.

Drittes Buch

205

ersten Hälfte des dritten Buches gerückt hat) 784 . Wie das Finale des ersten Buches so endet auch das des dritten mit einer düsteren Note, vielleicht sogar mit einer noch etwas düsteren. War dort nämlich bereits auf einen möglichen Retter aus den Nöten der Gegenwart verwiesen worden, so handelt es sich bei der Norischen Viehseuche um ein Geschehen der Vergangenheit, und von Anfang an ist klar, daß an seinem Ende die verödete Landschaft Noricums stehen wird. Und doch enthält auch das Finale des dritten Buches in 513 im Zusammenhang mit dem Rasen des sterbenden Pferdes ein Stoßgebet an die Götter: di meliora piis, erroremque hostibus illum! Hilfe kann letztlich nur von diesen kommen. Man vergleiche Gratt. 479-482: 480

mille tenerti pestes785 curaque potentia maior. mitte age - non opibus tanta est fiducia nostris -, mitte, anime: ex alto ducendum numen Olympo, supplicibus < que > vocanda sacris tutela deorum.

430-466 empfiehlt Grattius, eine dem Vulcan heilige Höhle auf Sizilien aufzusuchen. Man denkt hier unwillkürlich an Aristaeus, der im vierten Buch die unterirdischen Wohnsitze seiner Mutter und die Grotte des Proteus aufsucht. Diesem letzten Buch der Geórgica wollen wir uns nun zuwenden.

784

Vgl. KETTEMANN 1982, 24, der mit Blick auf die Seuchendarstellungen einen wesentlichen Unterschied zwischen Vergil und Lukrez darin sieht, "daß bei Vergil die Pestbeschreibung einen Binnenschluß bildet, während sie bei Lukrez das Gesamtwerk abschließt, so daß die dunklen Mächte der Zerstörung am Ende dominieren". BROWN 60 Anm. 26 kontrastiert der "progressively grimmer revelation of humanity's futile struggle against the constraints imposed by nature" in den lukrezischen Finalia "the closed structure of the Georgics, in which the "Lucretian" plague is relegated to the penultimate book, its place taken in the last book by the optimistic story of Aristaeus, and the whole poem rounded o f f b y an e p i l o g u e ( 4 , 5 5 9 - 6 6 ) " . 785

VERDIÈRE z.St. verweist zu Recht auf georg. 3,470f.

4. Viertes Buch 4.1. Vorbemerkung Kein Buch der Geórgica hat wohl die Vorstellungskraft der Interpreten in diesem Jahrhundert so sehr angeregt wie das vierte. Immer wieder hat man versucht, dem tieferen Sinn der Darstellung des Bienenstaates, der Aristaeus-Geschichte und der Orpheus-Erzählung auf die Spur zu kommen 786 . Dabei scheint man heute überwiegend von der Einheit des vierten Buches auszugehen787. Diese Annahme wird auch Grundlage des folgenden Versuchs sein, das vierte Buch vor dem Hintergrund der vorausgegangenen drei Bücher zu deuten. Ist er erfolgreich, erfährt aus diesem Erfolg zugleich auch die Eingangsannahme eine Bestätigung. Wir wollen uns dabei im folgenden zunächst der Darstellung des Bienenstaates widmen. Was ihre Deutung betrifft, so haben die 1954 von Dahlmann angestellten Überlegungen jüngst wieder erheblich an Einfluß gewonnen. Dahlmann meint im vierten Buch "nicht so sehr, wie sonst, eine Anweisung über die Pflege der Bienen durch den Imker, in die verschiedenen Bereiche des Lehrsystems gegliedert, zu lesen als vielmehr ein Stück Ethnographie, die Beschreibung eines fremden Volkstums, eines Naturvolkes" 788 . Im Leben der Bienen stelle sich insgemein "das Ideal menschlich vollkommenen, des römisch-bäuerlichen Gemeinwesens"789 dar. Dabei handelt es sich bei den Bienen nach Dahlmann "nicht um ein Gemeinschaftsgefüge, das zufällig gewisse vorbildliche Eigenschaften aufwiese, die dem Dichter paradigmatisch erschienen. Es handelt sich vielmehr um ein Gefüge schlechthinniger, absoluter Vorbildlichkeit, da es dem absolut Gültigen, Vernünftigen, Richtigen entspricht." 790 Vergil und später der clem. 1,19,2-4 auf Vergil zurückgreifende Seneca791

786

Ein guter Überblick über die verschiedenen Ansätze zur Deutung der Aristaeus-Geschichte und der Orpheus-Erzählung findet sich bei GRIFFIN 1979, 61f ( = 1985, 163165). 787

V g l . THOMAS 1 , 1 3 - 1 6 , MYNORS ZU 2 8 1 - 3 1 4 a . E . , HORSFALL 1 9 9 5 , 8 6 - 8 9 .

788

DAHLMANN 1 9 5 4 , 5 4 9 ( =

1970, 183).

789

DAHLMANN 1 9 5 4 , 5 5 5 ( =

1970, 189).

790

DAHLMANN 1 9 5 4 , 5 5 7 ( =

1970, 191).

791

DAHLMANN 1954, 547f. ( = 1970, 181f.).

Viertes Buch

207

verwendeten den Bienenstaat als das "schlechthin gültige Muster für die staatliche Gegenwart ihrer eigenen Zeit" 792 . Einwände gegen Dahlmanns Überlegungen sind vor allen von Klingner 793 erhoben worden. Nach ihm mag Vergils Ankündigung, mores et studia (5) zu besingen, durchaus an "Ethnographien im allgemeinen" erinnern. Auch trage die Form der Darstellung gewiß dazu bei, die Welt der Bienen jener der Menschen anzunähern. Dahlmanns Versuch, die einzelnen Abschnitte aus der Darstellung der Bienenwelt bestimmten Kategorien aus dem Bereich der ethnographischen Tradition zuzuordnen, sei jedoch ebenso gewaltsam wie dessen Bemühen, einzelne Abschnitte aus zeitgeschichtlichem Geschehen heraus zu deuten. Griffin allerdings teilt Dahlmanns Eindruck, die Darstellung der Bienen erinnere an die römische Frühzeit: "At 201 Virgil calls them (sc. seine Bienen) Romans, Quirites, and scholars have pointed out that the characteristic Roman virtues of labor and fortitude ..., and also concordia, are their leading qualities. There are clear resemblances with the praise of the Italian countryman and his virtuous life at the end of the second Geòrgie (work, justice, concord, and defence of home, children, and penates)."794 Zugleich hebt Griffin allerdings den Mangel an künstlerischer Betätigung seitens der Bienen hervor, auch dies in seinen Augen ein Zug, der sie mit Alt-Rom verbindet: "The virtues they exhibit are indeed the virtues of the old Roman people; but so are their deficiencies." 795 Vergils Bewunderung für die Tugenden der Bienen und AltRoms sei echt 796 , ebenso deutlich sei aber sein Bewußtsein des damit

792

DAHLMANN 1 9 5 4 , 5 6 1 ( =

793

KLINGNER 1 9 6 7 , 3 1 0 - 3 1 1 A N M . 1.

794

GRIFFIN 1 9 7 9 , 6 3 ( =

1970,

195).

1985, 165).

795

GRIFFIN 1979, 65 ( = 1985, 168). Vgl. auch ebd. 68 (173): "The bees presented him (sc. Vergil) with a powerful image for the traditional Roman state, in its impersonal and collective character," und 69 (174): "The bees ... with their collective virtues and their lack of individuality and art, serve as a counterpart to the old Roman character." 796 Vgl. GRIFFIN 1979, 69 ( = 1985, 174): "Their patriotism and self-denial ... are admirable. If Rome had only retained more of such qualities, then the tragedies and desasters of the Civil Wars, and of the end of the first Geòrgie, would never have occurred. Hence a real, not a feigned or insicere, admiration and nostalgia for them - and for their human form, the old Italian way of life: hanc olim veteres vitam coluere Sabini, hanc Remus et frater. "

Die Geórgica Vergils

208

notwendigerweise einhergehenden Ver lusts 797 . Ein anderes, allerdings noch düstereres Bild zeichnet Thomas. Er weist dabei, z.T. in Anlehnung an Wilkinson 798 , Dahlmanns Schlußfolgerungen zurück, folgt aber dessen Grundannahme. So hält er den "Kommunismus" der Bienen, die Methode ihrer Fortpflanzung und das Bild, welches Vergil vom monarchischen Wesen des Bienenstaates zeichnet, für schwer vereinbar mit der Deutung, Vergil wolle den Römern hier das Modell eines idealen Staates zur Nachahmung vor Augen stellen 799 . Die Anweisung an den Bienenzüchter, zur Vermeidung nutzlosen Schwärmens den Weiseln die Flügel auszureißen, lasse es kaum zu, die Schilderung der Bienenschlacht als ein Stück augusteischer Propaganda zu interpretieren 800 . Die Tatsache, daß die Welt der Bienen nach ethnographischen Kategorien dargestellt werde, zwinge allerdings zu der Annahme, daß die Gemeinschaft der Bienen als Entsprechung, Symbol, Vertreter einer menschlichen konzipiert sei 801 . Dabei handelt es sich nach Thomas allerdings nur insofern um eine bestimmte menschliche Gesellschaft, als es eine unter der Herrschaft Jupiters stehende, also von labor geprägte sei 802 . Nach Thomas geht es letztlich um das Scheitern einer von labor bestimmten Welt 803 . Ahnlich wie im Fall der laudes Italiae gilt Thomas' besonderes Augenmerk Abweichungen Vergils von der Tradition, die er als Aufmerksamkeit heischende darstellerische Mittel wertet, sowie

797

Vgl. GRIFFIN 1979, 71 ( = 1985, 176): "For love and art go hand in hand with furor and dementia, with subordinating reason and interest to emotion." 798 WILKINSON 1969, 175-182 ist allerdings alles andere als klar: Die Beschreibung der Stellung des Weisels habe konkrete zeitgeschichtliche Obertöne, die Schilderung der Bienenschlacht sage allgemein etwas über die Hinfälligkeit menschlicher Unternehmungen v.a. im militärischen Bereich, die Darstellung der beiden Könige und ihrer Gefolgsleute wiederum erinnere an die beiden Parteien des Bürgerkriegs, der Rat, den Weiseln zur Vermeidung nutzlosen Schwärmens die Flügel auszureißen, warne jedoch davor, so weit zu gehen, das Ganze als Allegorie zu deuten. 799 800

THOMAS 1 9 8 2 , 7 2 f . THOMAS 1 9 8 2 , 7 2 f .

801

THOMAS 1982, 70: "... the fact that the bee world is presented in the form of an ethnography compels us to view their society as in some way analogous to, and symbolic of, a human one. They must represent a human society." (Hervorhebungen von mir) Vgl. auch ebd. 76: "In the Fourth Geòrgie, Virgil has presented us with a society which, through the device of ethnography, is a virtual paradigm for human society," und dens, zu 1-7: "... the bee society is intended to evoke a human society. ... The question the fourth book then poses ... concerns the nature of that human society." 802 THOMAS 1982, 74-77. 803

V g l . THOMAS 1 9 8 2 , 7 6 ; 7 7 ; 8 0 ; 8 4 ; 8 6 ; 8 7 .

Viertes Buch

209

verdeckten Äußerungen, mit denen Vergil geradeheraus getane, zuversichtlich erscheinende Behauptungen hohl erscheinen lasse 804 . Im folgenden sollen die genannten Deutungen am Text des vierten Buches überprüft werden, wobei Abschnitt für Abschnitt vorgegangen werden soll, um der Gefahr zu entgehen, durch einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Stellen fehlgeleitet zu werden. Auch meine eigene Deutung von Vergils Darstellung des Bienenstaates, die dabei deutlich werden wird, dürfte so am einfachsten zu wägen sein. Eine allgemeine Bemerkung allerdings vorweg: Es trifft gewiß zu, daß im vierten Buch das präskriptive Element in den Hintergrund tritt 805 . Dies ist jedoch keine Entwicklung, die erst im vierten Buch einsetzt, vielmehr vollzieht sich diese, wie Burck gezeigt hat 806 , in den Geórgica insgesamt von Buch zu Buch fortschreitend. Sie entspricht der zunehmenden Selbstbestimmtheit der Lebensstufen, die von der Pflanze bis zum Tier aufsteigend behandelt werden 807 . Diese Entwicklung findet sich auch nicht allein bei Vergil, sondern ebenso bei den Fachschriftstellern 808 , v.a. natürlich, wenn es sich wie bei der Historia Animalium des Aristoteles, die nachweislich auf Vergil eingewirkt hat 809 , nicht um ein Handbuch für die Landwirtschaft, sondern eine zoologische Studie handelt. Bei den Bienen hat diese Selbstbestimmtheit die verhältnismäßig höchste Stufe erreicht und erlaubt die ebenfalls bei den Fachschriftstellern vorgebildete Beschreibung der Welt der Bienen mit Begriffen, die dem menschlichen Bereich entstammen. Letztlich scheint sie mir jedoch auch bei Vergil ihre Eigenständigkeit zu behalten. So verschwindet auch das präskriptive Element nicht völlig, was ganz von selbst immer wieder die Verschiedenheit der Welt der Bienen und der der Menschen in Erinnerung ruft, und ebenso finden sich auch in den deskriptiven Partien Stellen, die eine Gleichsetzung der Welt der Bienen mit der der Menschen letztlich verbieten: Vergil spielt dabei geradezu Gleichheit und Ungleichheit fortwährend gegeneinander aus. Nun aber zum Einzelnen.

M

THOMAS 1 9 8 2 , 7 6 f .

805

DAHLMANN 1 9 5 4 , 5 5 2 ( =

806

BURCK 1926, 58-78 (besonders 65; 73; 75; 77f.).

807

BURCK 1 9 2 6 , 7 3 .

1970,

186).

808

BURCK 1 9 2 6 , 7 3 ; 7 7 f .

809

JAHN 1904, passim (besonders 66f.).

210

Die Geórgica Vergils

4.2. Proöm Die Stimmung zu Beginn des vierten Buches unterscheidet sich deutlich von der am Ende des dritten. Wurde dort eine verderbliche Seuche beschrieben, die morbo caeli entstanden war (478), so wird nun in 4 , l f . ein ganz anderer Gegenstand angekündigt: protinus aeri fi10 mellis caelestia dona exsequar: harte etiam, Maecenas, aspice partem. Dabei schließt Vergil zugleich deutlich an das Binnenproöm zur zweiten Hälfte des dritten Buches an, indem er mit hanc ... partem in 2 pars altera curae aus 3,286 aufnimmt. Auch die folgenden Überlegungen zur Bedeutung des zu behandelnden Gegenstandes erinnern an die Einleitung zu den Ausführungen über Schaf- und Ziegenhaltung. Während Vergil im dritten Buch jedoch davon sprach, er wisse, eine wie große Aufgabe es sei, mit Worten seinen Gegenstand zu bemeistern und so begrenzte Dinge zur Ehre der Darstellung zu bringen, so klingt dies in 4,3-7 jetzt etwas anders:

5

admiranda tibi levium spectacula rerum magnanimosque duces totiusque ordine gentis mores et studia et populos et proelia dicam. in tenui labor; at tenuis non gloria, si quem numina laeva sinunt auditque vocatus Apollo.

Diese Verse geben die Begründung für die Aufforderung an Maecenas aus 2b: spectacula in 3 greift dabei auf aspice zurück. Der von spectacula abhängige Genitiv levium ... rerum erinnert gewiß zunächst an angustis... rebus aus 3,290. Zugleich ist allerdings von admiranda ... spectacula die Rede. Und dieses admiranda steht von seinem Beziehungswort getrennt nachdrücklich zu Beginn des Verses. Das ebenfalls von seinem Beziehungswort getrennte levium ist hinter die Penthemimeres gestellt. Insgesamt scheint es nicht so, als wüchse den leves res erst durch Vergils Darstellung Anspruch auf admiratio zu 811 . Das vertrüge sich auch schlecht mit dem Ton, in dem in 1 die aerii mellis caelestia dona eingeführt wurden. Vielmehr scheint die Tatsache, daß es sich um leves res handelt, das Staunen zu einem guten Teil mitzubegründen. leves res

810

Bei Lukrez spielte am Ende des sechsten Buches von De rerum natura neben caelum der Begriff aer eine große Rolle: 1097; 1118; 1120; 1128. 811 Anders P A G E ZU 3.

Viertes Buch

211

dürfte daher durch "leichtgewichtige Dinge" wiederzugeben sein und wohl kaum auf die mangelnde Bedeutung der Bienenwelt als vielmehr auf das geringe Körpergewicht der Bienen gehen. Man vergleiche auch leves in 55. Hier deutet sich gleich zu Beginn eine fruchtbare Spannung an, die Vergil im folgenden zu einem beständigen Spiel zwischen Klein und Groß ausnutzen wird 812 . Etwas Spielerisches erhalten auch die eine Ausfaltung 813 zu Vers 3 bildenden Verse 4-5, wenn Vergil als erstes Beispiel für die admiranda ... levium spectacula rerum die magnanimos ... duces nennt. Man vergleiche in diesem Zusammenhang u.a. die Aussage über das Verhalten der Weisel während der im weiteren Verlauf beschriebenen Bienenschlacht: ingentis ánimos angusto in pectore versant (83) 814 . Indem Vergil die Aufzählung in den Versen 4-5, die durch die polysyndetische Fügung noch besonderes Gewicht erhält, durch die Ausdrücke magnanimos ... duces undproelia rahmt, vergleicht er nicht einfach die kleine Welt der Bienen mit der großen der Menschen - das würde ja wohl auch das Attribut admiranda nicht ausreichend rechtfertigen -, sondern verleiht ihr geradezu die Dimensionen des Epos 815 . Der spielerische

812

Vgl. THOMAS ZU 3. Daß er dem Dichter "humorous intent" abspricht, ist vor dem Hintergrund seiner Deutung des Gedichts verständlich. Vergils Humor läßt sich eben kaum mit einer durchgängig pessimistischen Weltsicht vereinbaren. 813

814

S o richtig CONINGTON zu 3.

GRIFFIN 1979, 64 ( = 1985, 167) bemerkt zu dieser Stelle: "... it is clear that Virgil presents the bees and their community in a way which combines admiration ('ingentes ánimos') with a cool sense of proportion ('angusto in pectore')." Auch hier scheint mir das Spielerische letztlich nicht recht gesehen. 815 Vgl. den von THOMAS zu 4-5 gegebenen Hinweis auf ecl. 6,3 und Aen. 7,41f. Innerhalb des Rahmens halten sich an unserer Stelle totius ... gentis mores und studia et populos die Waage. FARRELL 1991, 252 macht darauf aufmerksam, daß "the first extended narrative simile of the Iliad" die zur Heeresversammlung strömenden Griechen mit Bienen vergleicht (Horn. II. 2,87-93). 12,167-172 werden Polypoites und Leonteus, die den Eingang zum Schiffslager der Griechen bewachen, mit Wespen oder Bienen verglichen, die die Jungen in ihrem Bau verteidigen. 16,259-267 werden die sich zum Kampf aus den Schiffen ergießenden Myrmidonen am Wegesrand nistenden Wespen gegenübergestellt, die von Knaben geneckt oder von einem Wanderer unwillentlich gereizt plötzlich aus ihrem Stock hervorbrechen, um mutig ihre Jungen zu schützen. In der Odyssee finden sich keine Bienengleichnisse. Lycophr. Alexandra 293-297 werden die von den Troern im Schiffslager eingeschlossenen und von Feuer und Rauch verwirrten Griechen mit Bienen verglichen. 180-182 erscheinen die durch Paris erzürnten Griechen als Wespen, die von einem Kind mit Rauch aus ihrem Nest gescheucht werden. Apoll. Rhod. 2,130-136 verhalten sich die Bebryker gleich Bienen, die von einem Hirten oder Imker mit Rauch aus ihrem Stock getrieben werden. Zu 1,879-885, wo die Frauen von Lemnos, die sich um die ihre Abfahrt vorbereitenden Argonauten drängen, mit Bienen verglichen werden, die aus ihrem Nest hervorbrechen und die Blumen umschwärmen, vgl. DRÖGEMÜLLER

212

Die Geórgica Vergils

Zug sollte davor warnen, die Bienen auf ein Symbol der menschlichen Gesellschaft festlegen zu wollen. Ebensowenig ist eine Reduzierung der Bienen auf ein Abbild der menschlichen Gesellschaft mit Vergils Staunen über das Wundersame dieser Welt vereinbar 816 . Denn dadurch wird das Hauptgewicht auf die Welt der Bienen selbst gelegt817. Auch in den Versen 6-7 setzt sich der spielerische Zug fort. Dabei dürfte in tenui labor kaum soviel bedeuten wie "the toil is on a trivial theme" 818 . Eine solche Auffassung scheint nach dem über das Vorausgehende Gesagten kaum möglich zu sein, in tenui kann nicht auf die geringe Bedeutung des Themas gehen, sondern allein auf den Miniaturcharakter der Bienenwelt819. Dabei spielt Vergil, wie Thomas gesehen hat, wohl zugleich mit dem kallimacheischen Ideal des κατά Xewróp (Aet. I, frg. 1,11 Pf.; vgl. auch Epigr. 27,3f. Pf.) geschaffenen Gedichts 820 . Das -γένος λεπτό ν entspricht ja dem genus tenue wie das yévoç υψηλόν 821 dem genus grande . Horaz verweigert sich carm. 1,6,9 der epischen

1956, 242ff. (ebd. 218ff. zu 2,130-136). In der Aeneis finden sich drei Bienengleichnisse.· l,423ff. (die arbeitsteilig an ihrer Stadt bauenden Tyrier); 6,703ff. (die den Fluß Lethe umschwärmenden Seelen); 12,583ff. (die durch den Angriff des Aeneas in ihrer Stadt eingeschlossenen und verwirrt durcheinanderstürzenden Latiner). Quint. Smyrn. 3,219bff. werden die gegen Aias andringenden Troer mit Bienen verglichen, die den Imker umschwärmen, während er unbeeindruckt die mit Honig gefüllten Waben ausschneidet. 816 Vgl. die Überschrift, die Appius bei Varrò rust. 3,16,3 für seine Ausführungen über Entstehung und Wesen der Bienen wählt. Er fordert Axius auf, ihn de incredibili earum arte naturali anzuhören. Was bei Varrò Gaben der Natur sind, sind bei Vergil solche der Götter (vgl. v.a. 149-150b: nunc age, naturas apibus quas Iuppiter ipse/ addidit expediam...). Die Tatsache, daß die Welt der Bienen bei Varrò wie bei Vergil von Anfang an als etwas charakterisiert wird, was zum Staunen Anlaß gibt bzw. unglaublich scheint, warnt davor, einen späteren Hinweis auf das Wundersame dieses oder jenes Einzelzuges als Hervorhebung seiner Unwirklichkeit zu betrachten. Anders allerdings THOMAS zu 3. 817 In diesem Sinne ist WILLIAMS 1956, 170 zuzustimmen, wenn er bemerkt: "The fourth book of the Georgics ... is rich in suggesting to its readers different levels of meaning and significance at the same time, but it is in no sense an allegory. It is about bees before it is about anything else." Ablehnend wird der letzte Satz bei THOMAS 1982, 70 zitiert. 818 PAGE zu 6 (Hervorhebung von mir). Ähnlich auch das OLD 1922 s.v., welches unsere Stelle unter 9 ("Having little importance, trivial, slight.") einordnet. 819 Als tenuis wird bei Varrò At. carm. frg. 22,7 Blänsdorf und Mart. 6,15,2 die Ameise bezeichnet. Zu Verwendung des substantivierten Neutrums vgl. Cie. ac. 2,66 (rationeshas latiore specie non ad tenue limatas). 820 Vgl. THOMAS zu 6 und dens. 1,3. Auch hier scheinen allerdings die Unterschiede gegenüber dem Binnenproöm des dritten Buches übersehen zu werden. Das Spielerische im Umgang mit dem kallimacheischen Ideal wird ebenfalls nicht recht gewürdigt. 821

Z u m folgenden vgl. METTE 1961.

Viertes Buch

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Dichtung (grandia), indem er sich selbst als tenuis bezeichnet, und 3,3,70b-72 fordert er seine Muse auf: 70

... desine pervicax referre sermones deorum et magna modis tenuare parvis922.

Auch Kallimachos lehnt für sich Gedichte über Helden und Könige ab (Aet. I, frg. 1,1-6 Pf.). Er will nicht brüllen wie ein Esel, sondern in die Rolle der kleinen, geflügelten Zikade schlüpfen und singen, indem er sich vom Tau ernährt, von der reichlichen Speise aus göttlicher Luft (Aet. I, f r g . l , 3 0 f f . Pf.). M a n vergleiche damit die aerii mellis caelestia dona aus

georg. 4,1, denen Vergil im vierten Buch der Geórgica nachgehen will. Am Ende seines Hymnus auf Apoll läßt Kallimachos den Gott als Antwort auf die Einflüsterungen des Φ Θάνος der gewaltigen Flut des assyrischen Stromes, der viel Schmutz mit sich führe, den reinen, schmalen Wasserlauf gegenüberstellen, aus dem die μεΚωσαι genannten Priesterinnen der Demeter schöpften (105ff.). An der Stelle des Φ Θάνος findet sich im Prolog der Aitia das Βασκανίης

όλοον yêvoç (Aet. I, f r g . 1,17 Pf.).

Dies mag hinter den zusammen mit Apoll erwähnten numina laeva in georg. 4,7 stehen. Horaz vergleicht sich carm. 4,2,27bff. dann übrigens bemerkenswerterweise nicht mit einer Zikade, sondern mit einer winzigen Biene: ... ego apis Matinae more modoque, 30

grata carpentis thyma per laborem823 plurimum, circa nemus uvidique Tiburis ripas operosa parvus carmina fingo.

Indem Vergil die Welt der Bienen behandelt, hat er die Möglichkeit, sowohl das Ideal des Kallimachos zu erfüllen wie auch reges et proelia (ecl. 6,3) zu besingen.

822

Zu leviurn ... rerum in georg. 4,3 vgl. die Nympharum Hör. carm. 1,1,31 und leviore plectro ebd. in 2,1,40. 823 Vgl. labor in georg. 4,6.

leves cum Satyris chori in

214

Die Geórgica Vergils

4.3. Der Bienenstock, das Schwärmen und der Garten des korykischen Greises Nach der Einleitung beginnt Vergil mit einem Abschnitt über den Bienenstock, wo er angelegt und wie er gestaltet werden soll (8-46824). Dahlmann ordnet Vergils Ausführungen zu diesem Thema der ethnographischen Kategorie τepl τόπων zu 825 . Bemerkungen zur Anlage des Aufenthaltsortes der Tiere fanden sich aber auch schon zu Beginn der zweiten Hälfte des dritten Buches über die Schaf- und Ziegenhaltung (295ff.). Varrò rust. 3,16,12-17 werden die Umgebung des Stockes und seine Bauweise in der Tat erst im Anschluß an die Entstehung der Bienen und ihr Wesen (3,16,4-9) behandelt. Dabei wird zwischen den Bemerkungen über die Entstehung der Bienen und denen über ihr Wesen eine etymologische Verbindung hergestellt: Man vergleiche nascuntur zu Beginn von 3,16,4 und natura in 3,16,4 und physica in 3,16,9. Die Bemerkungen über Entstehungsweise und Wesen der Bienen wiederum bilden den Beitrag des Appius zum Thema Bienen, welchen er in 3,16,3 mit de incredibili earum arte naturali überschreibt. Varrò war sich dabei jedoch offensichtlich durchaus der Schwierigkeit bewußt, in einem Handbuch für die Landwirtschaft an den Anfang des Abschnitts über die Bienenzucht zunächst einmal lange Ausführungen über das Wesen der Bienen zu setzen. Das verdeutlicht die kunstvolle Hinführung auf den Gegenstand in dem einleitenden Wortwechsel zwischen Appius und Axius (3,16,1-3). Man vergleiche auch die rückblickende Schlußbemerkung des Appius in 3,16,9: sed, o Merula, Axius noster ne, dum haec audit physica, macescat, quod de fructu nihil dixi, nunc cursu lampada tibi trado, sowie die wohl ein wenig ungeduldige Zwischenbemerkung des Axius, als Merula dann in der Tat de fructu zu sprechen begonnen hat: die igitur, inquit, ubi et cuius modi me facere oporteat alvarium, ut magnos capiam fruetus (3,16,11). Am Ende kommt Merula auf sein Eingangsthema zurück (nun allerdings mit konkreten Anweisungen): quod ad pastiones pertinere sum ratus quoniam dixi, nunc iam, quoius causa adhibetur ea cura, de fructu dicam (3,16,32). Vergil hat seine Angaben zur Entstehungsweise teils mit seinen Darlegungen zum Wesen der Bie824

Zu 47-50 vgl. unten Anm. 843. DAHLMANN 1954, 549f. ( = 1970, 183f.). Im übrigen wird bei Dahlmann nicht ganz klar, ob er den ersten Teil, den er irepl τόπων überschreibt, nun in den Rahmen, den er durch den Ablauf des Bienenjahres gegeben sieht, einordnet oder nicht. Es fragt sich, ob der Ablauf des Bienenjahres für die Anordnung des Stoffes wirklich eine solche Rolle spielt. 825

Viertes Buch

215

nen zwischen seine Bemerkungen zur Umgebung und Bauweise des Stockes und zum Schwärmen auf der einen und seine Ausführungen zur Honigernte und zur Pflege des Schwarmes auf der anderen Seite gerückt. Aus der Bugonie, die Appius als eine Möglichkeit für die Entstehung von Bienen erwähnt, hat Vergil dagegen den Stoff des Finales gewonnen. Was nun den Abschnitt über Umgebung und Anlage des Bienenstocks selbst betrifft, so wird wie bei Varrò auch bei Vergil nicht einfach der Aufenthaltsort der Bienen beschrieben, wie er ist, vielmehr wird gesagt, wie er aussehen solle 826 , und es werden Anweisungen zu seiner Gestaltung gegeben. Der Abschnitt setzt nach dem Proöm betont lehrhaft ein 827 . Und was gerade noch eine gens mit populi und magnanimi duces, mit mores, studia und proelia war, sind nun schlicht apes, für die ein Aufenthaltsort gefunden werden muß. Anschließend wird beschrieben, wie die Umgebung des Stockes auszusehen habe, in 26 folgt eine unmittelbare Aufforderung an den Bienenzüchter, gestaltend einzugreifen. Dies erscheint im Licht des unten beschriebenen Spiels zwischen Klein und Groß gerade an dieser Stelle sehr passend. Innerhalb der Bemerkungen zum Bau des Stockes bilden die Anweisungen an den Bienenzüchter dann den Rahmen für eine Beschreibung der Eigentätigkeit der Bienen. Liegt allerdings im Mittelteil in der Tat das Gewicht auf der Tätigkeit der Bienen, so fällt am Ende die Wendung an den Bienenzüchter umso deutlicher aus (33: tibi; 37: illae; 45: tu tarnen). Thomas nun sieht Vergil hauptsächlich bemüht, die Gefahren hervorzuheben, denen die von diesem im vierten Buch beschriebene Welt der Bienen ausgesetzt ist, Gefahren, von denen auch die in den Büchern 1 und 3 behandelten Welten bedroht gewesen seien. Angesichts der Nähe der Welt der Bienen zu der der Menschen gelten nach Thomas Aussagen über jene dann auch für diese 828 . Damit scheinen mir allerdings Ton und Intention der Passage verfehlt zu sein; denn natürlich geht es in diesem Abschnitt um die Winzigkeit und Schutzbedürftigkeit der Bienen, doch darf man meiner Ansicht nach das Spielerische der Darstellung nicht übersehen. Dieser spielerische Zug kommt schon in der Aufzählung dessen, was der Bienenzüchter aus der Umgebung des Stockes fernhalten soll, deutlich

826 YG] HUXLEY ZU 13-19: "absint ... adsint: the emphatic placing of these antonyms strikes a heavily didactic note." Vgl. absint in 3,385. 827 Vgl. BURCK 1926, 75. 828

THOMAS 1 9 8 2 , 7 7 - 8 0 .

216

Die Geórgica

Vergile

zum Tragen (8-17) 829 . Da sind zunächst die Winde, die die Bienen hindern, ihre Nahrung nach Hause zu tragen, dann Schafe und stößige Böcke, die übermütig auf den Blumen herumspringen, und die auf dem Feld umherschweifende Färse, die den Tau herabschüttelt und die Gräser niedertrampelt (8-12). Die Eindringlinge werden geradezu detailverliebt beschrieben. So sind die Böcke petulci (10) und die Färse wird als errans ... campo bezeichnet (11). Dabei dürfte sich weniger die Vorstellung einer ernstlichen Bedrohtheit der Bienen einstellen, vielmehr wird hier doch wohl eher mit ihrer Winzigkeit gespielt 830 . Die Detailverliebtheit steigert sich im folgenden noch, wenn in 13-17 vor den Eidechsen als den picti squalentia terga lacerti (13) und nach den Bienenspechten und anderen Vögeln vor der Schwalbe als der manibus Procne pectus signata cruentis (15) gewarnt wird. Hier kommt ein stark pathetischer Ton hinein, der in der Begründung für die Verbannung der genannten Vögel aus der Umgebung des Stocks in 16f. noch gesteigert wird: omnia nam late vastant ipsasque volantis ore ferunt dulcem nidis immitibus escam.

829 Arist. HA 626a7-10; 30-32 nennt als Feinde der Bienen Wespen, Meisen, Schwalben, Bienenspechte (die letzten beiden auch bei Vergil), Sumpffrösche und die Kröte. All diese natürlichen Feinde soll der Bienenzüchter aus der Nähe des Stocks entfernen. 627b4-6 wird neben den nochmals erwähnten Wespen auch das Vieh angeführt, allerdings ohne genaue Bezeichnung der von ihm ausgehenden Bedrohung. 830 Vgl. MYNORS ZU bucula in 11: "... Neither dew nor grass is of immediate interest to bees, but they make more vivid the clumsiness of the intruder." Letzteres trifft zweifellos zu. Unter herba sind allerdings wohl Kräuter zu verstehen, aus denen die Bienen Wachs gewinnen, wie es bei Colum. 9,4,5 heißt: iam vero notae vilioris innumerabiles nascuntur herbae cultis atquepascuis regionibus, quae favorum ceras exuberant. Vgl. auch Pallad. 1,37,3 über die Anlage eines Bienenstocks: herbas ... plano post frútices conseremus. Bei ros wird man an die Vorstellung vom Honig als Himmelstau aus Vers 1 denken (vgl. oben S. 210). Celsus unterschied nach Colum. 9,14,20 zwischen den Blüten als Quelle der Wachsherstellung und dem Tau als Basis der Honigproduktion (das Celsuszitat findet sich auch bei Serv. auct. georg. 4,1). Bei Vergil selbst heißt es georg. 2,212f. zu den Nachteilen mageren Kiesbodens:

nam ieiuna quidem clivosi glarea ruris vix humilis apibus casias roremque ministrat. In 1,131 ist es übrigens Jupiter, der den Honig von den Blättern schlägt: mella ... decussi! foliis. Es ist erstaunlich, daß den Pessimisten diese "Parallele" entgangen ist.

Viertes Buch

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Die Begriffe vastare und immitis scheinen hier erstmals mit Bezug auf Tiere verwendet831, vastare gebraucht Vergil sonst nur in der Aeneis und nur von Menschen 832 , immitis hat er noch einmal in georg. 4,492 von Pluto und in Aen. 1,30 bzw. 3,87 zweimal von Achill. Man mag in diesem Zusammenhang vielleicht auch an Horn. II. 1,4-5 denken, wo der verderbliche Zorn des Achill die Leichname der Helden den Hunden zur Beute und (liest man den Text Zenodots) den Vögeln zur Speise macht 833 . Wenn Vergil dann in 18-29 834 darstellt, was das Umfeld, in dem die Bienen leben sollen, dagegen bieten solle, so geht es auch dabei natürlich um die Abwehr von Gefahren, allerdings überwiegt doch wohl der Eindruck eines zu schaffenden locus amoenus. Zum anderen ist auch hier das Spielerische der Darstellung nicht zu übersehen. So wird der

831

Zu vastare vgl. OLD 2014f. s.v. 2b, zu immitis TLL 7,1, 467f. Es begegnet bei Catull erstmals in der Dichtung (64,94; 138; 245). 832 Aen. 1,471 (vgl. auch das dortige cruentus mit cruentis in georg. 4,15); 622; 8,8; 374. 833 Vgl. Aen. 9,485f. 834 Die Authentizität der Verse 30-32 scheint mir zweifelhaft, haec circum in 30 wirkt etwas unbestimmt. HEYNE ZU 30 glossiert es mit "circa fontes et stagna" (so auch WAGNER zu 30), CONINGTON zu 30 übersetzt: "around this watered spot where the apiary is to be." Die Verse fallen insofern aus dem Zusammenhang, als nur in ihrem Fall nicht gesagt wird, welchem Zweck die gegebene Anweisung dienen soll: vgl. dagegen nam in 9, nam in 16 (die Begründung für die Forderung nach der Abwesenheit von Schafen, Ziegen und Rindern liegt in der Darstellung dessen, was sie anrichten können), ut in 21 (durch den wf-Satz wird sowohl die Forderung nach dem Vorhandensein eines Kühlung versprechenden Wasserlaufs wie auch die nach dem Vorhandensein eines Schatten spendenden Baumes begründet), ut in 27 und schließlich nam in 35. Dabei geht es jeweils um die Abwehr von Bedrohungen. Auch dem fügen sich die Verse 30-32 schlecht. Zum Zusammenhang zwischen 18-29 einer- und 33-46 andererseits vgl. calor in 36 und calori in 23, hiems in 36 mit Eurus in 29 sowie Varrò rust. 3,16,37. Wären die Verse 30-32 echt, erschienen 109-111 (112-115 sind wohl ebenfalls unecht; vgl. unten Anm. 862) ein wenig wie eine Doppelung, irriguus findet sich ebenso wie thymbra und violaría nur an der vorliegenden Stelle. In aktiver Bedeutung ist es zuvor überhaupt nicht belegt (vgl. TLL 7,2,421,26ff.). 2,485 begegnet allerdings das gewiß echte riguus, für das es bei Vergil sonst ebenfalls keinen Beleg gibt (das gleiche gilt für das sicher ebenfalls echte rosaría in 119), in aktiver Verwendung. Mit dem Ausdruck graviter spirare wird in Aen. 7,753 der giftige Hauch einer Schlange bezeichnet. Allerdings wird auch der Ausdruck grave olere einmal von den Ausdünstungen des Avernersees (Aen. 6,201), ein anderes Mal aber vom Duft des Tausendgüldenkrauts verwendet, das in georg. 4,270 der Nahrung für die erkrankten Bienen beigemischt werden soll. Tib. 2,1,44 muß dagegen wohl keine Nachahmung unserer Stelle sein, sondern kann ihr auch als Vorlage gedient haben. Calp. ecl. 2,49 hat irriguo ... fonte.

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D i e Geórgica

Vergils

Eingang des Stocks in 20 als vestibulum bezeichnet835, ist gleich darauf in 21f. von reges und iuventus836 die Rede. Der Ölbaum über dem Eingang des Stocks in 20 erscheint den Bienen allerdings als ingens837, in 26 sind ihnen die über das Wasser gelegten Stöckchen salices und die ins Wasser geworfenen Steinchen grandia saxa, in 29 das Wasser selbst Neptunus und der Wind EurusS3S. Auch hier verkennt Thomas den Ton der Passage, wenn er meint, Vergil sei mit dem Hinweis auf den Sturm von der in der Fachschriftstellerei gegebenen Begründung abgewichen bei Varrò rust. 3,16,27 soll es den Bienen durch kleine Inseln ermöglicht werden zu trinken -, um erneut die Gefahrdung der Welt der Bienen hervorzuheben 839 . Worauf es Vergil ankam, sieht man, wenn man Varros testae und lapilli mit Vergils grandia saxa und Varros Wasser, welches nicht tiefer als zwei oder drei Finger sein soll, mit Vergils Neptunus vergleicht. Vergil selbst hatte noch kurz zuvor in 19 von einem tenuis ... rivus gesprochen. In 33-46 kommt Vergil auf die Anlage des Stocks selbst zu sprechen. Dabei empfiehlt er, die Eingänge eng zu gestalten, da die Bienen durch Hitze und Kälte gleichermaßen bedroht würden (33-37a). Darin daß Vergil hier von der Fachschriftstellerei abweicht - bei Aristoteles diene die Verengung der Eingänge durch die Bienen der Abwehr von

835

Vgl. THOMAS ZU 20. Die antiken Etymologien zu vestibulum bei MARQUARDT/MAU 1886, 227 Anm. 2. 836 Ygj HUXLEY zu 22: "... A prominent feature of Geo.4 is the application to the bees of military and epic terminology." Vgl. auch THOMAS ζ.St. 837 THOMAS zu 20. 838 Vgl. LSD zu 26f.: "Die Stäbe und Kiesel erscheinen den Bienen als ganze Weiden und mächtige Felsen ..., das Wasser als der Ocean." Vgl. auch PAGE zu 26 und HUXLEY zu 29. Ebd. auch ein Hinweis auf Aen. 3,605: spargile me in fluctus vastoque immergite ponto. CONINGTON zu 29 bleibt an der Oberfläche, wenn er meint: "'Neptuno' is intended 'angustis rebus addere honorem.'" Vgl. S. 210ff. Völlig humorlos THOMAS ZU 29: "the magnification and elevation of language increase the sense of danger." Vgl. Anm. 812. 839 Varrò spricht rust. 3,16,37f. allerdings von Bienen, die trotz ihrer Wetterfühligkeit beim Honigsammeln von einem plötzlichen Regen oder Kälteeinbruch überrascht werden (vgl. georg. 4,28f. : si forte morantisl sparserit... praeceps ... Eurus). Diese solle man in einem Gefäß sammeln, erwärmen und in die Sonne legen (vgl. georg. 4,27f.: ut ... possint ... alas/ pondere ad aestivum solem). Sie würden sich dann wieder erholen. Dasselbe geschehe bei durch Wasser getöteten ( = ertrunkenen?) Fliegen. Die Wiederbelebungsversuche sollten in der Nähe des Stockes ausgeführt werden, damit die Bienen umso schneller zu ihrer Wohn- und Arbeitsstätte zurückkehren könnten. Vgl. auch die vascula mit Honigwasser, die manche Imker nach Varrò rust. 3,16,28 in der Nähe des Stockes aufstellen, versehen mit einem Faden aus reiner Wolle, per quam sugant, uno tempore ne potu nimium impleantur aut ne incidant in aquam.

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Eindringlingen -, sieht Thomas einen Hinweis darauf, daß es Vergil darauf angekommen sei, das Bild einer von den Naturkräften bedrohten Lebensform zu zeichnen. Erstaunlich ist dann allerdings, daß die Gefährdung nicht so sehr den Bienen selbst als vielmehr vor allem dem Honig gilt. Weder bei Varrò noch bei Aristoteles wird dieser merkwürdige Zusammenhang hergestellt, obschon sich bei beiden Warnungen vor zu großer Hitze und Kälte finden. Bei Aristoteles werden sie im Rahmen eines Absatzes über die Bienenkrankheiten ausgesprochen (HA 626b22f.). Varrò bezeichnet extreme Temperaturen einmal als Gefahr für das Leben der Bienen (rust. 3,16,37), zweimal warnt er vor ihnen ohne Begründung, einmal zu Beginn seiner Bemerkungen über den Standort des Bienenstocks in rust. 3,16,12 und ein zweites Mal am Ende seiner Ausführungen über den Bau des Stockes in rust. 3,16,17, als er noch einmal auf die eingangs erwähnten Baustoffe zu sprechen kommt. Im Rahmen der Ausführungen über den Bau des Stockes bemerkt er in 3,16,16 ebenfalls ohne Begründung, daß die Eingänge klein sein sollen. Was lag für Vergil näher, als beide Aussagen zu verbinden und mit den bei Aristoteles in anderem Zusammenhang gemachten Angaben aufzufüllen, zumal die Verbindung der Verengung der Eingänge durch die Bienen mit der Abwehr von Eindringlingen bei Arist. HA 623b32 durch den Zusammenhang zwar nahegelegt, aber nicht ausdrücklich vorgenommen wird 840 ? Natürlich wird hier die Schutzbedürftigkeit der Bienen hervorgehoben, v.a. aber auch ihre erstaunliche Eigentätigkeit, die dem Imker als Vorbild und Ansporn für seine eigenen Maßnahmen vor Augen gestellt wird 841 . Dabei kam es Vergil bei der Darstellung von Schutz-

840

624a 13f. ist dann noch einmal von der Verengung des Eingangs an der Stockmündung die Rede - ohne Bezug zu Eindringlingen. Colum. 9,7,5 dient die Verengung des Eingangs sowohl dem Schutz vor Kälte wie dem vor Eindringlingen. 841 Die Verse 42-44 werden von ZWIERLEIN getilgt, wohl mit Recht. Im vorliegenden Zusammenhang geht es ja um die künstliche Anlage von Bienenstöcken und um den Beitrag, den der Imker dem Beispiel der Bienen folgend und ihr Tun unterstützend in diesem Zusammenhang zur Abwehr von Hitze und Kälte leisten soll. Zwei künstliche Stockarten werden in 33f. genannt, solche, die aus Rinde, und solche, die aus Weidenruten hergestellt sind (vgl. Varrò rust. 3,16,15 und Colum. 9,6). Sie sollen zum Schutz gegen Hitze und Kälte enge Zugänge haben (33-37a); die Bienen verklebten ja auch selbst von innen die Luftlöcher und verengten die Fluglöcher (37b-41). Der Bienenzüchter aber soll seinerseits (tu tarnen in 45 entspricht illae aus 37) ringsum die Ritzen mit Lehm verstreichen und Laub darüber streuen (circum und superin (ice) in 46 entsprechen in tectis aus 38, levi rimosa cubilia limo/ unguefovens in 45f. scheint das Gegenstück zu certatim tenuia cera/ spiramenta linunt aus 38f. zu bilden; Varrò rust. 3,16,16 empfiehlt: vitiles (sc. alvos) fimo bubulo oblinunt intus et extra, ne asperitate absterreantur.). Gedacht sein

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Die Geórgica

Vergils

maßnahmen gegen übergroße Hitze und v.a. Kälte842 wohl in besonderem Maße darauf an, auf die in 5Iff. beginnende Gegenbewegung vorzubereiten. Nachdem Vergil über Umgebung und Anlage des Stockes gesprochen hat, kommt er in 5Iff. auf das Schwärmen zu sprechen 843 , wobei er in 51-66 mit dem Ausschwärmen der Bienen im Frühjahr beginnt. Seine Darstellung scheint dabei unmittelbar an den Gedanken vom Schutz anzuschließen, den der Stock den Bienen gegen Hitze und winterliche Kälte gewährt: Sobald die Sonne den Winter unter die Erde treibt und den Bienen den Himmelsraum mit sommerlichem Licht erschließt, brechen diese aus dem Stock hervor. Man vergleiche v.a. hiemem in 51 mit hiems in 36. Wichtig für den übergreifenden Zusammenhang ist der Gedanke der Ansiedlung: vgl. sedibus in 65 und sedes in 8. Schließlich kommt durch den Hinweis auf das Schwärmen im Frühjahr ein zeitliches Element hinein, welches später im Abschnitt über die Honigernte in 228250 wiederaufgenommen werden wird 844 . Nachdrücklich betont Vergil auch hier die Selbsttätigkeit der Bienen: Sogleich bei Frühlingsbeginn kommen sie hervor, durchfliegen Wälder und Triften, ernten die Blumen ab und schöpfen Wasser von der Flußoberfläche, um für ihren Nachwuchs zu sorgen, neue Waben zu bauen und Honig zu erzeugen (51-57). Sobald der Imker dann einen Schwärm durch die Luft ziehen sieht, soll er Obacht geben und an dem Ort, an dem er die Bienen ansiedeln will, wohlriechende Kräuterextrakte versprengen sowie Zimbelklang ertönen lassen, woraufhin sie sich von selbst an dem gewünschten Ort niederlassen und sich, wie sie es gewohnt sind, im Innersten des Stockes bergen werden (58-66; beachtenswert v.a. das

kann hier doch nur an die künstlich angelegten Bienenstöcke aus 33f. und nicht an die Wohnstätten, die wilde Bienen nach 4 2 - 4 4 bereits unter der Erde, in Bimssteinen oder hohlen Bäumen eingerichtet haben. Der entsprechende Bezug wird jedoch durch die Verse 4 2 - 4 4 erheblich verdunkelt. T H O M A S 1 9 8 2 , 8 0 bemerkt zu den Versen, sie seien "gratuitous, and ... surely of little value to the bee-keeper". 842 Nach Colum. 9,7,4 ist Kälte für die Bienen schädlicher als Hitze. 843 Die Verse 47-50 führen mit ihren merkwürdigen Anweisungen ohne ersichtlichen Grund noch einmal zur Behandlung von Dingen zurück, die es in der Umgebung des Stockes nicht geben darf, und stören den Übergang zu den Ausführungen über das Ausschwärmen der Bienen im Frühjahr. Ihre bei RIBBECK 1866, 34 empfohlene und begründete Versetzung hinter 17 würde jedoch die Wirkung der Gegenüberstellung von absint zu Beginn von 13 und at .../ adsint... in 18f. beeinträchtigen. Daher dürfte man die Verse mit ZWIERLEIN ZU athetieren haben. 844 Vgl. auch die Einsätze in 5Iff. (ubi (51), sin autem (67), at cum (103)) mit denen in 228ff. (si quando (228), si vero (251), sed si (281)).

Viertes Buch

221

in 65 am Ende des Verses emphatisch wiederaufgegriffene ipsae sowie das more suo in 66 845 ). In mirabere in 60 kommt zum Ausdruck, daß dem Geschehen etwas Staunenswertes anhaftet. Ähnliches schwingt wohl auch in nescio qua dulcedine laetae in 55 mit. Nachdrücklich wird die heitere Stimmung des Frühlingstages nach der Vertreibung des Winters herausgestrichen. So erhält in 51 die Sonne, die den Winter unter die Erde treibt und den Bienen den Himmel mit sommerlichem Licht erschließt, das Beiwort aureus, und die Blumen, welche die Bienen in 54 abernten, bezeichnet Vergil als purpurees. Zur Erzeugung dieser Stimmung tragen auch die klangvollen Namen der Kräuter in 62bf. bei, mit deren Extrakt der Imker die Stellen besprengen soll, an die er den Schwärm locken will: ... hue tu iussos asperge sapores trita melisphylla et cerinthae ignobile gramen846.

Die cymbala in 64 wertet Vergil noch spielerisch auf, indem er sie mit dem orgiastischen Kult der Magna Mater in Verbindung bringt847. Die

845

Vgl. damit Varrò rust. 3,16,30f. über den Imker, der bemerkt, wie sich die Bienen auf das Schwärmen vorbereiten: a mellario cum id fecisse sunt animadversae, iaciundo in eas pulvere et circumtinniendo aere perterritae, quo volunt perducere, non longe inde oblinunt erithace atque apiastro ceterisque rebus, quibus delectantur. ubi consederunt, adferunt alvum eisdem inliciis litam intus et prope apposita fumo leni circumdato cogunt eas intrare: quae in novam coloniam cum introierunt, permanent adeo libenter, ut etiam si proximam posueris illam alvum, unde exierunt, tarnen novo domicilio potius sint contentae. Der Wurf einer Handvoll Staub zur Zerstreuung der Bienen findet sich bei Vergil im folgenden Abschnitt über ihr Ausschwärmen zum Kampf (86f.): vgl. unten S. 225. 846 Zusätzlich zu Varrò rust. 3,16,31 (oben Anm. 845) vgl. ebd. 6: considunt in eis (sc. locis) quorum sapor dulcís. 847 Die lautliche Gestaltung von 64 malt den hell-klirrenden und nachhallenden Klang der Zimbeln: tinnitusque eie et Matris quate cymbala circum. Vgl. Lucr. 2,618-620 über die Musikinstrumente im Zug der Magna Mater: tympana tenta tonant palmis et cymbala circum concava, raucisonoque minantur cornua cantu, et Phrygio stimulât numero cava tibia mentis, und Catull. 64,261-264 über den Zug des Bacchus (mit KROLL z.St.): plangebant aliae proceris tympana palmis aut tereti tenuis tinnitus aere ciebant, multis raucisonos efflabant cornua bombos barbaraque horribili stridebat tibia cantu.

222

Die Geórgica Vergils

Verse sind voll von der Beschreibung sinnlicher Reize, von Farben, Düften bzw. Geschmäcken und Klängen. Es fällt schwer, dieses Bild mit Griffins Sicht der Bienen als eines Abbilds des traditionell unmusischen römischen Staates übereinzubringen, zumal die Darstellung der Welt, in der sich die Bienen bewegen, und der Mittel, mit denen sie an ihren künftigen Aufenthaltsort gelockt werden sollen, durchaus musische Obertöne zu haben scheint. So heißt es bei Varrò rust. 3,16,7 über die Bienen: quae cum causa Musarum esse dicuntur volucres, quod et, si quando displicatae sunt, cymbalis et plausibus numero redducunt in locum unum; et ut his dis Helicona atque Olympon adtribuerunt homines, sic his floridos et incultos natura adtribuit montes. Man vergleiche in diesem Zusammenhang Lukrez, wenn er in 1,922-930 und 3,10b-13 von seiner Berufung spricht, die Philosophie Epikurs dichterisch zu verarbeiten: 1,922

925

930 3,10

... acri percussit thyrso laudis spes magna meum cor et simul incussit suavem mi in pectus amorem Musarum, quo nunc instinctus mente vigenti avia Pieridum peragro loca nullius ante trita solo, iuvat Íntegros accedere fontis atque haurire, iuvatque novos decerpere flores insignemque meo capiti petere inde coronam unde prius nulli velarint tempora Musae. ... tuis ...ex inclute (sc. Epicure) chartis, floriferis ut apes in saltibus omnia libant, omnia nos itidem depascimur aurea dieta, aurea, perpetua semper dignissima vita.

Die "Musikalität" der Bienen kommt auch zu Beginn des Abschnitts über ihr Wesen zum Ausdruck, wenn sie canoros/ Curetum sonitus crepitantiaque aera secutae den vor den Nachstellungen seines Vaters in einer Grotte auf Kreta verborgenen Jupiter versorgen (georg. 4,149152)848. Auch wenn Griffin die berühmte Aufforderung des Anchises an Aeneas aus dem sechsten Buch der Aeneis zitiert, wird das Problematische an seiner Interpretation deutlich849. Aen. 6,847-853 wird nämlich Insgesamt zur Lautmalerei bei Vergil vgl. den Anhang VII A bei NORDEN in seinem Kommentar zu Aen. 6 (414-417). 848 Als Gegengeschenk habe Jupiter ihnen ihr Wesen verliehen. Die Bienen sind also bei Vergil mehr noch als Musentierchen. 849 Vgl. Griffin 1979, 65f. ( = 1985, 169f.).

Viertes Buch

223

nicht gesagt, der Römer könne oder solle die zunächst genannten Künste, wie die bildende Kunst oder die artes liberales (die Dichtkunst wird bemerkenswerterweise nicht genannt), nicht ausüben, er solle sich nur nichts daraus machen, daß andere darin vielleicht (credo equidem, 848) besser (vgl. die Komparative mollius und melius in 847 bzw. 849) sein würden, sein Ruhm werde sich auf die Staatskunst gründen. Und im vierten Buch der Geórgica erscheinen gerade die Bienen als Meister der bildenden Kunst, wenn es z.B. in 56bf. heißt: hinc arte recentisl excudunt850 ceras et mella tenada fingunt851. Der Mittelteil (67ff.) behandelt das Ausschwärmen der Bienen zum Kampf, die Art und Weise, in welcher der Imker mit dieser Situation umgehen, und die Konsequenzen, die er aus ihr ziehen soll. Was bei Varrò rust. 3,16,18 durch Zuchtwahl vermieden werden soll, eine kriegerische Auseinandersetzung innerhalb des Schwarmes bei Vorhandensein zweier Könige, wird bei Vergil Wirklichkeit und zieht die Zuchtwahl nach sich. Der geschilderten Schlacht kommt hier zwar insofern noch eine gewisse Funktion zu, als sie den Imker auf die Notwendigkeit der Zuchtwahl hinweist, und zu Beginn geht es ja auch noch um die Anzeichen, aufgrund derer der Bienenzüchter sich auf das kommende Geschehen gefaßt machen kann. Dennoch gewinnt das deskriptive Element unbestreitbar ein hohes Eigengewicht. Ebensowenig läßt sich leugnen, daß die Welt der Bienen und die der Menschen hier weitgehend zu verschmelzen scheinen. Dabei dürfte allerdings das Geschilderte wohl weniger an einen Abschnitt über Bewaffnung und Kriegsbräuche in einer ethnographischen Studie als vielmehr an eine Kampfschilderung des heroischen Epos erinnern. Auch hier ist wieder das Spiel zwischen Klein und Groß nicht zu übersehen. So mag sich der Anfang von 67b-72 ja noch auf die Welt des Menschen übertragen lassen, am Ende heißt es dann aber ausdrücklich, daß der Klang, den man vor dem Ausrücken höre, den Klang einer Trompete nachahme852:

850

PAGE z.St. verweist übrigens sogar auf Aen. 6,847. Vgl. auch unten S. 236 mit Anm.

888. 851

Sollten 178b-181a doch echt sein, wären in diesem Zusammenhang auch 178b-179 zu nennen (zu daedala in 179 vgl. PAGE z.St.): vgl. unten Anm. 890. 852 Vgl. Varrò rust. 3,16,9: duces confìciunt quaedam ad vocem ut imitatione tubae; tum id faciunt, cum inter se signa pads ac belli habent. Vgl. auch CONINGTON zu 71 : "'Martius aeris canor' is explained by the next line to mean a sound OÍ of a trumpet."

224

70

Die Geórgica Vergile ... saepe duobus regibus incessit magno discordia motu, continuoque ánimos vulgi et trepidantia bello corda licet longe praesciscere; namque morantis Martius ille aerìs rauci canor increpat, et vox auditur fractos sonitus imitata tubarum.

In 73-76 scheint es gerade umgekehrt. Dort nimmt der Anfang auf die Natur der Bienen Bezug, während sich diese am Ende dann einem Heer vor der Schlacht angleichen:

75

tum trepidae inter se coeunt pennisque coruscant spiculaque exacuunt rostris aptantque lacertos et circa regem atque ipsa ad praetoria densae miscentur magnisque vocant clamoribus hostem.

In 77-81 verleiht das abschließende Gleichnis dem Geschehen einerseits deutlich epische Dimensionen 853 . Zum anderen macht es jedoch, indem es die fallenden Bienen zu Hagelkörnern und Eicheln in Beziehung setzt, eigentlich erst recht deren Winzigkeit bewußt:

80

ergo ubi ver nactae sudum camposque patentis, erumpunt portis, concurritur, aethere in alto fit sonitus, magnum mixtae glomerantur in orbem praecipitesque cadunt, non densior aere grondo, nec de concussa tantum pluit ilice glandis.

In 82-85 findet sich dann ein deutlicher Bezug auf das Proöm, wenn es von den Königen 854 heißt: ipsi per medias actes insignibus alis ingentis ánimos angusto in pectore versant,

853

Vgl. FARRELL 1991, 241. Vgl. auch KNAUER 1981, 895 zur verhältnismäßigen

Häufigkeit von Gleichnissen in der ersten Hälfte des vierten Buches der Geórgica. 854 ipsi in 82 greift auf regibus in 68 zurück. Zwischen 68 und 82 geht es um das Verhalten der Anhänger der beiden Weisel (vulgi in 69). Die femininen Formen trepidae in 73, densae in 75, nactae in 77 und mixtae in 79 verweisen darauf, daß hier die gewöhnlichen apes Subjekt sind. Die Könige erscheinen in 75 nur als diejenigen, um die sich ihre Anhänger jeweils zusammendrängen. In 82 kehrt Vergil zu den Weiseln zurück, von denen er in 67f. ausgegangen ist. Dies muß er tun, will er doch auf die Wahl des Weisels hinaus (ductores ... ambo in 88). usque adeo obnixi non cedere in 84 bezieht sich ebenfalls auf die Weisel, und gravis ... victor in 84f. meint den siegreichen Weisel, aut hos/ aut hos in 84/85 steht im Masculinum, weil die besiegte Gegenseite auch den besiegten Weisel einschließt.

Viertes Buch

85

225

usque adeo obnixi non cedere dum gravis aut hos aut hos versa fuga victor dare terga subegit.

Hier bietet Vergil uns nun also die magnánimos ... duces und die proelia, von denen in 4-5 die Rede war 855 . Zugleich findet sich in der Gegenüberstellung ingentis ánimos angusto in pectore das Spiel zwischen Groß und Klein aus dem Proöm wieder. Nachdem wir dann mit den Versen 84f. neuerlich ganz in das Fahrwasser der Illusion geraten sind, stellen die Verse 86f. mit ihrer Kontrastierung des Gewaltigen der Schlacht und vor allem der in ihr sich zeigenden Leidenschaften856 und der Handvoll Staub, die nötig ist, um sie zur Ruhe zu bringen, mit einem Mal die wahren Größenverhältnisse wieder her: hi motus animorum atque haec certamina tanta pulveris exigui iactu compressa quiescent*51.

855

Vgl. oben S. 210-212. Diese passen allerdings wohl kaum zur Annahme bei DAHLMANN 1954, 559 (= 1970, 193), die Bienen seien ein Muster stoischer άτάθ(ΐα. Ebensowenig will sich die 68 ausdrücklich benannte discordia (vgl. MYNORS z.St.) der Vorstellung von den Bienen als Paradeigma altrömischer concordia fügen (vgl. DAHLMANN 1954, 556 (= 1970, 190)). Daß es sich um eine Auseinandersetzung innerhalb eines Stockes handelt, legen auch 88ff. nahe, ebenso auch die Vorlagen (s. Anm. 857). 857 Vgl. CONINGTON z.St.: "Here Virg.'s humour breaks out, relieving what would otherwise be mere exaggeration. The rhythm of v.86 is evidently to be ultra-heroic, as well as the expression." Vergil hat in 67ff. vieles von dem, was bei Arist. HA 625b6ff. und Varrò rust. 3,16,29f. über das Schwärmen im Zusammenhang mit Koloniegründungen gesagt wird, auf Kämpfe unter Bienen übertragen. Dies lag wegen der Ausdrücke aus der Militärsprache bei Varrò und wegen der Nachbarschaft zwischen den Bemerkungen des Aristoteles über das Schwärmen und seinen Darlegungen zu Kämpfen zwischen den guten und schlechten Bienen auch nahe. Von letzteren ist bei Arist. HA 625a27ff. die Rede. Ebd. 16-19 heißt es, die Bienen töteten bereitwillig die meisten der Anführer, und zwar vorzugsweise die minderwertigen, weil eine Vielzahl von ihnen zur Auflösung des Schwarmes führen würde. Ähnlich sagt Varrò rust. 3,16,18, der Bienenzüchter solle darauf achten, daß es nicht mehrere Könige gebe, dies sei schädlich wegen der daraus sich ergebenden Auseinandersetzungen innerhalb des Schwarmes. Er solle daher den schlechteren schwarzen König töten, weil dieser sonst den besseren König verjagen oder selbst zusammen mit einer großen Menge des Stockes verjagt werden würde. Angesichts der sonstigen Übernahmen aus Varrò rust. 3,16,29f. lag es nahe, auch eines der dort genannten Mittel zur Verhinderung des Schwärmens auf die Beendigung der Schlacht zu übertragen und nicht auf die 3,16,35 zu diesem Zweck empfohlene Besprengung der Bienen mit Honigwasser zurückzugreifen, welche zudem nach Varrò dazu führt, daß die Bienen sich zusammendrängen und gegenseitig belecken, nicht gerade das angemessene Ende für eine Schlachtbeschreibung. Das andere 3,16,30 genannte Mittel zur Beendigung des Schwärmens hatte Vergil schon in Vers 64 verwendet (vgl. oben S. 220f.). Dies läßt es fraglich erscheinen, ob Vergil hier wirklich, wie schon PAGE zu 86, 87 erwogen hat, auf die rituelle Geste des Staubwerfens bei römischen Bestattungen anspielen wollte. Al856

226

Die Geórgica Vergils

Sie führt auch wieder in den präskriptiven Bereich zurück. Dahlmann läßt die Stellen, die darauf verweisen, daß hier letztlich Bienen agieren, beiseite oder bügelt sie in der Übersetzung glatt, so wenn er 71f. mit R.A. Schröder folgendermaßen wiedergibt: "... man höret ein Dröhnen, das den gebrochenen Ton der Tuben tosend hervorbringt. "

Zuzutreffen scheint allerdings seine Bemerkung, die von ihm angeführten Passagen erinnerten an die "Kampfschilderung zweier sich begegnender feindlicher Treffen im heroischen Epos"858. Die Verse 88-90 bilden mit ihrer Anweisung zur Tötung des minderwertigen Weisels einen weiteren Schritt zurück in den präskriptiven Bereich, die Ausdrucksweise entstammt allerdings ganz der Welt der magnanimes ... duces und proelia aus 4f. :

90

verum ubi ductores acie revocaveris ambo, deterior qui visus, eum, ne prodigus obsit, dede neci; melior vacua sine regnet in aula.859

Noch stärkeres Gewicht gewinnt das lehrhafte Element zu Beginn des folgenden dritten Teils über das nutzlose Schwärmen (103-111): at cum incerta volant caeloque examina ludunt contemnuntque favos et frigida tecta relinquunt,

lerdings mag man in der Tat darin, daß hier mit einem Mal die gewaltige Auseinandersetzung der Bienen mit einer Handvoll Staub beendet wird, einen Hinweis auf die Bedeutungslosigkeit militärischer Großtaten sub specie aeternitatis sehen: vgl. 1,493-497 (oben S. 62f.). 858

DAHLMANN 1 9 5 4 , 5 5 1 ( =

1 9 7 0 , 185) ( H e r v o r h e b u n g v o n m i r ) . V g l . L S D J

und

CONINGTON z u 7 4 u n d 84 u n d CONINGTON z u 8 2 u n d 8 5 . 859

Betrachtet man die folgenden Verse als echt, gerät man in beträchtliche Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, auf welcher Grundlage die in 88-90 geforderte Wahl zwischen dem besseren und dem schlechteren Weisel denn nun eigentlich erfolgen soll; denn zunächst wird man deterior qui visus in 89 und melior in 90 doch wohl auf die in der Schlacht gezeigte Stärke bzw. Schwäche beziehen, zumal in 84f. ja bereits das Ergebnis der Schlacht ins Auge gefaßt wurde. Im folgenden wird dann jedoch deutlich, daß es äußere Merkmale gibt, die eine Unterscheidung zwischen dem besseren und dem schlechteren Weisel bzw. zwischen den besseren und den schlechteren Bienen ermöglichen (9199). Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß zwar die Tötung des minderwertigen Weisels empfohlen wird, jedoch nicht klar wird, was mit den minderwertigen Bienen geschehen soll, obschon die Verse 100-102 deutlich machen, daß die Gefolgsleute des besseren Weisels den besseren Nachwuchs und den höherwertigen Honig versprechen (diese Verse lehnen sich erkennbar an 3,308-310 an). Angesichts dieser beiden erheblichen Brüche scheint mir die Echtheit der Verse 91-102 durchaus zweifelhaft.

Viertes Buch 105

lio

227

instabilis ánimos ludo prohibebis inani. nec magnus prohibere labor: tu regibus alas eripe; non illis quisquam cunctantibus altum ire iter aut cast ris audebit veliere signa, invitent croceis halantes floribus horti et custos furum atque avium cum falce saligna Hellespontiaci servet tutela Priapi.

nec magnus prohibere labor: tu regibus alasi eripe erinnert allerdings v o m T o n her s o w o h l an die Vorschrift aus 8 9 f . , d e n minderwertigen W e i s e l zu töten, w i e an den Staubwurf zur Trennung der kämpfenden Seiten in 8 6 - 8 7 8 6 0 . E b e n s o klingt in d e n Ausdrücken altum/ ire iter und cast ris ... veliere signa noch die militärische Diktion nach. E i n i g e s an Härte wird der A n w e i s u n g , d e n W e i s e l n die Flügel auszureißen, durch die anschließende Mahnung g e n o m m e n , daß e i n v o n B l u m e n duftender und w o h l g e h e g t e r Garten die Bienen z u m Bleiben und sinnvollen T u n einladen m ö g e . D a m i t wird der B o g e n z u m T h e m a "Ansiedlung d e s Schwarmes" z u r ü c k g e s c h l a g e n 8 6 1 . D a s nachdrücklich a m A n f a n g stehende invitent gibt d e n T o n vor: "Die im f o l g e n d e n gewählten W o r t e w o l l e n d e n Eindruck w o h l i g e n Geborgenseins w e c k e n . " 8 6 2 Z u g l e i c h

860

Die Anweisung, den Weiseln zur Vermeidung nutzlosen Schwärmens die Flügel auszureißen, läßt es in der Tat als kaum möglich erscheinen, den Mittelteil als Allegorie für den Entscheidungskampf zwischen Octavian, Antonius und deren jeweiligen Anhängern zu deuten. 861 T H O M A S verweist zu invitent in 109 auf invitet in 23. 862 RICHTER zu 109ff. Vgl. auch CONINGTON zu 110. Die Verse 112-115 fügen sich, auch wenn die letzten anderthalb Verse, indem sie zur Stimmung von 109-111 zurückkehren, offenbar die Brücke zum Folgenden bilden sollen, insgesamt nur schlecht dem Zusammenhang: ipse thymum tinosque ferens de montibus altis tecta serat late circum, cui talia curae; ipse labore manum duro terat, ipse feracis 115 fi gat humo plantas et amicos inriget imbris. 109-111 wirken doch sehr wie ein in sich abgeschlossener Hinweis zum Thema Gärten, und in 116ff. spricht Vergil ja im Rahmen der Praeteritio ausdrücklich davon, daß er den Gegenstand weiter nicht behandeln wolle, wobei hortos in 118 auf horti in 109 zurückzugreifen scheint. Zudem paßt die Herausstellung der Notwendigkeit harter Arbeit nur schlecht zu dem Hinweis aus 106, daß es keine große Mühe bedeute, die Bienen vom nutzlosen Schwärmen abzuhalten; denn, wenn sich dies auch unmittelbar nur auf den anschließenden Rat, den Weiseln die Flügel auszureißen, bezieht, so gehört doch die Forderung nach der Anlage eines Gartens immer noch in den Zusammenhang der Frage, wie sich nutzloses Schwärmen verhindern läßt. Von harter Arbeit des Imkers war ja

228

Die Geórgica Vergile

wird übergeleitet zu einer Praeteritio zum Thema "Anlage von Gärten", in die der Exkurs über den korykischen Greis eingebettet ist. Während der Mensch bisher nur Angesprochener war, tritt er nun in der Gestalt des korykischen Greises selbst in die Darstellung ein. Der Blick geht von den Bienen und ihrer Welt auf die Welt eines Menschen, der (u.a.) Bienen hält. Ahnlich weitete sich auch in den laudes Italiae und den laudes vitae rusticae der Blick auf das Land, in dem die im zweiten Buch behandelten Pflanzen wuchsen, und auf die Menschen, die sie züchteten. Dabei paßt die Welt des korykischen Greises ebenso gut zum vierten Buch, wie die der laudes Italiae und laudes vitae rusticae zum zweiten paßte. Waren in jener nämlich alle großen Bereiche landwirtschaftlicher Betätigung vertreten, sind hier Ackerbau, Viehzucht und Weinbau im großen Maßstab nicht möglich (125-129) 863 . Der korykische Greis hat nur ein kleines Grundstück, aus dem er jedoch das meiste macht, indem er Gemüse, Blumen und einige Bäume, u.a. Obstbäume, darauf zieht und eben Bienen züchtet864. Passen die Bienen gut in diese Welt des korykischen Greises, paßt auch diese wiederum gut zu den Bienen. So hat der korykische Greis seinen Fleiß und seine Genügsamkeit mit den Bienen gemein. Spät erst

bislang auch überhaupt nicht die Rede. Und harte Arbeit steht dann auch in 116-124 nicht im Vordergrund. Schließlich wirkt der Ausdruck cui talia curae zur Bezeichnung des Imkers reichlich unbestimmt (vgl. PAGE ZU 113). Man wird die Verse daher mit ZWIERLEIN tilgen. 863

THOMAS' Bemerkung zu 128-9, die genannten drei landwirtschaftlichen Bereiche würden "rejected", geht am Text vorbei. Im übrigen ist daraufhinzuweisen, daß in den laudes Italiae unter den Hervorbringungen des Landes auch Obst genannt wurde (2,150), und dieses baut auch der korykische Alte an. Vgl. auch MYNORS zu 144-6, der bemerkt, der einzige Grund, Ulmen in Reihe zu pflanzen, sei, daß sie als Stützen für Weinpflanzen dienen könnten. Besitzt der Greis also doch einige wenige Weinstöcke (vgl. potantibus in 146)? 864

Der Exkurs über den korykischen Greis hat seine Entsprechung bei Varrò rust. 3,16,10f., wo Merula berichtet, er habe durch Varrò von einem unter diesem in Spanien dienenden Brüderpaar aus der Gegend von Falerii gehört, denen von ihrem Vater ein kleines Landgut und ein Acker von nicht mehr als einem Morgen hinterlassen worden sei und die dort eine gewinnträchtige Bienenzucht und einen Garten angelegt hätten. Diese Entsprechung hat nach MYNORS ZU 116-48 bereits de la Cerda gesehen. Vgl. auch BURCK 1956, 164f. (= 1966, 123). Wenn Burck allerdings meint, er zweifle nicht daran, daß dem Bericht Vergils ein persönliches Erleben, ein Besuch bei dem korykischen Greis, zugrundeliege, vermutlich im Jahre 37 bei Vergils Reise mit Maecenas und Horaz nach Brindisi, so vermag ich ihm in dieser konkreten biographischen Ausdeutung nicht zu folgen.

Viertes Buch

229

kehrt er heim, wie es in 132bf. heißt, und belädt den Tisch mit selbst produzierten Speisen: ... sera ... revertens nocte domum dapibus mensas onerabat inemptis.

Auch die Bienen kehren nach 185-187 erst spät "von der Weide" zurück 865 . Aus 1,4 sind sie uns als sparsam bekannt 866 . Und in 89 wurde die Tötung des schlechteren Weisels empfohlen, ne prodigus obsit. Wie die Bienen in 177 der amor ... habendi treibt, so tadelt der korykische Greis in 138 aestatem ... seram Zephyrosque morantis. Nicht sehr aussichtsreich scheint mir der Versuch, einen Gegensatz zwischen dem Landmann der laudes vitae rusticae und dem korykischen Greis konstruieren zu wollen. Ahnlich wie es in 130-132a heißt, sein geringer, mühsam bestellter Besitz habe ihm in seinem Sinn die Reichtümer von Königen aufgewogen 867 , so wurde im Finale des zweiten Buches das simple, aber glückliche Leben des fleißigen und genügsamen Landmannes dem luxuriösen, aber (selbst)zerstörerischen des nach Geld und Macht Gierenden gegenübergestellt 868 . Ahnlich wurden ja auch in den laudes Italiae die landwirtschaftlichen Hervorbringungen Italiens den Reichtümern des Ostens vorgezogen und Einsatz sowie Genügsamkeit seiner Bewohner hervorgehoben 869 . Schon zu Beginn des Exkurses über den korykischen Greis rufen die biferi ... rosaría Paesti (119) Erinnerungen an die zweimal tragenden Obstbäume der laudes Italiae aus 2,150 wach 870 . Anschließend siedelt Vergil seinen Alten dann sub Oe865

Sollten die Verse 178b-181a doch echt sein, ergäbe sich eine deutliche Entsprechung zu 180-181a. Vgl. unten Anm. 890. 866 Vgl. Plin. nat. 11,67. 867 Zu aequare mit Akkusativ im Sinn von "entsprechen, gleichziehen mit" vgl. 1,113, Aen. 2,362; 3,671; 6,263; 10,248, zu animis Aen. 11,491. 868 Vgl. BURCK 1956, 168 ( = 1966, 125) und oben S. 135ff. 869 Vgl. oben S. 71-76. 870

S o BURCK 1 9 5 6 , 1 5 9 ( =

1 9 6 6 , 1 1 9 ) A n m . 13. V g l . o b e n S . 8 4 ; 8 7 f . THOMAS ZU 1 1 9

scheint mit dieser Stelle nicht sehr glücklich. Ders. versucht zu 116-48, den Erfolg des korykischen Alten von dem des idealisierten Landmannes am Ende des zweiten Buches abzusetzen. Insofern ersterer sich im Rahmen der Gesetzmäßigkeiten der wirklichen Welt abspiele und keine Bezüge zum Goldenen Zeitalter aufweise, komme ihm Plausibilität zu. Mir scheinen dagegen sowohl der korykische Alte wie auch der Landmann vom Ende des zweiten Buches mehr oder minder derselben Welt anzugehören und zwar derjenigen, die auch in den laudes Italiae gepriesen wird. Ebensowenig kann ich erkennen, inwiefern der Exkurs über den korykischen Alten eine Alternative zu den Problemen und Katastrophen bieten soll, die die Landwirtschaft in den übrigen Büchern erschweren, wie THOMAS zu 128-9 meint.

230

Die Geórgica Vergils

baliae ... turribus arcis an, qua niger umectat flaventia culta Galaesus (125f.), in der süditalischen Landschaft also, deren Fruchtbarkeit Vergil schon im zweiten Buch hervorhob (2,195-202), wobei deutlich die laudes Italiae nachklangen871. Und in diesen pries Vergil ja u.a. auch die tot congesta manu praeruptis oppida saxis/ fluminaque antiquos subter labentia muros (2,156f.) 872 . Der Hinweis, die Obstbäume des Alten trügen im Herbst ebensoviele Früchte wie im Frühjahr Blüten (142f.), erinnert an die Bezeichnung der Erde als iustissima zu Beginn des Finales des zweiten Buches (2,460) 873 . Und wie dort am Ende das Bild des ländlichen Festes stand (2,527-531), so wird hier schließlich auf Platanen verwiesen, die den Trinkenden Schatten spenden (146). Trotz aller Idealisierung - der in 134ff. gegebene Überblick über den Ertrag im Laufe des Jahres erinnert an 2,516ff. 8 7 4 - steht allerdings wie auch im Finale des zweiten Buches die Forderung tätigen Einsatzes beständig im Hintergrund (2,471f.; 5 1 3-5 1 5) 875 : Wenn der Greis als erster ernten kann, wie in 134ff. hervorgehoben wird, muß er doch wohl auch als erster die notwendigen Vorarbeiten leisten. Schließlich erfüllt der korykische Alte genau das Gesetz, welches Jupiter dem Menschen im ersten Buch der Geórgica auferlegt: Durch seine Arbeit muß er dem sich anderenfalls mit Unkraut und Gestrüpp überziehenden Land seine Frucht abgewinnen (l,120f.; 151-154) 876 . Und wie der Landmann an anderen Stellen der

871

Vgl. oben S. 86. Gesehen von BURCK 1956, 167 (= 1966, 125) mit Anm. 32. Vgl. oben S. 91ff. LSDJ verweisen zu 118f. allerdings auf Varrò rust. 1,16,3: sub urbe colere hortos late expedit, sic violaría et rosaría. 8 " Vgl. oben S. 133-135. 874 Vgl. oben S. 138-140. 875 Vgl. oben S. 136; 140f. Wohl mag, wie BURCK 1956, 168 ( = 1966, 126) meint, in der Darstellung des korykischen Greises die Notwendigkeit der Arbeit stärker hervorgehoben sein als im Finale des zweiten Buches, wo die spendende Kraft der Natur im Vordergrund steht. Dabei handelt es sich allerdings um nicht mehr als eine leichte Verschiebung der Gewichte, die mit der jeweiligen Umgebung und Anlage der Abschnitte zusammenzuhängen scheint: Im Finale des zweiten Buches geht es nach der Darstellung der nie endenden Arbeit im Weinberg darum, die Vorzüge im Leben des Landmanns hervorzuheben, im vierten Buch jedoch tritt die Forderung nach ständigem Sichmühen zurück, und so erinnert Vergil in seiner Beschreibung des korykischen Greises an diese Grundaussage der Geórgica. Vgl. dazu das, was BURCK 1956, 166f. ( = 1966, 124f.) selbst bemerkt.

872

876

Vgl. BURCK 1956, 168f. ( = 1966, 126f.) und CONINGTON zu 130. Schon PERRET

1952, 70 hat darauf hingewiesen, daß der Exkurs über den korykischen Greis im vierten Buch an der gleichen Stelle steht, an der sich im ersten Buch Vergils Kulturentstehungslehre findet.

Viertes Buch

231

Geórgica greift auch der korykische Alte gestaltend in seine natürliche Umgebung ein 877 . Er schafft sich damit die Grundlage für ein in seiner Selbstgenügsamkeit glückliches Dasein.

4.4. Das Wesen der Bienen Indem Vergil in seine Praeteritio zum Thema "Anlage eines Gartens" eine Darstellung der Lebensweise des korykischen Alten einfügt 878 , leitet er zugleich von seinen Ausführungen zum Bienenstock und zum Schwärmen der Bienen zu solchen über deren Wesen über. Dabei stellt Vergil das Wesen der Bienen sogleich als etwas Besonderes dar, indem er es in 149-152 als Gegengabe Jupiters für die Nahrung bezeichnet, die ihm die Bienen brachten, als er in einer Höhle Kretas vor seinem Vater versteckt lag: 150

877

nunc age, naturas apibus quas Iuppiter ipse addidit expediam, pro qua mercede canoros Curetum sonitus crepitantiaque aera secutae Dictaeo caeli regem pavere sub antro*19.

MYNORS bemerkt zu 139-43 mit Blick auf cogere: "it carries also a more familiar notion of using force to crush the combs." 878 RICHTER ZU 109ff. bemerkt, mit den Gärten kehre (nach der Schlachtschilderung) die Ruhe zurück. 879 Die Verse 219-227, die die Ausführungen über das Wesen der Bienen mit einem Hinweis auf die von gewissen Leuten vertretene Theorie von der Teilhabe der Bienen an dem das All durchwaltenden göttlichen Geist abrunden, treten zu den oben zitierten in eine merkwürdige Konkurrenz. Und auch wenn man diese durch das einschränkende quidam ... dixere in 219/221 gemildert sieht, bleibt immer noch das Problem, daß die Verse 219227 selbst zwei gegenläufige und nicht koordinierte Begründungen für die eine Aussage über die Teilhabe der Bienen am göttlichen Geist anbieten. Zunächst wird diese nämlich durch his ... signis atque haec exempla secuti - recht unbestimmt - auf die Ausführungen über das Wesen der Bienen in 153-218 zurückgeführt, während sie unmittelbar darauf aus der Tatsache abgeleitet wird, daß Gott das gesamte All durchwalte und aus ihm alle Wesen ihren Lebenshauch bezögen. Letzteres scheint den Bienen nun allerdings die ihnen zunächst eingeräumte Ausnahmestellung wieder gründlich streitig zu machen. Vgl. LSD zu 219: "Wenn ... die Lehre, daß ό ôtôç πνεύμα tan 6iòt πάντων SicXηλυθός, als richtig anerkannt wird, bedarf es eigentlich keiner besonderen Zeichen und Beweise. Also muß wohl gemeint sein, daß die Bienen auffallend bevorzugt erscheinen." Ausgedrückt ist letzteres allerdings nicht. Vgl. auch CONINGTON z.St.: "Virg. confuses, rather characteristically, two classes of thinkers ..." (Hervorhebung von mir). Interessant auch der Unsicherheit verratende Ton bei PAGE zu 219-227: "Apparently Virgil means that the intelligence of bees is quoted as an indication that this divine and intelligent force is to be found elsewhere than in mankind, and so may be inferred to permeate all things." Die

232

Die Geórgica Vergils

Was die Bienen nach 153-157 auszeichnet, ist ihre Gemeinschaft in Bezug auf Nachkommen und Wohnsitz, ist die Tatsache, daß sie unter der Herrschaft von Gesetzen leben, daß sie ein Vaterland und ein festes Heim kennen und daß sie mit Blick auf den kommenden Winter im Sommer arbeiten und das für den gemeinschaftlichen Gebrauch Zusammengebrachte zurücklegen:

155

solae communis natos, consortia tecta urbis habent magnisque agitant sub legibus aevum, et patriam solae et certos novere penatis; venturaeque hiemis memores aestate laborem experiuntur et in medium quaesita reponunt.

Vergleichspunkt kann hier nur die übrige Tierwelt sein. Vor ihr sind die Bienen dadurch ausgezeichnet, daß ihre gemeinschaftliche, auf Dauerhaftigkeit gerichtete und vorausschauende Lebensweise der der Menschen ähnelt, ja für ein römisches Publikum dürfte in den Worten patriam und penatis auch spezifisch Römisches angeklungen sein. Varrò rust. 3,16,4 hebt ebenfalls das Besondere am Wesen der Bienen mit großem Nach-

Verse 219-227 wirken wie nachträglich angefügt. Der Hinweis, daß schließlich alles zu seinem Ursprung zurückkehre und für den Tod somit kein Raum bleibe, scheint zudem die Frage nach der Bedeutung des Todes verfrüht und durchaus auch nicht ganz auf der Linie des abschließenden Aristaeus-Epyllions zu beantworten (vgl. unten S. 253). Schon die gedankliche Entsprechung zwischen 219-227 und 149-152 sollte allerdings davor warnen, zuviel Gewicht auf die in quidam ... dixere liegende Distanzierung zu legen. Dagegen spricht auch die Darstellung des Wesens der Bienen in den Versen 153-218, an die ja 219 mit his ... signis atque haec exempla secuti nachdrücklich anschließt. Schließlich paßt auch der enthusiastische Ton der Verse selbst schwerlich zu der Annahme, ihr Verfasser habe sich von ihrem Inhalt distanzieren wollen. Vielmehr vermeidet er zwar, sich auf die Lehre der nicht genannten Philosophen festzulegen, stellt sie aber doch mit solchem Schwung dar, daß sie den Leser packen muß. Tilgt man mit ZWIERLEIN die Verse 219227, so bildet das alliterierende ¡mlchramque getunt per vulnera mortem am Ende der Bemerkungen zur Selbstaufopferung der Bienen für ihren König in 218 immer noch einen wirkungsvollen Abschluß über deren Wesen, wobei das letzte Wort, mortem, unaufdringlich den Gegenstand berührt, auf den das Folgende zuläuft. Die Bezeichnung des Bienenstocks als augusta sedes in 228 scheint weiterhin durch die ihr nach dem Wegfall von 219-227 vorausgehende Beschreibung der Stellung des Weisels in 210-218 gerechtfertigt. Man vergleiche Aen. 7,153, wo der an der Tibermündung gelandete Aeneas seine Gesandten augusta ad moenia regis schickt. Das Adjektiv findet sich im überlieferten Vergil dann nur noch ebd. 170, wo "the massive, collonaded temple-palace crowning the citadel of Latinus' town" (FORDYCE zu 170ff.), in dem der König die Gesandten empfängt, als tectum augustum bezeichnet wird (vgl. ebd. 171 Laurentis regia Pici). ZWIERLEIN dürfte allerdings recht haben, wenn er Aen. 7,170-193 für interpoliert hält. Zu den Quellen von georg. 4,219-227 vgl. RICHTER zu 219ff. und MYNORS zu 219-27.

Viertes Buch

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druck hervor: apes non sunt solitaria natura, ut aquilae, sed ut homines, quod si in hoc faciunt etiam graguli, at non idem, quod hie (sc. apud apes) societas operis et aedificiorum, quod illic non est, hie ratio atque ars, ab his (sc. ab arte atque rationem) opus facer e discunt*81, ab his aedificare, ab his cibaria condere. Und schon Aristoteles betont zu Beginn seiner Ausführungen über die Bienen HA 623b 5ff. deren soziales Wesen und weist auf die Komplexität ihrer Arbeits- und Lebensweise hin. Dort werden die Bienen auch von den Ameisen abgesetzt, die lediglich das Bereitliegende einsammelten, während die Bienen selbst etwas hervorbrächten und einlagerten. Gleich scheinen die Bienen den Menschen allerdings auch bei Vergil nicht, geschweige denn, daß ihr Staat ein Abbild des römischen Staates zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Geschichte wäre. Das zeigt bereits der Hinweis auf die communis natos - Plat. Rep. 457clO-dlO und den Beschreibungen mancher Naturvölker zum Trotz 882 . Später hebt Vergil noch hervor, daß die Bienen, was die Fortpflanzung betreffe, frei von der Herrschaft der Venus seien, der ja nach dem Binnenfinale des dritten Buches alle anderen Lebewesen unter Einschluß des Menschen unterworfen sind883, daß sie selbst ihre Nachkommen von Blättern und Gräsern sammelten und damit selbst für den Fortbestand ihres Geschlechts Sorge trügen (197-202). Bemerkenswert scheint, daß Vergil gerade an dieser Stelle mit Quirites einen Begriff mit spezifisch römischer Konnotation verwendet. Auch hier hebt Vergil das Staunenswerte an den Bienen hervor:

200

ilium adeo placuisse apibus mirabere morem, quod neque concubitu indulgent, nec corpora segnes in Venerem solvunt aut fetus nixibus edunt; verum ipsae e foliis natos, e suavibus herbis ore legunt, ipsae regem parvosque Quirites suffteiunt, aulasque et cerea regna refingunt.884

880

Vgl. TLL 5,1,1744,71; 1745,9 sowie Cie. de orat. 2,37. Als Subjekt dürfte man doch wohl mit SUTER apes zu ergänzen haben, nicht homines, wie HOOPER/ASH anzunehmen scheinen. 881

882

883

V g l . THOMAS zu 1 5 3 - 5 .

Vgl. oben S. 167f. 884 Die beiden folgenden Versblöcke 203-205 und 206-209 erscheinen mir auf je unterschiedliche Weise problematisch. Der erste hat schon lange Schwierigkeiten bereitet (der erste, der Anstoß nahm, war offenbar Bentley). So will z.B. der Anschluß an das Vorausgehende nicht recht einleuchten. THOMAS ZU 203-5 bemerkt hier zu Recht: "The change of topic comes rather abruptly." RICHTER ZU 203-205 weist darauf hin, daß saepe etiam ebenso wie auch vero etiam und ille etiam bei Vergil sonst Gleichartiges verbinde. Nun lassen sich aber in der Tat 197-202 und 203-205 wohl kaum unter einem gemein-

234

Die Geórgica Vergile

Schließlich haben die Bienen nach 210ff. einen König, dem sie treuer Gefolgschaft leisten, als die orientalischen Völker ihrem Herrscher: 210

215

praeterea regem non sic Aegyptus et ingens Lydia nec populi Parthorum aut Medus Hydaspes observant, rege incolumi mens omnibus una est; amisso rupere fidem, constructaque mella diripuere ipsae et cratis solvere favorum. ille ope rum custos, ilium admirantur et omnes circumstant fremitu denso stipantque frequentes, et saepe attollunt umeris et corpora bello obiectant pulchramque petunt per vulnera mortem.

samen Oberbegriff zusammenfassen: Geht es dort allgemein um die besondere Art der Fortpflanzung der Bienen, so ist hier die Rede von ihrer außergewöhnlich hohen Opferbereitschaft, wie sie sich in bestimmten Fällen zeigt. Man hat die Verse 203-205 daher umstellen wollen. Doch immer noch gilt, was Wagner bei HEYNE im App. zu 203-205 bemerkte: "aptiorem circumspicienti locum vix apparebit, qui satis sit commodus." Diese Einschätzung trifft auch für die von Richter zuletzt wieder vorgeschlagene Einordnung nach 196 zu, geht es in 191-196 doch um das Vorausschauende und Erfindungsreiche der Bienen. Dazu will der Hinweis auf ihren Tod, und sei er sittlich noch so wertvoll, nicht recht passen. Überhaupt scheinen die Verse 203-205 in gewisser Weise den abschließenden Hinweis auf den Opfertod der Bienen in der Schlacht in 218 vorwegzunehmen. Man wird sie daher mit ZWIERLELN als nachträgliche Hinzufügung von fremder Hand zu betrachten haben. Mir sind allerdings auch die Verse 206-209 bedenklich; denn sie schließen nach dem Fortfall von 203-205 doch nicht so glatt an 197-202 an, wie man sich dies wünschen würde. Auch wenn man nämlich ergo in 206 im abgemilderten Sinne von "so bleibt denn, obwohl sie selbst nur ein engbegrenztes Leben erwartet, doch wenigstens ihr Geschlecht bestehen" versteht, so bleibt die Frage, was das Fortbestehen des Bienenstocks mit der besonderen Art der Fortpflanzung der Bienen zu tun hat, um die es doch in 197-202 geht. THOMAS zu 209 macht zudem darauf aufmerksam, daß avi numerantur avorum schlecht zu der außergewöhnlichen Art der Fortpflanzung der Bienen paßt, wie sie in 197-202 beschrieben wird. Die Verse 206-209 bieten aber auch einen schwerwiegenden inhaltlichen Anstoß. Während nämlich das Leben einer Einzelbiene von Arist. HA 554b68 und Plin. nat. 11,69 in der Tat auf nicht mehr als sieben Jahre veranschlagt wird, so wird ebd. sowie Colum. 9,3,3 doch auch dem Stock mit neun bis zehn Jahren keine wesentlich längere Lebensdauer zuerkannt, so daß der in 206-209 bezeichnete Gegensatz zumindest als gewaltige Übertreibung erscheint, wenn man natürlich auch zugeben wird, daß sich die Bedeutung von at genus immortale manet wesentlich durch die kontrastierende Bemerkung über die kurze Lebensdauer der einzelnen Bienen wie auch durch den erläuternden Zusatz multosque per annosi stat fortuna domus, et avi numerantur avorum bestimmt. Schließlich verschieben die Verse 206-209 aber auch innerhalb des größeren Abschnitts 197-209 in merkwürdiger Weise die Gewichte, weg vom Erstaunlichen hin zum Erbaulichen. Das Erstaunliche aber scheint dasjenige zu sein, worauf es spätestens ab 191 in besonderer Weise ankommt (vgl. mirabere in 197). Nachträglich lese ich bei WILKINSON 1969, 105*: " ... it would be smoother if 210-18, the addition beginning praeterea, were transposed to follow 201-2, which mention the king ..."

Viertes Buch

235

V.a. die Bezugnahme auf die Monarchien des Ostens macht es schwierig, die Bienen einfach mit den frühen Römern, zumindest denen der republikanischen Zeit, zu indentifizieren oder ihren Staat als unmittelbares Vorbild für das zeitgenössische bzw. zukünftige Rom zu deuten 8 8 5 . Die außerordentliche Treue der Bienen gegenüber ihrem Weisel gehört zunächst einmal zu den staunenswerten Zügen ihres Wesens, welches ihnen, wie es eingangs hieß, von Jupiter als Dank für ihre Dienste geschenkt wurde. Dabei paßt es sehr gut, daß zu diesem Geschenk des Himmelskönigs (caeli regem in 152) an die Bienen schließlich auch das einer monarchischen Verfaßtheit ihres Staates gehört. Und Vergil dürfte diesen Aspekt ihres Wesens auch durchaus positiv bewertet haben, läßt doch auch Cicero Scipio unter den drei reinen Staatsformen die monarchische als die beste bezeichnen (rep. 1,54). Die Monarchie bei den Bienen ist ja auch offenbar keine Tyrannis, wie bereits aus dem Hinweis in 154 hervorgeht, daß sie ihr Leben magnis sub ... legibus führen. Vielmehr scheint das zu herrschen, was nach Plat. Rep. 433c ein wesentliches Merkmal einer guten Staatsverfassung ist, ein Einverständnis zwischen Regierten und Regierenden, ή όμοδοξία. των αρχόντων re και αρχομένων. Besonderes Gewicht legt Vergil auf die Funktion des Weisels als des Garanten der Einheit des Bienenvolkes. Solange er lebt, herrscht unter den Bienen Eintracht, um ihn scharen sie sich im Kampf, bereit, ihr Leben zu opfern. Wenn überhaupt, so deutet sich hier eine Bezugnahme auf die politische Wirklichkeit eben an, auf die Rolle nämlich, die Octavian in den Augen Vergils für die Einheit des römischen Staates spielt 886 . Auch insgesamt hebt Vergil besonders das an den Interessen der Gemeinschaft Orientierte der Bienen hervor. Man vergleiche schon die communis natos und die consortia tectal urbis, die sie in 153f. haben. Sie arbeiten hart, aber sie arbeiten, wie es in 157 heißt, für den gemeinschaftlichen Bedarf. Jeder trägt irgendwie sein Teil bei, wie in 158-168

885

Zur Stellung des Weisels vgl. Varrò rust. 3,16,8 bzw. Arist. HA 624a26-33. JAHN 1904, 86 verweist noch auf Arist. HA 625al6-27 (Zerstörung der Waben von Weiseln und Drohnen bei deren Überhandnehmen) und b6-8 (Zusammenschluß der Bienen um den Weisel beim Schwärmen). Der Vergleich des Weisels mit den Herrschern des Ostens findet sich natürlich weder bei Varrò noch bei Aristoteles. Genau das Umgekehrte begegnet allerdings Xen. Cyr. 5 , l , 2 4 f . , wo das Verhältnis der Gefolgsleute des Kyros diesem gegenüber mit dem von Bienen gegenüber ihrem Weisel verglichen wird. Vgl. auch Xen. Oec. 7,38. 886 Vgl. das oben S. 64ff. zum Finale des ersten Buches Bemerkte.

236

Die Geórgica

Vergils

verdeutlicht wird. In Vers 169 heißt es am Ende dieses Abschnitts über das Ergebnis: fervei opus, redolentque

thymo fraglantia

mella.

Vergil vergleicht die Bienen mit den Kyklopen, die unter dem Aetna Blitze für Jupiter schmieden: 170

175

ac veluti lentis Cyclopes fulmina massis cum properant, alii taurinis follibus auras accipiunt redduntque, alii stridentia tingunt aera lacu; gemit impositis incudibus Aetna; illi inter sese magna vi bracchia tollunt in numerum, versantque tenaci forcipe ferrum: non aliter, si parva licet componere magnis, Cecropias innatus887 apes amor urget habendi muñere quamque suo. ...

Das Formen des glühenden Metalls erinnert hier an das Ausformen der Zellen und Waben. Man vergleiche z.B. lentis ... massis in 170 mit lentum ... gluten in 160; nicht ohne Grund wurde der Bau der Zellen bereits in 57 mit dem Ausdruck excudere bezeichnet888, alii ... alii in 17lf. greift den Gedanken der arbeitsteiligen Tätigkeit aus 158-168 auf. Man vergleiche besonders aliae ... aliae in 162f. Im zweiten Glied des Vergleichs wird er in dem in 178a nachklappenden muñere quamque suo dann noch einmal zusammengefaßt. Der Gedanke des Arbeitseifers, der mit Blick auf die Kyklopen insbesondere in properant in 171 zum Ausdruck kommt, klang mit Blick auf die Bienen v.a. bereits in fervei opus in 169 an 889 . Ihn hebt das zweite Glied des Vergleichs mit Cecropias innatus apes amor urget habendi in 177 nachdrücklich hervor. Er be-

887

Dies greift wohl auf naturas in 149 zurück. excudere im Sinne von "schmieden": Curt. 4,2,13. OLD 637 s.v. 1 gibt als Bedeutung "To hammer out, forge, fashion". 889 Natürlich spielt Vergil auch hier wieder das Spiel zwischen Klein und Groß, worauf er in 176 ja auch selbst hinweist. Dazu, wie Bienen ihrerseits innerhalb der epischen Tradition als Vergleichsobjekte eingesetzt werden, vgl. oben Anm. 815. Die Kyklopen sind allerdings nicht nur ungeschlachte Riesen, sondern zeichnen sich auch durch Kunstfertigkeit aus (vgl. HUXLEY ZU 170-178 sowie Hes. Th. 146). Das Bild der Schmiede der Kyklopen wird, wie PAGE z.St. gesehen hat, sprachlich vorbereitet durch fervei opus in 169. Beachtenswert auch der daktylische Rhythmus von 169 und der schwer spondeische von 170 (noch deutlicher: 174). 888

Viertes Buch

237

herrscht deutlich die folgende Darstellung890. Dabei tritt an die Stelle der Tätigkeit zunächst der Beweggrund für diese Tätigkeit891. Das Ge-

890

Die Verse 178b-181a sowie der Vers 184 werden von ZWIERLEIN athetiert, wohl mit Recht. 178b-181a führen noch einmal den in 158-168 bereits in aller Breite behandelten Gedanken der arbeitsteiligen Tätigkeit der Bienen aus: Das einzig Neue ist dabei die Unterteilung nach alten und jungen Bienen (die übrigens nicht besonders gut zu dem vorausgehenden Vergleich mit den Kyklopen zu passen scheint). Weiter will nicht recht einleuchten, warum Vergil bereits hier auf die späte Heimkehr der ermüdeten (jüngeren) Bienen Bezug genommen und damit 185b-190 vorweggenommen haben sollte: vgl. multa ... nocte in 180 mit tandem in 186 (und in noctem in 190) undfessos ... artus in 190 mit fessae ... minores in 180 (thymo in 181 scheint aus 169 genommen). Durch diese Entsprechungen (vgl. auch e pastu in 186 mit pascuntur in 181) würden dann wohl auch die in 185-190 genannten Bienen auf die minores aus 180 eingegrenzt, was bedenklich scheint, ob der Vers 184 nun echt ist oder nicht. Dieser unterbricht allerdings den Zusammenhang zwischen 18 lb-183 und 185-190, der schon durch den Rückgriff von e pastu in 186 auf pascuntur aus 181 gesichert scheint. Die Verse 181b-183 bezeichnen den Vorgang, der in 185 durch nusquam mora dann nur noch ganz knapp bezeichnet wird, nämlich das Tun der Bienen zwischen Tagesanbruch (185a) und Hereinbrechen der Nacht (185c-190). Der aus 176-178a weiterwirkende Gedanke scheint der des amor urget habendi zu sein. Zunächst wird in 181b-183 das Betätigungsfeld dieses amor ... habendi gezeigt. Es sind dies die Wiesen, die die Bienen ringsum (passim, 181) abernten. In der polysyndetischen Aufzählung der Gewächse, die ihre Menge unterstreicht, spiegelt sich der unermüdliche Arbeitseifer der Bienen. Dieser Gedanke setzt sich in 185a fort, wenn es heißt, daß sie frühmorgens aus den Toren stürzen (mane ruunt portis), daß es nirgends ein Verweilen gibt (nusquam mora). Die Bienen arbeiten mit einem Höchstmaß an Disziplin. Dies kommt auch in 185b-190 zum Ausdruck, wo das Ende ihres Arbeitstages beschrieben wird: Sobald der Abend sie mahnt (admonuit), endlich von ihrem Tun zu lassen und die Wiesen zu räumen (epastu tandem decedere campis; vgl. 3,466bf. mit THOMAS zu 3,467 oder MYNORS zu 3,465-7), machen sie sich sogleich nach Hause auf, um zu ruhen (beachte das doppelte tum in 187), es gibt ein Brausen um die Eingänge des Stocks, dann, sobald sie sich zur Ruhe gebettet haben, wird es still, und der verdiente Schlaf umfangt die ermatteten Glieder. Durch die Gegenüberstellung des eilenden Aufbruchs am frühen Morgen und der ebenso eilenden Heimkehr am späten Arbeit, unterbrochen nur von rastloser Tätigkeit, vermittelt Vergil den Eindruck eines von höchster Arbeitsdisziplin bestimmten Tagesrhythmus der Bienen, der ihnen geradezu im Blut zu liegen scheint: Nicht ohne Grund wird der amor ... habendi in 177 als innatus bezeichnet. Dieser Arbeitsrhythmus der Bienen scheint ähnlich regelmäßig wie die Bewegungen, mit denen die Kyklopen in 174f. ihr Metall bearbeiten (vgl. v.a. in numerum in 175). 891

Vgl. LSDJ zu 177, die allerdings merkwürdigerweise nur auf 165f. verweisen. Gedacht ist doch wohl letztlich an die in 156 erwähnte Vorsorge für den Winter. Das bedeutet, daß der amor ... habendi aus der Not geboren ist. Vgl. Varrò rust. 3,16,20, wo als eine Erklärung dafür, daß die Bienen pilosae et horridae, ut pulverulentae sind, angeführt wird, daß opifici eas urget tempus. Man fühlt sich an die duris urgens in rebus egestas aus 1,146 erinnert, auch diese ein "Geschenk" Jupiters, bei dem allerdings die mit ihm verbundene Belastung stärker in den Vordergrund trat. Das Vorausschauende und Erfindungsreiche der Bienen, welches ihnen hilft, sich den Erfordernissen ihrer natürli-

238

Die Geórgica Vergils

wicht liegt im Rahmen des Vergleichs jedoch durchaus auf dem Eifer. Dies hervorzuheben, ist bedeutsam, meint Thomas doch, daß das Cecropias innatus apes amor urget habendi aus 177 in diesem Zusammenhang eine spezifische kulturgeschichtliche Aussagekraft habe und die Welt der Bienen fest in einem von Gier bestimmten Zeitalter Jupiters verorten solle892. Wenn man den amor sceleratus habendi, eines der Hauptkennzeichen von Ovids Eisernem Zeitalter, zum Vergleich heranzieht, sollte man allerdings berücksichtigen, daß es sich hierbei um ein Streben handelt, das auf persönliche Bereicherung gerichtet ist 893 und über die von der Natur gesetzten Grenzen hinausgeht894. In diesem Sinne dürfte auch der amor ... habendi in Aen. 8,327 zu verstehen sein 895 . Beides trifft für die Bienen wohl kaum zu, ersteres wird von Vergil in 153-157 sogar ausdrücklich ausgeschlossen, wobei der Hinweis auf den gemeinschaftlichen Besitz und insbesondere das in medium quaesita reponunt an die Beschreibung der Saturnischen Zeit im ersten Buch erinnern (l,126f.): ne signare quidem aut partiri limite campum fas erat*96; in medium quaerebant ...

chen Umgebung anzupassen und auf sie zu antworten, beschreibt Vergil in 191-196 (oben S. 55). Zu 191-194a vgl. Arist. HA 627bl0-13. Bei Varrò rust. 3,16,37 heißt es dagegen, es komme ab und zu vor, daß die Bienen bei der Honigernte von einem plötzlichen Regen- oder Kälteeinbruch überrrascht würden. Zu 194b-196 vgl. Arist. H A 626b24f. 892

THOMAS 1 9 8 2 , 7 5 f . u n d d e r s . z u 1 7 5 .

893

Vgl. Ov. met. l,135f.:

135

894

140 895

896

communemque prius ceu lumina solis et auras cautus humum longo signavit limite mensor. Vgl. Ov. met. 1,137-140: nec tantum segetes alimentaque debita dives poscebatur humus, sed itum est in viscera terrae, quasque recondiderat Stygiisque admoverat umbris, effodiuntur opes, inritamenta malorum. V g l . GRANSDEN z . S t .

Dies ist übrigens genau das Gegenstück zu der oben zitierten Aussage in Ov. met. l,135f.

Viertes Buch

239

4.5. Honigernte, Krankheiten und die Entdeckung der Bugonie durch Aristaeus Von 228 an tritt das präskriptive Element wieder hervor. Ausgehend von den die Honigernte betreffenden Anweisungen in 228-235 897 werden in 239-250 898 solche über die Vorsorge gegen Schädlinge, in 251280 solche über Hilfsmittel bei Krankheiten und schließlich in 281-314 solche über Maßnahmen bei einem möglichen Verlust des Schwarmes gegeben. Dabei wirkt auch hier der vorangegangene Teil nach, wenn in 25lf. die Erkrankungen der Bienen mit denen der Menschen verglichen werden: Das Leben, heißt es, habe die Bienen denselben Wechselfallen unterworfen wie die Menschen899. 897

Die Verse 236-238 haben, wie RICHTER z.St. bemerkt, "mit der Zeitbestimmung 231235 ... nicht das Geringste zu tun". Durch letztere wird der Blick nämlich von den Vorsichtsmaßregeln, die nach 228-230 bei der Entnahme des Honigs zu beachten sind, weg auf die Honigernte selbst gelenkt. Daß Vergil daran dann noch eine Begründung der eingangs genannten Vorsichtsmaßregeln angeschlossen haben sollte, scheint schwer vorstellbar. Die Schwierigkeit, in der die Verteidiger der Stelle sich befinden, wird besonders gut deutlich, wenn man die von CONINGTON ZU 228-250 und zu 231 gegebenen Erläuterungen einander gegenüberstellt. An der zuletzt genannten Stelle heißt es: "This and the four following lines are thrown in as it were parenthetically, but that is no reason for changing the arrangement of the passage ..." An der erstgenannten Stelle werden die Verse 228-238 dagegen folgendermaßen paraphrasiert: "'When you want to take the honey, disarm the bees (they will otherwise be violent and dangerous), by personal cleanliness and the application of smoke to the hive. There are two times for this, spring and autumn. ..." Richter weist ferner darauf hin, daß 239 aufs engste an den Gedanken der Honigernte, insbesondere an die Zeitangabe in 234f. anschließt (vgl. hiemem in 239 mit hibernas in 235 sowie die in tristior in 235 zum Ausdruck kommende Stimmung mit der in 239f.). Er versetzt die Verse daher, wie dies auch RlBBECK 1866, 36 im Anschluß an Schräder vorschlug, hinter 230. Es scheint allerdings fraglich, ob sie sich dort wirklich gut einfügen. Denn bis grávidos cogunt fetus in 231 scheint doch unmittelbar auf si quando ... servata ... mella/ thesauris retines aus 228f. zurückzugreifen. Vgl. 140f. über den korykischen Greis: primus ... spumantia cogere pressisi mella favis. Diese Stelle, auf die schon HEYNE ZU 231-235 hinweist, macht auch klar, daß das Subjekt zu cogunt in 231 die Imker sein müssen. LSD zu 231 verweisen zu cogere noch auf Hör. epist. 1,10,46 (vgl. hierzu noch carm. 3,3,51). Zur Verwendung der unbestimmten dritten Person Plural vgl. THOMAS ZU 3,123-4. Schon die Lesart des Palatinus zusammen mit der Bemerkung bei Servius auctus (et aliter 'flores ' emendatum fuit, et bene 'grávidos flores ', quod ex his omnia générant.) zeigt, daß es früh solche gab, die glaubten, "that the bees can be the subject of cogunt" (MYNORS zu 231). Vgl. auch SIDGWICK zu 231. Ein solches Mißverständnis würde aber geradezu unausweichlich, wollte man die Verse 236-238 vor 231 setzen. Es scheint daher eher ratsam, diese Verse mit ZWIERLEIN als interpoliert zu betrachten. 898 899

Zu 248-250 vgl. unten Anm. 903. quoque glossiert MYNORS ZU 251-2 mit "'haud minus ac nobis'".

240

Die Geórgica

Vergils

Daß 239-280 auf die Möglichkeit, daß einmal der ganze Bienenschwarm verloren gehen könnte900, und damit auf die Darstellung des Verfahrens der Bugonie hinfuhren, hat bereits Servius901 gesehen: miro usus est ordine (sc. poeta); nam primo ait quemadmodum ammalia apibus inimica pellenda sint, deinde quibus medicaminibus morbo possint carere; nunc dicit penitus amissae qua possint ratione reparari. Ganz ähnlich läuft, wie im wesentlichen bereits Klingner902 ausgesprochen hat, am Ende des dritten Buches alles auf die Pestschilderung zu: So geht es auch dort zunächst um die Abwehr von natürlichen Feinden, dann um die Vorsorge gegen und Heilung von Krankheiten, bis dem Leser schließlich als Warnung das Bild eines Verlustes der gesamten Herde durch eine Seuche vor Augen gestellt wird. Während die gedankliche Bewegung im vierten Buch im Anschluß an die Ausführungen zum Wesen der Bienen von der Honigproduktion ausgeht, nimmt sie im dritten Buch nach dem Exkurs zur Lebensweise der libyschen und skythischen Hirten von der Woll- und Milchproduktion ihren Ausgang. Vergleicht man die Entwicklung im dritten und im vierten Buch allerdings genauer, so ist von Anfang an ein wesentlicher Unterschied festzustellen. So enden bereits die Verse 239-250 nicht wie der entsprechende Abschnitt im dritten Buch mit dem Bild der Bedrohung, sondern mit einem Hinweis auf die Überwindung derselben:

250

quo magis exhaustae fuerint (sc. apes), incumbent generis lapsi sarcire ruinas complebuntque foros et floribus horrea

hoc acrius

omnes

texent903.

900

Zur Bedeutung von et in 283 vgl. CONINGTON z.St. THOMAS zu 281-314 scheint sed si in 281 übersehen zu haben. Ein Widerspruch zwischen 281f. und 208, wie ihn THOMAS zu 281-2 festzustellen meint, liegt nicht vor, da genus immortale manet in 208 1. als Entsprechung zu dem Hinweis auf die kurze Lebenszeit der Einzelbiene zu deuten ist und 2. durch das folgende multosque per annosi stat fortuna domus, et avi numerantur avorum deutlich eingeschränkt wird. Die Echtheit von 206-209 scheint mir, wie oben in Anm. 884 dargelegt, allerdings durchaus zweifelhaft. 901

Serv. georg. 4 , 2 8 1 . Vgl. KLINGNER 1967, 3 1 9 - 3 2 5 und auch PRIDIK 1971, 2 1 7 .

902

KLINGNER 1967, 326. Vgl. oben S. 18Iff. 903 Ich muß allerdings zugeben, daß auch diese Verse mir nicht ganz unbedenklich erscheinen. Will man sie halten, so muß man exhaustae in 248 mit LSDJ z. St. und wohl auch HUXLEY zu 248-9 (etwas anders, allerdings nicht überzeugend RICHTER ZU 241ff.) auf die in 240 angedeutete Erschöpfung der Bienen beziehen, deren Gründe in 242b-247 gegeben werden, und darf es nicht mit der Entnahme des Honigs in Verbindung bringen ( s o HEYNE und CONINGTON ZU 2 4 8 sowie PAGE ZU 239-250): vgl. MYNORS ZU 2 4 8 - 5 0 .

Letzteres scheint jedoch durch die Parallele in 3,309f. nahegelegt zu werden, auf die THOMAS zu 248-9 verweist: quam magis exhausto spumaverit ubere mulctraj laeta magis

Viertes Buch

241

Ebenso findet sich in 251-280 anders als in 3,440-469 auch keine ständige Verschärfung der Bedrohung bzw. des Krankheitsbildes, vielmehr schließt der Abschnitt mit einer langen Liste leicht zu beschaffender Arzneien, deren Beschreibung eher eine heiter-zuversichtliche Stimmung verbreitet. Man vergleiche insbesondere die Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes des amellum in 273-275:

275

... uno ingentem tollit de caespite silvam aureus ipse, sed in foliis, quae plurima circum funduntur, violae sublucet purpura nigrae.

Etwas genauer wollen wir uns nun den sich hieran anschließenden Abschnitt ansehen. Die Verse 28lf. schildern die Möglichkeit des plötzlichen und völligen Absterbens des Bienenschwarmes, durch das die Anwendung der in 251-280 genannten Mittel ebenso ausgeschlossen wird wie eine Erneuerung des Schwarmes aus sich selbst heraus. Es handelt sich um eine Extremsituation 904 . Ähnlich wurden in 3,471b-473 der Verlauf und das Ergebnis von Viehseuchen beschrieben. Während es dort jedoch hieß, die durch eine Pest verwüstete Landschaft Noricums sei immer noch öde und leer, wird hier ein Weg zur Gewinnung eines neuen Schwarmes gewiesen. Und während dort am Ende eine genaue Schilderung des Verlaufs der norischen Viehseuche stand, werden hier das Verfahren zur Gewinnung eines neuen Schwarmes und dessen sagenhafte Ursprünge dargestellt. Eine Zweiteilung kündigt sich bereits in 283-286 an. Nicht nur, daß der Hinweis, die Arcadii memoranda inventa magistri vorstellen zu wollen, die Frage nahelegt, wer dieser Arcadius magister gewesen und wie er zu seinen Entdeckungen gekommen ist, vielmehr erklärt Vergil ja ausdrücklich, er wolle weiter ausholen und die Geschichte der sagenhaften Ursprünge des Verfahrens der Bugonie erzählen 905 :

pressis manabunt flumina mammis. Eine Versetzung der Verse hinter 235, wie sie RLBBECK 1866, 36f. vorschlägt, empfiehlt sich allerdings in keinem Fall, da dadurch dann der in Anm. 897 festgestellte Zusammenhang zwischen 231-235 und 239ff. zerrissen würde. 904 Vgl. KLINGNER 1967, 324f.: "Hier sind Leiden und Gefahr bis zum Äußersten, zum allumfassenden Tod getrieben, aber nur, um in das Wunder eines aus Tod neu geborenen Lebens umzuschlagen und so zu dem Doppelmärchen des Finales überzuführen. " 905 Zu der doppelten Ankündigung Vergils in 281-286 vgl. PRIDIK 1971, 218 und 221. Wie Vergil bei der Erzählung der sagenhaften Ursprünge der Bugonie wird später auch Proteus weiter ausholen, wenn er Aristaeus den Grund für den Verlust seiner Bienen nennt: vgl. omnem/ expediam ... famam aus 285f. mit ut omneml expediat morbi causam in 396f., welches dann in 532 wiederaufgenommen wird: haec omnis morbi causa est.

242

285

Die Geórgica

Vergils

tempus et Arcadii memoranda inventa magistri pandere, quoque modo caesis iam saepe iuvencis insincerus apes tulerit cruor. altius omnem expediam prima repetens ab origine famam.

Für die Einlösung dieses Versprechens wird er in 315f. die Hilfe der Musen anrufen: Dort wird altius.../ ... prima repetens ab origine aus 285f. gedanklich aufgenommen, und in 318 greift ut fama ausdrücklich auf omneml ... famam aus 285f. zurück906. Letzteres bezieht sich also v.a. auf die Ursprünge der Bugonie. Gewiß haftet aber auch der Bugonie selbst etwas Wunderbares an. So wird in 287-294 907 eine besondere Verbindung mit dem fernen Ägypten hergestellt, welches den geographischen Hintergrund der Darstellung der Bugonie bildet, und bei der Schilderung der allmählichen Entstehung der Bienen im Rahmen der Bugonie in 309 ist von visenda modis ammalia miris die Rede. Entsprechend wird die "Urbugonie" in 554 als ein mirabile monstrum bezeichnet werden. Doch glaube ich nicht, daß dies dazu dient, die Bugonie als etwas Unwirkliches hinzustellen908. Von staunenswerten Dingen haben wir im Zusammenhang mit den Bienen im Laufe des Buches ja schon häufiger gehört 909 . Und in 284f. heißt es, die Bugonie sei schon oft mit Erfolg angewandt worden. Die ganze Gegend um das ägyptische Canopus sieht darin nach 294 das Unterpfand ihres Glücks910. Ägypten erscheint

906

Vgl. PRIDIK 1971, 221f. Daß der Hinweis auf eine fama übrigens nicht unbedingt auf die Unwirklichkeit des Mitgeteilten deuten muß, zeigen Stellen wie Aen. 8,600. Vgl. auch Aen. 9,79. Die Konnotation "unwahr" kommt durch den Kontext zustande: vgl. etwa Aen. 2,17. 907 Zur Zweifelhaftigkeit der Verse 290-293 vgl. Appendix 6. 908 So THOMAS ZU 287-94. Ders. meint allerdings zu 317, daß auch die Tatsache, daß Cyrene der Überlieferung zufolge von Apoll nach Libyen gebracht worden sein und dort Aristaeus geboren haben soll, "may play a part in V.'s placing of the bugonia in Egypt". Mag man aber nicht vielleicht auch daran erinnern, daß in Lukrezens Darstellung der Pest von Athen, mit der sich Vergil in seiner Schilderung der Norischen Viehseuche, dem Gegenstück zu seiner Behandlung der Bugonie, auseinandersetzt, mit dem Hinweis beginnt, daß die Krankheit aus Ägypten kam (Lucr. 6,1141)? 909 Vgl. auch die auf wundersame Weise aus dem trockenen Olivenholz hervortreibende Wurzel aus 2,30f. und den gepfropften Baum aus 2,78-82, der sich mit seinen Zweigen kräftig in die Höhe reckt und sich über sein neuartiges Laub und Früchte wundert, die ursprünglich nicht die seinen waren (oben S. 123f.), oder auch die wundersame Windbefruchtung der Stuten in 3,266ff. 910 Was die von THOMAS ZU 294 gegebene Deutung betrifft, so muß ich gestehen, daß sie mir gänzlich unverständlich ist. nam in 287 kennzeichnet die Verse 287-294 zunächst als Rechtfertigung dafür, daß Vergil die Bugonie darstellt und daß er sie so ausführlich behandelt. Zugleich aber setzen sie den geographischen Hintergrund für die folgende

Viertes Buch

243

dabei gerade dank seiner sagenumwobenen Fruchtbarkeit als der plausibelste Hintergrund für die Darstellung der Bugonie. In diesem Land herrschten nach verbreiteter Auffassung "ideal conditions for the production of life" 911 . Man nahm sogar an, daß der Boden hier seine ursprüngliche Fähigkeit zur Hervorbringung tierischen Lebens behalten habe. Vergil selbst hebt nachdrücklich auf die lebenspendende Nilschwemme ab (288f. 912 ). Das Bild der bunten Boote, mit denen die Einwohner von Canopus auf ihrem Besitz umherfahren, verleiht dem Ganzen hier noch eine besonders heiter-festliche Note. Die Leichtlebigkeit der Einwohner von Canopus war bekannt913. Entsprechend verlegt Vergil abweichend von den Fachschriftstellern die Bugonie ja auch in den Frühling, also in die der Vegetation günstigste Jahreszeit (305-307) 914 . Im übrigen tritt Ägypten als geographischer Hintergrund der in 295ff. bemerkenswert anschaulich und detailliert geschilderten Bugonie 915

Darstellung der Bugonie. Vgl. NORDEN 1934, 632 ( = 1966, 475) mit Anm. 11. 911

GUTHRIE 1 9 5 7 , 2 6 A n m . 19 m i t B e l e g s t e l l e n .

912

Zur Bedeutung des Ausdrucks circumvehi rura vgl. PAGE ZU 289. Auch dies dürfte bei der Bezeichnung der Bevölkerung des Nildeltas als fortunata mitschwingen. Doch ist die Fruchtbarkeit des Landes wohl entscheidend, wie es bei Prob. Verg. georg. 4,287 heißt: Fortunatam autem dixit gentem propter agri fertilitatem. 913

Ä h n l i c h CONINGTON z . S t . A n d e r s THOMAS z . S t . O v . a m . 2 , 1 3 , 7 ist v o n d e n genialia

...

arva Canopi die Rede, wobei BRANDT z.St. genialia wohl etwas stark mit "wollüstig, üppig" wiedergibt, während BOOTH z.St. genialia wohl ein wenig einseitig als "fertile" faßt. Colum. 10,171 spricht von nata ... hilaro samsuca Canopo. Colum. 3,2,10 bezeichnet eine Weinsorte als hilaris inter aestivos Favonii flatus und in Colum. 10,293 und 317 erhalten Gärten dieses Beiwort. 914 Vgl. RICHTER ZU 305ff. sowie THOMAS und MYNORS zu 305-7. Richters Hinweis auf das "Fehlen dieser Zeitangabe selbst in allen anderen Berichten über die Bugonie" ist mindestens irreführend, da, wie Mynors bemerkt, Demokrit und Mago Colum. 9,14,6 zufolge die Anwendung des Verfahrens für die Zeit zwischen der Sommersonnenwende und dem Aufgang des Hundssterns empfohlen haben. Diesen beiden wird dort merkwürdigerweise auch Vergil zugesellt, dessen "Urbugonie" allerdings in der Tat in die Hundstage fällt (425f.). KLINGNER 1967, 324 Anm. 1 zweifelt daran, daß es sich bei der Verbindung der Bugonie mit dem Frühling um eine Erfindung Vergils handelt. 915 Vgl. dagegen THOMAS zu 281-314: "The plausible, technical material of the Georgia ends at 282, with the death of the hive ... The sequence serves partly as a means of transition to the stories of Aristaeus and Orpheus..." Zu den zahlreichen Bezugnahmen auf das Verfahren der Bugonie bei Fachschriftstellern und Dichtern und zur Frage einer möglichen Vorlage für Vergil vgl. NORDEN 1934, 633f. ( = 1966, 475-477), RICHTER ZU 284ff. und MYNORS ZU 281-314. Zweifel an der Plausibilität des Verfahrens scheinen selten geäußert worden zu sein: vgl. OLCK 1897, 434f. Wenn Celsus und der ihn anführende Columella (Colum. 9,14,6) der Bugonie kritisch gegenüberstehen, dann nicht deshalb, weil sie sie für unrealistisch halten, sondern weil sie nicht glauben, daß es eine so gewaltige Sterblichkeit unter den Bienen geben könnte, daß die Anwendung eines

Die Geórgica Vergils

244

immer mehr zurück: "we feel we are in Italy, not Egypt." 916 Am Ende ist es nur noch entfernt in einem der Vergleiche gegenwärtig, die das Hervorbrechen ganzer Schwärme von Bienen aus dem Rindskadaver malen: Während der sommerliche Wolkenbruch in 312 an die Schilderung des Frühlings in 305-307 gemahnt, erinnern die zu Beginn der Schlacht von den Parthern abgeschossenen Pfeile in 313bf. an die Bezugnahme auf Ägypten in 287ff. 917 . Aus der Schilderung des erstaunlichen Vorgangs der Bugonie erklärt sich in 315 ganz natürlich der emphatische Ton der Frage: quis deus hanc, Musae, quis nobis extudit artem? In dem emphatischen quis deus, ... quis liegt hier weniger die Frage nach dem genauen Erfinder, als vielmehr ein staunendes "Es muß ja doch wohl ein Gott gewesen sein, der uns Menschen (nobis), diese Kunst hervorgebracht hat" 918 . Dabei weist die Formulierung hanc ... extudit artem auf die detaillierte Darstellung des technischen Verfahrens der Bugonie zurück 919 . Zugleich erinnert sie an die Kulturentstehungslehre aus dem ersten Buch 920 . Daher dürfte deus in 315 zunächst in dem Sinne zu verstehen sein, in dem bei Lucr. 5,8; 19 Epikur angesichts der Größe und des Wertes der von ihm gefundenen Erkenntnisse als Gott bezeichnet wird 921 . Bei Lukrez fallen in diesem Zusammenhang auch Begriffe wie reperto (2; 13) oder invenire (9; vgl. bei Vergil den Ausdruck Arcadii memoranda inventa magistri in 283). Und das von Epikur entdeckte Lebensgesetz wird von Lukrez gleichfalls als ars bezeichnet (5,10). Durch die leicht abgeänderte Wiederaufnahme von quis deus in einem einfachen quis wird bei Vergil der verbleibende Abstand zwischen den mit den quis deus und extudit verbundenen Vorstellungen zusätzlich überbrückt. Zugleich mag hier

solchen Verfahrens notwendig würde (in der Auffassung der Stelle folge ich FORSTER/ HEFFNER gegen RICHTER, der meint, Celsus und Columella scheine der Verlust eines Rinds ein zu hoher Preis für die Wiedergewinnung eines Bienenschwarmes). 916

917

MYNORS ZU 3 0 5 - 7 .

Vgl. aber CONINGTON ZU 314. 918 Der Erfinder war übrigens in 283 erst ganz unbestimmt bezeichnet worden. Die Wendung an die Musen rechtfertigt sich durch den 285f. bereits angekündigten sagenhaften Zug der Ursprünge der Bugonie. HUXLEY zu 315-6 bezeichnet die beiden Verse zutreffend als "theme and variation". Ähnlich sieht es wohl auch MYNORS ZU 315-16. 919 hanc artem greift, wie HUXLEY ZU 315 richtig bemerkt, auf in hac ... arte aus 294 zurück, welches inventa aus 283 aufnahm. 920 Vgl. 1,133 (oben S. 34f.). Zu extunderebei Vergil vgl. NORDEN 1934, 647 ( = 1966, 491) mit Anm. 45. 921 So auch LSDJ zu 315.

Viertes Buch

245

auch schon an die göttlichen Ehren gedacht sein, die Aristaeus später aufgrund seiner Leistungen zuteil wurden 922 . Im folgenden allerdings erscheint Aristaeus, obschon er als Sohn Apolls eine Aufnahme in den Olymp erhoffen darf 9 2 3 , noch als Mensch 924 . Zu Beginn von 317 wird er nachdrücklich als pastor eigeführt, muß also neben der Bienenzucht noch Viehherden besitzen (dies ist Voraussetzung für die Anwendung der Bugonie), ja in 326-332 wird sogar deutlich, daß er sich in allen landwirtschaftlichen Bereichen betätigt, die in den Geórgica behandelt werden. Dabei wird der polare Ausdruck für die Beschäftigung eines Bauern aus 327 frugum et pecudum custodia sollers, der die Bienenzucht noch einschließt 925 , in 329-331 auseinandergefaltet: Abzüglich der inzwischen verlorenen Bienen besitzt Aristaeus Obstbäume und Weinstöcke (329 926 , 331 927 ; vgl. Buch 2), züchtet Vieh (330; vgl. Buch 3) und betreibt Ackerbau (330; vgl. Buch l) 9 2 8 . Er scheint in der Tat stellvertretend für den Menschen unter der Herrschaft Jupiters zu stehen, der sich müht, durch Entwicklung der Künste und ihre sorgfältige Anwendung seinem Dasein Bestand und Glanz zu verleihen 929 . So verweist Aristaeus 326-328 auch auf ... hunc ipsum vitae mortalis quem mihi v¿c 931 frugum et pecudum

honorem93°, custodia sollers

922

Vgl. 1,14f. und Diod. 4,81,3; 82,5f. (mit NORDEN 1934, 645 ( = 1966, 489f.)). Zur Gestalt des Aristaeus vor Vergil vgl. KLINGNER 1967, 330-333. 923 Vgl. 322-323 und 325. 924

V g l . MYNORS z u 3 1 7 .

925

V g l . CONINGTON z . S t .

926

So LSDJ und wohl auch PAGE und HUXLEY ZU 329. Anders MYNORS z.St. Ob sata noch zum Vorangehenden gehört und damit soviel wie Saaten bedeutet oder eher zum Folgenden und dann junge Pflanzen meint, ist umstritten: vgl. PAGE ZU 331 und

927

MYNORS z u 3 2 9 . 928

Vgl. CONINGTON ZU 283 und THOMAS zu 329-31. Gegen Thomas ist allerdings darauf hinzuweisen, daß Cyrene ihrem Sohn seine übrigen Hervorbringungen eben gerade nicht wegnimmt, sondern ihm hilft, seine Bienen wiederzugewinnen. Und auch der Verlust der Bienen beruht im Aristaeus-Epyllion nur vordergründig auf einer Seuche, letztlich jedoch auf einer Schuld, die Aristaeus auf sich geladen hat. Man muß sich davor hüten, die mythische Welt des Aristaeus-Epyllions und die reale Welt, wie sie in anderen Passagen der Geórgica beschrieben wird, voreilig miteinander zu vermischen. 929 Vgl. PRIDIK 1971, 227. Ebd. 225-228 eine gute Analyse der gesamten Klage des Aristaeus. 930 MYNORS z.St. verweist auf 1,168 und Horn. II. 1,355 (Druckfehler statt 353). Vgl. auch laudis in 332. Zum homerischen Hintergrund des Aristaeus-Epyllions vgl. FARRELL 1991, 104-113; 253-272. 931

V g l . PAGE ZU 3 2 7 .

246

Die Geórgica Vergils omnia temptanti extuderat932...

Indem Aristaeus in 329-332 seine Mutter auffordert, ihm doch, da sie das Aussterben seines Bienenschwarmes zugelassen habe, gleich alles zu nehmen, macht er die Bienen zum Testfall, an dem sich die Frage nach der Fürsorge der Mutter für ihren Sohn entscheidet. Wenn aber Aristaeus stellvertretend für den Menschen in den Geórgica steht, dann ist die Anklage, die er gegen seine scheinbar hartherzige Mutter angesichts des Verlustes seiner Bienen richtet, zugleich die Anklage des Menschen der Geórgica gegen die Grausamkeit der Götter angesichts der immer wieder eintretenden Rückschläge. Man kann sich allerdings auch des Eindrucks nicht erwehren, Aristaeus solle hier im Zusammenhang mit der Klage um den Verlust seines Bienenschwarmes umso fester in der Welt der Geórgica verankert werden, je weiter seine Geschichte im folgenden dann zunächst von ihr wegführt. Zusammen mit Aristaeus steigen wir in die Wohnstätte der Nymphen unter den Fluten des Peneus hinab und später in der Erzählung des Proteus gar zusammen mit Orpheus in die Unterwelt, um dann schließlich mit der Gewinnung eines neuen Bienenschwarms durch Aristaeus wieder in die Welt der Geórgica zurückzukehren. Diejenigen, die die Orpheus-Erzählung als das Entscheidende betrachten, geraten leicht in die Gefahr, die Aristaeus-Geschichte über weite Strecken als verhältnismäßig unbedeutende Rahmenerzählung zu sehen. Mit dieser Sichtweise wird man allerdings der Aristaeus-Geschichte schon von ihrem Umfang her nicht gerecht. Was aber noch wichtiger ist: Sie führt den Leser in eine erstaunliche, wundersame Welt, die unter bzw. hinter der wirklichen, sichtbaren liegt. Da ist zunächst die Nymphe Cyrene, Mutter des Aristaeus, im Kreis ihrer Schwestern (333-350a). Die Sorglosigkeit ihrer Welt, in der sogar Liebesabenteuer folgenlos bleiben (vgl. 345-347), steht in scharfem Gegensatz zu den Klagen des Aristaeus. Auf Befehl der mit Furcht auf die Klage des Sohnes reagierenden Cyrene wird Aristaeus vorbei an den unterirdischen Quellen der gewaltigen Ströme der Oberwelt ins unterirdische Reich seiner Mutter geführt, von der er freundlich empfangen wird und nach einem Trankopfer den Rat erhält, beim Meeresalten Proteus Aufschluß über die Ursache des Bienensterbens zu suchen (350b-414). Bevor dieser sich dazu herbeiläßt, muß Aristaeus ihn allerdings überwinden und fesseln (415-452). Am Ende steht die Gewinnung eines neuen Bienenschwarmes aus den Kadavern der Rinder, die

932

V g l . CONINGTON z u 3 2 6 u n d THOMAS ZU 3 2 7 - 8 .

Viertes Buch

247

Aristaeus den Nymphen getreu der Anweisung seiner die Erzählung des Proteus ausdeutenden Mutter als Sühnopfer darbringt (528-558). Die Erzählung von der Geburt eines neuen Schwarmes aus dem Versöhnungsopfer des Aristaeus bildet das Gegenstück zu der Darstellung des Verfahrens der Bugonie in 295-314. Man hat sich in diesem Zusammenhang über die Unterschiede gewundert, die zwischen beiden Abschnitten bestehen: Aristaeus schließe die geschlachteten Tiere nicht in einen engen, zu diesem Zweck errichteten Raum ein, er ersticke die Tiere nicht und zerschlage ihnen auch nicht unter Vermeidung der Verletzung ihrer Haut die Eingeweide, sondern schneide ihnen vielmehr die Kehle durch, um das Blut herauslaufen zu lassen, und lasse die Tiere dann einfach im Hain zurück 933 . Dies entferne das Verfahren der Bugonie noch weiter von der realen Welt, wie sie in den Geórgica beschrieben werde 934 . Die genannten Unterschiede sind jedoch natürlich darin begründet, daß es am Ende der Aristaeus-Geschichte gar nicht um das technische Verfahren der Bugonie geht, wie es in 295-314 vorgestellt wird. Vielmehr geht es zunächst einmal um ein Opfer, welches Aristaeus darbringt, um die Nymphen zu versöhnen 935 . Als aus den verwesenden Opfertieren dann ein Bienenschwarm hervorbricht, ist dies erst der erste Schritt auf dem Weg zur Entwicklung des Verfahrens der Bugonie 936 . Die Unterschiede zwischen dieser "Urbugonie" und dem später üblichen Verfahren weisen auf eine Fortentwicklung des Verfahrens in der Folgezeit hin 937 . Ahnlich werden in manchen Kulturentstehungslehren und insbesondere auch bei Lukrez durch die Wahrnehmung natürlicher Erscheinungen technische Entwicklungen angeregt 938 . Dies mindert zugleich den Abstand zwischen den Aussagen in 283 und 315, die das Verfahren der Bugonie als eine eigenständige Hervorbringung des Aristaeus erscheinen lassen, und der Darstellung des Opfers am Ende des Buches, mit dessen Verrichtung Aristaeus lediglich die Anweisungen seiner Mutter befolgt.

933

V g l . CONINGTON z u 3 0 2 u n d 5 4 3 u n d THOMAS z u 5 3 8 - 5 8 .

934

THOMAS z u 5 3 7 .

935

V g l . PRIDIK 1 9 7 1 , 2 6 8 f .

936

Vgl. 316: unde nova ingressus hominum experientia cepit? 937 Vgl. MYNORS ZU 530, der auf Serv. georg. 4,553 verweist. Vgl. auch PRIDIK 1971, 265: "... die näheren Umstände (sc. der Rückkehr zum Nymphenhain) interessieren Vergil im Augenblick genauso wenig wie die Frage, was nun aus Aristaeus wird, ... wie Aristaeus die ars entwickelte aus diesem Opfer u.a.m." und ebd. 269. 938 Zur Naturbeobachtung als Auslöser für technische Entwicklungen vgl. GATZ 1967 Reg. 2 Β IIb 4d sowie ebd. 152 und 159.

248

Die Geórgica Vergils

Dabei fallen die Entsprechungen zwischen der Beschreibung des Opfers und den Anweisungen der Cyrene in der Tat ins Auge. Was in ihnen zum Ausdruck kommt, sagt bereits der Einleitungsvers 548: haud mora, continuo matris praecepta facessit. Sie verdeutlichen, daß Aristaeus die Anweisungen seiner Mutter eilends und getreulich ausfuhrt 939 Orpheus hatte sich über die ihm gegebenen Anweisungen hinweggesetzt. Zusätzlich dienen sie aber - gerade auch dank der bei aller Wiederholung vorgenommenen Verknappung - dazu, das Tempo der Darstellung bis zur Schilderung der eigentlichen, den Schlußpunkt markierenden Bugonie zu erhöhen 940 . Trotz aller Unterschiede sind allerdings in der Urbugonie natürlich viele Züge des späteren Verfahrens vorgebildet941. Und geblieben ist auch das Wundersame, das schon beim ersten Mal der Entstehung eines Bienenschwarmes aus verwesenden Tierkadavern anhaftete 942 . Dieses Wundersame ordnet sich nun jedoch in den Rahmen eines gottgewirkten Geschehens ein: Die wundersame Geburt des Bienenschwarmes aus verwesten Tierleichen erscheint als Antwort der besänftigten Gottheiten auf das Versöhnungsopfer des Aristaeus943. Eine oft behandelte Frage ist die nach dem Verhältnis zwischen Aristaeus-Geschichte und Orpheus-Erzählung. Vielen erschien dabei die Einbindung der Orpheus-Erzählung in die Aristaeus-Geschichte reichlich lose 944 . Diese Feststellung mußte, wollte man den Befund nicht auf Grundlage der Bemerkungen des Servius über einen nachträglichen 939

V g l . PRIDIK 1 9 7 1 , 2 6 3 - 2 6 5 .

940

PAGE ZU 556 weist auf die Entwicklung hin, die die Darstellung des neuen Schwarmes nimmt: wie die Bienen zunächst innerhalb der verwesenden Tierleichen herumschwirren, dann aus den berstenden Kadavern hervorbrechen und in gewaltigen Wolken dahinziehen, bis sie schließlich in einem Baumwipfel zusammenströmen und von den sich unter ihrem Gewicht biegenden Zweigen als Traube herabhängen. Während Vergil am Ende der Darstellung des Verfahrens der Bugonie zunächst die allmähliche Entwicklung der Bienen innerhalb des Tierkadavers und ihr allmähliches Hervorkommen beschrieb, um dann mit dem Hervorbrechen des Schwarmes zu schließen, den er mit einem sommerlichen Wolkenbruch oder mit dem von den Bögen der Parther zu Beginn einer Schlacht abgeschnellten Pfeilhagel verglich, während er dort also die Schilderung von der Ruhe zur Bewegung führte, die dann in einem Vergleich aufgefangen wurde, so führt hier die Schilderung von der Bewegung zur Ruhe, wobei dieser Eindruck durch die sehr bildhafte Ausdrucksweise unterstützt wird. 941 Vgl. PRIDIK 1971, 269f., dessen Spekulationen man allerdings nicht in jedem Punkt folgen wird. 942 mirabile in 554 greift auf miris aus 309 zurück. Vgl. PRIDIK 1971, 268. 943

V g l . HÄNDEL 1 9 6 2 , 8 4 .

944

V g l . HÄNDEL 1 9 6 2 , 8 0 A n m . 18; 8 7 A n m . 2 6 .

Viertes Buch

249

Eingriff des Dichters in sein Werk entstehungsgeschichtlich 945 deuten, dazu führen, eine Einheit auf höherer Ebene zu suchen. Dagegen hat Händel 946 die Orpheus-Erzählung aus der Erzählabsicht des Proteus zu erklären versucht, der sich bemüht, dem Aristaeus die Größe seiner Schuld zu verdeutlichen, indem er ihm die Größe von Orpheus' und Eurydikes Leid vor Augen führt. Gleich zu Beginn hebt Proteus ja auch die schwere Schuld des Aristaeus hervor: magna luis commisse (454). Und nachdem er in 457-459 vom Tod der Eurydike berichtet hat 947 , schildert er in 460-46la die Klage der Nymphen, die die hohen Berge erfüllt, dann in 461b-463 die Klage der Berge Thrakiens selbst und des ganzen rauhen Landes, bis der Blick in 464-466 auf Orpheus fällt, der einsam am Strand sitzend um Eurydike trauert: 465

ipse cava solans aegrum testudine amoretti te, dulcís coniunx, te solo in litore secum, te veniente die, te decedente canebat.

Der Schmerz über den Verlust Eurydikes läßt diesen dann in 467ff. sogar in die grauenerregende Unterwelt hinabsteigen 948 :

470

Taenarias etiam fauces, alta ostia Ditis, et caligantem nigra formidine lucum ingressus, Manisque adiit regemque tremendum nesciaque humanis precibus mansuescere corda.

Und bezwungen durch seinen doch wohl von Trauer und Liebe 949 getragenen Gesang gibt diese tatsächlich Eurydike frei. Doch er verliert sie wieder, da er die ihm auferlegte Bedingung, sich nicht nach der Gattin umzusehen, nicht einhält 950 : Eurydike ist zum zweiten Mal verloren, diesmal endgültig. Dabei bemüht Proteus sich augenscheinlich, den Orpheus zu entschuldigen: Er hat das Ziel schon errreicht, Eurydike ist diesem schon ganz nahe (Eurydicen ... suam aus 490 wird prononciert in

945

Vgl. oben S. 206 mit Anm. 787.

946

HÄNDEL 1962, 80-82; 89.

947

Zur Bedeutung von moritura in 458 vgl. HÄNDEL 1962, 80.

948

V g l . HÄNDEL 1962, 8 1 .

949 Vgl. das Lied des Orpheus bei Ov. met. 10,17b-39 und insbesondere die Darstellung der Reaktion der Schatten (40-4la: talia dicentem nervosque ad verba moventem/ exsangues flebant animae ...) und der Eumeniden (45-46a: tunc primum lacrimis victarum carmine fama est/ Eumenidum maduisse genas ...). 950 Daß die geraffte Darstellung des Mittelteils nicht einfach mit "hellenistischer Manier" erklärt werden sollte, sondern ganz wesentlich in der Erzählabsicht des Proteus begründet ist, hat wieder HÄNDEL 1962, 81f. gesehen.

250

Die

Geórgica

Vergile

Eurydikes klagendem heu non tua in 498 aufgenommen werden), da erfaßt plötzliche Verrücktheit {subita ... dementia, 488; vgl. auch quis ... / quis tantus furor in 494f.) wie ein von außen kommender Feind (vgl. auch victus ... animi in 491) den unachtsamen Liebenden (incautum ... amantem, 488 951 ), und auch diese Verrücktheit - ihr sind, wie wir aus dem Binnenfinale des dritten Buches wissen, ja alle Lebewesen unterworfen 952 - wird noch als verzeihlich hingestellt, wenn die Manen denn zu verzeihen wüßten (ignoscenda quidem, scirent si ignoscere Manes, 489). Ganz im Sinne des Orpheus ist die Bezeichnung des Herrschers der Unterwelt als eines immitis ... tyranni in 492 (ebenfalls aus seiner Perspektive war Eurydike in 465 als dulcis coniunx bezeichnet worden), und auch in der Klage der Eurydike erhalten die fata ja in 495f. das Beiwort crudeltà. Im Anschluß an den erneuten, diesmal endgültigen Verlust der Eurydike schildert Proteus in 507ff. zum zweiten Mal Orpheus' Trauer, nun noch eindringlicher als zu Beginn der Erzählung: Wieder bildet die Landschaft Thrakiens den Hintergrund für Orpheus' Klage, diesmal aber wird in 507-509 und später noch einmal in 517-519a eindringlich die Unwirtlichkeit der Umgebung herausgearbeitet953. In ihr scheint sich des Orpheus seelische Lage zu spiegeln. Und seine Klage wird diesmal nicht wie zu Beginn in die der gesamten Landschaft eingeordnet, vielmehr wird ihre Eindringlichkeit in 510 an ihrer Wirkung auf (wilde) Tiger und (knorrige) Eichen verdeutlicht, wodurch aber zugleich die Hilflosigkeit und Vereinsamung des Orpheus in aller Schärfe hervortritt. Der Vergleich mit der Nachtigall, die die ganze Nacht über um ihre von einem harten Landmann geraubten Jungen klagt, ruft in 511-515 Aristaeus als den Schuldigen in Erinnerung. Die Vorlagen für diesen Vergleich finden sich in der Odyssee. In Od. 16,213-219 werden Telemach und Odysseus, die im Augenblick des Wiedersehens in langanhaltendes Weinen ausbrechen, mit Seeadlern und Lämmergeiern verglichen, die um ihre von Landleuten geraubten Jungen klagen. In Od. 19,515-529 ist es Penelope, die sich in ihrem jammervollen nächtlichen Hin und Her in der Frage, ob sie im Hause ihres verschollenen Mannes bleiben oder einem der Freier folgen soll, mit Aedon, der Tochter des Pandareos, vergleicht, die einst aus Versehen ihren Sohn Itylus tötete, den sie nun als Nachtigall beklagt. Es lag nahe, den klagenden Sänger Orpheus mit einer Nachtigall

951

V g l . incautuml-am

in Aen. 1,350; 3 , 3 3 2 ; 4 , 7 0 ; 10,386 und insbesondere in georg.

3,469 von der Herde, die von der Pest befallen wird. 952

V g l . furias

953

Hierzu und zum Folgenden vgl. PRIDIK 1971, 259.

in 3 , 2 4 4 , furor in 3 , 2 6 6 und mentem in 3 , 2 6 7 .

Viertes Buch

251

zu vergleichen; dann aber mußte die Nachtigall um etwas klagen, was ihr von anderen entrissen worden war, da Proteus ja dem Aristaeus Orpheus' Schicksal schildert, um diesem seine Schuld vor Augen zu führen. Zugleich wird, dadurch daß an die Stelle der Seeadler und Lämmergeier eine Nachtigall tritt, das Grausame an der Handlungsweise des Landmanns betont. So wird er ja auch ausdrücklich als durus bezeichnet 954 . Die Benennung der Nachtigall als Philomela mag allerdings - jedoch nur ganz sacht - auch auf Orpheus' eigene Verantwortung für den zweiten Verlust der Eurydike verweisen 955 . Ebenso heißt es dann in 519f. auch, daß er raptam Eurydicen atque inrita Ditis/ dona beklagte. Orpheus' Tod in 520b-522 scheint sich folgerichtig aus seiner vollständigen Isolierung zu ergeben: Noch über den Tod hinaus beherrscht ihn in 523-527 einzig der Gedanke an die verlorene Eurydike. Hier bedeutet das Bild des auf den Wellen des Hebrus treibenden und immer wieder den Namen der nun zum zweiten Male verlorenen Eurydike rufenden Hauptes noch einmal eine Steigerung gegenüber dem des am Ufer sitzenden und den ersten Verlust seiner Gattin besingenden Orpheus. Die Orpheus-Geschichte verfehlt schließlich auch ihre Wirkung auf Aristaeus nicht, sie versetzt ihn vielmehr in Furcht (timentem 530), nachdem er zu Anfang gegenüber Proteus noch recht sicher aufgetreten war 9 5 6 . Es fragt sich aber, ob sich auf dieser Ebene v.a. auch Vergils Darstellung des zweiten Verlusts der Eurydike, die unzweifelhaft den Höhepunkt der Orpheus-Erzählung darstellt, wirklich befriedigend erklären läßt. Zwar mag man einwenden, der zweite und endgültige Verlust der Eurydike sei eine Folge des ersten, Orpheus habe Übermenschliches

954

Als er in 2 , 2 0 7 - 2 1 1 bei der Urbarmachung eines Waldstückes die alten Wohnstätten der Vögel entwurzelte, hieß er dagegen iratus. Daher erscheint eine Gleichsetzung, w i e sie v o n T H O M A S z u 4 , 5 1 1 - 1 5 v o r g e n o m m e n w i r d , p r o b l e m a t i s c h . ZWIERLEIN h ä l t 2 , 2 0 7 - 2 1 1

nicht für vergilisch. Vgl. FARRELL 1991, 323f. Vgl. auch δι" άφραδίας

955

in Od. 19,523 mit dementia

in

488.

956 JN 4 4 5 redet Proteus ihn noch als iuvenum confidentissime an. Die bei NORDEN 1934, 657 ( = 1966, 5 0 3 f . ) getroffene Feststellung, Aristaeus sei nur Zuhörer der Proteus-Rede und äußere auch hinterher kein Wort, ist also nicht die ganze Wahrheit. Auch Nordens Behauptung, die Orpheus-Erzählung sei um ihrer selbst willen da, kann nach dem Gesagten so nicht stehen bleiben, wiewohl es natürlich zutrifft, daß Proteus als Erzähler ebenso wie die Erzählsituation selbst immer mehr in den Hintergrund tritt. N o c h weniger vermag Nordens Einwand zu überzeugen, da Kyrene selbst über die causa morbi Bescheid wisse, sei die Proteus-Erzählung für die Handlung der Aristaeus-Geschichte unwesentlich, ja ü b e r f l ü s s i g (NORDEN 1 9 3 4 , 6 5 4 und 6 7 6 ( =

1966, 5 0 0 und 525) A n m .

115).

252

Die Geórgica Vergils

unternommen und sei daran verständlicherweise gescheitert 957 . Seine Gestaltung weist jedoch erkennbar über das Gesagte hinaus, erinnert sie doch an das Bild des gegen die Strömung ankämpfenden Ruderers aus dem ersten Buch der Geórgica, der, läßt er nur einen Augenblick in seiner Anstrengung nach, sogleich zurückgerissen wird (l,201-203) 9 5 8 . So verfalle, hieß es dort, alles nach dem Willen des Schicksals, wenn es nicht durch ständige Anstrengung gesichert werde, auch das, was mit großer Mühe zustandegebracht worden sei (1,197-200). Dieses Geschehen gehört im ersten Buch offenbar zur festen Ordnung der Welt, wie auch die leges aeternaque foedera, die die Natur dort bestimmten Orten hinsichtlich dessen auferlegt hat, was sie hervorbringen können und was nicht (1,60-6la) 9 5 9 . Auch Orpheus verstößt gegen Gesetze und Abmachungen (vgl. legem am Ende von 487 und foedera zu Beginn von 493), auch Eurydike wird, vom Schicksal zurückgerufen, fortgetragen (vgl. retro/ fata vocant.../ ... feror ... in 495ff. mit omnia fatisi ... retro ... referri aus l,199f.), und dies, weil Orpheus für einen Augenblick unaufmerksam ist und stehenbleibt, um sich umzuschauen (vgl. restitit.../ ... respexit in 490f. mit bracchia ... remisit aus 1,202). Damit ist mit einem Mal alle bereits aufgewandte Mühe vergebens: omnisl ejfusus labor (49If.; vgl. 1,197-199a: vidi lecta diu et multo spectata labore! degenerare tarnen, ni vis humana quotannis! maxima quaeque manu legeret. ...). So geht die Orpheus-Erzählung von der Schuld des Aristaeus und der Trauer des Orpheus aus und führt auch wieder zur Trauer des Orpheus und damit auch zur Schuld des Aristaeus zurück. Dazwischen aber steht etwas, was über das unmittelbare Geschehen hinausweist. Dabei ist Vergils Sicht der Dinge eine zutiefst tragische. Denn die Macht, die Orpheus in die Unterwelt treibt, ist dieselbe, die ihn Eurydike ein zweites Mal und nun endgültig verlieren läßt. Leben und Tod liegen hier unmittelbar nebeneinander. Wir dürfen wohl annehmen, daß die Furcht, die die Orpheus-Erzählung in Aristaeus weckt, sowohl in der Begegnung mit

957

Vgl. HÄNDEL 1962, 89: "... die Ausführlichkeit dessen, was Proteus dem Aristaeus verkündet, ist ganz und gar unentbehrlich; wenn nämlich die Beziehung zwischen dem Leid des Aristaeus und dem Geschick des Orpheus so beschaffen ist, wie Vergil will, muß die Rede weit ausgreifen, denn es gilt keinen schlichten Akt der Strafe zu erzählen, sondern ein lange dauerndes äußerstes Leiden, welches dem Aristaeus Strafe erregt." 958 Vgl. oben S. 26f. 959 Vgl. oben S. 12f.

Viertes Buch

253

dem Schicksal des Orpheus an sich gründet wie auch in der Einsicht in seine Schuld am Schicksal des Orpheus 960 . Wir haben oben bereits auf die strukturellen Parallelen in den Partien gegen Ende des vierten und dritten Buches hingewiesen. Wir haben jedoch zugleich gesehen, wie leichte stimmungsmäßige Unterschiede den Leser bereits darauf vorbereiten, daß das vierte Buch nicht mit dem Tod der Tiere schließt, sondern an die Stelle des Totentanzes vom Ende des dritten Buches die Darstellung eines Verfahrens setzt, wie man aus einem toten Rind ein neues Bienenvolk gewinnen kann 961 . In die AristaeusGeschichte, die von den sagenhaften Ursprüngen dieses Verfahrens berichtet, hat Vergil allerdings wiederum die Orpheus-Erzählung eingelegt, in der geschildert wird, wie Orpheus in einem Anfall von Liebeswahnsinn Eurydike zum zweiten Mal und diesmal endgültig an den Tod verliert und selbst umkommt. So nimmt Vergil am Ende des vierten und letzten Buches der Geórgica in die Geschichte von der Geburt neuen Lebens aus dem Tod die Themen der beiden Finalia des dritten Buches, Tod und Liebeswahnsinn, noch einmal mit hinein. Dabei verstärkt die Orpheus-Erzählung gewiß die Empfindung für die Bedeutung der Gewinnung eines neuen Bienenschwarmes durch den getreulich den Anweisungen seiner Mutter folgenden Aristaeus, indem sie mit der Darstellung des endgültigen Verlustes der Eurydike durch den in einem Anfall von faror amoris die Gebote der Herrscher der Unterwelt verletzenden Orpheus und von dessen eigenem Tod eine Folie für die Aristaeus-Geschichte bildet. Zugleich aber wirkt sie auch als Korrektiv, wird in dem Leiden von Orpheus und Eurydike doch erkennbar, daß der Tod sehr wohl existiert. Deutet man die Bugonie daher, wie Klingner es tut 962 , als eine Überwindung des Todes, so trifft dies nur in eingeschränktem Sinne zu. Bemerkenswert scheint mir die Tatsache, daß der Vorwurf, den Aristaeus gegen seine Mutter wegen ihrer Grausamkeit erhebt (crudelem in 356), seinen Widerhall in der Klage der Eurydike findet, die das Schicksal, welches sie in das Reich der Schatten zurückruft, als grausam bezeichnet (crudeltà in 495). Des Aristaeus Verzweiflung wird am Ende aufgelöst, die Klage des Orpheus hallt noch über den Tod hinaus nach. So groß der Eindruck allerdings ist, den die Erzählung vom Schicksal des

960

Wiewohl dem Orpheus hier auch Größe zuwächst, so kann man ihn doch nicht zum Sieger umdeuten, wie BÜCHNER 1955-1958, 1314 ( = 1959, 292) dies will. 961 Vgl. oben S. 239ff. 962 KLINGNER 1967, 359-363. Klingner vertritt diese Deutung vor dem Hintergrund der Verse 221b-227, deren Echtheit mir ohnedies fragwürdig erscheint: vgl. oben Anm. 879.

254

Die Geórgica Vergils

Orpheus und der Eurydike zu erwecken vermag, so steht am Ende des vierten Buches doch das Versöhnungsopfer, auf welches die Götter mit der Entstehung neuen Lebens antworten963. Wenn die Orpheus-Erzählung zwei einzelne Menschen zeigt, die an den göttlichen Gesetzen scheitern, so zeigt die Aristaeus-Geschichte, daß es auf der anderen Seite wieder eben diese Götter sind, die das Leben insgesamt erhalten. Dies ist ein weiter Rahmen, der aber dank seiner Weite den Vorzug hat, daß in ihm auch Leid seinen Platz findet, ohne ihn zu sprengen.

963

PRIDIK 1971, 278 Anm. 3 macht es sich allerdings wohl zu einfach, wenn er meint: "Es wäre verfehlt, wenn man statt der dominierenden Aristaeus-Geschichte die nur halb so lange und untergeordnete Orpheus-Geschichte zum Brennpunkt der Aussage machen wollte." GRIFFIN 1979, 70f. (= 1985, 175f.) scheint mir dagegen die Einbettung der Orpheus-Erzählung in die Aristaeus-Geschichte zu wenig zu berücksichtigen: "The emotional style and the verbal beauty of Proteus' account of his (sc. Orpheus') suffering and song make it a unity, and it is here that the emotional emphasis surely falls, not on the episode of Aristaeus ... The account of the first bugonia, 528-58, forms in style a remarkable contrast. A dry and matter-of-fact tone succeeds to the languorous beauty of Orpheus and Eurydice, emphasised by the exact repetitions of lines (... as if to say: This is what he was told to do, and this is what he did). ... For my part I can not feel that the restoration of bees outweighs the suffering and death of Orpheus and Eurydice, especially in view of the way Virgil has handled the story."

III. Schlußwort Wenn wir uns nun abschließend noch einmal die Frage vorlegen, ob die Geórgica von einer optimistischen oder einer pessimistischen Grundhaltung geprägt sind, so muß die Antwort nach dem bisher Gesagten wohl lauten: von einer eher optimistischen. Dies gilt sowohl für die Beurteilung des politischen Geschehens der Zeit wie für die generelle Sicht der Welt, die sich in ihnen zeigt. Was die erstere betrifft, so bietet das Finale des ersten Buches in der Tat eine eindringliche Schilderung der Schrecken der Bürgerkriege. Im Zusammenhang damit wird auch auf sich andeutende außenpolitische Bedrohungen verwiesen. Die angerichtete Verwüstung wird dabei insbesondere an der Welt des Landmanns verdeutlicht. Zugleich scheint gerade in ihr aber auch ein Gegenbild zur Welt des Bürgerkrieges auf, ebenso wie sich in dem Gebet um die Erhaltung Octavians neben Angst auch die Hoffnung auf Rettung ausdrückt. Die im Finale des ersten Buches erzeugte Spannung löst sich im zweiten Buch. Dort sichert am Ende der laudes Italiae Octavian als Sieger von Actium Rom in den äußersten Gegenden Asiens gegen die Bedrohungen aus dem Osten. Dabei erscheint Octavian als der Verteidiger eines Italien, dessen Erscheinungsbild von einfachen ländlichen Hervorbringungen gekennzeichnet ist, gegenüber einem Osten, dessen Bild märchenhafte Reichtümer, aber auch gewaltige Schrecknisse prägen. Einem letztlich korrupten Osten tritt die Reihe der genügsamen altitalischen Stämme und Helden der römischen Vergangenheit gegenüber, als deren Fortsetzer und Vollender Octavian erscheint. Indem Vergil die Kraft Roms zur Selbstbehauptung in Vergangenheit und Gegenwart fest in der Einfachheit eines ländlich geprägten Italien verankert, deutet er zugleich die Gründe an, die Rom bis an den Rand des Untergangs geführt haben. Ausgeführt wird dies in den laudes vitae rusticae, in denen eine von Gier nach Reichtum und Macht bestimmte Lebensweise dem ruhigen, genügsamen Leben des Landmannes gegenübergestellt wird. Während erstere in Bürgerkriege führt, erscheint letztere als Ursprung römischer Größe. Dabei geht es weniger darum, wo dieses Leben geführt wird, als vielmehr um die Werte, die den dargestellten Daseinsweisen zugrundeliegen. Nur eine Besinnung auf diese Wurzeln römischer Größe, auf die Vergil Octavian festlegt, indem er ihn zu ihrem Vertreter macht, kann

256

Schlußwort

offenbar in seinen Augen zu einer dauerhaften Gesundung des römischen Staates führen. Vergil umgibt die ländliche Welt Italiens dabei mit dem Glanz des Goldenen Zeitalters und knüpft so an sein früheres Werk, insbesondere an die vierte Ekloge, an. Doch ebenso bezeichnend wie die Gemeinsamkeiten bestimmter Abschnitte der Geórgica mit solchen der vierten Ekloge sind die Unterschiede. Aus der märchenhaften Vision einer universalen Wiederkehr des Goldenen Zeitalters ist nun die Forderung nach einer Besinnung auf die Werte eines genügsamen altitalischen Bauerntums geworden. Indem Vergil behutsam bestimmte Züge aus der Vision der vierten Ekloge auf die Welt der Geórgica überträgt, verklärt er diese nicht so sehr, sondern hebt vielmehr ihre Vorbildlichkeit hervor. Statt einfach nur eine Hoffnung zu äußern, weist er nun einen Weg. Der Weg, um den es geht, ist allerdings nicht nur ein solcher, der zur Gesundung des Staates führen kann. Dies wird v.a. in den laudes vitae rusticae deutlich, in denen Vergil das lukrezische Ideal dessen, dem es gelungen ist, sich durch vernunftgemäße Erklärung der Welt von der das Leben vergiftenden Todesfurcht zu befreien, dem Bild dessen gegenüberstellt, der die ländlichen Götter kennt, d.h. dank seiner Verbundenheit mit der ländlichen Welt von der auch selbstzerstörerischen Gier nach Macht und Geld frei ist. Diese Abgrenzung gegenüber Lukrez in den laudes vitae rusticae ist jedoch selbst wieder nur Teil einer weitergehenden Auseinandersetzung, stellt Vergil sich doch, indem er von den ländlichen Göttern spricht, gegen Lukrez, der die Götterfurcht als die zweite gefährliche Verirrung des Menschen betrachtet. Zugleich fordert Vergil, indem er auf den lukrezischen Weg zur Überwindung der Todesfurcht verweist, die Frage heraus, wie er selbst es mit diesem Problem hält. Wir haben gesehen, wie Vergil sich im ersten Buch der Geórgica mit dem Versuch des Lukrez auseinandersetzt, anhand der Mängel der Welt, deren Teil der Mensch ist, nachzuweisen, daß diese nicht von den Göttern im Interesse des Menschen eingerichtet worden sein kann. Vergil leugnet diese "Mängel" nicht, wertet sie jedoch anders, indem er ihnen im Rahmen seiner Vorstellung von einer gottgewollten Ordnung einen Sinn zuweist und ihnen Hinweise auf die Möglichkeiten gegenüberstellt, die dem Menschen gegeben sind, um sich zu behaupten. Dies tut er allerdings ohne allen Triumphalismus, vielmehr schimmert immer wieder das Bewußtsein der Härte durch, die dieser Ordnung eignet. Ahnliches zeigt sich auch in seinem Umgang mit der zweiten Frage, der nach dem Tod. Im Finale des dritten Buches greift Vergil auf die

Schlußwort

257

Herausforderung zurück, der Lukrez am Ende von De rerum natura seinen Leser aussetzt. Und am Ende des vierten Buches nimmt er in die Darstellung, wie durch unter göttlichem Segen sich vollziehendes menschliches Tun aus dem Tode neues Leben entsteht, auch das tragische Scheitern des Menschen an der eigenen Schwäche und der göttlichen Ordnung mit hinein. Der Schrecken über die Macht des Todes wird hier allerdings seinerseits wieder aufgefangen - nicht aufgehoben! - im Staunen über das Wunder des Lebens. Diese Sicht der Dinge mag vom Standpunkt des Philosophen aus vielleicht als die letztlich weniger befriedigende erscheinen, von dem des Dichters aus betrachtet aber ist sie jedenfalls wohl die reichere.

IV. Appendices 1. Zu 2,32-34 Die Verse über das Pfropfen, die denjenigen über das wunderbare Hervorsprossen einer Wurzel aus dem trockenen Holz eines zersägten Ölbaumes 964 folgen, wirken wie eine Antiklimax: et saepe alterius ramos impune videmus vertere in alterius, mutatamque insita mala ferre pirum et prunis lapidosa rubescere corna. impune ("ohne Schaden für das aufgepfropfte Reis") in 32 bietet kein ausreichendes Gegengewicht zu mirabile dictu in 30. Vergil kündigt zudem ja in 9 als seinen Gegenstand die verschiedenen Entstehungsweisen der Bäume an: principio arboribus varia est natura creandis. Dabei lehnt er sich, wie gesagt, stark an Thphr. HP 2,1,1 an 965 . Thphr. HP 2,1,4 aber werden Pfropfen und Okulieren nachdrücklich von den zuvor geschilderten Entstehungsweisen der Bäume abgesetzt. Hier gehe es um eine Vermischung von Bäumen oder jedenfalls um eine Entstehung κατ' άλλον τρόπον, weswegen Theophrast Pfropfen und Okulieren auch erst CP 1,6 behandelt. Die georg. 2,35-38 folgenden Verse wiederum scheinen sich nur schlecht an die Darstellung einer Vermischung von Baumarten anzuschließen: 35

quare agite, o proprios generatim discite cultus, agricolae, fructusque feros mollite colendo, neu segnes iaceant terrae, iuvat Ismara Baccho conserere atque olea magnum vestire Taburnum.

Und schließlich nehmen die Verse 32-34 der Darstellung des Pfropfens (und Okulierens) in 69ff. 9 6 6 doch wohl einiges an Wirkung. Man vergleiche insbesondere die von den steriles platani in 70 getragenen malos valentis mit den insita mala, die die mutata pirus bereits in 33f. tragen soll.

964 965 966

S. oben S. 123f. S. oben S. 117ff. S. oben S. 126ff.

Appendices

259

Die Verse 32-34 bereiten aber auch in sich einige Schwierigkeiten. So mutet das doppelte alterius etwas unbestimmt an. nec non et, sterilis quae stirpibus exit ab imisj hoc faciat aus 53-54a bildet keine völlig überzeugende Entsprechung, da dort Bäume, wenn auch als Neutrum Plural, das Subjekt der unmittelbar voraufgehenden Sätze bilden 967 . An unserer Stelle ist das aber seit 28b nicht mehr der Fall. Auch die Bedeutung von vertere erscheint unscharf, gerade wenn man auf 3,365 blickt, wo es heißt: et totae solidam in glaciem vertere lacunae968. Eine wirkliche Verwandlung findet in 2,33 ja gar nicht statt. Auch die konkreten Beispiele für die Methode des Pfropfens bieten einige Probleme. Wie mit pirum in 34 der wilde Birnbaum gemeint sein dürfte 9 6 9 , muß bei prunis an Schlehen gedacht sein 970 . Denn es kann sich ja wohl nur um einen Vorgang handeln, der wenigstens eine geringfügige Verbesserung bewirkt 971 . Klar ausgedrückt ist das allerdings nicht. Und vermag ich schon den "pictorial effect", der durch die Formulierung (videmus) prunis lapidosa rubescere corna erzielt werden soll, nicht als besonders hoch einzuschätzen 972 , so scheint mir dadurch die Bezeichnung der Kornelkirschen als steinig keineswegs erklärt zu werden. In Aen. 3,649 kommt diesem Beiwort dagegen ein klar erkennbarer Sinn zu, da es die Ärmlichkeit der Nahrung hervorhebt, mit der

967

S. oben S. 125f. Dies ist neben dem anders gelagerten quod nec vertat bene aus ecl. 9,6 der einzige weitere Fall im vergilischen Corpus, in dem das Verb intrasitiv gebraucht wird. 969 Zum Pfopfen von Apfel auf Birne vgl. neben Prop. 4,2,18 (s.u.) noch Arist. 820b3637 sowie Geop. 10,20,1 (mit NICLAS z.St.) und 10,76,3. Zum wilden Birnbaum: O L C K 1897, 498. 970 Daß Vergil mit (videmus) prunis lapidosa rubescere corna gemeint haben könnte, steinige Kornelkirschen ( = Kornelkirschbäume) röteten sich von Pflaumen, eine Deutung, zu der H E Y N E zu 32.33.34, W A G N E R zu 328sqq. und L S D J zu 32f. Zuflucht nahmen, glaubt man heute mit Recht nicht mehr, rubescere im Zusammenhang mit (Korallen, die in diesem Punkt mit) Kornelkirschen (verglichen werden,) bei Plin. nat. 32,22. Vgl. auch ebd. 15,101; 109; 16,105. 971 Angesichts des resignierenden Ausrufs bei Plin. nat. 15,105 (quae cura et cornis atque etiam lentisco adhibetur, ne quid non hominis ventri natum esse videatur!) wird man den antiken insitores wohl manche Verrücktheit zutrauen, Vergil möchte ich sie allerdings ungern zumuten. Auch SIDGWICK zu 3 4 befriedigt nicht: "A plum tree which would not bear might naturally be grafted with cornel: it would improve the cornel, and get some return from the useless plum. " (Hervorhebungen von mir) 972 Ein ähnliches Spiel mit Farben findet sich in den ebenfalls verdächtigen Versen 71 f.: vgl. oben Anm. 546. 968

260

Appendices

Achaemenides sich begnügen muß 973 . Es will mir daher scheinen, als befände sich dort der ursprüngliche Sitz der lapidosa corna, die ein Interpolator bedenkenlos unserer Stelle aufgepfopft hat, sed haud impune. Im Spiel könnte dabei auch Prop. 4,2,13-18 gewesen sein, wo Vertumnus bei der Aufzählung verschiedener Möglichkeiten, seinen Namen und Kult herzuleiten, bemerkt:

15

prima mihi variai liventibus uva racemis974 et coma lactenti spicea fruge turnet; hic dulcis cerasos, hic autumnalia pruna cernís et aestivo mora rubere die; insitor hic solvit pomosa vota corona, cum pirus invito stìpite mala tulit.

Hineingespielt haben mag auch Hör. epist. l,16,8b-ll, zumal wenn es sich hier, wie Steier meint 975 , um Kornelkirschen und Pflaumen handelt, die auf Schlehen gepfropft wurden:

io

... quid si rubicunda benigni corna vepres et pruna ferant, si quercus et ilex multa fruge pecus, multa dominum iuvet umbra? dicas adductum proprius frondere Tarentum.

mutatam in georg. 2,33 kann ein Interpolator leicht aus 50 (mutata) genommen haben, allerdings muß er dabei übersehen haben, daß es dort eine andere Bedeutung hat. Gleiches gilt für das am Anfang von 50 stehende insérât im Verhältnis zu insita in 33 976 . Angeregt worden sein könnte die Interpolation durch das Bedürfnis, eine Entsprechung zur Behandlung des Pfropfens in 69ff. zu schaffen, weil nicht gesehen wurde, daß dort durch inseritur vero ein neuer Abschnitt eingeleitet wird. Bestätigt gefühlt haben mag sich ein Interpolator dabei durch Lucr. 5,1361-1378:

973

lapidosus findet sich in der Dichtung von Früchten sonst nur noch Colum. 10,15 (von Pflaumen) und Prud. c. Symm. 2,947 (von Kornelkirschen). Columella hat dabei auf einen Vergiltext zurückgegriffen, in dem sich bereits die in Frage stehenden Verse befanden, Prudentius lehnt sich an die Stelle aus der Aeneis an. 974 Den Versschluß uva racemis scheint der Interpolator in 60 in uva racemos abgewandelt zu haben (vgl. unten S. 26Iff.). 975 STEIER 1933, 1458. Vgl. 4,145. Plin. nat. 17,75 werden Pfirsiche auf Schlehen {in pruno silvestri) gepfropft. 976 Vgl. oben S. 125 mit Anm. 540.

Appendices

261

at specimen satiortis et insitionis origo ipsa fuit rerum primum natura creatrix, arboribus quoniam bacae glandesque caducae tempestiva dabant pullorum examina supter; 1365 unde etiam libitumst stirpis committere ramis et nova defodere in terram virgulto per agros, inde aliam atque aliam culturam dulcis ageHi temptabant, fructusque feros mansuescere terra cernebant indulgendo blandeque colendo. 1370 inque dies magis in montem succedere silvas cogebant infraque locum concedere cultis, prata lacus rivos segetes vinetaque laeta collibus et campis ut haberent, atque olearum caerula distinguens inter plaga currere posset 1375 per tumulos et convallis camposque profusa; ut nunc esse vides vano distincta lepore omnia, quae pomis intersita dulcibus ornant arbustisque tenent felicibus opsita circum. Lukrez berührt sich ja mit Vergil sowohl hinsichtlich der Unterscheidung zwischen naturgegebenen und von den Menschen entwickelten Entstehungsweisen von Bäumen als auch durch die Begeisterung, mit der beide die Kultivierungsleistungen des Menschen betrachten. Und Vergil bezieht sich ja auch selbst klar auf Lukrez: vgl. primum in 20 mit primum in Lucr. 5,1362, pullulât... densissima silva in 17 mit pullorum examina in Lucr. 5,1364 (vgl. auch sub ingenti matris ... umbra in 19 mit supter in Lucr. 5,1364), per agros am Ende von 54 mit per agros am Schluß von Lucr. 5,1366 und natürlich v.a. fructusque feros mollite colendo in 36 mil fructusque feros mansuescere terra/ cernebant indulgendo blandeque colendo in Lucr. 5,1368bf.

2. Zu 2,57-60 Die Versgruppe 2,57-60 führt den zuvor angeklungenen Gedanken von den Verfallstendenzen aus, die den natürlichen Entstehungsweisen innewohnen 977 : iam quae seminibus iactis se sustulit arbos, tarda venit seris factura nepotibus umbram,

977

S. oben S. 125f.

262 60

Appendices pomaque degenerarti sucos oblita priores et turpis avibus praedam feri uva racemos.

Dabei scheint sie zunächst in der Anlage den beiden vorangehenden Gruppen insofern zu entsprechen, als die Art Bäume, um die es geht, mithilfe eines Relativsatzes umschrieben wird, der das in 53 zu ergänzende Beziehungswort arbos nun ausdrücklich nennt 978 , wobei allerdings bereits auffällt, daß das Tempus vom Präsens zu einem Perfekt wechselt: Der Baum hat einen ersten Wachstumsschub offenbar bereits hinter sich. Zudem geht es nun auch um bereits domestizierte Bäume, wie der Hinweis auf das aus der Art schlagende Obst zeigt. Überhaupt wird hier nun doch wohl die durch eine besondere Entstehungsweise bestimmte Kategorie von Bäumen nach an ihrem Ertrag zu unterscheidenden Baumsorten differenziert. So dürfte zunächst an einen Baum von der Art der aesculus aus 290-297 gedacht sein, die ja bereits in 15b-16a Erwähnung fand, in 59 wird daraus dann ein Obstbaum, in 60 schließlich ein Weinstock. In der Tat sind die sprachlichen und gedanklichen Entsprechungen zwischen 57f. und 290-297 auffällig. An der zuletzt genannten Stelle heißt es im Anschluß an eine Bemerkung zur Tiefe der Pflanzgruben für Weinstöcke: 290

295

altior ac penitus terrae defigitur arbos, aesculus in primis, quae quantum vertice ad auras aetherias, tantum radice in Tartara tendit, ergo non hiemes illam, non flabra neque imbres convellunt: immota manet multosque nepotes, multa virum volvens durando saecula vincit, tum fortis late ramos et bracchia tendens hue illue media ipsa ingentem sustinet umbram.

Man vergleiche zunächst arbos am Ende von 57 und 290, dann umbram am Ende von 58 und 297. Dabei scheint die nach faciat aus 54 schon an sich nicht besonders schöne Junktur umbram facere in 58 merkwürdig. Vergil hat sonst umbras fundere (Aen. 12,207; die Wahl des Verbs mag hier allerdings durch das zweite Objekt virguita bestimmt worden sein), umbras ministrare (georg. 4,146) oder wenigstens umbras sufficere (2,435; auch hier allerdings mit weiteren Objekten frondem, saepem und pabulo). Es fällt auf, daß sich in den drei letztgenannten Fällen jeweils der Plural umbras findet. In 2,435 drucken zwar LSDJ, Page, Thomas und auch Mynors umbram, jedoch folgt letzterer in seinem Kommentar 978

Vgl. oben S. 259.

Appendices

263

Heyne und Conington, wenn er meint, umbras sei "somewhat more likely to be the original" 9 7 9 . In 297 kann man die Verwendung des Singulars damit erklären, daß es dort nicht um den Schatten geht, den der Baum spendet, sondern um das gewaltige schattige Dach aus Zweigen und Blättern, welches der Stamm in der Mitte trägt. An unserer Stelle sehe ich eine solche Erklärungsmöglichkeit nicht 980 . Schließlich vergleiche man noch seris ... nepotibus in 58 mit multosque nepotes am Ende von 294. Das Attribut seris in 58 läßt sich ebenso wie der Hinweis auf das langsame Wachstum im selben Vers gedanklich zu dem Bild der tiefwurzelnden und langlebigen aesculus on 290-297 in Beziehung setzen. Der Ausdruck könnte aus Ov. met. 6,135ff. stammen, wo Athene die sich erhängende Arachne rettet: 135

... pendentem Pallas miserata levavit atque ita 'vive quidem, pende tarnen, improba ' dixit, 'lexque eadem poenae, ne sis secura futuri, dicta tuo generi serisque nepotibus estoΓ981

Damit ist die Liste von Auffälligkeiten bzw. Schwierigkeiten im Blick auf die in Frage stehenden Verse allerdings noch nicht erschöpft. So wirkt seminibus iactis in 57 befremdlich. Einerseits nämlich scheint es posito ...de semine aus 14 zu entsprechen 982 . Andererseits bezeichnet semina tacere jedoch regelmäßig den Vorgang der Aussaat durch den Menschen. Man vergleiche Varrò rust. 1,4,1; 29,2; 37,5; 42; Ον. met. 5,485; fast. 1,662; Colum. 1,7,6. So verwendet auch Vergil den Ausdruck in 1,104 983 . Nur Colum. 2,17,5 heißt es einmal: sed earn viciam

979

MYNORS ZU 4 3 5 .

980

Die Junktur umbramfacere findet sich noch einmal Plin. nat. 19,23: postea in theatris tantum umbram fecere (sc. vela), sowie Sil. 14,283, wo die syrakusanischen Heerführer darauf hinweisen, numquam hoste intratos muros et quattuor arces,/ et Salaminiacis quantam Eoisque tropaeis/ingenio portus urbs invia fecerit umbram,/ spectatum proavis. Ον. met. 3,50 (fecerat exiguas iam sol altissimus umbras) ist offenbar anders gelagert, und Gell. 17,20,8 bedeutet lineas umbrasque facere soviel wie "einen schattenhaften Umriß herstellen". 981 Vgl. auch Prop. 3,l,35f.: meque inter seros laudabit Roma nepotes:/ ilium post ciñeres auguror ipse diem. 982 Vgl. oben S. 118f. 983 Vgl. auch 1,62 (oben S. 12-14) und ecl. 6,41. Die Verse georg. 2,317f. bereiten den Kommentatoren einige Schwierigkeiten, u.a. was die Deutung von semine iacto betrifft. HEYNE zu 318 glossiert dies mit "surculis positis", einer Deutung, der sich WAGNER, Y O N G E , SIDGWICK, CONINGTON, PAGE, L S D J u n d THOMAS z u 3 1 7 a n s c h l i e ß e n . MYNORS

z.St. bemerkt jedoch mit Recht: "the reader cannot be expected to distinguish this from

264

Appendices

non conventi ante desecare, quam permaturuerit et aliqua semina subiacenti solo iecerit. Und so bemerkt Heyne zu seminibus iactis auch: "seu temere, cadentibus iis in solum, seu manu iactis: utrumque enim nunc complectitur propter parem eventum." 984 Conington dagegen ist sich hinsichtlich der Bedeutung des Ausdrucks ungleich sicherer: "It does not relate to sowing by the hand." 985 Diese Auffassung scheint sich inzwischen allgemein durchgesetzt zu haben. se sustulit im gleichen Vers verwendet Vergil sonst nur, wo sich Götter oder Göttinnen (z.T. in Vogelgestalt) in den Himmel emporschwingen: vgl. Aen. 5,657; 861; 9,14. Es dürfte hier durch se tollunt in 47 angeregt sein, welches aber dort doch wohl ein kräftiges Wachstum bezeichnet. So scheint se sustulit an unserer Stelle auch kaum zum folgenden tarda venit zu passen, welches selbst an haud tarda sequentur am Ende von 52 angelehnt zu sein scheint. Das PFA facturus kommt bei Vergil sonst nicht vor, findet sich jedoch zweimal in der Ciris, dort allerdings jeweils als Teil eines Infinitivs Futur: 423 und 427. Der Ausdruck sucos oblitapriores ist ebenfalls auffällig. Zwar trifft die bei LSDJ zu findende Bemerkung, Vergil habe "oblivisci ... nur hier mit dem Akk. verbunden, sonst immer mit dem Gen." 986 , so nicht zu, da es Aen. 2,148 ja immerhin heißt: quisquís es, amissos hinc obliviscere Graios. Im Bereich der finiten Formen steht dieser Stelle eine mit einer Ergänzung im Genitiv gegenüber: nec talia passus Ulixes/ oblitusve sui est Ithacus discrimine tanto (Aen. 3,628bf.). Aen. 5,334, wo auch der Genitiv steht, ist nicht völlig klar, ob es sich um eine finite Form unter Auslassung von est oder um ein Partizip handelt 987 . Letzteres verbindet Vergil jedoch, wenn er es nicht ganz ohne Ergänzung verwendet (georg. 3,236), sonst immer mit dem Genitiv: vgl. 3,245; Aen. 4,221; 267; 5,174; 703; 9,225. Aen. ll,865f. hängt der Akkusativ offenbar vom Prädikat linquunt ab 988 , ecl. 9,53 ist oblita passivisch gebraucht 989 . Überhaupt findet sich beim Partizip oblitus in der Bedeutung von imme-

iacto semine in 1.104 or Ovid fasti 1.662 'seminibus iactis', and will give the words their natural meaning, semina means young plants (in the plural) in 265, 302, and 354, and Heyne vainly hopes that semine can be so understood here." Das von Page angeführte lacere fundamenta dürfte kaum zur Stützung seiner Auffassung geeignet sein. 984

HEYNE zu 57.

985

C O N I N G T O N ZU 5 7 . Ä h n l i c h a u c h P A G E u n d SIDGWICK ZU 5 7 .

986

LSDJ zu 59.

987

V g l . CONINGTON z . S t .

988 Yg] t l l 9,111,56f. : "obiecto potius per attractionem 989 Vgl. KS 1,111.

intellegendo".

Appendices

265

mor nach KS "fast nie" der Akkusativ 990 . Sichere Ausnahmen seien nur unsere Stelle und Sil. 13,559 (vgl. aber auch ebd. 5,568). Paul. Noi. carm. 28,275 geht offenbar auf unsere Stelle zurück 991 . Diese dürfte allerdings schon Columella beeinflußt haben, als er 10,408 über die Früchte des Mimusopsbaumes schrieb: ambrosios praebent sucos oblila nocendi. Hier wird sucos jedoch bezeichnenderweise zum Objekt von praebent, während oblita die reguläre Ergänzung im Genitiv erhält. Eine Form von degenerare und eine von oblitus finden sich in unmittelbarer Nachbarschaft noch einmal Ov. met. 7,542-544, wo es im Zusammenhang mit der Pest auf Aegina u.a. heißt: acer equus quondam magnaeque in pulvere famae dégénérât palmas veterumque oblitus honorum ad praesepe gemit longo moriturus inerti.

Dort ist degenerare transitiv verwendet 992 , und oblitus hat seine regelmäßige Ergänzung im Genitiv bei sich. Angesichts dieser Stelle drängt sich die Frage auf, ob der Verfasser unseres Verses dégénérant nicht ebenfalls transitiv verstanden wissen wollte. Damit würde dann oblita nahe an obliti in Aen. 11,866 heranrücken, dégénérant aber würde von degenerare in georg. 1,198 abgerückt, der einzigen anderen Verwendung des Verbs im vergilischen Corpus. Das Verb drängte sich an unserer Stelle vor allem wegen des oben beschriebenen Zusammenhangs auf, d.h. wegen der Andeutung der Verfallstendenzen in der Natur in 2,55f. und der Aufforderung zu harter Arbeit in 61 f. 993 . Das Trikolon der Gerundiva erinnert hier an das in l,178f. Im größeren Zusammenhang birgt die Passage noch aus einem anderen Grund als den eingangs genannten Probleme. Bei einem Vergleich mit den ersten beiden Baumgruppen, die erwähnt werden, fällt nämlich das Fehlen einer Entsprechung zu den ^/-Sätzen auf, die dort anknüpfend an 35-38 die Verpflanzung und Pflege der Wildlinge empfehlen. Mit diesem Befund hängt die Frage nach der Bedeutung von 61f. eng zusammen. Heyne behandelt 57-62 als Einheit, wobei er mit 57 zugleich einen neuen Absatz beginnen läßt: "Sequitur altera ratio naturalis procreandarum arborum (supra ν. 14-16), ex semine in solum delato, una cum

990

KS 1,471. Vgl. TLL 9,111,39f. 992 Dieser Gebrauch zuerst Prop. 4 , 1 , 7 9 (propinquos). Später Ov. Pont. 3,1,45 (hanc (sc. personam)), Colum. 7,12,11 (ánimos), Stat. silv. 3,1,160 (tantum ... honorem). 993 Vgl. oben S. 125f. 991

266

Appendices

modis earn arte emendandi et adiuvandi."994 Dementsprechend gibt er als Gegenstand von 61f. an: "Artificiales modi arborum e semine procreatarum incrementa accelerandi." 995 Da diese Vorgehensweisen jedoch auch für die übrigen Bäume, seien sie nun im engeren Sinne von selbst, seien sie aus einem Wurzelschößling entstanden, anzuwenden seien, drücke Vergil sich allgemeiner aus. Man fragt sich allerdings, warum dann ein Einschnitt nach Vers 56 sinnvoll sein soll 996 . LSD verfahren folgerichtiger, wenn sie 47-62 zu einem Block zusammenfassen 997 . Dabei räumen sie zwar ein, daß im Rahmen des dritten Teiles eigentlich nur der zweite Teil vom Thema probandum: τα μίν yàp depaireÍQÍ, τα δ' adepaireuaia μεταβάλλει (Thphr. HP 2,2,12) behandelt werde 998 , meinen aber, in dem allgemeinen Gedanken von 61f. versteckten sich "die besonderen Vorschriften für die Zucht des Samenschößlings, die jedenfalls aus 50 und 54 zu erschließen sind" 999 . Zugleich leitet nach ihnen der allgemeine Gedanke von 61f. zum folgenden über. Dann fragt man sich allerdings nach dem Sinn eines Absatzes im Anschluß an 62. Conington wiederum faßt 47-60 zu einer Einheit zusammen und zieht 61f. zum Folgenden, indem er nach 60 einen Absatz einfügt. Durch dieses Vorgehen entzieht er dann allerdings selbst seiner abschließenden Bemerkung zu den Versen 47-60 den Boden, Vergil zeige, daß jede der genannten Arten eine Verbesserung durch Kultivierung erlaube. Ahnlich verhält es sich bei Page, der im Kommentar allerdings 47-72 als Einheit behandelt. Für Thomas, der wie Mynors einen Absatz nach 72 setzt, im Kommentar jedoch 47-82 zusammennimmt, und Mynors, der auch im Kommentar 73-82 vom Vorangehenden absetzt, bilden die Stellung von 57-60 und die Bedeutung von 61f. offenbar kein Problem mehr. Die ganze Passage dürfte eingefügt sein, um auch der dritten der in 10-21 aufgeführten natürlichen Entstehungsweisen aus den Versen 14-16 an dieser Stelle ein Gegenstück zu verschaffen. Die Details sind aus Thphr. HP 2,2,4-6 genommen. Dort heißt es, die schnellste und, was das Wachstum beträfe, beste Hervorbringungsweise (ταχίστη καί βύαυξής) sei die aus einem (Wurzel-)Schößling. Diese und überhaupt die aus

994 995

HEYNE zu 57-62. HEYNE zu 6 1 . 6 2 .

996

V g l . CONINGTON ZU 5 7 .

997

Vgl. LSD z.St. LSD zu 57f. LSD z.St.

998 999

Appendices

267

Setzlingen hervorgegangenen Bäume glichen ihre Früchte offensichtlich denen des Mutterbaumes an (δοκεϊ τους καρπούς ίξομοιούν), die aus Früchten hervorgegangenen schlügen dagegen aus der Art (έξίσταται του γένους). Als Beispiele werden Wein, Apfel, Feige, Granatapfel und Birne genannt, wobei sich dann zu Feige und Wein noch genauere Ausführungen finden. Bei letzterem werde aus einer edlen eine unedle (i\κ re της αμπέλου της γενναίας άγεννής), bisweilen sogar eine wilde Sorte, die ihre Früchte nicht zur Reife bringe (τοσούτον ώστε μη εκπεττειν τον καρπόν). Manche kämen sogar nur bis zur Blüte. Anschließend werden die Folgen für Früchte anderer Bäume geschildert. Sie würden sauer und hart. Daß bei wilden Bäumen so viele degenerierten, sei einsichtig, wenn man bedenke, daß auch bei den kultivierten einige degenerierten, und zwar nur die aus Samen entstandenen, ei μή π τη θεραζείφ δύνανται μεταβάλλων. Plinius dürfte unsere Stelle bereits vorgelegen haben, als er nat. 17,59 schrieb, daß diejenigen Bäume, die auch auf andere Art entstehen könnten, degenerierten, wenn sie aus Samen entstünden, wie Wein, Apfel, Birne und auch Mispeln: omnia haec tarda proventu ac degenerantia et insito restituendo, interdum edam castaneae. Der Hinweis auf das Pfropfen dürfte hier aus Thphr. HP 2,2,5 stammen, wo es für den aus Samen entstandenen Mandelbaum empfohlen wird. Die Kastanien stammen vielleicht aus dem ebenfalls interpolierten Vers 7jiooo

3. Zu 2,64; 67f. Die Verse Interpunktion in Schwierigkeiten de Satzzeichen, Tilgungen:

65

1000

2,63-68 bieten eine Reihe von Problemen. So hat die 64 und 65 den Herausgebern und Kommentatoren große bereitet. Ich gebe die Passage daher ganz ohne gliedernaber unter Einzeichnung der von mir vorgeschlagenen

sed truncis oleae melius propagine vites [respondent solido Paphiae de robore myrtus] plantis edurae coryli nascuntur et ingens fraxinus Herculeaeque arbos umbrosa coronae [Chaoniique pat ris glandes etiam ardua palma nascitur et casus abies visura marinos].

V g l . o b e n Anm. 5 4 6 .

268

Appendices

Während die meisten Ausgaben des 19. Jahrhunderts ein Semikolon nach myrtus am Ende von 64 setzen und keinen Einschnitt zwischen coryli und nascuntur in 65 vornehmen 1001 - mit der Folge, daß für Haselsträucher, Eschen, Pappeln, Eichen, Palmen und Fichten die Züchtung aus Schößlingen empfohlen wird -, bevorzugen die wichtigsten Ausgaben des 20. Jahrhunderts ein Komma nach myrtus und einen Punkt zwischen coryli und nascuntur1002, so daß der Leser nun für Esche, Pappel, Eiche, Palme und Fichte auf natürliche Entstehungsweisen verwiesen wird. nascuntur kann in dem durch 61f. gegebenen Zusammenhang allerdings kaum "natural (sc. methods)" 1003 bezeichnen. Akzeptiert man jedoch die erstgenannte Interpunktionsweise, ergeben sich andere Probleme. Mag es nämlich auch hinsichtlich der möglichen Entstehung der Eiche aus plantae "some room for debate" 1004 gegeben haben, so wurde diese Entstehungsweise doch bei der Fichte kategorisch ausgeschlossen1005 (bei der Palme wurde sie offenbar nur unter außergewöhnlichen Bedingungen für möglich gehalten1006). Man wird in diesem Zusammenhang wohl eher geneigt sein, Mynors' Auffassung zuzustimmen, daß es nicht Vergils Art sei, "to contradict... the facts of nature" 1007 , als der Ansicht von Thomas, der hier überraschenderweise

1001

S o HEYNE, JAHN, WAGNER,

YONGE, RIBBECK, L S D J ,

CONINGTON u n d

PAGE,

ähnlich schon MARTYN und später RICHTER sowie THOMAS. Letzterer setzt Kommata nach respondent und myrtus, zieht aber solido Paphiae de robore myrtus doch wohl zum Vorangehenden. 1002 So MYNORS und GEYMONAT. Dieser Interpunktionsvorschlag findet sich erstmals bei PHILLIMORE 1 9 1 3 , 2 2 f .

1003 M Y N O R S z u 65-8. Zur Entstehung von Esche und Pappel aus Schößlingen vgl. Plin. nat. 17,67f. (dort auch die Haselsträucher) und v.a. ebd. 78, wo Plinius die Pappeln und Eschen als plantis et ipsas nascentes bezeichnet (auf diese Stelle verweist Wagner bei HEYNE ZU 6 3 - 6 8 ) .

1004 t h o m a s zu 65_8 m it Hinweis auf Thphr. HP 2,2,3. Abgesehen von der Entstehung άτό οπίρματος wurde danach noch eine άτό ρίζης und eine άπ' αύτοϋ του στβΧίχους κοπίντος erwogen, wobei allerdings für die άτό ρίζης offenbar eingeräumt wurde, daß das Wachstum dann nur dürftig sei. Theophrast selbst schließt eine Entstehung ά τ ό παρασπάδος κάί ρίζης für τά μη τταραβΧαστάνοντα aus. Die Theophraststelle scheint also eher dagegen zu sprechen, daß Vergil eine Züchtung von Eichen aus plantae empfohlen haben sollte. 1005 Vgl. Hdt. 6,37,2 und Thphr. HP 2,2,2. 1006 Nach Thphr. HP 2,2,2 und CP 1,2,1 nur in der Gegend von Babylon. MYNORS zu 67 verweist allerdings auf Plin. nat. 13,36 und Pallad. 5,4,5; 11,12,1 f. 1007

MYNORS z u 6 5 - 8 .

Appendices

269

von Vergils "ability to ignore the realities of plant propagation" 1008 spricht. Es gibt allerdings noch weitere Einwände gegen 67f. So wirkt Chaoniique patris glandes zu Beginn von 67 angesichts des unmittelbar vorausgehenden Herculeaeque arbos umbrosa coronae schwach. Es sieht sehr nach einem Abklatsch zu Chaoniam ... glandem zu Beginn von 1,8 aus. glandes müßte im vorliegenden Fall im Sinne von quercus verwendet sein. Für einen solchen Gebrauch finden sich allerdings nur wenige, nachklassische Belege, die zudem nicht einmal ganz eindeutig sind 1009 . Zu Chaonii ... patris bemerkt bereits Heyne: "In ilio Chaonii patris possit subtimidus aliquis haerere, cum absolute quidem pater saepius, vix vero cum gentili aliquo nomine dicatur, pater Dodonaeus, Olympius, Idaeus."1010 Immerhin vermag er aber auf Aen. 8,454 hinzuweisen, wo Vulkan als pater... Lemnius bezeichnet wird. Saturnius ... pater in Aen. 4,372 1011 ist nicht ganz vergleichbar, da es sich bei Saturnius um eine Abstammungs-, bei Chaonius um eine Ortsbezeichnung handelt. Val. Fl. l,302f. dürfte unsere Stelle vorgelegen haben, als er den Geist der Eiche von Dodona, die das Holz für die Argo lieferte, zu Iason sagen ließ: ... Dodonida quercum/ Chaoniique vides famulam Iovis. Prop. 4,1,7 findet sich dann noch ein Tarpeius ... pater1012. Ον. met. 5,163 wiederum gibt es noch einen Chaonius Molpeus. Dort ist Chaonius aber wohl von einer Stadt in der Kommagene hergeleitet. Sonst wird das Adjektiv nur mit Tieren, vorzugsweise natürlich Tauben 1013 , Bäumen, insbesondere Eichen 1014 , und Örtlichkeiten verbunden.

1008

THOMAS z u 6 5 - 8 .

1009 V g ] T L L 6,2033,33ff., wo unsere Stelle allerdings gar nicht aufgeführt ist. Stattdessen erscheinen dort für glans in der Bedeutung von quercus Plin. nat. 17,231, Mart. 7,27,1 und Lib. iubil. 32,30 und für glans als Entsprechung zum griechischen καρΰα Plin. nat. 16,98, wobei Plinius an der zuletzt genannten Stelle, für die Thphr. HP 3 , 4 , 2 als Vorlage diente, statt καρΰα κάρυα verstanden und dies dann durch glandes wiedergegeben haben mag. Hinter Mart. 7,27,1 steht schon im Thesaurus zu Recht ein Fragezeichen, und alle neueren Übersetzer (RACKHAM, ANDRÉ, KÖNIG/HOPP) beziehen glandibus bei Plin. nat. 17,231 auf die Frucht, nicht auf den Baum. 1010 HEYNE i m A p p a r a t z . S t . 1011

pater ... Saturnius noch bei Ov. met. 1,163 und Homer. 223. Vgl. 10,1,685,41-51. 1012 Desgleichen später bei Sil. 4,48, Stat. silv. 4,3,161 und Mart. 9,101,24. 1013 Gratt. 530 findet es sich auch auf Pferde bezogen. 1014 Von der Eichelnahrung noch einmal Claud, rapt. Pros. 3,47.

TLL

270

Appendices

Merkwürdig erscheint auch der Hinweis darauf, daß die Fichte bestimmt sei, die Wechselfälle auf dem Meer zu erleben 1015 . Die abies scheint eine Hinzufiigung aus ecl. 7,66 zu sein, wo sie an gleicher Versstelle in montibus altis steht (dort erscheinen 61-68 auch die Pappel (als Alcidae gratissima), der Wein, die Myrte, Haselsträucher, und die Esche (neben Lorbeer und Pinie)), in montibus altis am Ende von ecl. 7,66 könnte einen Interpolator gut an Ov. met. l,133bf. erinnert haben, wo es vom Eisernen Zeitalter heißt: ... quaeque diu steterant in montibus fluctibus ignotis insultavere carinae.

altis,

Im Goldenen Zeitalter sah es dagegen nach met. 1,94-96 ganz anders aus: 95

nondum caesa suis, peregrinum ut viseret orbem, montibus in liquidas pinus descenderat undas, nullaque mortales praeter sua litora norant.

Vgl. auch Hör. carm. 1,3,17-20:

20

quem mortis timuit gradum, qui siccis oculis monstra natantia, qui vidit mare turbidum et infamis scopulos Acroceraunia.

Die casus ... marinos dürfte der Interpolator aus Ov. Pont. 2,10,39 bezogen haben. Dort haben sie als Objekt zu timuisse ihren guten Sinn: 40

est aliquid casus pariter timuisse marinos, iunctaque ad aequoreos vota tulisse deos.1016

Seneca dürften die interpolierten Verse bereits vorgelegen haben, als er Oed. 539f. Kreon bei der Beschreibung des Hains vor den Toren The-

1015 XHOMAS ZU 68 weist darauf hin, daß Vergil in den Eklogen und Geórgica nur die Pinie als Schiffsbauholz kenne (ecl. 4,38; georg. 1,256; 2,443 steht in einer wohl unechten Passage: s. oben Anm. 566), erst in der Aeneis habe er Schiffe aus Fichtenholz (Aen. 5,663; 8,91). 1016 Vgl. auch Germ. 290-292: 290

... neque perficiet cursus et vota brevis lux, et cum terrores äuget nox atra marinos, multum clamatos frustra speculaberis ortus.

z.St. bezeichnet terrores ... marinos mit Recht als "sehr erlesene, moderne Ausdrucksweise", nur dürfte sich Germanicus mit ihr eher an Ovid anlehnen. MAURACH

Appendices

271

bens sagen ließ, dort wüchsen u.a. Paphia myrtus et per immensum mare/ matura remos alnus1017. Seneca dürfte dabei auch Vers 64 im Kopf gehabt haben, wo von den Paphiae ... myrtus die Rede ist. Auch dieser Vers bereitet allerdings Schwierigkeiten, zwingt er doch dazu, respondent einerseits mit den Ablativen truncis und propagine und andererseits mit solido ...de robore zu verbinden. Für keine dieser Konstruktionen bieten die Kommentare Belege, die letztgenannte halten die Kommentatoren offenbar nicht einmal für erklärungsbedürftig. Die Einfügung lag nahe, weil die Myrte als der Venus heiliger Baum gleichfalls in ecl. 7,62 genannt wird. In dem wohl ebenso interpolierten Vers 25 1018 findet sich robore bereits an gleicher Versstelle als qualitativer Ablativ zu vallos. Der Interpolator wollte also vielleicht solido ...de robore gar nicht zu respondent gezogen wissen, sondern hat es möglicherweise als Attribut zu Paphiae ... myrtus verstanden, was auch die verschränkte Wortstellung und die Nachbarschaft zu den edurae coryli im nächsten Vers nahelegen. In 447, einem ebenfalls verdächtigen Vers 1019 , liefert die Myrte valida hastilia. Man vergleiche in diesem Zusammenhang noch einmal ecl. 7, diesmal Vers 3 lbf. : levi de marmore total puniceo stabis suras evincta coturno1020. Das Adjektiv Paphius findet sich bei Vergil sonst nicht mehr. Paphus als Heiligtum der Venus begegnet in Aen. 1,415; 10,51; 86. Paphische Myrten haben sonst noch Ov. ars. 3.181 1021 , Stat. Theb. 4,300 und eben Sen. Oed. 559. Scheidet man unseren Vers aus, so ergibt sich in

1017 TÖCHTERLE z.St. verweist auf georg. 2,451f., allerdings stehen die Verse in einem wohl interpolierten Abschnitt: s. oben Anm. 566. Für den echten Vergil vgl. 1,136. MYNORS zu 68 macht auf Calp. ecl. 4 , 9 0 aufmerksam: in quibus (sc. montibus) Augustos visuraque saepe triumphos/ laurus fructificat vicinaque nascitur arbos. 1018

Vgl. oben Anm. 529. Vgl. oben Anm. 566. 1020 v g l . auch 3 , 1 3 . 1021 Dabei scheint mir das betreffende Distichon mit seinem doppelten hie (sc. color simulât) nach der Gegenüberstellung hie (sc. color) ... imitatur ... ille (sc. color) ... simulât in den vorausgehenden beiden Distichen nicht über jeden Verdacht erhaben, nimmt es der Steigerung doch die Geradlinigkeit, indem es zwischen die beiden vorangehenden Distichen, die je eine Farbe behandeln, und das folgende Distichon, welches drei Farben bezeichnet und auf einen Vergleich zwischen der Vielfalt der Farben und der Vielfalt der Blumen im Frühjahr vorbereitet, ein Distichon über vier Farben einschiebt. Zur Erwähnung von Paphos und Thrakien vgl. Ov. ars 2,587f. Wir fassen hier möglicherweise denselben Interpolator in der Vergil- und Ovidüberlieferung - ähnlich wie im Fall von [georg.] 4,290-293 und [Ov. am.] 2,13,9f. (sowie [Ον.] epist. 14,107): vgl. unten S. 284ff. 1019

272

Appendices

63, 65f. eine glatte Konstruktion mit den drei zu melius ... nascuntur1022 zu ziehenden Ablativen truncis, propagine und plantis. 4. Zu 2,165f. 165

haec eadem argenti rivos aerisque ostendit venis atque auro plurima

metalla fluxit.

Die Frage nach der Stellung dieser Verse im Rahmen der zweiten Hälfte der laudes Italiae hat den Interpreten beträchtliche Probleme bereitet. Klingner bezeichnete sie als "unwichtigen Vorbau" für die folgenden1023. Burck hielt diese Erklärung der "merkwürdigen Stellung der Verse 165/66" für nicht ausreichend und fragte sich, ob hier vielleicht die Anordnung der Vorlage nachwirke1024. Eine solche "Lösung" erscheint jedoch desto unbefriedigender, je größer der Dichter ist, mit dem man es zu tun hat. Einen zweiten Lösungsvorschlag kleidete Burck in die Frage: "Oder wird der Übergang zum genus acre virum (167) und den bewährten italischen Kämpfern durch die Vorstellung eherner Waffen und silber- oder goldverzierter Panzer hergestellt?"1025 Dieser Erklärungsansatz scheint allerdings ebenfalls wenig befriedigend, blickt man auf die im Folgenden erwähnten Beispiele altitalischer und altrömischer Genügsamkeit (man beachte v.a. auch die mit einem Wurfspieß bewaffneten Volsker aus 168)1026. Das Ganze befremdet um so mehr, als durch haec eadem die Verbindung zum Vorausgehenden wie zum Folgenden (es deutet ja auf haec ... haec ... in 167/169 voraus) besonders betont wird. Was die Verbindung zum Vorausgehenden betrifft, so vergleiche man haec eadem in ecl. 2,35; 5,87; Aen. 9,302; 10,508; 12,197. An all diesen Stellen läßt sich mittels eines Relativsatzes verdeutlichen, wie eng der gedankliche Anschluß an das zuvor Gesagte ist. So ließe sich haec eadem ut sciret, quid non faciebat Amyntas? aus ecl. 2,35 mit "Was täte Amyntas nicht, damit auch er eben das wüßte, was ich dich lehren werde?" wiedergeben, ecl. 1022

Zu nasci mit einem die Qualität des Wachstums ausdrückenden Adverb vgl. Colum. 4,24,7 (male; vgl. schon Varrò rust. 1,6,1); 7,3,11 (commode)·, arb. 10,2 (male) und v.a. 22,1 (melius atque celerius), bei Plinius noch: nat. 16,139 (difflcilime) und 17,123 (optime). 1023

KLINGNER 1 9 6 7 , 2 3 5 .

1024

BURCK 1 9 6 4 , 6 7 5 .

1025

BURCK 1 9 6 4 , 6 7 5 .

1026

Vgl. oben S. 10Iff.

Appendices

273

5,87 haec eadem docuit 'cuium pecus? an Meliboei?' ließe sich wiedergeben mit "Eben die Hirtenflöte, die mich 'Corydon brannte für den schönen Alexis' lehrte, lehrte mich auch 'Wem ist das Vieh? Etwa dem Meliboeus?'". Ein besonders klarer Fall ist Aen. 9,302, da dort bereits ein Relativsatz vorausgeht, der durch haec eadem aufgegriffen wird. In Aen. 10,508b wäre die Wiedergabe von haec eadem aufert mit "Eben der Tag, der dich dem Kriegsgeschehen gab, entriß dich ihm auch," möglich, und in Aen. 12,197 könnte man haec eadem, Aenea, terram, mare, sidera iuro mit "Eben das, was du geschworen hast, Aeneas, schwöre auch ich bei Land, Meer und Gestirnen," wiedergeben. Eine ähnlich enger gedanklicher Zusammenhang mit dem Vorausgehenden läßt sich bei haec eadem in georg. 2,165 nicht aufweisen, wiewohl das Bemühen erkennbar ist, über Begriffe wie rivos in 165 und fluxit in 166 wenigstens eine äußerliche Verbindung zu den Ausführungen über die Gewässer Italiens herzustellen. Auch die Tempusgebung in den Versen 165f. fallt ins Auge. Ansonsten nämlich ist die Darstellung der Vorzüge Italiens im Präsens gehalten, abgesehen von den Stellen, die in der Tat in die Vergangenheit zurückblicken (duxere in 148 und extulit in 169). 143-144a dürften kaum ein überzeugendes Gegenbeispiel abgeben, da sich implevere in 143a aus dem Kontrast zum vorausgehenden invertere (141) und horruit (142) erklärt und ... fruges .../ implevere (sc. haec loca) sich zugleich durch "haec loca plena sunt frugibus ..." glossieren läßt 1027 . Die Tempusgebung in 165f. verstärkt den Eindruck, daß die Verse nachträglich eingefügt wurden. Bereits Julius Pomponius Sabinus hat in seinem 1544 in Basel veröffentlichten Vergilkommentar vorgeschlagen, unsere Stelle auf Lucr. 5,1255ff. zu beziehen 1028 . Lukrez beschreibt dort, wie ein Waldbrand den Menschen die Möglichkeit zur Nutzung der Metallvorkommen vor Augen führte: 1255 manabat venis ferventibus in loca terrae concava conveniens argenti rivus et auri, aeris item et plumbi...

Daß diese Verse bei der Abfassung unserer Stelle hineingespielt haben, scheint sicher, letztere im Zusammenhang befriedigend zu erklären, dürften sie aber kaum geeignet sein, setzen sie doch ein Geschehen 1027

Vgl. oben S. 74-76.

1028

N a c h HEYNE ZU 1 6 5 . 1 6 6 . Dieser Deutung Schloß sich FORBIGER zu 165-166 an.

274

Appendices

voraus, auf das sich an unserer Stelle kein erkennbarer Hinweis findet. Zudem geht es im vorliegenden Zusammenhang um eine Beschreibung des gegenwärtigen Italien, und auch wenn im folgenden bei der Beschreibung der Bewohner Italiens der Blick zunächst in die Vergangenheit geht (iextulit in 169), so wird die Reihe der Söhne Italiens doch eben bis in die Gegenwart geführt. Daher kann auch ein Hinweis auf Plin. nat. 3,138 nicht befriedigen, wo es heißt: metallorum omnium fertilitate nullis cedit terris (sc. Italia), sed interdictum id vetere consulto patrum Italiae par ci iubentium1029. Ebensowenig können schließlich Aen. 8,445f. unsere Stelle im Zusammenhang verständlich machen, wo es von den in der Esse der Zyklopen schmelzenden Metallen heißt: 445

... fiuti aes rivis aunque vulniflcusque chalybs vasta fornace

metallum liquescit.

Die Entsprechungen zu unserer Stelle fallen allerdings deutlich ins Auge, ja vergleicht man Lucr. 5,1255ff. und Aen. 8,445f. mit georg. 2,165f., so drängt sich der Eindruck auf, daß diese aus den Lukrezversen und den Versen aus der Aeneis geschmiedet worden sind. Dann kommt man allerdings kaum noch an der Annahme vorbei, daß die Verse 165f. nicht von Vergil selbst stammen. Wenn ein inhaltlicher Bezug auf den bei Lukrez geschilderten Vorgang nicht möglich ist, wird auch die Erklärung einiger Ausdrücke in diesen Versen problematisch. Die Schwierigkeiten beginnen bereits, wenn der Verfasser der Verse Silberflöze als argenti rivos bezeichnet. Noch deutlicher wird dies bei dem Ausdruck auro plurima fluxit. Sind diese Formulierungen wirklich auf von Flüssen mitgeführte Bodenschätze zu beziehen oder sind sie bildlich zu verstehen? Heyne meinte, auro plurima fluxit stehe für "plurimum auro in ea est", räumte aber ein, es könnte auch auf die Goldwäscherei am Po bezogen werden, der bei Plin. nat. 33,66 als goldführender Fluß mit dem spanischen Tagus, dem thrakischen Hebrus, dem lydischen Paktolos, und dem indischen Ganges zusammen1029 Y GL A U C H E B D 33 7g. 37,202. FORBIGER zu 165-166, der Heyne zitiert, führt diese Stellen übrigens nicht an, weil er eine "uneasiness about this couplet" empfunden hätte, wie THOMAS ZU 165-6 meint, sondern um die Perfekte zu erklären. PUTNAM 1975, 173; 177 und 1979,lOOf.; 106 meint, durch die Tempusgebung weise Vergil darauf hin, daß die Menschen die Metalle, die früher im Boden geruht hätten, zu seiner Zeit "hardened into attractive shape" zum Gegenstand ihrer Gier gemacht bzw. zu Waffen geschmiedet hätten. Welchen Schaden sie sich durch diesen Mißbrauch zufügten, werde am Ende des Buches deutlich. Zu den tatsächlich recht düftigen Bodenschätzen Italiens vgl. FRANK 1933, 179f.; 263f. und MARTINO 1985, 186f.

Appendices

275

gestellt wird 1030 . Während nun Richter der Auffassung ist, die letztgenannte Deutung werde durch venis in 166 ausgeschlossen 1031 , überrascht Thomas mit der Bemerkung: "At 165-6 the rivers of Italy are said to flow with metals, including gold: auro plurima fluxit."1032 Obgleich vena wie das griechische φλέψ auch einen (allerdings meist unterirdischen) Wasserlauf zu bezeichnen vermag 1033 und aeris ... metallo einfach für aes stehen könnte 1034 , ist doch gegen Thomas einzuwenden, daß es für Silber- und Erzvorkommen in italischen Flüssen keinen Beleg gibt. Dann aber ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, daß in 166 an etwas so Spezielles wie die Goldwäscherei im Po gedacht sein sollte, auch wenn venis natürlich nicht unbedingt auch zu fluxit gezogen werden muß. Weder bei Dion. Hal. 1,37,5 noch bei Str. 6,4,1 noch bei Plin. nat. 3,138 und 37,202 ist von Goldwäscherei am Po die Rede. Die italischen Flüsse wurden zudem bereits in Vers 157 abgehandelt 1035 , und in Flüssen mitgeführte Edelmetalle würden Italien auch in die Nähe Lydiens mit seinem auro turbidus Hermus (137b) rücken und damit die Abgrenzung Italiens gegenüber den Ländern des Ostens beeinträchtigen 1036 . Wie problematisch allerdings die Deutung von auro plurima fluxit im Sinne eines auro abundavit ist, macht ein Vergleich mit 190-192 deutlich, wo die Ausdrucksweise zwar ebenfalls kühn, aber natürlich ungleich passender ist: 190

hic (sc. campus) tibi praevalidas olim multoque fluentis sufficiet Baccho vitis, hic fertilis uvae, hic laticis, qualem pateris libamus et auro,

1030 HEYNE ZU 165-166. Ähnlich auch V o s s 336 und CONINGTON ZU 165. 1031

RICHTER ZU 1 6 5 - 1 6 6 .

1032

THOMAS ZU 1 3 7 .

1033

1034

Vgl. O L D 2025 s.v. 5, LSJ 1944 s.v. 2 und KlENZLE 1936, 8. V g l

T L L

8

872>

35ff.

1035

Vgl. oben S. 9 I f f . 1036 Vgl. oben S. 72-74. LSDJ zu 165f. sehen in 166 einen Hinweis auf das Goldene Zeitalter, und zwar vermittels einer Anspielung auf Lucr. 5 , 9 1 1 , w o es heißt, wenn jemand glauben wolle, die noch junge Erde habe allerlei Mischwesen hervorgebracht, aurea tum dicat per terras flumina fluxisse

vulgo

...

Das aber würde dann wiederum auch den auro turbidus Hermus in die Nähe des Goldenen Zeitalters rücken.

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Eine Verwendung von fluere, die jener in 166 nahe kommt, findet sich erst bei Prud. c. Symm. 2,95Iff.: quantos quaeque ferat fructus provincia, quamque/ ubere fecundo large fluat orbis opimus,/ indicio est annona ... 1 0 3 ? . Der Verfasser von Paneg. 5,11,1, der Britannien als tot metallorum fluens rivis rühmt 1038 , dürfte durch unsere Stelle beeinflußt sein, wobei er die Ausdrucksweise als bildhaft aufgefaßt zu haben scheint. Nun ist allerdings die Hervorhebung des Reichtums an Bodenschätzen ein gewohnter Bestandteil des Länderlobs. So begegnet er natürlich auch im Athenlob. Schon Aesch. Eum. 946ff. verheißt der Chor in seinem Gebet für Athen: 946

... -γόνος < > πλουτόχθων ίρμαίαν δαιμόνων όόσιν τίοι,

was die Erklärer auf die Silberminen Athens beziehen 1039 . Und Xen. Vect. 1,5 heißt es: eari 8e και yr¡ η σπειρομίνη μϊν οϋ φέρει καρπό ν, όρυττομίνη δε πολλαπλασίους τρέφει η ei σιτον έφερε. και μην ύπáρyυρός έστι σαφώς deÍQL μοίρφ. Auch in den laudes Italiae bei Dion. Hal. l,37,4f. wird dieser Punkt behandelt, im Anschluß übrigens an die Binnengewässer: άλλ' εύκατέρΎαστα καί ρήίδια παρειναι πάντα δια πλήθος τών ποταμών, οί διαρρέουσιν άπασαν την άκτην και ποιοϋσι τάς Te κομιδάς και τάς αμείψεις τών εκ yη ς φυομένων λυσιτελείς. έχει be η yr¡ και νάματα θερμών υδάτων εν πολλοίς ehρημένα χωρίοις, Χοντρά παρασχείν ηδιστα και νόσους 'ιάσασθαι χρονίους άριστα, και μέταλλα παντοδαπά. Ähnlich Str. 6,4,1: καί προστίθει το μéyeθoς και πλήθος ποταμών Te και λιμνών, προς δε τούτοις θερμών Te κάί ψυχρών υδάτων άναβολάς πολλαχοϋ προς vyíeiav φύσει παρεσκευασμένας, και μην και μετάλλων εύπορίας παντοδαπών1040. Desgleichen finden Plin. nat. 37,201f. die Bodenschätze Erwähnung, und zwar in sehr ähnlichen Worten wie in nat. 3,138 - einem Abschnitt, den wir auch von daher entgegen dem üblichen Verfahren mit den laudes Italiae in nat. 3,38-42 verbinden dürfen, mit denen er den Rahmen für die Beschreibung Italiens 1037 Vgl. TLL 6,971,40-46. 1038

Zu den Metall vorkommen im römischen Britannien vgl. OGILVIE/RICHMOND 329-

335. 1039 YGI 1040

SOMMERSTEIN u n d PODLECKI z . S t .

Die bei THOMAS 1982,44 und zu 165-6 für die ethnographische Tradition behauptete Verbindung zwischen der Behandlung von Bodenschätzen und der von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist also nicht überzubewerten.

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bildet. Plin. nat. 3,138 ist deswegen so bemerkenswert, weil der Hinweis auf den Reichtum an Bodenschätzen dort unmittelbar auf die Hervorhebung seines militärischen Potentials folgt. Ein Zusammenhang zwischen Reichtum an Bodenschätzen und militärischem Potential findet sich mit Bezug auf Athen schon Aesch. Pers. 237f., wo die Königin, vom Chor über die Wehrhaftigkeit Athens aufgeklärt, fragt: καί τί προς τούτοισιρ άλλο; πλοΟτος βξαρκης δόμοις; Daraufhin entgegnet der Chor: àpyùpov πηγη1041 τις αύτοϊς ean, θησαυρός χθονός. Broadhead bemerkt zu dieser Stelle gewiß mit Recht: "The question about Athenian wealth is doubtless part of the general inquiry into the ability of the Athenians to carry on war." Dabei verweist er auf Perikles' Äußerung bei Thuc. 2,13,2: r à ... πολλά του πολέμου ^νώμη καί χρημάτων π€ριουσίφ κρατέίσθαι.

So gab es gute äußere Gründe für einen Interpolator, den Versuch zu unternehmen, Vergil zu vervollständigen. Daß sie kein ursprünglicher Bestandteil des Ganzen sind, können die Verse jedoch letztlich nicht verleugnen. Was allerdings die von Thomas und anderen vorgetragene Ansicht betrifft, die Verse sollten die Vorstellung von der korrumpierenden Wirkung eines Überflusses an Edelmetallen evozieren und damit Italien und Rom als korrupt charakterisieren 1042 , so ist darauf hinzuweisen, daß weder in den laudes Athenarum noch in den übrigen laudes Italiae der Reichtum an Bodenschätzen in dieser negativen Weise bewertet wird. Die Ausdrucksweise unterscheidet sich übrigens deutlich von der bei Ov. met. 1,138-143: Die Menschen wühlen nicht in den Eingeweiden der Erde nach Dingen, die diese vor ihnen verborgen hat, vielmehr stellt diese selbst ihnen vor Augen, welche Schätze sie birgt. Und was die Überlegung anlangt, hier solle auf den Krieg als Kennzeichen des Eisernen Zeitalters verwiesen werden, sei bemerkt, daß es dann eben doch merkwürdig wäre, daß gerade das Eisen unerwähnt bliebe, welches bei Plin. nat. 37,202 dagegen durchaus berücksichtigt wird 1043 . Bemerkenswert ist auch, daß Dion. Hal. 1,36,f. nicht die geringsten Schwierigkeiten hat,

1041

GROENEBOOM z.St. verweist mit Blick auf diesen Ausdruck übrigens gerade auf die argenti rivos an unserer Stelle. 1042 V g l T H 0 M A S 1982, 44, ROSS 1987, 118, THOMAS zu 165-6. 1043 PUTNAM 1979, 106 meint dagegen zuversichtlich : "... there need no mention of iron

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Appendices

Italien, dessen Reichtum an Bodenschätzen er preist, mit dem Goldenen Zeitalter unter Saturn in Zusammenhang zu bringen 1044 .

5. Zu 2,403-419 Was die Echtheit dieser Verse betrifft, habe ich erhebliche Zweifel. Sie wirken wie eine nachträgliche Erweiterung zu 397-4021045. Und auch der Gedankenfortschritt in dem fraglichen Abschnitt selbst scheint alles andere als geradlinig. Nachdem in 401bf. die Arbeit des Winzers bereits in einem gewichtigen doppelgliedrigen Ausdruck als ein Kreislauf beschrieben wurde, der jedes Jahr von neuem beginnt - eine Aussage, die auf quotannis aus 398b zurückgriff, welches wiederum numquam aus 398a erläutert hatte - , wirkt der Hinweis in 403-407, daß am Ende des Jahres bereits das nächste in den Blick komme, pedantisch:

405

ac iam olim seras posuit cum vinea frondes frigidus et silvis Aquilo decussit honorem, iam tum acer curas venientem extendit in annum rusticus, et curvo Saturni dente relictam persequitur vitem attondens flngitque putando.

Schon das den Anschluß herstellende ac in 403 scheint nach atque in 402 nicht sonderlich einfallsreich 1046 , und der Versschluß in annum in 405 läßt nach annus am Ende von 402 die Pedanterie besonders fühlbar werden. Das Bemühen um die Herstellung einer Verbindung zum Vorangehenden wird auch durch den Bezug von frondes in 403 auf fronde in 401 und in der Verwendung von curas in 405 deutlich, welches auf curandis in 397 zurückgreift. Die Verse 403f. scheinen von 3,303bf. 0cum frigidus olimi iam cadit extremoque inrorat Aquarius anno) und Aen. 12,208f. (cum semel .../ ... posuit (sc. sceptrum) ... comas et bracchia ferro) beeinflußt. An der erstgenannten Stelle, die übrigens auch zur Aufnahme von Varrò At. carm. frg. 6 Blänsdorf in 404 angeregt

1044 Auch auf der utopisch idealisierten Insel Panchaia gibt es reiche Vorkommen an Bodenschätzen (Diod. 5,46,4 unter Rückgriff auf Euhemeros). 1045 Vgl. oben S. 115-117. 1046 Anders PAGE zu 402: "... by the use of atque, ac Virgil, in his quiet way, indicates the close sequence of the husbandman's labour."

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279

haben dürfte 1047 , ist iam olim jedoch klar erkennbarer Teil des cumSatzes, während an der hier vorliegenden Stelle der Bezug von iam olim, wie ein Blick in die Ausgaben und Kommentare zeigt, zweifelhaft scheint 1048 . Die Verbindung extendere in aus 405 ist bei Vergil sonst nicht belegt, man vergleiche aber 1,230: incipe et ad medias sementem extende pruínas, rusticus kommt außer in 406 im überlieferten Vergil nur in den Eklogen vor, wobei dort an beiden Stellen (2,56; 3,84) etwas Abwertendes mitschwingt, an der ersten Stelle stärker, an der zweiten schwächer. An unserer Stelle soll es offenbar das vergilische agricolis aus 401 variieren, vielleicht unter dem Einfluß von Tib. l , l , 7 f . : ipse seram teñeras maturo tempore vites/ rusticus et facili grandia poma manu1049, dens in der Bedeutung "Sichel" ist in der lateinischen Literatur nur an dieser Stelle belegt 1050 . Mit relictam am Ende von 406 tun sich die Kommentatoren sichtlich schwer. Martyn verstand unter relictam/ ... vitem "the naked vine·, that part which is left, when all the fruit is gathered, and the leaves are fallen off" 1051 . Mynors dagegen erläutert: "Either 'which he has left alone since the vintage', or simply 'desolate', after the gay and busy crowds of grape-gatherers have all gone." 1052 Thomas scheint nicht ganz eindeutig: "the best sense seems to be that the vine is left alone after the vintage, and pruned after it has lost ist leaves." 1053 relictam am Versende findet sich in Aen. 5,612. persequitur in 407 ist die einzige Form dieses Verbs im überlieferten Vergil, attendere verwendet Vergil sonst nur im Sinne von "abweiden" (ecl. 10,7). Der Schluß von Vers 407 erinnert an das Ende von Varius carm. frg. 3,3 Blänsdorf, scheint aber nicht unmittelbar von dort ge-

1047

Im Blick auf die Frage, ob es sich in 404 um die unveränderte Übernahme eines ganzen Varroverses handelt, scheint allerdings Vorsicht geboten: vgl. COURTNEY Ζ.St. (bei ihm frg. 8). 1048 MYNORS ZU 403 zieht es wie in 3,303f. zu cum, setzt aber im Text ein Komma nach olim. Ähnlich inkonsequent verfährt YONGE z.St. Auch THOMAS ZU 403-5 verweist auf 3,303f., läßt iam olim jedoch auf iam tum in 405 vorausweisen und setzt - jetzt konsequent - ein Komma nach olim. SIDGWICK zu 403 sieht iam olim ebenfalls "picked up and repeated in iam tum". 1049

Auf diese Stelle verweist HEYNE zu 403-407. 1050 Yg¡ TLL 5,1,542,4-34. Vgl. auch dente in den wohl ebenfalls interpolierten Versen 423f. (oben Anm. 510). dente mit Bezug auf einen Anker findet sich im Rahmen eines von ZWIERLEIN für unecht gehaltenen Abschnitts in Aen. 6,36 (wohl in Anlehnung an Liv. 37,30,9, sonst in diesem Zusammenhang nur noch Eustath. Bas. hex. 7,5 p. 942 B ). 1051

M A R T Y N ZU 4 0 6 ; ä h n l i c h H E Y N E , W A G N E R u n d L S D J

1052

M Y N O R S ZU 4 0 6 .

1053

T H O M A S ZU 4 0 6 .

z.St.

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Appendices

schöpft, sondern über Aen. 6,79bf., wo Vergil diese Vorlage in gleichnishafter Weise wirkungsvoll verarbeitet: ... ille (sc. Phoebus) fatigatI os rabidum, fera corda domans, fingitque premendo1054. Vgl. auch excussisse in Aen. 6,79a und decussit in georg. 2,404. Zugleich hat wohl der Schluß von 2,28 summumque putator hineingespielt. Vergil hat putare sonst nicht. Nachdem wir in 403-407 unseren Ausgang vom Rebschnitt genommen haben (Cato agr. 32,1; Colum. 4,23-25 1055 ), finden in 408-409a zunächst zwei auf das Beschneiden folgende Arbeiten Erwähnung, nämlich das Ausputzen (Cato agr. 37,5; Colum. 4,27,1) und das Umgraben des Wingerts (Cato agr. 33,2; Colum. 4,27,1), allerdings in rückläufiger Folge, bis wir dann in 409b beim Einbringen der Pfähle anlangen, die die von Frucht schweren Weinstöcke abgestützt haben, einer Arbeit, die dem Rebschnitt noch vorausgeht und unmittelbar nach der Weinlese stattfindet (Cato agr. 26; Varrò rust. 1,8,6), womit sie den Anfangspunkt im Arbeitsjahr des Winzers bezeichnet, so wie die im Anschluß in 410a genannte Lese dessen Endpunkt darstellt:

410

primus humum fodito, primus devecta cremato sarmento, et vatios primus sub teda referto; postremus metito. ...

Durch die zunächst stattfindende Rückwärtsbewegung wird allerdings die in primus - postremus liegende Gegenüberstellung beeinträchtigt. Cato agr. 5,5 liefert mit primus cubitu surgat (sc. vilicus), postremo cubitum eat einen klaren Gegensatz, sarmento finden sich bei Vergil sonst nicht 1056 . Nachdem Anfang und Ende des Arbeitsjahres des Winzers bezeichnet sind, wird in 410b-419 die Zeit dazwischen behandelt, zunächst in 1054 Ygj D a h l m a n n 1983, 28-30. Man mag zugunsten unserer Stelle immerhin darauf verweisen, daß die jungen Weinstöcke in den vorausgehenden Abschnitten immer wieder in die Nähe von Lebewesen gerückt werden, wobei die Entsprechungen zu Aussagen über junge Pferde aus dem dritten Buch besonders auffällig sind: vgl. atque ánimos tollent sata in 350 mit ingentis tollent ánimos (sc. equi) in 3,207a, palmes agit Iaxis per purum immissus habenis in 2,364 mit acper aperta volans ceu liber habenisl aequora vix summa vestigia ponat harena (sc. equus) in 3,194bf. sowie ac dum prima novis adolescit frondibus aetas in 2,362 mit hinc ubi iam firmata virum te fecerit aetas über den Jüngling in ecl.4, 37 oder - auf junge Rinder bezogen - dum faciles animi iuvenum, dum mobilis aetas in georg. 3,165; vgl. auch georg. 2,360f. sowie 367-370. 1055

1056

V g l . WEEBER 1 9 9 3 , 6 3 f .

Eine weitere Form von devehere kommt im überlieferten Vergil nur am Ende von 207 in devexit aratorvoT, an einer Stelle, die ZWIERLEIN allerdings für interpoliert hält.

Appendices

281

410b-412a mit Hinweisen auf das Ablauben (Cato agr. 33,4; Colum. 4,27,2ff.) und das Jäten, woran sich in 412b-413a der Rat schließt, sich auf ein kleines Stück Land zu beschränken1057: 410

... bis vitibus ingruit umbra, bis segetem densis obducunt sentibus herbae; durus uterque labor: laudato ingentia rura, exiguum eolito. ...

Mynors ist allerdings wohl zuzustimmen, wenn er die zweite der genannten Arbeiten sowie die folgende Aufforderung gar nicht auf den Wein-, sondern auf den Getreideanbau bezieht1058, densis ... sentibus in 411 muß im vorliegenden Zusammenhang soviel wie "mit dichten Dornenranken" bedeuten. Im überlieferten Vergil bezeichnet es allerdings sonst immer Dornbüsche: vgl. ecl. 4,29 (dort hängt die Traube incultis ... sentibus, und sentibus steht an gleicher Versstelle); Aen. 2,379 (aspris ... sentibus an gleicher Versstelle wie densis ... sentibus) und 9,382 {densi an gleicher Versstelle wie densis). Der Vers 411 wirkt in seiner Gänze wie eine äußerst dürftige Adaption von Lucr. 5,206f. 1059 : herbae ersetzt das lukrezische natura, segetem tritt an die Stelle des Lukrezischen quod superest arvi, ... id ... Die Dichte der Imperative auf -to in 408413a ist bei Vergil sonst ohne Beispiel. Immerhin mag man argumentieren, daß sie archaisierend wirken und dem Abschnitt eine stark didaktische Färbung verleihen sollen (vgl. etwa Cato agr. 32f.). Thomas allerdings, der meint, daß alle sechs Imperative "carry forward the theme of unremitting toil" 1060 , scheint mir den Unterschied der letzten beiden gegenüber den ersten vier zu verwischen. Der Hinweis auf die Bindemittel Ruten und Rohr in 413b-415 führt wieder zum Weinbau zurück (vgl. Cato agr. 33,5; Colum. 4,30-32):

415

... nec non etiam aspera rusti vimina per silvam et ripis fluvialis harundo caeditur, incultique exercet cura salicti.

nec non etiam aus 413b findet sich, wie Mynors hervorhebt 1061 , nur hier im überlieferten Vergiltext. fluvialis, das in der lateinischen Literatur hier überhaupt erstmals belegt ist, begegnet noch zweimal in der Aeneis, 1057

Zum Gedanken verweist O. Zwierlein mich auf Hör. sat. 2,6,1-15. Vgl. Mynors zu 410-12. 1059 Vgl. oben S. 23. io«) x H O M A S z u 397-419. 1061 Mynors zu 413-15. 1058

282

Appendices

beide Male als Beiwort von Wasser (fluviali... lympha in 4,635, fluvialibus undis in 9,70). Im Sinn von "am/im See/Fluß wohnend" findet sich das Adjektiv Ov. met. 11,773 von einer Ente und Colum. 8,16,4 von einem Barsch, in der Bedeutung "am Fluß wachsend" hat es erst wieder Nemes, ecl. 1,1 von der Binse. Die inculti... cura salicti, die den Winzer an unserer Stelle in 415 in Atem hält, scheint ein wenig glücklicher Kompromiß zwischen dem /¿zèor-Gedanken aus 397-402 und der Vorstellung von der sich schenkenden Natur zu sein, die ab 420 in den Vordergrund tritt 1062 . 416a schließt mit dem Hinweis auf die angebundenen Reben an 413b-415 an. Danach ist in 416b vom anschließenden Ablauben und schließlich in 418 vom Umgraben und Einstauben 1063 die Rede, womit wir dann in 419 kurz vor der Ernte stehen (vgl. Cato agr. 33,5; Colum. 4,28 1064 ): iam vinctae vites, iam falcem arbusta reponunt, iam canit effectos extremus vinitor antes; sollicitanda tarnen tellus pulvisque movendus et iam maturis metuendus Iuppiter uvis.

Der Gedanke von einer Arbeit, die sich bereits auf das nächste Jahr erstreckt, scheint hier völlig aus dem Blick geraten. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, warum Mynors in 418 einen Hinweis auf "something that had to be done in winter when the vinitor had hoped for a holiday" sehen wollte 1065 : "it must be the first of the three or more cultivations performed every year (Col. 4.28.2, whence Pliny 17.189), of which the first was done between the vintage and midwinter, though it could be postponed (Col. 11.2.16) as late as February. " Dies ließe jedoch den Anschluß von 419 noch problematischer erscheinen, als er vor dem Hintergrund der oben skizzierten Auffassung von 418 schon ist. So wird zwar Colum. arb. 12,1 die Schutzfunktion der pulveratio betont. Diese gilt allerdings nur für Sonne und Nebel, und Mynors hebt mit Recht hervor, daß es darum im folgenden Vers kaum gehen kann, daß dort

1062 cura GREIFT AUF curas in 405 zurück, welches ja curandis aus 397 aufnahm. Mit salicti vgl. salices in 434, mit inculti vgl. inculta in 430. Vgl. auch per silvam in 414 mit silva in 431 sowie MYNORS zu 413-15. 1063 1064 1065

Anders, aber kaum richtig MYNORS zu 418. Zur pulveratio vgl. auch Plin. nat. 17,49. MYNORS z u 4 1 8 .

Appendices

283

vielmehr an ernstere Bedrohungen wie "hail and thunderstorms (1.4489)" gedacht sein muß 1066 . Der Ausdruck falcem arbusto reponunt am Ende von 416 wirkt befremdlich und läßt sich kaum durch einen einfachen Hinweis auf die Personifikation der Ölbäume in 420f. erklären 1067 . Der vinitor in 417 könnte aus ecl. 10,36 stammen. Vgl. ebd. auch maturae ... uvae mit maturis ... uvis in georg. 2,419. In ecl. 1,56 singt der frondator. tarnen in 418 scheint durch Lucr. 5,213 angeregt 1068 . Wie zu sollicitanda und movendus in 418 wird man wohl gegen Thomas auch zu metuendus in 419 vinitori als dat. auct. zu ergänzen haben 1069 ; iam maturis ... uvis dürfte als dat. incommodi aufzufassen sein. An der entsprechenden Stelle in 4,37 verhält es sich dagegen wohl anders: Dort dürfte apibus ein dat. auct. sein. Vgl. auch 2,333 aus den laudes veris: ... nec metuit surgentis pampinus Austros. Die drei Gerundiva in 418f. als Entsprechung zu den dreien in 398b-401a wirken auf mich nicht wie besonders kunstvolles Mittel der Abrundung 1070 , sondern eher wie ein etwas schematischer Versuch, zum Ausgangspunkt der Eindichtung zurückzukehren, um den Anschluß des Folgenden nicht zu gefährden. Trotz dem auch sonst erkennbaren Bemühen, einen Übergang von 403-419 zu 420ff. herzustellen, fallen allerdings immer noch gewisse Unebenheiten ins Auge. Zwar könnte rastros ... tenacis in 421 den in 418 liegenden Gedanken vom Einsatz des Pfluges oder der Hacke aufnehmen, aber schon der Bezug von procurvam ... falcem in 421 auf falcem in 416 befriedigt nicht völlig, ist an der zuletzt genannten Stelle doch vom Ende des Einsatzes der Sichel die Rede. Man müßte also auf 410b oder auf 403-407 (curvo Saturni dente in 406) zurückgehen, oléis in 420 scheint auf den ersten Blick sein Gegenstück in uvis aus 419 finden, ebenso wie cum semel ... auras ... tulerunt in 422 den Hinweis auf die Bedrohung der Trauben durch die Witterung aus 419 aufzunehmen scheint, allerdings geht es dort um die Früchte, hier aber um die Pflanzen selbst. Am schwersten wiegt jedoch, daß der Gedanke, der in 420-422 und 426-428 von entscheidender Bedeutung ist, daß Öl- und Obstbäume nämlich im Unterschied zum Wein keine Pflege mehr benötigen, wenn sie erst einmal die erste Wachstumsphase hinter sich haben, in 403-419 kein

1066

M Y N O R S ZU 4 1 9 .

1067

Pace THOMAS ZU 416. Eher als durch georg. 1,118 und 198, wie THOMAS z.St. nahelegt.

1068

1069 J H 0 M A S zu 419 1070

S o THOMAS zu 3 9 7 ^ 1 9 .

284

Appendices

Gegenstück findet, wohl aber in 397-402: vgl. numquam und quotannis in 398 und 401b-402. oleis in 420 hat seine Entsprechung in vitibus aus 397, cultura in 420 greift auf curandis in 397 zurück, rastros ... tenacis in 421 variiert versisi ... bidentibus aus 399f. undprocurvam ... falcem in 421 nimmt den in 400b-401a liegenden Hinweis auf die erforderliche Entlaubung des Wingerts auf.

6. Zu 4,290-293 287

290 292 293 291 294

nam qua Pellaei gens fortunata Canopi accolit effuso stagnantem flumine Nilum et circum pictis vehitur sua rura phaselis, [quoque pharetratae vicinia Persidis urget, et diversa ruens septem discurrìt in ora usque colorât is amnis devexus ab Indis, et viridem Aegyptum nigra fecundat harena,] omnis in hac certam regio iacit arte salutem.

Die Verse 290-293 haben in jüngster Zeit wieder Gnade vor den Augen der Kommentatoren gefunden 1071 . So meint Mynors zu den Versen 291-293: "There is no intrinsic reason to suspect any one of these lines." Und Thomas spricht mit Blick auf 287-294 von einer "colourful ethnographical notion". Richter hat allerdings zu 287ff. mit Recht bemerkt: "Die folgenden Verse haben keine andere Aufgabe, als den Begriff "Ägypten" zu umschreiben: bei Verg. in solcher Umständlichkeit einmalig." V.a. auch der Rückbezug von in hac ... arte in 294 auf die Umschreibung der Bugonie aus 283b-285a läßt die umständliche Ortsangabe von sieben Versen als störend erscheinen. Gewöhnlich werden die Angaben der Verse 287-293 auf die Grenzen Ägyptens bezogen: 287-289 bezeichneten mit der Nennung von Canopus die Grenze im Westen, 290 gehe mit der Erwähnung der Persis auf die östliche Grenze, 291-293 wiederum bezeichneten mit dem Hinweis auf die Inder ( = Äthiopier) den Süden 1072 . Doch legt bereits das auf qua in 287 zurückgreifende quoque in 290 eher eine Zweiteilung nahe 1073 . Und auch im Rahmen der

1071

Die Verse sind in jedem unserer spätantiken Codices in anderer Reihenfolge überliefert, in Ρ findet sich der Vers 291 vor Vers 292, in M vor Vers 293 und in R schließlich vor Vers 294, wo er nun auch allgemein eingeordnet wird, "recte sane, si reliqua bene se haberent" (Wagner bei HEYNE im App. zu 291). 1072

S o L S D z u 2 8 7 - 2 9 3 s o w i e P A G E ZU 2 8 7 u n d z u l e t z t T H O M A S z u 2 8 7 - 9 4 .

1073

V g l . HITZIG 1 8 6 0 ,

324.

Appendices

285

Verse 291-293 liegt ja auf den Quellen des Nils keineswegs der Ton. Vielmehr scheint merkwürdigerweise einmal das Nildelta (292), ein anderes Mal allerdings wieder ganz Ägypten (291) in den Blick genommen zu werden. Der Hinweis auf das Nildelta und die Nilschwemme sind auch deswegen erstaunlich, weil die Verse 287-289 ja bereits kurz vorher auf den kanopischen Nilarm während der Nilschwemme Bezug genommen haben. Mit dem über die Ufer getretenen kanopischen Nilarm läßt sich die Vorstellung des Nils, der sich in sieben Arme auseinanderlaufend ins Meer stürzt, schlecht übereinbringen 1074 . Und mit Recht hat bereits Wagner bemerkt: "denique vix probabitur cuiquam nimis ampia et verbosa Nili descriptio posito ipsius Nili vs.288. nomine." 1075 Ahnliches gilt für die Nennung Ägyptens in 291: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als wolle hier jemand ganz sicher gehen, daß der geneigte Leser die Aussage der vorangegangenen Verse auch wirklich begreift 1076 . Die Bezeichnung der östlichen Grenze durch die bedrängende pharetratae vicinia Persidis in 290 scheint reichlich unbestimmt. Und ob nun unter Persis das Reich der Parther zu verstehen ist oder nicht 1077 , die Kennzeichnung ihrer Bewohner als köchertragend bildet einen merkwürdigen Vorgriff auf 313bf. 1078 . Wagner hat allerdings den auch von ihm geäußerten Bedenken zum Trotz gemeint, den Vers 290 nicht in die Athetese von 291-293 einbeziehen zu dürfen: "Quid igitur? num eiiciendum putabimus vs.290.? At verba omnis regio vs.294. vix videntur admitiere hanc critices severitatem; neque enim credibile est, haec poetam adiecturum fuisse, si eum modo tractum intelligi voluisset, qui est circa Canopum. Integer est igitur et genuinus, si quid video,

1074

Vgl. RIBBECK 1866, 38: " ... qui post 'stagnantem' Nilum (288) 'ruentem' v.292, quem saltern 'fluentem' dici debuisse recte adnotatum est, tolerare volet, ... suam sibi artem ille habeto." 1075 W a g n e r b e i HEYNE i m A p p . z u 2 9 1 . 1076 Vgl. HITZIG 1860, 324: "Es scheint nun unpassend, wenn Aegypten statt wie bisher umschrieben geradezu genannt wird." 1077 Catull. 11,6 nennt die Parther sagittiferos (unmittelbar darauf ist von quae septemgeminus colorât/ aequora Nilus die Rede), Hör. carm. 2,13,17f. erwähnt die sagittas et celerem fugami Parthi, Vergil selbst bezeichnet den Parther in 3,31 als fidentem ... fuga ... versisquesagittis. Der Vergleich in Aen. 12,856-860, wo der Parther als Bogenschütze neben dem Kreter erscheint, scheint bedenklich, da sein zweites Glied in 860 den Vers 855 in schwer erträglicher Weise doppelt (vgl. v.a. ad terram ... fertur in 855 und terras ... petivit in 860). Vgl auch ecl. 10,59f. Im Corpus Vergilianum findet sich Persis oder Verwandtes sonst nicht, nur Cui. 34 hat einmal Persas. pharetratus begegnet noch einmal als Beiwort der Camilla in Aen. 11,649. vicinia findet sich bei Vergil sonst nicht. 1078

V g l . HUXLEY z u 2 9 0 .

Appendices

286

versus 290.1,1079 Ich halte dies nicht für zwingend, ja neige eher der von Hitzig vertretenen Ansicht zu: "Offenbar können unter omnis regio, d.h. als die zusammen eine Gegend ausmachen, nicht weit aus einander liegende Länder verschiedener Himmelsgegenden begriffen sein."1080 Mir scheint omnis ... regio durchaus passend an das Weite suggerierende Bild der die überschwemmten Felder mit Booten befahrenden Einwohner von Canopus anzuschließen1081. Der Gedanke der Fruchtbarkeit und der festlichen Freude, der in 287-289 mitschwingt, läßt die Verse, wie oben bereits gesehen, zudem als besonders geeigneten Hintergrund für die im folgenden gegebene Darstellung der Bugonie erscheinen1082. Der Hinweis auf das Dräuen der köchertragenden Nachbarschaft paßt da wesentlich weniger gut. Der Interpolator dürfte dies empfunden haben, als er mit 291 den Gedanken der Fruchtbarkeit bringenden Nilschwemme wieder aufnahm. Bemerkenswerte Entsprechungen weist unsere Stelle zu Ov. am. 2,13,7ff. auf, wo der Dichter die Göttin Isis um Hilfe für Corinna angeht:

10

Isi, Paraetonium genialiaque arva Canopi quae colis et Memphin palmiferamque Pharon, quaque celer Nilus lato delapsus in alveo per Septem portus in maris exit aquas, per tua sistra precor, per Anubidis ora verendi

Canopi findet sich am Ende von georg. 4,287 wie auch am Ende von Ov. am. 2,13,7, und die genialia ... arva aus dieser Stelle haben wir bereits oben mit der gens fortunata in Verbindung gebracht, die in georg. 4,287289 an dem das Land überflutenden Nil wohnt (vgl. accolit in 288 mit colis Ov. am. 2,13,8) und sein Land mit bunten Booten befährt1083. Noch engere Verbindungen scheinen allerdings zwischen 290-293 und Ov. am. 2,13,9f. zu bestehen: vgl. zunächst das einleitende quaque in 290 und Ov. am. 2,13,9, dann celer Nilus lato delapsus in alveo aus Ov. am. 2,13,9 mit dem ruens ... usque coloratis amnis devexus ab Indis in 1079

loso

Wagner bei HEYNE im App. zu 291. Hitzig

1860)

324.

1081

Prop. 3,11,39 und Ov. met. 15,828 scheint die Stadt für ganz Ägypten zu stehen, wobei es an diesen Stellen allerdings darum geht, das verachtenswerte Wesen von dessen Königin zu bezeichnen. 1082 Vgl. oben S. 242f.

1083 V g l

oben s

243 mit

Anm

913

Appendices

287

georg. 4,292f. und schließlich per septem portus in maris exit aquas aus Ον. am. 2,13,10 mit diversa ... septem discurrit in ora in georg. 4,292. Gerade Ον. am. 2,13,9f. habe ich nun allerdings in Verdacht, eine nachträgliche Einfügung von fremder Hand zu sein. Mit seinem einleitenden quoque erscheint das Distichon als ungeschicktes Anhängsel an das Vorausgehende. Zu Recht betont Booth mit Blick auf das vorangehende Distichon "the contrived word-order of the high style, with a balancing pair of nouns + noun phrase enclosing the relative pronoun and verb which governs them" 1084 . Und aus diesem geschlossenen Distichon soll man colis herausziehen, um von ihm nun in intransitiver Verwendung 1085 den das folgende Distichon füllenden Relativsatz über das Mündungsgebiet des Nils abhängen zu lassen, und das nach den vier klangvollen Ortsnamen des vorausgehenden Distichons? per septem portus in 10 verträgt sich zudem nicht besonders gut mit dem folgenden emphatischen Anruf per tua sistra precor, per Anubidis ora ve rendi. Es scheint dabei übrigens mit [Ον.] epist. 14,107 zusammenzuhängen, wo der per Septem Nilus portus emissus in aequor Erwähnung findet. Ov. met. 9,773ff. könnte den Anlaß für die Interpolation geboten haben. Dort heißt es von Iphis:

775

1084

1085

'Isi, Paraetonium Mareoticaque arva Pharonque quae colis et septem digestum in cornua Nilum, fer, precor, ' inquit ' opem nostroque medere timori!

BOOTH zu Ον. am. 2,13,7-10.

colis ist hier, wie BOOTH zu 8 richtig bemerkt, gleich incolis (entsprechend wird es auch TLL 3,1672,13f. eingordnet). Der absolute Gebrauch von colere im Sinne von incolere oder habitare scheint aber, wenn man einmal von der Spätantike absieht, auf die Komödie und die Prosa, insbesondere die Geschichtsschreibung, beschränkt (vgl. TLL 3,1672,53-69; zum auch insgesamt wesentlich häufiger belegten transitiven Gebrauch vgl. ebd. 1671,1-1672,52). Einzige Ausnahme bildet hier Manil. l,236f.: hanc circum (sc. terrarti) variae gentes hominum atque ferarum/ aeriaeque colunt volucres. Am nächsten kommt unserer Stelle Curt. 4,7,19 über das Ammonorakel: accolae sedis sunt ab oriente proximi Aethiopum ...at qua vergit ad occidentem, alii Aethiopes colunt, quos Simuos vocant. Ähnliches wie für colere gilt auch für incolere in intransitiver Verwendung (vgl. TLL 7,1,978,4-40; zum transitiven Gebrauch vgl. ebd. 976,73-978,3). Hier kommt mit Varrò Men. 426 noch eine Stelle aus der Satire hinzu. An Mischkonstruktionen scheint es nur lust. 18,3,3 zu geben, wo von den Phoeniziern die Rede ist, qui ... ad Synum (ein Teil der Handschriften hat Assyrium) stagnum primo, mox mari proximum litus incoluerunt.

288

Appendices

Die zwischen dieser Stelle und Ον. am. 2,13,7f.; 11 bereits bestehenden Übereinstimmungen (Isi, Paraetonium ... -que arva .../quae colis et ...I ... precor ...) könnten dazu den Anlaß geboten haben, den in Ov. met. 9,774b nahtlos in die zwei Verse umfassende Anrufung an Isis eingefügten Nil auch in Ov. am. 2,13 ins Spiel zu bringen, nun allerdings mit einem eigenen Distichon, da die Anrufung an Isis hier bereits ein in sich geschlossenes Distichon umfaßte. Angesichts der Entsprechungen zwischen der Stelle aus den ovidischen Amores und unserer Stelle aus den Geórgica dürfte es sich hier wie dort um ein und denselben Interpolator handeln.

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ZANKER, P.: Forum Augustum. Das Bildprogramm. Tübingen o. J. (1968) (Monumenta artis antiquae 2). ders.: Augustus und die Macht der Bilder. München 1987.

VI. Indices 1. Sachen Ackerbau - Festlegung von Zeiten 4f. ; 43-50 - Feldbestellung 4; 5-43 - Vorhersage des Wetters 4f. ; 50-57 Aconitum - Arten 81f. - Vorkommen 80-82 Arat - Anlehnung an 5; 45; 53; 54f.; 65f.; 141f.; 142f. - Absetzung von 46f. Attika - Bewohner - Klugheit 100 - Kriegstüchtigkeit 100 - Bodenschätze 276f. - Eukrasie 84 - Freiheit von wilden Tieren 80 - Fruchtbarkeit 87 - Gewässer 98 - Mittellage 84 - und Orient 100 Bäume - Entstehungsweisen 117-124; 267-272 - künstliche 121-124 - natürliche 118-121 - Obstbäume 117 - Ölbäume - Lebenskraft 123f. - geringe Pflegebedürftigkeit 115f. - Veredelung - Pfropfen 123f.; 126-130; 258-261 - Verpflanzen 124-126 - wild wachsende 130-132

Bienen - Arbeitseifer 236-238 - Arbeitsteiligkeit 232f.; 236 - Eigentätigkeit 215; 219; 220f. - Entstehung 214f.; 233f.; 241-248 - und Epos 211; 223-226; A. 889 - Gemeinschaftssinn 232f. ; 235 - Honiggewinnung 214f.; 239; A. 830 - und Kunst 207f.; 221f. - Lebensdauer A.884 - und Menschen 208f.; 211f.; 223 - Pflege 214f. - Krankheiten 239; 241 - Schädlinge 239f. - Verlust des Schwarmes 239; 241 - und Rom 206-208; 232-235 - Schwärmen 214f. - im Frühjahr 220-223 - zum Kampf 223-226 - nutzloses 226-228 - Staunenswertes 210-212; 220f.; 233; 242 - Stock 214-220 - Verfassung 232; 234f. - Voraussicht 232 - Wachsherstellung A. 830 - Wesen214f.; 231-238 Bürgerkrieg - Folgen - nach außen 58; 108; 255 - nach innen 58; 63f.; 67; 143f.; 255 - Wurzeln 60f.; 62f.; 144-146; 255 Ertrag, mehrfacher 87-90 Ethnographie 70; 84; 87; 206f.; 208; 214 - und Wunschländer A. 356; A. 383

299

Sachen Eukrasie - Konzept 84f. - und Charakter der Menschen lOOf. - und Fruchtbarkeit 87f. - und Goldenes Zeitalter A.389

- Mittellage 84

- und Mittellage 84f.

Kampanien

Jagd 48f.; 178; 183f. Kallimachos 212f.

Fluchtlegende 111

-

Frühling - ewiger 84-87; 89f.; 175 - und Blumen A. 365

Klang 73; 77; 98; A. 305; A. 411; A. 8 4 7 ; A . 8 7 9 ; A . 889

- und Zephyr 5; Α. 361

Länderlob lOOf.; 276f.; A. 355

Harvard School If.

Libyen 175-181

"Hellenistische Manier" Α. 302; Α. 950

Löwen 79f.

Hesiod

Lügen, angebliche 79-90; 127-129; 171f.

Exkurs 70

- Anlehnung an 5; 6; 30f.; 39; 41; 65f.; 113f. - Abgrenzung von 31 Hunde 156; 183f.; 197; 200; 202 Interpolationen 3 Italien - Berge, Flüsse, Städte 90-93 - Bodenschätze 272-276 - Bewohner - Aggressivität, angebliche 91-100; 105-109 - Frömmigkeit 76-78; 98 - Genügsamkeit 101; 105; 108; 113; 255 - Tüchtigkeit 91-100 - Wehrhaftigkeit 76-78; 91-100; 100110; 113; 142-144 - Eukrasie 84-87 - Freiheit von - Aconitum 79; 80-82 - Löwen und Tigern 79; 79f. - Riesenschlangen 79; 82-84 - Häfen, Meere, Seen (s. auch Portus Julius) 93-98 - Landwirtschaft l l f . ; 74; 75f.; 255

Fruchtbarkeit 88 Häfen 98 Klima 86 Seestädte 93

Lukrez, Auseinandersetzung Vergils mit 5; 8; 10; 20-25; 27-35; 46f.; 49-54; 132-134; 146-155; 157-159; 161f.; 169-171; 188-195; 196-199; 256f.; A. 48 Marius 102-105; 107-109 Metaphorik, militärische 16-19; 24; 25; 3 7 ; A . 131 Mittellage - und Charakter der Menschen lOOf. - und Eukrasie 84f. - und Fruchtbarkeit 87f. - Konzept 84f. Natur, angebliche Vergewaltigung durch den Menschen 16f.; 91-100; 121f.; 122f. ; 125; 129f. Orient - Reichtümer 71-76; 84; 91; 109; 136f.; 138; 144; 146; 255

300

Indices

- Schrecknisse 71-76; 78-84; 91; 109; 144; 255 - Weichlichkeit 1 If.; 71-73; lOOf.; 105108; 146 Pferde - Aufzucht 159f. - Begattung 159; 160f. - Fütterung 160 - Liebesbrunst und Windbefruchtung bei Stuten 157f. ; 161 - Sexualtrieb, Dosierung 160f. - Sterben 198; 199 - Zuchtwahl 159

Skythien 175-181 Spanien A. 295; A. 355; A. 366 Spielerisches 16-18; 22f.; 24f.; 132; 150f. - Klein und Groß 25f.; 157; 209; 210212; 215-218; 222-226; A. 889 Städtelob lOOf.; A. 355; A. 400; A. 403; A. 407; A. 408 Stoa 31 f.; 38; A. 210 Theodizee 32

Portus Julius - Anlage 95f. - Fischzucht 95 - Zweck 97f. Rhythmus 76; A. 54; A. 101; A. 660; A. 694 - versus aureus 186; A. 247 Rinder - Aufzucht 159f.; 161 - Fütterung 160 - Schwangerschaft 159 - Sexualtrieb, Dosierung 160f. - Sterben 198; 199f. - Zuchtwahl 159 Rom - Wurzeln seiner Größe 76-78; 144-146; 255f. - und Italien A. 468 Schafe - Empfindlichkeit 173 - Erzeugnisse 173; 181f. - Krankheiten 173; 185-188 - Stallhaltung im Winter 173f. - Sommerweide 174 Schlangen 78; 82-84; 173; 184f. - und Giftkräuter A. 340 Seefahrt 9-11; 43f.; 48; 49; 56; 57

Tiger 79f. 'Two voices' theory If. Weltordnung - gottgewollt 12f.; 28ff.; 43ff.; 49ff.; 256; A. 106 - abgestimmt 13f. ; 25; 53f. - unentrinnbar 12f.; 252f.; 257 - fest 12f.; 252 Werfen, mehrfaches 87-90 Wirkungslosigkeit, angebliche - der menschlichen Arbeit 2; 54ff.; 57f. - der Verehrung der Götter 196-198; A. 202 Wunschländer - und Ethnographie A. 356; A. 383 - und Eukrasie 84f. - und ewiger Frühling 85 - und Fruchtbarkeit 89f. - und Goldenes Zeitalter 90 Zeitalter, goldenes - Abwandlung der Motive 78f.; 116; 129f. ; 130f. ; 134f. - und Bodenschätze 277f. - Ende 13; 32f.; 70; 120; 129; 142 - und ewiger Frühling 90 - und Landwirtschaft 140-143

Sachen - Reste 13; 78-84; 119f.; 142f. - Übertragung bestimmter Züge - auf Italien 78-84; 110-112; 256 - auf das Landleben 115; 116; 119f.; 130f. ; 134; 256 - und Wunschländer 90

301 Ziegen - Erzeugnisse 173; 18lf. - Krankheiten 158; 173; 185-188 - Sommerweide 174 - Stallhaltung im Winter 173f.

2. Wörter adde aequare (m. Akk.) aeterna nox an ... memorem armentum atque (adversativ) augustus avarus/avidus bifldus certare ceu ... cum Chaonius cogere colere/incolere (tr./intr.) curas ... (re)solvere degenerare dens excudere nec (= non) nasci ( + Adv.) obesse oblivisci ( + Gen./Akk.) pax deum pecus, pecudis praerumpere/praeruptus properare proscindere pulcher quadrifidus -que (doppelt) recludere/reserare respondere rusticus

A. 399 A. 867 58f. A. 409 89 A. 31 A. 879 A. 23 A. 529 A. 294 A. 196 269 A. 877 A. 1085 A. 196 265 279, A. 510 A. 888 A. 179 A. 1022 A. 227 264f. 62; 76-78 89 A. 401 A. 189 A. 32 A. 289 A. 529 A. 660 113 A. 25 279

exstinguere 59f. extundere 35; 244 facilis victus/faciles cibi A. 573 fama A. 906 genus grande/tenue 212f. glans (= quercus) 269 haec eadem 272f. imbellis 105-107 ìmprobus 22f.; 41 f. immitis 216f. ingredi A. 504 inserere A. 540 (ir)riguus A. 834 labor 41; A. 82 latifundium A. 577 manus 18; 92; A. 104 maturare A. 189 multifidus A. 569 saltem A. 255 Saturnia tellus 110-112 semina iacere 263f. sentes 281 subigere A. 131 sudes A. 529 tabum A. 742 temperies caeli 85 262f. umbramfacere vastare 216f. vena 275 vertere (intr.) 259 vestibulum A. 835 vincere (mit innerem Akk.) 40f.

302

Indices

3. Stellen Ael. VH 9,16

93f.; 94; 98f.

Aesch. Eum. 946ff. Pers. 237f.

276 277

Aetna 260-269

A. 24

Anaximen. FGrHist 72 F 36

39

Apoll. Rhod. 2,45b 2,88f. 4,1278-1289 Arat. 1-13 96-136 133 1003-1009

Call. Aet.I, f r g . l . l f f . P f . Ap. 105ff. Dian. 129-130a

212f. 213 A. 74

Catull. 64,12b 64,35-42 64,38-42 64,45-49 64,222ff. 64,384ff.

63f. 203 A. 196 A. 247 61; 154

165 164f. A. 236

Chrysipp. SVF 2,1152 S VF 2,1163 SVF 2,1173

31 31 31

45; 53 14 Iff.

Cie. Arat. frg. 18 carm. frg. 6 Blänsd. Deiot. 15 Flacc. 102 nat. deor. 2,14 Phil. 10,12 rep. 2,10 rep. 2,11 rep. 3,3 Tusc. 4,74

66 A. 210

Archil. 17 West 39 Arist. HA 572a8-31 HA 573b21-22 HA 575a20-22 HA 623b5ff. HA 624a26-33 HA 625b6ff. HA 626b24f. HA 627b 10-13 Mir. 836a 19-21 Polit. 1327b27-33

158 87 163 233 A. 885 A. 857 A. 891 A. 891 88

Aristoph. PI. 532-534

333f. 454f. 459

14 If. A. 236 59f. 59

60 60 94 92 A. 179 162

Colum. 5,11, Iff. 6,27,3ff. 10,435f.

128 160f. A. 504

100

Curt. 4,7,17

85f.

39

Dion. Chrys. 35,21

85

Dion. Hal. 1.36.1 1,36,2-3 1.37.2 1,37,4 l,37,4f.

111 74 88 93f. 276

Auson. Mos. 20-22

10

A. A. A. A.

406 406 406 82

303

Stellen 1,38,1 Rh. 1,3

111 100

Dsc. 4,76f.

80ff.

Emp. frg. 105,3 DK

151

Enn. Ann. 21 Skutsch

110

Epich. 287 Kaibel

39

Epict. 1,6,32-36

32

Epicur. Sent. Vat. 18

162

Eratosth. frg. 16 Powell 18f.

A. 185

Eur. frg. 641,3 N 2

39

Flor. epit. 1.16.3 1.16.4 1,16,6

86 98 93

Geop. 10,20, lf. 10,76,3; 5

128f. 129

Germ. 290-292 292

A. 1016 A. 179

Gratt. 383ff. 408ff. 430-466 479-482

187 187 205 205

Hdt. 1,142, lf. 2,77,3 3,106,1

84 84 74; 84

Hecat. FGrHist 264 F 7

85; 89

Hes. Op. 11-26 42-46 47-58 172f. 174-201 225-247 286-292 289f. 298-301 306b-308 311 317-319 381 f. 458-478 Horn. Od. 4,85f. 4,566-568 7,117-121 7,118f. 11,14-19 16,213-219 19,515-529 Hör. carm. 1,2,21-24 carm. l,2,25-26a carm. l,2,26b-28 carm. 1,2,41-52 carm. 1,3,17-20 carm. 1,6,9 carm. 3,3,70b-72 carm. 3,24 carm. 4,2,27bff. epod. 16, Iff. sat. 1 ,7,24-26 sat. 1 ,9,59f. epod. 16,53-56 epist. 1,1,106-108 epist. l , 1 6 , 8 b - l l epist. 2,2,51f. ars 63 69

30; 113f. 30f. 31 89 114 114 30; A. 35 39 30; A. 74

6 8 41

6 6

89 85 89 85 A. 701 250 250

64f.; A. 251 68 64

66 270 212f. 213 176 213 108 A. 238 A. 152 85 24f.

260 39f.; 42 96

Hp. Aer. 12

85; 87

Isoc. 7,74

100

304

Indices

luv. 8,245-253

103

Lucan. 4,244 7,567b-571a 7,859 10,63-67

59 59 A. 510 107

Lucían. VH 2.12 2.13

85 89f.

Lucr. 1,10-20 l,78f. 1,117-119 1,922-925 2,l-16a 2,lf. 2,20-53 2,167-176 2,352-366 3,14ff. 3,59-93 4,1030-1057 4,1037ff. 4,1058 4,1063-1072 4,1 lOlf. 4,1121f. 4,1197-1200 5,1-21 5,8-12 5,13-21 5,22-42 5,29 5,195ff.

[5,210-212] 5,509ff. 5,751-770 5,751 5,916-930 5,937f. 5,1161-1240 5,1183-1193 5,1255ff.

171f.; A. 660 150 113 148 132f. 24 152f. 46 A. 773 148f. 153f. 161 157 169 16 lf. 163 163 158 244f. 29 29 22; 26 A. 84 8 ; 2 0 ; 2 1 ; 22; 23; 2 6 f . ; 46f. ; 49 A. 81 148 148 A. 602 A. 48 A. 580 149f. 46 273f.

5,1361-1378 5,1448-1457 5,1453f. 6,1-42 6,47-79 6,246ff. 6,535-607 6,1090ff. 6,1090-1093a 6,1125-1132 6,1138ff. 6,1163-1167 6,1235f.; 1245 6,1262f.; 1272-1275

260 35 A. 135 194 192 49 148 157; 188ff. 158 158 188 159 158f. 198f.

Manil. 1,79f. 1,95 1,925f. 4,754

A. 147 37 A. 262 A. 286

Men. Mon. 221

39

Ον. am. 2,13,7ff. [am.] 2,13,9f. am. 3,8,35-40 [ars] 3,181f. [fast.] l,677f. met. l,127b-150 met. 6,135ff. met. 7,523-657 met. 7,542-544 met. 9,46-49 met. 9,773ff. met. 15,147b-153 Pont. 2,10,39f.

286ff. 287f. A. 510 271 A. 24 238 263 188 265 163f. 287 A. 565 270

[Ον.] epist. 14,107

287

Philoch. FGrHist 328 F 175

110

Plat. Menex. 237d Tim. 24c/d

80 100

305

Stellen Plaut. Asin. 671 Plin. nat. 2,136 3,38-42 3.41 3.42 3,138 8,36f. 16,114 17,59 18,111 18,191 37,201f.

42

Sil. 15,18-128

38

Sol. 86 276f. 80; 93f.; 98f.; A. 403

2,3 52,1 Soph. Trach. 497-530

93 85 163

101 101; 276f. 83 87 267 88 88 74; 80; 93; 98f. ; 101; 276f.

Prop. 3,11,33 3,ll,45f. 3,22,19 3,22,27 4,2,13-18

260

Pubiii. sent. H 8

40

107 108 107 82

Quint, inst. 3,7,26f. 3.7.26 3.7.27 12,10,78

100 A. 407 A. 400 18

Rut. Nam. 1,113f.

86

Sali. Catil. 5,9 ff. 7,4ff.

146 37f.

Sen. clem. 1,19,2-4 dial. 1,1,5f. dial. 1,2,2ff. Oed. 133ff. Phaedr. 515ff. Phaedr. 835

206f. 31 3 lf. 197 A. 573 59

[Sen.] Here. O. 1610ff.

38

Str. 5,4,3 5,4,6 6,4,1

88 95 93f. ; 98f. ; lOOf.; 276

[Theoc.] 21,Iff.

40

Thphr. CP 1,14,1 HP 2,1,1 HP 2,2,4-6

87 117f.;A. 515 266f.

Thuc. 2,47-54

188; 192ff.

Tib. 2,3,3

A. 577

Val. FI. l,235bf.

37

Varius carm. frg. 2 Blänsdorf frg. 3,3 Blänsdorf

A. 581 279f.

Varrò rust. 1,2,3-7 1,7,6 1,16,4 l,40,5f. 2,1,12 2,2-10 2,2 2,3,4 2,3,8-10 2,9 2,11 3,1,5 3,16,Iff. 3,16,4 3,16,6 3,16,7

74 88 A. 577 127f. 156; 157; 183 156 172f. 88 158 183 181 143; 145 214f. 232f. A. 846 222

306 3,16,8 3,16,9 3,16,10f. 3,16,27 3,16,29f. 3,16,30f. Varrò At. carm. frg. 6 Blänsdorf

Indices A. 885 A. 852 A. 864 218 A. 857 A. 845 278f.

Verg. ecl. 1 1,51-55 4 4,2 4,6 4,18-20 4,22ff. [4,23] 4,29 4,37-45 4,39 4,40 5,20 6,3 10,69

66f. 131 67 131 111 134 78f. A. 315 130f. 13 70 116 60 213; A. 815 37; A. 163

georg. 1,24-42 1,43-203 1,43-49 1,43-46 l,50ff. l,50-63a 1,50-53 1,54-59 1,57b l,60-63a l,60-61a 1,63b-70 1,71-117 1,71-83 1,79-81 1,84-93 1,94-117

9f. A

4

5ff. 14 70 9ff. ; 14; 27 9ff. ; 124 l l f . ; 76 73 12ff.; 27; 169 252 14f. 15ff. 15 42 15 15ff.

[1,100-103] 1,118ff. l,118-121a 1,119 l,121b-154 l,121b-146 l,121b-124 1,125-128 1,126f. l,127f. 1,129-132 [1,130] 1,133-135 1,133 [1,134f. ] l,136-145a [1,144] l,145bf. 1,147-149 1,150-159 l,150-152a l,158f. 1,159 1,160-175 1,176-203 1,181-186 [1,187-192] 1,193-196 1,197-203 l,199b-203 1,204-460 1,204-350 1,204-256 [1,240-251] [l,257f.] 1,259-310 1,268-275 [1,291-296] l,299b-310 [1,302] 1,311-350 1,311-337 1,351-460 1,351-414 [1,412; 415-423] 1,424-460 1,424-426

A. 77 20ff. 2 Iff. 42 28ff. 124; 27 8; 17; 28f. 32f.; 140f. 238 119f. ; 134 33f. A. 132 34f. 120 A. 135 35f.; A. 135 A. 135 36ff. 2 9 ; A . 135 23ff. 36 120 A. 583 25 25ff. ; 28; A 104 25f. A. 104 26f. 26f.; 187; 252 54; 68 4 5; 43ff. 43ff. A. 175 A. 179 47ff. A. 121 A. 194 A. 583 A. 196 54 49f. 5; 50ff. 5 Iff. A. 210 57 56

307

Stellen 1,436f.

56

[2,165f.]

272ff.

1,454-457

56

2,167-174

144ff.

1,461-514

57ff.

2,167-172

lOlff.

1,46 Iff.

77f.

2,173-176

11 Off.

1,466-488

197

2,190-192

275

1,466-468

58ff.

[2,207-211]

A . 954; A .

1,483

55f.

1,489f.

62

2,217-225

86

1056

1,491-497

143f.

2,290-297

262f.

1,49 If.

61

2,315-345

171f.

1,493-497

62f.; A . 8 5 7

[2,328f.]

171f.

1,498ff.

64ff.

2,380-428

115ff.

1,505ff.

61; 63f.

2,390-392

195

1,508

143

2,395

195

1,509

108

[2,403-419]

278ff.

1,51 lb-514

67f.; 2 0 3

2,9-82

117ff.

2,9-38

261

[2,25]

A. 529

2,30f.

123f.

[2,32-34]

258ff.

2,35-38

124; 132; 2 5 8

[2,42-46]

A . 537

2,47-62

160

2,50

260

2,53-54a

259

[2,57-60]

2 6 Iff.

2,61f.

265f.

[2,64; 67f.]

267ff.

2,69-82

123f.; 258; 2 6 0

2,69f.

126ff.

[2,71f.]

A . 5 4 6 ; A . 972

2,73-82

129f.

2,109-176

12; 70ff.

2,109-135 2,114-172

[2,423f.]

A . 510

[2,425]

A . 510

2,429-474

130ff.

[2,433]

A. 560

2,435

262f.

[2,440-453]

A . 566

2,458-540

1 1 5 ff. ; 175f. ; 181; 228ff.

2,458-474

152

2,472

144

2,473b-474

142

2,475-494

146ff.

[2,481 f.]

A . 602

2,495-540

137ff.

2,495-512

153f.

[2,507]

A . 581

[2,535]

A . 595

2,538

A . 502

2,541f.

A . 34

70ff.

3,32f.

A. 479

109f.

[3,46-48]

A. 627

[2,122-125]

A . 283

3,49-283

A . 307

2,136-176

175f. ; 181;

3,49-208

159f.

228ff.

3,49ff.

156

2,136-154

90f.

[3,148]

A . 639

2,136-144

72ff.

[3,152f.]

A . 639

2,140

A . 84

3,179-208

161

2,143f.

A . 700

3,209-283

157

2,145-148

76ff.

3,209-214

160f. ; 166; 167

2,149f.

84ff.

3,215-241

159; 162ff.

2,151-154

78ff.

[3,219]

A . 651

2,155-164

9 Iff.

3,242ff.

165ff.

308 [3,243] 3,248ff. 3,252 [3,255-257] 3,258-262 [3,263] [3,269f.] 3,286 3,289f. 3,295-566 3,295-383 3,295-321 [3,319] 3,322-348 3,322-338 3,339-383 3,346-348 3,349-383 3,356-359 [3,363f.] 3,365 [3,366] 3,384-403 3,404-469 3,404-413 3,414-436 3,425-436 [3,437-439] 3,440-566 3,440-473 3,452-456 3,464ff. 3,474-566 3,474-477 3,478-497 3,478-480 [3,481] 3,486 3,494-497 3,498-524 3,506b-508 3,509-514 3,513 3,515-524 3,525-547 3,548-557 3,549 3,551-557

Indices A. 660 175 A. 653 A. 656 159 A. 637 A. 655 210 156f.; 210 156; 173ff. 176f. 173f.; 179f. 173f. 177f. 174 175ff. 18f. 175f.; 178ff. 87 A. 685 259 A. 685 181f. 240f. 183f. 184f. ; 187 83 A. 725 188f. 185ff. 19; 42 197 68; 157; 175 185; 188 195ff. 189f. A. 742 195 199f. 199ff. 203 172; 188 205 159 20 Iff. 203 188 195; 198f.

3,551-553 [3,554f.] [3,558] 3,563-566

68 A. 767 A. 768 159

4,1-7 4,8-46 [4,30-32] [4,42-44] [4,47-50] 4,51-111 4,51-66 4,51-57 4,67ff. 4,83 4,88-90 [4,91-102] 4,103-111 [4,112-115] 4,116-148 4,119 4,149-218 4,149-152 [4,178b-181a] [4,184] 4,191-196 4,197-202 [4,203-209] [4,219-227]

21 Off. 214ff. A. 834 A. 841 A. 843 A. 844 220ff. A. 210 223ff. 211 226 A. 859 226ff. A. 862 228ff. 88 2 3 Iff. 169; 222 A. 8 6 5 ; A . 890 A. 890 55; A. 891 169 A. 8 8 4 ; A . 900 A. 210; A . 879; A. 960 239ff. ; A. 844 A. 879 A. 897 240f. 24 Iff. 284ff. 247f. 244ff. 247 246f. A. 250 248ff. A. 479 151

4,228-314 4,228 [4,236-238] 4,239-250 4,281-314 [4,290-293] 4,295-314; 528-558 4,315-332 4,315f. 4,333-558 4,390 4,453-527 4,560b-562 4,564 Aen. [la-4a] l,55ff;

A. 23f. 97

309

Stellen 1,174 l,745f. 3,137-142 3,649 [6,36] 6,79bf. 6,603 6,610f. 6,781-787 6,847-853 7,41f. [7,170-193] 8,327

A. 135 A. 602 191 259 A. 1050 279f. A. 196 A. 581 A. 595 222f. A. 815 A. 879 238

8,445f. 8,728 10,746 12,715ff. [12,856-860]

274 96f. 59 164 A. 1077

Vitr. 6,1,9-11

100; 107

Xen. Cyr. 5,l,24f. Vect. 1,3 Vect. 1,5 Vect. 1,7

A. 885 87 276 98