Zeit- und Charakterbild aus dem Mittelalter [Reprint 2018 ed.] 9783111506043, 9783111139111

148 28 20MB

German Pages 451 [452] Year 1853

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Zeit- und Charakterbild aus dem Mittelalter [Reprint 2018 ed.]
 9783111506043, 9783111139111

Table of contents :
Einleitung
König Ludwig der Heilige
Notizen über Joinville, Groß-Seneschall von Champagne
Dem sehr edeln und sehr preisenswertheu Könige Ludwig
Geschichte von St. Ludwig der IX. seines Namens, König von Frankreich
Erster Theil der Geschichte
Zweiter Theil der Geschichte
Banard, der Ritter ohne Furcht und Tadel
Die sehr ergötzliche und erbauliche Lebensgeschichte des guten Ritters ohne Furcht und Tadel
Anmerkungen

Citation preview

Zeit- und Charakterbilder aus dem

M i t t e l a l t e r.

Nach dem Altfranzösischen bearbeitet von der

Uebersetzerin des Basart.

Berlin. Druck und $ er lag von Georg Reimer.

1853.

Einleitung. (Gleichwie ich in meiner Bearbeitung von Bernal Diaz del Castillo's Erzählung der Eroberung von Mexiko der deut­ schen Jugend ein Bild jenes welthistorischen Ereignisses und des Helden Ferdinand Cortez vorzuführen wünschte, welcher die Seele des verwegenen Unternehmens war, so mochte ich derselben in diesem Buche das französische Ritterthum in feinen zwei edelsten Vertretern, Ludwig dem Heiligen und Ritter Bayard zur Anschauung bringen. Joinville, der Seneschall von Champagne, Zeitgenosse und treuergebener Gefährte Ludwig des IX., hat in höherem Alter eine Schilderung von dem Kreuzzuge jenes Fürsten und einen gedrängten Ueberblick von dem früheren und spä­ teren Leben des Königs niedergeschrieben. Diese Schilderung lehrt eben so sehr den Geist der Zeit, welcher zu dem Zuge nach dem gelobten Lande trieb, als die unendlichen, ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten, eben so sehr die dabei ge­ übte Ausdauer, Selbstverleugnung und Tapferkeit, als die Unmöglichkeit des Erfolges erkennen. Will man aber jene Schilderung richtig verstehen, so muß man geneigt sein sich aus unserer, in ganz anderen Zuständen sich bewegenden, von anderen Bestrebungen erfüllten Zeit in jene langvergan­ gene zurück zu versetzen, wo man ein leichtes Beseitigen äußerer Hemmnisse und Schwierigkeiten nicht erwartete und *

IV

forderte, weil man die Möglichkeit ihrer Hinwegräumung nicht kannte; wo die leibliche und geistige Kraft sich an der Ueberwindung jener Schwierigkeiten stärkte und man äußeren Gewinn und äußere Gemächlichkeit nicht suchend und achtend, Gut, Blut und Leben ohne Bedenken an die Durchführung einer Idee setzte. Die Fähigkeit, eine solche Zeit zu verstehen, darf der Jugend, auch der Jugend unserer alle Unbequemlichkeiten ebnenden Tage, wohl unbedingt zugetraut werden. Die Ueberzeugung, daß dies der Fall ist, und daß ein solches sich Zurückversetzen in die Vergangenheit nur Gewinn brin­ gen kann, bestimmte mich für die Wahl gerade dieses Stof­ fes. Liest man Joinville's Beschreibung des Nils, erfährt man durch seine Berichte von fernen Gegenden und Ländern, auf welchem Standpunkt Völker-, Welt- und Naturkunde sich befanden, was man hiedurch und durch Mangel an Ver­ kehrsmitteln ertragen mußte und für glaublich hielt, so stei­ gert sich die Achtung für das, was damals in kühnem Muthe und festem Gottvertrauen unternommen und erduldet wurde, zu immer wachsender Bewunderung. Erkennt man durch seine, das Ritterthum in scharfen Zügen veranschau­ lichenden Beschreibungen von Kriegszuständen, Kämpfen und Schlachten, wie lose das Band war, welches die von allen Seilen herbeikommenden Streiter und Befehlshaber zusam­ men hielt, so lernt man immer mehr die Tiefe und Wärme der Idee würdigen, welche die Krieger des Abendlandes nach dem Morgenlande trieb und sie bei aller jener äußeren Ungebundenheit zu gemeinsamem Handeln vereinte. Fromm und gläubig, wollte man damals, wo nur Thaten Geltung hatten, den christlichen Sinn durch Eroberung des heiligen Grabes beweisen und der Geist des Ritterthums lieh dem

V Streben jene Idee zu verwirklichen immer neue Nahrung. Dieser Geist erfüllte die Gemüther mit glühendem Verlan­ gen die Tugend des Heldenmuthes zu bewähren und erweckte sie zu den verwegensten und schönsten Wafsenthaten, veran­ laßte sie jedoch eben so sehr zum Ungehorsam wider die Anführer und es war die Gewalt des Oberhauptes sehr bedingte.

eine

Welch große Schwierigkeiten durch diese be­

schränkte Macht, durch Clima und andere Ereignisse und Zustände dem Kreuzzuge des heiligen Ludwig bereitet wurden, zeigt der Lauf von Ioinville's Erzählung; einen wei­ teren Blick aber auf die Zeit, in welcher der obige Zug unternommen wurde,

eröffnet

sie dadurch, daß Ioinville

selbst ein lebendiger Repräsentant seiner Zeit und durch die Eigenthümlichkeit seines Wesens, wie durch seine äußere Stel­ lung und durch seine Liebe zu Ludwig vorzüglich befähigt war, von der Denk- und Handlungsweise jenes Fürsten ein treues Bild zu geben.

In wenigen Zügen schildert er die

Gesinnung des Königs, schildert er dessen Verfahren in den Schlachten und Nöthen jenseits des Meeres, sowie in den Sorgen

und Mühen

Wenn auch gering

bei

der

Regierung

seines Landes.

an Zahl genügen jene Züge jedoch zu

zeigen, welche Verwirrung in Frankreichs staatlichen und bürgerlichen Verhältnissen herrschte und welch heller Sinn für Recht und Unrecht, welch reines Herz und welch uner­ schütterliche Glaubenszuversicht in Ludwig dem Heiligen mäch­ tig sein mußte, um ihn zu dem zu befähigen, was er seinem Lande und Volke und was er in seiner innersten Persönlich­ keit seinem Gott gegenüber war.

In seiner Zeit wurzelnd

und stehend, konnte er von ihren Irrthümern und Fehlern nicht frei bleiben, ein vorragend würdiger Träger dieser Zeit aber wurde er dadurch, daß er sich ihre edelsten Be-

VI

strebungen, ihre erhabensten Tugenden zum Eigenthum machte, und heiligt der Mensch sich, indem er sein eigenes Selbst überall höheren Interessen zum Opfer bringt, so giebt ihm auch unsere Zeit noch mit Recht den Namen des Heiligen. Ueber die zweite Abtheilung dieses Buches, welche von Bahard, dem Ritter ohne Furcht und Tadel handelt, habe ich nur Weniges zu bemerken. Er ist bekannt als eine Blüthe des Ritterthumes und sein edler Sinn und Charak­ ter, wie seine liebenswürdige Persönlichkeit tritt so frisch und klar aus der Schilderung seines Lebens hervor, die einer seiner Waffengefährten in schlichter Form, mit feinem Sinn und schönem Verständniß niedergeschrieben hat, daß sie ganz geeignet erscheint bei der Jugend Anklang zu fin­ den. Jener Waffengefährte verschweigt seinen Namen und nennt sich nur den loyal Serviteur. Sein Buch erschien zuerst 1527, drei Jahre nach dem Tode Bayards bei Galliot du Prö; eine zweite Ausgabe wurde 1616 von Theodor Godefroy, eine dritte 1651 von dem Präsidenten Boissieux, einem Verwandten Bayards veranstaltet. Was ich hier aus dieser Biographie mittheile, ist getreu nach dem altfranzösischen Texte gearbeitet, wie ihn Petitot in seiner Collection de Memoires abdrucken ließ. Er fügt diesem Text einige Noten und eine Geschichte Ludwig des XII. bei. Von der größern Zahl jener Noten gebe ich eine Uebersetzung und reihe daran, zur Ergänzung des geschichtlichen Zusammenhanges, einige andere, bei denen ich vorzugsweise dem obigen Bericht über Ludwig XII. folgte. Die verworrenen italienischen Kriege, welche den Schau­ platz für viele glänzende Waffenthaten bildeten, sind kein erfreulicher Hintergrund, um so mehr dienen sie, Erschei­ nungen wie die des edeln Ritters und einzelner anderer

VII

Helden, von denen das Buch des loyal Serviteur erzählt, als Höhepunkte hervor zu heben. Bei der gänzlichen Umgestaltung, welche die Kriegsfüh­ rung durch die Erfindung des Pulvers und der Schießge­ wehre gewann, konnte das Ritterthum nicht in der Weise fortbestehen, wie es zur Zeit des Mittelalters geblüht hatte und es liegt etwas eigenthümlich Ergreifendes darin, daß Bayard, der einer der edelsten und würdigsten Repräsen­ tanten jenes Ritterthumes war, durch eine Geschützkugel fallen mußte. Sein Leben wie sein Tod war daher ganz geeignet das zu veranschaulichen, was ich mit dem vorlie­ genden Buche beabsichtigte; mein Vorhaben aber, die Erzäh­ lung seiner Schicksale und Thaten zugleich mit Joinville's Bericht über Ludwig den Heiligen erscheinen zu lassen, wäre fast an der unvorgesehenen Zufälligkeit gescheitert, daß in dem Augenblicke, wo ich mit der Uebersetzung von Bayards Biographie zum Schluß gekommen war, Herr Prof. Collmann in Marburg ein Buch herausgab, worin das Leben des Ritters ohne Furcht und Tadel nach derselben Erzählung des loyal Serviteur dargestellt ist. Doch bei näherer Prü­ fung zeigte sich, daß er den vorhandenen Stoff nach einem anderen Plan und in anderer Weise als ich, benutzt und bearbeitet hat und ich konnte zu meinem früheren Vorhaben zurückkehren. Da erschien, während der Druck meines Joinville fast vollendet war, eine Uebersetzung der von dem Seneschall aufgezeichneten Memoiren (Geschichte König Ludwigs des Heiligen von N. Driesch. Trier, 1853.). Dies über­ raschende, nochmalige Zusammentreffen in der Wahl des Gegenstandes, seltsam dadurch, daß es sich bei Büchern er­ eignete, die beide vor mehreren hundert Jahren geschrieben sind, war mir begreiflicher Weise nicht eben erwünscht, was

VIII

ich indeß von der Biographie BahardS sagte, gilt vielleicht in noch weiterem Umfange von der Ludwig de- Heiligen. Die Sprache, in der die obige Uebersetzung den Text wiedergiebt, ist eine andere, der Zweck, welchem sie dienen soll ist von dem, welchen ich verfolgte, ein so verschiedener, daß ich mich dadurch in meiner Absicht nicht hätte beirren lasten können, wenn selbst der Druck meine- Ioinville noch nicht bi- auf wenige Blätter geschloffen gewesen wäre. Bei der jetzigen Lage der Dinge konnte ein Schwanken nicht statt­ finden, und ich füge nur den Wunsch hinzu, eS möge mir gelungen sein, daS was ich bei dem vorliegenden Buche er­ strebte, so weit zu erreichen, als nothwendig ist, ihm bei der Jugend wirklich Anklang und Theilnahme zu erwerben.

König Ludwig der Heilige.

Zrltt- «. Lharakterdtttzer.

1

Notizen über Ioinville, Groß-Seneschall von Champagne. *) 3ean, der Sire von Ioinville, Verfasser der hier fol­ genden Denkwürdigkeiten au« dem Leben Ludwig de» Heiligen, wurde (wie du Tange sagt) gegen da» Jahr 1224 geboren. Seine Familie war im dreizehnten Jahrhundert eine der angesehrnsten der Champagne. Ctienne, mit dem Zunamen Devaux, einer seiner Borfahren, wurde in Mitte de» vor­ hergehenden Jahrhundert» sehr mächtig; er heirathete die Gräfin von Ioigny, welche ihm mehrere Lehne und Herr­ schaften zubrachte und erbaute da» Schloß Ioinville. Der Oheim und der Bater von Jean von Ioinville, mit dem wir «n» beschäftigen, zeichneten sich durch rühmliche Waffenthaten au». Cr selbst wurde nach Sitte jener Zeit z« Thibaut IV., dem Grafen von Champagne seinem Gebieter ge­ geben, dessen Wohlwollen er durch seine Heiterkeit und durch die liebenswürdige Offenheit seine» Charakter» gewann. Frühe seine» Vater» beraubt, vermählte er sich 1239, erst 16 Jahre alt, mit Mix von Grandpre, die so jung war wie er selbst, schloß diese Verbindung nicht mit Rücksicht auf seine Bermögen»*) Bei tiefen Notizen, sowie bei Ioinville'« Dedication an l'ui« Hutin und einigen beigefügten Anmerkungen folge ich den Angaben Petitot«, dessen Ausgabe de« Iomville ich bei mei­ ner Arbeit benutzte.

4 umstände, sondern nach Neigung des Herzens. — Durch die Gunst des Grafen Thibaut erhielt er das früher von seinem Vater bekleidete Amt des Seneschalls und außerdem daS eine- Großmeisters der Grafen von Champagne. 1245 wurde der Kreuzig verkündet und es scheint, als habe er damals den König kaum gekannt, 'reffen Vertrauen und Freundschaft er nachmals gewann. Ludwig war von seinen Völkern heiß geliebt und die Franzosen jedes Standes begehrten seine Gefahren zu theilen. Auch Ioinville, noch nicht 22 Jahre alt, eilte das Kreuz zu nehmen, und war verlangend, unter einem so erhabenen Fürsten das Kriegs­ handwerk zu lernen. — Seine Erlebnisse wahrend der sechs Jahre, die er mit dem Könige im Orient zubrachte, erfahren wir durch die hier folgenden, von ihm mitgetheilten Berichte. Von dort nach Frankreich zurückgekehrt, genoß er des Königbesonderes Vertrauen und die arglose Weise, in der er diehinnahm, schützte ihn vor Neidern. 1255 vermittelte er die Vermählung von Jsabella, der Tochter St. Ludwig- mit Thibaut V., dem Könige von Navarra. Drei Jahre später erhielt er das Dorf Germey und das Amt eine- homagelige, eines seinem König zu besonderem Dienst verpflichteten Vasallen. Während der langen, dem Kreuzzug folgenden Friedens­ jahre, lebte Ioinville abwechselnd in Frankreich und Cham­ pagne, überall gern gesehen. In Paris speiste er an des Königs Tafel und dieser ließ ihn an den Gerichtssitzungen de- Palastes theilnehmen. Ioinville, der seine erste Gemahlin verlor, war mit einer andern Alix, einzigen Erbin von Gautier, Sire von Ri-nel vermählt, als der heilige Ludwig im Jahre 1268 einen zwei­ ten Kreuzzug ausschrieb. Trotz seiner Hingebung für den König, weigerte Ioinville sich ihm zu folgen, und dieser

5 grollte ihm darum nicht; wohl aber trauerte Ioinville tief bei der Kunde, daß sein Freund

und Gebieter in TuniS

verstorben war. Philipp der Kühne, Ludwigs Nachfolger, schenkte ihm gleiches Vertrauen wie sein Vorgänger,

ernannte

ihn

im

Jahre 1283, wo er in Angelegenheiten seiner Mündel, der Königin von

Navarra

und Gräfin von Champagne

nach

Aragvnien reiste, zum Gouverneur der Champagne. Philipp der Schöne, der zwei Jahre später zum Thron gelangte, achtele Ioinville viel geringer, doch blieb er noch einige Jahre Gouverneur der Champagne, unter Johanna, die unterdeß Königin von Frankreich geworden war. Diese Prinzeß theilte in Rücksicht auf den alten Seneschall ihres Gemahls Empfindungen nicht, war ihm im Ge­ gentheil sehr wohlgesinnt. —

Gegen das Ende von Philipp

des Schönen Regierung, wo dieser Fürst sein Volk mit Ab­ gaben belastete, und unter dem Vorgeben die Freiheit der Völker zu begünstigen, Willkürherrschaft in Frankreich ein­ führte, empörte sich der sonst getreue Ioinville wider ihn. Dieser

Aufstand, deffen Ende Philipp

nicht

erlebte,

wurde 1315 durch LuiS Hutin gedämpft, welcher Commiffarien zur Untersuchung der gegen seines BaterS Maßregeln erho­ benen Beschwerden berief. Im selben Jahre entbot der junge Ludwig den ganzen Adel nach ArraS, um die Flammänder zu bekämpfen, Joinville beantwortete diesen Auftuf in würdiger Weise und er­ griff, obwohl 92 Jahre alt, noch die Waffen.

Sein Brief,

den du Cange uns aufbewahrt hat, lautet: "Seinem guten Gebieter Ludwig, durch Gottes Gnade "König von Frankreich und Navarra, schreibt dies Jean Sire "von Ioinville, "Dienst

sein Seneschall von Champagne,

und Hülfe

bereit.

Lieber Herr.

ihm zu

WaS Ihr mir

6 den Mamund weil wir glaubten, Sire, dem sei Anstalten, auf Euern Ruf gerüstet zu

»vermeldet ist wahr; man sagte, Ihr wäret mit »mändern ausgesöhnt "so, trafen wir keine "sein.

Nun Ihr mir saget,

daß Ihr nach ArraS gehen

"wollet, um die Euch von den Flammändern geschehene Un"bill zu strafen, so antworte ich Sire, daß dies wohlgethan "ist uud wünsche Euch dazu Gottes Beistand.

Wenn Ihr

„mir aber vermeldet, ich und meine Leute sollten bis Mitte "des Monats Juni in Othie sein, so thue ich Euch kund, "Sire, daß dies nicht wohl geschehen kann.

Denn ich er-

"hielt Euer Schreiben am zweiten Sonntag des Juni, erst "acht Tage nach dem bestimmten Zeitpunkt.

Am frühesten

"wo eS möglich ist, sollen meine Leute bereit sein zu gehen, "wohin Ihr es wünschet.

Sire, lasset es Euch nicht miß-

"fällig sein, daß ich am Eingang meines Briefes Euch nur "meinen guten Gebieter nannte, anderes that ich nicht bei "Meinen früheren Gebietern, den vor Euch herrschenden Kö"Mgen, welchen Gott Gnade verleihe. "Heiland.

Geschrieben

Schütze Euch unser

am zweiten Sonntag des MonatS

"Iuni, im Jahr 1315, wo Euer Schreiben mir zukam."

Ioinville war schon hochbetagt, als er die hier folgen­ den Memoiren Ludwig des Heiligen, auf Aufforderung von Johanna von 'Navarra, der Gemahlin von Philipp dem Schönen, Mutter von Luis Hutin, verfaßte.

Er starb 1319,

über 95 Jahre alt und wurde in der Kirche Sanct Laurentin in Ioinville beigesetzt, woselbst man seine Statue auf seinem Grabmal erricktete.

Dem sehr edeln und sehr preisen-wertheu

Könige

Ludwig,

Sohn de- Königs von Frankreich, durch Gottes Gnade

König von Navarra widmet die-

Jean Sire von Ioiuville, Seneschall von Champagne.

Gebe Gott Euch auf mein Gebet Glück und Heil.

Sehr edler und mächtiger Herr. Meine höchst ruhmwürdige Gebieterin, Eure Frau Mut­ ter, der Gott Gnade verleihen möge, hat zu ihrer Zeit augroßer Huld und in der Ueberzeugung, ich sei dem guten Könige St. Ludwig stet- treu ergeben und dienstbar gewesen, von mir auf da- liebevollste begehrt, ich solle zur Ehre

8 Gottes ein Büchlein über die heiligen Thaten vnd Reden des oben genannten Königs St. Ludwig schreiben.

Ich ver­

sprach ihr ehrfurchtsvoll dies nach Kräften zu thun; schicke nun Euch, glorreicher und mächtiger Gebieter, als Nachkommen und Erben des Königs St. Ludwig dies Büchlein, da ich weiß, daß keinem andern Lebenden mehr gebührt eS zu be­ sitzen.

Möget Ihr und wer

eS sonst erhalten und besitzen

wird, sich angefeuert fühlen, die darin geschilderten Werke und Thaten nachzuahmen und Gott unserem Herrn und Va­ ter dadurch Dienst und Ehre erwiesen werden.

Anm. Diese Dedikation ist an LuiS Hutin, den Urenkel Ludwig des Heiligen, den Sohn von Philipp dem Schönen und Johanna, der Königin von Navarra gerichtet, der seine Mutter 1301 verlor und ihr Königreich Navarra während Lebzeiten seines Paters erbte, der erst 1314 starb.

Geschichte von St. Ludwig der IX. seines Namens,

König von Frankreich, niedergeschrieben von

Jean Sire von Joinville, G r offene s vh a l l y o n (s h a in p a q n e.

B o r r e d e. 3m Namen der heiligen Dreieinigkeit, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.

Amen.

Ich Jean, Sire von Joinville, Großseneschall von Cham­ pagne, will das Leben, die heiligen Thaten und Worte des höchst ehrwürdigen und frommen Königs St. Ludwig aus der Erinnerung aufzeichnen, will erzählen, wie ich ihn im Laufe von sechs Jahren, die ich mit ihm auf der Pilgerschaft und jenseits des Meeres zubrachte, und nach unserer Rückkehr reden und handeln sah. Dies Büchlein hat zwei Abtheilungen.

Die erste be­

richtet, wie der fromme König St. Ludwig nach Gottes und unserer heiligen Kirche Gebot dachte und lebte, seinem Reiche zum Gewinn und Heil.

Die zweite erzählt von seinen großen

Ritter- und Waffenthaten, damit eines dem andern folge und denen, welche meine Schrift lesen, das Verständniß erleich­ tert sei.

Man wird aus alledem klar erkennen, daß er vom

10 Beginn seiner Herrschaft bis zu deren Schluß, ein heiligereund gerechteres Leben führte wie irgend ein Mann seiner Zeit und scheint mir, es sei ihm Unrecht widerfahren, daß man ihn nicht unter die Zahl der Märtyrer aufnahm, we­ gen

der vielen Leiden,

die

er während sechs Jahren auf

seinem Zuge nach dem heiligen Lande erduldete, wohin ich ihm gefolgt bin. Da nun kein Gut höher ist, als die vernünftige Seele, werde ich mit dem Theile beginnen, der der Seele Nahrung giebt, indem er von des König- Lehren und heiligen Worten Bericht erstattet.

Erster Theil der Geschichte. Kapitel I. /^er sehr fromme König St. Ludwig liebte und fürch­ tete den Herrn von ganzer Seele sein Lebelang und trachtete eifrig, seinem Beispiel zu folgen. Denn wie der Herr für die Seinen gestorben ist, so hat der gute König St. Ludwig oftmals für fein Volk und Reich den Leib gewagt, das wird der Lauf dieser Erzählung zeigen. Einst als der gute König zu Fontainbleau schwer krank lag, sprach er zu dem Monseigneur LuiS seinem Erstge­ bornen: *) „Herzlieber Sohn, ich bitte Dich, strebe vor Allem die „Liebe Deiner Unterthanen zu gewinnen. Denn fürwahr „wünschte ich mehr, es käme ein Schotte**) oder sonst ein „Fremdling aus weiter Ferne, um dies Land gut und ge„recht' zu regieren, als daß Du Schuld und Borwurf auf „Dich laden möchtest." Wahrhaftigkeit galt dem frommen Könige so viel, daß er auch Sarazenen und Ungläubigen gegenüber, die doch *) Dieser Prinz wurde 1244 geboren und starb 1260, sechzebn Jahre alt. **) Schottland galt damals für ein sehr ferne- Land und die Schotten reisten viel.

12 seine Feinde waren, nimmer lügen oder etwas widerrufen wollte, was er einmal zugesagt hatte. Er war sehr mäßig. Nie hörte ich ihn von Speisen sprechen, oder nach köstlicken Gerichten und Getränken be­ gehren, wie viele reiche ?eute thun. Genügsam aß er immer wLs ihm vorgesetzt wurde. 3nt Reden zeigte er sich so milde, daß ich ihn von keinem Menschen je Uebles sagen, oder den Teufel im Munde führen hörte, dessen Name sehr verbreitet und jetzt in der Welt sehr üblich ist, Gott, wie ich sicherlich glaube, nicht zum Wohlgefallen, sondern sehr zum Aergerniß. Seinen Wein wäsierte er, je nachdem er stark war und er ihn vertragen konnte. Zn Eypern fragte er mich einst­ mals, weshalb ich kein Waffer unter meinen Wein thäte? "Daran," antwortete ich ihm, "sind die Aerzte und Chi"rurgen Schuld, welche sagen, ich hätte einen starken Kopf "und einen kühlen Magen und würde mich dabei nicht wohl "befinden. —" "Sie betrügen Euch," sprach der gute König, und rieth mir ihn zu mischen; lernte ich das nicht in der Jugend und wollte es erst im Alter thun, so würden Po­ dagra und Magenbeschwerden mich um so ärger quälen, oder ich würde in hohen Jahren, wenn ich reinen Wein genösse, aller Augenblicke trunken werden. "Trunken aber sein," fügte er hinzu, "ist für einen tapferen Mann ein gar häß"liches Ding." Der gute König fragte mich einstmals, ob ich begehrte in dieser Welt geehrt zu sein und jenseits das Paradies zu erwerben. "Gewiß," entgegnete ich, "wünsche ich dies sehr." — "Nun denn," sprach er, "so habet wohl Acht, auch in Euern "Gedanken nichts Uebles zu thun oder zu sagen, damit nicht, "wenn alle Welt es erführe, Ihr Euch schämen müßtet zu "bekennen: das habe ich gethan, das habe ich gesagt." Zu-

13 gleich ermahnte er mich, nichts zu leugnen oder zu bestreiten, was in meiner Gegenwart gesagt werde, falls eS nicht etwas fei, davon ich Schande oder Schaden hätte, oder was zu dulden Sünde wäre. "Ost," sprach er, "ruft Widerspruch "harte und rohe Worte hervor, war oft Schuld, daß Men"schen einander tödteten und entehrten, und Tausende sind "dadurch gestorben." Er behauptete, ein Jeder müsse sich nach Stand und Verhältniß und zwar in bescheidenster Weise tragen, kleiden und schmücken, damit ihm nicht von den klugen und alten Leuten dieser Welt vorgeworfen werde, er thue zu viel, und von den jungen, er thue zu wenig und ehre seinen Stand nicht. — Dieser Rede des guten Königs gedachte ich einst bei Gelegenheit der Pracht und Ueppigkeit in Kleidern, ge­ stickten Waffenröcken und Waffen, die jetzt überall verbreitet ist und sagte Angesichts des jungen Königs: Nimmer hätte ich jenseits des Meeres, wo ich mit dem heiligen Ludwig und der Armee gewesen sei, einen gestickten Waffenrock oder Sattel gesehen, weder bei dem Könige, noch bei Jemand sonst. Dem entgegnete der junge Herrscher, eS sei auch nicht richtig, daß er sein Wappen habe darauf sticken lassen, eS koste ihn acht Pariser Livre, und ich antwortete: besser hätte er diese für ein GotteSwerk hingegeben, seinen Schmuck von gutem lasset angeschafft und sein Wappen darauf schlagen taffen, wie sein königlicher Vorgänger that. Einst beschied der gute König mich zu sich und sagte, er wolle etwas mit mir reden, da er wiffe, daß ich einen feinen Geist hätte. Es waren mehrere Personen gegenwärtig und er fuhr fort: "Diese Mönche habe ich kommen lassen, "um in ihrem Beisein eine Frage an Euch zu richten, die "Gott betrifft: Saget mir, Seneschall, was ist Gott?" — "Sire," antwortete ich, "er ist etwas so Erhabenes, Köstliches,

14

"daß eS etwa- Bessere# nicht geben kann." — "Fürwahr," sprach er, "daS ist gut geantwortet, denn was Ihr da saget, "steht in dem Buche geschrieben, welche# ich hier in der "Hand halte. Nun aber werde ich Euch noch eine Frage "thun. Möchtet Ihr lieber elend und aussätzig sein, oder «eine Todsünde begangen haben?" "Lieber dreißig Todsünden "begangen haben," erwiderte ich, der ihn nimmer belügen wollte, "als aussätzig sein." — Die Mönche gingen, mich aber behielt er allein zurück, ließ mich zu seinen Füßen sehen und sprach: "Wie wagtet Ihr, über Eure Lippen zu bringen, "was Ihr da eben sagtet?" "Ich wiederhole es," entgegnete ich. — "Ha, leichtsinniger Thor," rief er, "Ihr seid auf "dem Wege eine solche zu verschulden, denn Ihr wißt wohl, "daß es keinen häßlicheren Aussatz giebt, als eine Todsünde "begehen, und daß die Seele, die darein verfällt, dem Teufel "gleicht. Was auch könnte scheußlicher sein. Denn stirbt "der Mensch, so geneset er von allem körperlichen Aussatz, "stirbt aber, wer eine Todsünde begangen hat, so weiß er "nicht und kann nicht wissen, ob er im Leben eine Reue em"pfunden habe, die Gott willig macht, ihm zu vergeben. "Tr muß arge Furcht hegen, der Aussah der Sünde werde "ihm lange anhaften, so lange als Gott im Paradies weilt. "Daher bitte ich Euch, Ihr möget vornehmlich aus Liebe zu "Gott und dann auch aus Liebe zu mir, diese Lehre in "Eurem Herzen bewahren und viel lieber wollen, daß Uebel "und Leiden Euern Leib treffen, als daß Ihr eine einzige "Todsünde begeht." Damals fragte er mich auch, ob ich am Gründonners­ tag den Armen die Füße wüsche, worauf ich erwiederte: „Pfui, pfui, welcher Ekel, die Füße dieser Geringen wasche ich nicht." — "Fürwahr," entgegnete er, "das ist sehr übel geredet,

15 "denn Ihr dürst nimmer, verachten, was Gott zu unserer "Lehre gethan hat. Unser Herr und HeUand wusch dm "Gründonnerstag die Füße all seiner Apostel und sagte, wie "er ihr Meister ihnen gethan habe, möchten sie einander "thun; darum bitte ich Tuch denn, Ihr möget au- Liebe zu „Gott und au- Liebe zu mir Euch gewöhnen, es nicht zu "Unterlasten." Gottesfürchtige Leute hielt der König so hoch, daß er meinen Bruder Sir Gilles de Brun, der damal- nicht in Frankreich lebte, wegen der großen Frömmigkeit, die man an ihm prie- und die er in der That besaß, zum Connrtable von Frankreich ernannte. Bi-weilen ließ er den Doktor Robert von Sorbou*) wegen der großen Gelehrsamkeit und Klugheit, die er au ihm rühmen hörte, zu sich berufen und an seiner Tafel speise». Dort saßen wir einst neben einander und unterhielten unleise. Sobald der gute König die- bemerkte, verwies er es un- mit den Worten: "Ihr thut unrecht zu wi-peru; redet „laut, damit Eure Gesellschafter nicht meinen, Ihr sprächet "Uebles von ihnen. Speiset Ihr mit Andern und habet "etwa- mitzutheilen, wa- dessen werth oder ergötzlich ist, s"saget e- vernehmbar für Jedermann, wollt Ihr da- nicht, "so schweiget." War der König stöhlich, so richtete er in Gegenwart de- Doktor Robert allerlei Fragen an mich. Einst unter andern sprach er: "Seneschall, nun saget mir einmal, we-"halb ist ein weiser Mann mehr werth, als ein junger "Manu?" Die- veranlaßte eine Disputation zwischen de« Doktor Robert und mir, nachdem wir aber eine gute Weile über die Frage gestritten hatten, gab der König folgenden

*) Er war der Gründer de- College de la setzte das größte Berttauen in ihn.

Sorbonne

und Ludwig

16 Ausspruch: Doktor Robert, ich möchte wohl ein Weiser "fein, vornehmlich, wenn eS ein guter Weiser ist; daS „Uebrige schenke ich Euch. Ein weiser Mann ist etwa- so „Herrliches und Treffliches, datz man billig den Mund voll „nimmt, wenn man von ihm redet." Im Gegensatz hiervon sagte der gute König, eS fei ein sehr übles Ding Andern das Ihre nehmen, denn das Wieder­ erstatten sei so schwer, daß es dem Menschen hart eingehe und der Teufel verlocke ihn dabei auf allerlei schlaue Weise, treibe ihn, seinen Raub der Kirche als GotteSopfer darzu­ bringen, während ihm doch wohl bekannt fei, wem er ihn eigentlich zurückerstatten müßte. Bei diesem Anlaß bemerkte er, ich solle in seinem Namen den König Thibaut, *) seinen Sohn, erinnern, er möge wohl überlegen, was er thue und seine Seele nicht belasten, in der Meinung er sei nicht ver­ antwortlich für die vielen Gelder und Geschenke, welche er den Prädikanten Mönchen von ProvinS zutheile. Ein weiser Mann müsse während seines Lebens wie ein guter Testaments­ vollstrecker handeln, dessen erste Pflicht darin bestehe, das Unrecht und die Schuld zu tilgen, welche sein Vorfahre hinter­ läßt, dann aber von dem was übrig bleibt, die Almosen für die Armen geben, wie die Schrift es lehrt. Einst verfügte sich der fromme König zum Osterfest nach Eorbeil, von mehr als dreihundert Kavalieren begleitet, zu denen der Doktor Robert von Sorbon und ich gehörten. Rach dem Essen ging der König nach der Wiese oberhalb der Capelle und unterhielt sich mit dem Grafen von Bre­ tagne, dem Vater des jetzt regierenden Fürsten, dessen Seele bei Gott sein möge. Da faßte der Doktor Robert meinen Mantel und fragte mich Angesichts des Königs und der ver*) Thibaut II. der König vou Navarra, sein Schwiegersohn, der Gemahl von Isabella der Tochter St. Ludwigs.

17 sammelten Edelherren: "Saget einmal, wenn es dem KS„nige einfiele sich auf dieser Wiese niederzulassen und Ihr „kämet und setztet Euch obenan über ihn, würdet Ihr Tadel „verdienen?" — „Sicherlich," entgegnete ich. — „Nun denn" sprach er, „so laßt Euch tüchtig schelten, daß Ihr reicher „geschmückt seid als der König." — „Was wollt Ihr Doktor „Robert, ich thue nichts TadelnSwertheS; schütze Gott die „Ehre deS Königs und die Eure. DaS Kleid, welches ich „trage, haben meine Eltern mir hinterlassen wie Ihr es „vor Euch seht und ich habe es mir nicht nach eigenem Sinn „gewählt. Wohl aber gebührt Euch Rüge und Vorwurf; „denn Ihr, der Sohn geringer Eltern, seid der Tracht EureS „BaterS untreu worden und habt Euch mit feinerem Ca„melot angethan als der König." Dabei faßte ich den Schooß feines UeberkleideS und den von des Königs Kleid, hielt sie dicht neben einander und sprach: „Sehet selbst ob ich die „Wahrheit rede." Da nahm der König das Wort für den Doktor Robert und trachtete auf das Eifrigste dessen Ehre zu retten, indem er von seiner großen Demuth sprach und von seiner Barm­ herzigkeit gegen Jedermann. Gleich darauf rief er seine Söhne, den Monsignore Philipp, den Vater unseres jetzigen Herrschers und den Kö­ nig Thibaut, Gemahl seiner Tochter, ließ sich vor der Thür seines Beizimmers nieder, legte die Hand auf den Boden und sagte zu jenen beiden: „Setzet Euch hier so dicht als „möglich neben mich." — „Sire vergebet," entgegneten sie, „uns ziemet nicht so nahe bei Euch Platz zu nehmen." — „Dann kommet Ihr hierher Seneschall," rief er mir zu, und ich setzte mich Ihm so nahe, daß mein Kleid das seine be­ rührte. Jene mußten sich neben mir niederlassen und er Zeit- u. Charakterbilder.

2

18 hob an: »Sehr unrecht war e-, daß Ihr meine Söhne •nicht gleich thatet, was ich Euch befahl; hütet Euch wieder •in solchen Fehler zu gerathen." Da- versprachen sie, er aber wandte sich gegen mich und bemerkte, er habe un- ge­ rufen um zu bekennen, daß er kein Recht gehabt, den Doktor Robert gegen mich in Schutz zu nehmen. „Ich that e-," fuhr er fort, "weil ich ihn sehr erschreckt, der Hülfe und de•Beistande- sehr bedürftig sah, und Ihr müsset nicht glau•ben, eS fei geschehen um ihn zu vertheidigen; denn man •soll sich ehrbar kleiden, wie der Seneschall richtig sagt, um •von seiner Frau mehr geliebt und von seinen Dienern höher •geachtet zu werden."

Kapitel II. Hier will ich etwa- berichten, was der gute König mir einst vertraute. Bei unserer Heimkehr von jenseit- de- Mee­ re- faßte un- vor Zypern ein Südost, der nicht zu den vier auf dem Meere herrschenden Hauptwinden gehört, und warf un- so heftig gegen einen Fel-, daß die Schiff-leute voll Zagen und Verzweiflung ihre Kleider zerrisien und ihre Bärte rauften. Der gute König sprang barfuß au- dem Bett, warf einen Mantel um und kniete vor dem Kruzifix nieder, gleich jemand, der den Tod erwartet. Der Sturm legte sich indeß und der König sprach am nächsten Morgen zu mir: „Seneschall wisset, Gott hat un- ein Zeichen seiner •Allmacht gegeben; einer jener kleinen Winde, den man •kaum zu nennen weiß, wollte den König von Frankreich mit •Weib und Kindern dem Tode überliefern. — Da- ist da•Dräuen des Herrn, von dem der heilige Anselmu- redet;

19

»e« soll unS sagen: sehet und erkennet, daß ihr Alle trtrun« »tot wäret, wenn ich eS gewollt hätte. — Warum,-- rief der König, »warum mein Herr utid Gott dräuest Du uns? »Es geschieht nicht zu Deinem Gewinn; und hättest Du int« »Alle zu Grunde gehen lassen. Du wärest dadurch nicht är»mer, noch wärest Du dadurch reicher geworden. Dein »Dräuen also, wenn wir eS recht verstehen, geschieht nicht »zu Deinem, sondern zu unserem Heil; eS soll unS erinnern, »daß, wenn wir im Geringsten etwas Gott Mißfälligr« »thaten, wir eS fortan unterlassen, und wenn wir etwa« ihm »Wohlgefälliges vermöge», wir eifrig trachten eS zu voll»bringen. Thäten wir also, dann würde Gott unS in dieser »und in jener Welt mehr Gutes geben, als wir auszudrücken »wissen. Thun wir anders, so wird er un« strafen wie den »ungetreuen Knecht an Leib und Gut und Leben oder schlim»mer, wen« dem so sein könnte.» Der fromme König wandte allen Fleiß auf, mich zum unbedingten Glaubm an da« christliche Gebot zu bewege», welches Gott unS gegeben hat. Bo» den Glaubensartikel», sagte er, müßten wir so unwandelbar fest überzeugt sein, daß kein irdische- Leid unS dahin bringen dürfe, etwa« da­ gegen zu beginnen, thun oder reden. Unser Glaube, sagte er, müsse vollkommen sein, hättm wir auch nur mündliche- Zeugniß dafür, und fragte mich in dieser Beziehung einstmals: wie mein Vater geheißen habe; »Simon,« enigegnete ich. — »Und woher wißt Ihr dieS?« fprach er. — »Ich bin dessen sicher,« antwortete ich, »weil »meine Mutter es mir oftmals gesagt hat.« — »Nun denn,« entgegnete er, »so müßt Ihr an den Glaubensartikeln fest »halten, welche die Apostel unsere« Heiland- bezeugen, wie Ihr »jeden Sonntag im Credo singen hört.«

20 Einst erzählte er mir:

Guillaume, *) ein Bischof

Paris habe ihm auf seine Treue berichtet, es sei eineges ein berühmter Doktor

von Ta­

der heiligen Theologie zu ihm

gekommen, um sich mit ihm zu besprechen und berathen, sei jedoch in Thränen auSgebrochen, ehe er noch fein Anliegen vorgebracht, und habe dadurch den Bischof veranlaßt zu sa­ gen:

"Weinet nicht, Doktor, und verzaget nicht, es giebt

"keinen so argen Sünder, daß Gott nicht Macht hätte ihm "Zu vergeben." — "Ach Herr Bischof," entgegnete jener, "ich "muß wohl weinen, denn ich habe große Furcht in einem "Punkte ketzerisch zu sein, ich kann nicht zuversichtlich an das "heilige Sakrament des Altars glauben, wie die Kirche e„lehrt und befiehlt.

Mein Herz kann deshalb nicht ruhig

"sein und ich bin überzeugt, dies kommt mir durch Verfu"chung deS bösen Feindes." — „Doktor," entgegnete ihm der Bischof, "gefällt es Euch wohl, wenn der Teufel Euch in "solche Bersuchung und Zweifel stürzt?" — "Sicherlich nicht, antwortete der Doktor,

„vielmehr mißfällt es mir sehr und

„quält mich aufs höchste." — "Und würdet Ihr," fuhr der Bischof fort, "Geld oder Silber, oder sonst ein irdisch Gut "nehmen, um mit Euren Lippen irgend etwas zu vertheidigen, „wodurch das heilige Sakrament deS Altars oder eines der "heiligen Sakramente

der Kirche

angegriffen

wird?"



"Fürwahr," antwortete der Doktor, „seid überzeugt, daß ich „dies

um keines irdischen

Gutes willen

je

thun

würde.

"Lieber sollte man mir lebendig ein Glied nach dem andern "vom Leibe trennen, als daß ich den leisesten Widerspruch "gegen die heiligen Sakramente erheben möchte."

*) Guillaume,

der Bischof

von Paris,

Männer des zwölften Jahrhunderts.

Da er-

einer der gelehrtesten Er hatte zu seiner Zeit

große Streitigkeiten über die Zahl der Gnadenerweisungeu.

21 klärte ihm der Bischof, welch große- Verdienst er durch daLeid der Versuchung gewinne und fuhr fort: „Doktor,

„Ihr wisset

daß der König von Frankreich mit dem Könige

„von England Krieg führt und wisset, da- Schloß zunächst „der Grenze beider Reiche, ist la Rochelle in Poitou.

Wenn

„nun der König Euch erwählt hätte, da- Schloß von la Ro„chelle an der Grenze, „vertheidigen,

mich

welche-

aber das von Montlhery zu

im Herzen Frankreich- liegt,

wem

„schuldete der König am Ende des Kriege- mehr Dank, Euch „oder mir, wenn wir seine Schlösser wohl bewahrt hätten?" — „In der That, entgegnete der Doktor," ich glaube mir, der „ihm la Nochelle erhalten hätte, welche- an gefahrvollerer „Stelle liegt.

Der Grund ist einleuchtend." —

sprach der Bischof,

„ich

„Doktor,"

versichere Euch, mein Herz gleicht

„dem Schlosse von Montlhery; ich bin fest überzeugt vom „Sakrament de- Altar- und von den andern Sakramenten, „ohne darüber irgend einen Zweifel zu hegen.

Dennoch sage

„ich Euch, obwohl Gott der Herr mich darum lobt, daß ich „unwandelbar und friedlich „Euch doch doppelt hoch an,

an ihn glaube, rechnet er edaß Ihr

ihm in Angst und

„Zagen Euer Herz bewahrt, um keine- irdischen Gute- und „um keine- irdischen Leides willen, da- Euch treffen könnte, „Eurem Glauben abwendig werden möchtet.

Darum sage

„ich Euch, Euer Seelenzustand ist hierin viel besser als der „meine, da- erfreut mich hoch und ich bitte Euch, seid dessen „eingedenk, so wird Gott Euch geben, wa- Ihr bedürft." — Bei diesem Ausspruch

kniete der Doktor vor dem Bischof

nieder und schied von ihm, sehr beruhigt und befriedigt. -

Der fromme König

erzählte mir, in AlbigeoiS hätten

sich einst die Lande-einwohner zu dem Grafen von Montfort verfügt, der damals in de- König- Namen da- Land Al-

22 bigeoiS besetzt hielt, und gebeten, er solle kommen und sehe« wie der Leib deS Herrn in der Hand de- Priesters Fleisch und Blut worden sei, zu ihrer Aller Verwundern. „Gehet „Ihr dorthin," antwortete der Graf, „die Ihr nicht gewiß „davon überzeugt seid; waS mich betrifft, so zweifle ich nim„mer, das Sakrament des Altars so zu betrachten, wie die „heilige Kirche eS bezeugt und vorschreibt, hoffe, um dieses „Glaubens willen, im Paradies eine Krone mehr zu em„pfangen, als die Engel, welche es von Angesicht zu Ange„sicht schauen und deshalb wohl glauben müssen."

Kapitel

III.

Der König pflegte jeden Tag seine Horas singen, ein stilles Requiem lesen und das Amt für den Heiligen oder die Heilige deS Tages halten zu lassen, wenn es in Musik gesetzt war. Nach dem Essen ruhte er auf seinem Bette, erhob er sich, so betete er mit einem seiner Capelane für die Todten, hörte dann die Vesper und die Complies. Im Schloß Hieres, wo wir vom Meer aus landeten, trat eines Tages ein guter Barfüßler vor den König und sagte ihm zur Ermahnung: Er habe die Bibel und andere Bücher gelesen, welche von ungläubigen Fürsten berichten, nimmer aber gefunden, daß ein Reich, mochte es nun Gläu­ bigen oder Ungläubigen gehören, durch Anderes, als durch Mangel an Gerechtigkeit zu Grunde gegangen sei. „So „hüte sich der König, welchen ich hier vor mir sehe," sprach der gute Barfüßler, „und trachte nun, da er nach Frankreich „heimkehrt, daß er sein Volk nach Recht und Gerechtigkeit „wohl regiere, damit der Allmächtige ihm gestalte, seine-

23 *La«deS froh zu werden und eS in Frieden und Ruhe zu »besitzen, so lange er lebt." Man sagt, der gute Barfüßler, welcher den König also ermahnte, sei auS Marseille gewesen, woselbst unser Heiland nunmehr herrliche Wunder durch ihn wirkt. (Er wollte da­ mals nicht über einen Tag bei dem Könige bleiben, wie sehr dieser ihn auch bat länger auszuharren. Der fromme König vergaß die Lehre des guten Barfüß­ lers nicht, er regierte fein Land mit gewissenhafter Treue nach Gotte- Gebot, übte stets Gerechtigkeit und forderte sie in der Verwaltung. Hatten die Herren von Reelles,*) der gute Herr von SoiffonS, ich und andere seiner nächsten Räthe die Messe gehört, so mußten wir den GerichtSsitzungeu in der Halle beiwohnen, welche man jetzt die Verhandlungen im Iustizpalast zu Paris nennt. Wir mußten dem Könige früh Morgens, wenn er das Kloster verließ, den Hergang be­ richten und mittheilen, ob etwa- vorliege, wa- mau nicht ohne ihn erledigen könne. War dem so, daun sagten wir eS ihm, die Partheien wurden gerufen und er fragte sie, weshalb die Rathschläge seiner Anwalde ihnen nicht gefiele«, befriedigte sie sogleich und schlichtete Alles nach guter Sitte. Also that der fromme König. Bielmale habe ich gesehen, wie der gute Heilige nach beendeter Messe zu dem Gehölz von BincenneS lustwandelte, wie er sich dort am Fuß einer Eiche niederließ und wir un­ dicht neben ihn setzen mußten. Wer ihm etwas vortragen wollte, der kam dorthin, ohne daß ein Thürsteher oder irgend wer ihn hinderte. Der König fragte laut mit eigenem Munde, ob niemand da sei, der ein Anliegen habe, und waren eS mehrere, so sprach er: »Freunde schweiget, man *) De Reelles Simon, der Sohn von Raoul de Vermont, während St. Ludwig- zweiter Reise Regmt von Frankreich.

24 »wird Einen nach dem Andern zufrieden stellen.» Oft rief er dann den Monseigneur Pierre de Fontaine-*) und den Monseigneur Geosfroy de Billette**) und sagte ihnen: »Nehmet mir diese Sache ab;- fand er aber etwas einzu­ wenden gegen den Vortrag derer, welche für einen Andern daS Wort führten, so erinnerte er selbst sie auf das Liebens­ würdigste. Oft auch habe ich zur Sommerszeit gesehen, wie der gute König nach dem Garten zu Paris kam, in einem Kleid von Camelot, einem Ueberrock von Tiretaine ***) und darüber einen Mantel von schwarzem Taffet. Er ließ Tep­ piche ausbreiten, damit wir bei ihm sitzen kennten und ließ seinem Volke mit Sorgfalt Recht sprechen, wie ich oben vom Gehölz von VincenneS sagte. Eines TageS strömten sämmtliche Prälaten von Frank­ reich nach Paris, um den guten König St. Ludwig zu sprechen und ihm eine Bitte vorzulegen. Sobald er dies er­ fuhr, ging er nach dem Palast, ihre Beschwerde zu vernehmen. Alle versammelten sich, und der Bischof Guy von Auxerre, der Sohn des Monseigneur Guittaume von Melot sprach, nach Wahl und Bestimmung der übrigen Prälaten, zu dem Könige: "Sire wisset, alle Prälaten, welche hier vor Euch stehen, »beauftragen mich, Euch zu sagen, daß Ihr die Christenheit »verloren gebet und unter Euren Augen zu Grunde ge»hen lasset.» Da kreuzigte sich der König und sprach: »Herr Bischof, »erkläret mir wodurch dies geschieht;» und jener entgegnete: *) Pierre de Fontaine-, Recht-gelehrter jener Zeit, Verfasser eines Werke- über den Gericht-gang, welche- den Titel führt: Livres

de la Reigne. **) Geoffroy de Billette, Bailli von Tour- im Jahr 1261 und Ge­ sandter zu Venedig 1268. ***) Eine Art Wollenzeug.

26 "Sire dadurch, daß niemand mehr de- Banne- achtet. „wollen "als

sich

"geben.

die Menschen heutigen Tages im Bann lossprechen

lassen und der Kirche

Lieber sterben,

Genugthuung

Deshalb bitten wir Euch einstimmig, Ihr möget

"Gott und Eurer Pflicht zu genügen, Euren BailliS, Pro"voffen und andern GerichtSperfonen Befehl ertheilen, jeden "Eurer Unterthanen, der Jahr und Tag fort und fort im »Bann war, durch Einziehung seiner Güter zu zwingen, daß „er sich absolviren lasse." DieS, entgegnete der heilige Ludwig, werde er gerne bei solchen thun, von denen erwiesen werde, daß sie sich gegen die Kirche oder ihren Nächsten vergangen hätten, und obwohl der Bischof bemerkte, eS komme niemand außer ihnen zu, in ihren Angelegenheiten zu entscheiden, blieb doch der König dabei, daß er anders nicht verfahren werde: Es heiße Gott und Vernunft, verleugnen, wolle er diejenigen, welchen von den Geistlichen Unrecht geschehe, zur Absolvirung zwingen und ihnen verweigern ihr gute- Recht zu vertreten.

Als Bei­

spiel führte er ihnen den Grafen von Bretagne an, der im Banne stehend, sieben ganzer Jahre gegen die Prälaten von Bretagne prozessirt und endlich seine Sache so wohl geführt habe, daß der heilige Vater gab.

ihm recht und jenen unrecht

"Wäre nun der Graf gleich im ersten Jahre von mir

„gezwungen worden, sich absolviren zu lassen, so hätte er „gegen Vernunft und Willen jenen Prälaten zugestehen müssen, "waS sie begehrten, und ich würde mich arg gegen den Gra­ fen von Bretagne versündigt haben."

Dieser gute Ausspruch

des Königs genügte den versammelten Prälaten, und man hörte nie mehr, daß ähnliche Forderungen an ihn gerichtet wurden. Der Friede, welchen König Ludwig mit England schloß, wurde von seinem ganzen Rathe gemißbilligt und er sprach

26 zu chm:

'Sire, es dünket uns, Ihr begehet ein großes

"Unrecht an Eurem Reiche, daß Ihr dem Könige von Eng"land Land abtretet, an welches er, meinen wir, keinen An"spruch hat, da sein Vater eS durch Reichserkenntniß ver"lor." —

"Ich weiß," entgegnete der fromme König, daß

"England kein Recht darauf hat, doch gebe ich es ihm auS "guter Rücksicht.

Der König und ich sind mit zwei Schwe­

rern vermählt, daher sind unsere Kinder Geschwisterkinder "Und ziemet wohl, daß Friede zwischen unS herrsche, auch "freut mich sehr einen Vertrag mit jenem Fürsten geschloffen »zu haben, denn er ist nun mein Freund und vorher war "er es nicht." Einen sehr augenscheinlichen Beweis von der Redlichkeit deS guten Königs erhielt der Monseigneur Regnault von Trie. Es handelte sich für ihn um die Erbfolge von Mathilde, der Gräsin von Boulogne, und er brachte dem frommen Fürsten ein paar Briefe, durch welche er den Erben der damals ver­ storbenen

Gräsin

haben sollte.

die Grafschaft

Dammartin

verschrieben

Die königlichen Siegel, welche sich auf jenen

Briefen befunden halten, waren ganz zerbrochen und man sah davon nichts mehr, als die Hälfte der Beine vom Bild des Königs, wie es auf den Reichssiegeln gefunden wird, und das Schloß auf dem seine Füße stehen. König

Dies zeigte der

unS, seinen Räthen, um unsere Meinung zu ver­

nehmen und wir sagten Alle, der König sei nicht verpstichtet, die Zusage der obigen Briefe zu vollziehen, brauche jenen den Genuß der Grafschaft nicht zu bewilligen. Da rief er Iea» Sarazin, seinen Kammerherrn, und befahl ihm, einen Brief zu bringen, mit deffeu Abfassung er ihn beauftragt hatte. Diesen in Händen, verglich er das Siegel, welches sich dar­ auf befand, mit dem Ueberrest des Siegels auf dem Briefe des Monseigneur Regnault uud

sprach

zu unS:

"Meine

27 »Herren, betrachtet daS Siegel, welches ich führte, bevor ich »über- Meer ging; was hier noch davon übrig ist, gleicht "ganz

dem,

was

man

auf

dem noch

unverletzten

sieht.

»Nimmer möchte ich daher wagen, wider Gott und Recht »die Grafschaft Dammartin für mich zu behalten. rief er

Hiermit

den Monseigneur Reguault von Trie und sprach:

»Edler Herr, ich gebe Euch die Grafschaft zurück, »Ihr von mir verlangt.»

welche

Zweiter Theil der Geschichte. Kapitel I. Pfund," sprach ich.

"Und habt

133 »Ihr hier niemand angeworben?" fragte der König. — "Ja Sire," antwortete ich, „den Herrn Pierre von Pont"moulain als drittes Banner; zwei habe ich und jedes kostet "wich 400 Pfund." — "So gebt Ihr," sprach der König, an den Fingern zählend, "Euern Rittern und Lanzen 1200 - Pfund." — "Berechnet nun Sire," erwiederte ich, "vb ich "weniger als 800 Pfund brauche, um mich mit Waffen und "Pferden zu versehen und meine Leute bis Ostern zu ver"köstigen." Nach diesem Gespräch sagte der König seinen Untergebenen, er finde mich nicht unbillig, mir aber, er wolle mich bei sich behalten.

Kapitel NX. In der Zeit, als wir in Acre lagen, schickte der deutsche Kaiser Friedrich eine Gesandtschaft mit Creditbriefen an un­ sern König und einem Briefe an den Sultan, welcher er­ mordet war, (waS der Kaiser noch nicht wissen konnte) schrieb diesem, er möge seinen Boten Bertrauen schenken und den König und all sein KriegSvolk frei geben. Hier entsinne ich mich sehr wohl, wie Mehrere sagten, sie wären herzlich froh, daß jene Abgesandten nicht schon zur Zeit unserer Gefangen­ schaft gekommen wären. Der Kaiser, meinten sie, habe nur geschickt, damit man uns um so fester bewache und unS neue Hinderniffe bereite. Nun, da seine Boten uns frei fanden, kehrten sie zu ihrem Gebieter zurück. Eine andere Botschaft schickte der Sultan von DamascuS an den .König. Sie kam bis nach Acre und der Sultan beschwerte sich in seinem Schreiben über die Emire von Aegypten, die seinen Better, den Herrscher von Aegypten

134 ermordet hatten; wolle der König ihm gegen diese beistehen, so werde er ihm helfen das Königreich von Jerusalem frei zu machen. Der heilige Ludwig befahl den Boten, sich in ihre Quartiere zu begeben, er werde ihnen in Kurzem auf deS Sultans Anfrage Bescheid ertheilen. Sie zogen sich zurück; der König aber beschloß in seinem Rathe, dem Sul­ tan von Damascus durch einen Geistlichen, den Bruder L)vo den Bretagner, vom Orden der Prädikantenmönche, Antwort zuzusenden. Er ließ den Bruder ?)vo rufen, Be­ auftragte ihn, die Boten des Sultans aufzusuchen und ihnen zu sagen, der König wünsche, daß er sie, als der Sarazenen­ sprache kundig, zu ihrem Gebieter zurück begleite, und wie er wollte, so that der Bruder V)vc. Des Königs Antwort lautete: Er werde die Emire von Aegypten befragen lassen, ob sie zu den Bedingungen des Waffenstillstandes, die sie zugesagt, dock schon gebrochen hatten, wiederum zurückkehren wollten. Weigerten sie sich dessen, so wolle er dem Sultan gerne helfen, den Tod seines Betters, des Sultans von Ba bylon zu rächen. Hier will ich, obwohl es nicht in den Faden meiner Erzählung gehört, etwas einschalten, was der Bruder '-)vo mir erzählte. Als dieser von des Königs Hause nach der Wohnung des Gesandten ging, begegnete er auf der Straße einer sehr alten Frau, welche in der rechten Hand eine Schale mit Feuer und in der Linken eine Flasche mit Was­ ser trug. Der Bruder Ivo fragte sie: "Frau, was willst "Du mit dem Feuer und dem Wasier, welches Du da trägst?" und sie antwortete: "Mit dem Feuer will ich das Paradies "verbrennen und mit dem Wasser die Hölle auslöscken." — "Und weshalb," sprach der Geistliche, "willst Du das?" — "Ich will es," entgegnete sie, "damit niemand auf dieser "Welt Gutes thue um des Lohnes willen, den er im Para-

135 „die- zu erlangen hofft, und niemand aus Furcht vor der Hölle „das Böse meide, sondern jeder es auS reiner, voller Liebe "für Gott unsern Herrn thue, der unser höchstes Gut ist und "uns also geliebt hat, daß er sich dem Tode hingab, um unS von "der Sünde zu erlösen, die noch von Adam her auf uns lastet." Eine dritte Gesandtschaft kam in der Zeit, wo der Kö­ nig in Acre war, von dem Fürsten der Beduinen, welcher der Alte vom Berge hieß.

Diese fragten sehr trotzig, wes­

halb der König unterlassen habe, ihrem Herrn Geschenke zu senden und verlangten, mindestens von dem Tribut befreit zu werden, welchen sie alljährlich dem Großmeister der Tem­ pler zu entrichten hätten.

Auf solch stolze Rede antwortete

der König nicht selbst, sondern ließ dies durch die Großmei­ ster des Tempels

und HoSpitalS thun.

Hochmuth der Gesandten hart,

drohten

Sie schalten den ihnen mit Strafe

und geboten ihnen in 14 Tagen demüthigere Botschaft zu bringen. — Wirklich kehrten die Beduinen zu ihrem Herrn zurück, kamen nach der bestimmten Frist wieder und sprachen .zu dem Könige: "Sire, unser Gebieter schicket und noch ein"mal und läßt Euch sagen, er sende Euch hier sein Hemde, "das Kleidungsstück, welches zunächst auf dem Leibe getragen "wird, als ein Zeichen, daß er nach Eurer Liebe und nach "Gemeinschaft mit Euch mehr begehrt, als nach der irgend "eines andern Fürsten.

Zu größerem Beweis dafür sendet

"er Euch auch seinen Ring von feinem Golde, mit seines "Namens Inschrift.

Durch ihn verbindet sich unser Gebie-

"ter mit Euch, meinet, Ihr sollet fortan Eins sein wie Fin"ger und Hand." Der Emir brachte dem Könige außerdem noch andere Geschenke, darunter einen Elephanten von Crystall und ver­ schieden gestaltete menschliche Figuren, Spielbretter und Wür­ fel, von derselben Masie, Alles mit schönen Ambrabluryen

136 geziert, die man mit artigen Vignetten von feinem Golde auf dem Crystall befestigt hatte. Als daber die Gesandten daS Kästchen öffneten, worin diese Gegenstände lagen, ver­ breitete sich int Zimmer der allerlieblichste Wohlgeruch. Unser König, der das Geschenk vom Alten des Berges erwiedern wollte, sandle ihm durch seine Bolen und durch den Bruder ?)t>o den Bretagner (der als der Sarazenen­ sprache mächtig, auch diesen Auftrag übernehmen mußte), eine Menge Kleidungsstücke von Scharlach, Goldschalen und andere Gefäße von Silber, und Bruder Ivo gelangte hiemit glücklich zu dem Fürsten der Beduinen. Während seines Aufenthaltes bei jenem Herrscher be­ fragte er ihn um seinen Glauben und erfuhr, wie er später dem Könige berichtete, daß er nicht Mahomed, sondern dem Gebote Helys anhange, der ein Oheim Mahomeds war. Der Fürst erzählte, Help habe Mahomed hochverehrt, so lange er in der Welt lebte; nachdem aber Mahomed Herr­ schaft über das Belt gewonnen hatte, verschwand er und entfernte sich mit Hely seinem Oheim. Da erkannte Help,. daß Mahomed Trug übe; er begann ihn sehr zu hassen, suchte so viel Menschen zu gewinnen wie möglich, und führte sie in die Berge und Einöden Aegyptens. Dort lehrte er sie einem andern Gesetze gehorchen als dem des Mahomed, und es werden nunmehr die, welche seinem Gebote folgen, von den Mahomedanern für Irrgläubige geachtet, während die Beduinen ihrerseits die Mahomedaner Irrgläubige nen­ nen, und beide haben recht, denn beide sind es. Als Bruder "))vo der Bretagner in des Königs Auf­ trag bei dem Alten vom Berge war, fand er zu Häupten von deffen Bette ein Büchlein, worin viele schöne Worte ge­ schrieben standen, die unser Heiland in den Tagen, wo er noch aus Erden wandelte, kurz vor seiner LeidenSzeit zum

137 heiligen Petrus redete: "O Sire," sprach Bruder Ivo, „le­ aset oft in diesem Büchlein, Ihr thut gut daran, eS stehen "treffliche Worte darin." — "DaS thue ich," antwortete der Alte vom Berge, „und ich habe großes Vertrauen zu dem "heiligen Petrus."

Er sagte auch, beim Beginn der Welt,

als (iaht seinen Bruder Abel erschlug, sei deffen Seele in NoaS Leib gewandert, nach NoaS Tod habe sie sich in Abra­ hams Leib, und nach Abrahams Sterben in St. Peters Leib begeben, der noch auf Erden umherstreife. erklärte Bruder Hbo für irrig

Diese Meinung

und trug dem Alten vom

Berge viel schöne Reden und Lehren unseres Heilandes vor, jener aber wollte nicht daran glauben. Ritt der Fürst der Beduinen inS Feld, so ging (wie ich einstmals Bruder Hvo beim Könige erzählen hörte) ein Mann vor ihm voraus, der seine Streitaxt trug.

Der Griff

der Axt war mit Silber beschlagen, eS hingen eine Menge scharfer Mefler daran Sprache:

und

der Axtträger rief

in

seiner

"Schauet um Euch, fliehet vor dem, welcher daS

"Leben der Könige in seiner Hand hält." Nachdem der König dem Sultane von DamaScuS und dein Alten

vom Berge Antwort ertheilt

hatte,

schickte

er

Herrn Jean von Vallance nach Aegypten und ließ die Emire ermahnen, ihm für alle gegen ihn verübten Beleidigungen und Gewaltsamkeiten vollständiges Genüge zu thun.

DaS

versprachen die Emire, wünschten aber dagegen, der König solle sich mit ihnen wider den oben genannten Sultan von DamaScuS verbinden.

Herr Jean von Vallance stellte ihnen

auf daS nachdrücklichste vor, welch großes Unrecht sie gethan, daß sie gegen ihr göttliches Gebot den geschloffenen Vertrag gebrochen halten und sie schickten, um deS Königs Herz milde zu stimmen, 200 Ritter

und

eine Menge

niederes Volk,

138 welches sie noch gefangen gehalten hatten, mit Herrn Jean von Ballance nach Acre zurück. Bon diesen Rittern kannte ich wohl 4 von der Zeit her, da ich mich am Hofe von Champagne aufhielt.

Sie

waren sämmtlich schlecht gekleidet und ich versorgte sie auf meine Kosten mit Beinkleidern und Röcken von grünem Tuche, führte sie dem Könige vor und bat ihn, sie in seinem Dienste zu behalten.

Auf dies Gesuch antwortete der König nicht

eine Sylbe: einer der Herren aus seinem Rathe aber, der gegenwärtig war, machte mir Borwürfe, indem er sprach: ich thäte sehr übel, dem Könige solche Anmuthung zu machen, es

fände

sich

in dessen Kasse

7000 Pfund.

mehr

als

DaS verdroß mich und ich entgegnetc:

ein Ausfall

von

ein

böser Geist treibe ihn hievon zu reden : wir aus Champagne hätten im Dienst des Königs wohl an 35 Ritter eingebüßt, Alle vom Heflager von Champagne.

Der Mentg thäte sehr

übel, wenn er diese nicht behalte, zu einer Zeit, wo an Rit­ tern so viel Mangel sei.

Hierbei traten mir die Thränen

in die Augen, dock der König tröstete mich und bewilligte mein Begehren, indem er all jene Ritter meinem Bataillon zugab. Die Emire von Aegypten hatten Herrn Jean von Bal­ lance Abgesandte mitgegeben, und schickten durch diese Gebeine

des

edeln Grafen Gautier

von

Brienne,

die

welche

Margareth, die Gebieterin von Sidon, eine Rickte des Gra­ fen von Brienne, Angesichts des Königs feierlich im Hospi­ tal von Acre beisetzen ließ. Rackdem der König die Botschaft der Emire vernom­ men hatte, sagte er ihren Abgesandten, er werde nicht eher Waffenstillstand

schließen, als

bis

ihm

die Schädel

aller

Christen ausgeliefert wären, die man seit der Gefangennahme der Grafen Monfcrt und Bar

auf den Mauern von Cairo

139 aufgesteckt habe. Außerdem müßten ihm die Emire alle Kin­ der wiedergeben, welche die Sarazenen Nein geraubt, dem Christenglauben abwendig gemacht und für den ihrigen ge­ wonnen hätten, und endlich ihm die noch rückständigen 2000 Pfund erlösten. Um nun diese sämmtlichen Bedingungen den Emiren geschickt vorzutragen, gab der König ihren Bo­ ten noch einmal den sehr erfahrenen, tapferen Herrn Jean von Ballance mit. Zur Zeit der obigen Ereignisse verließ der König Acre und verfügte sich mit allen Leuten, die er zusammen gebracht hatte nach Cäsarea, um daselbst die von den Sarazenen zer­ störten Mauern und Thürme in Stand zu setzen. Dabei entfernte er sich wohl 12 Meilen von Acre gegen Jerusalem hin, und ich weiß nicht wie eS geschah, Gott aber, der ewollte, bewirkte in seiner Allmacht, daß unS weder während des Jahres, das der König zur Herstellung von Cäsarea verwendete, noch in Acre irgend jemand ein Leides that, ob­ wohl unserer sehr wenige waren.

Kapitel XXI. Ich habe früher erzählt, daß der König in Cypern die Boten eines mächtigen Fürsten der Tartaren (Mongolen) empfing, welcher sich erbot, den Christen bei der Eroberung von Jerusalem Hülfe zu leisten; habe dort auch gesagt, daß der König den Abgesandten jenes Fürsten zwei treffliche Prädikantenmönche mitgab, welche ihm als Gegengeschenk ein reiches Zelt mit den Abzeichen der christlichen Glaubens­ lehre bringen und suchen sollten, im Tartarenlande für die Verbreitung des Christenthums zu wirken. — Jene Mönche

140 nun kamen von ihrer Wanderschaft zurück, während wir in Cäsarea lagen. — Sie hatten sich von Cypern nach dem Hafen von Antiochien begeben und bedurften, von da weiter reisend, fast ein Jahr, ehe sie nach dem Orte gelangten, wo­ selbst der mächtige Fürst der Tartarei sich aufhielt, obwohl sie des Tages zehn Meilen zurücklegten. Diese ganze Strecke war den Tartaren Unterthan und sie fanden auf ihrem Wege in vielen Städten, Dörfern und Ortschaften große Haufen von Menschengebeiuen. Das verwunderte des Königs Prie­ ster und sie fragten ihre Begleiter, wie ihr Bolk zu so aus­ gedehnter Macht gelangt sei, sich so viel Land unterworfen und so viel Menschen getödtet habe, als hier Gebeine auf­ gehäuft lägen. Hierauf entgegneten die Tartaren, sie wären aus einer großen, ganz wüsten Sandebene herübergekommen. Diese Sandwüste beginne bei einem Fels, der gegen Osten gelegen und von solch wunderbarer Höhe sei, daß kein Mensch ihn je übersteigen könne. Zwischen diesem und andern Fel­ sen weit hin, beim Ende der Welt, wären die Völker von Got und Maget*) eingeschlossen, die beim Untergang der Welt mit dem Widersacher, dem Zerstörer aller Dinge her­ nieder kommen würden. Tie Tartaren waren in der Sandebene von wannen sie stammten, theils dem Priester Johann, **) theils dem Kaiser von Persien Unterthan gewesen, dessen d^ande jenes Reich nach einer Seite hin begrenzten. Sie lebten unter andern *) Man ist der Meinung, diese Völker hätten den Norden von China bewohnt. **) Man glaubte lange Zeit, dieser Priester Johann habe in Abyssinicn geherrscht. Du Cange meint, er sei ein Nestorianer gewesen, der sich eines großen Reiches in den östlichen Gegenden Asiens bemächtigte; all diese Muthmaßungen aber sind hockst unsicher.

141 Ungläubigen und zahlten diesen jährlich großen Tribut, um im Lande geduldet zu werden, und Weide für ihre Heerden zu finden, die fast ihr einziges UnterhaltSmittel ausmachten. Sie wurden, wie sie erzählten, von dem Priester Johann, dem Kaiser von Persien und andern Fürsten, denen sie zinspflichtig waren, also gehaßt, daß diese ihnen nimmer ins Angesicht schauten, sondern ihnen stets den Rücken zukehrten, wenn sie kamen ihnen den verlangten Tribut darreichen. Im Gefühl dieser Schmach erhob sich einstmals ein weiser Mann ihres Stammes, suchte alle Wohnorte der Ebene auf, redete mit den Männern der Ortschaften, stellte ihnen vor, unter welch harter Knechtschaft verschiedener Ge­ bieter sie seufzten, und bat sie, einen Weg ausfindig zu ma­ chen, der sie aus solch großem Mißgeschick errette. In der That bewirkte er, daß beim AuSgang der Sandebene, nahe dem Lande des Priesters Johann, an einem dafür bestimm­ ten Tage eine Versammlung zu Stande kam. Dieser legte er mancherlei ans Herz und sie erklärte sich bereit zu unter­ nehmen, was er gut finden werde, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen. "Dazu," entgegnete er, "sei vor Allem nöthig, ein Ober­ haupt zn wählen, tieften Befehlen sie sich unterordneten." — Man beschloß zur Wahl zu schreiten und jeder der 52 Stämme, aus denen das Volk der Tartaren bestand, sollte dazu einen Pfeil mit dem Abzeichen und Namen des Stammes bringen, dem er angehöre. Das versprachen Alle und erfüllten es auch. Tie 52 Pfeile wurden vor einem Kinde von fünf Jahren niedergelegt und cs wurde bestimmt, der künftige Herrscher solle aus dem Stamm erwählt werden, dessen Pfeil das Kind emporhebe. Das Kind faßte einen der 52 Pfeile, der weise Mann ließ die übrigen Stämme sich zurückziehen und bestimmte, der bevorzugte Stamm solle aus seiner Mitte

142 die klügsten und tapfersten Männer auswählen. diesen erhielt einen Pfeil mit seinem Namen.

Jeder von

Diese wurden

wiedermn dem Kinde vorgelegt und bestimmt, treffen Pfeil es emporhebe, der solle ihr Oberhaupt sein. Da

fügte es daS Schicksal, daß jenes Kind den Pfeil

des weisen Mannes ergriff, welcher all das Obige angeord­ net hatte und das Volt freute sich sehr Er aber hieß sie stille sein und sprach:

und jubelte laut.

"Verlangt Ihr, daß

„ich Euer Herr sei, so schwöret bei dem,

der Himmel und

"Erde gemacht hat, daß Ihr meine Befehle treulich erfül"len wollt." — Das gelobten sie und er gab ihnen sehr gute Gesetze, wohl geeignet, Eintracht zwischen ihnen aufrecht zu erhalten. Dies vollbracht, stellte er ihnen vor, ihr ärgster Feind, der sie seit lange bitter hasie, sei der Priester Johann. — "Darum," sprach er, "befehle ich Euch, morgen zum Angriff "gegen ihn bereit zu sein.

Besiegt er uns, wovor Gott uns

"schütze, so wehre jeder sich aufs beste, besiegen wir ihn, so "gebiete ich Euch bis ans Ende auszuharren, so

daß Ihr

"einzig bedacht seid, Feinde zu todten und es nicht wagt, .,an irgend eine Beute Hand zu legen, sollte auch der Kampf "drei Tage und drei Nächte dauern.

Haben wir vollen Sieg

"errungen, so werde ich Euch Beute genug zutheilen, um "jeden von Euch zufrieden zu stellen."

Hiemit erklärten Alle

sich einverstanden. Am nächsten Morgen brachten sie ihren Plan zur Aus­ führung.

Sie warfen sich muthig auf den Feind und Gott

der Allmächtige half ihnen ihre Gegner besiegen.

Wen sie

gewaffnet fanden, den tödteten sie, wer aber ein Priester­ oder Ordenskleid anhatte, den verschonten sie und wer von Priester Johanns Leuten nicht mitkämpfte, der unterwarf sich dem Sieger.

143 Rach beendeter Schlacht trug sich ein merkwürdige- Er­ eigniß zu.

Der Oberste von einem der angeführten Stämme

war drei Tage verschwunden, ohne daß man Kunde von ihm zu

erlangen

wußte.

Nach Verlauf dieser Frist

kehrte

er

endlich wieder und erzählte dem Volke, er sei in der Zeit seiner Abwesenheit, die

ihm nicht

länger scheine, wie ein

einziger Abend, und in der er weder Hunger noch Durst empfunden, auf einen ziemlich hohen Hügel gestiegen und habe dort ein Gesicht geschaut. Dies Gesicht war kein anderes als Jesus Christus in seiner Herrlichkeit, der umgeben von den Aposteln und der Madonna, dem frommen Manne gebot, heim zu gehen und sein Volk und seinen Fürsten zum Glauben an ihn, als den Herrn Himmels und der Erde, zu ermahnen.

Er verhieß

die Wahrheit seiner Rede durch einen Sieg zu bezeugen, den der fromme Mann mit wenigen Kriegsleuten über Barkachan, den

mächtigen Kaiser der Perser

gewinnen werde,

befahl

ihm jedoch, ehe er in die Schlacht gehe, solle er sich alle Geistlichen und das niedere Volk ausliefern lasten, welches int Kampfe wider

den

Priester Johann

gefangen worden

war, und solle ihre Glaubenslehre erlernen, denn sie gehör­ ten zu seinen Dienern. Der fromme Mann that was ihm befohlen war, schil­ derte den Seinen, als er zu ihnen zurück kam, mit glänzen­ den Farben das Gesicht, welches er geschaut und die Geistlichen des Priesters Johann, die er aufforderte ihre Lehre zu ver­ künden, fanden solchen Glauben, daß der Tartarenfürst und all die Seinen sich taufen ließen.

Hierauf gingen sie mit

geringer Streitmacht in den Kampf und Gott erfüllte seine Verheißung und gab ihnen Sieg über den mächtigen Kaiser der Perser. Bon jener Zeit an wurde das Polt der Tartaren sehr

144 mächtig; Barkachan aber, der aus seinem Lande vertrieben war, warf sich mit seiner ganzen Macht nach dem König­ reich Jerusalem, eroberte die Stadt und fügte den Christen eine Zeit lang viel Leid zu. von

Joppe,

den

sehr

Er nahm den frühern Besitzer

edlen,

von Brienne gefangen, lies;

muthigen

ihn

unter

Grafen

Gautier

den Mauern

von

Joppe martern und sandte ihn dann nach Babylon, wo er grausam getödtet wurde, verübte aller Orten in Jerusalem und in dem Lande von Damascus viel böse Thaten.

Da

forderten die syrischen Prälaten den höchst tapferen und ge­ ehrten Sarazenenfürsten, Ibrahim von Emessa zum Beistand auf, und dieser besiegle die Perser in einer blutigen Schlacht. Barkachan fiel, die Seinen wurden gelobtet, der Ueberrest Völlig verstreut. *) Kehren wir nach diesem Abschweif zu unseren eigenen Kriegsereignissen zurück. Während der heilige Ludwig in Casarea war, kam zu ihm ein Ritter, der sich Herr Alenars von Selingan nannte. Dieser erzählte, er komme aus dem Königreich Norwegen. Dort sei er zu Schiff gestiegen, sei um ganz Spanien herum und durch die Meerenge von Marocco gefahren und habe, be­ vor er zu uns gelangt, viel Mühen jiberstanden und viel Leid erduldet. *) Tic Perser, von denen IoinviUe liier redet, waren die Eha rismier, welche,

1244 aus den Gegenden des Euphrat und

Tigris kommend, Jerusalem eroberten und im dem Sultan Syrien

von Aegypten

Verein mit

einen medcriscken krieg wider

und TamasenS führten.

Tie sarazenischen Fürsten

Krak und Ibrahim von Emessa verbanden sich mit den Chri steil und der letztere, ein sehr kriegskundiger Fürst, gewann bei Damaskus einen glänzenden Sieg über die ChariSmicr. Varlawan, ihr

Anführer fiel

in jener Schlacht

und

feine

Schaarcn zerstreuten sich also, dast sogar ihr Name verschwand.

146 Er wurde mit zehn andern Rittern vom 8-nige in Dienst genommen und ich hörte ihn einst erzählen, im 86* nigreich Norwegen waren zur Sommer-zeit die Rächte so kurz, daß man in den dunkelsten Stunden der Nacht dm Schein de- Tageslichte- noch dmtlich unterscheide. Im Mor­ genlande heimisch worden, ging Herr Alenar- von Selingau mit seinen Leuten auf die Löwenjagd, und sie erlegten berat mehrere mit großer Leben-gefahr. Dabei sprengtm sie zu Pferde auf den Löwen lo- und schossen mit Pfeilen nach ihm, sobald sie ihm nahe kamen. Trafen sie ihn, so wandte er sich gegen den ersten seiner Angreifer; dieser aber setzte die Sporen ein und floh, indem er eine Decke oder ein Stück Tuch fallen ließ. Das hielt der Löwe für den Reiter, der ihn verwundet, warf sich darauf und zerriß da- Tuch. Die übrigen Jäger eilten rasch herzu, um neue Pfeile auf die verfolgte Bestie lo-zudrücken; hiedurch aufgescheucht, wandte sie sich von dem Tuche ab, einem andern Retter zu und dasselbe Spiel begann noch einmal, denn auch dieser ließ fliehend ein Tuch fallen und der getäuschte Löwe stürzte sich auch auf dies. So erlegten sie manche- Thier. Ein anderer sehr edler Ritter, welcher damals in Cäsarea anlangte, war von Toucy gebürtig und der König sagte, er wäre sein Vetter, da er von einer Schwester König Phllipps, der Gemahlin des Kaisers von Constantinopel ab­ stammte. Ein Jahr lang blieb er mit seinen zehn Rittern bei unserem Heere, dann kehrte er nach Constantinopel zurück, von wannen er gekommen war. Diesen Ritter hörte ich Angesichts de- Königs erzählen, der Kaiser von Constantinopel habe sich mit einem Fürsten, mit Komeneus, dem Herrscher von Trapezunt zum Kampfe wider VatazeS, den Kaiser von Nicäa verbunden; bei dem Fürsten KomeneuS aber galt eS für ein Zeichen gegensettiger Zeit« u. Eharakterbilder.

10

146 Brüderlichkeit und Hülfleistung, wenn Einer des Andern Blut kostete. Deshalb ließen, so sagte der Ritter, der Kaiser und seine Leute sich eine Ader öffnen und ihr Blut in Wein träufeln, reichten die- einander und tranken eS, indem sie sagten, sie wären fortan Brüder von einem Blute. Sie ließen auch zwischen des Königs und des Kaisers Kriegern, die getrennt standen, einen Hund durchlaufen und zerhieben den Hund mit ihren Schwertern, indem sie sprachen, also möchten sie in Stücken gehauen werden, wenn einer dem andern die Treue breche.

Kapitel XXII. Als das Osterfest heranrückte, verließ auch ich Acre und begab mich nach Cäsarea zum Könige. Ich fand ihn in seinem Zimmer im Gespräch mit dem Legaten, der ihn jen­ seit- de- Meeres aller Orten hin begleitete. Sobald er meiner ansichtig wurde, verließ er den Legalen, wandte sich gegen mich und sprach: „Herr von Ioinville, es ist wahr, „ich habe Euch nur bis Ostern bezahlt, bitte Euch aber mir „zu sagen, wie viel ich Euch von jetzt an bis künftige Ostern „geben soll." Hierauf antwortete ich, daß eS nicht meine Absicht sei, wegen dieser Dinge zu markten, ich wolle für jetzt kein Geld von ihm, wohl aber einen andern Vertrag mit ihm schließen; er solle mir nämlich versprechen, sich nicht mehr zu erzürnen, wenn ich irgend ein Begehren an ihn stellte, (eine Sache, die ihm oft widerfuhr) dagegen verspräche ich ihm, nie ärgerlich zu sein, wenn er mir etwas abschlage. Der König lächelte und sprach: auf solche Bedingung hin wolle er mich behalten; faßte meine Hand, führte mich vor

147 den Legalen und seinen Kanzler und trug ihnen vor, zu «aS wir unS verpflichtet. Da freute» alle fich, daß ich blieb. Hier will ich nun erzählen, wie ich mich während der vier Jahre einrichtete, die ich nach der Rückkehr von deS Königs Brüdern bei dem Heere blieb. Ich hatte zwei Geist­ liche zum Singen der HoraS bei mir; der eine sang sie mir frühe bei Tagesanbruch, der andere etwas später, wenn meine Ritter und Kavaliere aufgestanden waren. Nach gehörter Messe ging ich zum Könige. Ritt er aus, so begleitete ich ihn. Nahm er Gesandte oder Botschaften an, so mußten wir dem Empfang beiwohnen. Um die Zeit von St. Remy ließ ich eine Schweine, und mehrere Schafherden und so viel Mehl und Wein kau­ fen, al- das Heer den Winter über bedurste, weil diese Dinge in der bösen Jahreszeit, wegen Unsicherheit der Schifffahrt stets theurer sind, als im Sommer. Ich kaufte wohl 100 Tonnen Wein und ließ immer di« besten zuerst trinken. Den Bedienten wurde der Wein mit Wasser gemengt. Den Stall­ knechten gab ich weniger Wasser darunter. Jedem Ritter aber wurde eine große Flasche Wasser und eine große Flasche Wein vorgesetzt, damit sie sich beides nach Willen mischen konnten. Der König hatte meinem Bataillon 50 Ritter zugetheilt; daher versammelten sich, jedesmal wenn ich speiste, zehn Rit­ ter, außer meinen zehnen bei mir und aßen an meinem Tische, Einer neben dem Andern, indem sie nach Landessitte auf Matten an der Erde saßen. Rief man zu den Waffen, so schickte ich 54 Ritter ins Feld. Diese nannte man die Mittagsgäste, weil sie jedesmal, wo wir gewaffnet auSritten, bei ihrer Heimkehr mit mir tafelten. Außerdem lud ich bei allen Jahresfesten die reichen Männer des Lagers zu mir ein. ES war damals Sitte, bestimmte Bergehen mit bestimmten

10*

148 Strafen zu belegen.

Davon durste nicht abgewichen werden,

das litt Keiner und ich auch nicht.

Nun geschah es eines

TageS, daß einer von des Königs Sergenten, Goulla mit Namen, sich an einem meiner Ritter vergriff und ihn hart drängle.

Darüber beschwerte ich mich beim Könige und da

er meinte, das könnte ich hinnehmen, weil der Sergent meinm Ritter nur gestoßen habe, entgegnete ich, nimmer würde ich eS hinnehmen, würde seinen Dienst verlaßen, wofern er mir nicht Gerechtigkeit schaffe. nicht wider Ritter erheben.

Sergenten dürften ihre Hände Hiedurch bewog ich den König

mir Recht zu erweisen und dies bestand nach Landessitte darin, daß der Sergent barfuß und im Hemde, mit dem Degen in der Hand, nach meinem Quartier kommen, vor dem belei­ digten Ritter niederknieen, ihm den Griff des Degens dar­ reichen und sagen mußte:

"Herr Ritter, ich bitte Euch um

"Bergebung, daß ich die Hand wider Euch erhoben habe. „Hier reiche ich Euch meinen Degen, schneidet mir, wenn „Ihr eS wollt, den Daumen ab."

Bei dieser Rede bat ich

den Ritter, er möge dem Sergenten verzeihen und dieser that es. Ein andermal hatte ein 9iitter sich eine grobe Unsitt­ lichkeit zu Schulden kommen lassen.

Dafür sollte er dem

Gesetz gemäß auf eine entehrende Weise

im Lager umher

geführt werden, oder sein Pferd und seine Waffen abliefern und sich auS dem Lager entfernen.

Er wählte das Letztere

und da ich sah, wie der König deffen Pferd fortbringen ließ, bat ich ihn, eS einem meiner Ritter, einem armen Edelmann zu geben.

Der König aber antwortete, mein Begehren fei

unklug, das Pferd sei 80 bis 100 Pfund werth und das fei keine kleine Summe.

"Sire," entgegnete ich, "Ihr habt den

"Berttag mit mir gebrochen, Ihr erzürnet Euch wegen einer "Bitte, die ich gegen Euch ausspreche."

Da lächelte der König

149 imfc sagte: --Herr von Ioinville, Ihr könnt fortan sagen --waS Ihr wollt, ich erzürne mich nicht wieder.« DaS Pferd erhielt ich aber dennoch nicht für meinen Ritter. Ich habe vorne erzählt, daß der König de« Emiren von Aegypten gemeldet hatte, er werd« keine Bedingung de« Waf­ fenstillstandes erfüllen, falls sie ihm nicht für die ihm erwie­ sene» Beleidigungen Genüge thäte». Auf diese Drohung sandten sie Bote« und Briefe, welche meldeten, sie würde» Alles halten, was sie versprochen, wie ich oben schon er­ wähnte, auch beraumten sie einen Tag an, wo sie sich mit dem Könige in Joppe treffen und geloben wollten, ihm da» Königreich Jerusalem zurück zu geben. Hiegegen sollten der König und deffen vornehmste Begleiter schwören, den Emi­ ren wider den Sultan von DamaScuS beizustehen. Dieser aber erfuhr nicht sobald, daß wir uns mit den Aegyptern verbunden und den Tag festgesetzt hatten, wo wir un» in Joppe vereinen wollten, als er wohl 20,000 Türken au»fandte, um den Weg dorthin zu bewachen. Der König unterließ deshalb nicht, sich von Cäsaren »ach Joppe zu begeben und der Graf von Joppe, der von unserem Anrücken Kunde erhielt, verschanzte sein Schloß also, daß eS einer festen Stadt gleich war. Er hatte auf jedem Walle wohl 500 Mann stehen, jeder mit einer Tartsche und mit einem Fähnlein am Wappenschild, was gar schön aussah, da die Wappen von feinem Golde und mit einem Klaueukreuz reich gearbeitet waren. Wir unsererseits lagen auf dem Felde ring- um das Schloß Joppe, welches nah« am Meer, auf einer Insel erbaut war. Der König aber ließ am Schloß hin, so weit es auf dem Lande stand, von einem Meer zum andern eine Redoute auswerfen und sprach, um seine Leute zu ermuthigeu, er habe oft den Schanzkorb ge­ tragen, um Ablaß zu gewinnen.

160 Die Emire von Aegypten wagten nicht zu kommen, auFurcht vor den Leuten de- Sultan- von Damascus, die ihnen den Weg versperrten; doch sandten sie dem Könige, seinem Begehren gemäß, die Christenhäupter, die auf den Mauern von Cairo aufgepflanzt waren und der König ließ sie in geweih­ ter Erde begraben. Sie lieferten auch die Kinder aus, welche sie gefangen zurückgehalten und ihrem Glauben abwendig gemacht hatten und sandten einen Elephanten, den der König nach Frankreich schaffen ließ.

Kapitel XXril. Al- nun der heilige Ludwig mit seinem ganzen Heere vor Joppe lag und sich dort zu verschanzen dachte, erhielt er Nachricht, die Leute des Sultans von DamaScus hätten schon Spione im Felde, und einer seiner Emire habe drei Meilen von unserem Lager, ein umzäuntes Getreidefeld ab­ gemäht und verwüstet. Das beschloß der König selbst zu untersuchen. Sobald wir jedoch gegen den Emir anrückten, floh er. Auf die Nachricht, daß der König in Joppe stehe, sand­ ten die Emire von Aegypten zu ihm, damit er noch einmal einen Tag festsetze, an welchem sie mit ihm zusammentreffen könnten. Der König bestimmte ihnen einen Termin und sie versprachen sicher einzuhalten. Während wir dieses Zeitpunktes warteten, kam der Graf von Eu mit dem guten Grafen Arnold von Guyenne und deffen beiden Brüdern zu uns. Sie wurden sämmtlich vom Könige in Dienst genommen und er schlug den sehr jungen Grafen von Eu zum Ritter.

151 Luch der Prinz von Antiochien und dessen Mutter ka-. men zum Könige. Er empfing sie höchst ehrenvoll und schlug, auch diesen Prinzen zum Ritter, obwohl er erst 16 Jahr alt war, in der That aber habe ich nimmer einen so jungen Knaben mit solch reifem Urtheil gesehen. AlS er Ritter, war, bat er den König, ihm Angesichts seiner Mutter etwa­ sagen zu dürfen. Das wurde ihm gewährt und er sprach: "Sire, meine Frau Mutter, die hier gegenwärtig ist,, "hat Vormundschaft über mich und wird solche noch vier "Jahre üben. Sie genießt aller meiner Besitzthümer und "ich kann über nichts verfügen, doch will mir scheinen, sie „dürfe mein Land nicht Herabkommen und verloren gehen las"sen. Meine Stadt Antiochien aber verdirbt unter ihrem "Regiment und ich beschwöre Euch daher in Demuth, Sire, "ermahnet sie, mir Geld und Leute zu geben, damit ich mei"neu Unterthanen Beistand leiste, wie Pflicht e- gebietet." Dies Begehren erfüllte der König, machte der Fürstin so dringende Vorstellungen, daß sie ihrem Sohne reichlich Geld auszahlte und der Prinz, der nach Antiochien ging, leistete dort Wunder. Bon jener Zeit ab theilte er fein Wappen, welches hoch­ roth war, in vier Felder und führte darin, dem Könige zu Ehren, das Wappen von Frankreich. Kehren wir nun zu dem Sultan von Damaskus zurück. Er führte seine Leute von Gaza in der Provinz DecapoliS fort nach Aegypten, um die Emire jenes Lande- zu bekriegen. DaS Glück gab ihm in einer Schlacht den Sieg, in der andern dagegen besiegten die Emire den Sultan und er kehrte endlich, schwer verwundet an Haupt und Körper, nach Gaza zurück. Während er daselbst lag, schickten die Emire eine Ge­ sandtschaft, und schloffen einen Vertrag mit ihm, wir aber

152 waren von beiden Seiten geneckt, denn wir hatten weder mit dem Sultan, noch mit den (Emiren Frieden oder Waffenstill­ stand. Ueberdem befanden sich in unserem Lager nur etwa 1400 kampffähige, krieg-gerüstete Ritter und der Sultan von DamaScuS, der sich mit dm Emiren von Aegypten ver­ söhnt hatte, sammelte all seine Macht vor Gaza, brach auf und zog mit wohl 20,000 Sarazenen, und 10,000 Beduinen, in einer (Entfernung von zwei Meilen an uns vorüber. UnS anzugreifen wagte er bei alledem nicht; doch blieb der König mit dem Befehlshaber der Armbrustschützen drei Tage lang auf der Lauer, au- Furcht der Feind könne unS heimlich überfallen. Am St. Johannistag nach Ostern, zur Stunde, wo der König die Predigt hörte, trat ein Bote vom Befehlsha­ ber der Armbrust- und Bogmschützen ganz gewaffnet in deKönigs Capelle und sagte ihm, die Sarazeum hätten den Anführer der Bogenschützen auf dem Felde eingeschloffen. Ich bat dm König mich nach jenem Punkte aufbrechm zu lassen; da- that er und hieß mich 500 Lanzm mitnehmen, die er mir nannte. Kaum waren wir au- dem Lager her­ an- und den Sarazenen zu Gesicht gekommen, als diese von dem Anführer der Bogenschützen abließen und sich einem ihrer Emire anschlössen, der mit gewiß 1000 Lanzen auf einem Hügel vor unö stand. Nun begann da- Gefecht mit erneuter Macht, der (Emir aber, welcher seine Leute bedrängt sah, schickte ihnen rasch Beistand, und dasselbe that der An­ führer der Bogenschützen, dessen Trupp an Zahl geringer war. Während wir in solcher Weise kämpften, wurde dem Könige vom Legaten und von den Baronen de- Landes vor­ gestellt, welch arge Thorheit es sei, daß er mir gestattet habe in- Feld zu ziehm, und er gebot, man solle mich und dm Anführer der Bogenschützen zurückrufen. Die Türken

wiche» »o« uns und wir kamen nach unserem Lager, ohne daß der Feind nns weiter beunruhigte. Da» verwunderte Biele; Einige sagten jedoch, fie hätten es um ihrer Pferd« willen unterlassen, die fast ein Jahr in Gaza gestanden und ganz ausgehungert waren. Die früher genannten Türken, welche sich vor Joppe versammelt hatten und von dort abzogen, lernen nach Acre und forderten von dem Gebieter von Asur, dem Connetable de» Königreiche» Jerusalem, er solle ihnen 60,000 Besän schicken, sonst würden ste die Schutzwälle der Stadt zerstö­ ren. «Geld,« antwortete der Herr von Asur, «gebe er nicht,« worauf jene sich in Bataillone ordneten und in einer dort befindlichen Sandebeue, so nahe an Acre heranzogen, daß man mit einem Belagerungsbogen bi» in die Stadt hinein hätte schießen können. Da verließ der Herr von Asur die­ selbe und nahm seine Stellung auf dem Berge, woselbst der Kirchhof von St. Mcola» gelegen ist, um die Schutzwälle zu decke«. Me nun die Türken anrückten, marschirte ein Theil unsere» Fußvolke- au» Acre heran» und begann ge» wältig mit Pfeilen zu schießen, der Herr von Asur aber fürchtete, fie möchten sich in Gefahr bring« und ließ sie durch ein« jung« Ritter au» Genua zurückrufe«. Während dieser Ritter den ertheilt« Befehl vollzog, sprengte ein Sarazme, ganz wüth«d und kampftrunken aus ihn Io» und rief ihm in seiner Sarazenmsprache zn: er be­ gehre mit ihm eine Lanze zu brechen. Dazu, antwortete der Ritter stolz, sei er sehr berett und wollte gegen sein« Her­ ausforderer anstürmm, al» er acht bi» neun andere Sara­ zenen bemerkte, welche sich dicht zu seiner Linken stellten, «m dem Turniere zuzuschauen. Er wandte sich von dem ersteren ab und dem Trupp der acht Saraz«« zn, rannte einen davon mit der Lanze durch und durch, so daß er alsbald

154 todt war und schloß sich unsern Leuten an. Sarazenen eilten ihm nach

Die übrigen

und einer davon versetzte ihm

einen derben Schlag auf seinen Harnisch.

Das vergalt ihm

der Ritter durch einen Schwerthieb auf den Kopf, der ihm den Turban zur Erde warf und ich bemerke bei diesem An­ laß, daß die Sarazenen durch diese Turbane viel Wunden erhielten; dennoch trugen sie solche dicht und vielfach umge­ schlungen, wenn sie nach der Schlacht gingen.

Ein anderer

Sarazene wollte den kühnen Muth de- Ritter- von Genua, mit seinem Türkensäbel auf frischer That strafen, doch dieser bog sich seitwärts, so daß der Schlag ihn verfehlte, gab dem wieder ausholenden Sarazenen einen Hieb in den Arm, wo­ durch ihm das Schwert an- der Hand flog und ließ erst dann sein Fußvolk

abziehen.

Die obigen drei

schönen Wafsen-

thaten vollführte der Ritter von Genua unter den Augen deS Herrn von Afur und der

andern angesehenen Herren

deS Lagers, welche dazu auf die Mauern stiegen.

Die Sa­

razenen aber zogen vor Acre ab und wandten sich nach Sajeta, *) da sie hörten,

der König

laste den Ort befestigen

und habe nur wenige Kriegsleute dort. Sobald diesen der Türken Anmarsch bekannt wurde, zog ihr Anführer, der Befehlshaber der Armbrustschützen, zum Widerstand nicht stark genug, sich nach dem festen, wohl ver­ wahrten Schlosse von Sajeta zurück.

DieS vermochte nicht,

all feine Leute aufzunehmen, denn es war klein

und eng.

Die Sarazenen kamen und rückten ohne Schwierigkeit in die Stadt Sajeta ein, welche noch keine Bollwerke hatte, tödteten wohl 200 unserer armen Kriegsleute, plünderten die Stadt und kehrten nach DamascuS zurück. Als der König hörte, daß die Stadt von den Saraze­ nen ganz verwüstet sei, ward er sehr traurig. *) Saido, da- alte Sidon.

Zu ändern

war indeß die Sache nicht mehr, und die Barone de- Lan­ de- freuten sich dessen.

Daran war Ursache, daß der König

die Absicht hatte, einen Hügel zu befestigen, auf dem zur Zeit der Maccabäer ein Schloß lag. zwischen Joppe

und Jerusalem,

Der Hügel befand sich

fünf Meilen vom Meer,

und die Barone wollten nicht, daß er befestigt werde, indem sie mit Recht behaupteten, man könne den Ort niemals ge­ hörig verproviantiren, die Sarazenen würden, als die Stär­ keren,

immer Gelegenheit haben, ihm Zufluß an Lebens­

mitteln abzuschneiden.

Deshalb fei es viel besser und für

den König viel ehrenvoller, wenn er Sajeta herstelle, als wenn er einen neuen Bau so fern vom Meer errichte und er trat nun ihrer Meinung bei. Während der König

in Joppe war, sagte man ihm,

der Sultan von DamaScuS werde ihm gestatten nach Jeru­ salem zu gehen, und ihm sichere- Geleite geben.

Da- lockte

den König; e- wurde jedoch großer Rath gehalten und ihm an- Herz gelegt, von dem Vorhaben abzustehen, weil er die Stadt unterdeß in Feinde-hand hätte lassen müssen.

DaS

fchien den Grundbesitzern de- Lande- übel gethan und sie suchten ihrer Ansicht Gewicht zu verleihen, indem sie chm eine Begebenheit de- früheren KreuzzugeS nämlich König Philipp Acre

verließ,

erzählten.

Als

um nach Frankreich

zurück zu gehen, übergab er da- gefammte Heer dem Herzog HugueS von Burgund, dem Großvater des letztverstorbeneu Herzog- und dieser lag mit Richard, dem Könige von Eng­ land in Acre, als sie Kunde erhielten, eS werde ihnen leicht gelingen am folgenden Morgen Jerusalem zu erobern, da die Hauptmacht der Aegypter mit dem Sultan von DamaS­ cuS wider den Sultan der Stadt Nisa in Arabien ausge­ zogen sei. waren

König Richard und der Herzog von Burgund

alsbald

bereit

nach

Jerusalem zu marschiren;

sie

166 ortenden ihre Bataillone, teer König führte die erste Abtheilang, teer Herzog tete zweite, welche aus ben Truppen bestand, die teer König von Frankreich zurück gelassen. Nahe bei Jerusalem und bereit eS einzunehmen, wurde indeß teern Kö­ nige von England gemelted, teer Herzog kehre um, damit man nicht sagen könne, die Engländer hätten Jerusalem erobert. Dieser Gedanke weckte Burgund» Neid, und man stritt hier­ über hin und her, als einer von de» englischen König» Leu­ ten seinem Gebieter zurief: »Sire! Sire! kommet bi» zu dieser Stelle, so will ich Euch Jerusalem zeigen!« — Da» ergriff den König mächtig; er wandte sich ab, warf weinend frinen Wassenrock von sich und sprach: »O lieber Herr Gott »ich bitte Dich, laß meine Augen die heilige Stadt Jerusa»lem nicht schauen, da ich nicht vermag sie au» den Händen »Deiner Feinde zu erlösen.« Diese Erzählung sollte den heiligen Ludwig erinnern, daß wenn er, al» der mächttgste König der Christenheit, nach Jerusalem wallfahrte, ohne e» den Ungläubigen abzunehmen, auch alle übrigen, nach dem Orient ziehenden Fürsten sich gleich dem Könige von Frankreich mit einer Pilgerfahrt nach dem heiligen Grabe genügen würden. König Richard von England war um seiner Tapferkeit willen bei den Sarazenen also gefürchtet, daß man in einem Buche über die Fahrt nach dem heiligen Lande liest, die Sarazenenmütter hätten ihre schreienden Kinder mit den Worten bedroht: schweiget, schweiget! da ist der König Ri­ chard, teer Euch holen will, und die Sarazenenkinder hätten au» Furcht vor dem Namen Richard alsbald geschwiegen. Auch Sarazenen und Türken, deren Pferde auf dem Felde vor einem Strauch oder Schatten scheuten, riefen, indem sie ihnen die Sporen in die Setten setzten: »Ha, meinst Du,

tag fd der König Richard?« ei» augenscheinlicher Beweis von diese» Fürsten großen, bat Ungläubigen gegenüber voll­ führte» Waffenthaten und von dem Ansehen, welche» er fich bei ihnen erwarb. Bon dem oben genannte» Herzoge Hngue» von Burgund dagegen, will ich hier bemerken, daß er zwar eine starke Faust und große Tapferkeit besaß, Weisheit vor Gott und Menschen aber nicht kund that, da» lehrt sein obige» Verfahre». Mit Beziehung auf ihn sagte der große König Philipp einstmal»: »geistig stark sein und leiblich stark »sein ist ein gar verschiedene» Ding. Unter den Christen »und Sarazene» giebt t» manche Ritter, die wohl leibliche, »aber nicht geistige Kraft haben, da sie Gott weder fürchten »noch lieben. Gott,« fügte er hinzu, »erweist einem Ritter »große Gnade, wenn er giebt, daß sein Thun von Stärke »de» Leibe- und Stärke de» Geiste» zeugt.« Der oben ge­ nannte Ritter nun besaß wohl Kraft de» Leibe», doch nicht der Seele, da er keine Scheu trug zu sündigen und sich wider Gott zu vergehen. Bon den großen Geldern, welche König Ludwig für die Schanzwerke von Joppe aufwandte, ziemt mir nicht zu reden, da sie unzählbar waren. Er befestigte de» Ort von einem Meer zum andern und mau fand dort wohl 24 größere und kleinere Thürme; auch Waffrrgraben innen und außen und drei große Thore. Eine» dieser letzteren, sowie die Mauer von da bi» zum andern Thor, mußte der Legat errichten. Damit man aber einen Maßstab für da» habe, wa» der König an jenem Orte verausgabte, will ich bemerken, daß der Legat mich einst fragte, ob ich schätzen könne, wie hoch ihn da» Thor und die Mauerstrecke zu stehen komme. »Da» »Thor 500 und die Mauer 300 Pfund,« antwortete ich, doch der Legat entgegnete, da» sei weit gefehlt, er könne be-

158 zeugen, daß Thor und Mauer ihn 30,000 Pfund kosteten. Das zeigt, welch große Summen für das Ganze verwendet wurden.

Kapitel XXIV. Nachdem Joppe befestigt war, beschloß der König mit Sajeta nunmehr ein Gleiche- zu thun und eS herzustellen, wie e- vor der Zeit war, da die Sarazenen es zerstörten. Am Tage des heiligen Peter und Paul brach er mit seinem ganzen Lager dorthin auf, berief, vor Schloß Arsuf angelangt, seinen Krieg-rath und sagte, er habe Lust die Sarazenenstadt Napolis zu nehmen, die im alten Testament Samaria ge­ nannt wird. Da- billigten die Tempelritter und Barone de- syrischen Lande-, unter dem Vorbehalt, daß er nicht selbst mitziehe, indem sie meinten, wenn man ihn fange oder todte, so gehe da- ganze Land verloren; doch er antwortete, wenn er selbst nicht mitdürfe, so laste er feine Leute auch nicht hin. Daher unterblieb da- Vorhaben. Wir zogen weiter und er­ reichten die Sandebene vor Acre, woselbst der König mit seinem ganzen Heere übernachtete. Am folgenden Morgen kamen eine Menge Leute aus Großarmenien zu mir, welche die Pilgerfahrt nach Jerusalem vorhatten. Sie wußten, daß ich mit dem Könige sehr ver­ traut sei, und baten mich flehend, sie mit einem lateinischen Dolmetsch, der sie begleitete, vor den heiligen Ludwig zu führen. Hiezu bereit, sagte ich dem Könige, viele Männer au- Großarmenien, die nach Jerusalem pilgerten, wünschten ihn zu sehen. Er lächelte und antwortete, ich solle sie rufen. Wirklich führte ich sie ihm vor und sie freuten sich und er-

169 wiesen ihm viel Ehre; nachdem sie ihn aber wohl betrachtet halten, befahlen sie ihn Gott und er sie desgleichen. Tage- darauf setzte der König mit seinem Heere den Marsch fort und wir lagerten in Paffe-Poulin, einem Orte, woselbst eS gar schöne Waffer und Brunnen gab, mit denen man Rohr begoß und franste, auS welchem der Zucker gewonnen wird. Als ich dort mein Quartier bezogen hatte, sagte einer meiner Ritter zu mir: „Sire, ich habe Euch eine viel besiere „Wohnung verschafft, als Eure gestrige vor Acre." Da­ hörte ein anderer Ritter, welcher mir Tags zuvor Quartier bestellt hatte und rief: „Ihr seid höchst verwegen, daß Ihr „meinem Gebieter gegenüber etwa- tadelt, das ich gethan „habe!" warf sich auf den Ritter und packte ihn bei den Haaren. — Sein Erdreisten, einen meiner Leute vor meinen Augen also zu behandeln, ergrimmte mich; ich sprang auf und gab dem Uebermüthigen einen Faustschlag zwischen die Schultern. Da ließ er den Ritter lo- und ich befahl ihm im Augenblick auS meinem Quartier zu gehen, ich würde ihn, so Gott mir helfe, nimmer in meinem Hause dulden. Der Ritter verließ unS höchst traurig. Er ging zu Herrn GilleS le Brun, dem damaligen Connetable von Frankreich und dieser kam zu mir und bat mich, meinen Ritter wieder aufzunehmen, er bereue seine Thorheit tief. Doch ich ant­ wortete, dazu könne ich nichts thun, wenn der Legat mich nicht meines Gelübdes entbinde. Das erzählte der Conne­ table dem Legaten und bat ihn, meinen Schwur zu lösen, der Legat aber entgegnete: er habe nicht Macht mich loszu­ sprechen, ich hätte auS gültigem Grunde den Schwur gethan und er fei gerecht, da der Ritter sich höchlich vergangen. Das wollte ich in diesem Büchlein mittheilen, um jedermann zu erinnern, daß man ohne gültige- Recht kein Gelübde lei-

160 sten müsse.

Der Weise sagt:

wer gerne

und

bei jedem

Anlaß schwöre, der schwöre oftmals falsch. Bon Paffe-Poulin zog der König vor die Stadt Sur, die in der Bibel TyruS genannt wird.

Auch hier verspürte

er wiederum großes Gelüsten, den nahe gelegenen Ort BaneaS zu erobern und feine Leute riethen ihm dazu, wenn er nur nicht selbst

mitgehe.

DaS fiel

ihm schwer, doch be­

stimmte man endlich, der Graf von Anjou, Herr Philipp von Montfort, Herr von Sur, Herr GilleS le Brun, der Connetable von Frankreich,

Herr Pierre von Chambellan

und die Großmeister der Templer und des HoSpitalS mit ihren Lanzen sollten den Zug unternehmen.

Gegen Beginn

der Nacht waffneten wir unS und kamen kurz nach Tages­ anbruch in eine Ebene vor der Stadt Baneas, die in der heiligen Schrift Cäfarea Philippi heißt.

Diese Stadt liegt

an der schönen Quelle Ior; in der Ebene vor der Stadt ist die schöne Quelle Dan und die Bäche dieser Quellen, die sich in ziemlicher Entfernung von der Stadt vereinen, bilden den Fluß Jordan, in welchem unser Heiland Iesus ChristuS getauft wurde. Auf Rath des Grafen von Anjou, der Tempelritter und der Ritter des Hospitals und der Barone des Landes wurde bestimmt, das Bataillon deS Königs, das heißt ich mit mei­ nen Rittern und den 40 Rittern aus der Champagne, die der König mir seit lange anvertraut hatte, der Herr Goffroy von Sergines und einige jener Gegenden kundige Männer, sollten zwischen dem Schloß und der Stadt anrücken, die Barone

des syrischen Landes

sollten von der Linken, die

Hospitaliten von der Rechten und

die Templer auf dem

geraden Wege in die Stadt dringen, auf welchem wir ge­ kommen waren.

Jeder rüstete sich zum Aufbruch und wir

zogen von hinten her bis an den Ort heran.

Dort fanden

161 wir die Leichen von mehreren der Unsern, welche die Sara­ zenen innerhalb der Mauern getödtet und herausgeworfen hatten. Der Punkt, auf welchem wir angreifen sollten, war höchst gefährlich, denn wir mußten über drei Mauern fort, hatten einen Abhang vor uns, der so schroff war, daß man sich dort nicht auf dem Pferde zu erhalten vermochte und sahen die Höhe deS Hügels, den wir hinan mußten, von einer Menge türkischer Reiter besetzt. Einem Theil unserer Leute gelang e- die Stadtmauer zu durchbrechen und ich dachte ihnen nachzufolgen, als ich bemerkte, wie einer der Unfern, der über die Mauer fortreiten wollte, mit seinem Rosse kopfüber herab fiel. Das belehrte mich; ich stieg ab, führte mein Pferd am Zügel und erklimmte so die Höhe kühn. Da gab Gott, daß die türkischen Reiter bei unserem verwegenen Anmarsche die Flucht ergriffen und uns freie Bahn ließen. Es befand sich an jener Stelle ein Felsweg, der in die Stadt hinabführte; die sarazenischen Reiter aber, welche sich dorthin zurück gezogen hatten, wagten nicht zu uns herauf zu kommen, als wir die Höhe des Felsens er­ reichten; sie flohen auS der Stadt und überließen sie unsern Leuten ohne irgend einen Kampf. Während ich auf dem Hügel stand, hörte der Anführer der Templer, ich sei hart bedroht und kam zu mir hinan. Zch hatte die Alemannen, die Ritter deS deutschen Ordens bei mir und diese sahen nicht so bald die sarazenischen Rei­ ter nach dem ziemlich entfernten Schlöffe fliehen, als sie ihnen sämmtlich nachliefen, obwohl ich es nicht wollte und ihnen sagte, sie thäten daran sehr übel, da unser Vorhaben vollzogen und unser Auftrag erfüllt sei. Das Castell lag oberhalb der Stadt, wohl eine halbe Meile aufwärts am Libanon und hieß Suberbe. Um dahin zu gelangen, mußte man über große Felsen fort. Die Alemannen erkannten, Zeit- m. Sharacterbilder.

11

162 eS sei Thorheit, den Feind, der daS Schloß erreicht hatte und die Wege in den Felsen genau kannte, zu verfolgen. Daher begaben

sie sich

auf den

Rückzug;

die Sarazenen

aber, welche sie umkehren sahen, stiegen ab und eilten ihnen nach, gaben ihnen, während sie von den Felsen niederstiegen, viele Keulenschläge und drängten sie hart gegen den Ort zu, wo ick mich befand.

Dies Mißgeschick der Alemannen er­

schreckte meine Leute, so daß sie sich zu fürchten begannen und ich sprach zu ihnen:

"Wenn Ihr flieht, so werde ich

Euch sämmtlich entlaflen und Euch den Sold vom Könige für immer entziehen." — "Das mögt Ihr wohl sagen, Herr "von Ioinville," antworteten sie, "wir haben ein schlimmere"Theil als Ihr, seid Ihr doch zu Pferde und könnt fort, "wem:

es Euch beliebt; wir sind zu Fuß und dadurch in

"großer Gefahr, von den Sarazenen "falls sie bis hierher dringen."

getödtet

zu werden,

Da stieg ich vom Pferd

um ihnen Muth zu machen mtb schickte mein Thier zu dem Corps der Templer, uns entfernt stand.

welches wohl

einen Bogenschuß von

Unterdes; jagten die Sarazenen meine

Alemannen vor sich her.

Einer meiner Ritter wurde von

einem jener Feinde mit einem dreischneidigen Pfeil*) in die Gurgel geschoffen, so daß er todt vor mir niederfiel.

Ein

anderer Ritter, Herr Hugo von Escoz, der Oheim des Getödteten, bat mich ihm zu helfen, damit er seinen Neffen fortbringen und begraben lasten könne, doch ich wollte nichts dazu thun, weil jener gegen meinen Witten mit den Ale­ mannen zum Schloß hinan gerannt war, zürnte ihm so sehr wie ich es nicht sagen kann. Die Kunde unserer großen Bedrängniß und Lebensge­ fahr gelangte zu Herrn Jean von Ballance.

Er suchte Herrn

Olivier von TermeS und andere Führer auS Languedoc auf, *) Carrel, ein Pfeil mit dreieckigter Spitze.

163 xafe sprach zu ihnen: "Meine Herren, ich bitte mtb befehle „Euch im Namen M König-, helfet den: Seaeschall von Cham­ pagne." — "Der ist todt," sprach der Ritter Guilleaume von Beamuont. Das machte jedoch den guten Herrn Olivier nicht irre; er wollte selbst sehen, was aus mir geworden sei und dem Könige Nachricht darüber bringen, kam den Berg heran bis zu der Höhe, auf welcher wir standen und ich eilte ihm entgegen. Bon dem bedrohten Punkte aus sah Herr Olivier, daß wir unS in höchster Gefahr befanden, auch nicht auf dem Wege wieder herab steige» konnten, welchen wir herauf ge­ kommen waren rmd riech uns, einen Abhang des Berges herunter zu gehen, wo eS d-S Ansehen gewann, als dächten wir unS nach DamaScuS zuwenden; dadurch, sagte er, wür­ den die Sarazenen die Meinung gewinnen, wir wollten ihnen in den Rücken fallen. In der Ebene angelangt, ließ er un­ einige große Getteidehaufen anzünden, die auf den Feldern lagen, und wir brachten eS mit Herrn OlivierS gutem Rathe allmählig dahin, daß wir am folgenden Morgen nach Sajete zurückkamen, woselbst der König sich befand. Der gute fromme Fürst hatte dort unterdeß die Leichen der gefallenen Christen beerdigen lassen und sie selbst mit zu Grabe getragen. Einige davon waren schon so verwest, daß sie stanken und die, welche sie trugen, sich die Nase zu­ hielten. Der gute König aber that das nicht. Uns, die wir heimkehrten, hatte er Quartiere bereiten lasten.

Kapitel XXV. Zur Zeit, als der König Sajete befestigte, ging ich früh bei Tagesanbruch zur Meffe, als er mir sagen ließ, ich möge

11*

164 seiner warten, er wolle spazieren reiten.

DaS that ich und

wir sahen, im Felde angelangt, vor einer kleinen Kloster­ kirche einen Priester, welcher Meffe sang.

Der König er­

zählte mir, daS Kirchlein sei zu Ehren des Wunders erbaut, welche- der Heiland that, als er den Teufel aus dem Leibe von der Tochter des cananäischen Weibes trieb und fragte mich, ob er innerhalb deS Kirchleins die Messe hören solle.

Ich

antwortete, daS scheine mir wohlgethan, eingetreten aber be­ merkte ich, in dem Augenblicke, wo der Kelchteller zum Frie­ denskuß geboten wird, daß der Geistliche, welcher den Meßdienst mitversah, ein großer, hagerer, schwarz und ketzerisch ausse­ hender Mann war.

Ich fürchtete, er könne ein Mörder sein

und den König umbringen, litt deshalb nicht, daß er ihn: den Teller bot, nahm ihm diesen ab und brachte ihn meinem Gebieter. — Nach vollendeter Meffe stiegen wir wieder zu Roffe und ritten weiter inS Feld. gaten.

Da trafen wir den Le

Der König, der ihn begrüßte, rief ihm und sprach:

"Herr Legat, ich beklage mich bei Euch über den Seneschall, "er hat mir den FriedenSkuß gebracht und nicht gelitten, daß "der arme Priester mir ihn reichte."

Ich setzte auseinander,

weshalb ich also verfahren, und der Legat antwortete, ich hätte sehr wohl gethan, der König aber sprach:

"Dem ist

„nimmer so, jene beiden stritten gewaltig und ich kam dar"über nicht zum Frieden."

DaS erzähle ich zum Zeichen

der großen Demuth jenes Fürsten. Das Wunder, von dem das Evangelium erzählt, daß der Herr es an der Tochter des cananäischen Weibes that, geschah bei Tyrus und Sidonis, denn damals hieß die Stadt Sur, von der ich erzählte, Tyrus und die Stadt Sajete, von der ich redete, hieß Sidon. Die Königin, welche kürzlich zu Joppe von einer Prin­ zeß entbunden und wieder genesen war,

kam übers Meer

165 nach Sajete. Bon ihrer Ankunft unterrichtet, verließ ich den Hof, um ihr entgegen zu eilen und geleitete sie nach dem Schlöffe. Dort angelangt, traf ich den König in feiner Ca­ pelle und er fragte mich, ob die Königin und seine Kinder gesund wären. Ich antwortete, Ja, worauf er sprach: «Ich weiß, daß Ihr gingt, um meine Gemahlin zu empfangen, und habe deshalb mit der Predigt auf Euch warten kaffen." Das erzähle ich, weil er, obwohl ich damals schon fünf Jahre um ihn war, doch niemals von der Königin oder seinen Kindern zu mir geredet und ich ihn auch nimmer mit An­ dern von ihnen hatte reden hören. ES scheint mir aber, als fei eö keine gute Art mit Weib und Kindern also fremd zu thun. Am Tage von Allerheiligen, lud ich alle reichen Männer des Lagers zu mir in mein Haus, welche- am Meere stand. Während wir dort versammelt waren, stieß eine Barke anllfcr, worin ein armer Kavalier mit seiner Frau und vier Söhnen saß. Ich ließ sie in meinem Hause speisen, rief, nachdem unsere Tafel aufgehoben war, die reichen Herren der Gesellschaft und sprach: „Lastet und ein große- Almosen „spenden und den armen Mann von der Last befreien, "welche ihm die Sorge um seine Kinder auferlegt, indem „wir diese unter und vertheilen. Ein- werde ich nehmen." So erhielt jeder der vier Knaben einen Versorger und der arme Mann und deffen Frau weinten vor Freuden, als sie solches hörten. Bevor wir uns trennten, kam der Graf von Eu, der beim Könige gespeist hatte, um die bei mir versammelten Herren zu treffen. Er nahm mir den Knaben fort, welcher mir zugefallen und 12 Jahre alt war, und die­ ser diente ihm so treu und mit solchem Eifer, daß der Graf ihn bei seiner Heimkehr in Frankreich verheirathete und zum Ritter schlug. Traf ich ihn beim Grafen, so sagte er fast

166 jedesmal:

"Gott lohne es Euch Sire, diese Ehre verdanke

«ich Euch."

WaS

aus den drei andern Brüdern wurde,

weiß ick nicht. Während all diese Dinge sich zutrugen,

bat ich einst

den König eine Wallfahrt zu der Madonna

von Tortosa

unternehmen zu dürfen, woselbst man jeden Tag eine Menge Pilgrimme fand, weil es, wie man sagte,

der erste Altar

war, der zu Ehren der Mutter GotteS erbaut wurde und sie dort viel Wunder übte. Der König gestattete

mir

gerne die Pilgerfahrt

und

trug mir auf, ihm 100 Stück verschiedenfarbigter Camelots zu kaufen, die er bei seiner Heimkehr nach Frankreich den Barfüßlermönchen schenken wolle.

Das war mir ein Zeichen,

daß er nicht lange mehr von dort ferne zu bleiben denke. In

Tripolis,

dem Ziele

meiner

Wanderschaft

angelangt,

opferte ich Gott und der Madonna von Tortosa meine Gabe und kaufte dann die Camelots, wie der König mir anbefoh­ len.

Meine Ritter fragten mich, zu welchem Zweck ich sie

erstünde und ich ließ sie glauben, es geschebe, um davon Gewinn zu ziehen. Bei unserer Ankunft in Tripolis bewillkommte uns der Fürst jenes Landes, da er hörte wir kämen aus dem Lager deS Königs von Frankreich. bot uns reiche Geschenke.

Er erwies uns viel Ehre und Für diese dankten wrr, nahmen

nur die Reliquien an, die er uns reichen ließ, und ich gab sie zugleich mit den bestellten Camelots dem Könige. Run müßt Ihr wiffen,

daß die Königin von meiner

Pilgerfahrt und von den Reliquien hatte reden hören.

Ich

aber schickte ihr durch einen meiner Ritter vier Stück von meinen gekauften Camelots; sie waren in ein Tuch gewickelt und

als der Ritter

beugte

sie

vor

dem

damit

in der Königin Zimmer

verhüllten Geschenk

ihre Kmee.

trat, Der

167 Ritter, überrascht und nicht wissend, weshalb sie sich also demüthige, warf sich auch nieder und erst als die Königin sprach: "Stehet auf, Ihr dürfet nimmer knieen, wenn Ihr Reliquien traget!" klärte der Irrthum sich auf und jener sagte ihr, eS wären nicht Reliquien, sondern CamelotS, welche ich ihr schicke. DaS brachte die Königin und ihre Fräulein- zum Lachen und sie sprach: "Herr Ritter, ich "weiß eS öurem Herrn schlechten Dank, daß er mich veran"laßt hat vor den CamelotS zu knieen."

Kapitel XXVI. Bald nachdem ich von meiner Pilgerfahrt zu der Ma­ donna von Tortosa zurückgekehrt war, erhielt der König die Botschaft von seiner Frau Mutier Tod und betrübte sich darüber so tief, daß er sich zwei Tage in seinem Zimmer verschloß, ohne irgend wem Zutritt zu gestatteu. Am dritten Tage ließ er mich durch einen seiner Kammerdiener rufen, streckte mir weinend die Arme entgegen und sprach: "O Seneschall, ich habe meine Mutter verloren!" — "DaS ver"wundert mich nicht, Sire," antwortete ich, "sterben mußte "sie einmal, das wisset Ihr, und ich bin erstaunt über die "maßlose Trauer, der Ihr Euch, als ein besonnener Fürst "hingebt. Ihr wisset wohl, daß der Weise sagt: Mißgeschick, "welches das Herz eines tapferen Mannes trifft, darf sich »nicht in dessen Angesicht und in dessen Worten kund thun. "Redet er davon, so freuen sich seine Feinde und seinen "Freunden bereitet er Leid." — So beruhigte ich ihn etwas. 9lud) ließ er jenseits des Meeres viele Messen für die Seele

168 seiner Frau Mutter lesen und schickte an die Äöfter Frank­ reichs eine reiche Sendung Edelsteine und andere Kostbar­ keiten sammt Briefen, mit der Bitte, man möge für ihn und seine Frau Mutter beten. Bald darauf ordnete der König seine Angelegenheiten und war zweifelhaft, ob er nach Frankreich heimgehen oder noch im Morgenlande verweilen

solle.

Hierüber ungewiß,

bat er den Legaten, der ihn begleitete, Prozessionen zu ver­ anstalten und Gott anzuflehen, daß er ihm offenbare, ob ihm wohlgefälliger sei, wenn er bleibe oder wenn er gehe.

Die

Prozessionen waren gehalten und ich war mit den reichen Herren des Landes ein wenig nach einer Wiese gelustwandelt, als der König mich

zu sich befchied.

Der Legat war bei

ihm und dieser sprach zu mir: „Seneschall, der König rühmt "die guten und erfolgreichen Dienste, welche Ihr ihm gelei"stet habt.

Er wünscht Euren Nutzen und Eure Ehre, ver-

"kündet Euch, damit Euer Herz ftöhlich werde, daß er fönt» "wende Ostern nach Frankreich zu gehen denkt;" ich antwortete darauf:

WaS Gott wohlgefalle, das möge er Se. Majestät

vollführen lasten. Nach

diesem Gespräch nahm der

Legat vom

Könige

Abschied und bat mich, mit ihm in sein Quartier zu gehen. DaS that ich gerne.

Er führte mich in feine Garderobe,

faßte meine Hände und sprach mit Thränen in den Augen: "Seneschall, ich freue mich und preise Gott, daß Ihr den „großen "drohten.

Gefahren

entronnen

seid,

die Euch

hier

Landes

Zugleich aber ist mein Herz tief bettübt über die

"Nothwendigkeit, aus Euer Aller guter und heiliger ©erneut* "schaft scheiden und nach Rom, unter so unredliche Menschen „zurückkehren zu müssen, als sich dort befinden.

Meine Absicht

„ist, noch ein Jahr nach Eurer Abfahrt hier im Lande zu „bleiben und all mein Geld bis auf den letzten Heller für

169 "die Befestigung der Borstadt von Acre zu verwenden, da"mit man mir nicht Borwürfe machen und mich anklagen "könne." Am nächsten Morgen, als ich zum Könige kam, befahl er, ich und meine Ritter sollten unS waffnen. Die- gethan, fragte ich, wa- er weiter begehre und er sprach, ich solle die Königin und seine Kinder nach Sur (TyruS) bringen, wel­ che- wohl sieben Mellen entfernt lag. Dagegen wollte ich nicht- einwenden, obwohl der Weg höchst gefährlich war, da die Einwohner von Dama-cu- un- damals weder Tag noch Nacht Ruhe ließen. Wir reisten ab und kamen, Gott fei e- gedankt, ganz friedlich zur Nachtruhe nach Sur. Der Patriarch und die Barone de- syrischen Lande-, welche den König lange begleitet und gesehen hatten, wie er Sajete mit Mauern und Thürmen versehen und die Gräben innen und außen erneut, wie er Cäsarea und Joppe befestigt und auch in der Stadt Acre starke Mauern und Thürme erbaut hatte, kamen, um ihm in Demuth für die großen, im heiligen Lande gespendeten Gaben, Ehren und Wohltha­ ten ihren Dank auszudrücken und fügten dem hinzu: "Sire, "wir erkennen wohl, daß Ihr nicht länger zum Gewinn de"KönigreicheS Jerusalem bei unS bleiben könnt, deshalb ra"then wir Euch insgesammt, gehet nach Acre und ordnet "Eure Ueberfahrt für nächste Fasten an, damit Ihr sicher -»nach Frankreich heimkommt." Diesem Wort gemäß, verließ der König Sajete, ging nach Sur, wohin wir die Königin und ihre Kinder gebracht hatten und wir trafen beim Beginn der Fasten Alle in Acre zusammen.

170 Kapitel XXVII. Während der. ganzen Fasten liest der König seine Schiffe zur Ueberfahrt ausrüsten, 14 an der Zahl, theils Fregatten, theils Galeeren und er und die Königin bestiegen bald nach Ostern am Abend vor dem St. Marcusfest ihr Fahrzeug, worauf Alles zur See eilte. Wir hatten bei der Ausfahrt ziemlich guten Wind und der König sprach zu mir, er sei am Tage des heiligen MarcuS geboren. „Da könnt Ihr „Euch rühmen," antwortete ich, „am selben Tage noch ein„mal geboren zu sein, denn wer den Gefahren hier Landes „entronnen ist, woselbst wir so lange verweilten, der mag „wohl sagen, er sei wiedergeboren." Sonnabend nach unserer Abfahrt, langten wir vor Zy­ pern an. Bei dieser Insel ist ein Berg, der Berg vom heil. Kreuze genannt und von ferne schon sichtbar, so daß man eS weist, wenn man sich Cypern nähert. An dem Sonnabend indeß, wo wir dorthin kamen, verbarg ein unge­ wöhnlich starker Nebel, der aus dem Meere aufstieg, unseren Seeleuten den Berg. Sie glaubten, Cypern liege noch viel weiter, als in der That der Fall war und strengten alle ihre Kräfte an, um noch vor Nachts dorthin zu gelangen. Hiedurch geriethen wir auf eine Sandbank und fast wäre eS unS noch schlimmer ergangen, denn hätten wir unS nicht festgefahren, so wären wir auf die der Küste nahe liegenden Felsen gestoßen und sämmtlich ertrunken. Auch da, wo wir uns befanden, schwebten wir in großer Gefahr, meinten, unser Schiff werde bersten und erwarteten Untergang. Ein Matrose ließ sein Senkblei ins Meer und fand, daß daS Schiff nicht mehr fest faß. Ta kehrte Freude in aller Her­ zen zurück und priesen Gott. Viele warfen sich vor dem

171 Bilde de- Gekreuzigten nieder und fielen um Bergebung ihrer Sünden.

Erst als es Tag wurde sahen wir die Fel­

sen, die uns gedroht hatten. Der König ließ gleich am Morgen die Schiff-führer rufen und diese brachten vier Taucher mit, welche e- ver­ standen, schwimmend wie Fische auf den Grund de- WasterS zu gehen.

Sie warfen sich in- Meer und schwammen unter

dem Schiffe fort, worin der König und wir Alle uns be­ fanden.

Bon dort wieder empor gekommen, befragte man

sie einzeln, wa- sie wahrgenommen und alle vier berichteten, an der Stelle, wo da- Schiff aufgestoßen sei, habe der Sand drei Ellen vom Kiel losgeriffen, auf dem da- Fahrzeug er­ baut war.

Da- erschreckte und und der König befragte die

Seeleute um ihren Rath.

„Sire,« sprachen sie, „wenn Ihr

„und folgen wollt, so steiget auS diesem Schiffe in ein an„dereS; hat das Grundwerk von diesem hier solchen Stoß „erlitten, so können wir triffcn, daß eS in allen Theilen er* „schlittert ist.

Kommt es nun in die offene See, so wird eS,

„wie wir sehr befürchten,

die Schläge de- Masters nicht

„aushalten und scheitern.

Ein solches Beispiel haben wir

„bei der Ueberfahrt von Frankreich hierher mit einem an„deren Schiff erlebt, welches durch einen Stoß wie dies hier „beschädigt war.

Ins offene Meer gelangt, konnte eS den

„Wellen nicht Widerstand leisten, barst und zerschellte so gänz„tid>, daß von Allen, die sich darin befanden, nur eine junge „Frau mit ihrem kleinen Kinde im Arm entkam, indem sie „wunderbar von einem Stück des gescheiterten Schiffes fort* „getragen wurde." Dies Beispiel, welches die Schiffer anführten, konnte ich bezeugen, denn ich hatte die Frau und ihr Kind gesehen, als

sie

nach Paphos

in Cypern

kamen, wo

der Graf

172 von Ioingny sie Gott zur Ehre in seinem Hause verpfle­ gen ließ. Der König berief seinen Rath, um zu prüfen, was er thun solle und Alle ermahnten ihn, dem Vorschlag der See­ leute nachzukommen.

Da ließ er die Schisser noch einmal

vor sich bescheiden und forderte sie auf, bei der Treue, welche sie ihm schuldeten zu sagen, ob sie das Schiff verlasien wür­ den, wenn es ihnen gehörte und mit Kaufmann-gütern ge­ laden wäre.

»Gewiß nicht,» antworteten sie, »lieber würden

»wir unser Leben daran setzen, »welche-

uns

als solch Schiff verlieren,

40 oder 50,000 Pfund

»Und we-halb,»

kosten

möchte.» —

fragte der König, »rathet Ihr denn mir,

»daraus fort zu gehen?» —

»Sire,» entgegneten sie, »Ihr

»und wir, da- ist nicht einerlei Ding; es giebt kein Gold »oder Gut, welche- Eurem und Eurer Gemahlin und Eurer »drei Kinder Leben gleich zu achten wäre, deshalb können »wir Euch nimmer »geben.» —

rathen, Euch

solcher Gefahr preis zu

"Hiegegen," sprach der König, »will ich Euch

»meine Gedanken kund thun.

Steige ich aus dem Schiff,

»so wird die Furcht, daß es untergehen könne, 5 oder 6u0 »Personen, welche darin sind, zu dem Entschluß bringen, auf »Eypern zu verweilen; denn e- ist hier innen niemand, der »seinen Leib nicht eben so werth hielte, wie ich den meinen; »landen sie aber, so haben sie keine Hoffnung jemals in ihr »Vaterland zurückzukehren.

Darum will ich lieber mein und

»der Königin und meiner Kinder Leben in Gefahr bringen »und in Gottes Hand legen, als so vielen Menschen, wie »hier innen sind, solchen Schaden zufügen.» Daß der König

hierin nicht irrte, bewährte sich

Herrn Olivier von Termes, einem sich auf demselben Schiffe befand.

an

mächtigen Gebieter, der

Er war einer der tapfersten

173 und kühnsten Ritter, die ich im gelobten Lande kennen lernte, dennoch wagte er nicht zu bleiben und landete auf der Insel; dort aber hatte er, obwohl reich und mächtig, doch mit so vielen Hindernissen und Widerwärtigkeiten zu kämpfen, daß mehr wie anderthalb Jahre verstrichen, ehe er heimzukehren vermochte; waS aber hätten so viele geringe Leute beginnen wollen, renen es an Geld zur Ueberfahrt fehlte, wenn ein so reicher Herr also daran behindert wurde. Nachdem Gott unS au- der obigen Gefahr vor Cyperu errettet hatte, geriethen wir in eine neue. Es erhob sich ein gewaltiger Sturm, der un- wider unsern Willen stetnach der Insel Cypern zurück trieb, an welcher wir schon vorüber waren. Die Seeleute warfen vier Anker in- Meer, ohne da- Schiff aufhatten zu können und die- gelang ihnen erst, als sie einen fünften niederließen. In dem Zimmer, wo der König sich gewöhnlich aufhielt, mußte man die Meubeln umlegen und niemand wagte darin zu bleiben, auFurcht vom Winde in da- Meer geworfen zu werden. Den­ noch kam die Königin dorthin, in der Meinung den König zu treffen, fand aber nur Herrn GilleS le Brun, den Connetable von Frankreich und mich, die wir unS dorthin ge­ legt halten. Ich fragte, waS sie begehre und sie antwortete, sie suche den König, wolle ihn bitten, Gott oder seinen Hei­ ligen ein Gelübde zu weihen, damit wir auS solcher Noth erlöst würden. Die Seeleute hätten ihr gesagt, wir wären in großer Leben-gefahr. "Hohe Frau," antwortete ich, "ver­ sprechet eine Pilgerfahrt zu dem heiligen NicolauS von Bar"neville zu unternehmen, ich bin überzeugt, thut ihr da-, so "wird Gott unS glücklich nach Frankreich heim bringen." — "Ach Seneschall," entgegnete sie, "ich fürchte, der König wird „mich die Reise nicht machen lassen und das Gelübde wird "Unerfüllt bleiben." — "Dann gelobet mindesten- dem Hei-

174 "ligen ein Schiff von fünf Mark Silber für Euch, Euren '/Gemahl und Eure Kinder zu weihen, wenn Ihr glücklich "nach Frankreich zurückkommt. Ich versichere Euch, Gott "wird Tuch auf de- heiligen Nicolaus Fürbitte dorthin ge•/leiten und verspreche Euch, daß ich, nach Ioinville heimge"kehrt, barfuß bi- Barneville wallfahrten will." — Sie ver­ sprach dem heiligen Nicolaus das Schiff und verlangte, ich solle dafür Bürge sein, was ich gerne that. Bald darauf kam sie noch einmal zu und und sagte, Gott habe und auf des Heiligen Bitten aus der Gefahr erlöst. In Frankreich angelangt, ließ sie das besprochene Weihgeschenk arbeiten, ließ den König, sich selbst, ihre drei Kinder, die Seeleute, den Mast, das Tauwerk und da- Steuer de- Schiffes in Silber abbüden und dies mit Silberfaden zusammenheften und schickte es mir, mit der Bitte, e- dem Heiligen zu brin­ gen. Ich that es und sah cd noch lange Zeit nachher an jenem Wallfahrtsorte, als wir Blanche, die Enkelin deheiligen Ludwig, Tochter von Philipp dem Kühnen, dem deutschen Kaiser zuführten.

Kapitel XXVIII. Nachdem wir und auf Cypern mit frischem Wasser und anderen und nöthigen Dingen versehen, und der Wind sich gelegt hatte, fuhren wir von dort ab und kamen nach der Insel Lampadosa, stiegen ans Land und fingen eine Menge wilder Kaninchen. Wir fanden da zwischen den Felsen eine Einsiedelei und einen schönen Garten mit Oliven- und Fei­ genbäumen und mit einer Quelle süßen Wasser-, die weiter hin als ein Bach zwischen den Bäumen hinrieselte. Der

175 König und seine Begleiter gingen bi- an da- Ende deGarten- und sahen dort ein Betzimmer. Da- erste daz« gehörige Gewölbe war mit Kalk getüncht, und es befand stch darin ein schöne- Kreuz von hochrother Erde. In einem zweiten weiter ab, lagen zwei Leichen, die Hände auf der Brust gekreuzt. Rur ihre Betten hatten stch erhalten und sie lagen gegen Morgen gekehrt, wie man die Todten in der Erde zu begraben pflegt. Nachdem wir die- Alle- wohl beschaut, kehrte der König mit seinen Gefährten in sein Schiff zurück. Da bemerkte man, daß einer unserer Seeleute fehlte und der Schiff-führer, der ihn kannte, war der Meinung, er wolle auf der Insel bleiben und dort al- Einsiedler leben. Auf diese Vermuthung hin, ließ der König drei Säcke mit Zwieback an da- Ufer bringen, in der Erwartung, daß der Matrose sie finden und sich davon nähren werde. Weiterhin kamen wir auf unserer Reise nach einer an­ deren Insel, Pantalenea genannt und von Sarazenen be­ wohnt, die zum Theil dem Beherrscher von Sicilien, zum Theil dem von Tunis Unterthan waren. Sobald diese In­ sel uns zu Gesicht kam, bat die Königin ihren Gemahl, er möge ihr zu Liebe drei Galeeren dorthin senden und Früchte für ihre Kinder holen lasten. DaS that der König und befahl, die Barken sollten sich eilen und rasch rudern, damit er sie treffe, wenn er an der Insel vorüber komme. AlS wir indeß den dortigen Hafen erreichten, fanden wir die Galeeren nicht. Die Seeleute meinten, sie wären sammt ihrer Bemannung von den Sarazenen gekapert und sprachen: "Wir rathen Euch, "Sire, wartet ihrer nicht, Ihr seid hier dem Königreiche "Sicilien und Tunis nahe, deren Beherrscher Euch beide »nicht lieben; wollt Ihr unS rudern lasten, so bringen wir "Euch noch vor Nacht- aus dem bedrohlichen Bereich, wo "sie unS aufpaffen könnten." — "Wahrlich," antwortete der

176 König, „ich werde nicht also thun, sondern befehle Euch, .»alSbalv die Segel umzukehren, und unsere Leute aufzusu„chen." Was wir auch sagten, es mußte geschehen, und wir zögerten wohl acht Tage, einzig wegen der Genäschigkeit je­ ner Leute, denn sie hatten sich so lange aufgehalten, um nach Gelüsten zu essen. Diese Insel, welche ich hier Pantalenea nenne, heißt bei den Geographen -ßantaUana, sie liegt zwi­ schen Sicilien und Afrika, ziemlich nahe bei la Susa, einer Stadt des Königreiches Tunis, gehört dem Könige von Spa­ nien und wird von dem Vicekonige von Sicilien regiert. Obwohl die Einwohner katholische Christen sind, ist doch ihre Sprache und Kleidung der der Hiauren gleich. Ein anderes Abentheuer ereignete sich, während unserer Seereise, durch eine der Nonnen, welche die Königin bedien­ ten. Diese warf, nachdem sie ihre Gebieterin ausgekleidet hatte, aus Unachtsamkeit das Tuch, mit dem ihr Kopf um wickelt war, auf die eiserne Feuersorge, worin der Königin Nachtlicht brannte und ging sodann nach dem Zimmer, unter dem der Königin, woselbst deren Frauen schliefen. Die Flamme deS Lichtes war so stark, daß sie den Kopfbund er­ faßte und von da weiter greifend, daS Tuch anzündete, wo­ mit die Kleider der Königin bedeckt waren. Diese erwachte, sah ihr Zimmer in Flammen, sprang unbekleidet wie sie war aus dem Bett, nahm den Kopfbund, warf ihn ins Meer und erstickte die Flamme der Tücher. Die Leute in der Wächterbarke merkten den Schein und riefen: "Löschet das Feuer! löschet das Feuer!" Ich erhob mich, sah, daß der Kopfbund noch hell brennend auf dem äußerst ruhigen Meere schwamm, zog so schnell wie möglich meinen Waffenrock an und begab mich zu den Matrosen. Während ich bei ihnen saß, kam mein Stallmeister und sprach: "Der König ist er,,wacht und hat nach Euch gefragt." Noch unterredeten wir

177 un-, al- Herr Goffroy, der Geistliche der Königin, mit den Worten zu unS trat:

„ erschrecket Euch nicht, ich tritt Euch

"den Verlauf berichten."

Er erzählte, waS geschehen war

und ich antwortete: „Ist dem also, dann meldet der Königin, ihr Gemahl sei wach, sie möge zu ihm und ihn beruhigen." Am folgenden Morgen kamen der Connetable von Frank­ reich und der Kämmerer, Herr Gervaise und fragten den König, ob wir diese Nacht hätten Feuer rufen hören. schwieg ganz, der König aber sprach: „einen bösen Zufall.

„ES

Ich

geschah durch

Der Seneschall ist bescheidener al- ich,

„daher werde ich Euch erzählen, wie wir diese Nacht fast „sämmtlich verbrannt wären;" er theilte mit, wie die Sache sich zugetragen und sagte zu mir:

„Seneschall, ich befehle, daß

„Ihr fortan nimmer zu Bette geht, bi- Ihr alle Feuer im „Schiff, mit Au-nahme de- großen Feuer- im untern Schiffs­ raum au-gelöscht seht „habt." und

und mir Meldung davon gebracht

Da- that ich denn, so lange wir zur See blieben,

erst, wenn

ich vom Könige fort war, legte

er sich

schlafen. Eine andere Begebenheit ereignete sich auf dem Schiffe de- Herrn

von Argonnes, eine- der

der Provence.

mächtigsten Gebieter

Die Sonne schien ihm eine- Morgen-, da

er im Bette lag, durch eine Oeffnung des Schiffe- in- Ge­ sicht und

er befahl einem seiner Diener die Oeffnung zu

verstopfen, der Diener aber, welcher sah, daß er die- nur von der Außenseite des Schiffe- thun könne, stieg hinaus, glitt au-, während er beschäftigt war den gegebenen Auftrag auszuführen und stürzte ins Meer.

DaS Schiff fuhr vor­

wärts ; ein kleine- Boot, womit man ihm hätte Hülfe leisten können, war nicht zur Hand, so kam e-, daß niemand sich seiner annahm, bis das Schiff des Königs Zeit- u. (^araftcrbiltcv.

ihn

12

erreichte,

178 welches wohl eine halbe Meile weiter zurück war. sahen ihn schon von ferne und meinten,

Dir

eS sei ein dem

Meere angehöriger Gegenstand, da der Diener sich nicht be­ wegte, noch sich in irgend einer Weise zu helfen suchte.

Erst

nahe bei erkannten wir, das; eo ein Mensch sei und er wurde aufgefangen und nach des Königs Schisse gebracht.

Dort

fragte man ihn, wie er ins Meer gestürzt wäre und wes­ halb er weder durch Schwimmen, noch durch Schreien bei seinen Gefährten Hülfe gesucht habe.

„DaS that mir nicht

„noth," antwortete er, „als ich fiel, befahl ich mich der lieben „Frau von ValbertuS und sie trug mich auf ihren Schultern „bis das Schiff des Königs kam." Dieses Wunder der gebenedeiten Jungfrau zu verherr­ lichen, ließ ich eS für die Capelle von Ioinville malen, und es ist in der Kirche von Blicourt, zu dauerndem Gedächtniß aufgestellt. Nach Verlauf von zehn Wochen, die wir unterwegs wa­ ren, gelangten wir an den Hafen von Hieres vor dem Schlöffe des Grafen von Provence, des nachmaligen Königs von Sicilien.

Die Königin und des Königs ganzer Rath

forderten ihn auf, dort, als auf Grund und Boden seines Bruders zu landen; er wollte es jedoch nicht, wollte sich erst zu Aiguesmortes, in seinem eigenen Gebiete ausschiffen. — Durch diese Bedenklichkeiten blieben wir Mittwoch und Don­ nerstag zur See.

Am Freitag rief mich der König, welcher

auf einer der Schiffsbänke faß und fragte mich, ob er lan­ den solle oder nicht und ich antwortete: „mir, Ihr müßt landen.

„Sire, eS scheint

Frau von Bourbon wollte einmal

„im selben Hafen nicht also thun, sondern erst zu Aigues„morteS aussteigen und blieb dadurch wohl sieben Wochen „zur See."

Meinen Rath beachtend, entschloß sich der Kö-

179 nig ans Ufer zu gehen und die Königin und ihre Beglei­ tung waren dessen sehr froh. *) Beide Majestäten und ihre Kinder und wir Alle wohn­ ten im Schlosse von HiereS, während man Pferde kaufte, um nach Frankreich zu gelangen. Da schickte der Abt von Cluny, der nachmalige Bischof von Oliva dem Könige zwei Zelter, einen für ihn, einen für die Königin, jeder, wie man sagte, wohl 500 Pfund werth und bat zugleich, ihm am nächsten Morgen eine Unterredung in eigener Angelegenheit zu ge­ statten. Die bewilligte der König und hörte den Abt lange mit großer Freundlichkeit an. Als er fort war fragte ich, ob der König mir auf etwas Bescheid geben wolle, waS ich zu erfahren wünschte. „Gerne," antwortete er. „Dann "saget Sire, habt Ihr nicht dem Abte von Cluny um der „beiden Zelter willen so lange Gehör gegeben?" — „Ja, „gewiß," entgegnete der König. — „Ich that diese Frage, fuhr ich fort, „damit Ihr bei Eurer Rückkehr nach Frank„reich Euren GerichtSräthen befehlet, nichts von solchen an„zunehmen, welche etwas bei Euch suchen werden. Denn „glaubet, sie hören ihnen länger und williger zu, wenn sie „Geschenke von ihnen erhalten, ganz wie Ihr dem Abte „von Cluny." Da berief der König seine Räthe und erzählte ihnen lächelnd, was ich gefragt und welchen Grund ich dafür an­ gegeben hätte, und Alle antworteten, der Rath, den ich ihm ertheilt, sei gut. Zu HiereS sahen wir den Barfüßlermönch Bruder HugueS, von dem ich in der ersten Abtheilung dieses Büch­ leins erzählt habe und gingen von dort nach der Stadt Aix in der Provence, der heiligen Magdalena zu Ehren, welche eine kleine Tagereise von da begraben liegt. Wir besuchten *) Der König landete am Ilten Juli 1254.

180 die Grotte in einem sehr hohen Felsen, woselbst jene Heilige, wie man sagt, lange Zeit in Einsamkeit gelebt hatte und setzten bann bei Beaucaire über die Rhone. AlS ich nun den König in seinem Lande und Reiche wußte, nahm ich Abschied von ihm und suchte meine Nichte, die Dauphine von Vennes, Beatrix von Savoien, Gemahlin des Dauphins Guignes V. auf; ging von ihr zu meinem Oheim, dem Grafen von Chalons und zu dessen Sohne, dem Grasen von Burgund und erreichte endlich Joinville, mein Schloß.

Kapitel XXIX.

Nachdem ich einige Zeit daheim verweilt hatte, ver­ fügte ich mich nach SoissonS zum Könige und er empfing mich mit so viel Freuden, daß es jedermann in Verwun­ dern setzte. Ich fand bei ihm den Grafen Johann von Bre­ tagne und dessen Frau und die Tochter des Königs Thibaut. Diese Alle kamen nach Paris, weil der heilige Ludwig sie vor das dortige Parlament beschied, um wegen einiger Rechtsansprüche auf die Ländereien der Champagne, die der König von Navarra gegen die Tochter von Cham­ pagne*) gellend machte, die Partheien zu vernehmen und ihnen Genüge zu thun. Von diesem Parlament begehrte der König von Navarra, Isabel, die Tochter König Ludwigs zur Gemahlin, nahm *) Die Tochter von Champagne war Blancke, die Tochter von Thibaut VI., dem Könige von Navarra und Agnes von Beau­ jeu, dessen erster Gemahlin, sie wurde mit Johann, dem Gra^ feit von Bretagne vermahlt.

181 mich und einige Herren der Champagne als Freiwerber mit, da er zu SoiffonS gesehen hatte, wie viel Ehre der König mir erwieS. — Ich redete freimüthig mit dem Könige über diesen HeirathSantrag und er sagte mir: »Erst, Seneschall, »vergleichet Ihr und die übrigen Barone Euch und versöh­ net Euch mit dem Grafen von Bretagne, ist das geschehen, »so soll die Heirath vollzogen werden.» — »Sire, Ihr dürst »nicht zögern,» eytgegnete ich, »was es auch gelte," doch er blieb dabei, um keinen Preis werde er seine Tochter gegen Wunsch seiner Barone und nicht stüher vermählen, als bis der Friede mit dem Grafen von Betagne geschloffen sei. Demnach kehrte ich zu der Königin Margareth von Na­ varra und zu ihrem Sohne und ihrem Rathe zurück, und überbrachte ihnen die Antwort deS Königs. Da mühten sie sich ohne Zögern mit dem Grafen von Bretagne einen Ver­ trag zu Stande" zu bringen und sobald dieser ausgewechselt war, gab der König seine Tochter, dem Könige Thibaut von Navarra. Die Hochzeit wurde zu Melun mit Jubel began­ gen, und der Neuvermählte führte die Prinzeß nach ProvinS, wo ihnen von den Baronen ein ehrenvoller und glänzender Empfang bereitet wurde. Nun will ich von dem Hofstaat und von der Lebens­ weise erzählen, welche der König nach seiner Rückkehr von jenseits des MeereS führte. Er wollte von da an nie mehr reiche Stoffe, noch Granwerk, noch Scharlach, noch vergoldete Steigbügel oder Sporen haben. Seine Kleider waren von braunem oder von schwarzblauem Zeuge, und das Futter und der Besatz seiner Mäntel und Röcke war von Fuchsfell oder Hasenfell. Im Genuß von Speisen war er äußerst mäßig, litt nie, daß man ihm verschiedenartige köstliche Gerichte be­ reitete, sondern genoß geduldig, was ihm vorgesetzt wurde. Seinen Wein mischte er mit Waffer und trank nur ein GlaS.

182 Aß er, so standen gewöhnlich die Armen, die er speiste, hin­ ter ihm und er ließ ihnen Geld geben.

Nack aufgehobener

Tafel kamen seine Priester und verrichteten sein Dankgebet. Speisten fremde, angesehene Personen bei ihm, so pflegte er sich auf das liebenswürdigste mit ihnen zu unterhalten.

Er

besaß große Weisheit und galt für den Klügsten in seinem Rath.

Kam ihm ein Fall vor, der schleunigen Rechtsspruch

dringend forderte, so gab er diesen gleich, ohne seine Rätbe abzuwarten. Bald nach seiner Heimkehr brachte der heilige Ludwig es dahin, daß der König von England und dessen Gemahlin und Kinder ihn in Frankreich besuchten, um den Frieden mit ihm zu schließen, davon in der ersten Abtheilung dieses Büch­ leins die Rede ist. Kein Monarch mühte sich je ernstlicher, Eintracht zwi­ schen seinen Unterthanen zu erhalten, als dek fromme König, und zu allermeist trachtete er hienach bei den Prinzen und Gebietern seines Reiches und der benachbarten Länder; ja er that dies sogar bei dem Grafen von EhalonS, meinem Oheim und dem Grafen von Burgund, desien Sohne, die harten Krieg mit einander führten, als wir von jenseits deS Meeres

zurückkehrten.

Diesem

unnatürlichen Kampfe

ein

Ende zu machen, sandte er mehrere rechtskundige Personen auf seine eigenen Kosten nach Burgund und erreichte dadurch sein Ziel. Auch zwischen dem Könige von Navarra, Thibaut II. und den Grafen von Ehalens und Burgund, die sich heftig befehdeten, gelang

ihm Versöhnung zu

stiften, indem er

einige Herren seines Rathes an sie abschickte.

Kaum aber

herrschte dort Ruhe, so begann ein neuer harter Krieg zwi­ schen

dem Grafen

Thibaut

von Bar

von Luxenburg, der mit desien Man focht

Mann wider

Mann

und

dem

Grafen

Schwester vermählt war. unterhalb

Pignv.

Der

183 Graf von Bar nahm den Grafen von Laxenburg gefangen und gewann gleich darauf das Schloß von Ligni, welchedem

Grafen

von

Mutter zugehörte.

Luxenburg

durch Erbschaft seiner

Diesen Handel zu

schlichten,

Frau

übertrug

der König auf eigene Kosten seinem Kämmerer, dem Mon­ seigneur Perron, welchem er mehr als irgend wem vertraute, und der Friede kam zu Stande. Bisweilen schalten die Herren vom Rathe den König, daß er sich so viel um Fremder Streitigkeiten mühe; er solle die Pariheien kämpfen lassen, die Entscheidung wäre dann leichter.

Doch der König erwiederte, das sei nicht wohl ge­

sprochen und fügte hinzu:

"Wollte ich die Fürsten und Ge-

"bieter an den Gränzen meines Reiches ungehindert Krieg "miteinander führen lasten, so möchten sie sagen: "daö ge"stattet der König von Frankreich aus Bosheit, möchten Haß «wider mich fasten und mich angreifen.

DaS könnte meinem

„Reiche Schaden bringen und den Zorn Gottes reizen, wel"cher sagt: gesegnet sei, wer da trachtet Frieden zu stiften "Zwischen denen, welche hadern und streiten."

Diese Güte

und die großen Mühen, welcke er aufwandte, um Versöh­ nung herbeizuführen, weckte in den Burgundern und Loth­ ringern solche Liebe für den König, daß sie ihm gerne ihre gegenseitigen Zwistigkeiten vortrugen und ihn, wie ich mehr­ mals sah, zu Paris, Reims, Melun und ander Orten auf­ suchten, wo er sich eben aufhielt. Der gute König liebte den Herrn und seine gebenedeite Mutter also,

daß er Jeden hart strafen ließ, welchen

er

überführen konnte, ihren Namen durch einen Schwur enthei­ ligt, oder etwas Unehrbares und Uebles von ihnen geredet zu haben.

So entsinne ich mich, daß er einst in Cäsarea,

jenseits des MeereS, um solcher Dinge willen einen Gold­ schmidt, zu großer Schmach, in Hosen und Hemde an den

184 Schandpfahl stellen ließ. Auch erzählte man mir, vom ge­ lobten Lande heimgekehrt, habe er einem Bürger von Paris, wegen Gotteslästerung, Nase und Kinn mit einem heißen Eisen zeichnen lasten. Ja, ich hörte den guten König selbst sagen, er würde sich gerne den eigenen Mund mit einem brennend heißen Eisen markiren, wenn er dadurch bewirken könnte, daß nimmer gotteslästerliche Schwüre und Reden in seinem Reiche vernommen würden. Ich habe 22 Jahre mit ihm gelebt, nimmer aber einen Schwur oder eine sträfliche Rede wider Gott und die Jung­ frau oder einen Heiligen von ihm vernommen. Wollte er etwas bekräftigen, so sprach er: "wahrlich, dem ist sv", und sein Widerwille gegen ein Gott mißfälliges Gelübde zeigte sich sehr augenscheinlich, als der Sultan und seine Emire ihn zu einem solchen zu nöthigen suchten. Lieber wollte er sterben, als es leisten. Eben so wenig rief er je den Teufel an, oder nannte ihn, wenn nicht etwa Vesten Name in einem Buche vorkam, wo es denn nicht zu vermeiden war. Bei diesem Anlaß muß ich bemerken, daß eS für Frankreich und desten Fürsten höchst schmachvoll ist, derlei Gotteslästerung zu dulden; streiten jetzt zwei miteinander, so hört man sie sicherlich beim dritten Wort sagen: Geh zum Teufel, oder eine ähnliche häßliche Rede vorbringen. Ehe der gute König sich schlafen legte, pflegte er oft­ mals seine Kinder um sich zu versammeln und ihnen preisenswerthe Thaten und Worte früherer Könige und Fürsten zu erzählen. Er empfahl ihnen diese wohl zu merken und sich ein Beispiel daran zu nehmen. Auch von dem Thun und Treiben böser Menschen sprach er ihnen, welche durch Wollust, Raub, Geiz und Stolz um Reich und Herrschaft gekommen und in Elend gerathen waren: "Hütet Euch," sprach der König, „zu thun wie sie thaten, damit Ihr nicht

185 "Gott wider Euch erzürnt."

Er ließ sie

die HoraS der

Madonna lernen und täglich die Stundengebete vor ihnen halten, damit sie sich gewöhnen möchten, dies nicht zu ver­ säumen, wenn sie einst über Land und Leute herrschen würden. Der König war höchst freigiebig im Almosenspenden. An jedem Orte seine- Reiche-, wohin er sich begab, ging er in die Kirchen, in Krankenhäuser und Spitäler, erkundigte sich nach den armen Edelleuten, den armen Wittwen und heirathbaren Jungfrauen und spendete reichlich Geld, wo Noth und Elend herrschte.

Den Bettlern ließ er Essen und

Trinken reichen und ich sah mehrmals, wie er ihnen selbst Brod schnitt und selbst den Becher bot.

Er ließ mehrere

Kirchen, Klöster und Abteien bauen, al- da sind, Reaumont, die Abtei von St. Antoine zu Pari-, die Abtei Li-, die Abtei Malboiffon und mehrere Klöster für Prädikanten und Barfüßler, da- Gotteshaus zu Pontoise und da- zu Vernon, da- Spital der dreihundert Blinden zu Pari- und die Abtei der Barfüßler zu Saint Cloud, welche- Madam Mabel, seine Schwester auf seinen Wunsch gründete.

Die Pfründen

der Kirchen, welche er zu vertheilen hatte, gab er niemals fort, ohne sich zuvor bei erfahrenen Leuten nach Stand und Lage, nach Kenntniffen und Gelehrsamkeit derer zu erkundi­ gen, welche sie begehrten.

Wer aber solche Pfründen von

ihm hatte, der sollte seinem Willen gemäß, keine andern, zu seinem Amte nicht gehörigen erhalten, und er verfuhr dabei immer nach rechtlicher Leute wohlmeinendem Rathe.

Kapitel XXX. Hier will ich nun erzählen, in welcher Weise der gute König seine Iustizbeamten, Richter und andere Diener er-

186 mahnte, will die schönen, neuen Verordnungen mittheilen, welche er für ganz Frankreich erließ.

Sic lauteten:*)

»»Wir Ludwig, durch Gottes Gnaden König von Frank­ reich, bestimmen 'Unsere Baillis, Prevosse, Maireö, Richter, „Einnehmer und sonstigen Tienstleute, sollen fortan schwören, "während der Verwaltung ihres Amtes Neckst und Gerech"tigkeit zu üben gegen Jedermann, ohne Ansehen der Person; "gegen Reiche und Arme, gegen Fremde und Einheimische, "sollen schwören zu bewahren die Bräuche und Sitten, welche "gut sind und Geltung

haben.

Handelt

einer von ihnen

"gegen sein Gelübde, so verlangen Wir ausdrücklich, daß er "gestraft

werde

"und Vermögen.

nach Maßgabe

seines Vergehens

an Leib

Die Bestrafung Unserer Bailliö, Prevosie,

"Richter und anderen Lbcrbeamten behalten Wir Uns vor, "die ihrer Unterbeamten überlasten Wir ihnen.

Unsere Schatz-

"meister, Einnehmer, Provostc, Auditoren, Rechnungsräthe "und sonstige Verwalter Unserer Finanzen sollen schwören, "Unsere Einkünfte und Domänen mit allen dazu gehörigen "Rechten, Freiheiten und Vortheilen gut und redlich zu wahren "und nicht zu dulden, daß etwas davon unterschlagen, genem"Men und veräußert werde.

Zugleich verordnen Wir, daß we-

"der sie noch ihre Untergebenen und Diener ein Geschenk an"nehmen dürfen, sei cd, daß man es ihnen oder ihren Frauen "Und Kindern, oder andern Personen geben will, um ihre Gunst "zu erlangen, und daß sic solches Geschenk, wenn cS ange"nommen war, unverzüglich zurück erstatten.

Eben so sollen

"sie keinem ihrer Vorgesetzten Geschenke machen, um Gunst "und Unterstützung von ihnen zu erlangen, sollen schwören, "sich weder durch Schmeichelei, noch Geschenke, noch Berspre"chungen bewegen zu lasten, einen Beamten oder Diener zu "schützen und schirmen, von dem sie wissen, er übe Raub *)

Dies Edikt wurde 1256 in Paris erlassen.

187 "Und Betrug in seinem Amte, welcher ihn schuldig mache, „solches Amte- verlustig zu gehen. Sie sollen ihn vielmehr "strafen und zurecht seyen nach Maßgabe seines Vergehens "mit Redlichkeit und Brüderlichkeit ohne Ränke und Haß." "Obwohl nun diese Gelübde Uns zu leisten sind, ver"langen wir doch, daß sie den Geistlichen, Rittern und Her"ten, sowie allen Gliedern der Gemeinden bekannt gemacht „werden, damit die, welchen dies obliegt, sie um so besser "Und fester halten und Meineid scheuen, nicht nur aus Furcht "vor den angedrohten Strafen und der Schmach im Ange"sicht der Welt, sondern auch aus Bangigkeit vor Gottes "Urtheil und Gericht." "Zunächst verbieten Wir allen Unsern Baillis, Provosien, "Maireö und andern Dienstleuten, den Namen Gottes, der "gebenedeiten Madonna und der Heiligen in lästerlicher Weise "zu gebrauchen, verbieten ihnen mit Würfeln zu spielen oder "Herbergen und lüderliche Häuser zu besuchen, bei Strafe "ihr Amt zu verlieren und die für solche Vergehen ange"drohte Züchtigung zu erfahren. Eben so fordern Wir, daß "alle lüderlichen, gemeinen Frauen aus den Privathäusern "entfernt und von andern Personen getrennt werden, und "daß man ihnen nirgend ein Haus zur Miethe gebe, wo"selbst sie Lasterhaftigkeit und Luxus üben können." "Wir gebieten, keiner Unserer Baillis, Provosie, Richter "Und andere Rechtsverwalter solle sich erdreisten, in dem "Landestheile, woselbst er das Recht verwaltet, ohne Unsere "bestimmte Erlaubniß Grund und Boden zu erstehen oder „erstehen zu lassen, damit Wir Muse haben, die Lage der "Dinge zu erforschen. Kommen sie dem nickt nach, so sollen "derlei Besitzungen in Unserem Namen mit Beschlag belegt "werden. Eben so wollen Wir nicht, daß einer der höhern, "in Unserem Dienst stehenden Beamten, ohne Unsere besondere

188 „Erlaubniß, ihre Söhne, oder Töchter, oder sonstigen Ange­ hörigen an "All

eine Person

solche verbotene

ihre-

AmtSkreiseS verheirathen.

Erwerbschaften

und Heirathen

aber

"sollen auch unter den übrigen niedern Richtern, Beamten "und Dienern nicht stattfinden. Wir gebieten, Unsere BailliS, "Provofie und sonstigen Anwälte sollen sich keine zu große "Zahl Schergen und Pedelle hallen, auf daß die Gemeinde "dadurch nicht bedrückt werde. "thanen sollen

nur wegen

Gebieten auch, Unsere Unter-

amtlicher, niemals aber wegen

"persönlicher Schulden an ihrem Leibe gestraft, oder einge"kerkert, oder zu einer Geldbuße angehalten werden. "gleich

Zu-

bestimmen Wir, daß Keiner, dem eine Burgvoigtei,

"Propstei und Bicegrafschaft oder sonstige Stelle von UnS "übergeben ist, diese ohne Unsere Bewilligung an "dere Person verkaufen oder übertragen kann.

eine an-

Haben Meh­

rere ein Amt gemeinsam, so soll einer es für Alle verwalten. "Wir verlangen auch, daß ohne genaue Kenntniß der Sache, "oder unsern besondern Befehl, niemanden ein Besitz entzogen "werde; verlangen, daß weder Erpressung noch Raub, noch «eine

neue

Steuer

und

Abgabe stattfinde

und

verlangen

«endlich, jeder Unserer Baillis, Provosse, Bicegrafen, MaireS "und andern Dienstleute,

welche um irgend

einer Ursache

"willen ihres Amtes entbunden werden, sollen nach ihrem "Ausscheiden noch 40 Tage an dem Orte ihrer Verwaltung »bleiben, oder einen eigenen Bevollmächtigten daselbst lassen, "Um dem, welcher an ihre Stelle tritt, Rede zu stehen auf "alle Anfragen in Geschäfts- und Klagesachen." Durch

diese Verordnungen

erwies der

König seinem

Lande eine große Wohlthat, und Jedermann lebte dort fortan in Frieden und Ruhe.

Früher war das Amt deS Provoß

von Paris an den Meistbietenden verkauft worden; das ver­ anlaßte mehrfache Prellereien und Uebelthaten und die Ge-

189 rechtigkeitSpflege war durch Gunst von Freunden, durch Ge­ schenke und Versprechungen ganz verderbt. Man wagte nicht mehr in Frankreich zu wohnen und es war da fast öde. Ja, auf den Gerichtstagssitzungen der Provoffe zu Paris erschie­ nen, wegen der dabei üblichen Ungerechtigkeiten und Ungesetz­ lichkeiten, oft höchstens zehn Personen. Bon all diesen Dingen unterrichtet, wollte der König, daS Amt des Provoß solle nicht mehr verkauft, sondern mit großem Gehalt und Rechten an einen bedeutenden und klugen Mann gegeben werden, und schaffte alle Übeln Bräuche ab, welche daS arme Volk bedrückten. Im ganzen Laude wurde geforscht, wo ein wei­ ser Mann sei, der ein guter Jurist und gewillt wäre, die Uebelthäter, ohne Ansehen der Person, die Reichen wie die Armen streng zu strafen. Da nannte man ihm Herrn Estieune Boyleaui;,*) und er übertrug ihm daS Amt des Provoß von Paris, welches dieser nachmals in bewunderungs­ würdiger Weise verwaltete. Kein Dieb, kein Mörder noch sonst ein UebeÜhäter wagte fortan mehr in Pari- zu woh­ nen, denn sobald der Provoß Kenntniß davon erhielt, ließ er den Schuldigen hängen oder nach Maßgabe seines Ver­ gehens mit der Strenge des Gesetze- strafen. Kein Für­ wort Angehöriger, noch Freunde, noch Geld, noch Gut ver­ mochte ihn zu schützen und man übte dabei stet- höchste Gewisienhaftigkeit. So wuchs im Laufe der Zeit, unter Begünstigung der guten Gesetze und Handhabung der Ge-

*) Ein Schriftsteller aus der Zeit des Estienne Boyleauö erzählt, dieser habe einen seiner Söhne hängen laffen, weil dessen Mutter ihm sagte, er könne sich nicht enthalten zu stehlen, und habe ebenso einem seiner Gevattern gethan, weil er eine Summe Geldes verläugnete, die sein Wirth ihm anvertraut hatte. Die Familie Bopleauö bestand noch zur Zeit von du Eange in Paris sowohl als in Anjou.

190 rechtigkeit, die Bevölkerung Frankreichs, und eö mehrten sich dadurch die Domänen, Zinsen, Renten und Einkünfte des Königreiche- alljährlich über die Hälfte, dem Lande zu gro­ ßem Gewinn. Bon frühester Jugend an war der König sehr mitleidig gegen Arme und Leidende, und gewöhnte sich so sehr an ihre Nähe, daß ihrer meist 140 in seinem Hause gespeist wurden, wo er sich auch aufhielt. Zu Ostern wuchs die Zahl dieser Armen und ich sah oftmals, wie er ihnen selbst Essen reichte und ihnen von seinen eigenen Gerichten bot. Kam aber der heilige Abend der jährlichen Fasten, so be­ diente er sie stets bevor er aß und trank und waren sie ge­ sättigt, so erhielt jeder eine bestimmte Summe Geldes; kurz, der gute König St. Ludwig spendete so viele und große Liebesgaben, daß man sie nicht alle aufzuzählen vermöchte. Einige seiner Bertrauten murrten deshalb und sagten, er verschwende dabei sehr viel; der gute König aber antwor­ tete: ihm sei es lieber viel für Almosen auszugeben, als für Schmuck und Eitelkeiten. Auch hinderten ihn seine Almosen nicht, in seinem Hause reichlich Geld aufzuwenden, wie es für einen Prinzen seines Ranges ziemte, denn er war sehr freigiebig. Bei den Parlamenten und Berathungen, die er berief, um seine neuen Anordnungen zur Ausübung zu bringen, ließ er alle Getuetcr, Ritter und Herren an seinem Hofe bewirthen, reichlicher und stattlicher, als irgend ein Prinz vor ihm gethan. Er liebte alle Personen, welche sich dem geistlichen Amte widmeten und gab vielen Ordensgeistlichen Unterhalt und Wohnung auf seine Kosten. Nachdem er die Angelegenheiten seines Reiches geordnet hatte, bestimmte er, all seine Barone sollten zur Zeit der

191 Fasten nach Paris kommen. Er sandte auch zu mir nach Ioinville und ich meinte wegen Nichterscheinen- genugsam entschuldigt zu sein, da ich an einem viertägigen Fieber litt, der König aber ließ mir sagen, eS fehle ihm nicht an Aerzlen, die das viertägige Fieber zu heilen verstünden, bat mich, bei aller Liebe, die ich für ihn hatte, nach Hofe zu kommen und ich that waS er begehrte. In Pari- angelangt, wußte ich nicht zu erfahren, wes­ halb der König die Standesherren seines Reiche- also zu­ sammenrief. Da schlief ich im März an der Jungfrau Fest­ tag gegen Morgen ein und sah int Traume den König vor einem Altar knieen, um ihn her mehrere Prälaten, welche ihn mit einem Gewände von rother Serge aus Reim- be­ kleideten. Sobald ich erwachte, theilte ich diesen Traum einem meiner Capellane nut, der sehr klug war. Dieser sagte mir, der König werde am nächsten Morgen da- Kreuz nehmen; und alö ich ihn fragte, woher er da- wisse, sprach er, mein Traum habe es ihm offenbart. Da- rothe Gewand, womit man ihn bekleidet, bedeute das Kreuz unsere- Herrn Jesu- Christus, mit seinem göttlichen Blute roth gefärbt, welche- er für unö vergossen. Da aber da- Kleid nur aurother Serge au- Reims bestanden, so werde auch daKreuzhcer nicht zahlreich sein, da- würde ich am folgenden Morgen erfahren. Als nun der Morgen erschien, nahm der König sammt seinen drei Söhnen das Kreuz. DaS Heer aber, welchesich ihm anschloß, war nicht zahlreich, wie mein Capellan mir Tageö zuvor gesagt hatte. Daher galt mir sein Wort für Prophezeihung. Tie Könige von Frankreich und Na­ varra drängten mich gewaltig, ihrem Beispiele zu folgen und den Zug mitzumachen. Ich antwortete jedoch: in der Zeit, wo ich jenseits deS Meeres, im Dienst Gotte- gekämpft,

192 hätten die Beamten des Königs von Frankreich meine Un­ terthanen allzusehr bedrückt, so daß sie verarmt wären und weder sie noch ich unS ganz davon erholen würden.

Schlöffe

ich mich dem Kreuzzuge an, so werde das ohne Zweifel meine Unterthanen völlig inS Elend stürzen. Später hörte ich, daß die, welche dem Könige zu dem Zuge nach dem heiligen Grabe beredeten, großes Unrecht und eine Todsünde begingen. verweilte,

Denn so lange er in Frankreich

herrschten Friede

und

Gerechtigkeit

im

ganzen

Lande, sobald er es aber verließ, änderte sich Alles und es begann übel und immer

übler zu werden.

Ein

doppeltes

Unrecht aber thaten sie, weil der gute König so leidend und hinfällig war, daß er es nicht aushalten konnte, einen Har­ nisch auf dem Leib zu haben und sich längere Zeit auf dem Pferde zu erhalten.

Ja, schon bei seiner Rückkehr von jen­

seits de- MeereS, mußte ich ihn eines Tages auf meinen Armen vom Hause deS Grafen von Anserre bis zu den Bar­ füßlern tragen. Bon deS König- Reise nach Tunis erzähle ich nichts, weil ich nicht dabei war und ich in diesem Buche nur be­ richten will, was ich ganz

sicher weiß.*)

Sagen aber will

ich, daß der gute König, vor dem Schlöffe von Karthago in Tunis angelangt, von Krankheit befallen wurde. Philipp,

sein

ältester

aber

ins Bett

und

fühlte wohl, daß er von diesem Leben scheiden werde.

Er

rief deshalb

erkrankte.

und schlimmer,

seine

Kinder

und

Der

Auch Herr König

wurde schlimmer

Sohn

legte sich

als

sie

vor

ihm

standen,

wandte er sich gegen seinen ältesten Sohn, seinen Haupterben, und richtete, als sein letztes Vermächtniß, Worte der Er*) Der König schiffte sich gerade

10

Kreuzzuge.

Jahre

nach

am lftcn Juli 1270 nach Tunis ein, seiner

Heimkebr

von

seinem

ersten

193 Mahnung an ihn, welche er ihm treu zu bewahren gebot. Diese Ermahnungen hatte der gute König mit eigener Hand niedergeschrieben und sie lauteten: „Mein

lieber Sohn.

Bor Allem

ermahne

ich

Dich

„und befehle Dir: liebe Gott von ganzem Herzen und mehr „als irgend ein Gut; denn ohnedem kann keine- Menschen „Seele errettet werden.

Hüte Dich zu thun, was ihm miß-

„fällig ist, denn das ist Sünde und Du mußt lieber jeder „Art Leiden erdulden, als eine Todsünde begehen.

Schickt

„Gott Dir Mißgeschick, so nimm es geduldig hin; danke ihm „dafür und sei überzeugt, daß Du es wohl verdient habest „und Alles Dir zum Wohle gereichen werde.

Giebt er Dir

„Glück, so preise ihn sehr demüthig und habe Acht, daß Du „weder durch Stolz noch durch

anderes Neble

im Guten

„schwach werdest; wir dürfen uns durch das, was Gott unS „zutheilt, nicht zu Sünde verleiten lassen.

Gehe oft zum

„Abendmahl und wähle Dir einen verständigen Mann zum „Beichtvater, der Dir sonder Hehl sagt, was Deiner Seele „zum Heile dient und was Du zu meiden hast.

Betrage Dich

„also, daß Deine Beichtväter, Deine Verwandten und Freunde „Dir Dein Unrecht

kühn

„Thun belehren können.

vorhalten

und Dich

über Dein

Wohne oft und mit andächtigem

„Sinn und Herzen dem Gottesdienste bei.

Lache und plan

„dere dort nicht mit Andern, insbesondere nicht, wenn Du „die Messe hörst, worin die Hostie sich in den Leib Jesu „verwandelt.

Sei barmherzig und milde gegen Arme; tröste

„sie und hilf ihnen so weit Du es vermagst.^ „Die guten Bräuche Deines Landes halte aufrecht, die „schlechten unterdrücke und bessere.

Hüte Dich vor großer

„Prunksucht und beschwere Dein Volk nicht durch zu große „Steuern und Abgaben, wenn nicht Kriegsnoth Dich dazu Zeit' u. Charakterbilder.

13

194 »zwingt.

Drückt Dein Herz irgend ein Leid, so vertraue eS

"alsbald Deinem Beichtvater oder einem andern wohldenken"den Menschen, deß Rede lauter ist, so wirst Du durch den .»Trost, den er Dir giebt. Deinen Kummer leichter tragen. "Habe wohl Acht nur mit verständigen, rechtlichen Personen "Umgang zu pflegen, welche frei sind von Lüsternheit, m'ö"gen sie nun Männer der Kirche, Geistliche, Laien oder an„dern

Standes

sein.

Fliehe

die

Gesellschaft der Bösen,

"merke auf Gottes Gebote und bewahre sie in Deinem Ge.,müth.

Trachte

»zu erlangen.

unablässig Gebete, Fürbitten und Ablast

Wahre Deine Ehre.

Hüte Dich zu gestatten,

»daß irgend wer so verwegen sei in Deiner Gegenwart ein »Wort

zu reden, welches einen Andern zur Sünde reizen,

»oder Anlaß werden kann, ihm üble Nachrede zu bereiten, »sei es heimlich, sei eS öffentlich.

Dulde nicht, daß man

»von Gott, von seiner gebenedeiten Mutter und ihren Hei»ligen in losen Ausdrücken spreche.

Danke dem Allmächtigen

»oft für die Güter und das Glück, welches er Dir verleihen »wird und erweise Jedermann Recht und Gerechtigkeit, dem »Armen wie dem Reichen." »Gegen Deine Diener sei redlich, freigiebig und kurz »in Worten, auf daß sie Dich als ihren Herrn fürchten und »lieben; entsteht aber irgend

eine Streitigkeit

»so erforsche die Wahrheit, zeuge »wider

Dich.

Erfährst

Tu

»durch Deine Vorfahren oder

mit

oder Klage,

sie nun für Dich oder Gewißheit,

durch Dich

selbst

daß zu

Du eines

»Andern Gut gelangt bist, so erstatte es ihm alsbald zu»rück.

Sorge mit allem Fleiß, daß Deine Unterthanen in

»Frieden und Gerechtigkeit leben, in den guten Städten, in »Festungen und aller Orten.

Erhalle die Gerechtsame und

»Freiheiten aufrecht, welche Deine Vorfahren bewahrt haben.

195 "und laß sie Dir lieb und werlh sein; denn Macht und "Reichthum Deiner guten Städte wird Deine Feinde, vor"nehmlich Deine Barone und andere Ebenbürtige abhalten, "Dich anzugreifen und sich wider Dich zu vergehen." "Ehre und liebe alle Geistlichen und Vertreter der Kirche "und habe wohl Acht, daß man ihnen nicht ihre Einkünfte, "Gaben und Almosen entziehe, welche Deine Vorgänger ih"nen gelaffen oder gegeben haben. Man erzählt von König "Philipp meinem Vorfahr, einer seiner Räthe habe einst zu "ihm gesagt: Die Herren der Kirche beeinträchtigen Eure "Rechte und Freiheiten, sogar Eure Gerichtspflege und es "ist höchlich zu verwundern, daß Ihr dies duldet. Der Kö"nig aber antwortete hierauf: Er glaube das wohl, Gott "aber habe ihm so viele Güter und Gnadengaben verliehen, "daß er lieber einen Theil davon fahren lassen, als mit den "Männern der heiligen Kirche Streit führen wolle." "Deinen Vater und Deine Mutter ehre jederzeit und "hüte Dich, ihnen durch Ungehorsam wider ihre guten Leh"ren Kränkung zuzufügen. Gieb die Pfründen, welche Dir "Zugehören, guten Menschen von reinem Lebenswandel, nach "Rath kluger und erfahrener Personen." "Beginne keinen Krieg mit einem Christen, wenn Du "nicht vorher große Berathung gehalten hast und ihm nicht "vorzubeugen vermagst. Führst Du einen Krieg, so schone "die Leute der Kirche und die, welche Dich in nichts gekränkt "haben. Herrscht Krieg zwischen Deinen Unterthanen, so "versöhne sie so bald als es Dir möglich ist." "Habe Acht auf Deine BailliS, Provoffe und andern "Diener und erkundige Dich nach ihrer Amtsführung, damit, "wenn etwas dabei zu erinnern ist, Du es thuest. Sorge, „daß keine üble Sünde in Deinem Reiche herrsche, keine 13*

196 „Gotteslästerung und Ketzerei, und wird sie gefunden, so „rotte sie aus." „Gieb in Deinem'Hause mit Vernunft und Mäßigkeit „Geld aus.

Endlich aber, mein liebeS Kind, beschwöre ich

„Dich, gedenke nach meinem Tode meiner und meiner armen „Seele; laß Mesien und Gebete für sie halten, gieb Almo„sen unv Gnadengeschenke für mich im ganzen Königreich „und laß mich Theil haben an allen Wohlthaten, die Du „erweisen wirst.

Ich dagegen verleihe Dir meinen vollen

„Segen, wie nur je ein Vater ihn seinem Kinde verliehen „haben kann; ich bitte die heilige Dreieinigkeit, den Vater, „den Sohn und den heiligen Geist, Dich zu schützen und zu „behüten vor allem Uebel, zumeist vor einem Tode in Sün„den, damit wir uns einst nach dem Ende dieses Gebens vor „Gott wiederfinden und ihm in seinem himmlischen Reiche „Vob und Dank singen können ewiglich.

Amen."

Nachdem der gute König St. Ludwig den Monseigneur Philipp, seinen Sohn also unterwiesen hatte, stieg die Krank­ heit, an welcher er darniederlag, sichtlich.

Er begehrte nach

den Sacramenten der heiligen Kirche, und sie wurden ihm bei vollem Bewußtsein gereicht.

Das zeigte sich deutlich, als

man das heilige Amt mit ihm begann imb die sieben Psalmen hersagte, denn er sprach selbst die Verse jener sieben Psal­ men mit den Uebrigen, welche dem Priester bei Verrichtung der heiligen Handlung antworteten.

Der Graf von Alencen,

des Königs Schn, der gleich ihm dem Tode nahe war, er­ zählte mir nachmals, sein Vater habe die Heiligen des Himmels inbrünstig angefleht ihm bei seinem Scheiden beizuslehen, habe den heiligen Jacob angerufen, indem Gebet hersagte,

er dessen

welches beginnt: Esto Domino; und das

Gebet des heiligen Dionysius von Frankreich, welches lautet:

197 "Herr Gott gieb uns Kraft die Güter dieser Welt also zu "verachten, daß wir kein Mißgeschick fürchten."

Er ließ sich

auf ein Bette legen, daS mit Asche überstreut war.

Dort

kreuzte er die Hände über der Brust, blickte gen Himmel und sein Geist kehrte zu seinem Schöpfer zurück, in derselben Stunde, in welcher unser Heiland Jesus Christus um un­ serer Sünden willen am Kreuze starb. Fromm und gerecht sind die Thränen, welche über daS Scheiden dieses Fürsten stoffen,

der so heilig

gelebt, sein

Königreich so wohl beschützt und regiert und so viel rühm­ liche Gotteswerke vollführt hat.

Wie der Schriftsteller sein

Buch mit Bildern schmückt, damit es verschönt und verherr­ licht sei, also hat der fromme König sein Land durch Hos­ pitäler, Klöster und Kirchen bereichert, die er während seines Lebens baute, Gott zu Lob und Preis. Er schied von dieser Welt am Morgen nach dem Fest­

tag deS Apostels St. Bartholomäus im Jahr 1270 (66 Jahre alt).

Sein Leichnam wurde nach St. Denis in Frankreich

gebracht, woselbst man ihn an der Stelle beisetzte, welche er seit lange für sein Grab bestimmt hatte, und Gott wirkte

nachmals auf fein Gebet viel Wunder. Nicht lange nach seiner Beisetzung kam ein Prälat, in Auftrag deS heiligen BaterS in Rom, *) nach Paris.

Dies

*) Der Erzbischof von Ronan, der Bischof von Aupere und der Erzbischof von Spoledo waren beauftragt, Nachforschung über die Wunder des heiligen Ludwig anzustellen. forschung

dauerte

zwölf Jahre.

Der

Diese Nach­

Bericht wurde nach

Rom gesandt und Papst Martin IV. übertrug dessen Prüfung drei Cardinälen. Bericht

wurde

Doch Martin starb bald nachher, und der Honorius IV.

eingehändigt.

Auch

er

lebte

nicht lange genug, um diese Angelegenheit zu ordnen, und eS

198 war der Erzbischof von Rouan, ein anderer Bischof beglei­ tete ihn, und sie gingen nach St. Denis in Frankreich, wo­ selbst sie lange verweilten, um über die Thaten und Wunder des

guten

Königs

St. Ludwig

Nachforschung

anzustellen.

Dorthin beschieden sie mich, auf daß ich ihnen mittheile, was ich wußte, und ich verweilte wohl acht Tage in ihrer Ge­ sellschaft.

Nachdem sie aber Alles wohl erkundet hatten, was

den frommen König betraf, sandten sie ihre Berichte an den Hof zu Rom.

Die Gültigkeit seiner Ansprüche wurde an­

erkannt und er unter die Zahl der heiligen Glaubensbekenner aufgenommen.

Darüber herrschte in Frankreich mit gültigem

Rechte große Freude und gereicht dies denen seiner Nach­ kommen, welche ihm nachstreben mögen, gar sehr zur Ehre, denen aber, welche ihm nicht nacheifern, sehr zur Unehre, denn man wird mit Fingern auf sie deuten und sagen: solche Uebelthat hätte sich der fromme König nimmer zu Schulden kommen lassen. Nachdem

die

Freudenbotschaft

von

Rom

eingetroffen

war, bestimmte der regierende König den Tag, an welchem der heilige Körper aus der Gruft genommen werden solle.*» Der damalige Erzbischof von ReimS und Herr Heinrich Bitliers, der damalige Erzbischof von Lion, hoben ihn empor und trugen

ihn vorwärts.

Mehrere andere Erzbischöfe, de­

ren Namen ich nicht weiß, halfen ihn weiter bringen und der Bruder Jean von Semours hielt vor der versammelten Menge eine Rede über ihn.

Darin rühmte er unter andern

Eigenschaften des guten Königs, auch dessen große Redlichkeit, war Bonifaciuö VIII. der Ludwig den IXten am Ilten Au­ gust 1297 unter die Zahl der Heiligen aufnahm. *) Tie Veiche des heiligen Ludwig wurde im Jahr 1298 von St. Denis nach der Heiltgen.-Capelle zu Paris gebracht.

199 von der ich ihm erzählt hatte und die so unerschütterlich war, daß er selbst seinen Feinden, den Sarazenen gegenüber sein Wort um keinen Preis der Welt gebrochen haben würde, wie ich früher schon sagte.

Der Bruder Jean von SemourS

theilte aus dem Leben des heiligen Ludwig die Züge mit, welche hier geschildert sind.

Nachdem er aber geendet, trug

der König mit seinen Brüdern und Angehörigen den Körper des heiligen Fürsten nach St. Denis, um feine Ueberreste zu ehren, durch welche ihnen Ehre zu theil ward, wenn sie dessen nicht durch eigene Schuld verlustig gingen. Eines noch will ich zum Ruhme des heiligen Königs St. Ludwig berichten.

Mir träumte einstmals, ich sei in

meiner Capelle zu Joinville. Dort trat der König, so schien eS mir, ganz heiter vor mich und auch ich war fröhlich ihn in meinem Schlöffe zu sehen und sprach:

"Sire, wenn Ihr

„von hier fort geht, werde ich Euch nach einem andern mir „zugehörigen Schlöffe in Chevillon bringen." nig entgegnete mir lächelnd:

Doch der Kö­

„Herr von Joinville, bei mei-

„ner Treue, ich werde nun, da ich einmal hier bin, nicht so „bald von dannen gehen." Darauf erwachte ich und sagte mir in meinem Herzen, es werde Gott und dem Könige wohlgefällig sein, wenn ich ihm in meiner Capelle ein Denkmal stifte.

Dies that ich

alsbald, ließ Gott und ihm zu Ehren einen Altar errichten und bestimmte, cd solle davor jeden Tag eine wohlgeordnete Messe Gott und dem heiligen Ludwig gelesen werden.

DaS

berichtete ich König Ludwig, deffen Nachfolger, damit, wenn ich Gott und dem heiligen Ludwig Dank weihe, mir irgend eine Reliquie vom wirtlichen Leib des heiligen Königs für meine Capelle

in Joinville zugetheilt werde, zu größerer

Erbauung und Erhebung derer, welche kommen, den von mir erbauten Altar zu sehen.

200 Aum Schluffe sage ich den Lesern dieses Büchlein», daß WeS gewißlich wahr ist, wovon ich hier berichte, rS sei von nir miterlebt worden und daß sie solche» fest glauben könitn. Was ich dagegen als Ohrenzeuge wieder erzähle, nehnet nachsichtig auf. Möge Gott un» auf Fürsprache des heiligen Ludwig zrtheilen, was uns noth thut für Seel und Leib.

Payard, der Ritter ohne Furcht und Tadel.

Die sehr ergötzliche und erbauliche Lebensgeschichte des guten Ritters ohne Furcht und Tadel.

Kapitel

I.

Wie der edle Herr von Bayart, Vater des guten Ritters ohne Furcht und Tadel, erfahren wollte, welchen Stand feine Söhne zu wählen dächten.

3>n der Dauphine, Besitzthum der Könige von Frank­ reick seit 40 bis 60 Jahren, wo jene Provinz ihnen von einem Dauphin 2)mbert, dem letzten seine- Stammes, über­ lassen wurde, giebt es eine große Zahl angesehener adliger Familien, aus denen so viel tugendsame, treffliche Ritter hervorgegangen sind, daß man in der ganzen Christenheit davon redet, und wie der Scharlach die köstlichste aller Farben ist, nennt man, unbeschadet der Edelleute anderer Provinzen, die der Dauphins den Sckarlach, daS heißt, die Blüthe des französischen Adels. Unter diesen Familien war die der Bayard 1) von alter und edler Abkunft. Das haben die, welche daraus hervor­ gingen, wohl bewährt; denn am Scklachttage von PoitierS starb der Ururgroßvater des guten Ritters ohne Furcht und Tadel zu Füßen von König Franz Johann; am Tage von Azincourt fiel sein Urgroßvater; an dem von Montlehery

204 blieb sein Großvater mit sechs tödtlichen Wunden auf dem Schlachtfelde liegen, und an dem von Guignegaste wurde sein Vater so stark verwundet, daß er sein Haus nicht mehr verlaßen konnte, woselbst er fast 80 Jahre alt starb. Einige Zeit vor seinem Ende erwog er, daß ihm dieirdische Dasein nicht lange mehr bestimmt sein könne; des­ halb ließ er, Angesichts seiner Ehefrau, einer sehr frommen, gottergebenen Dame, Schwester des Bischofs von Grenoble, aus der Familie der Allemans,

seine Kinder, vier Söhne,

die Gott ihm geschenkt hatte, zu sich bescheiden.

Sie traten

vor ihn und er fragte den Erstgebornen, der 18 bis 20 Jahre alt war, welchen Stand er zu erwählen denke.

„Ich will

"das Haus nimmer verlaßen," antwortete dieser, „will Euch „dienen bis an Euer Lebensende." —

„Gut Georg," ent­

gegnen der Vater, „da Du das Haus liebst, wirst Du hier „bleiben und mit den Bären kämpfen." Der zweite Sohn war der gute Ritter ohne Furcht und Tadel.

Er war wenig über l.‘J Jahre, war frisch und

aufgeweckt wie ein Falke und antwortete auf die Frage, welckeu Stand er zu wählen denke, mit freundlicher Miene und so gesetzt, als wäre er 50 alt: „Obwohl ich elterlicher Liebe „so Großes schulde, daß ich jedes andern Verlangens ver„gessen und Euch bis zum Schluß Eurer Tage dienen sollte, „hat doch das gute Beispiel der edeln Männer vergangener „Seiten und insbesondere unserer eigenen Familie, davon ihr „uns täglich erzählt, sich mir so tief ins Herz geprägt, daß „ick mich, wenn es Euch gefällt, gleich unsern Vorfahren „dem Waffendienst widmen

will.

Kein Ding

der Welt

„dünkt mich so schön, und ich hoffe, Gott werde mir helfen, „daß ick Euch nickt Unehre schaffe." —

„Gott stärke Dich

„dazu, ment Kind," entgegncte der gute Greis mit Thränen. „Schon jetzt ist

Tein Angesicht dem

Deines Großvater-

205 „ähnlich, der zu seiner Zeit einer der vollkommensten Ritter „der Christenheit war.

Ich will trachten, Dir zu dem zu

„verhelfen, waS Dir zur Erfüllung Deines Begehrens Noth „thut." —

Hierauf richtete er feine Frage an den dritten

Sohn, und dieser sagte, er wünsche den Stand seines Oheims, des Monseigneur von ESnay zu erwählen, der eine Abtei nahe bei Lyon besaß.

Sein Bater bewilligte eS ihm; er

schickte ihn durch einen Verwandten jenem Oheim, der ihn zum

Mönch erzog

und

er wurde später durch den

guten

Ritter, seinen Bruder, Abt von Iozaphat in der Vorstadt von Chartres.

Der vierte Sohn entgegnete auf des VaterS

Frage, er wolle werven, waS sein Oheim der Monseigneur von Grenoble sei.

Auch dies wurde zugestanden, er wurde

dem Bischof übergeben und bald darauf CanonicuS der Kirche Rotre-Dame;

später,

durch

Vermittlung

Bischof von GlandeveS in der Provence.

seines

Bruders,

So viel von den

Brüdern des guten Ritters.

Kapitel

II.

Wie tcr Vater tcd guten Nitterö seinen Schwager von Grenoble zu sich bescheiden ließ. Rach der oben mitgetheilten Unterredung mit seinen vier Söhnen sandte der Vater des guten Ritters, der das HauS nicht mehr verlassen konnte, einen seiner Diener nach Gre­ noble zu dem Bischof, seinem Schwager, und ließ fragen, ob ihm wohl genehm sei, wegen einiger Dinge, die er mit ihm zu besprechen wünsche, nach seinem Schlosse zu kommen. Dazu war der gute Bischof, der nimmer müde wurde, An-

206 dern Gutes zu erweisen, sehr bereit, brach gleich nach Em­ pfang des Briefes

auf und kam nach dem Hause BayardS,

woselbst er seinen Schwager am Camin sitzend fand, waLeute feines Alters gerne zu thun pflegen.

Sie begrüßten

sich, und speisten und tranken zusammen, in Gesellschaft einiger anderer Edelleute der Dauphine, dann zog sich jeder nach seinem Zimmer zurück und legte sich schlafen. Am folgenden Morgen las der Bischof von Grenoble die Messe und man versammelte sich, als sie vorüber war, zu

einem

trefflichen Mittagsmahl, wobei

der gute

Rit­

ter so geschickt aufwartete, daß Alle ihn deshalb belobten. Gegen

Ende der Tafel, nachdem

die GraciaS gesprochen

waren, hub der alte Herr von Bayard an: „Es ist nunmehr „Zeit, vielgeehrte Herren, daß ich sage, weshalb ich Euch zu „sehen begehrte.

3hr alle

seid meine Anverwandten und

„Freunde und seht, daß ich, vom Alter bedrückt, nicht wohl „zwei Jahre mehr leben kann.

Gott hat mir vier Söhne

„geschenkt, die ich befragt habe, welchen Stand sie zu erwäh„len denken.

Da hat mir Pierre gesagt, er wünsche den

„Waffendienst zu üben und hat mich das absonderlich erfreut, „denn er ist in seinem äußeren Erscheinen

ganz und gar

„meinem verstorbenen Herrn Bater, Eurem Anverwandten „ähnlich, und gleicht er ihm auch in anderen Beziehungen, so „muß er ein sehr vorzüglicher Mann werden, an dem Ihr, „als meine guten Freunde und Anverwandten, groß Ver„gnügen haben würdet.

Nun thut eS Noth, daß ich ihn in

„das Haus irgend eines angesehenen Gebieters oder Prinzen „bringe, damit er lerne sich ehrenvoll betragen, später aber, „wenn

er

ein wenig herangewachsen ist,

int Waffendienst

„unterrichtet werde und ich ersuche Euch, mir zu sagen, wo „ich ihn am sichersten hingebe." Da

meinte der

eine

zu dem Könige von Frankreich,

207 der andere in da- HauS Bourbon, der Bischof von Grenoble jedoch sprach:

"Ihr wisset, daß ich in naher Freundschaft

"Mil dem Herzog Carl von Savoyen stehe, und daß er mich "zur Zahl seiner guten Diener rechnet.

Ich glaube, er wird

"den Knaben gerne als Pagen zu sich nehmen.

Er ist in

"Chambery nicht weit von hier; scheint es Euch und diesen "Herren wohlgethan, so kleide ich Pierre ziemend, gebe ihm "einen guten kleinen Hengst, den ich vor ein paar Tagen "von dem Herrn von Riage zurück erhalten, und bringe ihn "zum Herzog." Dieser Vorschlag wurde von allen Versammelten

und

auch von dem Herrn von Bayard gut geheißen; er übergab daher dem Bischof seinen Sohn und sprach: "Monseigneur,

ich

bitte

unsern Herrn, daß

"Nehmet ihn, er Euch im

"Laufe seines Lebens Ehre mache." Gleich darauf ließ der Oheim einen Schneider aus der Stadt zu sich bescheiden, der Sammet, AtlaS und andere zur Kleidung de- guten Ritters nothwendige Dinge bringen mußte.

Dieser kam und arbeitete die ganze Nacht, so daß

am folgenden Morgen Alle- bereit war.

Der Knabe aber

säumte nicht den neuen Schmuck anzuthun, stieg gleich nach dem Frühstück auf seinen Hengst und zeigte sich der versam­ melten Gesellschaft im untern Hofraum, ganz als hatte man ihn zur Stunde dem Herzoge von Savoyen vorstellen wol­ len.

Da hob sich das Pferd, welches die allzuleichte Last

auf sich fühlte, obwohl Pierre ihm die Spornen in die Sei­ ten drückte, und that ein paar Sätze, wodurch die Anwesen­ den in Schrecken geriethen, Schaden nehmen.

indem

sie meinten,

er werde

Anstatt indeß nach Hülfe zu rufen, gab

er dem sich unter ihm bäumenden Pferde, muthigen Herzens und sicher wie ein junger Löwe, drei oder vier Stiche mit

208 den Spornen und ließ es einen Carrierlauf um den Hof her machen, bändigte es, gleich als wäre er ein Dreißiger. Daß der gute Greis sich freute, bedarf keiner Versiche­ rung.

Fröhlich lächelnd fragte er seinen Sohn, ob er nicht

Furcht habe, denn er war erst vierzehn Tage aus der Schule genommen.

Der Knabe aber antwortete mit fester Miene:

„Bevor sechs Jahre um sind, hoffe ich dies oder ein anderes „Roß

unter Gottes Beistand

„bändigen. „ich

an

gefährlicherer Stelle

zu

Hier bin ich unter Freunden und dann konnte

unter Feinden

meines

künftigen Gebieters sein.„ —

„Nun auf! auf!" sprach der gute Bischof von Grenoble, den eS zur Abreise drängte, „kommt mein Neffe, mein Kind; „steiget nicht ab, saget hier den versammelten Herren Lebe„wohl." — Da wandte sich der noch junge Knabe freundlich gegen seinen Vater und sprach: „Mein Herr Vater, ich bitte „den Erlöser, daß er Euch ein glückliches und langes hebert „verleihe, mir aber Gnade gebe, damit Ihr noch vor Eurem „Heimgang gute Kunde von mir vernehmet." — „Darum, „mein Kind," entgegnete der Vater, „flehe ich ihn an;„ und ertheilte ihm seinen Segen. senden

Edelherren

Pierre sagte nun den anwe­

einem nach

dem

andern Lebewohl

und

diese ergötzten sich nicht wenig an seinem Anblick. Indeß befand sich die arme Dame, einem

Thurm

des

Schlosies

war sie auch fröhlich,

und

weinte

seine Mutter bitterlich;

in

denn

daß ihr Sohn den Weg der Ehre

betreten wolle, so preßte doch mütterliche Liebe ihr Thränen aus.

Ein Bote kam und fragte:

„Edle Dame, möget Ihr

„Euern Sohn noch einmal sehen? er ist unten im Hof zu „Pferde, zur Abreise bereit." —

Da stieg sie vom Thurm

herab, ließ den Knaben zu sich rufen und sagte: „Pierre, mein Sohn, Ihr werdet in den Dienst eines „edeln Prinzen treten; dabei ermahne ich Euch so sehr, als eine

209 „Mutter ihr Kind ermahnen kann, zu drei Dingen; thut „Ihr danach, so könnt Ihr sicher sein, ruhmvoll in dieser „Welt zu leben. Das erste ist, daß Ähr vor Allem Gott „liebet und fürchtet und ehret, ohne ihn irgend zu beleidigen, „wenn eS Euch möglich ist. Denn er hat uns erschaffen, „er läßt uns leben, er wird unS erlösen und ohne seine „Gnade können wir nimmer das kleinste gute Werk auf die„ser Welt vollbringen. Empfehlet Euch ihm jeden Abend „und jeden Morgen, so wird er Euch beistehen. Meine „zweite Ermahnung ist, daß Ihr Euch allen Edelleuten ge„genüber sanft und höflich betraget und Euch allen Hoch„muthes entkleidet. Seid bescheiden und dienstfertig gegen „jedermann. Seid weder Lästerer noch Lügner. Hallet Euch „mäßig in Effen und Trinken. Hütet Euch vor Neid, denn „das ist ein übles Laster. Seid weder ein Schmeichler noch „ein Zuträger, denn solcher Art Leute gelangen nicht leicht „zu Vollkommenheit. Seid redlich in Worten und Thaten. „Haltet was Ihr versprechet und stehet den Wittwen und „Waisen bei, das wird Gott Euch vergelten. Zuletzt em„pfehle ich Euch, seid barmherzig und theilet von den Gütern, „die Euch zufallen werden, den Armen mit. Dem Herrn „zu Ehren geben hat nimmer einen Menschen arm gemacht. „Vertrauet mir so viel mein Kind, daß Ihr glaubet, die „Almosen, welche Ihr gebet, werden Euch viel Gewinn brin„gen an Seel und Leib. Das ist Alles, was ich Euch an„empfehle. Ich glaube wohl, Euer Vater und ich werden „nicht lange mehr leben. Möchte Gott unS indeß Gnade „verleihen, damit unS, bis wir von hier abberufen werden, „stets gute Kunde von Euch zukomme.« — Dem entgegnete der gute Ritter: „Für Eure Lehre, meine liebe Frau Mutter, danke ich „Euch so demüthig, als ich nur kann, und hoffe sie wohl zu Zeit- u. Charakterbilder.

14

210 "befolgen, hoffe, Euch unter Beistand besten, welchem Ahr "wich empfehlt, zufrieden zu stellen.

Ich grüße Euch sehr

"ehrfurchtsvoll und sage Euch Lebewohl." Da zog die gute Dame aus ihrem Bermel eine kleine Börse hervor, in welcher sich nicht mehr als sechs Thaler in Gold und etwas kleine Münze befand, gab sie ihrem Sohne und rief einen von des Bischofs, ihres Bruders Dienern, um ihm einen kleinen Mantelsack mit ein wenig Wäsche für Pierre einzuhändigen.

Zugleich bat sie, er möge, wenn der

Knabe dem Herzoge von Savoyen vorgestellt sei, einem Die­ ner des Stallmeisters, welchem man die besondere Leitung des jungen Pagen übertragen werde, ans Herz legen, daß er sich dessen annehme, bis er ein wenig älter sei und gab ihm für diesen ein Geschenk von zwei Thalern. Unterdes; empfahl

sich der Bischof von Grenoble den

versammelten Herren, rief seinen Resten, der sich auf seinem schönen Hengst so glücklich fühlte, wie im Paradies, und be­ gab sich mit ihm alsbald auf den Weg von Chambery, wo­ selbst der Herzog Carl von Savevcn damals verweilte.

Kapitel III. Wie der Bischof von Grenoble feinen Neffen, ten guten Ritter ohne Furcht und Tadel, dem Herzoge (5atl von Savoyen vorstellt.

Bei der Abreise

von

Schloß Bayard,

welche eines

Sonnabends nach dem Frühstück statt hatte, ritt der Bischof von Grenoble so rasch, daß er gegen Abend Chambery er­ reichte.

Dort kam ihm die Geistlichkeit entgegen, weil jene

Stadt von Alters her zu dem BiSthum von Grenoble ge­ hörte und ihren Official und Gerichtshof daselbst hatte.

211 Der Bischof fand gastliche Aufnahme bei einem angese­ henen Bürger. Der Herzog wohnte mit einer Menge Edel­ herren aus Savoyen in Piemont in seinem eigenen Hause. Jenen Abend blieb der Bischof daheim, ging nicht nach Hofe, obwohl der Herzog von seiner Ankunft wußte und sich ihrer sehr freute, denn der Bischof war ein ganz besonder- heiliger und frommer Mann, wenn man dies überall von irgend wem sagen darf. Am nächsten Morgen, als Sonntag-, ganz frühe, klei­ dete sich der Herr von Grenoble und machte dem Herzoge seine Aufwartung. Dieser empfing ihn sehr freundlich und unterhielt sich mit ihm den ganzen Weg bis zur Kirche, wo er Mesie horte. Dort bediente ihn der Bischof, wie solchem Fürsten ziemte, indem er ihm das Evangelium und den Kelchteller zum Kuffe reichte. Nach vollendetem Gottesdienste aber führte der Herzog ihn an der Hand zu seiner Tafel, woselbst der gute Ritter dem Bischof, seinem Oheim, sehr geschickt den Becher darbet und sich gar artig benahm. Dieverwunderte den Herzog wegen der Jugend des Kindes und er fragte: "Monseigneur von Grenoble, wer ist der Knabe, "der Euch zu trinken reicht?" — "ES ist ein KriegSmann," antwortete dieser, "den ich Euch vorstellen will, damit er "Euch Dienst leiste, so eS Euch gefällt. Jetzt ist er nicht "dazu vorbereitet. Bewilligt Ihr es mir, so möchte ich eS "nach Tafel thun, da könnt Ihr ihn nach Gefallen beschauen." — "Fürwahr," entgegnete der Herzog, »er ist mir schon "lieb geworden und wäre seltsam, wollte ich solch Geschenk "zurückweisen." — Der gute Ritter, der die Absicht seines OheimS kannte, kostete nicht viel von den Ueberresten des Mahles, welche die Dienerschaft erhielt, ging heim, ließ seinen Hengst satteln, ordnete Alles wohl, schwang sich in den Sattel und ritt in 14*

212 zierlichem kurzen Trab nach dem Hof im Hause

deS Herzogs

von Savoyen. Dieser war schon aus dem Saal getreten und lehnte auf einer Galerie.

Er sah den Knaben, der sein Pferd bäu­

men lietz, als wäre er 30 Jahre alt und sein Lebelang in Kriegsdienst gewesen; wandte sich zu dem Bischof und sprach: "Monseigneur von Grenoble, ich glaube

eS ist Euer zierlicher

"Page, der dies Pferd so gut reitet." — "Er ist es, Mon"seigneur," entgegnete jener, "ist mein Neffe und von einer "guten Familie, der edle Ritter entsprosien sind.

Sein Va-

"ter, den Wunden, die er in Kriegen und Schlachten davon"trug und Alter so hinfällig machen, daß er nicht zu Euch „kommen konnte, empfiehlt sich Eurer Gnade sehr demüthig „und schickt Euch seinen Sohn zum Geschenk." — "Fürwahr," antwortete der Herzog, "solche Gabe empfang' ich gerne; sie "ist schön und dankenswerth, laffe Gott den Knaben zum "kräftigen Manne heranreifen." seiner Stallmeister, dem

Er beschied hierauf einen

er vornehmlich vertraute, zu sich

und übergab ihm den jungen Bayard, indem er sprach:" Ich "empfehle ihn Eurer Obhut, irre ich nicht so wird er der „einst ein angesehener Mann werden." Sein Geschäft vollbracht, zögerte der Bischof von Gre­ noble nicht länger, dankte dem Herzog sehr demüthig, be­ urlaubte sich und kehrte heim. einige Zeit in Chambery.

Der Herzog aber blieb noch

213

Kapitel IV. Wie ter reu Laven en völlig (on befuebfe und teil Ritten Ritter ebne Furcht und Tadel als seinen Paflen mit sich nahm.

Der gute Ritter blieb wohl ein halbe- Jahr lang als Page bei dem Herzoge von Savoyen und erwarb sich bei hohen, wie bei geringen und niederen Personen so viel Zu­ neigung, als jemals einem Kinde zu Theil ward. Den Her­ ren und Damen diente er auf das Schicklichste und kein Page noch Edelknabe kam ihm in irgend einem Dinge gleich. Er sprang, kämpfte und warf die Lanze, wie eS bei seiner Größe nur möglich war, und verstand trefflich ein Pferd zu bändigen, so daß sein guter Gebieter, der Herzog ihn lieb gewann wie einen Sohn. Eines Tage- als jener Fürst in Chambery ein Gast­ mahl gab, beschloß man, den König von Frankreich in Lyon aufzusuchen, woselbst er mit seinen Prinzen und Edelherren fröhlich Hof hielt; jeden Tag Festspiele und Turniere und am Abend Tanz mit den Damen der Stadt veranstaltete, die dort meist schön und anmuthig sind. In der That aber war der junge König Carl gut und höflich, freigebig und barm­ herzig, und war schade, daß er schon mit 27 Jahren starb, denn er würde bei längerem Leben Großes vollführt haben. Der König wußte, daß der Herzog von Savoyen zu ihm komme und sandte ihm einen Prinzen aus dem Hause Luxemburg, den Herrn von Ligny, mit anderen Edelleuten und einigen Bogenschützen der Garde, bis zwei Meilen vor Lyon entgegen. Dort begrüßten sich der Herzog und der Prinz aufs schönste, denn beide waren sehr höflich. Sie unterhielten sich lange und der Herr von Ligny hatte dabei

214 Gelegenheit, den jungen Bayard zu bemerken, welcher seinen Hengst zierlich und stattlich traben ließ. "Monseigneur,- sagte er zum Herzog, "Ihr habt da einen Pagen, der ein mun "teres Pferd reitet und eS wohl zu bändigen versteht." — "Noch ist es kein halbes Jahr," entgegnete jener, "daß der „Bischof von Grenoble mir ihn schenkte, und man hatte ihn "damals eben aus der Schule genommen. Fürwahr aber "sah ich nimmer einen Knaben seines Alters, der sich zu "Fuß und zu Roß kühner behauptete; auch hat er viel An"muth. Er stammt auS einem Geschlecht, dem viel starke "Und edle Ritter entsprosieu sind, und ich glaube, er wird "ihnen ähnlich werden. — Bayard," rief er diesem zu, "spor "Net Euer Pferd und lastet eS einen kauf thun." — Der Knabe verlangte nichts Besteres, gehorchte alsbald, hielt sich trefflich und ließ am Ende des Laufes sein äußerst munteres Pferd drei oder vier artige Sätze machen, zu großem Ver­ gnügen der ganzen Gesellschaft. "In der That, Monseigneur," sprach der Herr von Ligny, "dies ist ein junger Edelmann, der meines Dafürhaltens ein "schmucker Ritter werden wird, so Gott ihn am Leben er "hält. Ihr solltet den Pagen und das Pferd dem Könige "Zum Geschenk geben; das wird ihn freuen, denn das Pferd "ist stark und schön und der Page. meine ich, ist noch bes"ser." — "Diesen Rath will ich befolgen," antwortete jener, "soll aus dem Knaben etwas werden, so giebt es keine bes"sere Schule für ihn, als das Haus Frankreich, welches stets "ruhmvoller geblüht hat, als andere Fürstengeschlechter." Unter solchem Gespräch erreichten sie Lyon. Die Stra­ ßen waren mit Menschen gefüllt, die Fenster mit Damen besetzt, um den Herzog vorüber ziehen zu sehen, der wirklich ein sehr schöner und guter Prinz war, ein stattliche- Geleite hatte und durch seine Haltung wohl zeigte, daß er auS hohem

215 Hause stamme.

ES war ein Mittwoch,

und

er stieg am

Abend in seiner Wohnung ab, behielt den Herrn von Ligny und den Herrn von AveSneS, Bruder des König- von Na­ varra, einen sehr rühmenswerthen Gebieter, mit anderen Herren zur Tafel bei sich.

De- Königs Spieler und Sän­

ger erfreuten die Gesellschaft durch ihre Künste, man trank und scherzte, trieb allerlei Kurzweil, bis endlich ein jeder sich zurückzog und heimkehrte.

Kapitel V. Wie der Herzog von Savoyen dem Könige von Frankreich in seinem Schloß aufwartete.

Donnerstag Morgen schmückte sich der Herzog, um sich zum Könige zu begeben.

Ehe er jedoch aufbrach, kamen die ge­

nannten Herren von Ligny und Ave-ne-, mit dem Marschall von @ie, der damals viel bei Hofe galt.

Sie begleiteten

den Herzog zum Könige, fanden diesen, da er eben zur Meffe nach

einem Franziskanerkloster in

der Vorstadt von Lyon

gehen wollte, an der Schwelle seiner Zimmerthür. Der Herzog verbeugte sich vor ihm so tief, als solch mächtigem Fürsten gegenüber ziemte, der König aber, der sehr bescheiden war, umarmte ihn und sprach:

"Seid will-

"kommen, mein Detter, mein Freund; ich freue mich, Euch „zu sehen und fürwahr thatet Ihr wohl zu kommen, denn "Unterliefet Ihr es, so war ich entschlosien, Euch in Eurem "Lande zu besuchen, woselbst ich Euch weit mehr Last berei"tet hätte." —

"Ihr könnt mir nicht Last schaffen, Mon­

seigneur," entgegnete jener, "mein einziges Leid, wenn Ihr

216 »nach Eurem und meinem Lande kämet, wäre nur, daß Ihr »nicht empfangen werden könntet, wie solch hohem Gebieter »ziemt; wohl aber sage

ich, daß

ich mit Herz und Leib,

»Vermögen und Wissen, wenn Gott mir einiges verliehen »hat, zu Eurem Dienste bereit bin, gleich als wäre ich der »geringste Eurer Knechte.» Hierüber erröthete der König ein wenig und dankte dem Herzog.

Sie stiegen auf ihre Maulthiere, ritten in steter

Unterredung die Stadt entlang, bis zum Kloster der Fran­ ziskaner, wo sie

andächtig Meffe hörten und der Herzog,

als der zumeist geehrte Prinz, dem Könige nach Sitte den Teller zum Opfer darreichte.

Ins Schloß heimgekehrt, blieb

der Herzog mit andern Prinzen und Herren zur Tafel und man plauderte

während

des

Waffen und Liebesmährlein.

Essens

über Hunde,

Vögel,

Da sprach der Herr von Ligny

zum Könige: »Sire, der Fürst von Savoyen will Euch einen »Pagen schenken, der einen kleinen Hengst so geschickt lenkt, »als ich dies je von einem so jungen Reiter sah.

Er kann

»nicht über 14 Jahre alt sein, handhabt aber sein Pferd, »als wäre er 30.

Möget Ihr die Meffe zu Esnay hören,

»so werdet Ihr Euer Vergnügen an dem Kinde haben.» — »Das will ich sicherlich thun,» antwortete der König, sah den Herzog an und sprach: »Mein Vetter, wer hat Euch den »artigen Pagen gegeben, von dem der Herr von Ligny re­ det?» — »Er gehört zu Euren Unterthanen, Monseigneur,» »sprach jener, »stammt »aus der

lauter

edle

aus

einer Familie der Dauphins,

Ritter hervorgegangen sind.

Sein

»Oheim, der Bischof von Grenoble, hat mir ihn vor sechs »Monaten geschenkt.

Der Herr von Ligny sah ihn und er

»gefiel ihm wohl; auf der Wiese von ESnay könnt Ihr ihn »Euch nach Gefallen betrachten.» Bei dieser Unterredung war der gute Ritter nicht ge-

217 genwärtig, doch wurde ihm bald mitgetheilt, daß der König ihn zu Pferd sehen wolle, und ich glaube, wenn er die Stadt Lyon gewonnen hätte, wäre er nicht so fröhlich gewesen. Er ging eilend- zu dem Stallmeister de- Herzog- von Savoyen, Herrn Pizou von Chena- und sprach: "Meister, mein Freund, "ich höre der König hat zu meinem Herrn gesagt, er wolle "nach dem Esten meinen Hengst sehen und mich darauf. Ich "bitte Euch auf- dringlichste, lastet ihn satteln, ich will Euch "dagegen gerne meinen kurzen Degen schenken." — „Bayard, "mein Kind," antwortete der Stallmeister, der de- Knaben guten Witten erkannte, "behaltet Euer» Degen, ich will ihn "nicht und danke Euch. Kämmet Euer Haar und machet Euch "schmuck, Euer Pferd soll wohl bereit sein. Und gebe Gott "Euch Gluck, damit der König von Frankreich Euch in Gunst "nehme. Darau- kann Euch viel Heil erwachsen, und Ihr "könnt unter Gotte- Beistand ein so angesehener Herr wer"den, daß ich noch Gewinn davon habe." "Auf mein Wort, Meister," antwortete der gute Ritter, "ich vergesse nimmer der Liebesdienste, welche Ihr mir er. "wiesen habt, seit ich im Hause meines Gebieters, des Her"ZvgS, verweile, und schenkt Gott mir jemals Gut, so sollt "Ihr deffen inne werden." Gleich darauf eilte er nach dem Zimmer des Stallmei­ sters, bürstete seine Kleider, kämmte sich und putzte sich aufs beste, in Erwartung, daß man ihm einen Wink gebe. Der blieb nickt aus. Zwischen zwei und drei Uhr kam der Stall­ meister, deffen Leitung Bayard übergeben war, um ihn zu rufen; fand ihn ganz fertig und sprach: "Bayard, mein "Freund, ich sehe wohl, ich werde Euch nicht behalten; mein "Gebieter der Herzog hat Euch, wie ich höre, dem Könige "von Frankreich geschenkt, der Euch auf der Wiese von E-,,nay auf Eurem Hengste sehen will. Ich bin nicht betrübt

218 „über Euer Emporkommen, doch fällt es mir schwer, Euch „scheiden zu sehen." — „Gebe Gott mir Gnade, Herr Stall„meister," entgegnete der junge Bayard, „die Tugenden fort„zuüben, worin Ihr mich nnterwiesen habt, seit ich Eurer „Obhut übergeben wurde. Steht er mir bei, so soll Euch „nichts was ich thue ein Aergerniß sein, und komme ich an „einen Platz, wo ich Euch Dienst erweisen kann, so werdet „Ihr durch die That erfahren, wie dankbar ich Euch bin." ES galt kein Zögern mehr, denn die Stunde rückte vor, der Stallmeister stieg auf ein Pferd, der gute Ritter auf seinen Hengst, der auf das schönste gestriegelt und gezäumt war und sie ritten nach der Wiese von ESnay, um den König und seine Begleitung dort zu erwarten. Dieser kam zu Schiff die Saonne herauf und war kaum auS dem Fahrzeug gestiegen, als er den jungen Bayard mit seinem Stallmeister auf der Wiese erblickte. „Page, mein Freund," rief er ihm zu, „spornet Euer Pferd!" — Dies that Bayard alsbald und jagte fort, als hätte er seit langen Jahren solche Kunst geübt; ließ am Ende des Laufes den Hengst drei oder vier artige Sprünge machen, kehrte dann, ohne ein Wort zu sa­ gen, mit herabhängendem Zügel zum Könige zurück, hielt nahe bei ihm an und ließ sein Pferd sich bäumen, so daß der König und die ganze Versammlung absonderliches Vergnügen daran fand. — „Es ist unmöglich," sprach der König zum Herzog, „ein Pferd besser zu spornen;" wandte sich gegen Bayard und rief: „Piquez, piquez! (sporne, sporne!) noch „einen Lauf!" — „Piquez, piquez!*4 riefen die Pagen des Königs, und der gute Ritter hatte von da an einige Zeit den Beinamen Piguet. „Fürwahr," bemerkte der König, „ich sehe mit Augen, „was der Vetter von Ligny bei Tafel rühmte. Ich warte „nicht, bis Ihr mir Pferd und Pagen schenkt, ich bitte Euch

219 "darum." — --Sire," entgegnete der Herzog, „sein Herr ist --Euer, so könnt Ihr den Pagen wohl nehmen.

Möge er

„Euch durch Gottes Beistand guten Dienst leisten." — --DaS --wird sicherlich geschehen," sprach der König, „er muß ein „vorzüglicher Ritter werden.

Vetter von Ligny, ich übergebe

"ihn Euch, und er soll seines PferdeS nicht verlustig gehen; "lasset es in Euern Stall führen." — DaS freute den Herrn Don Ligny und dankte dem Könige, denn er dachte wohl, daß jener ihm einst Ehre machen werde, wie sich nachmals vieler Orten als wahr erwies.

Drei Jahre, bis zu seinem 17ten

Jahre, blieb der gute Ritter im Hause deS Herrn von Ligny, dann nahm dieser

ihn in seine Compagnie auf; zählte ihn

aber immer noch zu seinen Edelleuten.

Kapitel VI. Wie Herr 6lautc von 23aulttan, ein Edelmann au« Burgund, nach Lyon kam und dort auf de« König« Wunsch Waffenspielc zu Fuß und zu Roß anordnete. Der Herzog von Savoyen war nach einiger Zeit in sein Land heimgekehrt, vom König reich beschenkt und in Gnaden entlassen, und auch dieser schied von Lyon, reiste in Frank­ reich umher, seine Provinzen zu besichtigen. Nach zwei oder drei Jahren, als er in obige Stadt zu­ rückkam,

traf

er daselbst

einen Edelmann aus Boulogne,

Herrn Claude von Bauldray, der im Wassendienst wohl er­ fahren und sehr geneigt war ihn zu üben.

Dieser ließ den

König bitten, er möge ihm gestatten, daß er, den jungen Edelleuten

zu dienlicher

Uebung

und

Anstrengung,

einen

Zweikampf zu Roß wie zu Fuß, mit der Lanze und der

220 Streitaxt ankündige.

Sein Gesuch wurde ihm zugestanden,

denn der König achtete nächst dem Dienst Gotte-, welchem er sehr eifrig oblag, kein Ding höher, als ritterlichen Zeit­ vertreib. Der Herr Claude von Vauldray traf seine Anordnun­ gen aufs beste, hing seinen Wappenschild auf, und die Edclherren, welche sich beim Kampf

zeigen wollten, kamen und

berührten ihn und ließen sich bei dem zu diesem Geschäft ernannten Wappenkönig einschreiben. Eines Tages mm ging der gute Ritter, welcher feit dem Tage zu Esnay von jedermann Piquet genannt wurde, an dem aufgehangenen Wappenschild vorüber nnd dachte in seinem Herzen:

O mein Gott, wüßte

ich wie mich aus­

rüsten, so würde ich gerne diesen Schild berühren, um den Waffendienst zu lernen; blieb still und in steh versunken ste­ hen. —

"Auf was sinnet Ihr?" sprach Bellabre sein Ge­

fährte, ein Zögling dcö Herrn von Ligny, der mit ihm ging; "Ihr scheint ganz nachdenklich." — "That," "weshalb.

"DaS bin ich in der

enrgcgnete jener, »und ich will Euch

auch sagen

Mein Gebieter hat mich des Pagcndienstcs ent-

"bundcn und mich als Edelmann gekleidet, da fühle ich nun »Lust den Schild des Herrn Claude zu berühren, weiß aber »nicht, wer mir Harnisch und Pferd geben soll." — "Mein »Gefährte,» sprach Bellabre, der etwas älter und sehr kühn war, «denn in dem Hause des Herrn von Lignv, wie ich hier beiläufig

fcemerfen will, sind 50 Edelleute ausgebildet

und HO davon höchst tapfere, tugendhafte Führer geworden)

»mein Gefährte, habet Ihr nicht Euern Oheim, den Abt "von Esnay?2) wir gehen zu ihm, das schwöre ich, und »giebt

er uns nicht Geld, so tragen wir ihm Krummstab

»und Mitra fort.

Ich glaube, wenn er Eure gute Absicht

»kennt, thut er eS gerne." —

221 Auf dies Wort hin berührte Bayard den Schild, Montoye aber, der Wappenkönig, der gegenwärtig war, um die Namen aufzuzeichnen, hob an: „Wie, Piquet, mein Freund, „Ihr werdet in drei Jahren noch keinen Bart haben und „unternehmet es gegen Herrn Claude zu kämpfen, der einer „der stärksten Ritter ist?" — „ES geschieht nicht auS Stolz," entgegnete Bayard, „auch nicht ans Selbstüberschätzung, son­ dern nur an- Verlangen, den Waffendienst allmählich bei „denen zu lernen, welche mich darin unterweisen können. „Gefällt eS Gott, so hoffe ich etwas zu leisten, waS den „Damen Vergnügen macht." — Da lachte Montoye und freute sich sehr. ES wurde schnell in Lyon bekannt, Piquet habe den Schild des Herrn Claude berührt und kam auch dem Herrn von Ligny zu Ohren, der die- nicht um 1000 Tha­ ler gegeben hätte. Er erzählte e- sogleich dem König, und dieser war deffen sehr fröhlich. „Auf mein Wort, Vetter „von Ligny," sprach er, „Euer Zögling wird Euch einst Ehre „machen." — „Wollen sehen, waS eS giebt," antwortete jener, „er ist noch sehr jung um die Hiebe des Herrn Claude auS„zudauern." Schwerer, als den Schild zu berühren, war es für den guten Ritter, das nöthige Geld zur Anschaffung von Pferd und Rüstung zu erlangen. Er suchte deshalb Bellabre auf und sprach: „Mein Gefährte, mein Freund, ich bitte Euch, „begleitet mich zu dem Monseigneur von Esnay, meinem „Oheim, damit er mir Geld gebe. Ich weiß wohl, wäre „mein guter Oheim der Bischof von Grenoble hier, er ließe „mich nicht stecken; doch der ist in seiner Abtei von St. Sur„nyn zu Toulouse, das ist weit und nimmer könnte ein „Mensch, der dorthin ginge, rechtzeitig wieder zurück sein." — „Machet Euch keine Sorge," sprach Bellabre, „Ihr und „ich gehen morgen früh nach Esnay und ich hoffe, wir

222 "Werren Eure Sache gut führen."

Das tröstete den guten

Ritter ein wenig, doch konnte er die Nacht über nicht schla­ fen.

Sein

und

BellabreS

Bett befanden

sich

im

selben

Zimmer; sie standen zeitig auf, stiegen in einen der zu Lyon üblichen kleinen Kähne und ließen sich nach Esnay rudern. Dort angelangt, trafen sie im Hofe den Abt, der mit einem Mönche seine Horas sang.

Die jungen Leute grüßten

ihn, er aber, der schon wußte, waS sein Neffe gewagt habe, dachte sich wohl, daß er mit dem Beutel herausrücken solle, und empfing sie nicht sehr freundlich. Bayard und sprach:

Er wandte sich zu

"Ha, sauberer Herr, wer hat Euch so

"verwegen gemacht, den Schild des Herrn von Bauldray zu "berühren? Vor drei Tagen wäret Ihr noch Page und seid "noch nicht 17 oder 18 Jahre; man

sollte Euch Streiche

"geben, daß Ihr Euch so stolz überhebt." — „Monseigneur," entgegnete der gute Ritter, "ich versichere Euch bei meiner "Treue, daß nicht Stolz mich zu solcher Kühnheit verleitet "hat, sondern einzig der Wunsch,

durch gute Thaten des

"Ruhme- Eurer und meiner Vorfahren theilhaftig zu wer"den.

Run habe ich außer Euch, Monseigneur, keinen Ver-

"wandten

noch Freund, welcher mir beizustehen vermöchte.

"Deshalb bitte ich Euch so sehr als möglich, seid so lieb"reich und gebet mir etwas Geld, damit ich kaufen kann, „was ich bedarf." —

"Bei meiner Treue," entgegnete der

Abt, "gehet bei einem Andern borgen.

Die Stifter dieser

"Abtei bestimmten ihre Güter zum Dienst Gottes und nicht "zu Ritterspielen und Turnieren." —

"Monseigneur," be­

merkte der Herr von Bellabre, daS Wort deS Abtes nützend, „ohne die tapferen Thaten Eurer Voreltern wäret Ihr nicht „Abt von Esnay, denn durch sie seid Ihr zu solcher Würde „gelangt.

Man muß wissen, von wannen einem daS Gute

"kommt, dessen man theilhaftig ist, und hoffen, durch daS,

223 „welches man übt, einigen Lohn zu mitten.

Euer Neffe,

„mein Gefährte, ist gut geartet, ist vom König und von un„jerem Gebieter, dem Herrn von Ligny, sehr geliebt und „will

vorwärts

„Ihr

müsset

kommen;

ihm

deffen

helfen, eS

solltet Ihr Euch

kann Euch

nicht

freuen.

mehr, als

”200 Thaler kosten, ihn auszurüsten und Ihr möget wohl „für 10,000 Thaler Ehre davon tragen." Der Abt widersprach, willigte endlich aber doch ein, dem guten Ritter beizustehen.

Kapitel VII. Wie der Abt von (5-nay dem guten Ritter 100 Thaler zum Ankauf von zwei Pferden und einen Brief an einen Kaufmann zu Lyon gab.

Nach einigen Verhandlungen führte der Abt die beiden jungen Leute nach seiner Wohnung, ließ ein kleines Fenster offnen, worin sich ein Beutel befand, nahm daraus 100 Tha­ ler und gab sie Bellabre indem er sprach: „Mein edler Herr, „da sind 100 Thaler, die ich Euch gebe, um diesem tapferen „Reiter zwei Pferde zu kaufen, denn er hat noch nicht Bart „genug, um mit Geld

umzugehen.

Zugleich will

ich ein

„Wort an Laurencin schreiben, damit er ihm die nöthigen „Kleidungsstücke liefere." —

„DaS

ist sehr wohl

gethan,

„Monseigneur," bemerkte Bellabre, „glaubet mir, wenn sol» „cheS kundig wird, empfanget Ihr Lob von jedermann." — Tinte und Papier wurde gebracht und der Abt schrieb Lau­ rencin, er möge seinem Neffen geben waS er bedürfe, um sich zum Turnier zu kleiden; meinte

bei sich, dies werde

nicht mehr als 100 Francs betragen.

Die Sache kam aber

ganz anders, wie ihr hören werdet.

224 Den Brief in Händen, dankte der gute Ritter dem Abt auf das allerdemüthigste, und beide junge Leute nahmen Ab­ schied, stiegen in ihren kleinen Kahn und kehrten sehr fröhlich nach Lyon zurück.

"Wißt Ihr,"

sprach Bellabre zu seinem

Gefährten, "daß, wenn Gott dem Menschen Glück giebt, er "es weise nutzen muß?

Wir haben einen Brief an Laureu -

"ein, laßt unö eilends dahin gehen, ehe es Eurem Abte ein"fällt, daß er auf dem Blatte

nicht

bemerkt hat, bis zu

"welcher Summe er Euch Kleidungsstücke liefern darf. "meiner Treue, Ihr

sollt

für

das Turnier

und für

Bei ein

„Jahr ausgestattet werden, denn so leicht erhaltet Ihr nichts „wieder." sprach:

Da lachte der gute Ritter, war zufrieden und "Fürwahr, mein Gefährte, das wird gehen, doch

"eilen wir unS, ich fürchte sehr, wenn er seines Dersehens "inne wird, schickt er einen seiner Diener, um es wieder gut "zu machen." — Rasch eilten sie zur Schiffbrücke und weiter zu dem Hause von Laurencin.

Sie fanden ihn in seinem

Gewölbe, zeigten ihren Brief vor und erhielten vom Kauf­ mann, der sehr höflich war und ein großes Waarenlager be­ saß, die Erlaubniß sich auszuwählen, was ihnen gefalle, in­ dem

er sprach:

Alles was

hier

ist, steht Euch und dem

Monseigneur von ESnay zu Befehl. — Da ließen sie Goldund Silberstoff, durchwirkten Atlas, Sammet und andere Seidenzeuge bringen und nahmen davon für den guten Rit­ ter bis zu dem Preise von 7 oder 800 Francs, gingen nach Hause und ließen sogleich einen Schneider rufen, damit er ihre Angelegenheiten besorge. Unterdeß war der Abt sehr froh seinen Neffen los zu sein.

Er befahl daS Effen aufzutragen, wozu er sich einige

Gaste geladen hatte, und sagte zu diesen, als sie beisammen saßen:

"Heute Morgen ist mir etwas Schlimmes begegnet.

"Der Junge, mein Neffe Bavard, ist so thörigt gewesen,

225 »den Schild des Herrn Claude zu berühren, und ist nun "hierher gekommen, um Geld von mir zu erhalten. Es hat „mich 100 Thaler gekostet und das genügt nicht, ich gab ihm „auch einen Brief an Laurencin, auf den er nehmen kann, "wa- er bedarf, um sich über dem Harnisch zu schmücken." — „Fürwahr, Monseigneur, sprach einer seiner Gäste, "Ihr habt wohl gethan; er will Eurem Herrn Großvater "nachstreben, der ein sehr tapferer Mann war. An der "ganzen Sache scheint mir nur eine- übel. Er ist jung und „begehrlich, Ihr aber habt Laurencin beauftragt, ihm zu "liefern, waö er fordert, und ich bin sicher, dieser thut e-, "wenn auch von 2000 Thalern die Rede wäre. Ich fürchte, "Euer Neffe nimmt mehr als Ihr meint." — "Bei ©anet "Jacob!" rief der Abt, "Ihr habt Recht, ich unterließ es, „eine Summe zu bestimmen. Rufe wer alsbald den HauS"hofmeister." Dieser erschien und der Abt sprach: "NicolaS, "ein Anderer wird Euern Dienst versehen, gehet schnell nach „der Stadt zu Laurencin und sagt ihm, er solle meinem "Neffen, der ihm einen Brief von mir bringen wird, nicht „für mehr, als 80 oder 100 Francs Waare liefern. Der Haushofmeister ging bald fort, kam jedoch erst spät zur Stadt und fand Laurencin gerade bei Tisch. Dennoch trat er bei ihm ein und hub kaum an, seinen Auftrag aus­ zurichten, als dieser entgegnete: "Ich habe dem jungen "Bayard schon gegeben, was er wünschte und ihn stattlich "ausstaffirt. Monseigneur thut gut, ihm beizustehen, eS ist "ein artiger, junger Mann." — "Und für wie viel liefertet "Ihr ihm?" — "Ich weiß eö nicht genau, die Summe „steht auf der Rückseite von Monseigneurs Brief, es mögen "etwa 800 Francs sein." — "O weh, da habt Ihr übel «gethan, sie sollte nur 80 oder 100 Francs betragen." — „Das stand nicht im Brief," bemerkte der Kaufmann. — Zeit- u. Charakterbilder. 15

226 "Dann Hilst nun nichts mehr," entgegnete jener, und ging eilends nach Esnay zurück, wo er die Herren noch beisam­ men fand. Der Abt

gerieth sehr in Zorn.

Er sandte den Haus­

hofmeister noch einmal nach Lyon, mit dem Auftrag, daß er Bayard aufsuche und ihm befehle, Laurencin die von ihm entnommenen Gegenstände

augenblicklich zurück zu

schicken,

der Oheim werde keinen Groschen zu ihrer Bezahlung geben. Doch wie viel der Haushofmeister sich auch mühte, er konnte Bayard nicht auffinden, denn dieser, eines solchen Besuchewohl gewärtig, hatte Anordnung getroffen, daß man in sei­ ner Wohnung sage, er sei nicht daheim.

Umsonst lief der

Haushofmeister von einem Ort zum andern und immer wie­ der in Bayard- Quartier zurück, bis er endlich merkte, er sei gefoppt und sich entschloß nach Esnay heim zu gehen. Wann des Abtes Zorn sich legte, weiß ich nicht, wir wollen ihn indeß lassen und zu dem guten Ritter und seinem Gefährten zurückkehren.

Kapitel VIII. Wie freu gute Ritter und fein Gefährte sich Reffe und Waffenröcke an­ schaffen und Bayard dem Herrn Claude von Vauldray zum Kampfe gegenübertritt.

Gleich nach ihrer Heimkehr vom Gewölbe

des Kauf­

mannes hatten die jungen Leute, wie wir oben schon bemerkten, einen Schneider holen lassen und er mußte einem jeden von ihnen drei Waffenröcke machen, denn der gute Ritter wollte, daß Bellabre seine Farbe trage, auch hatten sie immer Alles gemeinsam.

227 Die- geordnet, sprach Bellabre: „muffen wir Pferde kaufen.

„Nun mein Freund,

Ich weiß einen Edelmann au-

„Piemont, der einen sehr stolzen und muthigen kleinen Hengst „hat, der paßt wohl für Euch.

Außerdem besitzt er einen

„kleinen, flinken braunen Renner.

Man sagt mir, er wolle

„beide verkaufen, weil er sich vor acht Tagen, als er ritt, „ein Bein brach.

Laßt uns die besehen." — „Das ist guter

„Rath," antwortete Bayard. Bei dem Edelmann angelangt, fanden sie ihn sehr lei­ dend an seinem Beine. hub an:

Sie begrüßten ihn und Bellabre

„Edler Herr, mein Gefährte hier möchte ein paar

„Pferde kaufen, die Ihr, wie wir hören, besitzet und gerne „weggeben wollt, wegen eine- Unfalles, den wir sehr bekla­ gen." —

„Dem ist so," entgegnete der Edelmann, „die

„Sache geschieht mir sehr leid, denn die Pferde sind schön „und gut.

Ich muß indeß drei Monate hier liegen, der

„Ort ist theuer, die Pferde verkommen im Stall.

Ihr scheint

„mir rechtliche und muthige Edelleute zu sein, da gönne ich „sie Euch mehr wie einem Andern.

Besteiget sie, reitet mit

„einem meiner Leute vor die Stadt hinaus und kommt dann „mir sagen, ob sie Euch gefallen." Der Vorschlag war annehmbar, er wurde sogleich aus­ geführt, die Pferde stellten die jungen Leute sehr zufrieden und sie fragten, zu dem Edelmann zurückgekehrt, nach ihrem Preis.

„Fürwahr," sprach dieser, „wäre ich gesund, so gäbe

„ich sie nicht um 200 Thaler, so aber und aus Zuneigung „für Euch, will ich den Hengst um 60, den Renner um 50 „laffen." Das

erkannten

die Käufer

für einen billigen Preis,

schlugen zu und sprachen sehr höflich zu dem Edelmanne, sie fühlten

sich

ihm für

ihr Lebelang zu

Dienst verpflichtet.

Das Geld wurde von ihnen ausgezahlt, auch gaben sie dem 15*

228 Diener deS Edelmannes zwei Thaler Trinkgeld, ließen die Pferde nach ihrer Wohnung bringen und ausrüsten, denn eS fehlten nur noch drei Tage bis zu dem Turnier des Herrn Claude von Vauldray. Dieser eröffnete den Zweikampf, welchen er mit Bewil­ ligung deS Königs von Frankreich

bekannt

gemacht hatte,

und stellte sich eines Montags auf die Rennbahn, wo sich alsbald mehrere der Tapfersten Carls gegen ihn versuchten.

aus dem Gefolge König

Der Seneschall Galyot, der

junge Bonneval, Saudricourt, Chastillon und andere.

Je­

der suchte sein Bestes zu thun, das läßt sich wohl denken, denn die Bestimmung lautete: wer das Turnier mitgemacht, solle unverhüllten Angesichtes die Barriere entlang geführt werden, damit man wisie, wer sich gut und wer nicht gut gehalten habe. Bayard, der erst im löten Jahre stand, erst zu wachsen begann und noch mager war, trat in die Bahn, um wie die Andern sein Glück zu versuchen, machte seinen Probekampf, ein harter Anfang, denn es stand ihm einer der bekanntesten und geschicktesten Ritter gegenüber.

Wie eS indeß kam, weiß

ich nicht, wollte Gott ihm Ruhm verleihen, oder gefiel es dem Herrn von Bauldray ihm leichtes Spiel zu machen, kurz, Keiner leistete mehr, wie Bayard, sei es zu Fuß, sei

eS zu Roß, und die Damen und Herren erkannten ihm den Preis zu, riefen, als er beschämt die Bahn entlang ritt, in ihrer Mundart:

„Seht den Verwegenen, er hat es besser

gemacht, wie alle Uebrigen!"

Ja er erlangte solche- Lob,

daß König Carl an der Abendtafel sprach:

„Bei meiner

„Treue, Piquets Anfang verheißt ein rühmliche- Ende. Vet„ter von Ligny,

ein besseres Geschenk als ihn habt Ihr

„nimmer von mir erhalten." — „Sire," antwortete dieser, „ist er ein braver Ritter, so habt Ihr mehr Ehre davon

229 „als ich, denn die Gunst, welche Ihr ihm erzeigtet, gab ihm „Muth diesen Kampf zu unternehmen. Gott helfe ihm wei„ter! Sein Oheim, der Abt von L-nay, hat kein Vergnügen „an alledem, denn Roß und Ausrüstung sind mit seinen „Thalern bezahlt." Da lachte der König, der dieS schon wußte, und die Gesellschaft lachte auch.

Kapitel IX. Wie der Herr von Ligny den guten Ritter nach der Picardie schickte, wo seine Compagnie stand und er nach Aire, einer hübschen kleinen Stadt kam.

Als das Turnier beendet war, rief der Herr von Ligny eines Morgens den guten Ritter und sprach: „Piquet, mein „Freund, Euer Anfang war gut; doch die Waffen wollen „geübt sein, und obwohl ich Euch auS meinen Mitteln mit „300 Francs .jährlich und mit dreien meiner Pferde unter* „halte, habe ich Euch doch einen Platz in meiner Compagnie „angewiesen. So will ich nun, daß Ihr nach der Garnison „Eurer Gefährten geht, wo Ihr sehr starke und tapfere „Männer findet. Sie treiben Waffendienst, stellen auS Liebe „zu den Damen und um der Ehre willen Turniere und „Spiele an, und es scheint mir, bis eine Kriegsgelegenheit „sich bietet, könntet Ihr nirgends besser sein.„ — „Mon„seigneur," entgegnete der gute Ritter, „für all daS Gute, „waS Ihr mir erwiesen und erweiset, kann ich Euch nur „demüthig danken und den Herrn bitten, daß er eS vergelte. „Für jetzt nun habe ich kein größeres Verlangen, als meine „Compagnie zu sehen, von der ich viel Rühmens höre. Ge-

230 „fällt es Euch, so reise ich morgen." —

„Gut," entgegnete

jener, „vorher aber müßt Ihr beim Könige Abschied nehmen." Als sie nach Hof kamen, stand der König eben vom Tische auf, und der Herr von Lignv sprach:

„Sire, Euer Piquet

„will seine Gefährten in der Picardie aufsuchen und kommt „sich bei Euch beurlauben." — Hiebei kniete der gute Ritter mit unbefangener Miene nieder; der König sah ihn wohlge fällig an und sagte freundlich:

„Piquet, mein Freund, lasse

„Gott Euch fortfahren, wie Ihr begonnen, so werdet Ihr „ein trefflicher Mann werden.

In dem Lande, wohin Ihr

„geht, giebt eS schöne Damen.

Suchet ihre Gunst zu ge-

„winnen und schütze Euch Gott." — Der gute Ritter dankte, wurde von allen

anwesenden

Prinzen und Gebietern zum

Abschied umarmt und verließ den Hof mit mehreren Edel­ leuten, die sehr ungern von dannen zogen; nicht so der gute Ritter, der eS kaum erwarten tonnte, bis er an Ort und Stelle sei.

Der König schickte ihm 300 Thaler und einen

der schönsten Renner in seinem Stall, gab seinem Kammer­ diener 30 Thaler und dem, welcher die Pferde führte zehn; eine Großmuth, die jedermann rühmte. Der Herr von Lignv nahm Bayard

mit zu sich und

ermahnte ihn am Abend, als wäre er sein Kind, schärfte ihm vor Allem ein, nimmer der Ehre zu vergesien; ein Gebot, dem der gute Ritter bis zum Tode

treu blieb.

„Piquet,

„mein Freund," schloß der Herr von Ligny, "ich glaube, Ihr „werdet morgen früher reisen, als ich auf bin; schütze Gott „Euch!" und umarmte ihn mit Thränen in den Augen.

Da

beugte Bavard das Knie, nahm Abschied und kehrte nach seiner Wohnung zurück, wohin ihn all seine Gefährten be­ gleiteten und ihm freundlich Lebewohl sagten. In sein Zimmer tretend, fand er dort den Schneider des Herrn von Ligny, der ihm in Auftrag feines Herrn,

231 zwei vollständige Anzüge, als ein Geschenk seines Gebieters brachte. "$ätte ich," sprach Bayard, "hievon gewußt, mein „Freund, so würde ich meinem gnädigen Herrn gedankt ha­ lben. Nun erweiset mir die Freundlichkeit und thuet Ihr „eS;« zog seine Börse heraus und gab dem Schneider 20 „Thaler." Man meldete ihm, Herr Guilliome, der Stallmeister von Monseigneur, habe dessen schönen Hengst, als ein Ge­ schenk seines Gebieters gebracht, habe sich sogleich entfernt, doch versprochen, am nächsten Morgen wieder zu kommen. „Da werde ich schon fort sein," antwortete Bayard, "denn "ich reise mit Tagesanbruch," wandte sich gegen den Schnei­ der, gab ihm zehn Thaler und sprach: "Ich bitte Euch, mein „Freund, bringet dies dem Stallmeister in meinem Namen „und grüßet mir die ganze Dienerschaft des Herrn von Ligny "recht herzlich." DaS versprach jener; der gute Ritter ließ seine Koffer packen und legte sich erst gegen Mitternacht zu kurzer Rast nieder. Als er aufstand, schickte er alsbald seine großen Pferde, deren er sechs besaß, und sein Gepäck voraus, dann setzte er selbst sich mit fünf oder sechs schönen, stolzen Rossen in Bewegung, eine Strecke Weges von Bellabre, seinem Ge­ fährten, begleitet, der ihm in vier Tagen nachzufolgen dachte. Der gute Ritter machte Heine Tagereisen, weil er große Pferde bei sich hatte. Drei Meilen vor der kleinen Stadt Aire aber schickte er einen seiner Leute dorthin, damit er ihm Quartier besorge. Hiedurch erfuhren die Edelleute seiner Compagnie, Piquet sei nahe, und ein großer Theil von ihnen stieg zu Pferde, um ihm entgegen zu reiten; denn sie hatten viel von ihm gehört und verlangten ihn zu sehen. Es waren ihrer über 120 und trafen ihn eine halbe Stunde vor der Stadt. Da gab es ein fröhliches Begrüßen und

232 man trabte plaudernd nach ähre, woselbst die Fenster mit Damen besetzt waren, die große Neugier verspürten, den ge­ rühmten Ritter Piquet kennen zu lernen. In der Wohnung de- neuen Ankömmlings war daS Abendesien schon aufgetragen, wie er eS dem vorausgesandten Diener befohlen hatte und ein Theil jener Herren blieben bei ihm. Sie priesen ihn wegen seines Sieges über den Herrn Claude von Vauldray, er aber entgegnen: "Man "rühmt mich mit Unrecht, noch ist nicht viel Gutes an mir, "gefällt eS aber Gott, so hoffe ich mit seiner Hülfe einst "unter die Zahl der Braven zu gehören." Das Gespräch kam auf Andere- und ein Edelmann seiner Compagnie, Herr Tardieu, ein fröhlicher Mann äußerte gegen ihn: "Mein Gefährte und Freund, ich versichere Euch, "in der ganzen Picardie giebt eS keine schöneren Frauen, "als in dieser Stadt, und Eure Wirthin ist eine davon. "Unmöglich kann es Eure Absicht sein, müssig in der Gar"itifcn zu liegen. Machet gleich Anfang- von Euch reden, "und veranstaltet ein Turnier um ausgesetzten Preis, wa"man lange nicht in Aire erlebt hat. Schlaget mir diese "erste Bitte nicht ab." — "Das thäte ich nicht," antwortete jener, »bei größerem Ding, wie sollte ich e- bei diesem, "welches mich so sehr ergötzt, wie Euch. Verschaffet mir "nur einen Trompeter und die Einwilligung unsere- Haupt"mannes." — "Darum sorget nicht," sprach Tardieu, "der "Hauptmann, Herr ^oyS b’ärd3) hat und solch Festspiel "ein für allemal gestattet und einen Trompeter bringe ich "morgen.» Wirklich trat er am nächsten Tag mit einem solchen bei Bayard ein und sprach: "Nun mein Gefährte, könnt Ihr "Euch nicht mehr entschuldigen, da ist Euer Mann."

233 Kapitel X Wie der gute Ritter in Aire ein Turnier $u Ehren der Frauen veranstaltet.

Der Vorschlag de- Herrn Tardieu hatte den guten Rit­ ter nicht viel schlafen lasten, obwohl er der Ruhe bedurfte. Er hatte sich überlegt, wie er sein Turnier einrichten könne und schrieb

endlich den Auftuf dazu nieder, so daß Herr

Tardieu ihn schon fertig fand, als

er

am Morgen kam.

Dieser lautete: ^Pierre von Bahard, junger Edelmann und Lehrling "im Waffendienst, auS der Dauphin« gebürtig, auf Befehl "deS Königs von Frankreich dem Dienst und der Leitung "dcS mächtigen Gebieters, Monseigneur von Ligny überge­ ben, veranstaltet für den 20sten Tag im Monat Juli, vor "der Stadt Aire, nahe den Mauern, zu denen ein jeder "Zugang hat, ein Turnier von drei Lanzenstößen ohne Schran"ken mit scharfem Eisen, im Krieg-harnisch und von zwölf "Säbelhieben, Alle- zu Pferd, verspricht dem, welcher da"Beste leistet, ein emaillirte- Goldbracelet mit seiner Chiffre, "30 Thaler schwer.

Am zweiten Tag Kampf zu Fuß mit

"der Lanze, hinter einer Barriere, die bi- zur Nabelhöhe "reicht.

Ist die Lanze zerbrochen, so folgt Kampf mit der

"Streitaxt, bi- die Schiedsrichter erklären, wessen da- Feld "sei.

Dabei soll der Preis für den Tapfersten ein Diamant

"von 40 Thaler Werth sein.,. "Fürwahr," rief Tardieu, da-

Blatt lesend,

"weder

"Lancelot noch Tristan und Govain schrieben BeffereS. Auf, "Trompeter, verkünde die- der Stadt, und gehe dann von "Ort zu Ort, e- unfern Freunden melden." Damals befanden sich in der Picardie 7 oder 800 Rit­ ter.

40 oder 50 davon kamen zum Turnier; große Freude

234 aber war es, daß der Capitain Herr Loys d'Ars zu dem festlichen Tage eintraf und zuletzt auch Bellabre noch recht­ zeitig erschien.

Die Pferde wurden probirt und getummelt

und Gastmahle wurden veranstaltet, bei denen der gute Ritter jeder Pflicht so wohl genügte, daß die Damen der Stadt und Umgegend ihn vor Allen

rühmten.

Das machte ihn

aber nicht stolz. Der 20ftc Juli kam, und Jedermann eilte zur Bahn. Rich­ ter waren Herr Loys d'ArS und der Seigneur von Saint Quen­ tin, ein Schottländer, und die Zahl der Ritter betrug 46. 23 wurden durchs LooS ohne Trug auf eine, 23 auf die andere Seite gestellt.

Als sie bereit waren, ertönte die Trom­

pete, die Anordnungen des Turniers wurden Punkt für Punkt verkündet, und der gute Ritter musste Platz stellen.

sich zuerst auf den

Ihm gegenüber trat ein starker Kämpfer, Tar­

tarin, sein Nachbar in der Dauphins.

Sie rannten gegen­

einander und Herrn Tartarins Lanze brach einen halben Fuß unter der Spitze, während die des guten Ritters am obern Armharnisch seines Gegners in fünf Stücke zersprang. schmetterten trefflich.

die Trompeten, denn da-

Da

Lanzenbrechen war

Bei der zweiten Lanze war Herr Tartarin so glück­

lich den Armharnisch des guten Ritters zu beschädigen. glaubten, der Arm

sei

getroffen, Bayard

Alle

aber stieß nud>

dem Gesicht seines Gegners und warf ihm einen kleinen, mit Federn geschmückten Helm vom Kopf. chen sie eben so gut

Die dritte Lanze bra

oder noch besser.

Nach ihnen traten

Bellabre und der Hauptmann David von FugaS, ein Schotte, in die Schranken und

sie

und die

andern Ritter,

zwei einander gegenüber, zeigten sich sehr gewandt. gann

der Kampf mit

den Schwertern.

Der

immer Es be­

gute Ritter

führte feine zwölf Streiche trefflich und alle Uebrigen streng-

235 tcn sich sehr an, leisteten Alle Vorzügliche-, da- Beste aber Bayard, Bellabre, Tartarin und noch drei Andere. AbendS Wohnung

kamen

sämmtliche Turniergenoffen

nach

der

deS

guten Ritter-, der ein köstliche- Gastmahl

auftragen ließ.

Diesem wohnten eine Menge Damen bei.

Nach dem Effen war Tanz, und man war fröhlich bi- Nachts ein Uhr, wo sämmtliche Gäste endlich heimkehrten. Am nächsten Morgen versammelten die Söldner sich bei ihrem Hauptmann Herrn Loy-

d'Ars,

wo sie

Ritter schon fanden, der gekommen war,

den

guten

diesen und den

Seigneur von Saint Quentin zu bitten, es möge ihnen ge­ fallen, in Gesellschaft der Damen das Mittagsmahl bei ihm einzunehmen.

Die- wurde zugesagt, man ging zur Messe

und fand sich dann in Bayard- Haus zusammen, um noch viel köstlicher zu tafeln, als am Abend zuvor.

Die zweite

Stunde kam indeß heran, Alle brachen auf, man eilte nach der Bahn, und der Kampf zu Fuß wurde wiederum durch den guten Ritter begonnen.

Herr Hanectin Sucker stand ihm

gegenüber, sie nahmen, als ihre Lanzen zerbrochen waren, die Äxte und Bayard brachte seinen Gegner endlich mit Ge­ schick zu Fall.

Auch die folgenden Streiter zeigten sich sehr

tapfer und Alles gelang so wohl, wie man eS je bei einem kleinen Turnier gesehen hatte.

Die Ritter legten ihre Waffen

ab und Richter und sonstige Gäste, die sich bei dem guten Ritter versammelten, rathschlagten, wer wohl daS beste voll­ führt habe.

Jeder sagte, was ihm gut schien, wie man wohl

denken kann, der eine dies, der andere das.

Endlich nach

eingenommenem Mahle mußte indeß entschieden werden, wes­ sen der Preis sei.

Da beriethen sich die beiden Richter mit

mehreren Waffenkundigen und den Damen nach Pflicht und Gewiffen, mit dem ernstlichen Vorsähe, niemand zu begün­ stigen und kamen endlich überein, daß,

ob auch Alle sich

236 trefflich gehalten, der gute Ritter doch an beiden Tagen vor den Uebrigen geglänzt habe, und deshalb seine Geschenke nach eigenem Gutdünken vertheilen solle. Die Trompete ertönte, damit Stille herrsche, und der Seigneur von Saint Quentin verkündigte auf die Bitte des Herrn LohS d'ArS den obigen Ausspruch laut und feierlich, indem er hinzufügte: "Herr von Bayard, saget nun für wen Ihr Eure Preise bestimmt."

Das beschämte den Ritter sehr;

ersann ein wenig und sprach dann: "Monseigneur, ich weiß «nicht, durch welche Gunst mir solche Ehre zukommt.

ES

"scheint mir als hätten Andere sie weit mehr verdient, wie "ich.

Weil indeß Herren und Damen wollen, ich solle Rich-

"1er sein, so bitte ich alle meine Gefährten und die, welche "weit mehr geleistet, wie ich, mir darob nicht zu zürnen, ..und gebe den Preis des ersten TageS dem Herrn von Bel"labre, den des zweiten dem Eapitain David l'EScosiayS." Beide erhielten die Geschenke, niemand murrte darüber und Tanz und Zeitvertreib begann.

Die Damen aber wur­

den nicht müde, Bayard zu rühmen, der in der Picardie beliebter war, als irgend ein Ritter.

Er blieb zwei Jahre

dort und nahm an vielen Turnieren Theil, bei denen er meist die Ehre davon trug.

Grund der allgemeinen Gunst,

deren er genoß, war jedoch seine seltene, höchst arglose Frei­ giebigkeit und Liebenswürdigkeit.

War einer seiner Gefähr­

ten unberitten, so gab er ihm unfehlbar ein Pferd, besaß er einen Thaler, so hatte ein jeder Theil daran.

Obwohl sehr

jung, war doch Morgens sein erstes Geschäft, Gott Dank darzubringen.

Er spendete reichlich Almosen und wieS nim­

mer einen Bittenden zurück, wenn eS irgend in seiner Macht stand ihm zu helfen. Nach Verlauf der zwei Jahre, die er in Aire zubrachte, geschah

eS,

daß

König

Carl

seinen

Zug

nach

Neapel

237 unternahm und der Herr von Lignh, der ihn begleitete, ließ Bayard zu sich berufen.

Er kannte dessen Vorzüge und die

Erwartungen, welche man

von ihm hegte und wollte ihn

deshalb nicht daheim lassen.

Kapitel

XL

Wie König Carl VIII. einen Krieg-zug zur Eroberung de- KönigreichNeapel unternimmt.

Die Gründe, weshalb der gute König Carl daS König­ reich Neapel

erobern

Büchern zu lesen. welle wecken.

wollte,

sind

allbekannt

und

in viel

Sie wiederholen würde deshalb nur Lang­

Der gute König aber

vollführte, wie man

nicht minder weiß, seinen Zug so ehrenvoll wie möglich, setzte in Rom sein Gericht ein, zwang den Papst zur Ruhe, er­ oberte Neapel und ließ den Herrn von Monpensier al- sei­ nen Bicekönig dort zurück. Auf

seinem Heimwege nach Frankreich

Hinderniß bis Fornuovo am Taro.

kam

er

ohne

Daselbst aber stand ein

wohlgerüstetes Heer von 35,000 Krieg-leuten, verschiedener Potentaten, dem Papst, den Venezianern, dem Herzog von Mailand noch und einigen kleinen Fürsten zugehörig, die den König auf seiner Reise besiegen und gefangen nehmen woll­ ten, da sie wußten, er habe einen Theil seiner Macht in dem neu eroberten Lande gelassen und nur 10,000 Mann bei sich. Der unerschrockene Prinz

aber,

der den Muth eines

Löwen besaß und gewiß wußte, seine Soldaten würden, ob­ wohl gering an Zahl, doch muthig Stand halten, beschloß de- Feinde- zu warten und ihn zu bekämpfen.

Dies voll­

brachte er, unter Gottes Beistand, zu seinem hohen Ruhm

238 und seiner Gegner großer Schmach und Verderbniß, denn er verlor nur 70) Mann, jene 8 bis 10,0)0, darunter die bedeutendsten Anführer der Signoria von Venedig und der Familie Gonzaga, deren Haupt der Marquis von Mantua war, welcher in jener Schlacht nur durch Hülfe seiner Spor­ nen und seines raschen Pferdes entkam. zeichnete der gute Ritter

Beim Hauptangriff

ohne Furcht und Tadel sich in der

Compagnie deS Herrn von Ligny vor Allen aus, und es wurden ihm an jenem Tage zwei Pferde getödtet.

unter dem Leib

Als der König daS hörte, schenkte er ihm 500 Tha­

ler, wogegen der gute Ritter ihm eine Fahne brachte, die er einem Reitertrupp abgejagt hatte. Von hier ging der König bis Vercelli, fand daselbst eine gute Anzahl Schweizer

zu seinem Dienst bereit und

blieb einige Tage im Lager, weil er seinem Schwager, dem Herzog von Orleans, beistehen wollte, welchen der Herzog von Mailand, Ludovico Sforza und die Venezianer in Novara belagerten.

Wirklich kam endlich ein Vertrag zu Stande,

und der König eilte nach Lyon, wo er seine edle Gemahlin und die Herzogin von Bourbon, ihre Schwester traf. Bon Lyon begab er sich nach St. DenyS, um die Gruft seiner Ahnen zu besuchen, und reiste zwei oder drei Jahre in seinem Lande umher, führte ein heiliges Leben und übte Gerechtigkeit, so daß seine Unterthanen sehr zufrieden waren. Ja, er selbst saß zweimal die Woche zu Gericht, um jeder­ manns

Klage

zu

vernehmen

und

erledigte die geringfü­

gigsten Dinge. Um diese Zeit vernahm

er, daß die Neapolitaner sich

für Ferdinand, den Sohn von König Alphons erhoben, daß der Graf Monpensier, sein Generallieutenant, todt sei, und seine Hauptleute nach Frankreich heimkehrten, und beschloß,

239 in Person dahin zurück zu gehen, sobald die Umstände es gestatteten. Im September 1496 reiste er von Tours nach Lyon, mit der Absicht, weiter fort bis Neapel zu gehen; es kam jedoch nicht dazu, ich weiß nicht aus welchem Grunde, und er kehrte nach Amboise zurück.

Dort stand er am 7ten April

des folgenden IahreS auf einer Galerie und sah dem Ball­ spiel zu, als eine plötzliche Schwäche ihn befiel und er gleich darauf starb.

Für sein Königreich ein großer Verlust.

Kapitel

XII.

Wie Ludwig, der Herzog von Orleans, als nächster Erbe die Krone von Frankreich erhält und Ludwig XII. genannt wird.

Durch

den

Tod

König Carl-, der

keine männlichen

Erben hinterließ, erhielt Ludwig, Herzog von Orleans, al­ sein nächster Anverwandter, die Krone Frankreichs.

Er wurde

am Listen Mai 1498 zu Reims gesalbt, und am Isten Juli desselben Jahre- zu St. Denis gekrönt.

Seine Gemahlin

war Frau Johanna von Frankreich, Schwester feine- Vor­ gänger-.

Da man ihn jedoch zu dieser Ehe genöthigt hatte

und sie eine kinderlose war und blieb, erklärte sie der Papst, nach vielen Rechtsverhandlungen für nichtig und gelöst, und König Ludwig vermählte sich tagne, der Wittwe

mit der Herzogin von Bre­

seines Vorgängers, de- Königs Carl.

Ob die- wohl oder übel gethan war, weiß Gott ganz allein. Die gute Herzogin von Berry, Johanna von Frankreich aber führte ein überaus heiliges Leben und man behauptet, Gott habe nach ihrem Sterben Wunder durch sie gewirkt.

240 Bei seinem Regierungsantritt beschloß Ludwig XII., alle nicht richterliche königliche Aemter zu verkaufen und gewann dadurch

eine ziemliche Summe,

wie seine Absicht gewesen

war, weil er eine große Scheu hatte, sein Volk durch Zölle oder Auflagen zu bedrücken. 4) Einer seiner größesten Wünsche war, das Herzogthum Mailand wieder zu gewinnen,

welches

ihm von Madame

Valentine, seiner Großmutter her zugehörte, und ihm jetzt durch Ludovico Sforza vorenthalten wurde. ernde Krieg zwischen England

Der lange dau­

und Frankreich

und

innere

Stteitigkeiten hatten dies bis dahin unmöglich gemacht, nun aber sah er sich im Stande, seinen Feind zur Rechenschaft zu ziehen.

Er hielt am 2ten Juli 1499 seinen Einzug in

Lyon und ließ sodann seine Armee, unter Anführung der beiden klugen und tapferen Ritter, der Herren Jean Jaqucs von Trivulce und von Aubigny, nach der Grafschaft Asti gehen.

Diese besetzten und verheerten Nona und la Roche,

und belagerten und eroberten Alexandria, trotz harten Wi­ derstandes.

Hievon unterrichtet, siel Pavia dem Könige von

Frankreich zu, und Ludovico Sforza, der sich von

seinen

Unterthanen verlassen sah, floh nach Deutschland, wo Maxmilian,

der

römische Kaiser,

freundlich empfing.

sein

alter Verbündeter

ihn

Kaum war er aus Mailand fort, so

ging dies an Frankreich über.

Man sandte Botschaft an

König Ludwig und er eilte zu kommen, um seinen Einzug zu hallen. Wenige Tage darauf ergab sich auch die Festung, indem der Befehlshaber, welchem der Signor Ludovico Sforza sie anvertraut hatte, sich durch Bestechung gewinnen ließ, ein arger Verrath an seinem Gebieter.

Die übrigen Orte des

Herzogtums aber, die nun keine Hülfe mehr zu erwarten hatten, säumten nicht,

dem neuen Herrscher

zu

huldigen;

241 darunter selbst Genua, wohin der König den Herr» Philipp von Eleve als Gouverneur sandte. In jener Zeit schenkte die Königin ihrem Gemahl eine schöne Tochter, welche Claude genannt wurde.

Der König

blieb nicht lange in Mailand. Er ernannte den Herrn Jean IaqurS zu seinem dortigen Befehlshaber, übergab die Feste der Stadt dem Herrn von E-py, dir von Rochetta einem Schottländer, einem Anverwandten des Herrn von Anbigny, und kehrte »ach Lyon zurück.

Vorher jedoch that er etwas

Gutes, er erließ dem Volke den drittm Theil der Steuer» und gewann dadurch viel Herzen.

Kapitel XIII. Wie der gute Ritter nach der Eroberung von Mailand in Italien blieb und an Festspielen und Turnieren Theil nahm.

Al- König Ludwig nach Frankreich heimkehrte, erhielten die französischen Truppen ihre Standquartiere in der Lom­ bardei, wo sie Turniere veranstalteten und fröhlich lebten. — Der gute Ritter, welcher in frühester Jugend im Hause deHerzogS Carl von Savoyen gewesen war, ging von seiner Garnison aus nach der Stadt Carignan in Piemont, um die verehrte Dame Blanche, die Wittwe jenes Herzogs, sei­ nes ersten Lehrmeisters aufzusuchen.

Sie war feingebildet,

empfing den guten Ritter sehr freundlich und ließ ihn wie einen Anverwandten bewirthen; fürwahr

aber gab es da­

mals in Frankreich und Italien kein Fürstenhaus, woselbst junge Edelleute bessere Aufnahme und Unterhaltung fanden. Zu diesem

Hause gehörte eine sehr ehrsame Dame,

Madame FluxaS, deren Eheherr den ganzen Hofstaat leitete. Seit» u. vharacterbilder.

16

242 Diese Dame FluxaS war zur Zeit, wo der gute Ritter sich als Page bei dem Herzoge von Savoyen befand, als Edelfräulein bei dessen Gemahlin, und wie junge Leute gerne miteinander verkehren, gewannen sie und Bayard einander lieb.

Es geschah in Ehren, doch waren sie sich so gut, daß

sie, wenn eS in ihrem Willen gestanden hätte, einander geheirathet haben würden, ohne zu bedenken, wie daS wohl enden könne.

Der gute Ritter kam indeß, wie wir früher

erzählten, als Page zu König Carl VIII. von Frankreich. Dadurch wurden die beiden jungen Leute getrennt, die Reise nach Neapel und andere Dinge traten dazwischen, so daß sie drei bis vier Jahre nur brieflich miteinander verkehrten. In dieser Zeit

wurde

das

Fräulein

an den

Herrn

von FluxaS vermählt, der sehr reich war und sie um ihrer Anmuth willen zur Frau nahm, nicht viel.

denn Bermögen besaß sie

Als eine tugendhafte Dame wollte sie dem Rit­

ter zeigen, die ehrbare Liebe, die sie jung für ihn empfunden, sei nicht erstorben, deshalb erwieS sie ihm viel Höflichkeiten bei seiner Ankunft in Carignan, und unterhielt sich oftmals mit ihm über die Tage ihrer Jugend.

Sie war sehr schön

und sanft und redete so unmuthig, wie je eine Frau, rühmte den guten Ritter höchlich, erinnerte ihn an das Turnier mit Herrn Claude von Bauldray und andere solche Waffenspiele, in denen er den Preis davon trug, und sprach endlich: "Mon­ seigneur Bayard, mein Freund, in diesem Hause empfingt Ihr "Euern ersten Unterricht und fürwahr wäre eS unrühmlich, woll"tet Ihr Euch da nicht zeigen wie anderswo." — "Edle Frau," antwortete der Ritter, „Ihr wisset wohl,.daß ich Euch von "Jugend auf

geliebt und geehrt habe, auch halte ich Euch

"für so verständig und wohlerzogen, daß Ihr niemandem "Uebles rathet und mir am wenigsten; saget mir denn, was "ich meiner hohen Gebieterin und Euch und

all den hier

243 "versammelte» zu Dienst und Freude thun kaun." — »6t »scheint mir," entgegnete sie, »Ihr thätet wohl, zu Ehren der »Herzogin von Savoyen in Carignan ein Turnier zu ver»anstalten." — Dieser Vorschlag gefiel dem guten Ritter; er versprach darauf einzugehen und erbat sich dazu von der Dame FluxaS ihr Müffchen. DaS gab sie, ohne zu wissen, für welchen Zweck, und er steckte es still in den Aermel sei­ nes WamfeS. Tafel und Tanz und die Unterredung der Herzogin von Savoyen, mit dem früheren Zögling ihres Hauses, dauerten so lange, daß eS Mitternacht war, als die Gesellschaft sich trennte und der gute Ritter heimging. Er konnte nicht schlafen, war nur mit seinen Plänen beschäftigt und schickte am nächsten Morgen einen Trompeter in die umliegenden Orte, damit er die daselbst in Garnison stehenden Edelher­ ren einlade, in vier Tagen, als an einem Sonntage, zum Turnier nach Carignan zu kommen. Ritter Bayard werde als Preis für den Bestkämpfenden ein Müffchen seiner Dame aussetzen, daran er einen Rubin von 100 Dukaten Werth hange. Der Trompeter übte sein Amt gut, 15 Ritter verspra­ chen zu erscheinen und die Herzogin, welche dies mit Freuden vernahm, ließ stattliche Zurüstungen treffen. — Endlich kam der anberaumte Tag und das Turnier wurde mit so viel Geschick als Muth abgehalten. Zur Abendmahlzeit hatte die Frau Herzogin eingeladen, und eS wurde herrlich getafelt, denn das verstand man in jenem Hause. Nach aufgehobenem Mahle aber traten die Richter zusammen, um zu entscheiden, wer den Preis der besten Waffenthat erhalten solle. Alle waren der Meinung, der gute Ritter habe ihn verdient, und die Herren von Grantmont und Fluxas, die obersten Ur­ theilssprecher, traten vor ihn und verkündeten ihm dies feierlich. 16*

244 Da erröthete er hoch, weigerte sich und sprach: solche- Lob sei unverdient, habe er aber etwa- gut vollbracht, so danke er eS der Dame FluxaS, die ihm ihr Müffchen gegeben, so möge sie denn da- Ehrengeschenk nach Gutdünken spenden. Dies weckte in dem Herrn von Fluxas, der deS guten Rit­ ter- Rechtlichkeit kannte, gar keine Eifersucht, der Preis wurde seiner Gemahlin überreicht und sie sprach: „Da der „Herr von Bayard so höflich ist zu sagen, mein Müffchen „habe ihm den Preis erworben, will ich die- ihm zu Lieb „mein Lebelang aufbewahren, den Rubin aber, den er nicht „nehmen will, werde ich dem Herrn von Mondragon geben, „der nächst ihm da- beste leistete." Dieser Befehl ward vollzogen, und man tanzte sodann fröhlich bi- Mitternacht. Einige Tage blieben die franzö­ sischen Ritter noch in Carignan, und als eS endlich zum Abschied kam, versicherte der gute Ritter der Herzogin Blanche, er sei ihr nächst seinem Könige am allermeisten zu Dienst bereit. Die Freundschaft zwischen Bayard und der Dame FluxaS aber dauerte bis zu deren Lebensende.

In Carignan sah der gute Ritter den Herrn Pizou von Chenas, den Oberstallmeister des Herzogs von Savoyen, der ihm viel Freundlichkeit erzeigt hatte. Er lud ihn zu sich, bewirthete ihn wohl und schenkte ihm ein Pferd, welchesicherlich 50 Thaler galt, jenem zu großer Freude. Seinem eigenen frühern Stallmeister im Hause des Herzogs, der, wie er erfuhr, an Gicht litt und in Moncallier lebte, schickte er ein sehr gutes schönes Maulthier, zeigte dadurch, daß er der ihm früher erwiesenen Gutthaten eingedenk sei.

846 Kapitel XIV. Wie Herr Ludovico Sforza mit viel Landsknechten aus Deutschland zurück­ kam mit Mailand wieder gewann.

Als der Herr Ludovico Sforza zum römischen Kaiser nach Deutschland ging, nahm er viel Geld mit. Dies nutzend, warb er eine große Zahl Landsknechte, etwa- Schweizer und Burgunder und eine Menge Reiter an, zog mit ihnen gen Mailand und gewann die Stadt am 3tcn Januar 1510 durch Einverständnisse, die er im Innern hatte. Dem Bei­ spiel Mailands aber folgten mehrere andere Städte und empörten sich. Sobald dies in Frankreich bekannt wurde, bot der Kö­ nig, als ein erhabener Fürst starke Kriegsmacht auf, und die Herren von Ligny und Jean JaqueS,b) die er zu baren Führern ernannte, sammelten ihre Truppen in Asti, um sich von dort auS in Bewegung zu setzen. Damals lag der gute Ritter, der bei des Königs Heim­ kehr in Italien zurück geblieben war, 20 Meilen abwärts von Mailand, mit anderen jungen Leuten in Garnison. Sie übten sich täglich auf- beste in den Massen und Bayard, welcher vernahm, in BinaSco befanden sich 300 leicht auf­ zuhebende Reiter, bat feine Gefährten, mit ihm dorthin zu gehen. Sie liebten ihn alle und waren deshalb leicht bereit. So rüsteten sich denn 40 biö 50 Lanzen, (da- heißt 40 bis 50, von ihren minder stark, doch auch wohlbewaffneten und berittenen Stallmeistern begleitete Ritter) des Morgens zeitig, und zogen auf gut Glück aus. Der Capitain in Binasko, ein trefflicher, kluger und kriegserfahrener Mann, hatte gewandte Spione, die ihm sagten, daß ihm ein Ueberfall drohe. Er wollte sich nicht

246 im Neste fangen lasten, rüstete sich deshalb seinerseits auch und rückte zwei bis drei Bogenschüffe weit vor die Barriere hinaus. Dort machte er sich den Feinden bemerklich, deren Kommen ihn sehr freute, weil er einem so kleinen Häuflein gegenüber leichten Kaufes Ruhm zu gewinnen hoffte. Sie rückten hart gegeneinander, die einen riefen: France! France! die andern More! More! und es wurden gleich von beiden Seiten mehrere auS dem Sattel geworfen, die schwer wieder aufstanden. Wer da den guten Ritter Köpfe und Arme und Beine abhauen sah, der hätte ihn eher für einen wüthenden Löwen, als für einen verliebten Jüngling halten mögen. So dauerte der Kampf eine Stunde, ohne daß man wußte, wer von beiden Partheien Besteres vollführe. Das verdroß Bayard und er sprach zu seinen Gefährten: "Wohlan, Monseigneurs, "sollen wir heute den ganzen Tag so wenigen Leuten gegen"über stehen? Wüßte man eS in Mailand, keiner von uns "käme lebendig davon. Fasten wir Muth, ich beschwöre Euch, »und werfen unsere Gegner nieder." Da ermannten sich seine Gefährten, riefen einstimmig: France! France! und griffen die Lombarden frisch und kräf­ tig an, so daß sie zu weichen und sich, ob auch rüstig käm­ pfend, doch zurück zu ziehen begannen. Auf diese Weise durchmaßen sie eine Strecke von vier bis fünf Meilen gen Mailand hin, wandten dort plötzlich die Zügel der Roste, und jagten so schnell wie möglich der Stadt zu. Die Fran­ zosen folgten ihnen in gleichem Lauf, dicht vor den Mauern aber angelangt, rief einer der ältesten, im Krieg geübten Führer: "Kehrt Euch, Kriegsleute!" und Alle gehorchten, nur der gute Rttter nicht, der seinen Feinden ganz erhitzt nach­ sprengte, mit ihnen in die Stadt und bis vor den Palast des Herrn Ludovico Sforza drang. Hier fiel sein weißes Kreuz der versammelten Menge auf; Pille! Pille! (gute Beute!)

247 riesen Alle; er wurde umzingelt und von Herrn Bernardin Cazache zum Gefangenen gemacht, der ihn nach feinem Hause bringen und entwaffnen ließ. Die Jugend de- guten Ritter-, der erst 22 oder 23 Jahre alt war, verwunderte den Herrn von Cazache wegen der großen Tapferkeit, die er ihn eben hatte üben sehen. Der Herzog aber, der den Lärm hörte, und sich nach dessen Ursache erkundigte, befahl man solle ihm den Gefangenen bringen.

Kapitel XV. Wie ter gute Witter vor den Herzog Ludwig geführt wurde. Ein Bote vom Herzog, der Bayard holen sollte, kam nach der Wohnung de- Herrn Bernardin Cazache. Da sorgte dieser, der Signore Sforza könne dem Ritter im Zorn etwa- Ueble- thun und beschloß, als ein sehr fein ge­ bildeter Mann, seinen Gefangenen selbst nach Hofe zu brin­ gen, schmückte ihn ziemend mit einem ihm zugehörigen Kleide und stellte ihn so dem Herzoge vor, der über seine Jugend und über da- Lob, welche- man ihm zollte, sehr erstaunt war. „Kommet her, junger Mann," sprach er, „und erzäh­ let, wer hat Euch in diese Stadt geführt?" — „Auf mein „Wort, Monseigneur," antwortete Bayard unerschrocken, „ich „dachte nicht allein hereinzudringen, glaubte, meine Gefähr„ten folgten mir, sie verstehen aber den Krieg besser, denn „hätten sie gleich mir gethan, so wären sie nun auch Ge„fangene. Bei so viel Uebel rühme ich indeß das Glück, „welches mich in die Gewalt eine- so guten Gebieter- ge„rathen ließ, als der sehr edle und tapfere Ritter, der mich „in Verwahrsam hat."

248 Der Herzog fragte ihn bei Treue, wie stark die fran­ zösische Armee fei, worauf er antwortete: „So viel ich weiß, „Monseigneur, besteht sie aus 14 bis 15,000 Lanzen und „16 oder 18,000 Fußgängern; eS

sind

aber alles

auSer-

„wählte Leute, die befchloffen haben, diesmal dem Könige, „unserem Gebieter, das Herzogthum Mailand zu unterwerfen „und eS scheint mir, edler Herr, Ihr wäret in Deutschland „so sicher wie hier, denn Euere Truppen sind nicht geeignet, „unS zu bekämpfen."

Die Zuversicht, mit der der gute Ritter dies sprach, ergötzte den Herzog sehr, obwohl er sich ihrer hätte verwun­ dern können.

Er wollte indeß zeigen, daß er die Rückkehr

der Franzosen nicht fürchte und sagte fast spottend:

„Bei

„meiner Ehre, edler Ritter, ich wünschte sehr, die Armee „deS König- von Frankreich und die meine stünden einander „gegenüber, damit die Schlacht entscheide, wem von unS daS „Erbe von Rechtswegen zukommt; — ein anderes Mittel dafür „kenne ich nicht." — „Ich wollte, Monseigneur," entgegnete der gute Ritter,

„daS geschähe morgen, falls ich nur in

„Freiheit wäre." —

„Daran soll eS nicht fehlen," antwor­

tete der Herzog, „ich entlaste Euch alsbald der Gefangenschaft „und werde deshalb mit dem Herrn von Cazache überein„kommen.

Saget mir, was Ihr sonst noch wünschet und ich

„werde es Euch gewähren." Da ließ der gute Ritter sich auf ein Knie nieder, dankte dem Herzog ziemend für seine Anerbietungen

und sprach:

„Monseigneur, ich habe kein Begehren, als daß Eure Gnade „mir gestatte, mein Pferd und meine Waffen zurück zu er„halten, die ich mit in die Stadt brachte und so nach meiner „20 Meilen von hier gelegenen Garnison zurückzukehren.

Ihr

„würdet mir dadurch ein großes Heil erweisen, dafür ich „Euch mein Lebelang dankbar sein und dies auch beweisen

249 ^wollte in allen Dingen, die Ihr mir befehlen werdet, so"fern sie nicht mit meinem Dienst beim König und meiner "Ehre streiten." — "Fürwahr," sprach der Signore Ludovico, „Ihr sollt erhalten, was Ihr begehrt," wandte sich gegen Jean Bernardin und sprach: "Auf, Capitän, lasset "sein Pferd, seine Waffen und sein Zeug herbeischaffen." — "Das ist leicht zu finden, Monseigneur," antwortete der Hauptmann, „es ist Alles in meinem Quartier." — Einige Diener brachten Roß und Rüstung, der Signore Ludovico ließ sie ihn in seiner Gegenwart anlegen, er schwang sich aufs Pferd, ohne den Fuß in den Steigbügel zu setzen, bat um eine Lanze, die man ihm reichte, und sprach, das Angesicht zu dem Signore Ludovico erhebend: "Monseigneur, ich danke "Euch für die Höflichkeit, so Ihr mir erwiesen habt, möge "Gott sie Euch vergelten." — Dabei befand er sich in einem großen schönen Hof, setzte dem Pferde die Spornen sachte ein, so daß es vier bis fünf verwegene Sätze aufs beste that, ließ es dann einen kurzen Lauf machen und zerbrach seine Lanze, indem er die Spitze gegen den Boden stieß, in fünf oder sechs Stücke. Das freute den Signor Ludovico nicht gar sehr und er sprach ganz laut: "Wären alle fran"zösischen Kriegsleute diesem gleich, so drohte mir böses "Spiel." — Dennoch gab er ihm einen Trompeter mit, der ihn bis zu seiner Garnison geleiten sollte; er brauchte indeß nicht so weit mitzureiten, denn die französische Armee befand sich zehn oder zwölf Meilen vor Mailand, ganz betrübt, daß der gute Ritter durch seine Kühnheit, (bei der indeß auch etwas jugendliche Unbesonnenheit ihr Theil that) gefangen worden war. Im Lager angelangt, eilte er zu seinem Gebieter, dem Herrn von Ligny, der ihm lachend entgegen rief: „Ei, Pi"guet, wer hat Euch aus der Gefangenschaft befreit? Ich

250 "wollte einen Trompeter schicken und Euch loskaufen lassen.« — „Gnädiger Herr,« antwortete der gute Ritter, "ich danke "Euch demüthig für Eure gute Absicht, der Herr Ludovico "Sforza hat mich durch seine große Höflichkeit freigemacht;« und erzählte genau Alles, was sich in Mailand zugetragen hatte. Seine sämmtlichen Gefährten kamen ihn begrüßen und freuten sich seiner Ankunft sehr, der Herr Jean IaqueS aber fragte ihn, ob des Herrn Ludovico Aussehen und Rede ihn glauben lasie, er rüste sich zur Schlacht. — "So weit,« antwortete jener, "hat er mich nicht über seine Angelegen"heiten unterrichtet. Betrachtet man ihn aber, so merkt man "wohl, er sei ein Mann, der sich um Geringes nicht beun"ruhigt. Vielleicht erfahrt Ihr dies in wenigen Tagen. Ich "meines Theils habe mich nicht über ihn zu beschweren, er "hat mir Gutes erzeigt. Die größte Zahl seiner Leute stehen "in Novara und er hat beschlossen, sie nach Mailand kommen «zu lassen, oder zu ihnen zu gehen."

Kapitel XVI. Wie der Lignore Vutovice sich nach Novara zurückzog.

Als der Herr Ludovico Sforza erfuhr, daß die Armee des Königs von Frankreich so nahe sei, ward ihm bange er könne, da er des Schlosses von Mailand nicht Meister war, leicht in der Stadt überfallen werden, ließ daselbst seinen Bruder mit wenigen Leuten, und begab sich mit der Mehr­ zahl nach Novara, woselbst seine Armee stand. Das erfuhr man im französischen Lager und beschloß Novara einzuschließen. Der Herr Ludovico Sforza hatte viele, doch sehr ver­ schiedenartige, und deshalb schwer zu führende Kriegsleute:

251 Burgunder, Landsknechte und Schweizer. Kurz, wie es auch kam, er ward schlecht bedient und die Stadt Novara nach wenigen Tagen seinen Feinden übergeben. — Ein Gerücht sagte, Herr Ludovico sei nicht in der Stadt, sondern nach Deutschland geflüchtet, da ließ man das Fußvolk noch einmal vorbei defiliren, erkannte in dessen Reihen den armen Herrn Ludovico und dieser ergab sich, da kein Entrinnen war, dem Herrn von Ligny. 6) — Dies geschah am Freitag vor Ostern im Jahr 1500.

Der Ueberrest seiner Armee zerstreute sich,

ihn selbst aber brachte man nach Lyon und später nach dem Schlosse von Loches, woselbst er bis zu seinem Ende blieb. Der Cardinal von Escaigne, sein Bruder, ließ bei der Kunde von solchem Mißgeschick die Söhne des Herzogs heim­ lich nach Deutschland bringen und floh selbst unter starker Bedeckung gegen Bologna hin, wurde indeß von einem Ve­ nezianer Hauptmann erkannt und gefangen den Franzosen überliefert.

Nach diesen Ereignissen unterwarf das Herzog­

thum Mailand sich dem Könige unter großen Aengsten derer, welche von ihm abgefallen waren.

Sie wurden aber sehr

milde behandelt, denn sie hatten es mit einem guten Fürsten und tugendhaften Hauptleuten zu thun.

Kapitel XVII. Wie der Herr von Ligny seine Städte im Herzvgthum Mailand besucht.

Bei seiner ersten Besitznahme von Mailand hatte der König von Frankreich mehrere seiner Diener durch Schenkun­ gen von Land belohnt, und dem Herrn von Ligny sogar Tortona und Voghera, sammt einigen andern Orten gegeben. Diese fielen dem Herzoge Ludovico Sforza zu, als er von

252 Deutschland zurück kam, und der Herr von Ligny beschloß, nach Besiegung deS Herzog-, seine Unterthanen aufzusuchen, nahm den tugendhaften Herrn LoyS d'LrS und den Ritter ohne Furcht und Tadel mit dahin. Furcht jener Städte war groß.

Der Schrecken und die

Sie sandten ihm Bittende

entgegen, doch er gönnte diesen kein Wort, stellte sich sehr böse, als wolle er sie vernichten.

Da wandten sie sich an den Herrn

Loy- d'ArS, der seine Vermittlung versprach, und e- erschie­ nen am nächsten Mittag 50 der angesehensten Bürger der Stadt, brachten als Geschenk ein Tafelgeschirr, 300 Mark an Werth, und flehten knieend und entblösten Hauptes um Verge­ bung, es hätte ihnen Macht gefehlt, sich zu halten und wür­ den nimmer wieder untreu sein. — »Wie soll ich da- glauben, Ihr Falschen,» antwortete der Herr von Ligny, »seid Ihr doch »nicht belagert worden, sondern auS eigenem Wankelmuth abge­ fallen.» — Da kniete Herr LoyS d'ArS nieder und legte ein dringend Vorwort für die Reuigen ein.

Das half.

»Ich

»vergebe Euch um seinetwillen," sprach der Herr von Ligny, »Eure- TafelgerätheS

hier aber bedarf

ich nicht," schaute

um sich, winkte dem Ritter ohne Furcht und Tadel und sagte: »Piquet, nehmet all dies, ich schenke es Euch." — »Ich danke »Euch sehr demüthig,"

entgegnete dieser,

»für die Gnade,

»so Ihr mir erweiset, waS jene Bösen schenken, mag ich »indeß nicht, es würde nur Unheil in mein HauS bringen,» nahm ein Stück nach dem andern, vertheilte es an die Um­ stehenden, ohne ein einziges für sich zu behalten und ging fort. — »Wahrlich," sprach der Herr von Ligny ihm nach­ schauend, »es ist schade, daß Piquet nicht als ein mächtiger »König geboren ward, er hätte durch seine Anmuth und Frei»giebigkcit alle Herzen gewonnen.

Sicherlich wird er einer

»der vollkommensten Männer werden.» bei.

Alle stimmten dem

Der Herd von Ligny sandte ihm am nächsten Morgen

253 ein schönes Kleid von carmoisin Sammet, mit broschirtem Atlas gefüttert, einen schönen Renner und eine Börse mit 300 Thalern, die nicht lange vorhielten, denn seine Gefährten hatten Theil daran gleich ihm. Nach kurzem Verweilen ging der Herr von Lignh wie­ der nach Mailand, woselbst der Cardinal von Amboise als Generallieutenant des Königs eingetroffen war, und kehrte dann nach Frankreich heim.

Kapitel XVIII. Wie der König von Frankreich eine starke Armee unter dem Herrn von Aubigny nach Neapel schickte.

Es ist vorne erzählt, wie Neapel durch König Carl den VIII. von Frankreich erobert wurde, ihm aber nach dem Tode des Grafen von Montpensier wieder verloren ging, indem ein Aufstand zu Gunsten Ferdinands, des Sohnes von König Alphons, sich erhob. Wäre König Carl am Leben geblieben, so würde er diese Schmach gerächt haben; er starb jedoch, und König Ludwig XII., der ihm in der Herrschaft folgte, hatte seinen Sinn auf die Eroberung von Mailand gerichtet, und ließ die Angelegenheiten von Neapel lange Zeit beruhen. Schon war Alphons Sohn todt, und sein Oheim Friedrich regierte das Reich. Da gedachte König Ludwig dies wieder zu gewinnen und der Herr von Ligny, der daselbst sehr große Besitzungen hatte, theils Schenkungen von König Carl, theils Erbgut von seiner verstorbenen Gemahlin, der Prinzeß von Altemora,7) mit der jener König ihn verheirathet hatte, war der Meinung, die Führung des Heeres solle ihm über-

254 tragen werden. Die- schlug ihm indeß zweimal fehl, und man sagt, die Betrübniß darüber habe sein Ende herbeige­ führt. Nicht er also, sondern der Herr von Aubiguy ging als Generallieutenant des Königs mit einer starken Armee nach Neapel. — Zu dieser gehörte auch die Compagnie deS Herrn von Ligny. Sie wurde von dem trefflichen Herrn Loys d'Ars geführt, und der gute Ritter, der nicht zurück bleiben wollte, bat seinen Gebieter um Urlaub, welchen die­ ser ihm ungern ertheilte, denn er hatte Bayard sehr lieb, und wirklich sahen sie einander nicht wieder. Der Herr von Aubigny fand König Friedrich so wenig gerüstet, daß er sein Reich dem anrückenden Gegner über­ liefern mußte (1501). Er wurde einem Vertrag gemäß mit seiner Gemahlin und seinen Kindern nach Frankreich ge­ schickt, wo König Ludwig ihn freundlich empfing und ihm daS Herzogthum Anjou mit andern Ländereien gab. Die­ blieb ihm, so lange er lebte, seine Wittwe aber ließ man in Dürftigkeit, und das war groß Unrecht. In Neapel erhielt daS Heer seine Standquartiere Com­ pagnieweise. Die de- Herrn von Ligny kam nach seinen Besitzungen und Herr Loys d'Ars übertrug den Befehl über einen Theil davon dem guten Ritter, der fein Amt sehr wohl verwaltete. — Einige Zeit war Friede, obgleich der König von Arragonien größere Rechte auf Neapel zu haben meinte, als ihm dort zugestanden wurden. Ja, der Friede zwischen Frankreich und Spanien und dem römischen König, den der Erzherzog von Oestreich, Gemahl der ältesten Prinzeß von Spanien vermittelte, als er aus den Niederlanden heimkeh­ rend, durch Frankreich kam, wurde in jenem Jahr (1503) zu Lyon feierlich verkündet. ES war jedoch ein Scheinfriede, denn der König von Arragonien schickte zur selben Zeit, im Einvernehmen mit Papst Alexander, eine starke Armee nach

265 Italien, mit dieser aber nahm Gonsalvo, sein Feldherr den Franzosen die Stadl Neapel und viele Orte ab, vnd ver­ drängte d'Aubigny immer weiter.8) Bon den Schlachten, die während der folgenden zwei bis drei Jahre bald zum Gewinn, bald zum Nachtheil deeinen und de- andern, im Königreich Neapel gekämpft wur­ den, will ich nicht erzählen, denn sie sind bekannt genug. 1504 wurden die Franzosen ganz von dort vertrieben und erlangten e- nie wieder, fei eS durch Willen Gotte-, oder fei es au- Mangel an guter Leitung, oder an Ausdauer im Kampf, ich weiß eS nicht. Gewiß ist indeß, daß weder de­ nen, welche eS damals eroberten, noch denen, welche eS jetzt inne haben, ein Recht darauf zusteht. Ich meine- Theilwill nur von dem berichten, was den guten Ritter ohne Furcht und Tadel während de- Kriege- zwischen den Spa­ niern und Franzosen bettaf.

Kapitel XIX. Wie der gute Ritter einen Au-fall au- seiner Garnison Monervino machte und die Spanier im Felde fand.

Der gute Ritter lag zu jener Zeit mit einem Theil seiner Gefährten in Monervino in Garnison und langweilte ihn, so lange müßig zu sein, deshalb sprach er eine- Abend-: "Es scheint mir, meine Herren, wir rasten mehr als billig, werden au- Mangel an Waffenübung verweichlichen, oder unsere Feinde glauben machen, Furcht halte und hier fest. Daher denke ich, morgen zwischen hier und Andria einen Stteifzug zu unternehmen; vielleicht begegnen wir Truppen

256 unserer Gegner, die ein Gleiche- wollen, da- wäre mir am aller liebsten.

Sein Vorschlag fand bei Allen Eingang. Sie rüsteten sich zu ihrem Unternehmen, und am folgenden Morgen sehr frühe, trabten etwa 30 Reiter, lauter junge Edelleute, wohlgemuth in- Feld. Am selben Tag hatte ein spanischer Edelmann, der sehr tapfere Don Alonso de Soto, ein naher Verwandter de- berühmten Gonsalvo, die Stadt Andria verlassen, um mit den Franzosen zusammen zu treffen. 40 oder 50 krieg-kundige Edelleute zu Pferd begleiteten ihn, und gut Geschick wollte, daß beide Häuflein, beim Herab­ kommen von einer Hohe, sich gegenseitig auf Kanonenschuß­ weite erblickten. Das war ihnen groß Vergnügen, und der gute Ritter sprach: „Meine Freunde, wir sind au-gezogen „um zu kämpfen, wahre jeder seiner Ehre, thue ich meine„Theil- heute nicht meine Schuldigkeit, so nennt mich mein „Lebelang einen Feigen." — „Auf, Capitain!" antworteten jene, „gehen wir auf sie los und gönnen ihnen nicht das „Vorrecht des Angriffs!" Sie senkten die Visire und sprengten mit dem Rufe: Frankreich! Frankreich! auf ihre Gegner los. — „Spanien und St. Iago!" schrieen diese und empfingen die Daherstnrmenden mit eingelegten Lanzen. Bei dem ersten Zu­ sammenstoß stürzten von beiden Seiten Viele, die ihre Ge­ fährten nur schwer wieder aufrichteten und der Kampf dauerte eine gute halbe Stunde, ohne daß man wußte, wer mehr leiste. Da warfen sie sich so ungestüm aufeinander, als be­ ginne der Streit erst, und weil endlich Einem der Sieg zu Theil werden mußte, gelang es dem guten Ritter durch den großen Muth, den er übte und den Seinen einflößte, die Spanier auseinander zu sprengen. Sieben blieben todt lie­ gen und eben so viele wurden gefangen, die Uebrigen ergriffen

257 die Flucht, Don Alonso

mit ihnen.

Dicht hinter diesem

sprengte der gute Ritter und rief wiederholt:

"Kehrt Euch,

„Herr Ritter, große Schmach wäre eS, wenn Ihr auf der „Flucht umkämet!"

Da wandte jener, dem ein ehrenvolle-

Ende bester dünkte, als unrühmliche Rettung, sich in hef­ tigem Angriff gegen Bayard und sie versetzten einander, ohne zu rasten, wohl 50 Schwerthiebe, während die übrigen Spa­ nier, unbekümmert um ihren Hauptmann, das Weite suchten. Dieser hielt sich aufs beste, endlich aber wurde sein Pferd matt.

"Ergieb Dich oder stirb!" rief der gute Ritter.

"Wem ergebe ich mich?" fragte der Spanier.

"Dem

Capitain Bayard," war die Antwort. Da hatte Don Alonso kein Bedenken mehr, sein Schwert abzuliefern; denn er wußte, welch ruhmwürdiger Ritter ihm gegenüber stand. und

Dieser aber, der sehr feine Sitten hatte,

des Spaniers Namen

erfuhr, wies ihm ein schöne-

Zimmer im Schlöffe an, gab ihm eines seiner Kleider und sprach: "Ich will Euch nicht als Gefangenen behandeln, Ihr "sollt hier frei umhergehen, falls Ihr mir nur Euer Ehren"wort gebt zu bleiben, bis Euer Lösegeld gezahlt ist." — DaS versprach jener, für solche Höflichkeit sehr dankend, hielt aber nachmals nicht Wort.

Kapitel

XX.

Wie Don Alonso von Solo zu fließen versuche. Vierzehn bis zwanzig Tage mochten verflossen sein, und Don Alonso

ging

unbeachtet

umher, weil man

war, er werde sein Wort nimmer brechen.

überzeugt

Es kam aber

ander- und meinte auch Don Alonso später, er habe keinen 3«t- u. Charakterbilder.

17

258 Fehler begangen, da er nur sein Lösegeld holen und dem guten Ritter habe

schicken wollen, so kann die- ihm doch

nicht zur Rechtfertigung dienen.

Jene- Lösegeld war auf

1000 Thaler festgesetzt, als Don Alonso eine- Tageeinem der Garnison angehörigen Albanier sprach:

zu

„Theode,

„willst Du mir einen großen Dienst erweisen, so sollst Du „bei meiner Ehre im Leben nicht Noth leiden.

ES lang-

„weilt mich hier zu sein, und nichts von den Meinen zu „hören.

Verschaffest Du mir ein Pferd, so flüchte ich mor-

„gen früh von hier, wo niemand meiner hütet.

In vier

„Stunden erreiche ich mein Lager; Du kommst mit, ich gebe „Dir guten Sold und 50 Thaler." „Gnädiger Herr, Ihr seid hier auf Euer Ehrenwort," sprach der Albanier, „mein Gebieter wird Euch grollen." — „Mein Wort halte ich,"

antwortete jener, „ich soll 1000

„Thaler Lösegeld geben, die schicke ich dem Ritter, zu an* „derem bin ich nicht verpflichtet." —

„Wohl denn," erwie­

derte Theode, „Ihr sollt am Schloßthor ein Pferd finden, „thut als wolltet Ihr zum Vergnügen auSreiten." Der verabredete Plan kam

am nächsten Morgen zur

Ausführung; der Thürhüter, der Don Alonso stets kommen und gehen sah, that nicht Einspruch und Don Alonso ritt von dannen. Schloßhof. konnte

Bald darauf kam der gute Ritter nach dem Er

fragte nach

ihm Bescheid geben.

seinem Gefangenen, niemand Erst

beim Thürhüter erfuhr

man, der Graf sei bei Tagesanbruch nahe am Thor gewesen, eS wurde nachgeforscht, doch weder er, noch der Albanier Theode gefunden, und der gute Ritter erschrak sehr. „Steige rasch zu Pferd," sprach

er zu

einem seiner

Söldner, den man den Basken nannte, „reite gen Andria und suche unsern Gefangenen; triffst Du ihn, so bringe mir ihn lebend oder todt, und wird der Albanier gegriffen, so

269 soll er zum warnenden Beispiel hier an den Zinnen aufge­ hangen werden.« Der Ba-ke zögerte nicht, schwang sich aufS Pferd und sprengte gen Andria, ohne zu forschen, wer ihm folge, ob­ wohl er gute» Geleite hatte, und fand etwa zwei Meilen von der Feste Don Alonso, der abgestiegen war um sein Reitzeug zurecht zu machen, welches zerrissen war. Als er sich verfolgt sah, wollte er aufsitzen, konnte es aber nicht und wurde erreicht. Der Albanier war nicht so thöricht sich fan­ gen zu lassen, wohl wissend, daß eS fein Leben gelte. Er floh «ach Andria, Don Alonso aber brachte man nach Monervino, wo der gute Ritter zu ihm sagte: »Ei, Don Alonso, «Ihr versprächet mir bei Eurer Ehre, nicht ohne meinen »Willen von hier fort zu gehen und thut nun da» Gegeu»theil! Fortan traue ich Euch nicht mehr, denn solch Der»fahren ziemt einem Edelmanne nicht.« — »Ich wollte Euch »kein Unrecht thun,« entgegnete der Spanier, »in zwei Ta»gen hättet Ihr die 1000 Thaler Lösegeld erhalten, efl trieb »mich fort, daß ich keine Kunde von den Meinen hatte.« DaS galt dem erzürnten Bayard nicht als Entschuldi­ gung. Er ließ den Gefangenen 14 Tage in einen Thurm sperren, doch ihm keine Eisen anlegen, noch sonst ein Leide» thun, und ihm auch gutes Essen und Trinken reichen. Nach jener Zeit kam das Lösegeld; Don Alonso nahm Abschied und ward frei gegeben, zuvor aber hatte er gesehen, wie der gute Ritter jene 1000 Thaler ganz unter seine Söldner vertheilte.

260 Kapitel XXI. Wie Don Alonso sich über die Behandlung Banavd- beklagte und es des­ halb zwischen ihnen zum Kampf kam.

In Andria war große Freude über Don Alonsos Heim­ kehr, denn es gab in der spanischen Armee keinen höher ge­ achteten Krieger. Man tröstete ihn über sein Mißgeschick und fragte, wie er behandelt worden sei unv wie Bayard lebe. "Was die Person jenes Ritters anlangt," sprach er, -,so „glaube ich fürwahr nicht, daß es einen kühnern und thätigeren „Edelmann giebt; kämpft er nicht mit dem Feind, so übt er "Waffenspiel mit seinen Söldnern. Seine Freigiebigkeit hat "nicht ihres Gleichen, sah ich selbst ihn doch die 1000 Tha"ler, durch welche ich mich loskaufte, unter seine Soldaten "vertheilen. Lebt er lange, so wird er zu hohen Dingen „kommen, fraget Ihr aber nach meiner Behandlung, so kann "ich diese nicht rühmen; ich weiß nicht, ob es auf seinen Be"fehl geschah, seine Leute aber gingen hart mit mir um, so "daß ich es nimmer verschmerze." — Diese Rede erschreckte Einzelne, wegen der Rechtlichkeit, die man an dem guten Rit­ ter rühmte, Andere sagten kein Gefängniß sei schön und noch Andere tadelten ihn, und seine Worte wurden also herum ge­ tragen, daß ein nach Monervino zurückkehrender Gefangener sie Bayard hinterbrachte. Da ließ dieser all seine Leute zusammenrufen und fragte, ob ohne sein Wissen dem Ge­ fangenen etwas Uebles geschehen sei, wäre dem also, dann wolle er eS gut machen. "Richt doch," entgegneten jene, "Don Alonso hätte nicht bester behandelt werden können, „wenn er auch der vornehmste Prinz seines Landes wäre, "die Spanier aber sind so stolz und ehrgeizig, daß es eine ^Tollheit ist." — "Bei meiner Treue," sprach der Ritter,

261 "ist rem also, dann will ich ihm schreiben und ihn, obwohl „ich das viertägige Fieber habe, zum Kampf herausfordern. Ohne weitere- Zögern ließ er einen Geistlichen holen und diklirte ihm: "Signor Don Alonso, ich höre, Ihr Habel "Euch bei Eurer Rückkehr aus der Gefangenschaft über mich „beklagt, und unter Euern Land-leuten ausgestreut, Ihr "wäret von mir nicht als Edelmann behandelt worden. Ihr "wisset wohl, daß dem nicht also sei, da eS mir indeß große "Unehre brächte, wenn ihm so wäre, schreibe ich Euch diesen "Brief, durch welchen ich Euch bitte. Euer Wort vor denen "zu widerrufen, die es vernahmen, indem Ihr nach Billig"keit die gute Behandlung anerkennt, welche ich Euch wider"fahren ließ. Dadurch schasset Ihr Euch Ehre und stellt "die meine her, die wider Recht von Euch geschmäht ist. "Weigert Ihr Euch dies zu thun, so erkläre ich Euch, daß „ich entschloffen bin, Euch zum Widerruf zu nöthigen, im „Kampf auf Leben und Tod, wozu ich Euch herausfordere, "sei eS zu Fuß, sei es zu Roß und mit den Waffen, die "Ihr bestimmen werdet. Gott befohlen. Monervino, den "lOten Juli." Diesen Brief sandte er durch einen Trompeter, einen Edelmann, la Lune genannt, an den Signor Don Alonsp und bekam von ihm folgende Antwort: „Herr von Bayard. Ich habe Euren Brief erhalten, "welchen Euer Bote mir überreicht hat. In diesem sagt "Ihr unter andern, eS wären bei meinen Landsleuten Reden "von mir in Umlauf, welche Euch beschuldigten, mich in der "Gefangenschaft nicht wie einen Edelmann behandelt zu ha"ben und Ihr wäret entschloffen mit mir zu kämpfen, fall"ich dies nicht widerrufen wollte. Ich erkläre Euch, daß ich "nimmer widerrufe, was ich gesagt, und daß Ihr nicht der „Mann seid, mich zum Widerruf zu nöthigen. Deshalb bin

262 „ich bereit, von jetzt an in

12 oder 14 Tagen mich zwei

'-Meilen von der Stadt Andria oder wo es Euch sonst ge­ fällt, zu dem Zweikampf zu stellen, wozu Ihr mich heraus „fordert!" Obige Antwort brachte la Lune dem guten Ritter und dieser wählte die Herren la Palifle und Bellabre zu seinen Seeundanten.

Kapitel

XXII.

tcr gute Ritter mit Ton Alonso einen Zweikampf bestand.

Als der anberaumte Tag heran kam, führte der Herr von la Paliffe, von 200 KriegSleuten begleitet, (wie man verabredet hatte) ritt

ein schönes

gekleidet.

An

seinen Kämpfer Roß

Ort

und war und

Stelle

zum Wahlplay. auS

Demuth

eingetroffen,

Dieser

ganz

weiß

fanven

sie

Don Atonso noch nicht und la Lune, der die Botschaft zwi­ schen beiden Cavalieren hin und her getragen hatte, ging zu ihm, damit er sich eile.

"Wie kommt der Ritter?" fragte

Don Alonso und rief, als er hörte, daß Bayard zu Pferd und in voller Rüstung sei:

"Nicht doch! die Waffen habe

„ich zu bestimmen, er den Kampfplatz; geh Trompeter und „melde ihm, ich wolle zu Fuß fechten;"

das sagte er aber,

weil er ohnerachtet seines kühnen GebahrenS doch den guten Ritter als den gewandtesten Reiter fürchtete und ihn jetzt, wo er durch Krankheit geschwächt war, zu Fuß leichter besie­ gen zu können hoffte. — La Lune hinterbrachte seinem Herrn traurig, was Don Alonso forderte.

Die Waffen

hatte er

in der That zu bestimmen, der Kampf zu Roß dagegen war im Voraus verabredet, und der gute Ritter wurde ein wenig

268 nachdenklich, daß er zu Fuß fechten solle, da er am selben Tag da- Meder gchabt.

Dennoch sprach er nach einigem

Bedenken: „Gehet, la Lune, treibet den Ritter und sagt ihm, „ich werde

um de-willen heute nicht abstehen mit Gotte-

„Hülfe meiner Ehre Genüge zu schaffen.

Gefällt ihm der

„Kampf zu Fuß, so bin ich auch dazu bereit!" — Der gute Ritter ließ da- Feld mit rohen Steinen abstecken und setzte sich an deffen einem Ende mit vielen edeln Gebietern nieder, die alle für den fluten Ritter zum Herrn flehten. Da erschien Don Alonso, nicht minder stattlich begleitet und schickte dem guten Ritter die Waffen zur Wahl, Stoß­ degen und Dolche.

Er wählte nicht lange, ttat, als er hatte

was er bedurfte, zwischen Bellabre und la Paliffe, seine Secundanten,

auf den Wahlplatz, während von der anderen

Seite Don Alonso zwischen Don Diego von GuynonneS und Don Francesco Altemeze kam.

Als beide einander gegen­

über standen, kniete Bayard nieder, sein Gebet verrichten, küßte den Boden, stand auf, sich kreuzigend und ging auf seinen Gegner loS, als tanze er in einem Saale mit den Damen.

Auch Don Alonso zeigte keine Furcht und sprach:

„Signor Bayard, wa- wollt Ihr von

mir?" —

„Ich will meine Ehre vertheidigen," antwortete jener, und sie thaten ohne weitere Rede den ersten Gang gegen einander, bei dem Don Alonso ein wenig im Gesicht ver­ wundet wurde. Beide hatten einen festen Fuß und ein gutes Auge und wollten keinen Streich umsonst führen. sich zwei gleichere Kämpfer gegenüber. sie einander nichts anhaben.

Nie standen

Einige Zeit konnten

Da gebrauchte der gute Ritter,

der sah, wie sein Gegner sich schlau vor jedem Streich deckte, eine List; er hob den Arm zugleich mit Don Alonso, hielt aber den Stoßdegen in die Luft, bis jener seinen Schlag geführt hatte, erforschte dann eine Blöße und stieß Don Alonso,

264 vhnerachtet seines HalSkragenS, den Degen so tief in die Kehle, daß er ihn nicht wieder heraus ziehen konnte. Jener, der sich zum Tode verwundet fühlte, warf den Degen fort und umklammerte den guten Ritter; auch dieser faßte seinen Gegner und sie rangen so heftig, daß beide zur Erde stürz­ ten. an

Da ergriff Bayard seinen Dolch, setzte ihn dem Feind die Nasenlöcher

und

Alonso, oder Ihr that

ihm

nicht

rief:

„Ergebet

seid deS TodeS.

Noth, denn

jener war

Euch,

Don

Dies zu sagen schon verschieden.

„Herr von Bayard," sprach Don Diego von GuynonneS, „er ist todt, Ihr habt gesiegt.

Diese Kunde schmerzte

den guten Ritter, er hätte ihn gerne lebend überwunden, den­ noch dankte er Gott knieend für seinen Beistand, küßte den Boden zu dreien Malen und sagte:

"Don Diego, habe ich

genug gethan?" — „Zu viel," antwortete jener, „zu Spa­ niens Leid." — „Ihr wisset," sprach der gute Ritter, „daß „eS bei mir stünde

mit dem Leichname nach Belieben

„verfahren, doch gebe

ich ihn Euch zurück und wollte

zu bei

"meiner Ehre, der Ritter lebte noch." Die Spanier zogen traurig, die Franzosen mit klingendem Spiele

heim.

Dort begab

sich der gute Ritter vor

Allem nach der Kirche, Gott Dank darbringen, dann feierte man ein fröhliches Fest und Bayard ward nicht nur von den Seinen, sondern auch von den Spaniern als einer der vollkommensten Edelleute gepriesen.

269 «apitrl XXIII. Wik trkijkhn Spanier und dreijkhn Franzosen miteinander kämpften.

Die Spanier empfanden über die Besiegung des Don Alonso große Trauer und verlangten sehr die Schmach zu tilgen. Man hatte bald nach seinem Falle einen zweimonat­ lichen Waffenstillstand abgeschloffen, ich weiß nicht aus wel­ chem Grunde. — In jener Zeit nun kamen die Spanier bei ihren Spazierritten oft bis nahe an die französischen Standquartiere, trafen bisweilen ihre Gegner, die sich auch zur Kurzweil umhertrieben und wechselten einige Worte, wo­ bei die Spanier stets Händel suchten. So gelangte einet Tages ein Trupp von dreizehn wohlgerüsteten spanischen Lanzen bis dicht vor BayardS Garnison und fanden diesen eine halbe Meile von seinem Standquartier mit dem tapfe­ ren Herrn von Oroze auS dem Hause Urfv, der sich als Gast bei ihm aufhielt. Man begrüßte einander und Herr Diego von Bisaigne, der zur Compagnie des verstorbenen Don Alonso gehört hatte, sprach: „Ich weiß nicht, meine „Herren, ob der Waffenstillstand Euch wie unS verdrießt, „wir haben ihn herzlich satt und möchten gern zehn gegen „zehn, zwanzig gegen zwanzig, oder in jeder beliebigen Zahl, „Mann gegen Mann mit Euch kämpfen, unter der Bedin„gung, daß die Besiegten ihrer Gegner Gefangene bleiben." Die französischen Ritter sahen einander an, fanden beide den Vorschlag gut und Bayard sprach: „Wir verstehen Euer „Begeheren und sind bereit darauf einzugehen. Ihr seid Eurer „dreizehn; wollt Ihr Euch heut über acht Tage zwei Meilen „von hier stellen, so sollt Ihr dreizehn von unS zum Kampf .»bereit treffen." Der bestimmte Termin kam und die Ritter fanden sich

266 ein.

DaS Feld wurde abgesteckt und festgesetzt, wer

schreite, der sei Gefangener und dürfe

am

eS über­

selbigen Tage

nickt mehr kämpfen, eben so wenig dürfe am Gefecht mehr thetlnehmen, wer

auS dem Sattel geworfen werde; könne

aber bis zum Abend keine Parthei Sieg erringen, so solle, ob auch nur Einer noch zu Pferde sitze, der Kampf enden und jeder die Seinen unter gleichen Ehren frei heimführen. Man trat sich gegenüber und sprengte aufeinander los.

Die

Spanier griffen nicht die Menschen, sondern die Pferde an, und tödteten ihrer elf, so daß nur der Herr von Oroze und Bayard beritten blieben, die List aber half den Spaniern nicht, denn ihre Rosse wollten trotz mehr vorwärts.

alles Spornend nicht

Oroze und Bayard griffen sie stets auf­

neue an und zogen sich, als diese es ihnen erwidern wollten, hinter die todten Pferde ihrer Genossen zurück, die ihnen als Wall dienten, kurz, den Spaniern wurde stark zugesetzt und sie vermochten, obwohl Alle

int Sattel,

Nacht das Feld nicht zu gewinnen.

bi-

zu sinkender

So räumten die- beide

Theile, der Verabredung gemäß, gleichzeitig.

Die Ehre de-

Kampfes aber blieb den Franzosen, denn zu zwei gegen drei­ zehn

vier Stunden

lang stehen

und nicht besiegt werden,

heißt gut fechten.

Kapitel XXIV. Wie fccr gute Nttter einen Schatzmeister und feine Begleiter gefan­ gen zu nehmen, die dem Feld Herrn Gonsalvo 15,000 Dukaten zuführten. Etwa zwei Monate nach jenem Kampfe, als der Waffen­ stillstand aufgehoben war, erfuhr der gute Ritter durch Spione, e- fei in Neapel

ein Schatzmeister, der Gold einwechsele,

267 um e- dem Feldherrn G-nsalvo von Cordova zu bringen, und müsst mit seiner Sendung zwei bis drei Meilen ab­ wärts an Bayard- Lager vorüber. Das setzte den guten Ritter in rastlose Bewegung, und er erfuhr denn auch gurcklick, der Schatzmeister sei in einem 15 Meilen von Mouervino gelegenen, den Spaniern zugehörigen Orte eingetroffen und werde am nächsten Morgen unter dem Geleite etlicher Lanzenträger weiter ziehen. Da stand Bayard Nachts vor zwei Uhr auf, und legte sich, mit nicht mehr als 20 Reitern zwischen zwei Hügeln in Hinterhalt. Nach der andern Seite schickte er Tardieu, seinen Gefährten, mit 25 Albaniern, da­ mit, wenn der Fang hier mißlinge, er dort nicht entwische. Um sieben Uhr des Morgens meldeten die Späher dem gu­ ten Ritter, sie hätten Pferdetrampeln vernommen. Er lag so verdeckt, daß man leicht vorüber konnte, ohne seiner an­ sichtig zu werden, und wirklich auch ritten die Spanier mit ihrem Schatzmeister und seinem Begleiter, welche daS Geld in Lederfäcken hinter sich auf dem Sattel hatten, ruhig am Hinterhalt vorbei. Sie waren nicht weit, als Bayard mit seinen Reitern unter dem Rufe: Frankreich! Frankreich! her­ vor- und auf die Spanier einstürmte; diese geriethen in Ver­ wirrung, meinten eö wären der Angreifenden eine viel grö­ ßere Zahl und flohen gen Barlette. Man jagte ihnen ein wenig nach und kehrte dann zu dem Schatzmeister zurück, der mit seinem Begleiter nach Monervino geführt wurde. Dort öffnete man ihre Mantelsäcke und fand die schönen Dukaten. Diese wollte Bayard zählen, doch der Schatzmeister rief in seiner spanischen Redeweise: '"Zählet nicht, eS sind 15,000 Dukaten." DaS war Freude. Unterdeß kam Tardieu und verdroß ihn beim Anblick der schönen Münze, daß nicht er sie erbeutet. „Mein Ge­ währte," sprach er zu dem guten Ritter, »ich habe mein Theil

268 „daran wie Ihr, denn ich war bei dem Unternehmen." — „Dies ist wahr," entgegnete Bayard lächelnd, „doch gewannt „Ihr den Preis nicht, und wäre dem auch anders, so steht „Ihr doch unter meinem Befehl und ich würde Euch nur „geben, was mir gut dünkt." — Das verdroß Tardieu und schwur bei Gott sich Recht zu schassen.

Er trug seine Klage

dem französischen Oberbefehlshaber vor, dieser ließ Bayard rufen, beide Theile vertraten ihre Sache, die versammelten Führer wurden befragt und der allgemeine Ausspruch be­ sagte, Tardieu habe keine Ansprüche. Da war dieser sehr betroffen. liches Gemüth hatte, rief er:

Weil er indeß ein fröh­

„Bei St. Georg, ich bin sehr

„unglücklich!" wandte sich zu dem guten Ritter und sprach: „Es ist indeß gleich viel.

Ihr gebt mir doch meinen Unter#

„halt, so lange wir hier im Lande sind." Bayard lachte und sie kehrten miteinander nach Monervino zurück.

Dort ließ

der gute Ritter die Dukaten in Tardieus Gegenwart zu des­ sen größerer Beschämung

auf

den Tisch legen und sagte:

„Was dünkt Euch, mein Gefährte, ist das schönes Zucker„werk?" —

„0, beim Teufel ja!" antwortete jener, „mir

„aber gehört nicht- davon. „hätte ick nur die Hälfte,

Ich möchte mich aufhängen, denn so wäre ich ein reicher Mann

„mein lebelang." — „Wie," sprach Bayard, „mein Gefährte, „genügt dies um Euch für immer in dieser Welt sicher zu „stellen, dann fürwahr gebe ich Euch freiwillig, was Ihr „mit Gewalt nimmer erlangt hättet und sollt die genaue „Hälfte haben." — Hiemit zählte er ihm 7500 Dukaten zu; Tardieu aber, der die Rede »für Spott gehalten hatte, fiel auf beide Kniee nieder und rief, die Thränen in den Augen: „Ah, mein Herr und Freund, wie kann ich je die Gutthat „vergelten, welche Ihr mir erweist! Alexander war nicht so „großmüthig."

Und wirklich ward Tardieu sein Lebelang

269 Teich, denn er kehrte mit Hülfe jenes Gelde- von Neapel nach Frankreich zurück und heirathete dort die Tochter eineHerrn von Saint Martin, die 3000 Livre- Rente befaß. Die zweite Hälfte der Dukaten, welche er den Spaniern abjagte, vertheilte der gute Ritter au- lauterer, makelloser Herzensgüte

unter die

Kriegsleute seiner

Garnison, nach

Maßgabe ihre- Range-, ohne einen einzigen für sich zu be­ halten, und sagte dann zudem Schatzmeister: „Ich weiß, daß „ich gutes Lösegeld für Euch erlangen könnte, was ich habe, „genügt mir indeß.

Wollt Ihr mit Eurem Begleiter fort,

„so werde ich Euch sicher an einen Ort bringen lassen, den „Eure Landsleute inne haben; auch soll Euch von dem, was "Ihr auf dem Leibe habt, nicht-

genommen werden." —

Da freute sich der Schatzmeister, denn wirllich war mehr als 500 Dukaten werth, was er an Ringen und Schmuck an sich trug.

Ein Trompeter, dem

er drei Thaler gab,

führte ihn wohlbehalten nach Barlette.

Kapitel XXV. Wie der gute Ritter eine über den Garigliano führende Brücke vertheidigte.

In verschiedenen Geschichtsbüchern steht geschrieben, wie gegen Ende des Krieges, den die Franzosen und Spanier in Neapel führten, die Armee der ersteren lange Zeit an der einen Seite des Garigliano, die der Spanier an der andern stand.

Waren nun bei den Franzosen tapfere Hauptleute,

-so fehlten sie auch

bei den Spaniern

nicht.

Vornehmlich

galt die- von vem klugen und muthigen Feldherrn Gonsalvo .von Cordova und von Herrn Pedro von PaS, der nur etliche

270 Spannen hoch, aber die allerverwegenste Kreatur war. Saß er zu Pferd, so sah man von seiner kleinen bucklichen Ge­ stalt nur den Kopf über den Sattel hervorragen.

Dieser

Pedro le Pas dachte den Franzosen einst einen Ueberfall zu und ging deshalb mit 100 oder 140 Reitern, hinter deren jedem er einen Mann mit einer Büchse aufsitzen ließ, auf einer ihm bekannten Furt über den Garigliano.

Bei diesem

Alarm, dachte er, sollten die Franzosen herzueilen und die Brücke verlasien, so daß sein HauptcorpS sie leicht gewinnen könne.

Er führte den Anschlag gut aus, brachte

daS fran­

zösische Lager in arge Bewegung, indem man dort meinte,

eS sei die ganze Macht der Spanier im Anzug. Der gute Ritter, welcher immer gerne an der Stelle war, wo Gefahr drohte, hatte sein Quartier nahe an der Brücke genommen.

Er und ein anderer kühner Edelmann,

le BaSco, der Stallmeister von König Ludwig, hörten den Lärm, rüsteten sich sehr hastig und wollten zum Kampfplatz eilen.

Da bemerkte der gute Ritter, über den Fluß schauend,

etwa 200 spanische Reiter, welche auf die Brücke lossprengten, um sie zu nehmen.

Dies hätten sie ohne Weiteres thun

und die

Vernichtung der

können.

Deshalb rief er seinem Gefährten zu: „Eilet, Herr

„Stallmeister,

französischen Armee

mein Freund,

herbeiführen

holet Leute zum Schutz

der

„Brücke, oder wir sind verloren; ich werde mich mühen, die „Spanier bis zu Eurer Rückkehr hier aufzuhalten, säumet „aber nicht.« — Le BaSco that was ihm gesagt war, und der gute Ritter stellte sich, die Lanze in der Faust, ans Ende der Brücke, während die Spanier sich am andern Ende zum Uebergang bereiteten.

Gleich einem wüthenden Löwen schwang

er seine Lanze und stürzte sich auf den Trupp, der sich schon auf der Brücke befand, so daß drei oder vier wankten und in- Waffer stürzten, au- dem sie nimmer wieder emporkamen,

271 denn e- war breit und tief. Nun schaffte man ihm viel Roch, denn er wurde so hart angegriffen, daß er ohne seine große Tapferkeit nicht hätte Stand halten können. Er drängte sich gewaltsam gegen das Brückengeländer, damit sie ihm nicht in den Rücken kommen konnten, und vertheidigte sich mit seinem Degen so ungestüm, daß die Spanier er­ schreckt und verwundert meinten, er sei nicht ein Mensch, sondern ein Dämon. Kurz, er behauptete seinen Platz bis der Stallmeister le Basco ihm 100 Lünzen zuführte, welche die Spanier von der Brücke und eine gute Meile weiter fort trieben. Sie wollten sie noch länger verfolgen, als sie bemerkten, daß ein Trupp von 7 bis 800 Pferden zu ihrer Gegner Beistand herbei kam, und der gute Ritter sprach: „Meine Herren, genügen wir uns heute an der Erhaltung „der Brücke und ziehen uns in geschloßner Reihe zurück." DieS geschah, und der gute Ritter war immer der letzte, der den härtesten Anlauf abwehrte. Dabei kam er endlich sehr in Bedrängniß, weil sein Pferd, auf dem er de» ganzen Tag gekämpft hatte, sich vor Ermüdung nicht mehr halten konnte. Die Feinde sprengten zu neuem Angriff un­ gestüm heran, einige Franzosen stürzten, und daS Pferd des guten Ritter- wurde gegen einen Graben gedrängt, wo 20 oder 30 Mann ihn umringten und schrieen: „Ergebet Euch, Signore." Er ließ nicht ab im Kampf, konnte indeß nichtsagen als: „ich muß mich wohl ergeben, meine Herren, den» „ich allein vermöchte nicht Eurer Macht Stand zu halten." Unterdeß zogen seine Gefährten sich mehr und mehr nach der Brücke zurück, in der Meinung, der gute Ritter sei unter ihnen und waren schon ziemlich weit fort, als einer von ihnen, Herr Guisiray aus der Dauphine rief: „MeS»seigneurS, wir sind verloren! der Capitain Bayard ist todt „oder gefangen, denn er ist nicht unter uns. Sollen wir

272 „ohne Botschaft von ihm bleiben, der unS heute so trefflich „führte und so viel Ehre erwerben ließ?

Bei Gott, müßte

„ich ganz allein umkehren, so will ich lieber gefangen werden, „als nicht wisien, was aus ihm geworden ist." —

Es läßt

sich nicht sagen, wer von der ganzen Schaar zumeist erschrak, als sie erkannten, der Herr Guiffray

habe wahr geredet.

Alle saßen ab, um ihre Sattelgurte fest zu ziehen, saßen wieder auf und sprengten muthigen Sinnes den Spaniern nach, welche ihren Hauptmann einzig durch Schuld seineübermüdeten Pferdes mit sich fortführten. Die Spanier waren wegen ihrer großen Ueberzahl nicht bedacht gewesen, ihn zu entwaffnen, noch sich da- Schwert geben zu laffen, welches ihm an der Seite hing, hatten ihm nur eine Streitaxt abgenommen, die er in der Hand hielt. Sie fragten ihn, wer er sei und er, der wohl wußte, daß er nimmer lebend entkommen würde, wenn er seinen wahren Namen nenne, antwortete, er sei ein Edelmann. kamen seine Gefährten herbei und riefen:

Unterdeß

"Frankreich!

„Frankreich! Kehrt Euch Spanier, kehrt Euch! So "sollt Ihr die Blume der Ritterschaft nicht fort» »führen!"

Die Spanier sahen sich verwundert um.

Ihre

Zahl war groß und sie empfingen die daherstürmenden Fran­ zosen sichern Angesichte-; doch stürzten einige ihrer besten Reiter.

Das nutzte der gute Ritter, sprang rasch von sei­

nem erschöpften Pferde, schwang sich, ohne den Fuß in den Steigbügel zu setzen, auf den starken Renner eines seiner Feinde, den der Stallmeister le BaSco aus dem Sattel ge­ hoben hatte, und that Wunder mit seinem Schwert, laut rufend: Frankreich! Frankreich! Bayard! Bayard! den Ihr also entwischen laßt! Dieser Name lehrte die Spanier, welch ein Fehler es gewesen war, daß sie ihm weder die Waffen abgenommen,

273 noch ihn durch sein Ehrenwort gebunden hatten, denn das würde er nimmer gebrochen haben. Der Muth sank ihnen und sprachen: „Eilen wir nach unserem Lager, denn hier gelingt uns keine Waffenthat mehr." Sie sprengten davon und die Franzosen kehrten bei sinkender Nacht fröhlich in Vyc Lager heim, redeten acht Tage nur von ihrem schönen Abentheuer und von der Tapferkeit des guten Ritters. Im selben Jahr sandte König Ludwig XII. eine gute Zahl Leute unter Führung des Herrn Dunois nach Rosano, ihm diese Grafschaft wieder zu erobern. Sie vollführten rrichts Besonderes und einige Zeit nachher mußten die Fran­ zosen ganz ans Neapel fort,- ich weiß nicht durch wessen Schuld. Die Mehrzahl davon kehrte sehr arm nach ihrem Vaterlands heim. In Rom' erwies Papst Julius ihnen viele Höflichkeiten, verrieth sie aber nachmals sehr treulos. Ve­ no sa und einige andere Orte hatte der tapfere Feldhaupt­ wann Herr Loys d'Ars gemeinschaftlich mit dem guten Rit­ ter noch in Besitz. Sie hielten sich daselbst, der spanischen Macht zum Trotz, fast ein Jahr, unternahmen mehrfache kühne Ausfälle, bei denen sie meist den Preis davontrugen, und würden länger geblieben sein, wenn nicht König Lud­ wig, ihr Gebieter, sie abberufen hätte. 1504 kehrten sie sehr wider Neigung heim und wurden nach Verdienst von jedermann, auch vom Könige ehrenvoll empfangen, der als einsichtsvoller Herr im Wechsel des Sieges eine Fügung Gottes erkannte. Hier müssen wir nun ein wenig vom Kriege schweigen und erzählen, was sich während zwei Jahren in Frankreich und andern Ländern zutrug.

274 Kapitel XXVI. Von mehreren Dingen, die während zwei Jahren in Frankreich, Spanien und Italien geschahen.

Nach den obigen Ereignissen war einige Zeit Waffenstill­ stand zwischen Frankreich und Spanien, doch nicht sehr zur gelegenen Zeit, denn die einen hatten, was sie begehrten, die andern nicht. 1505 starb Johanna von Frankreich, die Herzogin von Berry, welche mit König Ludwig XII. vermählt gewesen war; er selbst aber lag in seiner Stadt BloiS so schwer darnieder, daß man sein Leben für verloren achtete und die Aerzte ihn aufgaben. Dennoch geschah eS, (auf Bitten sei­ nes Volkes, glaube ich, denn. er war sehr geliebt) daß der Herr seine Tage verlängerte. Im selben Jahr starb auch Friedrich von Arragonien, vordem König von Neapel, der letzte Nachkomme Pedrovon Arragonien, welcher Neapel ohne Ursache und Billigkeit an sich brachte, gleichwie denen kein Recht darauf zusteht, welche eö seitdem besessen haben und besitzen. 1506 schied die Königin Isabella von Castilien, eine der ruhmwürdigsten Frauen, vom Leben. Sie half mit gewaffnetem Arm daS Königreich Granada den Mauren ab­ gewinnen, und hat sich fürwahr würdig gemacht, jenseits eine Lorbeerkrone zu empfangen. Auch Philipp, ihr Schwiegersohn und Erbe, durch seine Gemahlin König von Spanien, der Erzherzog von Oestreich und Graf von Flandern, starb im selben Jahre; für Frank­ reich kein Verlust, denn er hatte dort ein Korn ausgestreut, welches jenem Lande keine gute Frucht verhieß. Papst Julius eroberte mit Hülfe des König- von Frank-

27fr reich und deffea Gmerallieutenants, de- Herrn Carl von 8m* Boise, die Stadt Bologna und vertrieb den Herr» Jean Ben* tivoglio von dort. Wer die- herbei führte, weiß ich nicht,*) Frankreich aber stand von da an nicht mehr fest in Italien, denn jener Papst war den Franzosen nicht wohl gesinnt und gewann jenseit- der Alpen, den lombardischen Ländern deKönig- von Frankreich gegenüber, durch die Herrschaft über Bologna neue Macht, da- zeigten die späteren Ereignisse? Einige Personen hatten damals Gewinn von der Sache; erhielten Geld und Gnadenerweisungen, fürwahr aber ist eeine Teufelei, wenn Geiz über Ehre gebietet, und da- ist in Frankreich immer mehr Sitte gewesen, als sonst wo. Eist da- schönste Land Europa-, jeder gute Boden aber trägt nicht gute Früchte aller Art, und ich hatte mich an de» Au-spruch de» Dichter- Iran Meung, welcher sagt: reiche Gab« bringen dem Geber Gewinn, verderben aber den Empfänger. König Ferdinand von Arragonien, durch den Heimgang der Königin Isabella Wittwer worden, vermählte sich im selben Jahre noch mit Germaine de Foix, einer Nichte de» König- von Frankreich. Sie reiste unter viel Prunk »ach Spanien, vergalt aber dort ihrem Paterland die ihr erwie­ sene Ehre Übel, denn eine schlechtere Französin hat e- nimmer gegeben.

Kapitel XXVII.

Die die Genueser sich erhoben, und der König von Frankreich nach Italien ging. Da» e- Pflicht aller wahren Christen ist, der Kirche zu gehorch«, bestreite ich nicht, eben so wenig aber sage ich,

18*

alle ihre Diever seien rechtliche Menschen und htm ich als ein Lugevschemüches Beispiel dafür Padft Julius, anführe». Kündig Ludwig Halle ihn, ich mit vicht mit welchem Recht«, in den Besitz von Bologna gesetzt, und zum Lohn dafür be­ gann er dahin zu wirken, daß er die Franzosen ans 3>altte vertreibe, brachte Genua, welches dem Könige gehörte, durch falsche, listige Mittel zum Aufstand mtib daS niedere Volk gegen den Adel in Bewegung, so datz es diesen auS der Vtadt vertrieb uttto

einen Handwerker, den Färber Paul

Rauh, zum Herzog einsetzte. Hievon gaben Rachricht.

einige treugesinnte Adlige dem Könige

Er ernannte als ein kluger Fürst, dast diese Sache

übel ablaufen werde, wenn nicht bald ein Einsehen geschehe, beschloß mit starker Macht selbst über die Berge zu gehen und rüstete sich dazu mit großer Sorgfalt.

ter

Der gute Rit­

befand sich damals in Lyon, am viertägigen Fieber krank,

welches ihn, ohne weitere Folgen für sein Leben, sieben Jahre oder länger nicht verließ.

Dabei litt er viel Schmerzen im

Arm, in Folge eines Lanzenstiches, der ihn vordem getroffen und so schlecht geheilt worden war, daß ein Splitter

im

Fleische blieb und die Wunde offen hielt. Bei der Rückkehr aus Neapel hatte der König ihn zu einem seiner Stallmeister ernannt, in Erwartung, daß er ihm eine erledigte Befehlshaberstelle über eine Abtheilung Lanzen geben könne.

Bayard

aber dachte in seinem Herzen, es

werde, ob er auch nicht gesund sei, doch als eine Feigheit erscheinen, wenn er seinem Fürsten nicht/ felge.

Daher ach­

tete er keine Beschwerde und rüstete sich zum Feldzug.

In

drei bis vier Tagen hatte er seine Angelegenheiten geordnet und ging mit den Andern nach Italien.

Eilige Märsche

brachten die Armee schnell vor Genua, zum großen Z>erwundern der Einwohner, die in wenigen Tagen viel Hülfstxuppen

277 vom Papst aus der Romagna erwarteten.

Sie thaten, was

in ihrer Macht stand, hatten sogar auf dem Berge, woselbst die Franzosen auf ihrem Wege nach der Stadt vorüber wuß­ ten, eine treffliche Bastion errichtet und sie mit Leute« und Geschützen wohl versehen.

Diese weckte Furcht in der fran­

zösischen Armee und der König berief sämmtliche Führer, da­ mit er vernehme, was sie von der Sache dächten.

Ihr Aus­

spruch lautete sehr verschieden, indem die einen sagten, da droben könne eine starke Macht verborgen liegen, die ihnm Vernichtung und Schmach bereite; die andern behaupteten, es wären nur Canaille», welche nicht Stand zu halten ver­ möchten. Da wandte der König sich zu dem guten Ritter und sprach:

»Bayard, was meint Ähr?» —

»Fürwahr, Sire,

»noch wüßte ich nicht, was antworten, man muß gehen und »sehen, was sie auf dem Berge treiben, gefällt es Euch, mir »Urlaub zu ertheilen, so sollt Ihr, wenn ich nicht getödtet »oder gefangen werde, vor einer Stunde erfahren wie es dort «steht.»

»Ich bitte Euch darum,« entgegnete der König,

»Ihr versteht Euch auf derlei Dinge wohl.» Der güte Ritter säumte nicht, rief seine Freunde und Gefährten, unter denen sich sehr angesehene Leute befanden, zusammen und begann als der Erste den Berg hinan ju steigm.

Sobald mau ihn vorauf sah, fehlte es nicht an sol­

chen, welche

ihm folgten.

Mit Mühe zur Höhe gelangt,

schöpften sie ein wenig Athem.

Dann marschirten sie gerade

auf die Bastion los, erfuhren harten Widerstand und muß­ ten tüchtig

kämpfen.

Endlich

kehrten die Genueser

Rücken und die Franzosen ihnen nach.

den

»Nicht doch! meine

»Herren,« rief Bayard, »wenden wir uns zur Bastion, dort »können noch Leute sein, die uns einzuschließen drohen, wir »müssen sehen, was es da giebt.»

Diesem Rath folgten

278 Alle, und wie er gemeint hatte, so war e-; in der Bastion lagen noch 2 oder 300 Mann, die sich Anfang- hart ver­ theidigten, endlich aber wichen und in raschem Lauf den Berg hinab eilten, um ihre Stadt zu erreichen. So ward die Bastion gewonnen, und die Genueser tha­ ten von da an nicht mehr viel, ergaben sich dem Könige auf Gnade, der seinen Einzug hielt, den Einwohnern die Kosten seine- Kriegszuge-

auferlegte und

auf ihre Rechnung die

Citadelle Godesa erbauen ließ, welche durch ihre Lage die Stadt beherrschte.

Der vom Volk

eingesetzte Herzog und

ein gewiffer Zustiniano wurden enthauptet. Kurz, die Abtrün­ nigen erfuhren rasch harte ©träfe. Bald darauf fand in Savona eine Zusammenkunft zwi­ schen dem Könige von Frankreich und dem Könige von Arragonien statt, der von Neapel nach Spanien zurück kehrte. Germaine von Foix, de- letzteren Gemahlin, war dabei und betrug

sich

sehr

übermüthig, achtete der Franzosen, selbst

ihre- Bruder-, de- Herzog- von Nemour-, von dem bald mehr die Rede sein wird, gar nicht.

Der König von Frank­

reich aber erwies Gonsalvo von Cordova viel Ehre und der König von Arragonien den Feldhauptleuten LoyS d'ArS und dem guten Ritter: "Glücklich, mein erhabener Bruder," sprach er zu König Ludwig, „wer zwei solche Ritter seine Diener nennt."

Nach wenigen Tagen trennten sich die Fürsten; der

.eine ging nach Spanien, der andere nach dem Herzogthum Mailand.10)

270

Kapitel

XXVIII.

Wie Kaiser Marmilian die Venezianer mit Krieg überzog, und der König von Frankreich ihnen unter Anführung de- Herrn Jean IaqueS Trivulce Hülstmacht zusandte. Als König Ludwig nach der Einnahme von Genua und der Zusammenkunft mit dem Könige von Spanien in Mai­ land eintraf, (1508) veranstaltete Herr Jean IaqueS, fein Feldherr, daselbst daS allerköstlichste Banquet für eine Ver­ sammlung von mehr als 500 Personen, die Damen un­ gerechnet, deren 100 bis 140 zugegen waren. Köstlichere Speisen und Getränke hatte man nicht auftragen, bessere Maskeraden, Comödien und Festspiele nicht anordnen können. Der König ging von da nach Frankreich heim, schon im folgenden Jahr aber empfing er eine Botschaft v'on den Venezianern, seinen Verbündeten, durch welche sie ihm mel­ deten, Kaiser Maxmilian komme mit feindlichen Abfichten in ihr Land herab und flehend baten, der König möge ihnen Hülfe senden. DaS that er gerne; befahl dem Herrn Jean .IaqueS Trivulce mit 600 Lanzen und 6000 Mann Fußvolk zu den Venezianern zu stoßen. Dieser gehorchte, vereinte fich mit der Macht deS Senats, traf die Armee des KaiferS und hielt ihren weiteren Marsch auf.") Da dachten die Venezianer, welche fein und schlau find, verhandeln sei besser al- den Krieg fortsetzen und trachteten Frieden zu gewinnen, bis eS ihnen glückte, einen solchen zu erlangen; sie zahlten etwa- Geld, denn dessen bedurfte Kaiser Maxmilian zu aller­ meist. Kurz, er zog seine Armee zurück. Herr Jean IaqueS aber empfand e- übel, daß man ihn bei diesen Berathungen flcnr nicht hinzugezogen hatte, und sagte dem Proveditore

280 der Signoria, er werde den König, seinen Gebieter, von der Lage der Dinge unterrichten, glaube, diese werde ihm höchst seltsam dünken.") Wie er gesagt, so that er, die Angelegenheiten beruhten iitbefi ein wenig, und König Ludwig hielt in jener Zeit, von seiner Gemahlin der Königin begleitet, seinen Einzug in die Stadt Rouen. Dieser war sehr glänzend, denn die Edel­ herren und auch die Kinder der Stadt thaten ihr Bestes und Festspiele und Turniere dauerten acht Tage. — Wäh­ rend dem kamen der Papst, und der Kaiser und die Kimige von Frankreich und Spauieu überein, Abgesandte zu einer gemeinsamen Berathung nach der Stadt Cambray zu schicken. Für Frankreich unterhandelte der Cardinal Amboise, Legat in jenem Reich, und dessen Neffe, der Herr von Chaumout, Großmeister von Frankreich, sämmtliche Abgeordnete aber beschloffen, Beuedigs Macht zu vernichten,13) dessen Einwoh­ ner wdnig Gottesfurcht übten, in Stolz und in Reichthum lebten und andern christlichen Herrschern wenig Ehrfurcht bezeigten. Vielleicht verdroß das den Herrn der Welt. Kurz, es kam zu Cawbrah zwischen Freund und Freund und Feind und Feind ein Vertrag zu Stande, dem gemäß der König von Frankreich gleich nach Ostern im 3ahr 1509, vierzig Tage früher als die übrigen Verbündeten aufbrechen und in die venezianischen Staaten einrücken solle. Weshalb dies bestimmt wurde, ist mir unbekannt, wenn man nicht den sichern Weg erforschen, und im Fall eS dem König übel ginge, ihn selbst anstatt der Venezianer angreifen wollte, denn ich hörte nimmer, daß -wischen den Häusern Frankreich und Oestreich große Freundschaft bestand und zwischen de» Papst und dem König war auch kern Einvernehmen. Kurz, es scheint mir, sie wollten die Franzosen ihr Glück versuche» lasten und da- Spiel der Schulkinder spiele«, welche- heißt:

ist es gut , so nehme uh es , ist es schlecht, so lasse ich es liegen. Der König aber führte durch, was er unternommen, sich zur Ehre und seinen Verbündeten zum Gewinn.

Kapitel XXIX. Wie der König seine Armee wider die Venezianer führte.

Gegen den März 1509 schickte König Ludwig seine Rei­ terei und seine französischen Aventuriers, 14 bis 15,000 an der Zahl, alle von sehr guten und tugendsamen Hauptleuten geführt, nach dem Herzogthum Mailand.

Als er sich zu

diesem Unternehmen rüstete, hatte er den guten Ritter ohne Furcht und Tadel zu sich beschieden und ihm gesagt: „Ba„yard, Ihr wisset, daß ich über die Berge gehen will, von „den Venezianern Rechenschaft fordern, die mir' die Graf„schaft Cremona und andere Länder vorenthalten.

Für die-

„seu Zug nun gebe ich Euch die Compagnie des Capitain „Chatelart, der gestorben ist, wie man mir sagt, (was mir „leid thut) doch will ich, Ihr sollt auch Fußvolk unter Euch „haben, Eure Reiter mag dann der Hauptmann Pierepont „anführen." „Sire," antwortete Bahard, „ich werde thun, was Euch „gefällt, wie viel Fußvolk aber wollt Ihr mir geben?" — „Tausend Mann," antwortete der König, „es hat niemand „mehr." — „Das ist viel, meines Dafürhaltens," sprach der Ritter, „ich bitte, daß Ihr Euch mit 500 genügt, schwöre, „sie sorgfältig zu wählen, damit sie Euch guten Dienst lei» „sten; jenes scheint mir für einen einzelnen Mann, falls

er

„seine Schuldigkeit thun will, eine große Last." „Wohl," sprach der König, „gehet nach der Dauphins

282 und sorget, daß Ihr Ende März in Mailand seid. — Tr und alle andern Hauptleute warben gute Truppen an und lagerten Ende März oder Anfang April im Herzogtum Mailand.14)

Die Venezianer, denen durch den Herold Montjoye der Krieg angekündigt wurde, beschloffen sich zu vertheidigen. Sie wußten, der König habe keine große Macht; denn sie bestand mit Einschluß von 6000 Schweizern auS etwa 20,000 Fußgängern und 2000 Lanzen und riefen ihrerseits eine starke Armee von mehr als 2000 eben so wohl ausge­ rüsteten und geleiteten Lanzen und 30,000 Fußgängern zusam­ men. Ihr Anführer war der Graf Petilane und General ihre- Fußvolkes der Herr Bartolomeo Alvyano. Bei seiner Ankunft in Mailand hörte der König, die Venezianer hätten Trevi, eine kleine Stadt am Fluß Ade, wieder erobert, welche ihnen erst ganz kürzlich vom Groß­ meister Chaumont abgenommen war, hätten Trevi mit Feuer und Schwert verheert und die Reiter de- CapitainS FonttailleS gefangen fortgeführt. — Dies bestimmte ihn, gerade auf Casiano zu marschiren. Er ließ dort zwei Schiffbrücken über den Fluß Ade schlagen, eine für die Reiter, die andere für daS Fußvolk und ordnete ganz gewaffnet selbst den Uebergang. — Kurz, nachdem dieser bewirkt war, trafen die zwei feindlichen Armeen bei dem Dorfe Agnadello aufeinander. Den Venezianern war von der Signoria befohlen, keine Schlacht einzugehen, nur die Städte und Castelle zu bewah­ ren und den Gegner zu ermüden. Den Herrn von Alvyano aber lockte die Ehre, einen König zu bekämpfen, allzusehr, er ging dreist in die Schlacht und eS wurde hart gestritten, denn Anfang- hielten sich die Leute der Signoria gut. — Während de- Gefechte- rief der Herr Barthelomve die franzöfifche Lrrieregarde herbei, zu der der gute Ritter gehörte.

283 sm fremden Einfluß in Italien fürchtend, zögerte zu unterschreiben und suchte heimlich zu bewirken, daß die Venezianer ihm Faenza und Rimini überließen. Unbekannt mit den Verhandlungen zu Cambray verweigerten sie ihm dies, da ergrimmte er, unterzeichnete und schleuderte heftige Bannbullen wider die Republik. 15. Die dem Charakter Chaumonts ganz unähnliche Vergif­ tung des Weines wird von keinem gleichzeitigen Geschichtschreiber berichtet. 16. Papst Julius, der der Ligue von Cambray untreu wurde, begann sich damals wider Frankreich zu erklären; er söhnte sich mit den Venezianern aus, unter harten, ihnen auferlegten Bedin­ gungen und der Angriff auf den Herzog von Ferrara, von dem bald weiter die Rede sein wird, war Beginn des Versuches, die Franzosen aus Italien zu vertreiben, die deutsche Macht zu beschränken und die seine zu erweitern. König Ferdinand von Spanien, der schon früher aus der Ligue von Cambray geschie­ den war, schloß sich ihm an und suchte auch König Heinrich VIII. von England für seine Pläne zu gewinnen. Kaiser Maxmilian blieb damals dem Könige von Frankreich noch verbündet. 17. Anna Sforza, die Gemahlin des sehr klugen und tapferen Herzogs von Ferrara. Champier sagt, sie habe dem guten Ritter täglich Geschenke gesandt, die Damen Ferraras hätten den tapferen Bayard besucht, zu seinem großen Vergnügen und er sei von jebermann so geliebt gewesen, daß man im Volke nicht genug Gutes Dort ihm zu sagen wußte. In zweiter Ehe heirathete der Herzog Dort Ferrara Lucrezia Borgia, die Tochter Alexander des VI. 18. In jener Zeit gab Papst Julius dem Könige Ferdinand

440 von Spanien die Investitur über Neapel und vernichtete dadurch alle Ansprüche Frankreichs aus jenes Land. Die kirchlichen Strei­ tigkeiten zwischen Frankreich und Italien steigerten sich. Im Sep­ tember 1511 beriefen König Ludwig XII. und Kaiser Maxmilian ein Consilium nach Pisa und erklärten sich in Felge davon endlich wider den Papst. Dieser dagegen stiftete im October 1511 die heilige Ligue mit Ferdinand von Spanien und Venedig, suchte König Heinrich VIII. von England dafür zu gewinnen und zog die Schweizer auf seine Seite. Des Kaisers Eifer für den italie­ nischen Krieg ließ mehr und mehr nach, und Frankreich selbst führte diesen nicht mit Nachdruck, da der König ungerne das Schwert wider das Haupt der Cbristenheit zog. 10. Bologna war seit dem 26sten Januar 1512 von Don Raimondo, dem Vicekönig von Neapel belagert worden, hatte nur eine schwache Besatzung und schien verloren, als Gaston du Foix, Herzog von Nemours sich mit Ueberwindung jedes Hindernisses, der nicht ganz umschlossenen Stadt näherte, und am 5ten Februar, Morgens neun Uhr, ganz unerwartet in dieselbe einrückte, indem der Vicekönig, durch das böse Wetter behindert, nicht gehörig Posten ausge­ stellt hatte. Tie Belagerten fühlten sich ermuthigt; er traf Anstalten zu einem Ausfall und der Vicekönig, der Anfangs seinen kühnen Marsch nicht glauben wollte, heb, von der Wahrheit unterrichtet, die Belagerung auf, so daß Gaston nur feinen Rückzug beunruhigen konnte. 20. Der Entsatz BreSciaS, den der Herzog von Nemours am 18ten September 1512 bewerkstelligte, hätte König Ludwigs Stellung in Italien eine sehr günstige Wendung geben können. Dafür war jedoch hinderlich, daß der König von England der heiligen Ligue beitrat, und der Kaiser seinem Bundesgenossen, dem Könige von Frankreich, so harte Bedingungen stellte, daß dieser sie zurückwei­ sen, des Kaisers Abfall bald erwarten und von seinen sämmtlichen Verbündeten verlassen, Nemours zur Schlacht treiben mußte. 21. Die Franzosen wurden im Juni 1512, zwei Monate schon nach dem Siege bei Ravenna auö Italien verjagt. Der Cardinal von Mantua hatte ihren eiligen Rückzug genutzt und war geflohen, der Herzog von Urbino besetzte in Papst Julius Na-

441 men dte Stadt Bologna; Genua wählte Jean Fregosa zu seinem Dogen uttib Maxmilian Sforza, Sohn von Ludwig Sforza, wurde von best Schweizern, die Mailand mne hatten, als Herzog jeneLandeS eimgesetzt. Der Zweck der Verbündeten, die Franzosen zu vertreiben, war erreicht, nun aber konnten sie sich bei Bertheiluug der Beute nicht einen und jeder machte seine besonderen Interessen geltend- Die Schweizer wollten Italien Gesetze vorschreiben, die Venezianer konnten mit dem Kaiser, der verschiedene, im Vertrag von Eambray ihm zugesagte Städte beanspruchte, nicht zum Frie­ den kommen, der Papst, der nur die Fremden aus Italien fort haben wollte, begann wider Spanien dieselben Mittel anzuwenden, die er wider Frankreich geübt. 22. Wir haben in der vorhergehenden Note gesagt, daß die Verbündeten der heiligen Ligue sich nach Vertreibung der Franzo­ sen über die Bertheilung der Beute nicht einen konnten. Um ihren sich entgegenstehenden Interessen zu genügen, versammelte man endlich einen Eongroß in Mantua, entschied aber nichts, als daß Maxmilian Sforza die Investitur über Mailand erhielt uud die Medici als unumschränkte Gebieter nach Florenz zurückkehrten. Die Streitigkeiten zwischen den Venezianern und dem Kaiser blie­ ben ungeschlichtet und Papst Julius II. verband sich eng mit dem letzteren, erklärte Venedig mit geistlichen und zeitlichen Massen zu verfolgen, bis es dem Oberhaupt des Reiches Genüge thue, und belegte Frankreich und dessen Verbündete mit dem Interdict. Diese Bulle galt dem Könige von Spanien als Vorwand König Albrecht, den Verbündeten Frankreichs, aus Navarra zu vertreiben. Hiebei unterstützte ihn der König von England, indem er seine Truppen nach Guyenne marschiren ließ. Frankreich, obwohl von Deutschland her durch den Kaiser und den Erzherzog Earl, dessen Enkel, nach Burgund hin durch die Schweizer und nach der Provence und Dauphins hin von den italienischen Verbündeten bedroht, sandte doch eine Armee nach Navarra, um Johann Al­ brecht wieder einzusetzen. Der junge Franz, muthmaßlicher Thron­ erbe, ihr Führer, bewies dort Muth und Ausdauer, mußte aber nach Frankreich zurück, weil Unterhaltsmittel fehlten, der Winter eintrat, und Alba einer Schlacht auswich. In jener Zeit, sagt Zeit- u. Charakterbildcr. 29

442 man, wollte der König von Frankreich Ludovico Sforza frei ge­ ben, der seit zwölf Jahren in Loches gefangen saß. Dieser starb jedoch, ehe e- geschah. 23. Suffolk stammte aus der Familie Pole, war au- Eng­ land proskribirt und bei dem Könige von Frankreich in Dimst. 24. Trimouille war der Anführer der Franzosen und die Schlacht, welche ihn nöthigte über die Berge zurückzugehen, wurde am 6ten Juni 1513 bei Rovara geschlagen. 25. Ehampier sagt, der gute Ritter habe bei diesem Anlaß gerathen, entweder eine allgemeine Schlacht zu liefern, oder der Besatzung Uebergabe befehlen zu lassen. 26. Allerlei Intriguen am französischen Hose bewirkten, daß die Statthalterschaft über Mailand nach kurzer Zeit dem Lonnetable wieder abgenommen wurde und er kehrte nach Frankreich heim. Auch Bayard ging über die Berge zurück und brachte einige Zeit in MoulinS, der Hauptstadt des Lonnetable zu, der ihn dorthin eingeladen hatte und seinen schon damals erwachenden Unmuth über den Hos in Klagen gegen seinen Freund auSsprach. Bon MouliuS ging Bayard zum König und brachte einige Jahre am Hofe zu, bis der flandrische Krieg begann und König Franz dabei seiner Dienste begehrte. 27. Catharina von Medici, Gemahlin Heinrich des II. und Mutter Franz des II., Carl des IX. und Heinrich des III. 28. Kaiser Larl, welcher erkannte, daß er den König von Frankreich in Italien am besten angreifen könne, verband sich dem Papste und den kleinen italienischen Fürsten, um die Franzosen von der Halbinsel zu vertreiben. Hievon unterrichtet, schickte der König eine vom Marschall Lautree angeführte Armee nach Italien, sie richtete jedoch aus Mangel an Geld nichts aus, wurde von Ort zu Ort verdrängt und mußte 1522 in kläglichem Zustande über die Berge zurück. Mailand war verloren. Um dies wieder zu gewinnen, beschloß der König ein neues Heer mir befleren Hülfsmitteln selbst nach Italien zu führen und traf seine Zurü­ stungen, als mau ihn vor der Verschwörung des Lonnetable von Bourbon warnte. Dieser, in seinen persönlichen Rechten ge­ kränkt, hatte mit England und dem deutschen Kaiser ein Büudniß

443 geschlosseu, durch welches er fich verpflichtete, den von Nord, West und Ost gegen Frankreich anrückenden Feinden mit 6000 Manu Hülsttruppen im Innern Beistand zu leistm, sobald der König nach Italien sei. König Franz wollte Anfang- solchem Verrath nicht Glauben schenken, entschloß sich indeß bei wiederholten Win­ ken dennoch in Frankreich zu bleiben, und übergab den Ober­ befehl der italienischen Armee seinem Admiral, dem Herrn von Bonnivet. Der Lonnetable Bourbon, der sich in Frankreich nicht mehr sicher glaubte, floh und schloß sich der kaiserlichen Armee in Italien an, wo er Bayard, seinem früheren Freunde, zu dessen tiefem Kummer al- Feind gegenüber stand.