Wirtschaft und Menschenrechte: Staatliche Schutzpflichten auf der Basis regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge [1 ed.] 9783428536986, 9783428136988

Thomas Koenen untersucht Art und Ausmaß staatlicher Pflichten zum Schutz von natürlichen Personen vor menschenrechtsbeei

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Wirtschaft und Menschenrechte: Staatliche Schutzpflichten auf der Basis regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge [1 ed.]
 9783428536986, 9783428136988

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Schriften zum Völkerrecht Band 196

Wirtschaft und Menschenrechte Staatliche Schutzpflichten auf der Basis regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge

Von

Thomas Koenen

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS KOENEN

Wirtschaft und Menschenrechte

Schriften zum Völkerrecht Band 196

Wirtschaft und Menschenrechte Staatliche Schutzpflichten auf der Basis regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge

Von

Thomas Koenen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-13698-8 (Print) ISBN 978-3-428-53698-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-83698-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2010 als Dissertation bei der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum eingereicht worden. Sie berücksichtigt die Entwicklung des Völkerrechts und insbesondere die Faktenlage hinsichtlich der Urteile und Entscheidungen der relevanten Überwachungsorgane der regionalen und internationalen Menschenrechtsverträge bis zu diesem Zeitpunkt. Insbesondere danken möchte ich meiner Doktormutter, Frau Professor Dr. Adelheid Puttler, für ihre intensive und freundliche Betreuung. Ihre wertvollen Anregungen haben sehr geholfen, die Arbeit bei der Breite des möglichen Themas Wirtschaft und Menschenrechte fokussiert auszurichten. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Markus Kaltenborn für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens sowie den freundlichen Mitarbeitern der Juristischen Fakultät der RuhrUniversität Bochum für die angenehme Zusammenarbeit. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mir auf meinem Berufsweg stets alle Wege eröffnet haben, und meiner Frau Margarete, die mich bei der Erstellung der Arbeit von Anfang an trotz erheblicher zeitlicher Opfer vorbehaltlos unterstützt hat. Ihnen widme ich diese Arbeit in tiefer Dankbarkeit. Ebenfalls danken möchte ich dem Vorstand von econsense – Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft e.V. sowie der Gesellschaft zur Förderung von Auslandsinvestitionen e.V. für die freundliche Unterstützung, welche mir insbesondere die intensive Befassung mit der Arbeit im Rahmen eines fünfmonatigen Sabbaticals ermöglicht haben. Berlin, im April 2012

Thomas Koenen

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Berührungspunkte und Konflikte zwischen den Menschenrechten und privaten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Regelungsansätze zur Einbeziehung der Aktivitäten privater Unternehmen in den Menschenrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Neue Internationale Wirtschaftsordnung der 1970er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. UN Code of Conduct on Transnational Corporations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. UN-Normen für die Verantwortlichkeiten transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte . . . . . . . 28 4. Freiwillige Verhaltenskodizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5. Unternehmen vor dem Internationalen Strafgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 6. Einzelstaatliche extraterritoriale Jurisdiktion transnationaler Unternehmen in Menschenrechtsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Problemanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Erster Teil Begriffserläuterungen

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A. Staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Sinn und Zweck staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Schutzpflichten und staatliche Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Souveränitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

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Inhaltsverzeichnis 2. Interventionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

B. Transnationale Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) . . . . . . . . 44 2. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) . . . . . . . . 45 3. International Labour Organization (ILO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4. Definitionsansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5. Institut de Droit International (IDI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6. Definition des American Law Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Verbreitung transnationaler Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Anzahl weltweit operierender Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Die größten transnationalen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Das Maß der Transnationalität weltweit operierender Unternehmen . . . . . . . . . 50 4. Das Wachstum transnationaler Unternehmen in Schwellenländern . . . . . . . . . . 50 C. Menschenrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Auslegung von Menschenrechtsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Spezifische Dynamik regionaler Menschenrechtsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zweiter Teil Analyse staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf Aktivitäten privater Unternehmen auf der Grundlage regionaler Menschenrechtsübereinkommen

54

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur verbindlichen Auslegung der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 III. Staatliche Handlungspflichten (positive obligations) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Schutzadressaten der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Dynamische Auslegung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Inhaltsverzeichnis

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3. Grundsätzliche Haltung des EGMR zu staatlichen Handlungspflichten . . . . . . 57 4. Arten und Umfang staatlicher Handlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Regelungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Untersuchungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Untersuchungspflichten nach Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) . . . . . . . 60 bb) Sonstige Untersuchungspflichten im Rahmen der EMRK . . . . . . . . . . . 61 c) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Informationspflichten nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Informationspflichten nach Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) . . . . . . . . . 63 d) Sonstige Handlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 e) Abgrenzung von Handlungspflichten zu Verfahrens- und Teilhabegarantien

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5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Mittelbare Drittwirkung und Schutzpflichten im Rahmen der EMRK . . . . . . . . . . 65 1. Grundsätzliche Schutzrichtung der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Mittelbare Drittwirkung staatlicher Handlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Konkrete Schutzpflichten im Rahmen der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Schutzpflichten nach Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Schutzpflichten nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Schutzpflichten nach Art. 4 EMRK (Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 dd) Schutzpflichten nach Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit)

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ee) Schutzpflichten nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 ff) Schutzpflichten nach Art. 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (1) Schutzpflichten betreffend die Versammlungsfreiheit nach Art. 11 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (2) Schutzpflichten betreffend die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

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Inhaltsverzeichnis b) Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen . . . . . . . 73 aa) Eingriffe in Art. 2 (Recht auf Leben) und 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) durch industrielle Aktivitäten . . . . . . . 73 bb) Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK durch Zwangsmitgliedschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 cc) Eingriffe in Art. 8 EMRK speziell durch Umweltemissionen . . . . . . . . 75 (1) Schadstoffemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (2) Lärmemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 dd) Sonderstellung transnationaler Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 ee) Zwischenergebnis: Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 ff) Unterscheidung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf natürliche Personen und private Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4. Verhältnismäßigkeitsprüfung und Grenzen staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . 80 5. Sonderfall: Staatliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6. Sonderfall: Privatisierung staatlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 V. Räumlicher Geltungsbereich und extraterritoriale Anwendung der EMRK im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Räumlicher Geltungsbereich der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Territorialität als Basis des räumlichen Geltungsbereichs der EMRK . . . . . 84 b) Ausnahmen vom reinen Territorialitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Effektive Kontrolle über fremde Staatsgebiete durch militärische Hoheit 85 bb) Hoheitsmacht über Personen auf fremdem Staatsgebiet ohne Gebietskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 cc) Auslieferungen und Ausweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Schutzpflichten in extraterritorialen Gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Bedeutung für die extraterritorialen Aktivitäten transnationaler Unternehmen . 91 4. Staatliche Schutzpflichten bei nationalen Entscheidungen transnationaler Unternehmen mit extraterritorialem Effekt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 5. Sondersituation: Weak Governance Zones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6. Extraterritoriale Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten staatlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Inhaltsverzeichnis

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VI. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Organe der AMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Kompetenzen der Konventionsorgane zur verbindlichen Auslegung der AMRK . 98 1. Auslegungskompetenzen des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Auslegungskompetenzen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Schutzpflichten im Rahmen der Amerikanischen Menschenrechtskonvention . . . 100 1. Ausgangspunkt Art. 1 Abs. 1 AMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Auslegung staatlicher Schutzpflichten durch den IAGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Der Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Implikationen des Urteils im Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras . . . . . . 102 c) Rechtsprechung im Nachgang zu Velásquez-Rodríguez v. Honduras . . . . . . 103 aa) Schutzpflichten nach Art. 4 AMRK (Recht auf Leben) . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Schutzpflichten nach Art. 5 AMRK (Recht auf menschenwürdige Behandlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Schutzpflichten nach Art. 7 AMRK (Recht auf persönliche Freiheit) . . 105 dd) Schutzpflichten nach Art. 16 AMRK (Vereinigungsfreiheit) . . . . . . . . . 105 ee) Schutzpflichten nach Art. 21 AMRK (Eigentumsrechte) . . . . . . . . . . . . 105 d) Rechtsgutachten des IAGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Auslegung staatlicher Schutzpflichten durch die Interamerikanische Menschenrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Individualbeschwerden vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Staatenberichte der Interamerikanischen Menschenrechtskommission . . . . . 108 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

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Inhaltsverzeichnis IV. Spezifische Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen . . 109 1. Auslegung durch den IAGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Relevante Verfahren vor dem IAGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Rechtsgutachten des IAGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Auslegung durch die Interamerikanische Menschenrechtskommission . . . . . . . 112 a) Individualbeschwerden vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Staatenberichte der Interamerikanischen Menschenrechtskommission . . . . . 114 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Zusammenfassung und Analyse der staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf die Aktivitäten privater Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 V. Räumlicher Geltungsbereich und extraterritoriale Anwendung der AMRK im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Territorialität als Basis des räumlichen Geltungsbereichs der AMRK . . . . . . . . 115 2. Ausnahmen vom reinen Territorialitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Auslegung durch den IAGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Auslegung durch die Interamerikanische Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Bedeutung für die extraterritoriale Jurisdiktion über transnational operierende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 VI. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

C. Die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Organe der Afrikanischen Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker . . . 119 2. Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker . 120 II. Kompetenzen der Konventionsorgane zur verbindlichen Auslegung der AfrMRC 121 III. Allgemeine Schutzpflichten und spezifische Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Der Ogoni-Fall vor der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Positive staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Inhaltsverzeichnis

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3. Explizite staatliche Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Zwischenergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 IV. Räumlicher Geltungsbereich und extraterritoriale Anwendung der AfrMRC im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 D. Die Arabische Charta der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Inhalte der Arabischen Charta der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Das Arabische Menschenrechtskomitee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 E. Gesamtbetrachtung staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Menschenrechtsübereinkommen mit Fokus auf private Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 128 I. Regionale Entwicklungstendenzen: Von reinen Abwehrrechten zu umfassenderen Schutzsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Gemeinsamkeiten der regionalen Konventionen hinsichtlich staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Einbeziehung von privaten Unternehmen in den Wirkungsbereich staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 IV. Typische Anwendungsfälle in Bezug auf private Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 134 V. Extraterritoriale Reichweite staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Dritter Teil Staatliche Schutzpflichten hinsichtlich privater Unternehmen auf der Grundlage internationaler Menschenrechtsverträge

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A. Die Internationalen Menschenrechtspakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Einführung und Verhältnis der Menschenrechtspakte zueinander . . . . . . . . . . . . . 137 II. Organe und Berichtssysteme der Menschenrechtspakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

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Inhaltsverzeichnis III. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) . . . . . . . . . . 139 1. Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Ausgangspunkt der Analyse: Generalklausel aus Art. 2 ICCPR . . . . . . . . . . 139 b) Schutzpflichten im Rahmen des kodifizierten Rechts des ICCPR . . . . . . . . 140 c) General Comments (Allgemeine Bemerkungen) des HRC . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) General Comment No. 31 („The nature of the general legal obligation imposed on States parties“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Sonstige General Comments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 d) Concluding Observations zu Staatenberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 e) Beurteilungen des HRC zu Individualbeschwerden (1. Fakultativprotokoll) . 145 f) Zwischenergebnis zu Schutzpflichten im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen . 147 a) Die Erwähnung von Wirtschaftsunternehmen in den General Comments des HRC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Die Erwähnung von Wirtschaftsunternehmen in Concluding Observations und Individualbeschwerdeverfahren: Spezifische Fallgruppen . . . . . . . . . . . 147 aa) Schutzpflichten bei Diskriminierungen im Arbeitsbereich . . . . . . . . . . . 148 bb) Schutzpflichten zur Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit . . . . . 148 cc) Pflichten zum Schutz von Wanderarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 dd) Pflichten zum Schutz indigener Bevölkerungsgruppen . . . . . . . . . . . . . . 149 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Extraterritoriale Geltung des ICCPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Hinweise zur extraterritorialen Geltung des ICCPR im Vertragstext . . . . . . 150 b) „Power or effective control“-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Sichtweisen der Vertragsstaaten und internationaler Gerichte zur extraterritorialen Reichweite des ICCPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Bindungswirkung von Entscheidungen des HRC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5. Auffassungen der Vertragsstaaten zum Bestehen staatlicher Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis

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IV. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) 156 1. Schutzpflichten im Rahmen des ICESCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Schutzpflichten im Rahmen des kodifizierten Rechts des ICESCR . . . . . . . 156 b) General Comment No. 3 („The nature of States parties obligations“) . . . . . 157 aa) Progressive Rechtsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Mindestpflichten (Core Obligations) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Pflichtenkategorisierungen: „Respect“, „Protect“ and „Fulfil“ . . . . . . . . . . . 159 d) Beurteilung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen . 162 a) Die Erwähnung von Wirtschaftsunternehmen in General Comments . . . . . . 162 b) Spezifische Fallgruppen mit Bezug zu Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . 163 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Extraterritoriale Geltung des ICESCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 V. Zusammenfassendes Ergebnis zu den Menschenrechtspakten . . . . . . . . . . . . . . . . 166 B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Schutzpflichten im Rahmen spezieller Menschenrechtskonventionen . . . . . . . . . . 168 1. Die „älteren“ Konventionen: ICERD und CEDAW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Vertragstexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Interpretation durch Überwachungsausschüsse und Vertragsstaaten . . . . . . . 169 c) Vorbehalte durch die Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Die „jüngeren“ Konventionen: CRC, ICRMW und CRPD . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Kategorisierungen staatlicher Pflichten in den Vertragstexten . . . . . . . . . . . 173 b) Interpretationen durch Überwachungsausschüsse und Vertragsstaaten . . . . . 174 c) Analyse und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3. UN-Folterkonvention (CAT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4. Maßnahmen zur Erfüllung völkervertraglicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . 177 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

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Inhaltsverzeichnis II. Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen . . . 178 1. Schutzpflichten hinsichtlich privater Wirtschaftsunternehmen im Rahmen von CRC, ICRMW und CRPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Konkrete Benennung privater Wirtschaftsunternehmen in Vertragstexten und in General Comments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Weitere Hinweise auf private Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) ICRMW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) CRPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) CRC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Schutzpflichten hinsichtlich privater Wirtschaftsunternehmen im Rahmen von CEDAW und ICERD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) General Comments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Concluding Observations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Sonderfall: Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Analyse und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Extraterritoriale Geltung spezieller Menschenrechtskonventionen und deren Bedeutung für transnational operierende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Extraterritoriale Geltung der CRPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Extraterritoriale Geltung von ICRMW, CEDAW und CRC . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Gebiete innerhalb staatlicher „jurisdiction“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Sonderfall: Extraterritoriale Schutzpflichten im Rahmen des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention (OPSC) . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Extraterritoriale Jurisdiktion nach Art. 3 Abs. 1 OPSC . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Pflichtenkonkretisierung nach Art. 4 OPSC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Extraterritoriale Geltung der ICERD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Vertragstext und Auslegung durch den Überwachungsausschuss . . . . . . . . . 188 b) Aufforderung des Überwachungsausschusses zur extraterritorialen Jurisdiktion über US-amerikanische und kanadische transnationale Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Territoriale Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Kompetenz des ICERD-Ausschusses zur verbindlichen Vertragsinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Konkrete Inhalte der Aufforderungen des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . 191

Inhaltsverzeichnis

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dd) Reaktionen der Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Zusammenfassendes Ergebnis zu den speziellen Menschenrechtskonventionen . . 193 Vierter Teil Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse zu staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf private Wirtschaftsunternehmen

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A. Analyse und Vergleich der Ergebnisse regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Einbeziehung von privaten Wirtschaftsunternehmen in den Wirkungsbereich staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Das Bestehen von Pflichtenkategorien in Menschenrechtsverträgen . . . . . . . . . . . 196 III. Das Bestehen genereller staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Generelle Schutzpflichten aus Menschenrechtsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Generelle Schutzpflichten auf der Basis von Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . 199 IV. Vergleich staatlicher Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten natürlicher Personen und juristischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 V. Staatliches Schutzpflichtmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Unternehmensgröße als Schutzpflichtmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Das Merkmal der gebotenen Sorgfalt zur Bestimmung staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Unterschiedliche Schutzpflichtmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 VI. Extraterritoriale Reichweite staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 VII. Vergleich der Entwicklungsdynamik regionaler und internationaler Konventionen in Bezug auf Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Wechselseitige Entwicklungsdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Der Einfluss kultureller Besonderheiten auf die Entwicklung von Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 B. Die evolutive Interpretation von Menschenrechtsverträgen durch die zuständigen Überwachungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 C. Aspekte zur übermäßigen Ausweitung staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . 212

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Inhaltsverzeichnis Fünfter Teil Ausblick auf die künftige Entwicklung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen 214

A. Zu erwartende Entwicklungen auf der Ebene regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 B. Bedeutung der völkerrechtlichen Entwicklungen für das operative Geschäft privater Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 C. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Abkürzungsverzeichnis AEMR AfrComHPR AfrMRC AJIL AMRK ArabMRC Art. ATCA Aufl. AVR Bd. BGBl. BVerfG BVerfGE bzw. CAT CCZ CEDAW CERD CESCR CHRGJ ColJTL CR CRC CRPD CSR Diss. Doc. ECHR EGMR EHRLR EJIL EMRK Entsch. EPIL et al. etc. EU EuGRZ Fn.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte African Commission on Human and People‘s Rights Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker American Journal of International Law Amerikanische Menschenrechtskonvention Arabische Charta der Menschenrechte Artikel Alien Tort Claims Act Auflage Archiv des Völkerrechts Band Bundesgesetzblatt Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment Corporate Compliance Zeitschrift Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women Committee on the Elimination of Racial Discrimination Committee on Economic, Social and Cultural Rights Center for Human Rights and Global Justice Columbia Journal of Transnational Law Corporate Responsibility Convention on the Rights of the Child Convention on the Rights of Persons with Disabilities Corporate Social Responsibility Dissertation Document European Court of Human Rights Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte European Human Rights Law Review European Journal of International Law Europäische Menschenrechtskonvention Entscheidung Encyclopedia of Public International Law et alii et cetera Europäische Union Europäische Grundrechte Zeitschrift Fußnote

20 FS GC ggfls. GLJ GRI GYIL HarvILJ HRC HRQ Hrsg. HuV IACHR IACtHR IAGMR ICC ICCPR ICERD ICESCR ICJ ICJ Rep. ICLQ ICRMW IGH ILC ILM ILO IOE IP IPRax IStGH i.V.m. lit. MRM NGO NILR NJW NVwZ OAS OECD OHCHR ÖJZ OPSC para(s). PCIJ RdC

Abkürzungsverzeichnis Festschrift Grand Chamber (EGMR) gegebenenfalls German Law Journal Global Reporting Initiative German Yearbook of International Law Harvard International Law Journal Human Rights Committee Human Rights Quarterly Herausgeber Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften Inter-American Commission on Human Rights Inter-American Court of Human Rights Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte International Chamber of Commerce International Covenant on Civil and Political Rights International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights International Court of Justice International Court of Justice Reports International and Comparative Law Quaterly International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families Internationaler Gerichtshof International Law Commission International Legal Materials International Labour Organization International Organisation of Employers Internationale Politik Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationaler Strafgerichtshof in Verbindung mit littera MenschenRechtsMagazin Non-Governmental Organization Netherlands International Law Review Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Organization of American States Organization for Economic Co-operation and Development Office of the High Commissioner for Human Rights Österreichische Juristen-Zeitung Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on the sale of children, child prostitution and child pornography paragraph(s) (Absatz/Absätze) Permanent Court of International Justice Recueil des cours (Académie de Droit International)

Abkürzungsverzeichnis Rn. S.Ct. Ser. sog. SRSG SZIER TNC(s) u. a. UK UN (U. N.) UNCIO UNCTAD UNCTC UNTS Urt. US (U.S.) v. VJIL Vol. vs. WL WVRK ZaÖRV z. B. zfwu Ziff. ZRP

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Randnummer Supreme Court Series so genannt Special Representative of the United Nations Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht Transnational Corporation(s) unter anderem United Kingdom United Nations United Nations Conference on International Organization United Nations Conference on Trade and Development United Nations Centre on Transnational Corporations United Nations Treaty Service Urteil United States vom/von/versus Virginia Journal of International Law Volume versus WestLaw Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention) Zeitschrift für Öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik Ziffer Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung „The Committee notes with concern the reports of adverse effects of economic activities connected with the exploitation of natural resources in countries outside the United States by transnational corporations registered in the State party on the right to land, health, living environment and the way of life of indigenous peoples living in these regions […] the Committee encourages the State party to take appropriate legislative or administrative measures to prevent acts of transnational corporations registered in the State party which negatively impact on the enjoyment of rights of indigenous peoples in territories outside the United States.“1

Mit diesen Worten kommentiert der Ausschuss zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (Committee on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination), der die Einhaltung der Vertragsverpflichtungen aus dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung überwacht, im Jahr 2008 Vorfälle, bei denen US-amerikanische Unternehmen mit Menschenrechtsverletzungen an ausländischen indigenen Bevölkerungsgruppen in Berührung gekommen waren. Die Kommentierung des Ausschusses belegt exemplarisch eine beachtliche Entwicklung im internationalen System des Menschenrechtsschutzes: Geprägt von den Greueltaten des zweiten Weltkrieges war die Intention des neu entstandenen internationalen Menschenrechtsschutzes zur Zeit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor über sechzig Jahren am 10. Dezember 19482 noch ausschließlich die Abwehr staatlicher Übergriffe auf Individuen. Die relative Stabilisierung der weltweiten politischen Kräfte, das Fortschreiten wirtschaftlicher Verflechtungen und die Schaffung regionaler Staatenverbünde wie der Europäischen Union boten die notwendigen Voraussetzungen, unter denen die Menschenrechte seitdem zunehmend konkretisiert und ausdifferenziert werden konnten. Es entstanden nicht nur zahlreiche internationale Menschenrechtskonventionen wie unlängst die Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 20063 und die Internationale Konvention zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen vom 20. De-

1 CERD, Concluding Observations USA, 08. 05. 2008, UN Doc. CERD/C/USA/CO/6, Ziff. 30. 2 Universal Declaration on Human Rights (10. 12. 1948), GA Res. 217 A (III), United Nations General Assembly, Official Record of the third Session of the General Assembly, UN Doc. A/810, S. 71. 3 Convention on the Rights of Persons with Disabilities, 13. 12. 2006, UN Doc. A/61/611, in Kraft getreten am 03. 05. 2008.

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Einleitung

zember 20064, sondern auch regionale Systeme zum Schutz der Menschenrechte, wie beispielsweise die Europäische Menschenrechtskonvention5. Die inhaltliche Konkretisierung der dem internationalen Menschenrechtsschutz unterfallenden Rechte war jedoch nicht die einzige Entwicklung im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte. Seit den 1980er Jahren wird zunehmend die Frage der individualisierten Verantwortlichkeit natürlicher Personen für schwerste Menschenrechtsverstöße diskutiert. Mit der Schaffung der UN-Kriegsverbrechertribunale für Ruanda und für das ehemalige Jugoslawien sowie insbesondere mit der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag durch das Rom-Statut6 brachte die Staatengemeinschaft ihren Willen zum Ausdruck, nicht nur staatliches, sondern fortan in bestimmten Fällen auch individuelles Handeln gegen die Menschenrechte völkerrechtlich ahnden zu wollen. Dieser Gedanke wurde durch die Verabschiedung entsprechender völkerstrafrechtlicher Vorschriften auch auf einzelstaatlicher Ebene umgesetzt. So stellt beispielsweise in Deutschland das Völkerstrafgesetzbuch vom 26. Juni 2002 ähnlich wie auch das Rom-Statut schwerste Menschenrechtsverletzungen durch private Individuen unter Strafe.7 Die Begründung individualstrafrechtlicher Verantwortlichkeit natürlicher Personen ist eine bedeutende Entwicklung, da nunmehr der Menschenrechtsschutz nicht mehr ausschließlich als Schutz vor staatlichem Handeln verstanden wird.8 Parallel zu dieser Entwicklung und flankiert durch den wachsenden Einfluss insbesondere global agierender Unternehmen wird die Frage diskutiert, ob nicht auch private Unternehmen eine eigene Verantwortung für die Menschenrechte haben und wie die Rolle einzelner Staaten in Bezug auf die Aktivitäten privatwirtschaftlicher Unternehmen zu interpretieren ist. Es sind diesbezüglich heutzutage nicht allein Nichtregierungsorganisationen, sondern auch Medien, nationale Regierungen, Gerichte und – wie eingangs dargestellt – internationale Kommissionen zur Überwachung einzelner UN-Menschenrechtskonventionen, die sich mit der Frage des Einflusses privatwirtschaftlicher Unternehmen auf die Menschenrechte auseinandersetzen.

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International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance, 20. 12. 2006, UN Doc. A/61/488, im Juni 2010 noch nicht in Kraft getreten. 5 European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, 04. 11. 1950, 213 UNTS 221, in Kraft getreten am 03. 09. 1953, BGBl. II 1952, 686. 6 Rome Statute of the International Criminal Court, 17. 07. 1998, 2187 UNTS 3. 7 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB), 26. 06. 2002, BGBl. I 2002, 2254. 8 Caflisch, in: Caflisch/Stein/Tomuschat, Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, S. 39, 40; vgl. einführend zur Verantwortlichkeit nichtstaatlicher Institutionen für die Menschenrechte auch: Reinisch, GYIL 44 (2001), 270 – 306.

Problembeschreibung Zunächst soll nachfolgend eine Beschreibung der grundlegenden Konfliktlinien zwischen Menschenrechten und Wirtschaft erfolgen, aus der sich das Ziel der weiteren Untersuchung ergibt.

I. Berührungspunkte und Konflikte zwischen den Menschenrechten und privaten Unternehmen Die Menschenrechte können von privaten Unternehmen auf verschiedene Weise berührt werden. Ohne Zweifel stellen die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Aufbau von Infrastrukturen Aspekte dar, die in vielen Teilen der Welt den Lebensstandard der Menschen deutlich anheben und zugleich zur Schaffung eines menschenrechtsförderlichen Umfeldes beitragen. Es kann hingegen auch zu Fällen der Beeinträchtigung von Menschenrechten kommen, an denen private Unternehmen direkt oder indirekt beteiligt sind. Dies sind beispielsweise Kinderarbeit, Ausbeutung von Wanderarbeitern, Eingriffe in die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, Unterstützung bei Vertreibungen einheimischer Bevölkerungsgruppen von ressourcenreichem Grund, inadäquate Arbeitsbedingungen oder Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot durch Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung oder Alter. Dass es sich bei den Berührungsfällen von Wirtschaftsunternehmen mit den Menschenrechten nicht um reine Einzelfälle handelt, zeigt eine Umfrage, die der UN-Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte im September 2006 vorgestellt hat. Darin wurden die weltweit 500 umsatzstärksten Unternehmen, die Fortune Global 500, befragt, inwieweit sie bisher mit dem Thema Menschenrechte in Berührung gekommen sind. Die Frage, ob sie schon einmal mit einem ernsthaften Menschenrechtsfall konfrontiert waren, bejahten 45,9 % der teilnehmenden Unternehmen.1 Die Studie gibt darüber hinaus Auskunft darüber, in welchen Branchen sich besonders häufig Fälle von Menschenrechtsproblematik ergeben.2 Dies ist insbesondere im Nahrungsmittelsektor mit seinen großflächigen und arbeitsintensiven Plantagen und Anbaugebieten und nicht zuletzt in der Konsumgüterindustrie der Fall. Im Zusammenhang mit letzterer wird in den Medien häufig die „Sweatshop-Problematik“ thematisiert, bei der schlechte Ar1 SRSG Ruggie, Human Rights Policies and Management Practices of Fortune 500 Firms: Results of a Survey (01. 09. 2006), S. 10. 2 Ibid, Anhang: Tabelle 3 (Results by Sector).

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beitsbedingungen bis hin zur Kinderarbeit die mediale Aufmerksamkeit des Westens hervorrufen.3 Vor allem aber die extraktiven Industrien (Öl-, Gas-, Kohle- und sonstige Minenindustrien) mit ihren tiefen Eingriffen in regionale Strukturen, kommen häufig mit Menschenrechtsfällen in Berührung. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Unternehmen aus diesem Bereich auf fixe geografische Faktoren angewiesen sind und sich gleichzeitig ein Großteil der weltweiten Rohstoffe in Ländern mit repressiven politischen Regimen befinden.4 So geben 69,2 % der an der Studie teilnehmenden Unternehmen aus dem extraktiven Sektor an, bereits mit ernsten Menschenrechtsfällen konfrontiert worden zu sein.5 Branchenübergreifend kommt es besonders dort zu Menschenrechtsfällen, wo Unternehmen sich im Bereich des militarisierten Handels („militarized commerce“) bewegen. Dazu zählen auch Fälle, in denen Unternehmen zum Schutz ihrer Standorte auf paramilitärische private Sicherheitsdienste zurückgreifen oder direkt mit dem jeweiligen nationalen Militär kooperieren.6 Dabei werden immer wieder Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Form von Vertreibungen, Körperverletzungen, Mißhandlungen bis hin zu Morden an der lokalen Bevölkerung aufgedeckt. In aller Regel geschieht dies in so genannten „Weak Governance Zones“, also in Staaten mit durchsetzungsschwachen oder durchsetzungsunwilligen politischen Führungen.7 Trotz des deutlichen medialen und zivilgesellschaftlichen Fokus auf die Aktivitäten transnationaler Unternehmen gilt es zu beachten, dass das Thema Wirtschaft und Menschenrechte auch für mittlere und kleine Unternehmen auf einzelstaatlicher Ebene eine Rolle spielt. In einer zunehmenden Anzahl Fälle befasst sich beispielsweise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit der Frage des Einflusses rein nationaler Unternehmensaktivitäten auf die Einhaltung der Menschenrechte.8 Diese letztgenannte Entwicklung wird im Laufe der vorliegenden Arbeit noch ausführlich aufgezeigt.

3 Vgl. auch Wells/Elias, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 141, 144; vertiefend zur Bekleidungsindustrie: Ungericht, Zwischen Konflikt und Kooperation, S. 36 – 46. 4 Commission on Human Rights, Promotion and Protection of Human Rights – Interim Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (22. 02. 2006), UN Doc. E/CN.4/2006/ 97, S. 8; Wells/Elias, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 141, 143. 5 SRSG Ruggie, Human Rights Policies and Management Practices of Fortune 500 Firms: Results of a Survey (01. 09. 2006), Anhang Tabelle 3 (Results by Sector). 6 Forcese, 26 YJIL 487, 489 (2001); Wells/Elias, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 141, 151. 7 Commission on Human Rights (Fn. 4), S. 8. 8 Siehe beispielsweise: EGMR, López-Ostra v. Spain, Urt. v. 09. 12. 1994, Ser. A 303-C, 38, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1995, 530 und EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, no. 48939/99, ECHR 2004-XII, 1.

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II. Regelungsansätze zur Einbeziehung der Aktivitäten privater Unternehmen in den Menschenrechtsschutz Die oben genannten Berührungspunkte zwischen den Menschenrechten und privatwirtschaftlichen Aktivitäten haben bereits zu verschiedenen nationalen und internationalen Bestrebungen geführt, den Menschenrechtsschutz auf Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen auszuweiten. 1. Neue Internationale Wirtschaftsordnung der 1970er Jahre Bereits in den 1970er Jahren wurde die völkerrechtliche Verantwortung von Unternehmen im Rahmen der „Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung (New International Economic Order)“ diskutiert9, bei der u. a. jedem Staat das Recht garantiert werden sollte, verbindliche Regelungen für international operierende Unternehmen aufzustellen. Die damals stark ideologisierte Debatte um eine neue Weltwirtschaftsordnung verlor mit den zunehmenden wirtschaftlichen Verhärtungen im Rahmen des Kalten Krieges und des wachsenden Nord-Süd-Gefälles an Bedeutung10 und wurde im Jahr 2003 von der UN-Generalversammlung still zu Grabe getragen.11 2. UN Code of Conduct on Transnational Corporations Darüber hinaus bemühte sich die UN seit den 1970er Jahren parallel, einen internationalen Verhaltenskodex für transnationale Unternehmen aufzustellen.12 Die konkrete Arbeit an einem UN-Verhaltenskodex begann 1977 und endete in dem Entwurf des UN Code of Conduct on Transnational Corporations13 sowie der Errichtung eines UN-Zentrums für transnationale Unternehmen.14 Doch ist es seinerzeit nicht zu einer Einigung über einen allgemeingültigen Verhaltenskodex gekommen, da die Industriestaaten auf möglichst viel Handlungsspielraum für ihre Unternehmen bedacht waren, wohingegen die Entwicklungsländer und die Länder 9 Joseph, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 75, 83 – 84. 10 Kinley/Chambers, Human Rights Law Review (2006), 1, 9 – 10; SRSG Ruggie, Business and Human Rights – The Evolving International Agenda (Juni 2007), S. 2; Seger, SZIER 2005, 459 – 460. 11 UN General Assembly, Progressive development of the principles and norms of international law relating to the new international economic order, Report of the Sixth Committee (05. 11. 2003), UN Res. A/58/510. 12 Vgl. ECOSOC, Res. 1908 (LVII) vom 02. 08. 1974, The impact of transnational corporations on the development process and on international relations, UN Doc. E/5570. 13 Commission on Transnational Corporations, Report on the Second Session, Supplement No. 5, (01.–12. 03. 1976), UN Doc. E/5782, E/C.10/16; Draft Code of Conduct on Transnational Corporations (05. 06. 1982), UN Doc. E/C.10/1982/6, abgedruckt in 22 ILM 192 (1983); Draft Code of Conduct on Transnational Corporations (12. 06. 1990), UN Doc. E/1990/94. 14 Siehe Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 157 – 158.

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des ehemaligen Ostblocks auf strengen Regeln bestanden. Die Bemühungen um den UN-Entwurf wurden 1992 schließlich aufgegeben.15 3. UN-Normen für die Verantwortlichkeiten transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte Die UN-Normen für die Verantwortlichkeiten transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte der UN Subcommission on the Promotion and Protection of Human Rights sind der jüngste Versuch, auf internationaler Ebene ein Instrument zur Einbindung von privaten Wirtschaftsunternehmen in den internationalen Menschenrechtsschutz zu erarbeiten.16 Die UN-Normen sind wegen ihres äußerst weiten Schutzumfanges von Nichtregierungsorganisationen mehrheitlich begrüßt worden17, wohingegen Wirtschaft und Teile der Rechtsliteratur die UN-Normen sehr kritisch beurteilt haben.18 Nachdem die UN Subcommission die UN-Normen am 13. August 2003 verabschiedet hatte, hat die UN-Menschenrechtskommission den UN-Normen in ihrem Beschluss vom 20. April 2004 eine deutliche Absage erteilt und lediglich festgehalten, dass die Normen einige „nützliche Elemente und Ideen“ enthalten.19 Auch der UN-Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte John G. Ruggie20 sah in

15 Vgl. auch Huner, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 197, S. 198 – 199; Muchlinski, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 97 – 117. 16 UN Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Human Rights, Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations and other Business Enterprises with Regard to Human Rights (26. 08. 2003), UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2003/12/Rev.2; zu den UN-Normen siehe auch: Hillemanns, 4 GLJ 1065 ff. (2003). 17 Siehe stellvertretend: Amnesty International, The UN Human Rights Norms For Business: Towards Legal Accountability, 2004, http://www.amnesty.org/en/library/info/IOR42/ 002/2004; Strohscheidt, Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen 2005, 138 – 144. 18 ICC/IOE, Joint written statement submitted 29. 07. 2003, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2003/ NGO/44. 19 Vertiefend zu den UN-Normen: Commentary for the Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations and other Business Enterprises with Regard to Human Rights (26. 08. 2003), UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2003/38/Rev.2; Kinley/Nolan/Zerial, The Politics of Corporate Social Responsibility: Reflections on the United Nations Human Rights Norms for Corporations (2007), http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=962981; Nowrot, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, 21 (2003), 1 – 57; Ungericht, zfwu 2005, 324, 333 – 339; Weissbrodt, zfwu 2005, 279, 286 – 295; Weissbrodt, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 119 – 138. 20 Nachfolgend auch: SRSG Ruggie (Voller Titel: Special Representative of the United Nations Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises).

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seinem Zwischenbericht an die UN-Menschenrechtskommission vom 22. Februar 2006 in den Normen keine Basis, die es weiterzuverfolgen gelte.21 4. Freiwillige Verhaltenskodizes In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine Vielzahl an praktischen Instrumenten und Ansätzen etabliert, um den Fällen menschenrechtsbeeinträchtigender unternehmerischer Geschäftstätigkeit zu begegnen. Besonders ausgeprägt finden sich Instrumente zur freiwilligen Selbstregulierung in Form so genannter freiwilliger Verhaltenskodizes (Codes of Conduct).22 So können sich Unternehmen zahlreicher etablierter Verhaltenskodizes wie etwa des Fair Labor Association Workplace Code of Conduct23 oder aber auch firmenspezifischer Verhaltenskodizes bedienen.24 Daneben existieren zahlreiche freiwillige Standards, wie etwa der SA8000-Arbeitsschutzstandard der Organisation Social Accountability International (SAI).25 Der bekannte UN Global Compact bietet mit seinen zehn Prinzipien eine den Verhaltenskodizes nahestehende Absichtserklärung, deren ersten beiden Prinzipien dem Schutz der Menschenrechte gewidmet sind.26 Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie stets freiwillig sind.27 Verhaltenskodizes werden jedoch trotz erwiesener breiter positiver Effekte mit Hinweis auf eben diese Freiwilligkeit und damit verbundene fehlende oder unzureichende Verifikations- und Sanktionsmechanismen immer

21 Commission on Human Rights, Promotion and Protection of Human Rights – Interim Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (22. 02. 2006), UN Doc. E/CN.4/2006/ 97, paras. 56 ff. („[…] exaggerated legal claims and conceptual ambiguities created confusion and doubt even among many mainstream international lawyers and other impartial observers.“, para. 59). 22 Siehe auch: Seiffert, GYIL 23 (1980), 91 – 110. 23 Siehe: www.fairlabor.org. Zu Verhaltenskodizes in der Tourismusbranche siehe: Forbes, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 123, 127 ff. 24 Zum Mehrwert firmeninterner Verhaltenskodizes: Webley, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 107 – 114; zur möglichen unternehmerischen Haftbarkeit aufgrund irreführender Aussagen in Verhaltenskodizes: Kopp/ Klostermann, CCZ 4/2009, 155 – 159; Lu, 38 ColJTL 603 – 629 (2000); de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227, 300 ff. 25 Siehe: www.sa-intl.org. 26 Siehe: www.unglobalcompact.org; vertiefend zum Global Compact: Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, S. 880 ff.; Rieth, Die Friedens-Warte 79 (2004), 151 – 170; von Schorlemer, IP 7 (2003), 45 – 52; Weiß, MRM 2002, 82 – 89. 27 Für Übersichten bestehender Verhaltenskodizes siehe: Avery, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 17, 51 ff.; Commission on Human Rights (Fn. 21), paras. 31 ff.; Nowrot, Die Friedens-Warte 79 (2004), 119, 133 ff.; Steinhardt, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 177, 202 ff.; Ungericht, zfwu 2005, S. 331 – 333.

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wieder kritisch kommentiert.28 Selbst die internationalen Leitsätze für Multinationale Unternehmen der OECD29 oder die Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy der International Labour Organization (ILO)30 werden trotz teilweise bestehender theoretischer Beschwerdemöglichkeiten betroffener Personen ganz überwiegend als nützliche, wenn auch häufig unverbindliche Instrumente wahrgenommen.31 Auch internationale Handelsabkommen haben bislang keinerlei Bezug zum Schutz der Menschenrechte.32 5. Unternehmen vor dem Internationalen Strafgerichtshof Auf Ebene der Vereinten Nationen wurde bislang kein Instrument verabschiedet, das eine Verfolgung zumindest der Fälle der Mitwirkungen von Unternehmen an schwersten Menschenrechtsverletzungen vorsieht. Mit der Schaffung des RomStatuts für den Internationalen Strafgerichtshof wäre, wenn auch nicht im Rahmen eines UN-Organs, beinahe ein internationales Instrument zur Sanktionierung von Unternehmen entstanden, da bis kurz vor Abschluss der Vertragsverhandlungen rege diskutiert wurde, auch privatwirtschaftliche Unternehmen der Strafgewalt des IStGH zu unterstellen. Dem war ein Entwurf Frankreichs vorausgegangen, wonach neben natürlichen auch juristische Personen und damit auch private Unternehmen in das Rom-Statut eingeschlossen werden sollten.33 Da sich damit aber beispielsweise die privaten Rüstungsindustrien einiger Staaten Verfahren vor dem IStGH ausgesetzt gesehen hätten, staatliche Rüstungsunternehmen wie in Frankreich hingegen nicht, wurde von einigen Staaten gefordert, wenn schon, dann sämtliche juristische Personen – privat wie staatlich – einzubeziehen. Nach intensiven Verhandlungen zog Frankreich seinen Entwurf wegen der mangelnden Absehbarkeit eines Kompromisses in Bezug auf eine mögliche Formulierung zwei Wochen vor Verhandlungs28 Kritisch äußern sich beispielsweise: Ungericht, zfwu 2005, 324, 331 ff.; Hiß, zfwu 2005, 215 – 230; Weschka, ZaöRV 66 (2006), 625, 643 ff. 29 OECD, Guidelines for Multinational Enterprises (Fassung vom 27. 06. 2000), abgedruckt in: 40 ILM 237 (2001), deutsche Fassung verfügbar unter www.oecd.org/dataoecd/56/40/ 1922480.pdf; vertiefende Kommentierung: Guidelines for Multinational Enterprises: Text, Commentary and Clarifications (31. 10. 2001), www.oecd.org/document/18/0,3343,en_2649_ 34889_2397532_1_1_1_1,00.html; zur Implementierung der OECD-Leitsätze: Karl, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 89 – 106. 30 ILO Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy (März 2006), www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_emp/—emp_ent/documents/ publication/wcms_094386.pdf. 31 Für eine Übersicht der Entwicklungen im Bereich der Codes of Conduct siehe Reinisch, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 37, 42 – 53. 32 Ungericht, zfwu 2005, S. 324, 325. 33 Art. 23 Abs. 5 [Entwurf] „The Court shall have jurisdiction over legal persons, with the exception of States, when the crimes committed were committed on behalf of such legal persons or by their agencies or representatives.“, UN Doc. A/CONF.183/C.1/WGGP/L.5/Rev.2, Entwurfsfassung teilweise abgedruckt in: Clapham, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 139, 144.

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ende zurück.34 Auch im Rahmen der Revisionskonferenz zum Rom-Statut in der Zeit vom 31. Mai bis 11. Juni 2010 in Kampala, Uganda, kam es nicht zu weiteren Ansätzen der Einbeziehung privater Unternehmen in den Adressatenkreis des IStGH.35 6. Einzelstaatliche extraterritoriale Jurisdiktion transnationaler Unternehmen in Menschenrechtsfällen Neben der hier untersuchten Fortentwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes auf der Basis völkerrechtlicher Verträge bietet die extraterritoriale Jurisdiktion für die Regelung des Verhaltens von transnationalen Unternehmen auf einzelstaatlicher Ebene die zweite dynamische Entwicklung im Kontext des Themenkomplexes Wirtschaft und Menschenrechte. Diese Entwicklung wird vor allem vor US-amerikanischen Gerichten vorangetrieben. Grundlage von über 50 Klagen gegen transnational operierende Unternehmen vor US-amerikanischen Gerichten wegen mutmaßlicher Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen im Ausland ist der Alien Tort Claims Act (ATCA oder auch Alien Tort Statute (ATS)) aus dem Jahr 1789, der lediglich folgenden Wortlaut enthält „The district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States.“36

Der vom ersten US-Kongress im First Judiciary Act vom 24. September 197837 festgeschriebene ATCA verleiht US-amerikanischen Bundesgerichten Jurisdiktion im Hinblick auf deliktsrechtliche Schadensersatzklagen nicht-amerikanischer Staatsangehöriger bei Verstößen gegen das Völkerrecht.38 Aufgrund außerordentlich spärlicher Dokumentation zur Genese des ATCA, sind die Intentionen des ersten USKongresses nicht mehr nachvollziehbar. Der ATCA war für fast 200 Jahre de facto bedeutungslos und wurde erst in den 1980er Jahren als rechtliches Instrument zur

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Caflisch, in: Caflisch/Stein/Tomuschat, Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, S. 39, 51; ausführlich zur geplanten Einbeziehung von juristischen Personen in das Römische Statut siehe Clapham, in: Kamminga/ Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 139 – 195. 35 Zur Revision des Rom-Statuts: www.icc-cpi.int/menus/asp/reviewconference/review %20conference?lan=fr-FR. 36 US Alien Tort Claims Act, 24. 09. 1789, 28 U.S.C. § 1350; zur amerikanischen Sicht auf mögliche Anknüpfungspunkten für die Ausübung extraterritorialer Jurisdiktion siehe: American Law Institute, Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States, § 401 (Categories Of Jurisdiction). 37 § 9, 1 Stat. 73, 77 (1789) First Judiciary Act; vertiefend zur Historie des ATCA: D’Amato, 82 AJIL 62 ff. (1988). 38 Der ATCA wurde im Verlauf der Zeit durch den US-Kongress leicht modifiziert, siehe dazu: US Supreme Court, Sosa v. Alvarez-Machain, Entsch. v. 29. 06. 2004, 124 S.Ct. 2739 (2004), abgedruckt in: 43 ILM 1390, 1398 ff. (2004).

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Sanktionierung von Menschenrechtsverletzungen „wiederentdeckt“.39 Nach zahlreichen Aufsehen erregenden Verfahren gegen prominente natürliche Personen wie etwa Radovan Karadzˇic´40 oder Ferdinand Marcos41 und entsprechenden Verurteilungen zur Zahlung hoher Schadensersatzzahlungen mehrten sich in den vergangenen Jahren auch Verfahren gegen transnationale Unternehmen. In den Verfahren gegen so bekannte Unternehmen wie etwa Shell42, Unocal,43 Yahoo44, Chiquita45 oder Daimler46 wurde bzw. wird den Unternehmen in aller Regel vorgeworfen, sich an Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Stellen im Ausland beteiligt oder aber direkt davon profitiert zu haben. Bis heute kam es jedoch in keinem einzigen Fall zu einer Verurteilung eines Unternehmens. Sämtliche Verfahren wurden entweder aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt, endeten in einem Vergleich bzw. in einem Urteil zugunsten des beklagten Unternehmens oder wurden noch nicht entschieden. Während die Mehrzahl der Prozesse aufgrund extraterritorialer Jurisdiktion gegenüber transnationalen Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen in den USA stattfinden, sind – wenn auch in äußerst begrenztem Umfang – erste ähnliche Ansätze beispielsweise in Großbritannien47, Frankreich48 und ganz aktuell in den Niederlanden49 erkennbar.50 So muss sich das Erdölunternehmen Royal Dutch 39

Vertiefend zum modernen Verständnis des ATCA siehe: Burley, 83 AJIL 461 – 493 (1989); Dodge, 42 VJIL 987 – 712 (2002); Rau, IPRax 20 (2000), 558 ff.; Shaw, International Law, 480 ff.; Stephens, GYIL 40 (1997), 117, 122 ff.; Hailer, Menschenrechte vor Zivilgerichten – die Human Rights Litigation in den USA (2006), S. 1 ff. 40 United States Court of Appeals for the Second Circuit, Kadic v. Karadzˇic´, Entsch. v. 13. 10. 1995, 70 F.3d 232. 41 United States Court of Appeals, Ninth Circuit, Hilao v. Estate of Ferdinand Marcos, Entsch. v. 16. 06. 1994, 25 F3d 1467. 42 United States Court of Appeals for the Second Circuit, Wiwa v. Shell Petroleum Development Co. of Nigeria Ltd., Entsch. v. 03. 06. 2009, 335 Fed.Appx. 81. 43 United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Doe v. Unocal Corp., Entsch. vom 14. 02. 2003, 395 F.3d 978; vertiefend: Aceves, 92 AJIL 309 – 314 (1998); Gaedtke, AVR 2 (2004), 241 – 260. 44 United States District Court, Northern District of California, Entsch. 02. 12. 2009, Zheng et al. v. YAHOO! Inc. et al., 2009 WL 4430297. 45 United States Judicial Panel on Multidistrict Litigation., In re: Chiquita Brands International, pIc., Alien Tort Statute and Shareholders Derivative Litigation, Entsch. v. 20. 02. 2008, 536 F.Supp.2d 1371. 46 United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Bauman v. DaimlerChrysler Corp., Entsch. v. 21. 10. 2008, 579 F.3d 1088. 47 Zu Verfahren in Großbritannien siehe: Higgins, in: Conforti/Francioni, Enforcing International Human Rights in Domestic Courts, S. 37 – 58; Muchlinski, 50 ICLQ 1 – 25 (2001). 48 Zu den spezifischen Hintergründen in Frankreich: Colonomos/Santiso, 27 HRQ 1307 – 1345 (2005). 49 Zum aktuellen Verfahren in den Niederlanden siehe: www.milieudefensie.nl/english/ shell/the-people-of-nigeria-versus-shell. 50 Für eine nicht abschließende Übersicht der einzelstaatlichen Gerichtsverfahren siehe: www.business-humanrights.org/LegalPortal/Home.

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Shell plc. gemeinsam mit seinem nigerianischen Tochterunternehmen Shell Petroleum Development Company of Nigeria Ltd. im Februar 2010 im niederländischen Den Haag vor einem Zivilgericht wegen Umweltverschmutzungen und damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen durch Leckagen aus einer Pipeline in Nigeria im Jahr 2005 verantworten. Geklagt haben nigerianische Landwirte und die Umweltorganisation Friends of the Earth Netherlands. In Belgien, wo juristische Personen strafrechtlich verfolgt werden können, musste sich das Mineralöl- und Erdgasunternehmen Total S.A. wegen der Beteiligung an schweren Menschenrechtsverstößen in Burma vor einem Strafgericht verantworten. Mit der Abschaffung des belgischen Gesetzes über die Ahndung schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Jahr 200351 wurde auch dem Prozess gegen Total die rechtliche Grundlage entzogen und er wurde eingestellt.52 Ebenso wie in den Prozessen in den USA kam es in keinem anderen Staat bislang zu einer Verurteilung eines Unternehmens. Die extraterritoriale Jurisdiktion über transnationale Unternehmen in Menschenrechtsfällen ist ein außerordentlich komplexes Thema, bei dem es unter anderem um die Fragen geht, ob es für die völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Legitimation extraterritorialer Jurisdiktion überhaupt der Komponente staatlichen Handelns bedarf und auf welcher völkergewohnheitsrechtlichen Grundlage eine solche Legitimation angenommen werden kann.53 Ausgehend von dem so genannten Lotus-Fall des Ständigen Internationalen Gerichtshofes aus dem Jahr 1927 ist man in der völkerrechtlichen Diskussion weitestgehend zu dem Konsens gekommen, dass es eines genuinen Anknüpfungspunktes für die Ausübung extraterritorialer Jurisdiktion bedarf.54 Grundsätzlich existieren verschiedene mögliche Anknüpfungspunkte extraterritorialer Jurisdiktion wie beispielsweise das aktive und passive Personalitätsprinzip, das Wirkungsprinzip, das Schutzprinzip und das Universalitätsprinzip, die durch entsprechende Staatenpraxis weiterentwickelt werden können und so ggfls. auch die extraterritoriale Jurisdiktion transnationaler Unternehmen umfassen können.55 Da es jedoch bislang weltweit zu keiner einzigen Verurteilung auf nationaler 51

Art. 27 Loi relative aux violations graves du droit international humanitaire v. 05. 08. 2003 Moniteur Belge, 07. 08. 2003, S. 40506. 52 Vertiefend: Rau, HuV-I 2003, 92 – 100 und 212 – 216. 53 Zum Thema einzelstaatliche extraterritoriale Jurisdiktion über transnationale Unternehmen: Arnell, 50 ICLQ 955 – 962 (2001); Breed, 42 VJIL 1005 – 1036 (2001); Buxbaum, 46 VJIL 251 – 317 (2006); Coughlan et al., Global Reach, Local Grasp: Constructing Extraterritorial Jurisdiction in the Age of Globalization (2006), www.library.dal.ca/law/Guides/Fac ultyPubs/Joint/GlobalReachFinal.pdf; Hofstetter, 39 ICLQ 576 – 598 (1990); Kuyper, 33 ICLQ 1013, 1017 f. (1984); Myfanwy, Transboundary Accountability for Transnational Corporations: Using Private Civil Claims, (2006), www.chathamhouse.org.uk/files/3320_ilp_tnc.pdf; Rau, IPRax 21 (2001), 372 – 376; Seibert-Fohr, ZaöRV 63 (2003), 195 – 204. 54 StIGH, Lotus Case [France v. Turkey], Urteil v. 07. 09. 1927, PCIJ Series A, No. 10 (1927), 4. 55 Zu Anknüpfungspunkten extraterritorialer Jurisdiktion: Jennings/Watts: Oppenheim’s International Law, Bd. 1, S. 547 ff.; Brownlie, Principles of Public International Law,

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Problembeschreibung

Ebene gekommen ist, kann zurzeit hinsichtlich der extraterritorialen Jurisdiktion gegenüber transnationalen Unternehmen noch nicht von einem entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Staatenkonsens gesprochen werden.

III. Problemanalyse Wie eingangs dargestellt, hat sich der internationale Menschenrechtsschutz fortentwickelt, so dass nunmehr auch nichtstaatliche Menschenrechtsverletzungen zumindest in den schwersten Fällen auf internationaler und teilweise einzelstaatlicher Ebene unter Strafe stehen. Insbesondere die Möglichkeit der Anklage privater Individuen vor dem IStGH wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen ist bezeichnend für die Abkehr von einem rein abwehrrechtlichen Verständnis der Menschenrechte. Es wurde jedoch auf internationaler Ebene noch kein spezielles Rahmensystem etabliert, welches den Schutz von Personen auch vor menschenrechtsverletzenden Aktivitäten privater Unternehmen sicherstellt. Da ein entsprechendes internationales Rahmenabkommen zurzeit politisch nicht zu erwarten ist, stellt sich die Frage, welche sonstigen Mechanismen existieren, um die Durchsetzung der Menschenrechte auch mit Blick auf private Unternehmen sicherzustellen. Eine Möglichkeit besteht in der Weiterentwicklung der staatlichen Pflichten im Sinne von staatlichen Schutzpflichten, für einen entsprechenden Menschenrechtsschutz Sorge zu tragen. Dies betont auch der UN-Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte John G. Ruggie, indem er in seinem aktuellen Rahmenkonzept „Protect, Respect, Remedy“ die staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte als zentrales Element voranstellt.56 Das Rahmenkonzept des UN-Sonderbeauftragten verfolgt das Ziel, dem Thema Wirtschaft und Menschenrechte, einen neuen Diskussionsrahmen zu geben und Verantwortlichkeiten zum Schutz der Menschenrechte von Seiten der Staaten und der Unternehmen in pragmatischer Weise zu trennen. Es ist als Konzept zu verstehen, das sowohl völkerrechtliche, wie auch politische Aspekte enthält und diese mit Ansätzen freiwilligen Unternehmensengagements verknüpft. Das Konzept beruht auf drei Grundannahmen: Die staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte: („State Duty to Protect“), die unternehmerische Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte: („Corporate Responsibility to Respect“) und Zugang zu AbS. 300 ff.; Puttler, in: Meessen, Extraterritorial Jurisdiction in Theory and Practice, S. 103, 105 ff.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-LinkErfordernisses, S. 1 ff. 56 Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (07. 04. 2008), UN Doc. A/HRC/8/5; am 09. 04. 2010 hat der UN-Sonderbeauftragte seinen neuesten Bericht veröffentlicht, in dem er über seine Fortschritte auf dem Weg zu seinem finalen Bericht in 2011 berichtet: Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (09. 04. 2010), Business and Human Rights: Further steps toward the operationalization of the „protect, respect and remedy“ framework, UN Doc. A/HRC/14/27.

Problembeschreibung

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hilfemechanismen („Access to Remedy“). Gerade die Frage nach Existenz und Grenzen staatlicher Schutzpflichten hinsichtlich der Menschenrechte ist jedoch noch nicht ausführlich untersucht worden. Dies gilt insbesondere für die Frage nach staatlichen Pflichten zum Schutz vor unternehmerischem Handeln im In- und Ausland. Die vorliegende Arbeit versteht sich als Konsequenz daraus als wissenschaftlicher Beitrag zur Beantwortung der Frage nach Existenz und Grenzen staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf das Handeln privater Unternehmen im Rahmen ihrer nationalen und internationalen Aktivitäten.

Ziel und Gang der Untersuchung I. Ziel der Untersuchung Zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte findet sich eine kaum mehr überschaubare Menge an Literatur.1 Insbesondere transnational operierende Unternehmen stehen aufgrund ihres wachsenden Einflusses häufig im Fokus der Diskussion.2 Ethik, Politik, Moral, soziokulturelle Aspekte und rechtliche Fragen gehen in der Diskussion um Wirtschaft und Menschenrechte vielfach fließend ineinander über. Die umfassende Analyse des Themas Wirtschaft und Menschenrechte mit all seinen Facetten ist im Rahmen dieser Arbeit nicht durchführbar. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Problemanalyse versteht sich diese Arbeit als Beitrag zur Klärung von Existenz, Ausmaß und Grenzen staatlicher Pflichten zum Schutz vor menschenrechtsbeeinträchtigenden Aktivitäten privater Unternehmen. Dabei soll zum einen die Frage beantwortet werden, ob Staaten Schutzpflichten hinsichtlich des inländischen Verhaltens inländischer Unternehmen zukommen. Angesichts der weitreichenden grenzüberschreitenden Aktivitäten transnational operierender Unternehmen soll daneben untersucht werden, ob Staaten auch Schutzpflichten hin1

Siehe beispielsweise: Addo, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 3 – 37; Alston, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 3 – 36; Bexell, Die Friedens-Warte 79 (2004), 103 – 118; Hauschka, ZRP 1987, 442 – 447; Institute for Applied International Science, Norway (FAFO), Business and International Crime, Liabilities of Business Entities for Grave Violations of International Law, 2004, www.fafo.no/ pub/rapp/467/467.pdf; Kamminga, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 1 – 15; Kinley/Tadaki, 44 VJIL 931 – 1023 (2004); Leisinger, zfwu 2005, 298 – 303; Marsden, zfwu 2005, 359 – 373; Meeran, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 161 – 170; Schmalenbach, AVR 39 (2001), 57 – 81; Sperduti, in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Bd. IV, S. 216 – 219; Wallace, The Multinational Enterprise and Legal Control (2002), S. 1 ff.; Weissbrodt/Kruger, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 315 – 350; Wildhaber, 27/28 NILR 79 – 88 (1980/1981); Woodroffe, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 131 – 142. 2 Speziell zu transnationalen Unternehmen siehe: Commission on Human Rights, Report of the United Nations High Commissioner on Human Rights on the responsibilities of transnational corporations and related business enterprises with regard to human rights (15. 02. 2005), UN Doc. E/CN.4/2005/91; Dunning, in: Dunning (Hrsg.), Economic Analysis and the Multinational Enterprise, S. 13 – 30; Fischer, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 921 ff.; Großfeld, JuS 1978, 73 ff.; Jennings/Watts: Oppenheim’s International Law, Bd. 1, S. 859 ff.; Korten, When Corporations Rule the World, S. 1 ff.; McCorquodale/Fairbrother, 21 HRQ 735 – 766 (1999); Meyer, 18 HRQ 368 – 397 (1996); Monshipouri/Welch/Kennedy, 25 HRQ 965 – 989 (2003); Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, S. 1 ff.; Seibert-Fohr, AVR 43 (2005), 153 – 186; Smith/Bolyard/Ippolito, 21 HRQ 207 – 219 (1999).

Ziel und Gang der Untersuchung

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sichtlich des Verhaltens inländischer Unternehmen im Ausland, also für die extraterritorialen Aktivitäten privater Unternehmen zukommen. Beispielsweise ist fraglich, ob Deutschland im Fall von Menschenrechtsverletzungen aufgrund unzureichender Arbeitsbedingungen in der Auslandsniederlassung eines deutschen Unternehmens in Indonesien zum Schutz der Betroffenen einheimischen Personen verpflichtet ist. Derartige staatliche Pflichten zum Schutz vor schädigenden Handlungen privater Unternehmen könnten sich vor allem aus dem Völkervertragsrecht und in diesem Rahmen speziell aus der zeitgemäßen Interpretation durch die entsprechenden Überwachungsorgane der einschlägigen Menschenrechtsverträge ergeben. Während staatliche Schutzpflichten auf der Basis internationaler Menschenrechtsverträge bereits in ersten Ansätzen untersucht wurden3, ist die Frage nach staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich unternehmerischer Aktivitäten aus regionalen Menschenrechtskonventionen größtenteils noch nicht behandelt worden. Daher wird in der vorliegenden Arbeit neben der Untersuchung der aktuellen Interpretation internationaler Menschenrechtsverträge die Untersuchung regionaler Menschenrechtskonventionen, insbesondere der europäischen, der amerikanischen, der afrikanischen und der arabischen Menschenrechtskonvention, im Vordergrund stehen. Dabei soll neben der Einzelbetrachtung der jeweiligen Konvention auch die Frage beantwortet werden, im Rahmen welcher regionaler Konvention sich staatliche Schutzpflichten besonders dynamisch fortentwickeln und ob dies aufgrund homogenerer regionaler Kulturlandschaften zu einer dynamischeren Entwicklung staatlicher Schutzpflichten beigetragen hat als auf internationaler Ebene. Letztlich soll die Frage beantwortet werden, ob aus einer extensiven Weiterentwicklung staatlicher Schutzpflichten neben positiven Effekten auch nachteilige Entwicklungen für den internationalen Menschenrechtsschutz erwachsen können.

II. Gang der Untersuchung Zur Analyse der oben beschriebenen Fragestellungen ist es notwendig, in den relevanten Menschenrechtsverträgen zunächst nach den grundsätzlichen Schutzpflichten zu fragen und anschließend deren Anwendbarkeit auf private Unternehmen als juristische Personen zu prüfen. Konkret geht der Verfasser bei der Analyse der regionalen Konventionen sowie der im Nachgang zu untersuchenden internationalen Menschenrechtsverträge bei allen Verträgen jeweils in drei Schritten vor: Neben den Vertragstexten werden zunächst die Urteile und Entscheidungen der zuständigen 3 Erste Untersuchungen wurden durch den UN-Sonderbeauftragten in den Jahren 2006/ 2007 durchgeführt, siehe Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum 1: State responsibilities to regulate and adjudicate corporate activities under the United Nations core human rights treaties: an overview of treaty body commentaries (13. 02. 2007), UN Doc. A/HRC/4/35/Add.1.

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Ziel und Gang der Untersuchung

Gerichte, Ausschüsse und Überwachungsorgane dahingehend untersucht, ob sich aus ihnen neben reinen Abwehrrechten gegen staatliches Handeln auch auf das Bestehen von Schutzpflichten bei Handlungen privater Dritter schließen lässt. Jeweils in einem zweiten Schritt wird untersucht, ob die so analysierten Schutzpflichten auch in Bezug auf die Aktivitäten privatwirtschaftlicher Unternehmen als juristische Personen gelten. Letztlich wird geprüft, ob, und wenn ja unter welchen Voraussetzungen, völkervertragliche Schutzpflichten extraterritoriale Wirkungen entfalten und entsprechend extraterritoriale Handlungen privater Unternehmen einschließen. Diesem Gesamtziel folgend, gliedert sich die weitere Untersuchung wie folgt: Erster Teil Begriffserläuterungen

Zunächst folgen zum besseren Verständnis der in dieser Arbeit verwendeten Begrifflichkeiten und der dahinter stehenden Bedeutungen Ausführungen zu staatlichen Schutzpflichten und zu Menschenrechtsverträgen im grundlegenden Sinne. Angesichts der besonderen Bedeutung der grenzüberschreitenden Aktivitäten privater Unternehmen im Allgemeinen und für diese Arbeit im Besonderen wird daneben die Rechtsfigur des transnationalen Unternehmens definiert. Zweiter Teil Analyse staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf Aktivitäten privater Unternehmen auf der Grundlage regionaler Menschenrechtsübereinkommen

Regionale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte zeichnen sich dadurch aus, dass sie das regionale Verständnis und die Interpretation der Menschenrechte in dem jeweiligen soziokulturellen Umfeld widerspiegeln. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gilt als das am weitesten ausdifferenzierte regionale Menschenrechtsübereinkommen. Basierend auf der Annahme, dass der Menschenrechtsschutz aufgrund der kulturellen Übereinstimmungen der einzelstaatlichen Menschenrechtsinterpretationen in den regionalen Konventionen auch im Hinblick auf mögliche Schutzpflichten konkreter ausgestaltet ist, als dies bei internationalen Konventionen der Fall ist, befasst sich die vorliegende Arbeit in einem ersten Schwerpunkt mit der Analyse der regionalen Konventionen. Im Fall der EMRK sind die Urteile und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte für die Interpretation der vertraglichen Pflichten maßgeblich. Im Hinblick auf die AMRK werden neben den Entscheidungen des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch die Interpretationen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte zur detaillierten Prüfung herangezogen. Daneben werden die einschlägigen Entscheidungen der Überwachungsorgane der Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und Völker sowie der ebenfalls noch jungen Arabischen Charta der Menschenrechte untersucht und runden so das Gesamtbild staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Konventionen ab. Der zweite Teil schließt mit einer Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnis aus der Analyse der regionalen Menschenrechtskonventionen.

Ziel und Gang der Untersuchung

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Dritter Teil Staatliche Schutzpflichten hinsichtlich privater Unternehmen auf der Grundlage internationaler Menschenrechtsverträge

Im Rahmen der Untersuchung internationaler Menschenrechtsverträge im dritten Teil der vorliegenden Arbeit werden zunächst der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR) sowie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Cultural and Social Rights, ICESCR) geprüft. Diese beiden auch als Internationale Menschenrechtspakte bezeichneten zentralen Elemente des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes unterscheiden sich von den speziellen Menschenrechtsverträgen in ihrer größeren inhaltlichen Breite. Zur Analyse werden neben den Vertragstexten und den Texten der optionalen Zusatzprotokolle insbesondere die Interpretationen des für die Überwachung des ICCPR zuständigen Ausschusses für Menschenrechte (Human Rights Committee) und des für die Überwachung des ICESCR zuständigen Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights) herangezogen. Aufgrund ihrer besonderen inhaltlichen Ausrichtungen werden die beiden Pakte getrennt von den speziellen völkerrechtlichen Verträgen auf bestehende Schutzpflichten in Bezug auf private Wirtschaftsunternehmen und die extraterritoriale Reichweite derartiger Schutzpflichten untersucht. Neben den beiden Menschenrechtspakten existiert eine Reihe spezieller Menschenrechtsverträge, die dem Schutz einzelner Rechte oder Personengruppen dienen und mit Überwachungsorganen ausgestattet sind. Letztere dienen nicht allein der Einhaltung bestehender Vertragspflichten aus den Verträgen und den optionalen Zusatzprotokollen, sondern entwickeln die jeweiligen Verträge im Wege der Auslegung fort. Im Einzelnen werden im dritten Teil der vorliegenden Arbeit folgende spezielle Menschenrechtsverträge untersucht: *

*

*

Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung, Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

*

Konvention über die Rechte des Kindes,

*

Internationale Konvention zum Schutz von Wanderarbeitern und ihrer Familien,

*

Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen.

Sollten staatliche Schutzpflichten bei Menschenrechtsverstößen durch private Unternehmen aus diesen speziellen völkerrechtlichen Menschenrechtsverträgen folgen, so wird – wie bereits im Rahmen der Prüfung der regionalen Konventionen und der Menschenrechtspakte – jeweils in einem weiteren Schritt geprüft, ob diese

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Ziel und Gang der Untersuchung

Pflichten auch extraterritorial gelten. Die genannten sechs völkerrechtlichen Verträge werden aufgrund struktureller und inhaltlicher Gemeinsamkeiten sowie zur besseren Übersicht gemeinsam geprüft. Der dritte Teil der Arbeit schließt mit einer Gesamtbewertung der analysierten Entwicklungen staatlicher Schutzpflichten aus internationalen Konventionen in Bezug auf private Unternehmen. Vierter Teil Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse zu staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf private Wirtschaftsunternehmen

Im vierten Teil der Arbeit steht zunächst ein Vergleich der erarbeiteten Ergebnisse aus den regionalen und internationalen Menschenrechtsverträgen im Mittelpunkt. Dies beinhaltet zunächst einen Vergleich der inhaltlichen und der räumlichen Reichweiten staatlicher Schutzpflichten sowie deren Anwendbarkeit auf private Unternehmen. Dazu kommt ein Vergleich der Entwicklungsdynamik regionaler und internationaler Konventionen in Bezug auf staatliche Schutzpflichten. Zudem wird die dynamische Interpretation der Menschenrechtsverträge durch die zuständigen Überwachungsorgane analysiert und bewertet. Zuletzt folgen einige kritische Aspekte zur übermäßigen Ausweitung staatlicher Schutzpflichten. Fünfter Teil Ausblick auf die künftige Entwicklung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen

Nachdem staatliche Schutzpflichten aus völkerrechtlichen Menschenrechtsverträgen zuvor ausführlich analysiert wurden, wird im fünften Teil der Arbeit ein Blick auf die zu erwartende künftige Entwicklung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen geworfen. Die Arbeit schließt mit einer praxisnahen Betrachtung der Auswirkungen völkerrechtlicher Entwicklungen auf das operative Geschäft privater Unternehmen und einer Schlussbetrachtung.

Erster Teil

Begriffserläuterungen A. Staatliche Schutzpflichten I. Sinn und Zweck staatlicher Schutzpflichten Nach dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Verständnis dient die Rechtsfigur der staatlichen Schutzpflicht dem effektiven Schutz des jeweiligen Rechtsinhabers vor Eingriffen in seine Rechte durch nichtstaatliche Akteure. Damit wird deutlich, dass im Fall von staatlichen Schutzpflichten am Anfang einer jeden Prüfung kein originär staatliches, sondern stets originär nichtstaatliches Handeln steht. Jede mögliche staatliche Schutzpflicht bezieht sich entsprechend auf nichtstaatliches Handeln und als Konsequenz daraus auf die Frage nach Pflichten und Möglichkeiten des präventiven, kurativen oder sanktionierenden Eingreifens seitens des pflichtausübenden Staates. Im Kontext der Menschenrechte bilden staatliche Schutzpflichten zudem den evolutiv bedeutsamen Schritt vom Abwehrcharakter der Menschenrechte gegen staatliches Handeln hin zu einem umfassenderen Schutz des Einzelnen auch vor Eingriffen Dritter in seine Rechte. Dabei kann es sich im Fall der Dritten sowohl um natürliche als auch um juristische Personen handeln. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich spezifische Formen staatlicher Schutzpflichten auch aus der Staatsangehörigkeit einer Person ergeben können, die sie in eine intensive Wechselbeziehung aus Rechten und Pflichten zum jeweiligen Staat setzt.1 Das aus der Staatsangehörigkeit fließende Recht auf diplomatischen Schutz beispielsweise findet sein Spiegelbild in der staatlichen Pflicht zu eben diesem. Diese spezielle Form staatlicher Schutzpflichten soll hingegen mangels Relevanz für die vorliegende Arbeit nicht weiter erörtert werden.

II. Schutzpflichten und staatliche Souveränität Solange es sich um die Frage staatlicher Schutzpflichten auf dem eigenen Territorium eines Staates handelt, spielt fremde staatliche Souveränität bei der rechtlichen Prüfung keine Rolle. Bei der Prüfung möglicher staatlicher Schutzpflichten hinsichtlich der extraterritorialen Aktivitäten privater Unternehmen wird jedoch stets mindestens ein weiterer fremder staatlicher Souveränitätsbereich berührt. Dies kann 1

Siehe vertiefend: Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 157, 195 f.

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1. Teil: Begriffserläuterungen

gegebenenfalls zu Kollisionen zwischen der Pflicht zur Wahrung fremder Souveränität und der Wahrnehmung staatlicher Schutzpflichten führen. Die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit staatlicher Schutzpflichten bezüglich extraterritorialer Unternehmensaktivitäten ist daher letztlich auch am Maßstab des Souveränitätsprinzips zu messen. 1. Souveränitätsprinzip Die Charta der Vereinten Nationen kodifiziert als Grundprinzip in Art. 2 Ziff. 1 die untrennbar miteinander verbundenen Grundsätze der staatlichen Souveränität und der formellen Gleichheit der Staaten.2 Regelungstechnisch bezieht sich die staatliche Souveränität auf die Gebietshoheit, die Personalhoheit sowie auf die staatliche Ordnung, die durch die Staatsgewalt festgelegt und durchgesetzt wird.3 Das Souveränitätsprinzip beschreibt dabei auch das einzelstaatliche Recht, frei von Eingriffen anderer Staaten in die genannten Hoheitsbereiche zu bleiben. 2. Interventionsverbot Das Interventionsverbot kann als Spiegelbild des Souveränitätsprinzips verstanden werden4 und verbietet das „Hineinregieren“ in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates.5 Sinn und Zweck des klassischen Interventionsbegriffes war es, die territoriale Integrität der souveränen Staaten zu wahren und zwischenstaatliche Gewaltanwendung einzudämmen.6 Mit der zunehmenden Verdichtung wirtschaftlicher und politischer Prozesse Mitte des 20. Jahrhunderts wurde deutlich, dass staatliche Souveränität auch von nicht-militärischen Maßnahmen bedroht werden kann.7 Daher wird Intervention heute ganz überwiegend im Sinne eines erweiterten Interventionsbegriffes verstanden, der über militärische Gewaltanwendung hinaus auch sonstige Zwangsmittel, je nach Qualität des Einzelfalles auch wirtschaftliche8, umfasst.9 2

Art. 2, Ziff. 1, Charter of the United Nations, 26. 06. 1945, 15 UNCIO 335. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 38; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, S. 21. 4 Chatham House: International Law Discussion Group, The Principle of Non-Interference in Contemporary International Law, 28. 02. 2007, www.chathamhouse.org.uk/publications/, S. 2. 5 Meng, ZaöRV 44 (1984), 748; Shaw, International Law, S. 454. 6 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 222. 7 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 367. 8 Ausführlich hierzu: Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 67 – 70. 9 Vgl. Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 167; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 223; anders: Bleckmann, Völkerrecht, S. 183; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, S. 32. 3

B. Transnationale Unternehmen

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Der Bereich, in dem sich die Staaten auf das Interventionsverbot berufen können wird auch als Bereich der „inneren Angelegenheiten“ oder auch als domaine réservé bezeichnet.10 Negativ abgegrenzt wird dieser Bereich der inneren Angelegenheiten als der Bereich, der keinen völkerrechtlichen Regelungen unterworfen ist.11 Genaue inhaltliche Bedeutung und Grenzen des Interventionsverbotes bzw. der domaine réservé sind angesichts der zunehmenden Verdichtung völkerrechtlicher Beziehungen und damit verbundener stetiger Veränderungen des staatlichen Souveränitätsbereichs nicht eindeutig geklärt.12 Es gilt je nach Regelungsmaterie auf das vorhandene Völkervertragsrecht sowie auf die Staatenpraxis zurückzugreifen, um die Grenze des Erlaubten nach aktuellem Völkerrechtsstand zu ermitteln. Bei den einzelnen materiellen Regelungsbereichen extraterritorialer Jurisdiktion geht es stets um die Frage, bis zu welchem Grad ein Staat seinen eigenen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Auffassungen auch außerhalb seines Territoriums Geltung verschaffen darf.13 Dies ist im Falle der Menschenrechte möglicherweise anders, da es im Prinzip nicht darum geht, einzelne innerstaatliche Interessen extraterritorial durchzusetzen, sondern das gewachsene Verständnis der staatsübergreifenden Bedeutung der Menschenrechte mit innerstaatlichen Mitteln durchzusetzen. Wir haben es also mit einem Spannungsfeld zwischen der prinzipiell völkerrechtswidrigen Intervention in die inneren Angelegenheiten eines Staates und der übergreifenden Verantwortung der Staatengemeinschaft für den Schutz der Menschenrechte zu tun. Die vorliegende Arbeit soll mit ihrer Analyse staatlicher Schutzpflichten auch einen Beitrag zum besseren Verständnis dieses Spannungsfeldes bieten.

B. Transnationale Unternehmen I. Definitionsansätze Im alltäglichen Sprachgebrauch finden sich verschiedene Bezeichnungen für all jene Wirtschaftsunternehmen, die über die Grenzen ihres nationalen Heimatstaates hinaus aktiv sind und dabei ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten bzw. an Standorten in unterschiedlichen Staaten produzieren. Ob im Englischen unter den

10 Bleckmann, Völkerrecht, S. 184; Herdegen, Völkerrecht, S. 276; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 167; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 65; Schmalenbach, AVR 39 (2001), 57, 75 ff. 11 Bleckmann, Völkerrecht, S. 184 – 185; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 167; Schmalenbach, AVR 39 (2001), 57, 75. 12 Vgl. Bleckmann, Völkerrecht, S. 184; Herdegen, Völkerrecht, S. 275; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 368; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 167; Meng, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 337, 341. 13 Vgl. Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des GenuineLink-Erfordernisses, S. 3.

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1. Teil: Begriffserläuterungen

Bezeichnungen „transnational corporations“14, „multinational corporations“15 „multinational enterprises“16, „transnational enterprises“17 oder im Deutschen unter den Bezeichnungen „multinationale Konzerne“18, „transnationale Unternehmen“19, „multinationale Gesellschaften“20, es finden sich diese und weitere Begrifflichkeiten zur Beschreibung global operierender Unternehmen, die in aller Regel synonym verwendet werden. Nachfolgend sollen einige Definitionsansätze für das Phänomen des global agierenden Unternehmens aufgezeigt werden. 1. United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) Die UNCTAD verwendet in ihrer Serie der World Investment Reports seit 1993 ausschließlich den Begriff der „transnational corporations“21 und definiert TNCs regelmäßig wie folgt: „Transnational corporations (TNCs) are incorporated or unincorporated enterprises comprising parent enterprises and their foreign affiliates. A parent enterprise is defined as an enterprise that controls assets of other entities in countries other than its home country, usually by owning a certain equity capital stake. An equity capital stake of 10 % or more of the ordinary shares or voting power for an incorporated enterprise, or its equivalent for an unincorporated enterprise, is normally considered the threshold for the control of assets.“22

Damit beinhaltet die Definition der UNCTAD das quantitative Merkmal der Mindestbeteiligung/Mindestkontrolle von 10 % an ausländischen Unternehmen.

14 Bondzi-Simpson, Legal Relationships Between Transnational Corporations and Host States, S. 1 ff.; Rigaux, in: Bedjaoui, International Law: Achievements and Prospects, S. 121 ff.; Weissbrodt, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 119 ff. 15 Jägers, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 259 ff.; Sölvell, in: Birkinshaw, The Future of the Multinational Company, S. 34 ff.; Wells/Elias, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 141, 148. 16 Dunning, in: Dunning, Economic Analysis and the Multinational Enterprise, S. 13 ff.; de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227 ff.; Seidl-Hohenveldern, International Economic Law, S. 12 ff. 17 Fischer, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 921 ff. 18 Albrecht/Volger, Lexikon der Internationalen Politik, S. 357 ff.; Hofstetter, Sachgerechte Haftungsregeln für Multinationale Konzerne, S. 3 ff. 19 Großfeld, Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, S. 5 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 59 ff. 20 Fischer, in: Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 288 ff. 21 Siehe bereits UNCTAD, World Investment Report 1993, Transnational Corporations and Integrated International Production, S. 19. 22 UNCTAD, World Investment Report 2008, Transnational Corporations and the Infrastructure Challenge, Definition and Sources, General Definitions, S. 249.

B. Transnationale Unternehmen

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2. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) Die OECD Guidelines for Multinational Enterprises sind freiwillige Verhaltensregeln von Seiten der OECD-Staaten für multinational operierende Unternehmen. Die OECD hat in ihrer ersten Fassung der Verhaltensregeln23 bereits 1976 eine Beschreibung globaler Unternehmen veröffentlicht. Diese ist bis 2000 unverändert fortgeführt worden und wurde erst mit der grundlegenden Überarbeitung der Guidelines geändert. Die OECD betont in ihrem Kommentar zu den Verhaltensregeln, dass es sich dabei nicht um eine Definition im strengen Sinn handelt, sondern um allgemeine Kriterien, nach denen multinationale Unternehmen beschrieben werden.24 Diese allgemeinen Kriterien sehen vor, dass globale Unternehmen „[…] usually comprise companies or other entities established in more than one country and so linked that they may co-ordinate their operations in various ways. While one or more of these entities may be able to exercise a significant influence over the activities of others, their degree of autonomy within the enterprise may vary widely from one multinational enterprise to another. Ownership may be private, state or mixed.“25

Charakteristisches Merkmal dieser Beschreibung ist die Fähigkeit des Unternehmens über Staatsgrenzen hinweg eine Koordinierung der Unternehmensaktivitäten sicherzustellen. Im Gegensatz dazu wurde in der bis 2000 verwendeten Beschreibung das Merkmal der zentralisierten Kontrolle deutlich stärker betont.26 Diese Änderung ist auf das gewandelte Verständnis der zunehmend dezentralisierten Arbeitsweise globaler Unternehmen zurückzuführen. 3. International Labour Organization (ILO) Die International Labour Organization verabschiedete 1977 die Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy.27 In der aktuellen Fassung der Tripartite Declaration, die zuletzt 2006 geändert wurde, lautet die Beschreibung für global operierende Unternehmen „Multinational enterprises include enterprises, whether they are of public, mixed or private ownership, which own or control production, distribution, services or other facilities outside 23 OECD Guidelines for Multinational Enterprises (1976), abgedruckt in: 15 ILM 969 (1976). 24 OECD Guidelines for Multinational Enterprises: Text, Commentary and Clarifications (31. 10. 2001), S. 9. 25 OECD Guidelines for Multinational Enterprises (Fassung vom 27. 06. 2000), www.oecd. org/dataoecd/56/36/1922428.pdf, abgedruckt in: 40 ILM 237 (2001), Concepts and Principles, para. 3. 26 OECD Guidelines for Multinational Enterprises (1976), abgedruckt in: 15 ILM 969 (1976); vertiefend: Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, S. 6 – 7. 27 ILO Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy, abgedruckt in: 17 ILM 422 (1978).

46

1. Teil: Begriffserläuterungen the country in which they are based. The degree of autonomy of entities within multinational enterprises in relation to each other varies widely from one such enterprise to another, depending on the nature of the links between such entities and their fields of activity and having regard to the great diversity in the form of ownership, in the size, in the nature and location of the operations of the enterprises concerned. Unless otherwise specified, the term ,multinational enterprise‘ is used in this Declaration to designate the various entities (parent companies or local entities or both or the organization as a whole) […].“28

4. Definitionsansätze im Schrifttum Die einfachste im Schrifttum vertretene Definition transnationaler Unternehmen beschreibt diese lediglich als Unternehmen mit Niederlassungen oder Beteiligungen in mindestens einem weiteren Staat neben ihrem eigentlichen Heimatstaat.29 Andere Vertreter im Schrifttum wiederum lehnen sich eng an die eben beschriebenen Definitionen der OECD30 oder der UNCTAD31 an. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl an weiteren Definitionsansätzen und -merkmalen.32 Einige Vertreter betonen in ihren Definitionen das Merkmal der zentralisierten Konzernstrategie.33 Andere wiederum verlangen ein Mindestmaß an Kontrolle bzw. Einfluss des jeweiligen Mutterunternehmens.34 Darüber hinaus werden staatliche Unternehmen von manchen Vertretern nicht als TNCs berücksichtigt.35 Schließlich verlangen einige Vertreter im Schrifttum eine konkrete am Umsatz gemessene Mindestgröße.36 Andere

28

ILO Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy (März 2006), abgedruckt in: 41 ILM 186 (2002), para. 6. 29 Vgl. Hofstetter, Sachgerechte Haftungsregeln für Multinationale Konzerne, S. 4; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 55, 108; Jägers, in: Addo, Human Rights Standards and the Responsibility of Transnational Corporations, S. 259; Murphy, Principles of International Law, S. 62; Weissbrodt, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 119, 121. 30 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 267. 31 Vgl. Ganser, Die Friedens-Warte 79 (2004), 57, 59. 32 Für eine Übersicht über mögliche Definitionsmerkmale: Dunning/Lundan, Multinational Enterprises and the Global Economy, S. 3. 33 Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, S. 864; Großfeld, Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, S. 5; Hummer, in: Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch für Völkerrecht, Bd. 1, S. 233, 235; Joseph, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, S. 75; Seiffert, GYIL 23 (1980) 91, 95; Thürer, in: Hofmann, Non-State Actors as New Subjects of International Law, S. 37, 46 – 47. 34 Fischer, in: Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 288; Gaedtke, AVR 2 (2004), 241; de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227. 35 Shaw, International Law, S. 176. 36 Hummer, in: Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch für Völkerrecht, Bd. 1, S. 233, 235.

B. Transnationale Unternehmen

47

wiederum legen eine gewisse Mindestgröße zugrunde, ohne diese aber näher zu konkretisieren.37 5. Institut de Droit International (IDI) Das seit 1873 bestehende Völkerrechtsinstitut Institut de Droit International aus Gent, Belgien, hat im Jahr 1977 folgende Legaldefinition für multinationale Unternehmen beschlossen. „Enterprises which consist of a decision-making centre located in one country and of operating centres, with or without legal personality, situated in one or more other countries should, in law, be considered as multinational enterprises.“38

Diese Definition hat ebenso wenig wie die übrigen bisher genannten Definitionsversuche gemeingültige Anerkennung auf internationaler Ebene gefunden.39 6. Definition des American Law Institute Das bekannte Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States des American Law Institute beschreibt multinationale Unternehmen als „[…] a group of corporations, each established under the law of some state, linked by common managerial and financial control and pursuing integrated policies.“40 und verfolgt damit ebenfalls einen Ansatz, der vor allem die zentralisierte Kontrolle und integrierte Strategie als Maßstab betont. 7. Zwischenergebnis Während innerhalb der UNCTAD und auch in allen übrigen Organisationen der Vereinten Nationen der Begriff des „transnationalen“ Unternehmens und von Seiten der OECD, der ILO und des Institut de Droit International der Begriff des „multinationalen“ Unternehmens bevorzugt wird, zeichnet sich innerhalb des Schrifttums keine generelle Präferenz für eine der beiden Bezeichnungen ab.41 Von zahlreichen 37 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 60; Kamminga/Zia-Zarifi, in: Kamminga/ Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, Introduction, S. 2 – 3; Shaw, International Law, S. 176. 38 Institut de Droit International, Resolution on Multinational Enterprises (Oslo, 07. 09. 1977), Absatz I, abgedruckt in: Annuaire, Vol. 57 I (1977), S. 382 – 386. 39 Wallace, The Multinational Enterprise and Legal Control, S. 117. 40 ALI, Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States (1987), § 213, comment f. 41 Verwenden „transnationales“ Unternehmen: Alston, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 3, 30 ff.; Dicken, Global Shift, S. 1 ff.; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 55, 108; Großfeld, Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, S. 5 ff.; Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 157, 178; Herdegen, Völkerrecht, S. 114 ff.; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 163; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 54 – 55; Nowrot, Normative Ord-

48

1. Teil: Begriffserläuterungen

Vertretern im Schrifttum geht darüber hinaus der Hinweis aus, dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen „transnational“ und „multinational“ nicht existiere und beide Bezeichnungen grundsätzlich synonym verwendet werden können.42 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird auf den Begriff des transnationalen Unternehmens bzw. auf den in der internationalen Völkerrechtsliteratur verwendeten Begriff der transnational corporation, TNC zurückgegriffen da dieser besser in der Lage ist, die von einem Heimatstaat ausgehenden, grenzüberschreitenden43 und einer zentralisierten Konzernstrategie44 unterworfenen Aktivitäten der in Frage stehenden Unternehmen zu beschreiben. „Multinational“ hingegen impliziert juristisch unzutreffend, dass das jeweilige Unternehmen Staatszugehörigkeiten in mehreren Staaten besitzt45 oder aber der Kontrolle von Mutterunternehmen aus mehreren Staaten untersteht.46 Richtigerweise verweisen die meisten Definitionsansätze für globale Unternehmen auf das Merkmal der zentralisierten Kontrolle. Dementsprechend werden transnationale Unternehmen vorliegend in Abgrenzung zu kriminellen Vereinigungen als legale Wirtschaftseinheiten verstanden, die in mehr als einem Staat aktiv sind und dabei unabhängig vor ihrer Rechtsform oder der Rechtsform der ihnen angegliederten Untereinheiten über das Merkmal der zentralisierten Kontrolle verfügen. In der vorliegenden Arbeit soll der Begriff des transnationalen Unternehmens darüber hinaus ausschließlich zur Beschreibung privater Unternehmen genutzt werden. Bei der Prüfung staatlicher global operierender Unternehmen wird jeweils gesondert auf die besondere Eigenschaft als staatliches, das heißt als signifikant von staatlicher Seite kontrolliertes Unternehmen hingewiesen.

nungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 49 ff.; Reinisch, GYIL 44 (2001) 270, 287 – 291; Rigaux, in: Bedjaoui, International Law: Achievements and Prospects, S. 121 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 167 – 168. Verwenden „multinationales“ Unternehmen: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/ 2, S. 243 ff.; Dunning, in: Dunning, Economic Analysis and the Multinational Enterprise, S. 13 ff.; Kamminga/Zia-Zarifi, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, Introduction, S. 2; Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, S. 1 ff.; Wells/Elias, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 141, 148 ff. 42 Alston, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 3, 30; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, S. 249; Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, S. 864; Großfeld, Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, S. 5; Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 157, 178; Kamminga/Zia-Zarifi, in: Kamminga/Zia-Zarifi, Liability of Multinational Corporations under International Law, Introduction, S. 2; Shaw, International Law, S. 176; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 269; Wells/Elias, in: Alston, NonState Actors and Human Rights, S. 141, 142 Fn. 5. 43 So auch: ECOSOC, Report of the Group of Eminent Persons to Study the Impact of Multinational Corporations on Development and on International Relations, S. 25, Fn. 2, New York 1974, ST/ESA/ 6, UN Doc. E/5500/Rev. 1; Wallace, The Multinational Enterprise and Legal Control, S. 105. 44 So auch: Nowrot, Normative Ordnungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 49 – 50; Wallace, The Multinational Enterprise and Legal Control, S. 105. 45 So auch: Rigaux, in: Bedjaoui, International Law: Achievements and Prospects, S. 121. 46 So auch: Nowrot, Normative Ordnungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 50.

B. Transnationale Unternehmen

49

II. Verbreitung transnationaler Unternehmen Um die völkerrechtliche Relevanz des Phänomens transnationaler Unternehmen zu erfassen, ist es darüber hinaus hilfreich, sich ein Bild über die Verbreitung und regionale Verteilung transnationaler Unternehmen zu machen.47 1. Anzahl weltweit operierender Unternehmen Die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) weist in ihrem World Investment Report 1993 weltweit 36.600 transnationale Unternehmen mit insgesamt 174.900 Auslandsniederlassungen („affiliates“)48 aus.49 Die Aktivitäten transnationaler Unternehmen nahmen gerade in den 1990er Jahren rasant zu, was sich nicht zuletzt an der wachsenden Zahl festmachen lässt. Im Jahr 1997 war die Zahl transnationaler Unternehmen bereits leicht auf 44.508 und die Zahl der Auslandsniederlassungen auf 276.659 angewachsen.50 Gerade zum Ende der 1990er Jahre stiegen die Zahlen dann sprunghaft an und erreichten 1999 59.902 TNCs mit insgesamt bereits 508.239 Auslandsniederlassungen.51 Das Datenmaterial des World Investment Report 2008 belegt, dass die Verbreitung transnationaler Unternehmen seitdem kontinuierlich fortgeschritten ist. So werden 2008 78.817 TNCs und 794.894 Auslandsniederlassungen gezählt. Davon stammen 45.607 TNCs aus Europa (aus Deutschland 5935), 3857 aus Nordamerika, 16651 aus Asien, 3177 aus Lateinamerika & Karibik und lediglich 737 aus Afrika.52 Damit hat sich die Zahl der TNCS seit 1993 weltweit mehr als verdoppelt und die Zahl der Auslandsniederlassungen in derselben Zeit mehr als vervierfacht. Die UNCTAD verweist darauf, dass der Großteil der Unternehmen zwar durch ihre Auslandsaktivitäten als TNCs eingestuft werden müssen, jedoch nicht zu dem klassischen Bild der dominanten „Multis“ gerechnet werden können, sondern als „small- and mediumsized TNCs“ und damit zum international operierenden Mittelstand gewertet werden müssen. Beispielhaft wird auf Schweden, Italien und Japan verwiesen, wo diese eher mittelständisch

47 Zu den verschiedenen Datenquellen hinsichtlich der Verbreitung von TNCs: Dunning/ Lundan, Multinational Enterprises and the Global Economy, S. 9 – 12. 48 Die World Investment Reports der UNCTAD fassen in „affiliates“ alle „subsidiaries enterprises, associated enterprises and branches“ zusammen, siehe World Investment Report 2008, Transnational Corporations and the Infrastructure Challenge S. 293. 49 UNCTAD, World Investment Report 1993, Transnational Corporations and Integrated International Production, S. 21. 50 UNCTAD, World Investment Report 1997, Transnational Corporations, Market Structure and Competition Policy, S. 7. 51 UNCTAD, World Investment Report 1999, Foreign Direct Investment and the Challenge of Development, S. 6; für einen Überblick über die Entwicklung bis 2002 siehe: Ungericht, Zwischen Konflikt und Kooperation, S. 31. 52 UNCTAD, World Investment Report 2008, Transnational Corporations and the Infrastructure Challenge, S. 211 – 212.

50

1. Teil: Begriffserläuterungen

aufgestellten TNCs im Jahr 1996 4/5 der schwedischen TNCs, 3/5 der italienischen TNCs und 55 % der japanischen TNCs ausmachten.53 2. Die größten transnationalen Unternehmen Von den 100 größten TNCs, gemessen am Auslandsvermögen, kamen im Jahr 2008 72 aus fünf Staaten: USA (21), Frankreich (15), Deutschland (14), Großbritannien (13) und Japan (9).54 Die Liste wird angeführt von General Electrics (USA), gefolgt von British Petroleum (BP, UK). Sechs der Top 100 Unternehmen stammen aus Schwellenländern: Hutchison Whampoa Limited (Hong Kong, China), Petronas – Petroliam Nasional (Malaysia), Samsung Electronics Co. Ltd. (Süd-Korea), Cemex S.A. (Mexiko), Hyundai Motor Company (Süd-Korea), Singtel Ltd. (Singapur).55 3. Das Maß der Transnationalität weltweit operierender Unternehmen Eine Möglichkeit, die Transnationalität weltweit operierender Unternehmen zu messen, besteht darin, die Anzahl der Staaten zu ermitteln, in denen das jeweilige Unternehmen mit Auslandsniederlassungen aktiv ist. Laut UNCTAD sind die großen TNCs entwickelter Staaten in durchschnittlich 41 Staaten aktiv. TNCs aus Schwellenländern sind hingegen durchschnittlich lediglich in 9 Staaten aktiv.56 TNCs sind dabei zumeist nicht global im wörtlichen Sinne. Sie zeigen in aller Regel trotz eines hohen Maßes an Transnationalität eine erkennbare geographische Verbundenheit mit ihrem Heimatland oder ihrer Heimatregion.57 4. Das Wachstum transnationaler Unternehmen in Schwellenländern „The expansion of FDI from developing and transition economies is steadily transforming the universe of TNCs“.58 Diese Feststellung der UNCTAD deutet auf 53 UNCTAD, World Investment Report 1999, Foreign Direct Investment and the Challenge of Development, S. 4. 54 UNCTAD, World Investment Report 2008, Transnational Corporations and the Infrastructure Challenge, S. 220 – 222. 55 Ibid, S. 220 – 222. 56 Vgl. Übersicht I.11. „Top 15 TNCs, ranked by number of host economies of their affiliates“, UNCTAD, World Investment Report 1999, Foreign Direct Investment and the Challenge of Development, S. 28, 30; beachte als weitere Vergleichsmöglichkeit den Transnationality Index (TNI) der UNCTAD, WIR 1999, S. 28. 57 Dicken, Global Shift, S. 124 – 127; ausführlich zur Transnationalität französischer Unternehmen: Colonomos/Santiso, 27 HRQ 1307, 1313 – 1323 (2005). 58 UNCTAD, World Investment Report 2006, FDI from Developing and Transition Economies: Implications for Development, S. 122.

C. Menschenrechtsverträge

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den anhaltenden Trend hin, der insbesondere auch in Südost-Asien (vor allem China, Indien und Süd-Korea) zu beobachten ist. Etwa 1/4 aller weltweiten TNCs stammen heutzutage aus Schwellenländern. Das Wachstum ist beeindruckend: beispielsweise ist die Zahl der TNCs aus Brasilien, China (inklusive Hong Kong), Indien und SüdKorea in den vergangenen 10 Jahr um 450 % (von insgesamt 2.600 auf mehr als 14.700 TNCs) gestiegen, während im selben Zeitraum die Zahl der TNCs aus den entwickelten Ländern vergleichsweise mäßig um 47 % gewachsen ist.59 Die zunehmende Zahl der TNCs in Schwellenländern beruht vor allem auf dem rasanten Wirtschaftswachstum in Asien. Von den 100 größten TNCs in Schwellenländern stammen 76 aus Süd-, Ost- und Südost-Asien und nur 10 aus Lateinamerika, 11 aus Afrika und 3 aus dem nahen Osten.60 Besonders ausgeprägte Aktivitäten von TNCs aus Schwellenländern können im Bereich der Erdöl- und Stahlindustrie sowie im Logistikbereich festgestellt werden.61

C. Menschenrechtsverträge Die Menschenrechte sind das Gegenstück zum staatlichen Gewaltmonopol und setzen seiner Ausübung Schranken. Sie schützen damit in erster Linie das Individuum vor dem Missbrauch von Staatsmacht.62 Mit Blick speziell auf staatliche Schutzpflichten ist es zuvorderst Aufgabe des völkerrechtlichen Vertragsrechts, Kriterien zu definieren, nach denen Staaten territoriale und extraterritoriale Pflichten zum Schutz ihrer Bürger vor Dritten zukommen.63 Der UN-Sonderbeauftragte hat dementsprechend in seinem Rahmenkonzept die maßgebliche Bedeutung staatlicher Schutzpflichten aus internationalen Menschenrechtsverträgen im Hinblick auf private Unternehmen betont (so genannte State Duty to Protect). Evident ist, dass die meisten Menschenrechtsverträge ihrem Wortlaut nach keine konkreten Hinweise auf den Staaten zukommende Schutzpflichten in Bezug auf unternehmensverursachte Menschenrechtsverletzungen aufweisen. Daher ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob den Konventionen staatliche Schutzpflichten entnommen werden können. Dazu muss zunächst geklärt werden, welche Auslegungsregeln auf Menschenrechtsverträge anzuwenden sind.

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UNCTAD, World Investment Report 2006, FDI from Developing and Transition Economies: Implications for Development, Übersicht III.13. Number of parent companies, selected developing economies, selected years, S.122. 60 UNCTAD, World Investment Report 2008, Transnational Corporations and the Infrastructure Challenge, S. 29. 61 UNCTAD, World Investment Report 2006, FDI from Developing and Transition Economies: Implications for Development, S. 122. 62 Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 87. 63 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 320; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 213.

52

1. Teil: Begriffserläuterungen

I. Auslegung von Menschenrechtsverträgen Regionale und internationale Menschenrechtsverträge beruhen, wie alle übrigen völkerrechtlichen Verträge, auf aufeinander bezogenen, sich deckenden, vom Völkerrecht bestimmten Willenserklärungen zwischen mindestens zwei Völkerrechtssubjekten, gerichtet auf die Begründung, Abänderung oder Aufhebung völkerrechtlicher Beziehungen.64 Ausgangspunkt jeder Vertragsauslegung bildet der Wortlaut.65 Neben systematischem Zusammenhang und historischem Willen ist ein völkerrechtlicher Vertrag gemäß Art. 31 Abs. 1 WVRK im Sinne des objektiven Parteiwillens also „[…] nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.“ (teleologische Reduktion).66 Daneben ist gemäß Art. 31 Abs. 3 WVRK jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die spätere Anwendung seiner Bestimmungen (lit. a) sowie jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (lit. b), zu beachten. Bei Menschenrechtsverträgen, welche stets auf langfristige Zusammenarbeit ausgerichtet sind, hat die Auslegung im Lichte des gemeinsamen Vertragszieles und dessen dauerhafter Förderung zu erfolgen (Effektivitätsgrundsatz, effet utile).67 Eine derartige dynamische oder auch evolutive Vertragsauslegung ist insbesondere dann vom Parteiwillen getragen, wenn Organe der Streitbeilegung eingerichtet wurden, die mit autoritativer Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und offener Vertragsnormen betraut sind.68 Dies ist beispielsweise unbestritten im Fall des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu bejahen, dem in Art. 32 Abs. 1 EMRK die Befugnis zur Vertragsauslegung übertragen wurde. Die Praxis solcher Organe ist einer nachfolgenden Übung der Vertragsparteien als Ausdruck übereinstimmender Auslegung gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK gleichzustellen.69 Ob gleiches auch für die Ausschüsse der internationalen Menschenrechtsverträge gilt, wird im Laufe der vorliegenden Arbeit zu prüfen sein.

64 Vitzthum, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 1, 57; zu den Besonderheiten von Menschenrechtsverträgen im Völkervertragsrecht siehe: Craven, 11 EJIL 489, 492 ff. (2000). 65 Herdegen, Völkerrecht, S. 135. 66 Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 23. 05. 1969, 1155 UNTS 331. 67 Herdegen, Völkerrecht, S. 137 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 84; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 25. 68 Herdegen, Völkerrecht, S. 138. 69 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 25.

C. Menschenrechtsverträge

53

II. Spezifische Dynamik regionaler Menschenrechtsabkommen Neben spezifischen internationalen Übereinkommen und den beiden Internationalen Menschenrechtspakten basiert der kodifizierte völkervertragliche Menschenrechtsschutz im Wesentlichen auf regionalen Menschenrechtsübereinkommen wie der EMRK und der AMRK. Mit ihrem Rechtsschutzsystem, einer weitreichenden Garantie materieller und prozessualer Rechte sowie der Möglichkeit, gerichtlichen Individualrechtsschutz gegen Verletzungen der Menschenrechte zu erlangen, ist die Europäische Menschenrechtskonvention zurzeit das wohl fortschrittlichste System zum Schutz der Menschenrechte.70 Ausgehend von der Annahme, dass regionale Menschenrechtskonventionen aufgrund einer größeren Deckungsgleichheit der historisch gewachsenen soziokulturellen Wertvorstellungen der beteiligten Staaten einen dynamischeren Menschenrechtsschutz ermöglichen als dies bei internationalen Konventionen der Fall ist, soll im Folgenden der Fokus insbesondere auf die Untersuchung staatlicher Schutzpflichten im Rahmen regionaler Menschenrechtskonventionen gelegt werden. Anschließend werden die Menschenrechtspakte und die speziellen internationalen Menschenrechtsverträge einer ausführlichen Prüfung unterzogen.

70 Vgl. Gondek, NILR 349, 352 (2005); Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 445; de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227, 240; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 370.

Zweiter Teil

Analyse staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf Aktivitäten privater Unternehmen auf der Grundlage regionaler Menschenrechtsübereinkommen A. Die Europäische Menschenrechtskonvention Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten1 vom 4. November 1950 gilt gegenwärtig für 47 Staaten.2 Ergänzt wird die EMRK durch 14 Zusatzprotokolle, von denen einige den materiellen Bestand an Rechten (Zusatzprotokolle Nr. 1, 4, 6, 7, 12, 13) und andere die Verfahren der EMRK ergänzen (Zusatzprotokolle Nr. 2, 3, 5, 8, 9, 10, 11, 143). Die Zusatzprotokolle Nr. 2, 3, 5, 8, 9, 10 wurden durch das Elfte Zusatzprotokoll, welches eine grundlegende Reform der Organe und des Verfahrens der EMRK mit sich brachte, praktisch hinfällig.4

I. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Zentrales Kontrollorgan der EMRK ist gemäß Art. 19 EMRK der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Konventionsverletzungen können vor ihm zum einen im Wege der Staatenbeschwerde nach Art. 33 EMRK durch Vertragsstaaten gerügt werden. Im Wege der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK können sich zum anderen natürliche Personen sowie nichtstaatliche Organisationen oder Personengruppen an den EGMR wenden.

1 European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, 04. 11. 1950, 213 UNTS 221, in Kraft getreten am 03. 09. 1953, BGBl. II 1952, 686 (untersucht in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. 05. 2002, BGBl. II 2002, 1055). 2 Stand: 29. Juni 2010; für eine vollständige Liste der Mitgliedstaaten siehe: http://con ventions.coe.int/Treaty/Commun/ListeTableauCourt.asp?MA=3&CM=16&CL=ENG. 3 Zusatzprotokoll Nr. 14 sieht eine weitere Reform des Verfahrens vor dem EGMR vor, konnte aber erst 2010 in Kraft treten, da Russland es zwar am 04. 05. 2006 unterzeichnet, bis Februar 2010 aber nicht ratifiziert hatte. Mit Beschluss vom 15. Januar 2010 stimmte die russische Staatsduma mit 392 von 450 Stimmen für die Ratifizierung, was am 18. Februar 2010 von der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde beim Generalsekretär gefolgt wurde. Damit trat das 14. Zusatzprotokoll gemäß Art. 19 am 1. Juni 2010 in Kraft. 4 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 377 ff.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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II. Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur verbindlichen Auslegung der EMRK Grundsätzlich kann ein Organ zu einem Menschenrechtsvertrag, wie beispielsweise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur EMRK, die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe und sonstiger Auslegungsfragen des jeweiligen Vertragswerkes nur dann mit gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK verbindlicher Wirkung vornehmen, wenn die Vertragsparteien dies zuvor vertraglich vereinbart haben. Die EMRK sieht ein solches Recht des EGMR zur verbindlichen Auslegung des Vertragstextes an verschiedenen Stellen vor. So umfasst die Zuständigkeit des EGMR gemäß Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art 46 Abs. 1 EMRK die Auslegung und Anwendung des Vertragstextes und all seiner Zusatzprotokolle mit verbindlicher Urteilswirkung.5 Besondere Regelungen ergeben sich zum Beispiel aus Art. 30 EMRK, wonach die Kammern in besonders schwierigen Auslegungsfragen die anhängige Rechtssache an die Große Kammer abgeben können, sofern die Parteien diesem Vorgehen zustimmen.6 Zusätzlich kann der Gerichtshof gemäß Art. 47 Abs. 1 EMRK auf Antrag des Ministerkomitees Gutachten über Rechtsfragen erstatten, welche die Auslegung der EMRK und ihrer Protokolle betreffen. Daher ist festzuhalten, dass der EGMR die Konvention mit autoritativer Wirkung für die Vertragsparteien auslegen darf. Dies ist vorliegend von essentieller Bedeutung, da der Vertragstext weder direkte Hinweise auf staatliche Schutzpflichten, noch auf die Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen aufweist7 und sich entsprechende Schutzpflichten somit lediglich im Wege der gerichtlichen Auslegung ergeben können. Fraglich ist, inwieweit die einzelnen Vertragsstaaten zum Schutz vor Eingriffen in die Konventionsgarantien durch Dritte und damit auch durch private Unternehmen verpflichtet sind. Dazu ist zunächst zu untersuchen, ob den Vertragsstaaten grundsätzlich Handlungspflichten zum Schutz der in der EMRK festgelegten Menschenrechte zukommen.

5 Art. 32 Abs. 1 EMRK „Die Zuständigkeit des Gerichtshofs umfasst alle die Auslegung und Anwendung dieser Konvention und der Protokolle dazu betreffenden Angelegenheiten, mit denen er nach den Artikeln 33, 34 und 47 befasst wird.“. 6 Beachte Art. 43 EMRK (Verweisung an die Große Kammer): „Ein Ausschuss von fünf Richtern der Großen Kammer nimmt den Antrag an, wenn die Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung dieser Konvention oder der Protokolle dazu oder eine schwerwiegende Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft.“. 7 Art. 10 EMRK sieht in Bezug auf Unternehmen lediglich vor, dass die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen können.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

III. Staatliche Handlungspflichten (positive obligations) 1. Schutzadressaten der EMRK Gemäß Artikel 1 EMRK (Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte) verpflichten sich die Vertragsstaaten, die in Abschnitt I (Rechte und Freiheiten) verbrieften Rechte allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen zu gewähren: „Die Hohen Vertragsparteien sichern allen Ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.“ (in der englischen Vertragsfassung wird die Formulierung „shall secure“ verwendet8). Die Rechte aus der EMRK stehen damit jeder Person zu, die der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates unterworfen ist. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Betroffene Staatsangehöriger des jeweiligen Staates ist.9 Ausnahmen zu dieser Regel ergeben sich lediglich aus Rechten der EMRK, die ausdrückliche Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit vorsehen, wie etwa Art. 5 Abs. 1 f (unerlaubte Einreise, Ausweisung) und Art. 16 EMRK (politische Tätigkeit von Ausländern) oder aber Art. 3 (Verbot der Ausweisung eigener Staatsangehöriger) und Art. 4, 4. Zusatzprotokoll (Kollektivausweisung von Ausländern).10 Auch juristische Personen sind je nach garantiertem Recht durch die EMRK geschützt.11 Einzig entscheidend ist die jeweilige Betroffenheit innerhalb der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates der EMRK.12 Für das Verständnis der Auslegung der einzelnen materiell-rechtlichen Garantien der EMRK ist es notwendig, zunächst die grundsätzliche Haltung des EGMR in der Fortentwicklung des durch die EMRK gewährleisteten Menschenrechtsschutzes nachzuvollziehen. 2. Dynamische Auslegung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Grundsätzlich vertritt der EGMR bei der Auslegung der EMRK eine progressive Haltung und folgt dabei einem dynamisch-teleologischen Ansatz, der in der Vergangenheit anhand von sich wandelnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sozialen Verhältnissen und ethischen Auffassungen zu einem immer differenzier8 Art 1 EMRK „The High Contracting Parties shall secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in Section I of this Convention“. 9 Vgl. Art. 14 EMRK. 10 Dies bestätigt der EGMR in: Lithgow and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 08. 07. 1986, Ser. A no. 102, 4, Ziff. 116, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1988, 350. 11 Vgl. Art. 34 EMRK: Berechtigung zur Individualbeschwerde durch jede „nichtstaatlich [e] Organisation oder Personengruppe“; ausführlich zu den Schutzadressaten der EMRK: Robertson/Merrills: Human Rights in Europe, S. 27 ff. 12 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 101 – 102.

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teren Verständnis des europäischen Menschenrechtsschutzes geführt hat.13 Der Gerichtshof versteht die EMRK, wie er wiederholt selbst betont, in diesem Zusammenhang als ein „living instrument“, das dem Ziel größtmöglicher Wirksamkeit folgt und daher zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich beurteilt werden kann.14 So führte der EGMR 2008 im Fall Demir and Baykara v. Türkei aus „[…] the Convention is a living instrument which must be interpreted in the light of presentday conditions, and in accordance with developments in international law, so as to reflect the increasingly high standard being required in the area of the protection of human rights, […]“.15

Übergeordnetes Ziel bei Interpretationen der EMRK sei es zudem, „[…][to] maintain and promote the ideals and values of a democratic society.“.16 Die Folge ist eine konstante Fortentwicklung des Menschenrechtsschutzes durch die Rechtsprechung des EGMR hinsichtlich einzelner Rechte. Daher ist es erforderlich, die Rechtsprechung des EGMR zu den einzelnen Konventionsartikeln heranzuziehen, um den aktuellen Status des von der Konvention gewährten Schutzes zu bestimmen.17 Dies gilt auch für die hier relevante Frage nach den Pflichten der Vertragsstaaten zum Schutz vor Eingriffen privater Unternehmen in die Rechtsgarantien der EMRK.18 3. Grundsätzliche Haltung des EGMR zu staatlichen Handlungspflichten Eine Konventionsverletzung wird in aller Regel durch eine staatliche Handlung ausgelöst. Sie kann aber auch durch das Unterlassen eines Vertragsstaates einer ihn treffenden Handlungspflicht ausgelöst werden.19 Deutlich wurde die grundsätzliche 13

Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 28; Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 18 – 19; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 371. 14 Beispielsweise EGMR, Loizidou v. Turkey (preliminary objections), Urt. v. 23. 03. 1995, Ser. A. no. 310, 3, Ziff. 71 ff., deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1995, 629; EGMR, Selmouni v. France [GC], Urt. v. 28. 07. 1999, ECHR 1999-V, 149, Ziff. 101, deutsche Übersetzung in: NJW 2001, 56. 15 EGMR, Demir and Baykara v. Turkey [GC], Urt. v. 12. 11. 2008, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 146; vgl. auch: EGMR, Soering v. The United Kingdom, Urt. v. 07. 07. 1989, Ser. A no. 161, 4, Ziff. 102, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 314, NJW 1990, 2183. 16 EGMR, Mamatkulov and Abdurasulovic v. Turkey, Urt. v. 06. 02. 2003, not reported, Ziff. 93, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2003, 704. 17 Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 28. 18 Hinweis: Entscheidungen des EGMR, die „not reported“ sind, wurden nicht in der offiziellen ECHR-Publikationsreihe, wohl aber über das Internetportal HUDOC des EGMR veröffentlicht und sind dort einsehbar unter: www.echr.coe.int/ECHR/EN/Header/Case-Law/ HUDOC/HUDOC+database/. 19 Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 44; Peters spricht allgemein von „Gewährleistungsrechten“, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 14.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Haltung des EGMR zu dieser Thematik im Urteil der Großen Kammer im Fall Öneryildiz v. Türkei.20 Hintergrund des Falles war eine Methangasexplosion auf einer Hausmülldeponie in Istanbul im Jahr 1993, bei der 39 Einwohner einer Elendssiedlung starben, die in unmittelbarer Nähe zu der Deponie lag. Die beiden Beschwerdeführer verloren bei dieser Explosion mehrere Angehörige. Obwohl die zuständigen Behörden im Vorfeld Kenntnis von den Gefahren, die von der Deponie für Leben und Gesundheit der Anwohner ausgingen, bekommen hatten, wurden keine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergriffen.21 Die Große Kammer stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die grobe Fahrlässigkeit des Staates nicht durch einen Eingriff („interference“) in die Rechte der Beschwerdeführer, sondern durch Nichterfüllung einer positiven Handlungspflicht („positive obligation“) zu einer Rechtsverletzung geführt hatte.22 Damit konstatiert der EGMR deutlich, dass auch das Unterlassen von Handlungspflichten als adäquates Surrogat für einen staatlichen Eingriff zur Verletzung einer Garantie aus der EMRK führen kann.23

4. Arten und Umfang staatlicher Handlungspflichten Da sich der EGMR in einer Reihe von Urteilen mit staatlichen Handlungspflichten befasst hat und diese die Grundlage für die weitere Entwicklung staatlicher Schutzpflichten darstellen, soll nachfolgend in einem ersten Schritt die Existenz von Handlungspflichten im Allgemeinen erörtert werden. In einem zweiten Schritt wird die vorliegende Arbeit darauf aufbauend auf S. 65 ff. staatliche Schutzpflichten zum Schutz vor Handlungen Dritter untersuchen. Der EGMR gibt in seinem Urteil im Fall Özgür Gündem v. Türkei eine Übersicht über diejenigen Rechte, die aus seiner Sicht neben reinen Abwehrrechten auch positive Handlungspflichten beinhalten können „The Court has long held that, although the essential object of many provisions of the Convention is to protect the individual against arbitrary interference by public authorities, there may in addition be positive obligations inherent in an effective respect of the rights concerned. It has found that such obligations may arise under Article 8 […] Obligations to take steps to undertake effective investigations have also been found to accrue in the context of Article 2 […] and Article 3 […] while a positive obligation to take steps to protect life may also exist under Article 2 […]“.24

Damit wird bereits an dieser Stelle deutlich, dass nicht alle Rechte der EMRK gleichermaßen Handlungspflichten für die Vertragsstaaten begründen. In zahlrei20

EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, ECHR 2004-XII, 1. Ibid, Ziff. 10 – 18. 22 Ibid, Ziff. 135. 23 So auch Frowein, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 188, 191 ff.; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 128; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 30. 24 EGMR, Özgür Gündem v. Turkey, Urt. v. 16. 03. 2000, ECHR 2000-III, 37, Ziff. 42. 21

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chen Urteilen hat der EGMR die insbesondere aus Art. 2, 3 und 8 EMRK fließenden Handlungspflichten konkretisiert, welche hier zur besseren Übersicht in Regelungs-, Untersuchungs-, Informations- und sonstige Handlungspflichten kategorisiert werden sollen. a) Regelungspflichten Es steht den Vertragsstaaten nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Rechtssysteme grundsätzlich frei zu entscheiden, wie sie ihre Verpflichtungen aus der EMRK innerstaatlich umsetzen wollen. Jedoch ist jede innerstaatliche Umsetzungsmaßnahme am oben beschriebenen25 Effektivitätsgrundsatz auszurichten.26 Nur in bestimmten Fällen verlangt die EMRK gesetzliche Regelungen zum Schutz der in ihr festgelegten Rechtsgarantien. Dies ist zunächst Art. 2 Abs. 1 S. 1 EMRK, der die Pflicht des Staates zum Schutz des Lebens durch Gesetzgebung ausdrücklich festlegt („shall be protected by law“).27 Im Fall Medova v. Russland legte der EGMR konkretisierend als Primärpflicht aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 EMRK die Einführung effektiver Strafgesetze sowie die Errichtung entsprechender Umsetzungsmechanismen in Form von Präventions-, Suppressions- und Sanktionsmaßnahmen fest.28 In einer Reihe weiterer Fälle setzte der EGMR diese Rechtsprechung fort.29 Weitere Pflichten zur gesetzlichen Regelung der EMRK-Garantien hat der EGMR in einzelnen Fällen, insbesondere zu Artikel 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) festgelegt. So anerkennt er beispielsweise seit Marckx v. Belgium eine staatliche Pflicht zum gesetzlichen Schutz unehelicher Kinder von Geburt an.30 In Airey v. Irland entschied der EGMR hinsichtlich der Anwendung von Art. 8 EMRK, dass Ehepartnern, die getrennt leben wollen, ein entsprechendes gesetzliches Verfahren zur Verfügung gestellt werden muss.31

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Siehe S. 52. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 126, 138. 27 Zur staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 EMRK siehe auch: Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 137 ff.; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 49 ff. 28 EGMR, Medova v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 95. 29 Siehe EGMR, Branco Tomasˇic´ and Others v. Croatia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 49; Budayeva and Others v. Russia, Urt. v. 20. 03. 2008, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 129; EGMR, Keenan v. The United Kingdom, Urt. v. 03. 04. 2001, ECHR 2001-III, 93, Ziff. 89; EGMR; EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, ECHR 2004-XII, 1, Ziff. 89. 30 EGMR, Marckx v. Belgium, Urt. v. 13. 06. 1979, Ser. A no. 31, 2, Ziff. 31, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1979, 454, NJW 1979, 2449; vgl. auch Ambos, AVR 37 (1999), 318, 322. 31 EGMR, Airey v. Ireland, Urt. v. 09. 10. 1979, Ser. A. no. 32, 1, Ziff. 32, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1979, 626. 26

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

b) Untersuchungspflichten Neben Pflichten zur gesetzlichen Regelung sind die Vertragsstaaten in einigen Fällen auch verpflichtet, aktiv Untersuchungen anzustellen. Die Untersuchungspflichten hat der EGMR insbesondere im Hinblick auf Art. 2 EMRK in mehreren Urteilen konkretisiert. aa) Untersuchungspflichten nach Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) In McCann and Others v. Großbritannien entschied der EGMR mit Blick auf die Pflicht zum Schutz des Lebens nach Art. 2 EMRK in Verbindung mit der generellen Pflicht aus Art. 1 EMRK, allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I niedergelegten Rechte und Freiheiten zuzusichern, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, grundsätzlich effektive Untersuchungen („some form of effective official investigation“) durchzuführen, wenn Individuen durch staatliche Kräfte ums Leben gekommen sind.32 Art. 2 EMRK sei in der Praxis ineffektiv, wenn keine Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Anwendungen tödlicher Gewalt durch staatliche Stellen durchgeführt würden.33 In mehreren Fällen bestätigt der EGMR in ähnlichem Wortlaut diese aus Art. 2 EMRK abgeleitete Pflicht.34 Später formulierte der EGMR die konkreten Anforderungen an die Untersuchungspflichten aus Art. 2 EMRK. Zum einen sei es im Falle des Art. 2 EMRK nicht notwendig, dass der Tod eines Individuums als Erfolgshandlung vorliegt. Vielmehr sei jede Anwendung von Gewalt, die im Tod eines Individuums resultieren kann, als Eingriff in Art. 2 EMRK zu werten.35 Jedwede Prüfung eines solchen staatlichen Eingriffs sei streng am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten.36 Darüber hinaus könne zwar die Untersuchungsform von Fall zu Fall unterschiedlich sein, bestimmte Maßgaben müssten allerdings stets erfüllt sein. So müsse die Untersuchung von den zuständigen Behörden nach Kenntniserlangung selbständig geführt werden.37 Wei32

EGMR, McCann and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 27. 09. 1995, Ser. A no. 324, 4, Ziff. 161, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1996, 233. 33 EGMR, Kaya v. Turkey, Urt. v. 19. 02. 1998, ECHR 1998-I, 296, Ziff. 86. 34 Statt vieler: EGMR, Abdurzakova and Abdurzakov v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 106; EGMR, Gül v. Turkey, Urt. v. 14. 12. 2000, not reported, Ziff. 88; EGMR, Salman v. Turkey [GC], Urt. v. 27. 06. 2000, ECHR 2000-VII, 365, Ziff. 104, deutsche Übersetzung in: NJW 2001, 2001; EGMR, Yas¸a v. Turkey, Urt. v. 02. 09. 1998, ECHR 1998-VI, 2411, Ziff. 98. 35 EGMR, Kelly and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 04. 05. 2001, extracts published in annex to McKerr v. The United Kingdom, Urt. v. 04. 05. 2001, ECHR 2001-III, 475 [540], Ziff. 93. 36 EGMR, McCann and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 27. 09. 1995, Ser. A no. 324, 4, Ziff. 149, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1996, 233. 37 EGMR, Kelly and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 04. 05. 2001, extracts published in annex to McKerr v. The United Kingdom, Urt. v. 04. 05. 2001, ECHR 2001-III, 475 [540], Ziff. 94.

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terhin müsse die mit der Untersuchung befasste Person sowohl in hierarchischer und institutioneller, wie auch in praktischer Hinsicht unabhängig sein.38 Schließlich müsse neben einer ausreichenden Beweissicherstellung auch gewährleistet sein, dass die Untersuchungen in effektiver Weise dazu beitragen, zu klären, ob die angewendete Gewaltanwendung den Umständen entsprechend angemessen war.39 In einem aktuellen Fall konkretisiert der EGMR die Untersuchungspflicht aus Art. 2 EMRK dahingehend, dass diese in Fällen, die zum Tod eines Individuums geführt haben, nicht nur bei staatlichem, sondern auch beim Handeln privater Personen greift.40 Als Begründung führt der EGMR aus, dass auf diese Weise die effektive Implementierung der nationalen Gesetzgebung zum Schutze von Art. 2 EMRK gewährleistet werde.41 bb) Sonstige Untersuchungspflichten im Rahmen der EMRK Über Art. 2 EMRK hinaus bejaht der EGMR Untersuchungspflichten auch hinsichtlich anderer Rechte der EMRK. Eine Pflicht zur Untersuchung von Gewaltfällen kann neben Art. 2 EMRK in Situationen mit rassistisch geprägter Gewalt laut Großer Kammer des EGMR auch auf Art. 14 (Verbot der Benachteiligung) i.V.m. Art. 2 EMRK gestützt werden.42 Mit Blick auf Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) fordert der EGMR ebenfalls die Durchführung effektiver Untersuchungen von Amts wegen.43 Er bedient sich dabei der gleichen Argumentation wie bereits bei Art. 2 EMRK und konstatiert, dass Art. 3 i.V.m. der generellen Pflicht aus Art. 1 EMRK, allen der jeweiligen Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I niedergelegten Rechte und Freiheiten zuzusichern, die Vertragsstaaten verpflichtet, effektive Untersuchungen durchzuführen. Anderenfalls würde die fundamentale Bedeutung des Folterverbotes in der Praxis nicht ausreichend Beachtung finden.44 In konsequenter Fortführung seiner Rechtsprechung zu Art. 2 EMRK stellt der EGMR eine Untersuchungspflicht nach Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) in den Fällen

38

Ibid, Ziff. 95; vgl. auch EGMR, Budayeva and Others v. Russia, Urt. v. 20. 03. 2008, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 142. 39 EGMR, Kelly and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 04. 05. 2001 (Fn. 37), Ziff. 96. 40 EGMR, Branco Tomasˇic´ and Others v. Croatia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 62; eine Untersuchungspflicht beim Handeln Privater sah der EGMR zudem in EGMR, Hugh Jordan v. The United Kingdom, Urt. v. 04. 05. 2001, no. 24746/94, extracts published in annex to McKerr v. The United Kingdom, Urt. v. 04. 05. 2001, no. 28883/95, ECHR 2001-III, 475 [537], Ziff. 105. 41 EGMR, Branco Tomasˇic´ and Others v. Croatia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 62. 42 EGMR, Nachova and Others v. Bulgaria [GC], Urt. v. 06. 07. 2005, ECHR 2005-VII, 1, Ziff. 161, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2005, 693. 43 EGMR, Assenov and Others v. Bulgaria, Urt. v. 28. 10. 1998, ECHR 1998-VIII, 3264, Ziff. 102 ff. 44 EGMR, Assenov and Others v. Bulgaria, Urt. v. 28. 10. 1998, ECHR 1998-VIII, 3264, Ziff. 102.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

fest, in denen Inhaftierte verschwunden sind und eine Vermutung ihres gewaltsamen Todes besteht.45 c) Informationspflichten Informationspflichten bestehen in den Fällen, in denen die Garantien der EMRK aufgrund der Schwere des Eingriffs oder der Irreversibilität der Konsequenzen einen Anspruch auf Informationen hinsichtlich möglicher Gefährdungen verleiht.46 Bislang hat der EGMR eine solche Informationspflicht in den Fällen der Art. 2 und 8 EMRK bejaht. aa) Informationspflichten nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) Hinsichtlich Art. 8 EMRK hat sich der EGMR bereits mehrfach mit der Frage möglicher Informationspflichten beschäftigt. Bereits 1989 bejahte er eine Informationspflicht nach Art. 8 EMRK in den Fällen, in denen Personen ein ernstzunehmendes Interesse an Informationen zu ihrer Kindheit haben.47 In dem betreffenden Fall stritt eine Person um Einsicht in ihre Akten zu diversen Heimaufenthalten sowie Aufenthalten bei verschiedenen Pflegeeltern. Der Gerichtshof sah eine dahingehende grundsätzliche Informationspflicht in diesem Fall als verletzt, da grundsätzlich kein System bestanden habe, welches unabhängig über die Zurverfügungstellung der entsprechenden Informationen entscheiden konnte.48 In McGinley and Egan v. Großbritannien bejahte der Gerichtshof die Informationspflicht des Staates aus Art. 8 EMRK in Fällen, in denen der Staat gefährliche Handlungen durchführt, die der Gesundheit abträglich sein können.49 In dem Fall waren die Beschwerdeführer als Soldaten der britischen Armee im Pazifik eingesetzt, wo die britische Regierung in den 1950er Jahren Atomtests durchführte, deren Strahlenemissionen sie teilweise schutzlos ausgesetzt waren. Der Gerichtshof bejahte in einem anderen Fall (Guerra und Andere v. Italien) die Informationspflicht des Staates Italien zugunsten von Anwohnern hinsichtlich Gefahren für die Gesundheit, die möglicherweise von einer Düngemittelfabrik ausgingen.50 Diese Informationen waren den Beschwerdeführern vorenthalten worden, so dass sie ihre Familien nicht entsprechend zu schützen wussten. Der Gerichtshof sah in diesem Umstand einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK.

45 EGMR, Cyprus v. Turkey [GC], Urt. v. 10. 05. 2001, ECHR 2001-IV, 2, Ziff. 150; EGMR, Kurt v. Turkey, Urt. v. 25. 05. 1998, ECHR 1998-III, 1152, Ziff. 124. 46 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 127, 128. 47 EGMR, Gaskin v. The United Kingdom, Urt. v. 07. 07. 1989, Ser. A. no. 160, 4. 48 Ibid, Ziff. 49. 49 EGMR, McGinley and Egan v. The United Kingdom, Urt. v. 09. 06. 1998, ECHR 1998-III, 1333, Ziff. 101, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 335. 50 EGMR, Guerra and Others v. Italy [GC], Urt. v. 19. 02. 1998, ECHR 1998-I, 208, Ziff. 60, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1999, 188, NJW 1999, 3185.

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bb) Informationspflichten nach Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) Bezug nehmend auf seine Rechtsprechung zur Informationspflicht im Rahmen des Art. 8 EMRK sieht der Gerichtshof zumindest seit 2004 eine Informationspflicht explizit auch in Fällen des Art. 2 EMRK. Die Große Kammer betont „Among these preventive measures, particular emphasis should be placed on the public’s right to information […] The Grand Chamber agrees with the Chamber […] that this right, which has already been recognised under Article 8 […] may also, in principle, be relied on for the protection of the right to life“.51

Im Fall Budayeva and Others v. Russland befasste sich der EGMR mit der Frage der staatlichen Pflicht zur Gefahrenabwehr hinsichtlich möglicher lebensbedrohlicher Schlammlawinen in einem Dorf im Kaukasus.52 Er entschied, dass der Staat nicht nur legislative und praktische Maßnahmen zur Gefahrenabwehr hätte ergreifen müssen (mindestens 8 Menschen waren in Folge mehrerer Lawinen umgekommen), sondern der Öffentlichkeit auch adäquate Informationen hinsichtlich möglicher Gefahren zur Verfügung hätte stellen müssen.53 d) Sonstige Handlungspflichten Staatliche Handlungspflichten können neben Pflichten zur Rechtsetzung, zur Untersuchung und zur Information auch praktische Pflichten zum effektiven Schutz der Rechtsgarantien der EMRK beinhalten.54 So wurde beispielsweise das Nichtergreifen von Sicherungsmaßnahmen bei akuter Gefahr einer Gasexplosion für Leben und Gesundheit von Anwohnern einer Mülldeponie als Verletzung von Art. 2 EMRK gewertet.55 Im Bereich staatlicher Aufsichtspflichten für Leben und Gesundheit von Inhaftierten hat der EGMR in mehreren Fällen positive staatliche Pflichten nach Art. 2 EMRK bejaht.56 Die Vertragsstaaten können zudem spezielle gesteigerte medizinische Betreuungspflichten bei Verletzungen von Individuen durch Staatsbeamte treffen, die bei Nichtbeachtung gegebenenfalls zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen.57 Schließlich hat der EGMR in einem Fall, bei dem 51

EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, ECHR 2004-XII, 1, Ziff. 90. EGMR, Budayeva and Others v. Russia, Urt. v. 20. 03. 2008, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen]. 53 Ibid, Ziff. 131. 54 Zu den praktischen Handlungspflichten i.R.d. Art. 2 EMRK: Dutertre, Key Case Law – European Court of Human Rights, S. 29 ff. 55 EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, ECHR 2004-XII, 1. 56 EGMR, Keenan v. The United Kingdom, Urt. v. 03. 04. 2001, ECHR 2001-III, 93, Ziff. 91; EGMR, Salman v. Turkey [GC], Urt. v. 27. 06. 2000, ECHR 2000-VII, 365, Ziff. 99, deutsche Übesetzung in NJW 2001, 2001. 57 EGMR, Ilhan v. Turkey [GC], Urt. v. 27. 06. 2000, ECHR 2000-VII, 267, Ziff. 87, 88; EGMR, Keenan v. The United Kingdom, Urt. v. 03. 04. 2001, ECHR 2001-III, 93, Ziff. 111. 52

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

durch mangelhafte Organisation eines Polizeieinsatzes drei Personen umgekommen waren, eine Verletzung der staatlichen Pflicht zur effektiven Überwachung und Organisation nach Art. 2 EMRK im Sinne eines Organisationsverschuldens bejaht.58 e) Abgrenzung von Handlungspflichten zu Verfahrensund Teilhabegarantien Abzugrenzen sind die oben genannten Handlungspflichten von den allgemeinen Verfahrens- und Teilhabegarantien der EMRK wie etwa Art. 6 (Recht auf ein faires Verfahren), Art. 7 (Keine Strafe ohne Gesetz), Art. 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) oder Art. 3 des ersten Zusatzprotokolls der EMRK (Recht auf freie Wahlen), die ebenfalls positive Maßnahmen erfordern können.59 Während die spezifischen (teilweise auch verfahrensrechtlichen) Handlungspflichten der einzelnen oben untersuchten Rechte dem Schutz des jeweiligen Grundrechts dienen, erschöpft sich das Recht der Verfahrens- und Teilhaberechte als „Selbstzweck“ in der Gewährleistung.60 Ein besonderer Fall staatlicher Pflichten im Verfahrensbereich ergibt sich für Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls der EMRK (Schutz des Eigentums). Der EGMR bejaht eine staatliche Pflicht zum positiven Schutz des Rechts auf Eigentum, die sich darin manifestiert, dass die Vertragsstaaten die notwendigen prozeduralen Verfahrensgarantien sicherstellen müssen, mit deren Hilfe die nationalen Gerichte effektiv Streitigkeiten zwischen Privaten klären können.61 5. Zwischenergebnis Die Europäische Menschenrechtskonvention statuiert nicht ausschließlich Abwehrrechte. Vielmehr legt der EGMR sie zunehmend in einem umfassenderen Sinne aus, der auch positive Handlungspflichten der Vertragsstaaten begründet. Damit sind die Vertragsstaaten nicht nur gefordert, Eingriffe in die Rechte der geschützten Individuen zu unterlassen, sondern zudem in einigen Fällen auch aktiv die Rechtsgarantien aus der EMRK zu gewährleisten („positive obligations“). Hinsichtlich staatlicher Handlungen hat der EGMR bislang neben reinen Verfahrensgarantien Regelungspflichten insbesondere hinsichtlich der Rechtsgarantien aus Art. 2 und 8, Untersuchungspflichten hinsichtlich Art. 2, 3 und 5 EMRK, Informationspflichten hinsichtlich Art. 2 und 8 EMRK sowie sonstige Handlungspflichten i.S.v. Sicherungs- Aufsichts-, Betreuungs-, und Organisationspflichten hinsichtlich Art. 2 und 3 EMRK angenommen. Generell wird verlangt, dass der Staat auf effektive Weise die 58

EGMR, McCann and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 27. 09. 1995, Ser. A no. 324, 4, Ziff. 202 ff., deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1996, 233. 59 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 125. 60 Ibid, S. 125. 61 EGMR, Fuklev v. Ukraine, Urt. v. 07. 06. 2005, not reported, Ziff. 91; EGMR, Sovtransavto Holding v. Ukraine, Urt. v. 25. 07. 2002, ECHR 2002-VII, 95, Ziff. 96.

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rechtlichen, institutionellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zur Wahrung der Rechtsgarantien der EMRK schafft.62

IV. Mittelbare Drittwirkung und Schutzpflichten im Rahmen der EMRK 1. Grundsätzliche Schutzrichtung der EMRK In Artikel 1 EMRK sichern die Vertragsparteien „[…] allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen […]“63 die Rechte aus Abschnitt I EMRK zu, wobei „Jurisdiktion“ als Hoheitsgewalt verstanden wird.64 Daraus folgt ein Schutz durch die EMRK zunächst ausschließlich vor Handlungen oder – sofern eine Handlungspflicht vorliegt – Unterlassungen staatlicher Einrichtungen.65 Dies sind alle Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts einschließlich aller Organe der vollziehenden, der gesetzgebenden sowie der rechtsprechenden Gewalt. Dem Staat werden dabei alle Akte zugerechnet, die von Personen in offizieller Eigenschaft – unabhängig von ihrem Rang – wahrgenommen werden.66 Damit kann sich keine Person vor dem EGMR wegen einer Verletzung eines durch die EMRK geschützten Rechtes durch eine Privatperson oder ein privates nationales oder transnationales Unternehmen auf die EMRK berufen. Sollte dennoch eine derartige Beschwerde an den EGMR gelangen, so wird dieser sie ratione personae für unzulässig erklären.67 2. Mittelbare Drittwirkung staatlicher Handlungspflichten Aufbauend auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur aufgezeigten Handlungspflichtdogmatik können einzelne Rechtsgarantien der EMRK nach ganz überwiegender Auffassung auch mittelbare Drittwirkung im Verhältnis zwischen Privaten entfalten.68 Wird eine Person durch eine andere Person in einer Rechtsgarantie des EMRK verletzt, so kann sie zwar nicht Bezug nehmend auf die EMRK gegen den eigentlichen Störer im Sinne einer unmittelbaren Drittwirkung vorgehen, sie kann jedoch nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges69 Beschwerde 62

Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 113. Im Englischen: Art. 1 EMRK „The High Contracting Parties shall secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in Section I of this Convention.“. 64 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 106. 65 Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 43. 66 Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 21. 67 Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 41 – 42. 68 Bleckmann, Völkerrecht, S. 296; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 24; Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 14; Stein/ von Buttlar, Völkerrecht, S. 373. 69 Art. 35 Abs. I EMRK. 63

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

gegen den jeweiligen Konventionsstaat erheben, mit der Begründung, dieser habe es pflichtwidrig unterlassen, sie vor den Eingriffen Privater in ihre Konventionsrechte zu schützen.70 Insoweit geht die EMRK über die Garantie bloßer Abwehrrechte hinaus. Wo sich Handlungspflichten auf das Verhältnis zwischen Privaten beziehen, können de facto auf dem Wege mittelbarer Drittwirkung konkrete Schutzpflichten der Vertragsstaaten bestehen. 3. Konkrete Schutzpflichten im Rahmen der EMRK Wie bereits festgestellt wurde, legt der EGMR die Europäische Menschenrechtskonvention vor dem Hintergrund des Effektivitäts- und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem immer umfassenderen Sinne zum Schutz der in ihr festgeschriebenen Rechtsgarantien aus. Von reinen Abwehrrechten im Sinne eines negativen Schutzes ausgehend bejaht der EGMR in vielen Fällen nun auch die Pflicht zum positiven, also handlungsorientierten, Schutz. Dieser Schutz wäre aus Sicht des EGMR unvollständig, würde er nicht auch den Schutz vor den Eingriffen Dritter einschließen. Bei der Frage nach den diesbezüglichen Pflichten soll hier in solchen Fällen explizit von Schutzpflichten gesprochen werden, in denen der Staat aufgefordert ist, berechtigte Individuen vor den Handlungen Privater zu schützen. Der Begriff der Schutzpflicht wird daher in Abgrenzung zu den oben beschriebenen staatlichen Handlungs- bzw. Gewährleistungspflichten hier in einem engen Sinne verstanden.71 Aus welchen Rechten und in welchem Umfang Schutzpflichten bestehen ist noch nicht eindeutig geklärt. Vielmehr befindet sich die Rechtsprechung des EGMR hierzu in konstanter Fortentwicklung. Nachfolgend werden zunächst in genereller Hinsicht die bisherigen Anwendungsfälle auf Private aufgezeigt. Anschließend wird auf S. 73 ff. vertiefend auf Schutzpflichten hinsichtlich privater Unternehmen im Besonderen eingegangen. a) Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten Privater In zunehmenden Maße beschäftigt sich der EGMR mit den staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten Privater. Bislang hat der EGMR, wie nachfolgend erörtert, Schutzpflichten in den Fällen der Art. 2, 3, 4, 8 und 11 EMRK bejaht:

70 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 129; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 44; Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 15. 71 Ähnlich differenzieren: Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 124 ff.; Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 15 ff.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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aa) Schutzpflichten nach Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) In mehreren Urteilen hat der EGMR eine spezifische Pflicht aus Art. 2 EMRK bejaht, wonach der Staat nicht nur selbst nicht in das Recht auf Leben eingreifen darf oder entsprechende Gesetze zum Schutz des Lebens einführen muss, sondern darüber hinaus aktiv Maßnahmen zum Schutz des Lebens vor Eingriffen Dritter zu ergreifen hat.72 Während er im Jahr 1998 in Osman v. Großbritannien noch zurückhaltend und nur in Bezug auf kriminelle Akte eine solche Pflicht sah („It is thus accepted […] that Article 2 of the Convention may also imply in certain well-defined circumstances a positive obligation on the authorities to take preventive operational measures to protect an individual whose life is at risk from the criminal acts of another individual.“73), geht er neuerdings deutlich weiter, indem er ausführt, dass die Pflicht zum Schutz des Lebens „[…] must be construed as applying in the context of any activity, whether public or not, in which the right to life may be at stake.“74 Der EGMR stellt damit eine deutlich umfassendere staatliche Pflicht zum Schutz der Garantien aus Art. 2 EMRK fest, als noch zuvor. In einigen aktuellen Fällen wendete er diese weite Auslegung konkret an. Im Fall Branco Tomasˇic´ and Others v. Kroatien tötete ein psychisch Kranker seine Frau und sein Kind. Dies konnte geschehen, obwohl die getötete Frau zuvor die Behörden über die Gefahr und die ernstzunehmenden Drohungen ihres Mannes in Kenntnis gesetzt und diese um Hilfe gebeten hatte. Der EGMR sah in der Inaktivität der Behörden, die trotz Kenntnis der Umstände und der akuten Gefahr nicht gehandelt hatten, einen Verstoß gegen die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 EMRK.75 Im Fall Medova v. Russland wurde ein Mann in der Republik Inguschetien (Russland) von Personen, die behaupteten Mitarbeiter des russischen Sicherheitsdienstes FSB zu sein, aus seinem Auto entführt.76 An einem militärischen Kontrollpunkt wurden sie festgehalten und zur Klärung der Sachlage mitsamt dem Entführten den örtlichen Sicherheitsbehörden übergeben. Obwohl sie es verweigerten, sich auszuweisen, ließen die örtlichen Behörden sie nach einer Weile mitsamt der entführten Person weiterfahren. Diese wurde von diesem Zeit72 Siehe nur: EGMR, Mikayil Mammadov v. Azerbaijan, Urt. v. 17. 12. 2009, not reported, Ziff. 99; EGMR, Rantsev v. Cyprus and Russia, Urt. v. 07. 01. 2010, not reported, Ziff. 218 f.; ausführlich zu den „positive obligations“ von Art. 2 EMRK: Janis/Kay/Bradley, European Human Rights Law, S. 153 ff. 73 EGMR, Osman v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 28. 10. 1998, ECHR 1998-VIII, 4124, Ziff. 115; im Wortlaut fast identisch: EGMR, Keenan v. The United Kingdom, Urt. v. 03. 04. 2001, ECHR 2001-III, 93, Ziff. 89; EGMR, Osmanog˘lu v. Turkey, Urt. v. 24. 01. 2008, not reported, Ziff. 72; EGMR, Opuz v. Turkey, Urt. 09. 06. 2009, ECHR 2009 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 128; EGMR, Paul and Audrey Edwards v. The United Kingdom, Urt. v. 14. 03. 2002, ECHR 2002-II, 137, Ziff. 54; vgl. auch: EGMR, L.C.B. v. The United Kingdom, Urt. v. 09. 06. 1998, ECHR 1998-III, 1390, Ziff. 36, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 363. 74 So in: EGMR, Budayeva and Others v. Russia, Urt. v. 20. 03. 2008, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 130 und wortgleich in EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, ECHR 2004-XII, 1, Ziff. 71. 75 EGMR, Branco Tomasˇic´ and Others v. Croatia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported. 76 EGMR, Medova v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

punkt an nicht wieder gesehen. Der EGMR sah in der Weigerung der örtlichen Behörden, die Sachlage weiter zu prüfen, eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten nach Art. 2 EMRK.77 Als Voraussetzungen für das Vorliegen einer Schutzpflicht nach Art. 2 EMRK verlangt der Gerichtshof a) Kenntnis der Gefahrenlage bzw. die Tatsache, dass der Staat von der Gefahrenlage hätte wissen müssen, b) eine akute Gefahr für eine identifizierbare Person und c) die Nichtvornahme einer ansonsten unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gebotenen Handlung.78 bb) Schutzpflichten nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) Im Fall A. v. Großbritannien wurde ein Neunjähriger mehrfach von seinem Stiefvater mit einem Rohrstock geschlagen.79 Da der Angeklagte sich auf das nach englischem Recht bestehende Züchtigungsrecht berief und die Staatsanwaltschaft nicht zweifelsfrei nachweisen konnten, dass die Züchtigung unangemessen war, wurde er vor einem englischen Gericht frei gesprochen. Der Beschwerdeführer machte vor dem EGMR einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK geltend. Der EGMR erkannte in der Schwere und Intensität der Schläge grundsätzlich eine unmenschliche Behandlung und damit einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 3 ERMK. Da der Stiefvater selbst nicht als Adressat der EMRK in Betracht kam (keine unmittelbare Drittwirkung), prüfte der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch den britischen Staat. Da dieser selbst nicht gehandelt hatte, kam nur ein Unterlassen in Frage, was der EGMR mit der Begründung bejahte, der Staat habe es versäumt eine effektive Strafgesetzgebung zum Schutz Minderjähriger in derartigen Fällen sicherzustellen. Im Rahmen des Urteils80 legte der EGMR fest, dass Vertragsstaaten grundsätzlich verpflichtet sind, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Folter oder unmenschliche Behandlung durch Private zu verhindern und zu ahnden.81

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Ibid, Ziff. 95, 96, 100. Siehe: EGMR, Branco Tomasˇic´ and Others v. Croatia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 51; EGMR, Medova v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 96. 79 EGMR, A v. The United Kingdom, Urt. v. 23. 09. 1998, ECHR 1998-VI, 2692, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 617. 80 EGMR, A v. The United Kingdom, Urt. v. 23. 09. 1998, ECHR 1998-VI, 2692, Ziff. 22, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 617; im Wortlaut ähnlich: EGMR, Moldovan and Others v. Romania, Urt. v. 12. 07. 2005, ECHR 2005-VII, 167, Ziff. 98. 81 Vgl. zur Schutzwirkung des Art. 3 gegenüber Privaten auch: EGMR, Beganovic´ v. Croatia, Urt. v. 25. 06. 2009, ECHR 2009 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 70; EGMR, E. and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 26. 11. 2002, not reported, Ziff. 88 ff.; EGMR, E.S. and Others v. Slovakia, Urt. v. 15. 12. 2009, not reported, Ziff. 40; EGMR, H.L.R. v. France [GC], Urt. v. 29. 04. 1997, ECHR 1997-III, 745, Ziff. 40, deutsche Übersetzung in: NVwZ 1998, 163; EGMR, M.C. v. Bulgaria, Urt. v. 04. 12. 2003, ECHR 2003-XII, 1, Ziff. 149 f.; EGMR, Z. and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 10. 05. 2001, ECHR 2001-V, 57, Ziff. 73 – 75. 78

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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cc) Schutzpflichten nach Art. 4 EMRK (Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit) In der Urteilsbegründung zum Fall Siliadin v. Frankreich aus dem Jahr 2005 beschäftigte sich der EGMR zum ersten mal intensiv mit der Frage einer aus Art. 4 EMRK (Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit) resultierenden Pflicht der Vertragsstaaten zum aktiven Schutz vor Eingriffen Privater.82 Der Hintergrund des Falles lag wie folgt: Im Januar 1994 kam die damals 15-jährige Beschwerdeführerin in Begleitung einer Französin aus ihrer Heimat Togo nach Paris um dort Ausbildung und Arbeit zu suchen. Kurz nach ihrer Ankunft wurde sie an ein französisches Ehepaar „ausgeliehen“, für das sie darauf folgend über mehrere Jahre als Hausmädchen arbeitete. Ihr Pass wurde von dem Ehepaar einbehalten, sie arbeitete sieben Tage die Woche jeweils von ca. 7.30 – 22.30 Uhr und hatte sowohl auf die vier Kinder zu achten, wie auch alle anfallenden Haushaltsarbeiten zu verrichten. Sie bekam für ihre Arbeit kein Gehalt, übernachtete auf einer Matratze im Kinderzimmer und durfte das Haus nur in Ausnahmen verlassen. Zu einem nicht eindeutig geklärten Zeitpunkt konnte sie ihren Reisepass an sich nehmen und verließ das Ehepaar. Mit Hilfe der nichtstaatlichen Organisation „Comité contre l’esclavage moderne“ wurde 1998 ein Strafgerichtsverfahren gegen das Ehepaar angestrengt, das mit einer Verurteilung wegen Ausnutzung der Situation Abhängiger ohne angemessene Bezahlung endete. In dem nachfolgenden französischen Berufungsverfahren wurde das Ehepaar jedoch mit der Begründung freigesprochen, es habe kein ausreichendes Abhängigkeitsverhältnis vorgelegen. Der EGMR führte zu diesem Fall zunächst aus, dass aus seiner Sicht die in Art. 4 zusammen mit Art. 2 und 3 EMRK enthaltenen Rechte zu den grundlegenden Werten der demokratischen Gesellschaften des Europarates gehören.83 Angesichts dieser Bedeutung sei es, wie auch im Falle des Art. 3 EMRK, unangebracht, den Schutz des Art. 4 EMRK lediglich als Schutz gegen staatliches Handeln zu werten.84 Vielmehr seien die Staaten gefordert, ihre Schutzpflichten aus Art. 4 EMRK durch ausreichende Strafgesetzgebung, gerichtet gegen Handlungen Privater, sowie entsprechende Strafverfolgung wahrzunehmen.85 Im vorliegenden Fall hatte der französische Staat selbst keine Handlungen ausgeübt, so dass lediglich ein Unterlassen in Betracht kam. Dies sah der Gerichtshof in der unzureichenden französischen Strafgesetzgebung zum Schutze verletzlicher und insbesondere minderjähriger Personen vor sklavereiähnlichen Ausbeutungsverhältnissen.86 Im konkreten Fall habe dementsprechend für die Beschwerdeführerin trotz vorliegender Zwangsarbeit kein ausreichender Schutz bestanden, was zu einer Verletzung der staatlichen 82 EGMR, Siliadin v. France, Urt. v. 26. 07. 2005, ECHR 2005-VII, 295, deutsche Übersetzung in: NJW 2007, 41. 83 Ibid, Ziff. 82. 84 Ibid, Ziff. 89. 85 Ibid, Ziff. 112. 86 Ibid, Ziff. 99, 148.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Schutzpflicht aus Art. 4 EMRK führte.87 Daher steht seit Siliadin v. Frankreich fest, dass die Staaten auch hinsichtlich Art. 4 EMRK eine Pflicht zum Schutz vor den Handlungen Privater haben. Zur weiteren Entwicklung der Schutzpflichten aus Art.4 EMRK führt Richter Garlicki in seinem Sondervotum zum Fall Zarb Adami v. Malta aus, es werde angesichts selten gewordener „klassischer“ Fälle von Zwangsarbeit in modernen Zivilgesellschaften zukünftig sicherlich weitere Kontroversen zur Auslegung von Art. 4 Abs. 3 EMRK geben.88 dd) Schutzpflichten nach Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) Wie bereits ausgeführt, sah der EGMR im Fall Medova v. Russland in der Weigerung der örtlichen Behörden, die Sachlage weiter zu prüfen, eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten aus Art. 2 EMRK.89 Ob die Entführer tatsächlich, wie sie behaupteten, russische Sicherheitskräfte waren, blieb offen.90 Der EGRM konnte daher die eigentliche Entführung nicht als Verletzung von Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) werten. Hingegen sah er im Unterlassen einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung durch die örtlichen Behörden auch in Bezug auf Art. 5 EMRK eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten.91 Bereits zuvor hatte der EGMR sowohl die herausragende Bedeutung der Garantien aus Art. 5 EMRK92, als auch die staatliche Pflicht zum Schutz vor Eingriffen Privater in diese Garantien betont.93 Aus seiner Sicht bestehe im genannten Fall kein Anlass die positiven Pflichten, die sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 EMRK ergeben, anders zu werten, als die aus Art. 2 EMRK.94 Damit ist der EGMR einen ersten Schritt in Richtung einer generellen und der Schutzpflicht aus Art. 2 EMRK gleichstehenden staatlichen Schutzpflicht aus Art. 5 EMRK gegangen. ee) Schutzpflichten nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) Bereits 1985 stellte der EGMR in seinem Urteil zum Fall X and Y v. Niederlande fest, dass Art. 8 EMRK auch dann verletzt sein kann, wenn der Staat seiner Pflicht zum Schutz vor dem Handeln Privater nicht nachkommt. In diesem Fall konnte ein 87

Ibid, Ziff. 149. EGMR, Zarb Adami v. Malta, Urt. v. 20. 06. 2006, ECHR 2006-VIII, 307, Concurring Opinion of Judge L. Garlicki, Annex. 89 EGMR, Medova v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 100. 90 Ibid, Ziff. 123. 91 Ibid, Ziff. 124 f. 92 EGMR, Kurt v. Turkey, Urt. v. 25. 05. 1998, ECHR 1998-III, 1152, Ziff. 122. 93 EGMR, Storck v. Germany, Urt. v. 16. 06. 2005, ECHR 2005-V, 111, Ziff. 101, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2008, 582, NJW-RR 2006, 308. 94 EGMR, Medova v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, not reported, Ziff. 123. 88

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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16-jähriges Mädchen keinen Strafantrag wegen einer erwiesenen Vergewaltigung stellen, da sie geistig behindert war und die niederländische Strafgesetzgebung nur die persönliche Unterschrift zum Stellen eines Strafantrages akzeptierte. In diesem Umstand sah der EGMR eine Verletzung der staatlichen Pflicht zum effektiven Schutz der in Art. 8 EMRK festgelegten Rechtsgarantien.95 In diesem und auch in Urteilen jüngeren Datums bejaht der EGMR generell die u. a. durch adäquate Gesetzgebung zu erfüllende Pflicht zum Schutz aus Art. 8 EMRK vor den Eingriffen Privater „These obligations may involve the adoption of measures designed to secure respect for private life even in the sphere of the relations of individuals between themselves.“96 ff) Schutzpflichten nach Art. 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) Der EGMR hat im Hinblick auf Art. 11 EMRK sowohl eine staatliche Pflicht zum Schutz der Versammlungs-, wie auch der Vereinigungsfreiheit vor Eingriffen Privater bejaht. (1) Schutzpflichten betreffend die Versammlungsfreiheit nach Art. 11 EMRK In Plattform „Ärzte für das Leben“ v. Österreich entschied der Gerichtshof zwar in der Sache gegen einen Verstoß Österreichs gegen Art. 11 EMRK, er konkretisierte jedoch die generelle Reichweite staatlicher Schutzpflichten hinsichtlich der Versammlungsfreiheit.97 In dem Fall wurde die Beschwerdeführerin durch eine Gegendemonstration erheblich in der Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit gestört. Der Gerichtshof argumentiert, dass in einer Demokratie das Recht zur Gegendemonstration nicht so weit gehen könne, dass die eigentliche Versammlung nicht mehr durchgeführt werden könne. Daher treffe den Staat grundsätzlich eine positive Schutzpflicht, das Versammlungsrecht aus Art. 11 EMRK auch im Verhältnis zwischen Privaten zu schützen. Während die Vertragsstaaten daher verpflichtet seien, unter Abwägung der Umstände, angemessene Maßnahmen zum Schutz friedlicher und legaler Versammlungen zu ergreifen, könne es dennoch keinen unbegrenzten Schutz geben.98 Im vorliegenden Fall hielt der Gerichtshof die österreichischen 95 EGMR, X and Y v. The Netherlands, Urt. v. 26. 03. 1985, Ser. A no. 91, 3, Ziff. 30, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1985, 297, NJW 1985, 2075. 96 EGMR, X and Y v. The Netherlands, Urt. v. 26. 03. 1985, Ser. A no. 91, 3, Ziff. 23, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1985, 297, NJW 1985, 2075; wortgleich in: EGMR, Moldovan and Others v. Romania, Urt. v. 12. 07. 2005, ECHR 2005-VII, 167, Ziff. 93; EGMR, Stubbings and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 22. 10. 1996, ECHR 1996-IV, 1487, Ziff. 62, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1997, 436; ähnlich jüngst EGMR, E.S. and Others v. Slovakia, Urt. v. 15. 12. 2009, not reported, Ziff. 40; EGMR, Sandra Jankovic´ v. Croatia, Urt. v, 05. 03. 2009, not reported, Ziff. 57, 58. 97 EGMR, Plattform „Ärzte für das Leben“ v. Austria, Urt. v. 21. 06. 1988, Ser. A no. 139, 2, Ziff. 32 ff., deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 418. 98 Ibid, Ziff. 34.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Gesetzesgrundlagen und die konkreten Maßnahmen für ausreichend und verneinte daher in der Sache eine Schutzpflichtverletzung. (2) Schutzpflichten betreffend die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK Hinsichtlich der Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK sieht der EGMR im Grundsatz ebenfalls Schutzpflichten der Vertragsstaaten. In mehreren Urteilen betont er, dass das Primärziel des Art. 11 EMRK zwar der Schutz vor staatlichen Eingriffen sei, allerdings schließe dies mögliche positive Schutzpflichten der Vertragsstaaten nicht aus.99 gg) Zwischenergebnis Insbesondere im Hinblick auf staatliche Pflichten zum Schutz vor den Eingriffen Dritter in die Rechtsgarantien der EMRK zeigt sich die Interpretation der EMRK als „living instrument“ durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. War die EMRK zu ihren Entstehungszeiten noch ein völkerrechtlicher Vertrag mit reinen Abwehrrechten, so verdichtet sich der aus ihr fließende Menschenrechtsschutz zunehmend zu einem umfassenden und mittelbar auch vor Eingriffen Dritter schützenden Regime. Der EGMR betont, dass er seine zeitgemäßen Interpretationen der ERMK nicht zuletzt von den wachsenden Standards des internationalen Menschenrechtsschutzes abhängig macht, die aus seiner Sicht „entsprechend und unausweichlich“ einen stärkeren Schutz vor Eingriffen in die fundamentalen Werte demokratischer Gesellschaften verlangen.100 Zur Gewährleistung eines effektiven und zeitgemäßen Schutzes der Rechte aus der EMRK bejaht der Gerichtshof daher abhängig von der jeweiligen Fallkonstellation staatliche Schutzpflichten vor den Eingriffen Dritter in den Fällen der Art. 2, 3, 4, 5, 8 und 11 EMRK. Wie nun zu zeigen sein wird, gilt dies nicht nur in den Fällen von Verhältnissen zwischen natürlichen Personen, sondern auch beim Schutz Privater vor den Aktivitäten privater Unternehmen. So hat der EGMR bereits in einigen Fällen, in denen ein Vertragsstaat Privatpersonen nicht ausreichend vor den Aktivitäten privater Unternehmen geschützt hat, Schutzpflichtverletzungen bejaht.101

99 EGMR, Demir and Baykara v. Turkey [GC], Urt. v. 12. 11. 2008, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 110; EGMR, Sørensen and Rasmussen v. Denmark [GC], Urt. v. 11. 01. 2006, ECHR 2006-I, 1, Ziff. 57, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 206, 550; EGMR, Wilson, National Union of Journalists and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 02. 07. 2002, ECHR 2002-V, 49, Ziff. 41, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 2003, 729. 100 EGMR, Selmouni v. France [GC], Urt. v. 28. 07. 1999, ECHR 1999-V, 149, Ziff. 101, deutsche Übersetzung in: NJW 2001, 56; EGMR, Siliadin v. France, Urt. v. 26. 07. 2005, ECHR 2005-VII, 295, Ziff. 121, deutsche Übersetzung: NJW 2007, 41. 101 Speziell zu umweltbelastenden Maßnahmen ausgehend von Dritten: Clapham, Human Rights in the Private Sphere, S. 178 ff. und Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 201 ff.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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b) Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen Die Fälle, die sich inhaltlich mit einer Verletzung der Pflicht zum Schutz vor den Aktivitäten privater Unternehmen durch einen Vertragsstaat befassen, lassen sich in folgende Fallgruppen einteilen: aa) Eingriffe in Art. 2 (Recht auf Leben) und 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) durch industrielle Aktivitäten, bb) Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) durch Zwangsmitgliedschaften sowie cc) Eingriffe in Art. 8 EMRK speziell durch Umweltemissionen. aa) Eingriffe in Art. 2 (Recht auf Leben) und 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) durch industrielle Aktivitäten Wie oben dargestellt, bejaht der EGMR insbesondere in Bezug auf Art. 2 und 8 EMRK eine Pflicht der Vertragsstaaten zum Schutz vor Eingriffen Dritter. Im Fall Öneryildiz v. Türkei, bei dem bei einer Methangasexplosion auf einer Hausmülldeponie in Istanbul 39 Einwohner ums Leben gekommen waren, befasste sich der EGMR unter anderem mit der grundsätzlichen Frage des Schutzes vor schädigenden industriellen Aktivitäten von Unternehmen.102 Zwar handelte es sich in dem Fall um eine öffentliche Deponie, der Gerichtshof sah sich jedoch veranlasst, generell zur vertragsstaatlichen Schutzverpflichtung bei industriellen Aktivitäten Stellung zu nehmen. So führt er in seiner Urteilsbegründung zunächst aus, dass es für die aus Art. 2 EMRK fließende Handlungspflicht zum Schutz vor schädigenden Eingriffen in das Recht auf Leben unerheblich sei, ob diese von öffentlichen oder privaten Stellen ausgingen. Er fügt dem hinzu, dies gelte „[…] a fortiori in the case of industrial activities, which by their very nature are dangerous, such as the operation of waste-collection sites.“103

Damit stellte er grundsätzlich fest, dass den Vertragsstaaten aus seiner Sicht hinsichtlich öffentlicher und privater industrieller Aktivitäten eine explizite, wenn nicht gar hervorgehobene, Schutzpflicht zukommt.104 In Budayeva and Others v. Russland aus dem Jahr 2008, bezieht er sich auf dieses Urteil und betont erneut, dass die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 EMRK „[…] applies to the sphere of industrial risks, or ,dangerous activities‘ […].“105 Darüber hinaus decken sich aus Sicht des EGMR in den Fällen derartiger gefährlicher Aktivitäten („dangerous activities“) die 102

EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, ECHR 2004-XII, 1. Ibid, Ziff. 71. 104 So auch explizit hinsichtlich Umweltemissionen in: EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 98, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2005, 584, NVwZ 2004, 1465. 105 EGMR, Budayeva and Others v. Russia, Urt. v. 20. 03. 2008, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 130. 103

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Schutzpflichten aus Art. 2 und 8 EMRK weitestgehend. Daher seien die im Zusammenhang mit der Schutzpflicht aus Art. 8 EMRK entwickelten Prinzipien im Falle industrieller Aktivitäten auf Art. 2 EMRK übertragbar.106 Folglich kann im Grundsatz zukünftig jeder schädigende Eingriff privater Unternehmen in die Rechtsgarantien nach Art. 8 bzw. 2 EMRK eine staatliche Schutzpflichtverletzung nach sich ziehen, sollte der Staat nicht die jeweils angemessenen Maßnahmen ergriffen haben. bb) Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK durch Zwangsmitgliedschaften Eine spezielle Form des Eingriffs privater Unternehmen in die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK hat den EGMR in einigen Fällen beschäftigt. In Sørensen and Rasmussen v. Dänemark befasste sich der EGMR mit der Frage staatlicher Schutzpflichten in den Fällen, in denen Arbeitnehmer von Unternehmen zur Mitgliedschaft in einer bestimmten Gewerkschaft angehalten bzw. gezwungen wurden.107 Hintergrund waren in Dänemark im privaten Bereich teilweise legale „closed-shop agreements“ zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bei denen sich Unternehmen verpflichteten, ausschließlich Mitarbeiter einzustellen, die einer bestimmten Gewerkschaft angehörten. Neue Mitarbeiter wurden daher, wie auch die Beschwerdeführer, praktisch gezwungen, einer bestimmten Gewerkschaft beizutreten. In diesem Umstand sah der EGMR einen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK. Dem Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit unterfällt nach Ansicht des Gerichtshofes neben einer positiven Freiheit eben auch eine „negative Vereinigungsfreiheit“, d. h. das Recht, sich einer Vereinigung nicht anzuschließen.108 Gegen diese „negative Vereinigungsfreiheit“ hat Dänemark aus Sicht des EGMR durch unzulängliche Gesetzgebung zur Verhinderung von „closed-shop agreements“ verstoßen.109 In einem ähnlich gelagerten Fall bejahte der Gerichtshof eine Schutzpflichtverletzung Großbritanniens, nach dessen nationalen Gesetzen es Unternehmen erlaubt war, Mitarbeitern, die auf Gewerkschaftsrechte verzichteten, mit Gehaltsboni zu belohnen.110

106

Ibid, Ziff. 133. EGMR, Sørensen and Rasmussen v. Denmark [GC], Urt. v. 11. 01. 2006, ECHR 2006-I, 1, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 2006, 550. 108 Ibid, Ziff. 54. 109 Ibid, Ziff. 76; der EGMR sah ebenfalls einen Verstoß gegen die Schutzpflicht aus Art. 11 EMRK wegen eines „closed-shop agreements“ im Fall EGMR, Young, James and Webster v. The United Kingdom, Urt. v. 13. 08. 1981, Ser. A. no. 44, 5, Ziff. 55, 65, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1981, 559, NJW 1982, 2717. 110 EGMR, Wilson, National Union of Journalists and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 02. 07. 2002, ECHR 2002-V, 49, Ziff. 48, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 2003, 729. 107

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cc) Eingriffe in Art. 8 EMRK speziell durch Umweltemissionen Die ganz überwiegende Zahl der Fälle, in denen sich der EGMR mit staatlichen Schutzpflichtverletzungen hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen befasst, sind Umweltemissionsfälle. (1) Schadstoffemissionen Umwelteinwirkungen in Form von Verunreinigungen des Bodens und der Luft durch Schadstoffemissionen oder radioaktive Strahlen sind grundsätzlich geeignet, Leben, Gesundheit und Privatsphäre der ihnen ausgesetzten Personen zu beeinträchtigen. Dies bejahte der EGMR 1994 in López-Ostra v. Spanien, einem der ersten Leitfälle zu dieser Thematik.111 Die Beschwerdeführerin lebte 12 Meter entfernt von einer durch ein privates Großunternehmen betriebenen Abfallentsorgungsanlage, die vor allem zur Entsorgung von flüssigen und festen Reststoffen mehrerer Ledergerbereien eingesetzt wurde. Neben starkem Rauch und Lärm hatten die Anwohner auch schwere Geruchsbelästigungen hinzunehmen.112 Aus Sicht des Gerichtshofes war der Schutzbereich insbesondere des Art. 8 EMRK insoweit grundsätzlich eröffnet „[…] severe environmental pollution may affect individuals’ well-being and prevent them from enjoying their homes in such a way as to affect their private and family life adversely“.113

Jedoch ging die Beeinträchtigung nicht von staatlichen Stellen, sondern von einem privaten Unternehmen aus. Der EGMR sah hingegen auch in diesen Fällen positive Schutzpflichten des Staates, angemessene Schutzmaßnahmen und Gesetzesrahmen zu etablieren, um die Anwohner in ihrem Recht aus Art. 8 EMRK vor Privaten zu schützen. Zwar hatte der Staat in dem konkreten Fall eine Teilschließung verfügt, danach jedoch keine weiteren Schritte unternommen. Im Ergebnis bejahte der EGMR daher eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 8 ERMK.114 In dem bereits im Kontext staatlicher Informationspflichten genannten Fall Guerra and Others v. Italien lebten die Beschwerdeführer ca. 1 km entfernt von einer Chemie- und Düngemittelfabrik, die von einem privaten Unternehmen betrieben wurde. Von dieser Anlage, die nach einer EU-Beurteilung als äußerst risikoreich eingestuft worden war115, gingen immer wieder durch Unfälle gasförmige Schadstoffemissionen aus, die aufgrund der geographischen Lage besonders zu den Beschwerdeführern gelangten. Bei einem Zwischenfall mussten 150 Personen wegen

111 EGMR, López-Ostra v. Spain, Urt. v. 09. 12. 1994, Ser. A 303-C, 38, Ziff. 51, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1995, 530. 112 Ibid, Ziff. 7 ff. 113 Ibid, Ziff. 51. 114 Ibid, Ziff. 58. 115 EGMR, Guerra and Others v. Italy [GC], Urt. v. 19. 02. 1998, ECHR 1998-I, 208.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

akuter Arsenvergiftung in Krankenhäuser gebracht werden.116 Der EGMR bestätigte zunächst seine Rechtsprechung aus dem Fall López-Ostra, indem er ausführte „[…] although the object of Article 8 is essentially that of protecting the individual against arbitrary interference by the public authorities, it does not merely compel the State to abstain from such interference: in addition to this primarily negative undertaking, there may be positive obligations inherent in effective respect for private or family life.“117

Da die Behörden die Anwohner über mehrere Jahre hinweg weder über die Gesundheitsrisiken, noch über etwaige Sicherheitsmaßnahmen bei Störfällen informierten, sah der Gerichtshof auch hier eine Schutzpflichtverletzung nach Art. 8 EMRK. Den beiden genannten Urteilen folgten weitere Urteile hinsichtlich schwerer Umwelteinwirkungen durch private Unternehmen, bei denen der Staat nach Ansicht des Gerichtshofes seine Schutzpflichten verletzt hatte. Dies waren zum einen 2005 die Fälle Fadeyeva v. Russland118 und Ledyayeva, Doborkhotova, Zolotareva and Romashina v. Russland119, bei denen Russland wegen Verletzung seiner Schutzpflichten aus Art. 8 EMRK verurteilt worden war, nachdem staatliche Stellen es unterlassen hatten, Anwohner eines privatisierten Stahlwerkes 300 km vor Moskau vor gefährlichen Schadstoffemissionen zu schützen.120 Zum anderen bejahte der EGMR Schutzpflichtverletzungen nach Art. 8 EMRK in den Fällen Giacomelli v. Italien121 und Ta˘tar v. Rumänien122. In beiden Fällen wurden die Rechtsgarantien aus Art. 8 EMRK von Anwohnern durch Emissionen aus Anlagen privater Unternehmen, im Fall Ta˘tar ein Bergbauunternehmen123 und im Fall Giacomelli ein Unternehmen, das sich auf Lagerung und Entsorgung gefährlicher Abfälle spezialisierte hatte, verletzt.124 Der EGMR stellt insgesamt fest „Article 8 may apply in environmental cases whether the pollution is directly caused by the State or whether State responsibility arises from the failure to regulate private-sector activities properly.“125

In den Fällen, in denen Menschen durch Emissionen zu Tode kommen oder schwere Gesundheitsschädigungen davontragen, kommt zudem eine Schutzpflichtverletzung nach Art. 2 EMRK in Betracht. Der Gerichtshof prüfte eine solche in Guerra and Others v. Italien allein deshalb nicht, weil er bereits eine Verletzung 116

Ibid, Ziff. 15. Ibid, Ziff. 58. 118 EGMR, Fadeyeva v. Russland, Urt. v. 09. 06. 2005, ECHR 2005-IV, 255. 119 EGMR, Ledyayeva and Others v. Russland, Urt. v. 26. 10. 2006, not reported. 120 Ibid, Ziff. 109 f.; EGMR, Fadeyeva v. Russland, Urt. v. 09. 06. 2005, ECHR 2005-IV, 255, Ziff. 133 f. 121 EGMR, Giacomelli v. Italy, Urt. v. 02. 11. 2006, ECHR 2006-XII. 122 EGMR, Ta˘tar v. Rumänien, Urt. v. 27. 01. 2009, not reported. 123 Ibid, Ziff. 125. 124 EGMR, Giacomelli v. Italy, Urt. v. 02. 11. 2006, ECHR 2006-XII, Ziff. 98. 125 Ibid, Ziff. 78; wortgleich in: EGMR, Leon and Agnieszka Kania v. Poland, Urt. v. 21. 07. 2009, not reported, Ziff. 99. 117

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von Art. 8 bejaht hatte und daher, wie er betont, keinen Grund sah, Art. 2 EMRK ebenfalls ausführlich zu prüfen.126 Man kann jedoch davon ausgehen, dass eine staatliche Pflichtverletzung durch unterlassenen Schutz vor den Aktivitäten privater Unternehmen unter bestimmten Umständen auch nach Art. 2 EMRK gegeben sein kann. (2) Lärmemissionen Auch Lärmemissionen durch die Anlagen privater Betreiber sind nach Auslegung durch den EGMR grundsätzlich geeignet, den Schutzbereich von Art. 8 EMRK zu berühren. Leitfälle zu dieser Thematik sind Powell and Rayner v. Großbritannien127 und Hatton and Others v. Großbritannien128. In beiden Fällen ging es um störende Lärmemissionen, welche nach Vorbringen der Beschwerdeführer vom privat betriebenen Flughafen Heathrow ausgingen. Der EGMR stellte klar, dass Art. 8 EMRK auch durch Lärm beeinträchtigt werden kann „There is no explicit right in the Convention to a clean and quiet environment, but where an individual is directly and seriously affected by noise or other pollution, an issue may arise under Article 8.“129

In keinem der beiden Fälle jedoch entschied der Gerichtshof auf eine Schutzpflichtverletzung durch den Staat, da dieser nach Abwägung mit den Interessen des Betreibers sowie der Allgemeinheit, ausreichende Maßnahmen zum Schutz der Anwohner, wie etwa Lärmüberwachungen, eingeschränkte Nachtflugerlaubnisse, spezielle Ein- und Ausflugschneisen130 etc., getroffen habe.131 In diesem Zusammenhang betonte der EGMR erneut die staatlichen Umweltschutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen.132 Staatliche Schutzpflichtverletzungen wegen mangelhafter Maßnahmen zum Schutz vor Lärmbelästigungen durch private Unternehmen bejahte der Gerichtshof hingegen in Moreno Gómez v. Spanien (in diesem Fall gingen die Störungen von Nachtclubs aus).133 In Borysiewicz v. Polen 126

EGMR, Guerra and Others v. Italy [GC], Urt. v. 19. 02. 1998, ECHR 1998-I, 208, Ziff. 61 f. 127 EGMR, Powell and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 21. 02. 1990, Ser. A. no. 172, 2, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1990, 418. 128 EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189. 129 Ibid, Ziff. 96. 130 EGMR, Powell and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 21. 02. 1990, Ser. A. no. 172, 2, Ziff. 43, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1990, 418. 131 Ibid, Ziff. 46; EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 130. 132 EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 98, 119; wortgleich in: EGMR, Borysiewicz v. Poland, Urt. v. 01. 07. 2008, not reported, Ziff. 50. 133 EGMR, Moreno Gómez v. Spain, Urt. v. 16. 11. 2004, ECHR 2004-X, 307, Ziff. 62, 63, deutsche Übersetzung in: NJW 2005, 3767.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

konkretisierte der EGMR die notwendigen – wenn auch nicht unbedingt hinreichenden – Bedingungen für eine Schutzpflichtverletzung bei einen Eingriff in Art. 8 EMRK durch Private. So führt er aus, diese müssten direkte Auswirkungen auf Wohnbereich, Familie oder Privatleben des Beschwerdeführers haben. Zudem müssten die störenden Emissionen, seien es Lärm- oder andere Umweltemissionen, ein Mindestmaß an Intensität erreichen.134 dd) Sonderstellung transnationaler Unternehmen? Vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit stellt sich die Frage nach einer möglichen Sonderstellung von transnationalen Unternehmen. Angesichts ihres wachsenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflusses, ihrer ausgeprägten Gestaltungsmöglichkeiten sowie ihrer komplexen Aktivitäten innerhalb und außerhalb ihres jeweiligen Heimatstaates, wäre es zumindest vorstellbar, dass der EGMR besonders hohe Ansprüche an die Mitgliedsstaaten stellt, Schutzberechtigte besonders vor schädigenden Aktivitäten transnationaler Unternehmen zu schützen. Dies könnte sich beispielsweise in der Anforderung an strengere staatliche Aufsichtsmaßnahmen manifestieren. Es sind jedoch keine Anhaltspunkt gegeben, die darauf hindeuten, dass der EGMR eine inhaltliche Unterscheidung zwischen privaten Unternehmen im Allgemeinen und transnationalen Unternehmen im Besonderen trifft. Der EGMR nutzt überhaupt nur in sehr wenigen Fällen den Begriff des multinationalen Unternehmens („multinational corporation“ bzw. „multinational company“).135 Ähnliche Begriffe wie transnationales Unternehmen („transnational corporation“) werden nicht verwendet. Zur besonderen Situation transnationaler Unternehmen hat er sich nur im Fall Steel and Morris v. Großbritannien geäußert.136 Dort ging es um die Beschwerde zweier Personen, die mehrere tausend Flugblätter verteilt hatten und darin Kritik an den Aktivitäten des Konzerns McDonald’s übten. Sie wurden dafür von einem britischen Gericht zu Geldstrafen verurteilt, die der EGMR aufgrund erwiesen falscher Behauptungen137 in der Sache bestätigte, jedoch als zu hoch einstufte. Im Rahmen des Urteils erklärt der EGMR „The Court further does not consider that the fact that the plaintiff in the present case was a large multinational company should in principle deprive it of a right to defend itself against defamatory allegations or entail that the applicants should not have been required to prove the truth of the statements made. It is true that large public companies inevitably and 134

EGMR, Borysiewicz v. Poland, Urt. v. 01. 07. 2008, not reported, Ziff. 51. Der EGMR nutzt nur in folgenden Fällen den Ausdruck „multinational corporation/ company“: EGMR, Buzescu v. Romania, Urt. v. 24. 05. 2005, not reported, Ziff. 79; EGMR, Fortum Corporation v. Finland, Urt. v. 15. 07. 2003, not reported, Ziff. 9; EGMR, Steel and Morris v. The United Kingdom, Urt. v. 15. 02. 2005, ECHR 2005-II, 1, Ziff. 83, 91, 94, deutsche Übersetzung in: NJW 2006, 1255. 136 EGMR, Steel and Morris v. The United Kingdom, Urt. v. 15. 02. 2005, ECHR 2005-II, 1, deutsche Übersetzung in: NJW 2006, 1255. 137 Ibid, Ziff. 96. 135

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knowingly lay themselves open to close scrutiny of their acts and, as in the case of the businessmen and women who manage them, the limits of acceptable criticism are wider in the case of such companies. However, in addition to the public interest in open debate about business practices, there is a competing interest in protecting the commercial success and viability of companies, for the benefit of shareholders and employees, but also for the wider economic good. The State therefore enjoys a margin of appreciation as to the means it provides under domestic law to enable a company to challenge the truth, and limit the damage, of allegations which risk harming its reputation.“138

Weder aus dieser noch aus einer anderen Äußerung des EGMR lässt sich eine Sonderstellung transnationaler Unternehmen hinsichtlich etwaiger staatlicher Schutzpflichten ableiten. ee) Zwischenergebnis: Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die aus der EMRK fließenden Schutzpflichten der Vertragsstaaten in mehreren Urteilen auch hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen konkretisiert. Insbesondere in Bezug auf Eingriffe in Art. 2 und 8 EMRK durch industrielle Aktivitäten, in Bezug auf Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK durch Zwangsmitgliedschaften sowie hinsichtlich möglicher Eingriffe in Art. 8 EMRK spezifisch durch anlagenbedingte Umweltemissionen (Schadstoff- und Lärmemissionen) sah der Gerichtshof bisher Anwendungsfelder für staatliche Pflichten zum Schutz vor Aktivitäten privater Unternehmen. ff) Unterscheidung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf natürliche Personen und private Unternehmen? Angesichts der begrenzten Zahl an Verfahren vor dem EGMR, die sich tatbestandlich mit Aktivitäten privater Unternehmen befassen, stellt sich die Frage, ob eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf die Handlungen natürlicher Personen und privater Unternehmen existiert. Dazu müsste ein sachlicher Grund für eine derartige Unterscheidung vorliegen. Der EGMR hat jedoch in keiner seiner bisherigen Entscheidungen erkennen lassen, dass er aus sachlichen oder sonstigen Gründen einzelne staatliche Schutzpflichten aus der EMRK bei Handlungen privater Unternehmen anders interpretieren würde, als bei Handlungen natürlicher Personen. Ganz im Gegenteil hat der EGMR in den Fällen, in denen er bislang Schutzpflichten in Bezug auf die Handlungen privater Unternehmen bejaht hat, betont, dass diese gleichermaßen gelten wie bei Handlungen natürlicher Personen.

138

Ibid, Ziff. 94.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Daher bleibt letztlich festzuhalten, dass den Vertragsstaaten der EMRK zumindest hinsichtlich der Art. 2, 3, 4, 5, 8 und 11 EMRK Schutzpflichten hinsichtlich schädigender Aktivitäten Privater zukommen. Dies gilt ungeachtet davon, ob die Eingriffe von privaten natürlichen Personen oder von nationalen bzw. transnationalen privaten Unternehmen ausgehen. Theoretisch sind der Erstreckung staatlicher Schutzpflichten auch auf weitere Rechte der EMRK durch den Gerichtshof keine Grenzen gesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie der Gerichtshof dazu in Zukunft entscheiden wird. 4. Verhältnismäßigkeitsprüfung und Grenzen staatlicher Schutzpflichten Jede Ausübung staatlicher Schutzpflichten geht einher mit präventiven, kurativen oder sanktionierenden Maßnahmen, die wiederum in die Rechte Privater eingreifen. Der EGMR beachtet im Rahmen einer obligatorischen Prüfung bei jeder Maßnahme zunächst, dass dem Staat keine unmöglichen oder unverhältnismäßigen Maßnahmen abverlangt werden.139 Insbesondere im Hinblick auf Art. 8 EMRK verlangt der Gerichtshof darüber hinaus, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu einer „fair balance“ der Interessen zwischen dem betroffenen Individuum und der Allgemeinheit führen müsse.140 Dabei habe der Staat bei seinen Entscheidungen einen gewissen Ermessensspielraum.141 Hinsichtlich der Abwägungspflicht der Staaten in Bezug auf umweltschützende Maßnahmen gelte grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum142, was allerdings nicht so weit gehe, dass den Schutzpflichten im Kontext des Umweltschutzes ein spezieller Status eingeräumt werden könne.143 Einige Vertreter aus dem Schrifttum weisen zu Recht auf die Risiken hin, die bei einer ausufernden Wahrnehmung staatlicher Schutzpflichten auftreten können. Eine Verpflichtung zum umfassenden Schutz würde eine lückenlose Kontrolle privater Bereiche mit sich bringen, was dem Sinn des Menschenrechtsschutzes diametral entgegenstünde.144 Deshalb ist es erforderlich, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfungen in den Fällen von Eingriffs-Schutz-Konstellationen mit mindestens den 139 EGMR, Osman v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 28. 10. 1998, ECHR 1998-VIII, 4124, Ziff. 116; EGMR, Paul and Audrey Edwards v. The United Kingdom, Urt. v. 14. 03. 2002, ECHR 2002-II, 137, Ziff. 55. 140 Stellvertretend für weitere: EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 98; EGMR, McGinley and Egan v. The United Kingdom, Urt. v. 09. 06. 1998, ECHR 1998-III, 1333, Ziff. 98, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 335. 141 EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 98. 142 EGMR, Giacomelli v. Italy, Urt. v. 02. 11. 2006, ECHR 2006-XII, Ziff. 80. 143 EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 122. 144 Vgl. Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 112; Tomuschat, Human Rights Between Idealism and Realism, S. 268.

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gleichen, wenn nicht strengeren Anforderungen durchgeführt werden wie die Verhältnismäßigkeitsprüfungen in Eingriffs-Abwehr-Konstellationen.145 5. Sonderfall: Staatliche Unternehmen Es stellt sich angesichts auch heute noch zahlreich existierender staatlicher Unternehmen die Frage, ob staatliche Unternehmen hinsichtlich der Schutzpflichten aus der EMRK eine Sonderstellung einnehmen. Aus Artikel 1 EMRK folgt Schutz ausschließlich vor Handlungen oder – sofern eine Handlungspflicht vorliegt – Unterlassungen staatlicher Einrichtungen.146 Grundsätzlich ist es unerheblich, ob der Staat in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Form handelt.147 Daher ist der Staat nicht nur für Handlungen seiner Körperschaften und Anstalten, sondern auch für Handlungen und Unterlassungen staatlicher Unternehmen direkt verantwortlich. Für die Handlungen eines privaten Unternehmens dagegen ist er nur mittelbar verantwortlich, wenn er seine Schutzpflichten verletzt hat. Der EGMR hat die Frage, wann ein Unternehmen als „Staatsunternehmen“ einzustufen ist, keine konkrete Maßgabe aufgestellt. In Abgrenzung zu staatlichen Unternehmen verlangt er von privaten Unternehmen „[…] sufficient institutional and operational independence from the State to absolve the latter from responsibility under the Convention for its acts and omissions.“148

Für die Einordnung als staatliches Unternehmen reiche es beispielweise nicht aus, wenn ein Staat 13,4 % Anteile an einem Unternehmen halte.149 6. Sonderfall: Privatisierung staatlicher Aufgaben Eine besondere Differenzierung der staatlichen Verantwortlichkeiten erfordern jene Sachverhalte, bei denen ein Staat eine ursprünglich rein staatliche Aufgabe privatisiert. Klassische Beispiele für derartige Privatisierungen finden sich im Rahmen der Betreibung von Gefängnissen sowie bei Schuleinrichtungen. So entschied der EGMR beispielsweise in Costello-Roberts v. Großbritannien, dass der Staat sich seiner Verantwortung zum Schutz der Rechte von Schülern aus Art. 3 und 8 EMRK (es ging um den Direktor einer britischen Privatschule, der einen Schüler mit Schlägen gemaßregelt hatte) nicht durch Übertragung auf private Schuleinrichtungen entledigen kann 145

Vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 128 – 129. Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 43. 147 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 103. 148 EGMR, Mykhaylenky and Others v. Ukraine, Urt. v. 30. 11. 2004, ECHR 2004-XII, 153, Ziff. 44; inhaltlich identisch: EGMR, Yershova v. Russia, Urt. v. 08. 04. 2010, not reported, Ziff. 55. 149 EGMR, Fuklev v. Ukraine, Urt. v. 07. 06. 2005, not reported, Ziff. 64, 67, 72. 146

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen „Thirdly, the Court agrees with the applicant that the State cannot absolve itself from responsibility by delegating its obligations to private bodies or individuals.“150

Im Fall Storck v. Deutschland sah der Gerichtshof im Fall einer privaten psychiatrischen Klinik, in welcher Personen in geschlossenen Abteilungen festgehalten werden können, eine fortgesetzte Verantwortung des Vertragsstaates aus Art. 8 EMRK, derer er sich nicht durch Privatisierung entziehen kann. Vielmehr habe er eine fortgesetzte Pflicht zur regelmäßigen Kontrolle und Aufsicht „The State cannot completely absolve itself of its responsibility by delegating its obligations in this sphere to private bodies or individuals. […] The Court finds that, similarly, in the present case the State remained under a duty to exercise supervision and control over private psychiatric institutions.“151

Es stellt sich hinsichtlich dieser und ähnlich gelagerter Fälle die Frage, ob jede Privatisierung, die zu einer ausreichenden Unabhängigkeit des Unternehmens vom Staat führt, die unmittelbare staatliche Verantwortlichkeit in eine mittelbare Verantwortlichkeit im Sinne lediglich einer Schutzpflicht umwandelt oder ob die ursprünglich unmittelbare Verantwortung auch nach dem Privatisierungsakt bestehen bleibt. Der EGMR hat sich zu dieser Frage bislang noch nicht in einem Grundsatzurteil geäußert. Man kann jedoch insbesondere der Auffassung des EGMR im Fall Costello-Roberts v. Großbritannien entnehmen, dass der Gerichtshof in Privatisierungsfällen von einer weiterhin bestehenden unmittelbaren Verantwortlichkeit des Staates ausgeht „Accordingly, in the present case, which relates to the particular domain of school discipline, the treatment complained of although it was the act of a headmaster of an independent school, is none the less such as may engage the responsibility of the United Kingdom under the Convention if it proves to be incompatible with Article 3 or Article 8 or both.“152

Der EGMR gründet die staatliche Verantwortung demnach nicht auf einer abgeleiteten Schutzpflicht hinsichtlich der Handlung der privaten Einrichtung, sondern schreibt eine direkte Verantwortung Großbritanniens unter der EMRK fort. Diese Auffassung überzeugt, denn anderenfalls könnten Staaten durch Privatisierungen ihre Verantwortung auf reine Schutzpflichten begrenzen und sich somit zumindest teilweise aus ihren vertraglichen Pflichten „stehlen“. Folglich ist bei Verstößen gegen die EMRK durch Private stets als erster Schritt zu prüfen, ob der Staat eine grundsätzlich staatliche Aufgabe auf Private übertragen hat. Sollte dies der Fall sein, so ist nachfolgend im zweiten Schritt trotz Verletzung durch 150 EGMR, Costello-Roberts v. The United Kingdom, Urt. v. 25. 03. 1993, Ser. A no. 247-C, 47, Ziff. 27, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1993, 707; ebenfalls ablehnend hinsichtlich einer Übertragbarkeit staatlicher Verantwortlichkeiten auf Private: Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 23. 151 EGMR, Storck v. Germany, Urt. v. 16. 06. 2005, ECHR 2005-V, 111, Ziff. 103, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2008, 582, NJW-RR 2006, 308. 152 EGMR, Costello-Roberts v. The United Kingdom, Urt. v. 25. 03. 1993, Ser. A no. 247-C, 47, Ziff. 28.

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Private nicht die Verletzung einer staatlichen Schutzpflicht, sondern die Verletzung einer unmittelbaren staatlichen Pflicht aus der EMRK zu prüfen. 7. Zwischenergebnis Vertragsstaatliche Pflichten aus der EMRK hinsichtlich unternehmerischer Tätigkeiten treffen die Staaten auf zwei verschiedene Weisen: Zum einen sind die Staaten in vollem Umfang direkt für die Handlungen staatlicher Unternehmen verantwortlich. Dies gilt gleichermaßen für solche Handlungen, für die der Staat trotz Privatisierung staatlicher Aufgaben unmittelbare Verantwortung behält. Zum anderen kommen den Staaten im Zuge mittelbarer Drittwirkung in bestimmten Fällen Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater nationaler bzw. transnationaler Unternehmen zu. Dies gilt nach derzeitigem Stand zumindest hinsichtlich der Art. 2, 3, 4, 5, 8 und 11 EMRK. Theoretisch sind der Erstreckung staatlicher Schutzpflichten auch auf weitere Rechte der EMRK durch den Gerichtshof keine Grenzen gesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie der Gerichtshof dazu in Zukunft entscheiden wird.

V. Räumlicher Geltungsbereich und extraterritoriale Anwendung der EMRK im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten Die zur EMRK durchgeführte Prüfung staatlicher Schutzpflichten hinsichtlich schädigender unternehmerischer Aktivitäten ist bis zu diesem Punkt von der Grundsituation ausgegangen, bei der private Unternehmen innerhalb des Staatsgebietes eines Mitgliedsstaates der EMRK in die Rechte Schutzberechtigter eingreifen. Fraglich ist nunmehr, ob den Staaten der EMRK und insbesondere den Heimatstaaten privater transnationaler Unternehmen auch dann Schutzpflichten zukommen, wenn sich die zur Frage stehenden unternehmerischen Aktivitäten extraterritorial, also außerhalb des jeweiligen Hoheitsbereiches, abgespielt haben. Für die Frage der extraterritorialen Schutzpflichten hinsichtlich des Handelns privater transnationaler Unternehmen ist im Grundsatz der räumliche Geltungsbereich der EMRK entscheidend. Dieser soll daher als Grundlage der weiteren Prüfung vorab analysiert werden. Im Anschluss daran wird die Bedeutung für mögliche extraterritoriale Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen geprüft. 1. Räumlicher Geltungsbereich der EMRK Grundlage zur Bestimmung des räumlichen Geltungsbereiches der EMRK ist Artikel 1 EMRK. Danach sind die Vertragsstaaten verpflichtet, allen ihrer Hoheitsmacht unterstehenden Personen die in Abschnitt I genannten Rechte zu garantieren. Wörtlich heißt es

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen „The High Contracting Parties shall secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in Section I of this Convention“ [Hervorhebung durch Verfasser].

Die Frage, in welchen Situationen genau eine Person sich innerhalb der Hoheitsmacht eines Vertragsstaates befindet, wurde durch den EGMR in mehreren Urteilen und Entscheidungen thematisiert und ist bis heute auch im Schrifttum ein rege diskutiertes Thema: a) Territorialität als Basis des räumlichen Geltungsbereichs der EMRK Fraglos gilt die EMRK zunächst auf dem eigenen Staatsgebiet der Vertragsstaaten. Sonderregelungen wie in Art. 56 Abs. 1 EMRK153 („Räumlicher Geltungsbereich“) und entsprechende Regelungen in den Zusatzprotokollen beinhalten darüber hinaus Hinweise auf die Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereiches der Konvention auf Gebiete außerhalb des Territoriums der Vertragsstaaten. Aus diesen historisch bedingten und heute weitgehend bedeutungslosen Zugeständnissen an einige Mitgliedstaaten, bei denen es insbesondere um die Sonderstellung ehemaliger Kolonialgebiete ging, kann hingegen nicht im Umkehrschluss geschlossen werden, dass der räumliche Geltungsbereich der Konvention sich ausschließlich auf das Staatsgebiet des jeweiligen Vertragsstaates beschränkt.154 Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK ist zwar im Grundsatz territorial zu verstehen,155 Rechtsverpflichtungen der Vertragsstaaten können aber, wie nachfolgend dargestellt, nach Auffassung des EGMR bei verständiger Würdigung des modernen Menschenrechtsschutzes auch in bestimmten Ausnahmesituationen mit extraterritorialen Bezügen gegeben sein.156

153 Art. 56 Abs. 1 EMRK „Jeder Staat kann im Zeitpunkt der Ratifizierung oder in der Folge zu jedem anderen Zeitpunkt durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Mitteilung erklären, dass diese Konvention vorbehaltlich des Absatzes 4 auf alle oder einzelne Gebiete Anwendung findet, für deren internationale Beziehungen er verantwortlich ist.“. 154 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 105 – 106; Jacobs/White, The European Convention on Human Rights, S. 21. 155 Vgl. dazu: EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 59, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 133, NJW 2003, 413; EGMR, Rantsev v. Cyprus and Russia, Urt. v. 07. 01. 2010, not reported, Ziff. 206; siehe dazu auch: Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 106; Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 235 – 236; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 43; Miltner, 2 EHRLR 172, 173 (2007). 156 Grundsätzlich zur Möglichkeit der staatsgebietsübergreifenden Geltung der EMRK siehe: EGMR, Loizidou v. Turkey (preliminary objections) [GC], Urt. v. 23. 03. 1995, Ser. A. no. 310, 3, Ziff. 62, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1995, 629.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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b) Ausnahmen vom reinen Territorialitätsgrundsatz Aus den bisherigen Entscheidungen des EGMR lassen sich im Wesentlichen drei Fallgruppen ableiten, bei denen die Grundrechtsverpflichtungen der Vertragsstaaten der EMRK über ihre Staatsgrenzen hinausreichen.157 aa) Effektive Kontrolle über fremde Staatsgebiete durch militärische Hoheit Die erste Fallgruppe beinhaltet Sachverhalte, bei denen ein Vertragsstaat effektive Kontrolle über das Territorium oder über einen Teilbereich des Territoriums eines fremden Staates ausübt. In einer Reihe von Fällen vor dem Hintergrund der türkischen Besetzung Nordzyperns 1974 und der darauf folgenden Errichtung der „Türkischen Republik Nordzypern“ hat sich der Gerichtshof mit Fällen effektiver Kontrolle beschäftigt. Diese ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes immer dann gegeben, wenn ein Vertragsstaat durch militärische Herrschaft – sei sie rechtmäßig oder unrechtmäßig – effektive Hoheitsgewalt über fremdes Staatsgebiet ausübt. So führt der EGMR in Loizidou v. Türkei im Jahr 1996 aus „the Court held […], that the responsibility of a Contracting Party could also arise when as a consequence of military action – whether lawful or unlawful – it exercises effective control of an area outside its national territory. The obligation to secure, in such an area, the rights and freedoms set out in the Convention, derives from the fact of such control whether it be exercised directly, through its armed forces, or through a subordinate local administration […]“.158

Unter Bezugnahme auf verschiedene völkerrechtliche Übereinkommen befasste sich der EGMR im Jahr 2001 in seiner Zulässigkeitsentscheidung zum Fall Bankoviç und Andere v. Belgien und 16 weitere Vertragsstaaten erstmals umfassend mit der Frage der extraterritorialen Geltung der EMRK.159 In diesem Fall ging es um die Beschwerde der Angehörigen von Zivilpersonen, die im Rahmen des KosovoKonfliktes bei NATO-Bombardierungen auf Radio Serbien in Belgrad am 23. 04. 1999 ums Leben gekommen waren. Sie machten Verletzungen von Art. 2, 10 und 13 EMRK geltend. Der Gerichtshof wies die Beschwerde mit der Begründung als unzulässig ab, die getöteten Personen seien zum Zeitpunkt des Angriffs mangels ef157 Auf diese drei Fallgruppen weist auch der EGMR hin, siehe: EGMR, Loizidou v. Turkey [GC] (preliminary objections), Urt. v. 23. 03. 1995, Ser. A. no. 310, 3, Ziff. 62. 158 EGMR, Loizidou v. Turkey [GC], Urt. v. 18. 12. 1996, ECHR 1996-VI, 2216, Ziff. 52, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1997, 555; vertiefend zu diesem Fall: Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 127 – 128. 159 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 14 ff.; ausführlich zur Bankoviç-Entscheidung: Rüth/Trilsch, 97 AJIL 168 – 172 (2003) sowie Williams/Shah, 6 EHRLR 775 ff. (2002).

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

fektiver territorialer Kontrolle nicht „within the jurisdiction“, also nicht innerhalb der Hoheitsgewalt der angeklagten Vertragsstaaten gewesen.160 Der Gerichtshof verweist dabei grundlegend darauf, dass in die territoriale Souveränität der Staaten nur durch Völkervertragsrecht sowie durch einige wenige völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkte eingegriffen werden dürfe.161 Der Gerichtshof betont zudem, dass Jurisdiktion im Grundsatz als vornehmlich territorial und nur unter außergewöhnlichen Umständen als erlaubt extraterritorial zu verstehen sei. Auch die EMRK sei in diesem Sinne äußerst restriktiv auszulegen. „In sum, the case-law of the Court demonstrates that its recognition of the exercise of extraterritorial jurisdiction by a Contracting State is exceptional […]“162

Der Bankoviç-Entscheidung folgte deutliche Kritik aus dem Schrifttum.163 Der Gerichtshof nehme ein menschenrechtliches Vakuum in Kauf, wenn in den Fällen von Bombenangriffen oder sonstigen Eingriffen ohne effektive Territorialkontrolle keine Geltung der EMRK angenommen werden könne.164 Bis heute ist letztlich nicht geklärt, wann genau das erforderliche Maß an effektiver Kontrolle über fremdes Territorium erreicht ist, um die Geltung der EMRK zu bewirken. Die uneingeschränkte Lufthoheit wie in Bankoviç ist aus Sicht des EGMR letztlich nicht in jedem Fall ausreichend. In nachfolgenden Entscheidungen betont der EGMR jedoch unabhängig von dieser Frage, dass effektive territoriale Kontrolle als Ausnahme zur grundsätzlich extraterritorialen Geltung der EMRK anzuerkennen sei.165 Zudem hält der EGMR in seinen Entscheidungen stets betont an seiner Haltung zur ansonsten streng territorialen Geltung der EMRK fest.166 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ein Staat effektive Kontrolle über fremdes Staatsgebiet auch durch freiwillige temporäre Derogation der Hoheitsmacht durch einen fremden Staat erlangen kann.167 160 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 82. 161 Ibid, Ziff. 59 f. 162 Ibid, Ziff. 71. 163 Stellvertretend für weitere: de Schutter, CHRGJ Working paper No. 9, 2005, 9 ff. 164 Für eine ausführliche Kritikübersicht siehe: Gondek, NILR 349, 360 ff. (2005). 165 EGMR, Ben el Mahi and Others v. Denmark (dec.), Entsch. v. 11. 12. 2006, ECHR 2006XV, S. 9; EGMR, Ilasçu and Others v. Moldova and Russia [GC], Urt. v. 08. 07. 2004, ECHR 2004-VII, 1, Ziff. 314 – 316, deutsche Übersetzung in: NJW 2005, 1849; EGMR, Isaak and Others v. Turkey (dec.), Entsch. v. 28. 09. 2006, not reported, S. 19; EGMR, Issa and Others v. Turkey, Urt. v. 16. 11. 2004, not reported, Ziff. 69 f.; ausführlich zum Fall Issa: Mole, 1 EHRLR 86 – 91 (2005). 166 EGMR, Ilasçu and Others v. Moldova and Russia [GC], Urt. v. 08. 07. 2004, ECHR 2004-VII, 1, Ziff. 312, deutsche Übersetzung in: NJW 2005, 1849; EGMR, Isaak and Others v. Turkey (dec.), Entsch. v. 28. 09. 2006, not reported, S. 19; EGMR, Issa and Others v. Turkey, Urt. v. 16. 11. 2004, not reported, Ziff. 67; EGMR, Markovic and Others v. Italy [GC], Urt. v. 14. 12. 2006, ECHR 2006-XIV, Ziff. 49. 167 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 60, 71.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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bb) Hoheitsmacht über Personen auf fremdem Staatsgebiet ohne Gebietskontrolle Die zweite Fallgruppe extraterritorialer Geltung der EMRK richtet sich nicht nach der effektiven territorialen, sondern vielmehr nach der personalen Kontrolle, die ein Vertragsstaat auf fremdem Staatsgebiet über Individuen ausübt („authority and control over persons“).168 So führt die Europäische Kommission für Menschenrechte in Walter Stocke against The Federal Republic of Germany aus, „[…] authorised agents of a State not only remain under its jurisdiction when abroad, but bring any other person ,within the jurisdiction‘ of that State to the extent that they exercise authority over such persons.“169

Dies bedeutet, dass Organe eines Staates, die im Ausland tätig sind, Personen, auf die sich ihre jeweilige Zuständigkeit bezieht, in den Jurisdiktionsbereich nach Art. 1 EMRK einbeziehen.170 Der EGMR hat dies in Drozd and Janousek v. France and Spain bestätigt: „The term ,jurisdiction‘ is not limited to the national territory of the High Contracting Parties; their responsibility can be involved because of acts of their authorities producing effects outside their own territory“.171

Auch im Fall Öcalan v. Turkey wird dies deutlich, da der EGMR in diesem Fall die Jurisdiktion der Türkei bejaht, obwohl keine territoriale effektive Kontrolle gegeben war. In dem Fall ging es um die Übergabe Abdullah Öcalans’, des Anführers der kurdischen Arbeiterpartei PKK, durch kenianische Beamte an türkische Agenten auf dem Flughafen Nairobi in Kenia und die sich anschließende Ingewahrsamnahme. Neben weiteren Aspekten hatte der EGMR zu entscheiden, ob die Handlung innerhalb der Hoheitsmacht der Türkei war und dementsprechend Grundrechtsverpflichtungen der Türkei nach der EMRK zu bejahen waren. Die Große Kammer stellte in ihrem Urteil fest, dass der Beschwerdeführer sich unmittelbar nach der Übergabe an die türkischen Kräfte in der Hoheitsmacht der Türkei befunden habe und damit innerhalb des Geltungsbereichs der EMRK. So führt der Gerichtshof aus

168

Siehe hierzu: Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, 2006, 11; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 19; de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227, 242 – 244; Miltner, 2 EHRLR 172, 174 (2007). 169 Europäische Kommission für Menschenrechte, Walter Stocke against The Federal Republic of Germany, Report of the Commission adopted on 12. 10. 1989, no. 11755/85, Ziff. 166. 170 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 106 f.; Jacobs/White, The European Convention on Human Rights, S. 22. 171 EGMR, Drozd and Janousek v. France and Spain, Urt. v. 26. 06. 1992, Ser. A. no. 240, 4, Ziff. 91.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen „It is common ground that, directly after being handed over to the Turkish officials by the Kenyan officials, the applicant was effectively under Turkish authority and therefore within the ,jurisdiction‘ of that State for the purposes of Article 1 of the Convention […]“172

Auch in weiteren Fällen erkennt der Gerichtshof das Bestehen eines solchen, die extraterritoriale Geltung der EMRK begründenden, Ausnahmefalles der Hoheitsmacht über Personen auf fremdem Territorium an.173 cc) Auslieferungen und Ausweisungen Die dritte Fallgruppe umfasst Auslieferungs- und Ausweisungsfälle, in denen eine Person in einen Staat verbracht werden soll, in dem sie potenziell mit Menschenrechtsverletzungen wie beispielsweise Folter zu rechnen hat.174 Im Fall Soering v. Großbritannien entschied der EGMR, dass die Auslieferung des Beschwerdeführers an die USA, wo ihn die Todesstrafe erwartete, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK bedeuten würde.175 In diesen Fällen handelt es sich trotz extraterritorialen Bezügen nicht um extraterritoriale Fälle im engeren Sinne, denn die eigentliche staatliche Handlung, die Auslieferung/Ausweisung (beispielsweise die Verbringung einer Person in ein Flugzeug zum Zwecke des Transports ins Ausland), findet auf dem eigenen Hoheitsgebiet statt.176 Entsprechend führt der EGMR mit Blick auf die genannten Auslieferungsfälle grundlegend aus: „[…] the Court notes that liability is incurred in such cases by an action of the respondent State concerning a person while he or she is on its territory, clearly within its jurisdiction, and that such cases do not concern the actual exercise of a State’s competence or jurisdiction abroad“177.

Dennoch behandelt der EGMR Fälle dieser Art als Ausnahmen vom reinen Territorialitätsgrundsatz mit der Folge, dass die extraterritorialen Konsequenzen einer Ausweisung/Auslieferung unter Beachtung der durch die EMRK geschützten Rechtsgüter in die jeweilige Beurteilung der staatlichen Einzelmaßnahme mit einzubeziehen sind. 172 EGMR, Öcalan v. Turkey [GC], Urt. v. 12. 05. 2005, ECHR 2005-IV, 47, Ziff. 91, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2005, 463, NVwZ 2006, 1267. 173 EGMR, Isaak and Others v. Turkey (dec.), Entsch. v. 28. 09. 2006, not reported, S. 19; EGMR, Issa and Others v. Turkey, Urt. v. 16. 11. 2004, not reported, Ziff. 71; vgl. auch EGMR, Ben el Mahi and Others v. Denmark (dec.), Entsch. v. 11. 12. 2006, ECHR 2006-XV, S. 9. 174 Siehe zu dieser Thematik: Gondek, NILR 349, 355 – 356 (2005). 175 EGMR, Soering v. The United Kingdom, Urt. v. 07. 07. 1989, no. 14038/88, Ser. A no. 161, 4, Ziff. 91, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 314, NJW 1990, 2183; zum Fall einer Ausweisung siehe: EGMR, Cruz Varas and Others v. Sweden, Urt. v. 20. 03. 1991, Ser. A. no. 201, 1, Ziff. 69 f., deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1991, 203, NJW 1991, 3079. 176 So auch: Gondek, NILR 349, 355 (2005); ausführlich zum Fall Soering: Lillich, 85 AJIL 128 – 149 (1991). 177 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 68.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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dd) Zwischenergebnis Der räumliche Geltungsbereich der EMRK ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR strikt restriktiv und damit in erster Linie territorial auszulegen. Nur in den drei Ausnahmesituationen nämlich bei effektiver Kontrolle über fremdes Territorium durch einen Mitgliedsstaat der EMRK, bei Hoheitsgewalt über Personen auf fremdem Staatsgebiet sowie in Auslieferungs-/Ausweisungsfällen kann die EMRK extraterritorial Anwendung finden. 2. Schutzpflichten in extraterritorialen Gebieten Nach Prüfung des räumlichen Geltungsbereiches der EMRK stellt sich nunmehr die Frage, ob im Rahmen der in Ausnahmefällen gegebenen extraterritorialen Geltung der EMRK auch staatliche Schutzpflichten im gleichen Maße extraterritorial wie innerstaatlich Geltung finden. Erste Ansätze zur Beantwortung dieser Frage finden sich im Fall Zypern v. Türkei, bei dem es um die militärische Besetzung Nordzyperns durch die Türkei im Jahr 1974 ging. Der EGMR entschied, dass sich die türkische Hoheitsgewalt und damit ihre Grundrechtsverpflichtungen aus der EMRK gemäß Art. 1 der Konvention hinsichtlich des besetzten Gebietes auf die gesamte Bandbreite der Grundrechtsverpflichtungen erstrecken: „It follows that, in terms of Article 1 of the Convention, Turkey’s ,jurisdiction‘ must be considered to extend to securing the entire range of substantive rights set out in the Convention and those additional Protocols which she has ratified, and that violations of those rights are imputable to Turkey […] any other finding would result in a regrettable vacuum in the system of human-rights protection in the territory in question by removing from individuals there the benefit of the Convention’s fundamental safeguards […]“178

Obwohl nicht explizit auf die Geltung von Schutzpflichten hingewiesen wird, so ist doch aus dem Hinweis auf die Geltung der gesamten Bandbreite substantieller Rechte eine Erstreckung auch auf staatliche Schutzpflichten zu schließen.179 Anderenfalls würde eintreten, was der EGMR in oben genannter Entscheidung gerade zu vermeiden sucht, nämlich das Entstehen eines rechtlichen Vakuums im Vergleich zum eigenen Hoheitsgebiet. Die Große Kammer des EGMR hat in oben genannter Bankoviç-Entscheidung180 das erste Mal umfassend zur extraterritorialen Geltung der EMRK Stellung genommen. Die Entscheidung ist auch hinsichtlich der extraterritorialen Geltung staatlicher Schutzpflichten als Leitentscheidung zu werten. Dies gilt zum einen, da nationale Gerichte ihre Entscheidungen darauf stützen181 und 178

EGMR, Cyprus v. Turkey [GC], Urt. v. 10. 05. 2001, ECHR 2001-IV, 2, Ziff. 77 f. Siehe auch: Gondek, NILR 349, 354 (2005); Miltner, 2 EHRLR 172, 175 (2007). 180 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333. 181 Stellvertretend für weitere: LG Bonn, Urt. v. 10. 12. 2003, AZ 1 O 361/02, Ziff. 125; verfügbar unter: www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/lg_bonn/j2003/1_O_361_02urteil20031210. 179

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

zum anderen, da der EGMR in nachfolgenden Urteilen regelmäßig auf die BankoviçEntscheidung verweist.182 Die Große Kammer nimmt in dieser Entscheidung hinsichtlich der Frage des Umfangs der extraterritorialen Geltung der EMRK einen Alles-Oder-Nichts-Ansatz an, der insbesondere für staatliche Schutzpflichten von großer Bedeutung ist. Die Beschwerdeführer argumentieren, die Handlungs- und Schutzpflichten aus der EMRK seien proportional mit dem Maß an effektiver Kontrolle über ein fremdes Staatsgebiet verbunden.183 Mit anderen Worten bestimme sich das Schutzpflichtmaß danach, wie viel effektive Kontrolle ein Staat über ein bestimmtes Territorium habe. Unter Umständen könnte dies auch einen Ausschluss staatlicher Schutzpflichten im Ausland bedeuten. Dies lehnt die Große Kammer jedoch kategorisch ab. Sie argumentiert, dass aufgrund keiner Grundlage gefolgert werden könne, die Handlungs- und Schutzpflichten aus der EMRK seien je nach Maß effektiver Kontrolle teilbar oder begründeten unterschiedliche Bedeutungsmaße.184 Entweder die EMRK entfalte vollständige oder aber gar keine Wirkung. Dies wird im Fall Isaak and Others v. Turkey bestätigt.185 Hintergrund dieses Falles ist ein Zwischenfall innerhalb der neutralen UN-Zone zwischen dem türkischen und dem griechischen Teil Zyperns nahe der Stadt Nicosia im Jahr 1996. Zusammen mit weiteren Personen wollte der griechische Zypriot Isaak gegen die türkische Besetzung Nordzyperns demonstrieren. Er und andere unbewaffnete Demonstranten durchbrachen zum Zwecke der Demonstration die Absperrungen zur UN-Pufferzone und betraten diese. Auf der anderen Seite der UN-Zone standen türkische Militärkräfte, die – dies hält der EGMR für erwiesen – aufgebrachten und mit Eisenstangen bewaffneten Gegendemonstranten sowie einigen Polizeikräften Nordzyperns den Zugang zur UN-Pufferzone ermöglichten. Die Demonstranten gerieten in eine gewaltsame Auseinandersetzung, bei der Isaak von einer Gruppe vorwiegend privater Individuen getötet wurde. In seiner Zulässigkeitsentscheidung entschied der EGMR, der Getötete habe sich trotz der Tatsache, dass er sich in der neutralen UN-Zone befand und keine türkischen Kräfte direkt an seinem Tod beteiligt waren, unter der Hoheitsgewalt der Türkei und damit im Geltungsbereich der Konvention befunden. Dies gelte, obwohl die Handlungen aus Sicht der Türkei extraterritorial stattfanden. Ob es sich dabei um einen Fall effektiver Gebietskontrolle oder um einen der Fall der Hoheitsmacht über Personen auf fremden Territorium handelte, ließ der EGMR offen „[…] the Court considers that the deceased was under the authority and/or effective html; UK Court of Appeals, R. (Al-Skeini) v. Secretary of State for Defence [2005], Entsch. v. 21. 12. 2005, EWCA Civ 1609. 182 Unter anderem in: EGMR, Ben el Mahi and Others v. Denmark (dec.), Entsch. v. 11. 12. 2006, ECHR 2006-XV, S. 8; EGMR, Issa and Others v. Turkey, Urt. v. 16. 11. 2004, not reported, Ziff. 55; EGMR; Markovic and Others v. Italy, Urt. v. 14. 12. 2006, ECHR 2006-XIV, Ziff. 11, 34. 183 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 46. 184 Ibid, Ziff. 65, 75. 185 EGMR, Isaak and Others v. Turkey (dec.), Entsch. v. 28. 09. 2006, not reported.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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control of the respondent State through its agents […]“186 In jedem Fall aber sei die Türkei ihrer Pflicht zum Schutz von Personen vor den schädigenden Aktivitäten privater Dritter in der UN-Zone, und damit ihren entsprechend extraterritorial geltenden staatlichen Schutzpflichten, nicht nachgekommen. Im nachfolgenden Urteil zur Sache erkannte er unter anderem auf eine Verletzung von Art. 2 EMRK durch die Türkei.187 Daher ist festzuhalten: Wenn eine der durch den Gerichtshof anerkannten Ausnahmesituationen zur extraterritorialen Geltung der EMRK greift, so greift sie grundsätzlich in vollem Umfang und somit auch hinsichtlich staatlicher Schutzpflichten. Demzufolge haben die Konventionsstaaten in den Gebieten, in denen die EMRK zur Anwendung kommt, allen Personen innerhalb dieses Gebietes den gleichen Schutz vor den Aktivitäten Privater zu gewähren, wie dies auch innerstaatlich der Fall wäre. 3. Bedeutung für die extraterritorialen Aktivitäten transnationaler Unternehmen Wie im Rahmen der Schutzpflichtprüfungen festgestellt wurde, sind Vertragsstaaten der EMRK zumindest in den Fällen der Art. 2, 3, 4, 5, 8 und 11 EMRK auf ihrem eigenen Staatsgebiet verpflichtet, angemessenen Schutz vor möglichen schädigenden Aktivitäten privater Unternehmen zu gewährleisten (Schutzpflichten). Nach der Erörterung der extraterritorialen Geltung der EMRK stellt sich nun die Frage, ob und wie sich die gefundenen Ergebnisse auf extraterritoriale Aktivitäten transnational operierender Unternehmen (Transnational Corporations, TNCs) übertragen lassen. Bisher hat sich der EGMR noch in keinem einzigen Fall mit der Frage befasst, ob Schutzpflichten hinsichtlich der extraterritorialen Aktivitäten privater oder staatlicher TNCs bzw. derer Tochterunternehmen im Ausland bestehen.188 Die Bestimmung staatlicher Schutzpflichten für das Handeln transnationaler Unternehmen im Ausland muss daher aus den oben erarbeiteten Ergebnissen abgeleitet werden. Praktisch sind derartige Konstellationen bei privaten TNCs zunächst in den Fällen denkbar, in denen ein Konventionsstaat die effektive Kontrolle – sei es durch militärische Präsenz oder Zustimmung des anderen Staates – über ein fremdes Gebiet inne hat und private Unternehmen in diesen Gebieten tätig werden. Ist dies der Fall, so hat der Staat auch seine Schutzpflichten voll umfänglich zu beachten und entsprechend auch die in diesem Gebiet befindlichen Personen in gleichem Maße vor schädigenden Aktivitäten privater Unternehmen zu schützen wie innerstaatlich. Die in anderen Zusammenhängen schwierige Frage der Verantwortung für rechtlich 186

Ibid, S. 21. EGMR, Isaak and Others v. Turkey, Urt. v. 24. 06. 2008, not reported, Ziff. 103 ff. 188 Zur Rolle der Menschenrechte speziell in den externen Beziehungen der EU siehe: Brandtner/Rosas, 9 EJIL 468 – 490 (1998). 187

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

eigenständige ausländische Tochterunternehmen transnationaler Unternehmen189 ist danach vorliegend einfach zu beantworten: Gilt die EMRK einmal auf fremden Gebiet, so ist es unerheblich, ob das jeweilige Tochterunternehmen rechtlich eigenständig ist oder nicht. In jedem Fall unterfallen seine Aktivitäten prinzipiell den Schutzpflichten des kontrollausübenden Vertragsstaates, lösen diese aber nur dann aus, wenn der Staat es unterlassen hat, seinen Pflichten trotz gegebener Möglichkeit nachzukommen. Für die Aktivitäten transnationaler Unternehmen eines Mitgliedsstaates der EMRK in Staatsgebieten, die nicht der effektiven Kontrolle des jeweiligen Heimatstaates unterstehen, gilt Folgendes: Wenn schon direktes staatliches extraterritoriales Handeln nur unter sehr engen Voraussetzungen zur Geltung der EMRK führt, dann gilt dies zumindest gleichermaßen restriktiv für staatliche Schutzpflichten hinsichtlich der extraterritorialen Handlungen privater Unternehmen. Bislang hat der EGMR keine zusätzlichen Ausnahmetatbestände benannt, bei denen einem Staat hinsichtlich der extraterritorialen Aktivitäten transnationaler Unternehmen Schutzpflichten zukämen. Die Konventionsstaaten sind damit, abgesehen von außergewöhnlichen Situationen effektiver Kontrolle über fremdes Staatsgebiet, im Rahmen der EMRK nicht für die Aktivitäten privater TNCs im Ausland verantwortlich und damit nicht zu diesbezüglichem Schutz verpflichtet. Wie die Große Kammer im Bankoviç-Fall ausführt, war die Konvention nie dazu gedacht, weltweite Geltung zu entfalten, denn dies führe zu völkerrechtswidrigen Eingriffen in die Souveränität fremder Staaten.190 4. Staatliche Schutzpflichten bei nationalen Entscheidungen transnationaler Unternehmen mit extraterritorialem Effekt? Zumindest theoretisch ist es möglich, den an den Vertragsstaat gerichteten Unterlassungsvorwurf nicht an die schädigende Handlung/Beteiligung transnationaler Unternehmen im Ausland, sondern an die innerstaatliche Entscheidung der Unternehmensführung zu binden. So könnte beispielsweise eine staatliche Schutzpflicht bereits dann bestehen, wenn die Unternehmensleitung eines transnationalen Unternehmens in der innerstaatlichen Zentrale die Entscheidung fällt, im Ausland für die Produktion von Bekleidung auf Kinderarbeit zurückzugreifen. Dass ein solcher theoretischer Ansatz nicht vollkommen abwegig ist, zeigt der bereits angesprochene Fall Soering.191 Hier drohte die schädigende Handlung (Death Row und Todesstrafe in den USA) im Ausland und Großbritannien würde, so stellte der Gerichtshof fest,

189

Siehe unter anderem das Urteil des IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited [Belgium v. Spain], Urteil v. 05. 02. 1970, ICJ Rep. 1970, 3. 190 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 80. 191 EGMR, Soering v. The United Kingdom, Urt. v. 07. 07. 1989, Ser. A no. 161, 4.

A. Die Europäische Menschenrechtskonvention

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bei einer Auslieferung gegen Art. 3 EMRK verstoßen.192 Das bedeutet, eine staatliche Schutzpflicht vor den Handlungen Dritter kann in bestimmten Fällen national bestehen, obwohl die schädigende Wirkung extraterritorial eintritt. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Gedanke der Übertragbarkeit auf Fälle von Unternehmensentscheidungen mit schädigender Wirkung im Ausland allerdings als nicht haltbar. Zum einen gibt es in Auslieferungsfällen wie Soering stets ein nationales staatliches Element, nämlich die Auslieferung (bzw. Ausweisung) selbst. Dies ist bei privatrechtlichen Unternehmensentscheidungen nicht der Fall. Zum anderen gilt es, sich auf Art. 1 EMRK zu besinnen, der festlegt „shall secure to everyone within their jurisdiction“. Geschützt werden daher nur Personen innerhalb des Jurisdiktionsbereichs der Vertragsstaaten und ein solcher besteht, wie dargelegt, nur in den wenigen und restriktiv auszulegenden Ausnahmefällen. Somit bestehen nach aktuellem Interpretationsstand der EMRK keine staatlichen Pflichten zum Schutz von Personen außerhalb des eigenen Jurisdiktionsbereichs, die mittelbar aufgrund innerstaatlicher privater Unternehmensentscheidungen verletzt werden. 5. Sondersituation: Weak Governance Zones Fraglich ist, ob den Konventionsstaaten in den Fällen von so genannten Weak Governance Zones eine gesteigerte Verantwortung für die Aktivitäten „ihrer“ TNCs zukommt. „A weak governance zone is defined as an investment environment in which governments are unable or unwilling to assume their responsibilities.“193 Es handelt sich also um Gebiete, in denen der jeweilige Staat seine Kontrolle verloren hat oder sie aus anderen Gründen nicht wahrnimmt. Ein bekanntes Beispiel für ein europäisches Unternehmen mit Wirtschaftsaktivitäten in einer Weak Governance Zone ist der britisch-niederländische Ölkonzern Royal Dutch Shell plc., der gemeinsam mit dem französischen Ölkonzern Total S.A. und dem italienischen Ölkonzern Eni S.p.A. im politisch instabilen Nigerdelta in Nigeria tätig ist und dabei mehrfach in die öffentliche Kritik wegen Missachtung der Menschenrechte gekommen war. Es ist allerdings zu beachten, dass nach Ansicht des EGMR die EMRK restriktiv auszulegen ist und nur in wenigen Ausnahmefällen extraterritorial zur Geltung kommt. Bisher hat der Gerichtshof Weak Governance Zones nicht zu diesen Ausnahmesituationen gezählt und wird dies bei weiterhin restriktiver Konventionsauslegung auch in Zukunft höchstwahrscheinlich nicht tun. Insofern kommt den Konventionsstaaten zumindest nach heutigem Stand keine Pflicht zum Schutz von Personen in Weak Governance Zones vor den Aktivitäten transnational operierender Unternehmen zu.

192

Ibid, Ziff. 111. OECD, Risk Awareness Tool for Multinational Enterprises in Weak Governance Zones, 2006, www.oecd.org/dataoecd/26/21/36885821.pdf, Preface, S. 9; ausführlich zum Thema Weak/Bad Governance Zones: Karp, International Theory (2009) Vol. 1, No. 1, 87 – 118. 193

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

6. Extraterritoriale Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten staatlicher Unternehmen Zuletzt stellt sich die Frage staatlicher Pflichten zum Schutz vor den schädigenden Aktivitäten staatlicher Unternehmen im Ausland. Im Ergebnis gelten die hinsichtlich privater TNCs gefundenen Ergebnisse auch für staatliche TNCs. Differenzierend muss festgehalten werden, dass es sich bei staatlichen TNCs bzw. privaten TNCs, denen staatliche Aufgaben übertragen werden, um staatliche Aktivitäten handelt. Wir befinden uns in diesen Fällen daher im Bereich der Abwehrrechte, nicht jedoch im Bereich von Schutzpflichten vor den Handlungen Privater. In den Fällen, in denen ein Konventionsstaat effektive Kontrolle über ein extraterritoriales Gebiet ausübt, hat der betreffende Staat sämtliche Abwehrrechte und Handlungspflichten zu beachten und so die Rechte der seiner Jurisdiktion unterstehenden Personen auch vor Eingriffen staatlicher Unternehmen zu wahren. Noch nicht durch den EGMR entschieden wurden Fälle, in denen ein staatliches Unternehmen im Ausland an Menschenrechtsverletzungen beteiligt war und sich der Sachverhalt auf einem Gebiet ohne militärische Kontrolle des Mitgliedsstaates abgespielt hat. In diesem Fall könnte durchaus in Erwägung gezogen werden, den oben beschriebenen Ausnahmetatbestand der Aktivitäten staatlicher Organe im Ausland auch auf staatliche Unternehmen auszuweiten. So wären zumindest theoretisch Fälle vorstellbar, bei denen ein Unternehmen wie beispielsweise das französische Energieunternehmen Électricité de France SA (EDF), an dem der französische Staat über 80 % der Aktienanteile hält, wegen Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten im außereuropäischen Ausland vor dem EGMR angeklagt wird. Es bleibt abzuwarten, ob der EGMR zukünftig die Ausnahmetatbestände zum strengen Territorialgrundsatz auch auf derartige Sachverhalte mit Beteiligung staatlicher Unternehmen ausweiten wird.

VI. Endergebnis Der EGMR legt die Europäische Menschenrechtskonvention als „living instrument“ zunehmend in einem umfassenden Sinne aus, welcher neben reinen Abwehrrechten auch positive Handlungs- und Schutzpflichten der Vertragsstaaten begründet. Damit verdichtet sich der aus ihr fließende Menschenrechtsschutz zunehmend zu einem umfassenden und mittelbar auch vor Eingriffen Dritter schützenden Regime. Den Vertragsstaaten der EMRK kommen zumindest hinsichtlich der Art. 2 (Recht auf Leben), 3 (Folterverbot), 4 (Sklaverei- und Zwangsarbeitverbot), 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit), 8 (Schutz des Privat- und Familienlebens) und 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) EMRK Schutzpflichten in Bezug auf schädigende Aktivitäten Privater zu. Dies gilt ungeachtet davon, ob die Eingriffe von privaten Einzelpersonen oder von nationalen bzw. transnationalen privaten Unternehmen ausgehen. Verpflichtet sind dabei stets ausschließlich die Vertragsstaaten und nur mittelbar Private.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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Die im Hinblick auf den räumlichen Geltungsbereich restriktive Auslegung der Konvention durch den EGMR führt dazu, dass weder bei Aktivitäten transnationaler Unternehmen im Ausland, noch in Fällen nationaler Unternehmensentscheidungen mit extraterritorialem Effekt, noch in Fällen von Weak Governance Zones staatliche Schutzpflichten bezüglich transnationaler Unternehmensaktivitäten bejaht werden können. Die einzige Ausnahme dazu besteht in den Fällen, in denen ein Staat die effektive Kontrolle über ein fremdes Territorium ausübt. In diesen Fällen ist der Kontrolle ausübende Mitgliedsstaat der EMRK in dem jeweiligen Gebiet zur Beachtung der gleichen Schutzpflichten auch hinsichtlich unternehmerischer Aktivitäten verpflichtet wie innerstaatlich. Darüber hinaus bestehen keine staatlichen Schutzpflichten für Mitgliedsstaaten der EMRK hinsichtlich der wirtschaftlichen Aktivitäten privater Unternehmen außerhalb ihres Territoriums. So führt der EGMR aus „The Convention was not designed to be applied throughout the world […]“194 Jede andere Betrachtungsweise würde Vertragsstaaten der EMRK zu Handlungen auch in Bezug auf transnationale Unternehmen verpflichten, die sich extraterritorial auswirken und dabei einen völkerrechtswidrigen Eingriff in die Souveränität fremder Staaten darstellen.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention Neben der Europäischen Menschenrechtskonvention hat sich das amerikanische Menschenrechtsschutzsystem als zweites großes regionales Rechtsschutzsystem etabliert.195 Den historischen Ausgangspunkt bildete die im Jahr 1948 von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)196 als rechtlich unverbindliche und ohne Überwachungsorgane verabschiedete Amerikanische Erklärung über die Rechte und Pflichten der Menschen197. Aufgaben der OAS, der alle amerikanischen Staaten angehören198, sind nach Art. 2 OAS Charta199 unter anderem die Erhaltung von Frieden und Sicherheit auf dem amerikanischen Kontinent (lit. a), die Förderung

194 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 80. 195 Zur Entwicklung der AMRK siehe: Buergenthal, in Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 131 ff.; einführend: Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 805 ff. 196 Nähere Informationen zur OAS und Mitgliederübersicht unter: www.oas.org/en/about/ member_states.asp; einführend siehe auch: Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 139 f. 197 American Declaration on the Rights and Duties of Man (1948), 02. 05. 1948, OAS Res. XXX. 198 Lediglich Kuba ist durch Beschluss der konsultativen Versammlung der Außenminister von 1962 von den aktiven Mitwirkungsrechten ausgeschlossen. 199 Charter of the Organisation of American States (OAS), 30. 04. 1948, OAS Treaty Series, nos. 1-C and 61, 119 UNTS 3, verfügbar unter: www.oas.org/dil/treaties_A-41_Charter_ of_the_Organization_of_American_States.htm.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

repräsentativer Demokratien (lit. b), die Schlichtung von Konflikten innerhalb der Vertragsgemeinschaft (lit. c) sowie die Bekämpfung der Armut (lit. g). Kernstück des amerikanischen Menschenrechtsschutzsystems ist die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK, auch: Pakt von San José)200, welche am 18. 07. 1978 in Kraft trat und bislang von 25 der 35 OAS-Staaten – nicht jedoch von den USA und Kanada – ratifiziert worden ist.201 Die AMRK enthält in Kapitel II unter anderem zunächst fundamentale Rechte, darunter das Recht auf Leben (Art. 4), das Recht auf menschenwürdige Behandlung einschließlich des Folterverbotes (Art. 5 Abs. 2), Sklavereiverbot (Art. 6) und das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 7). Daneben finden sich in Art. 8 AMRK ausführliche Justizgewährungsrechte und in Art. 9 das Rückwirkungsverbot. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hingegen finden nur über das Zusatzprotokoll über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Protokoll von San Salvador)202 von 1988 Anwendung, welches bislang lediglich von 15 Staaten203 ratifiziert worden ist. Im Jahr 1990 folgte das Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe204, welches bislang von 11 Staaten205 ratifiziert wurde. Die AMRK orientiert sich verfahrensrechtlich in weiten Teilen an der EMRK und ähnelt dabei dem Menschenrechtsschutzsystem der EMRK vor Inkrafttreten des 11. Zusatzprotokolls.206

I. Organe der AMRK Zentrale Organe der AMRK sind gemäß Art. 33 AMRK die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (Art. 34 ff. AMRK) mit Sitz in Washington D.C. und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR, Art. 52 ff. AMRK) mit Sitz in San José, Costa Rica.207

200 American Convention on Human Rights, 22. 11. 1969, 1144 UNTS 123, abgedruckt in: 9 ILM 673 (1970), EuGRZ 1980, 435. 201 Stand: 29. Juni 2010. Für eine aktuelle Auflistung der Mitgliedstaaten der AMRK siehe: www.oas.org/juridico/English/sigs/b-32.html. 202 Additional Protocol to the American Convention on Human Rights in the Area of Economic, Social, and Cultural Rights, 17. 11. 1988, OAS Treaty Series no. 69; Ratifizierungsstand einsehbar unter: www.oas.org/juridico/English/sigs/a-52.html. 203 Stand: 29. Juni 2010. 204 Protocol to the American Convention on Human Rights to Abolish the Death Penalty, 06. 08. 1990, OAS Treaty Series no. 73; Ratifizierungsstand einsehbar unter: www.oas.org/ Juridico/english/sigs/a-53.html. 205 Stand: 29. Juni 2010. 206 Herdegen, Völkerrecht, S. 388; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 451; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 388 f. 207 Siehe auch: Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 242, 243.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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1. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte besteht aus sieben Mitgliedern und übt eine quasi-gerichtliche Funktion aus, die der ehemaligen Europäischen Kommission für Menschenrechte vergleichbar ist. Sie wurde bereits im Jahr 1960 als Aufsichts- und Berichtsorgan der OAS berufen208 und fungiert seit Ratifizierung der AMRK in einer Doppelfunktion auf der einen Seite als Organ der OAS und auf der anderen Seite als Konventionsorgan.209 Die Kommission kann im Wege der Individualbeschwerde gemäß Art. 44 AMRK oder im Wege der Staatenbeschwerde gemäß Art. 45 AMRK angerufen werden. Individualbeschwerde kann jede Einzelperson nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges mit der Behauptung erheben, ein Mitgliedsstaat der AMRK habe sie in seinen Konventionsrechten verletzt. Staatenbeschwerde kann lediglich durch Staaten und gegen Staaten erhoben werden und dies auch nur dann, wenn die jeweiligen Staaten zuvor die Prüfungszuständigkeit der Kommission gesondert anerkannt haben210. Die Kommission soll zunächst eine gütliche Einigung herbeiführen. Scheitert dies, kann sie Empfehlungen an die Mitgliedstaaten abgeben und eine Frist zur Behebung der Konventionsverletzung setzen. Nach erfolglosem Ablauf der Frist kann die Kommission gemäß Art. 50 AMRK mit absoluter Mehrheit beschließen, einen Individualbericht zu der jeweiligen Individual- bzw. Staatenbeschwerde zu verfassen und diesen an den entsprechenden Staat senden. Sollte nach Ablauf von drei Monaten weiterhin keine Einigung erzielt worden sein, so kann die Kommission erneut mit absoluter Mehrheit beschließen, den Bericht zu veröffentlichen.211 Der Fall kann nur dann durch die Kommission an den Gerichtshof weitergeleitet werden, wenn der entsprechende Staat eine Unterwerfungserklärung gemäß Art. 62 AMRK abgegeben hat. Zusätzlich ist die Kommission nach eigenem Ermessen befugt, Staatenberichte hinsichtlich des Fortschreitens des Menschenrechtsschutzes in den Mitgliedsstaaten zu erstellen und zu veröffentlichen und kann die dazu erforderlichen Informationen von den Mitgliedsstaaten einfordern.212 2. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte Dem Interamerikanischen Gerichtshof (IAGMR) gehören sieben Richter an, wobei ihnen kein weiteres Kammersystem zur Seite gestellt ist. Der Gerichtshof tritt als nicht-ständiges Organ in der Regel lediglich zweimal jährlich zusammen. Parteifähig sind ausschließlich die Mitgliedsstaaten sowie die Interamerikanische 208

Als solches überwacht sie unter anderem die Einhaltung der Amerikanischen Erklärung über die Rechte und Pflichten der Menschen, siehe Art. 106 OAS Charta. 209 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 390. 210 Art. 45 Abs. 1, 2 AMRK; ausführlich zu den Aufgaben der Kommission: Buergenthal, in: Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 134. 211 Art. 51 AMRK. 212 Art. 106 OAS Charta i.V.m. Art. 41 AMRK.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Kommission für Menschenrechte.213 Während die Kommission sowohl Verstöße gegen die Amerikanische Erklärung über die Rechte und Pflichten der Menschen, als auch gegen die AMRK behandelt, ist der Gerichtshof nur für Verstöße gegen letztere zuständig. Jedem Verfahren über Individual- oder Staatenbeschwerden vor dem Gerichtshof ist zwingend der Abschluss des Verfahrens vor der Kommission vorgeschaltet. Der Gerichtshof kann neben der Feststellung einer Verletzung der Konventionsrechte auch über angemessene Entschädigungen entscheiden.214 Zusätzlich kann er vorläufigen Rechtsschutz (provisional measures) gewähren215 und darüber hinaus an die Mitgliedstaaten gerichtete Rechtsgutachten (advisory opinions)216 erstellen. Hinsichtlich der möglichen Rechtsfolgen gehen die Kompetenzen des IAGMR teilweise deutlich über die des EGMR hinaus. So kann er innerstaatliche Gesetze für unwirksam erklären, Gerichtsentscheidungen aufheben sowie andere als reine Geldentschädigungen zusprechen.217

II. Kompetenzen der Konventionsorgane zur verbindlichen Auslegung der AMRK Da weder im Vertragstext der AMRK, noch in den Texten der Zusatzprotokolle explizit von staatlichen Schutzpflichten im Allgemeinen bzw. von Schutzpflichten in Bezug auf menschenrechtsbeeinträchtigende Aktivitäten privater Unternehmen im Besonderen die Rede ist, können sich staatliche Schutzpflichten ausschließlich im Wege der Auslegung des Vertragstextes ergeben. Da im weiteren Verlauf die Auslegungen möglicher staatlicher Schutzpflichten durch die beiden Organe zur AMRK geprüft werden, soll vorab geklärt werden, ob die beiden Organe befugt sind, verbindliche Auslegungen der AMRK vorzunehmen, die gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK der Übung der Vertragsparteien als Ausdruck übereinstimmender Auslegung gleichgestellt werden können. 1. Auslegungskompetenzen des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte Im Hinblick auf die Aufgaben des IAGMR ist zwischen Urteilen auf der einen Seite und Gutachten auf der anderen Seite zu unterscheiden. Urteile sind gemäß Art. 62 AMRK für diejenigen Staaten verbindlich, die sich der Rechtsprechung des 213

Art. 61 Abs. 1 AMRK. Art. 63 Abs. 1 AMRK. 215 Art. 63 Abs. 2 AMRK. 216 Art. 64 AMRK. 217 Weiterführend zu den Kompetenzen des IAGMR: Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 321. 214

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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IAGMR unterworfen haben.218 Bislang haben lediglich 22 AMRK-Staaten zugestimmt, sich allen Entscheidungen des Gerichtshofs zu unterwerfen. Die übrigen Staaten müssen jedem Urteil gegebenenfalls einzeln zustimmen oder werden von seiner verbindlichen Wirkung nicht erfasst.219 Gemäß Art. 67 AMRK unterliegen Urteile keinem Rechtsmittel. Demgegenüber sind die Gutachten nach Art. 64 AMRK formal nicht verbindlich und tragen somit lediglich zur Meinungsbildung innerhalb der Kommission bzw. innerhalb des Kreises der Mitgliedsstaaten und zur unverbindlichen Klarstellung der Auffassungen des Gerichtshofes in künftigen Verfahren bei.220 2. Auslegungskompetenzen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat zwar gemäß Art. 33 AMRK „[…] competence with respect to matters relating to the fulfillment of the commitments made by the States Parties to this Convention […]“, dies allein begründet jedoch noch nicht die für die Vertragsstaaten bindende Wirkung seiner Entscheidungen, sondern legt lediglich seine funktionelle Kompetenz fest. Das Maß an inhaltlicher Kompetenz zur Auslegung der AMRK ist in den Art. 44 ff. AMRK festgelegt, wonach die Kommission lediglich Vorschläge („recommendations“) unterbreiten kann.221 Selbst in Fällen der Zustimmung der Staaten zur Staatenbeschwerde nach Art. 45 Abs. 1 AMRK ist es lediglich Aufgabe der Kommission, die Beschwerden zu untersuchen („receive and examine“) und ggfls. mit einem öffentlichen Bericht zu kommentieren. Damit sind die Entscheidungen der Kommission letztendlich unverbindlich, was dem gestaffelten Rechtssystem der AMRK mit seinen verbindlichen Urteilen am Ende des Verfahrensweges entspricht. Die veröffentlichten Berichte der Kommission entfalten jedoch zweifelsohne einen nicht zu unterschätzenden politischen und öffentlichen Druck und geben wertvolle Hinweise auf die Fortentwicklung der AMRK. 3. Zwischenergebnis Für die weitere Untersuchung der AMRK gilt es festzuhalten, dass lediglich die Urteile des IAGMR für die Staaten verbindlich sind und auch dies nur innerhalb des 218

Vgl. Art. 62 Abs. 1 AMRK: „A State Party may […] declare that it recognizes as binding, ipso facto, and not requiring special agreement, the jurisdiction of the Court on all matters relating to the interpretation or application of this Convention.“. 219 Mit Stand 29. Juni 2010 waren dies: Argentinien, Barbados, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Surinam, Trinidad und Tobago, Uruguay und Venezuela, siehe: www.cidh.org/Basicos/English/Basic4.Amer.Conv.Ratif.htm. 220 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 393. 221 Vgl. Art. 41 lit. b und 50 Abs. 3 und 51 Abs. 2 AMRK.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Kreises derjenigen Staaten, die sich der Jurisdiktionsgewalt des IAGMR unterworfen haben. Damit hat nur der IAGMR über seine Urteile eine gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK verbindliche Kompetenz, die die Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Auslegung der AMRK wiedergibt. Individual- und Staatenberichte der Kommission sind dagegen ebenso wie Gutachten des Gerichtshofes als unverbindlich einzustufen. Dennoch können sie insbesondere dann wertvolle Indizien für den tatsächlichen gemeinsamen Willen der Vertragsparteien der AMRK sein, wenn die Mitgliedsstaaten sie mehrheitlich zustimmend zur Kenntnis nehmen. Nachfolgend soll nun untersucht werden, ob und wenn ja in welchem Umfang Gerichtshof und Kommission neben reinen Abwehrrechten auch staatliche Schutzpflichten in Bezug auf Aktivitäten Privater und insbesondere Aktivitäten privater Unternehmen auf Grundlage der AMRK bejahen.

III. Schutzpflichten im Rahmen der Amerikanischen Menschenrechtskonvention 1. Ausgangspunkt Art. 1 Abs. 1 AMRK Ausgangspunkt für die Analyse staatlicher Schutzpflichten ist Art. 1 Abs. 1 AMRK (Obligation to Respect Rights): „The States Parties to this Convention undertake to respect the rights and freedoms recognized herein and to ensure to all persons subject to their jurisdiction the free and full exercise of those rights and freedoms, without any discrimination for reasons of race, color, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, economic status, birth, or any other social condition“.222

Der Fall Velásquez-Rodríguez223 war das erste vom IAGMR behandelte Verfahren und kann zugleich als Präzedenzfall zur Interpretation der Verpflichtungen aus Art. 1 AMRK („to respect“ und „to ensure“) gewertet werden, der die Grundlage für die weitere Analyse staatlicher Schutzpflichten bietet. 2. Auslegung staatlicher Schutzpflichten durch den IAGMR a) Der Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras Der Sachverhalt im Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras ereignete sich vor dem Hintergrund zahlreicher systematisch organisierter Entführungen privater Personen durch staatliche Sicherheits- und Armeekräfte in Honduras Anfang der 80er Jahre.224 222 Art. 1 Abs. 1 AMRK; „persons“ sind gemäß Art. 1 Abs. 2 AMRK ausschließlich natürliche Personen. 223 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4. 224 Ibid, Ziff. 147 ff.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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Der Gerichtshof sah es als erwiesen, dass der Student Velásquez-Rodríguez 1981 durch Sicherheitskräfte entführt, gefoltert sowie höchstwahrscheinlich getötet worden war, und verurteilte Honduras wegen der Verletzung seiner Rechte aus Art. 4 (Recht auf Leben), 5 (Recht auf menschliche Behandlung) und 7 (Recht auf persönliche Freiheit) jeweils in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 AMRK.225 In der Urteilsbegründung befasst sich der Gerichtshof eingehend mit den aus Art. 1 Abs. 1 AMRK resultierenden Pflichten der Konventionsstaaten. Grundlegend führt der Gerichtshof aus, dass jede Beeinträchtigung der Rechte aus der AMRK, die den Staaten völkerrechtlich durch Handlungen oder Unterlassungen ihrer öffentlichen Stellen („any public authority“) zugerechnet werden können, ihre Verantwortung unter der Konvention begründet.226 „[T]o respect the rights and freedoms“ sei vor diesem Hintergrund als Abwehrrecht vor unrechtmäßigen staatlichen Eingriffen in die Konventionsrechte und damit als Restriktion staatlicher Gewalt zu verstehen.227 Die zweite Verpflichtung „ensure“ bezieht sich laut Gerichtshof auf die Sicherstellung der Konventionsrechte über reine Abwehrrechte hinaus. Die entscheidende Passage in der Urteilsbegründung lautet „The second obligation of the States Parties is to ,ensure‘ the free and full exercise of the rights recognized by the Convention to every person subject to its jurisdiction. This obligation implies the duty of States Parties to organize the governmental apparatus and, in general, all the structures through which public power is exercised, so that they are capable of juridically ensuring the free and full enjoyment of human rights. As a consequence of this obligation, the States must prevent, investigate and punish any violation of the rights recognized by the Convention and, moreover, if possible attempt to restore the right violated and provide compensation as warranted for damages resulting from the violation.“228

Damit legt der Gerichtshof zunächst die staatliche Pflicht zur Unterhaltung eines effektiven Verwaltungs- und Strafrechtssystems zur Sicherstellung der Konventionsrechte fest.229 Darüber hinaus stellt der Gerichtshof aber auch staatliche Pflichten zur Verhinderung, zur Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung sowie zur Wiederherstellung und Entschädigung auf. Während er in der oben genannten Urteilspassage die staatliche Pflicht zum Schutz vor den Handlungen Privater lediglich andeutet, wird der Gerichtshof diesbezüglich an späterer Stelle deutlicher und konstatiert, dass (ebenso wie im Rahmen der EMRK) die Handlungen Privater den Staaten grundsätzlich nicht zugerechnet werden können. Es gelte jedoch: „An illegal act which violates human rights and which is initially not directly imputable to a State (for example, because it is the act of a private person or because the person responsible 225

Ibid, Ziff. 194. Ibid, Ziff. 164. 227 Ibid, Ziff. 165. 228 Ibid, Ziff. 166. 229 Der IAGMR sieht in Art. 2 AMRK (Domestic Legal Effects) daneben lediglich eine weitere Bestätigung, dass die Konventionsstaaten die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen müssen, Ibid, Ziff. 168. 226

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

has not been identified) can lead to international responsibility of the State, not because of the act itself, but because of the lack of due diligence to prevent the violation or to respond to it as required by the Convention.“230 [Hervorhebung durch Verfasser].

„Due Diligence to prevent“ kann in diesem Kontext mit der Pflicht zur verhältnismäßigen Wahrnehmung staatlicher Sorgfalts- und Schutzpflichten gleichgesetzt werden. Nach Ansicht des Gerichtshofs beinhaltet sie die Pflicht, alle gebotenen rechtlichen, politischen und administrativen Maßnahmen zu ergreifen, welche die Konventionsrechte sicherstellen und zur Bestrafung der Verantwortlichen – seien es öffentliche Stellen oder private Personen – führen.231 Somit interpretiert der IAGMR im Grundsatz die Pflichten aus Art. 1 Abs. 1 AMRK sowohl als Abwehrrechte zum Schutz vor staatlichen Handlungen, wie auch im Wege dynamischer Interpretation als positive Schutzpflichten in Bezug auf Handlungen Privater.232 Der Gerichtshof sieht folglich seine grundsätzliche Aufgabe in der Prüfung, ob die Staaten ihren Handlungs- und auch Schutzpflichten aus Art. 1 Abs. 1 AMRK nachgekommen sind.233 b) Implikationen des Urteils im Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras Die in Velásquez-Rodríguez v. Honduras getroffene Grundaussage zu staatlichen Schutzpflichten ist äußerst weitreichend und wird vom Gerichtshof im genannten Fall weder hinsichtlich der genauen Reichweite staatlicher Pflichten zum Schutz einzelner Konventionsrechte, noch hinsichtlich der genauen Voraussetzungen der zu treffenden Verhältnismäßigkeitsprüfung näher konkretisiert. Die umfassenden Schutzpflichten können zudem nicht gleichermaßen bei allen Konventionsrechten zur Anwendung kommen.234 Insofern kann dieses Urteil lediglich als richtungsweisend, nicht hingegen als Schutzpflicht-konkretisierend gewertet werden. Die weite Auslegung der „respect“ und „ensure“ Vorschriften der AMRK durch den IAGMR muss dabei vor dem Hintergrund der Besonderheiten des interamerikanischen Menschenrechtssystems gesehen werden. Ein Großteil der Fälle vor dem AMRK befasst sich mit Eingriffen von paramilitärischen Einheiten sowie von Sicherheitskräften in Konventionsrechte. Ernsthafte innerstaatliche Untersuchungen und Strafverfolgungen werden regelmäßig verhindert oder erschwert.235 Dies erklärt 230

Ibid, Ziff. 172; siehe hierzu auch: Reinisch, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 37, 80. 231 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4., Ziff. 174, 175. 232 So auch Buergenthal/Shelton, Protecting Human Rights in the Americas, S. 431; Kälin/ Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 107. 233 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4, Ziff. 173. 234 Tomuschat, Between Idealism and Realism, S. 271. 235 Ambos, AVR 37 (1999), 318, 320; vgl. auch: Anicama, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the Inter-American Human Rights System, S. 9.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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auch die besondere Betonung der Pflicht zur Durchführung effektiver Untersuchungen durch den IAGMR im Fall Velásquez-Rodríguez.236 In verschiedenen späteren Urteilen hat der IAGMR seine grundsätzliche Auffassung aus dem Velásquez-Rodríguez-Urteil zu staatlichen Schutzpflichten bestätigt.237 Beispielsweise führt der Gerichtshof im Fall des „Mapiripán Massacre“ v. Kolumbien aus „The effect of these obligations of the State goes beyond the relationship between its agents and the persons under its jurisdiction, as it is also reflected in the positive obligation of the State to take such steps as may be necessary to ensure effective protection of human rights in relations amongst individuals.“238

Dabei sei es ausreichend, wenn feststehe, dass staatliche Stellen eine Konventionsverletzung toleriert oder unterstützt haben239 bzw. dass ihr Unterlassen den Eintritt einer Konventionsverletzung möglich gemacht hat.240 Von den Konventionsstaaten kann hingegen keine vollständige Kontrolle aller möglicher Ereignisse erwartet werden. Daher bestimmt der Gerichtshof im Fall Sawhoyamaxa Indigenous Community v. Paraguay, dass die spezifischen Schutzpflichten abhängig von den jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie den speziellen Umständen nicht zu unmöglichen oder unverhältnismäßigen Verpflichtungen auf Seiten der Konventionsstaaten führen dürfen.241 c) Rechtsprechung im Nachgang zu Velásquez-Rodríguez v. Honduras Über die Feststellung der oben genannten generellen Schutzpflichten hinaus hat sich der IAGMR hinsichtlich einer Konkretisierung staatlicher Schutzpflichten in begrenztem Umfang geäußert, was angesichts der insgesamt bisher lediglich 213 verfassten Urteile242 nicht weiter überrascht. Aus den bisherigen Urteilen lässt sich 236

IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4, Ziff. 174, 176, 177. 237 Siehe: IACtHR, Case of Bámaca-Velásquez v. Guatemala, Urt. v. 25. 11. 2000, Ser. C no. 70, Ziff. 210; IACtHR, Case of Caballero-Delgado and Santana v. Colombia, Urt. v. 08. 12. 1995, Ser. C no. 22, Ziff. 55 ff.; IACtHR, Case of Godínez-Cruz v. Honduras, Urt. v. 20. 01. 1989, Ser. C no. 5, Ziff. 175 ff.; IACtHR, Case of Juan Humberto Sánchez v. Honduras, Urt. v. 07. 06. 2003, Ser. C no. 99, Ziff. 142. 238 IACtHR, Case of the „Mapiripán Massacre“ v. Colombia, Urt. v. 15. 09. 2005, Ser. C no. 134, Ziff. 111. 239 IACtHR, Case of 19 Merchants v. Columbia, Urt. v. 05. 07. 2004, Ser. C no. 109, Ziff. 141. 240 IACtHR, Case of the Rochela Massacre v. Colombia, Urt. v. 11. 05. 2007, Ser. C no. 163, Ziff. 68. 241 IACtHR, Case of the Sawhoyamaxa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 29. 03. 2006, Ser. C no. 146, Ziff. 155. 242 Stand: 29. Juni 2010. Eine Übersicht über alle bisher entschiedenen Verfahren des IAGMR ist unter www.corteidh.or.cr/casos.cfm verfügbar.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

jedoch ablesen, dass der Gerichtshof bereit ist, einzelne Schutzpflichten zu spezifizieren. Zunächst unterstreicht der IAGMR die staatliche Pflicht zur Durchführung effektiver Untersuchungsmaßnahmen in Fällen von Rechtsverletzungen von Privaten untereinander.243 Darüber hinaus hat der IAGMR staatliche positive Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten Privater bei folgenden Konventionsrechten bejaht: aa) Schutzpflichten nach Art. 4 AMRK (Recht auf Leben) Staatliche Schutzpflichten in Bezug auf das Recht auf Leben nach Art. 4 AMRK hat der IAGMR unter anderem in den Fällen 19 Merchants v. Columbia und „Street Children“ (Villagran-Morales et al.) v. Guatemala angenommen.244 Diese Auffassung bestätigte er erneut in Kawas-Fernández v. Honduras, wo er ausführt „Compliance with Article 4(1) of the American Convention, in conjunction with Article 1(1) of this same Convention, not only requires that a person not be arbitrarily deprived of his or her life (negative obligation) but also that the States adopt all the appropriate measures to protect and preserve the right to life (positive obligation)“.245

bb) Schutzpflichten nach Art. 5 AMRK (Recht auf menschenwürdige Behandlung) Eine Schutzpflicht hinsichtlich des Rechts auf menschenwürdige Behandlung nach Art. 5 AMRK wurde im Fall Pueblo Bello Massacre v. Colombia festgestellt.246

243 IACtHR, Case of Heliodoro Portugal v. Panama, Urt. v. 12. 08. 2008, Ser. C no. 186, Ziff. 142 ff.; IACtHR, Case of Juan Humberto Sánchez v. Honduras, Urt. v. 07. 06. 2003, Ser. C no. 99, Ziff. 144 ff.; IACtHR, Case of Valle Jaramillo et al. v. Colombia, Urt. v. 27. 11. 2008, Ser. C no. 192, Ziff. 98 ff. 244 IACtHR, Case of 19 Merchants v. Columbia, Urt. v. 05. 07. 2004, Ser. C no. 109, Ziff. 153; IACtHR, Case of the Pueblo Bello Massacre v. Colombia, Urt. v. 31. 01. 2006, Ser. C no. 140, Ziff. 140; IACtHR, Case of the „Street Children“ (Villagran-Morales et al.) v. Guatemala, Urt. v. 19. 11. 1999, Ser. C no. 63, Ziff. 139, 147; IACtHR, Case of Huilca-Tecse v. Peru, Urt. v. 03. 03. 2005, Ser. C no. 121, Ziff. 66; IACtHR, Case of Juan Humberto Sánchez v. Honduras, Urt. v. 07. 06. 2003, Ser. C no. 99, Ziff. 110; IACtHR, Case of the Yakye Axa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 17. 06. 2005, Ser. C no. 125, Ziff. 162. 245 IACtHR, Case of Kawas-Fernández v. Honduras, Urt. v. 03. 04. 2009, Ser. C no. 196, Ziff. 74 f. 246 IACtHR, Case of the Pueblo Bello Massacre v. Colombia, Urt. v. 31. 01. 2006, Ser. C no. 140, Ziff. 140.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

105

cc) Schutzpflichten nach Art. 7 AMRK (Recht auf persönliche Freiheit) Das Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art. 7 AMRK ist nach Feststellung des Gerichtshofes in den Fällen Gómez-Paquiyauri Brothers v. Peru und Juan Humberto Sánchez v. Honduras ebenfalls mit staatlichen Schutzpflichten verbunden.247 dd) Schutzpflichten nach Art. 16 AMRK (Vereinigungsfreiheit) Im Fall Cantoral-Huamaní and García-Santa Cruz v. Peru entschied der IAGMR, dass Art. 16 (Vereinigungsfreiheit) neben Abwehrrechten auch staatliche Schutzpflichten nach sich ziehen kann.248 In seinem Urteil vom 6. Juli 2009 in Escher et al. v. Brazil betont der Gerichtshof erneut, dass „[…] freedom of association also gives rise to positive obligations to prevent attacks against it, to protect those who exercise it, and to investigate violations of this freedom. These positive obligations must be adopted, even in the sphere of relations between individuals, when necessary.“249

ee) Schutzpflichten nach Art. 21 AMRK (Eigentumsrechte) Die Bejahung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf Art. 21 (Eigentumsrechte) ist insofern auffällig, als es sich bisher ausschließlich um Fälle des Eigentumsschutzes indigener Völker handelte.250 Der Gerichtshof führt in Saramaka People v. Suriname aus: „Such protection of property under Article 21 of the Convention, read in conjunction with Articles 1(1) and 2 of said instrument, places upon States a positive obligation to adopt special measures that guarantee members of indigenous and tribal peoples the full and equal exercise of their right to the territories they have traditionally used and occupied.“251

247 IACtHR, Case of the Pueblo Bello Massacre v. Colombia, Urt. v. 31. 01. 2006, Ser. C no. 140, Ziff. 140; IACtHR, Case of Gómez-Paquiyauri Brothers v. Peru, Urt. v. 08. 07. 2004, Ser. C no. 110, Ziff. 91; IACtHR, Case of Juan Humberto Sánchez v. Honduras, Urt. v. 07. 06. 2003, Ser. C no. 99, Ziff. 81. 248 IACtHR, Case of Cantoral-Huamaní and García-Santa Cruz v. Peru, 10. 07. 2007, Order, Ser. C no. 167, Ziff. 144. 249 IACtHR, Case of Escher et al. v. Brazil, Urt. v. 06. 07. 2009, Ser. C no. 200, Ziff. 171. 250 Grundlegend zu den Eigentumsrechten indigener Völker: IACtHR, Case of Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urt. v. 31. 08. 2001, Ser. C no. 79, Ziff. 148 ff. 251 IACtHR, Case of the Saramaka People v. Suriname, Urt. v. 28. 11. 2007, Ser. C no. 172, Ziff. 91.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

d) Rechtsgutachten des IAGMR Im Rahmen seiner bisher 20 veröffentlichten Rechtsgutachten zur AMRK (Advisory Opinions)252 hat sich der IAGMR nur in beschränktem Maß mit der Frage staatlicher Schutzpflichten befasst. Entsprechend seiner Auffassung in den bereits genannten Urteilen, betont der Gerichtshof in seinen Rechtsgutachten Nr. 17 (Advisory Opinion on Juridical Condition and Human Rights of the Child) und Nr. 18 (Advisory Opinion on Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants), dass die AMRK mit Art. 1 Abs. 1 eine Generalklausel enthält, die – obwohl nicht explizit genannt – auch die staatliche Pflicht zum Schutz vor rechtsbeeinträchtigenden Handlungen durch Dritte („third parties“) umfasse.253 Ausdrücklich verweist er erneut auf seine Rechtsprechung im oben genannten Fall VelásquezRodríguez v. Honduras.254 Darüber hinaus stellt er ergänzend fest, dass insbesondere diskriminierende Akte Dritter staatliche Schutzpflichten mit sich bringen können.255 e) Zwischenergebnis Obwohl der IAGMR erst in einer überschaubaren Verfahrenszahl die Möglichkeit hatte, staatliche Schutzpflichten zu konkretisieren, so fallen doch gewisse Parallelen zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auf. Dies ist nicht verwunderlich, da sich die AMRK nicht nur in ihrer Entstehung an die EMRK angelehnt hat, sondern auch der IAGMR regelmäßig auf die Rechtsprechung des EGMR verweist und sich darauf bezieht.256 Von besonderer Bedeutung ist die Anlehnung des IAGMR an den EGMR hinsichtlich der Einstufung der jeweiligen Konvention als „living instrument“.257 Auch die grundsätzlichen Schutzpflichten der AMRK ähneln denen der EMRK. Der IAGMR hat verbindlich festgestellt, dass die Amerikanische Menschenrechtskonvention neben Abwehrrechten auch positive Schutzpflichten in Bezug auf Handlungen Dritter enthält. Aufbauend auf Art. 1 252

cfm. 253

Stand: 30. Juni 2010. Rechtsgutachten verfügbar unter: www.corteidh.or.cr/opiniones.

IACtHR, Advisory Opinion OC-17/02 v. 28. 08. 2002, Juridical Condition and Human Rights of the Child, Ser. A no. 17, Ziff. 87. 254 IACtHR, Advisory Opinion OC-18/03 v. 17. 09. 2003, Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants, Ser. A no. 18, Ziff. 141. 255 „This implies the special obligation to protect that the State must exercise with regard to acts and practices of third parties who, with its tolerance or acquiescence, create, maintain or promote discriminatory situations.“, IACtHR, Advisory Opinion OC-18/03 v. 17. 09. 2003, Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants, Ser. A no. 18 , Ziff. 104. 256 Siehe beispielsweise: IACtHR, Case of the Pueblo Bello Massacre v. Colombia, Urt. v. 31. 01. 2006, Ser. C no. 140, Ziff. 124 (in Bezug auf Art. 2 EMRK); IACtHR, Case of HuilcaTecse v. Peru, Urt. v. 03. 03. 2005, Ser. C no. 121, Ziff. 76, 77 (in Bezug auf Art. 11 EMRK). 257 IACtHR, Case of Gómez-Paquiyauri Brothers v. Peru, Urt. v. 08. 07. 2004, Ser. C no. 110, Ziff. 165; IACtHR, Case of Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urt. v. 31. 08. 2001, Ser. C no. 79, Ziff. 146; IACtHR, Case of the Yakye Axa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 17. 06. 2005, Ser. C no. 125, Ziff. 162.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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Abs. 1 AMRK hat er bislang staatliche Schutzpflichten hinsichtlich der Konventionsrechte aus Art. 4, 5, 7, 16 und 21 AMRK bejaht. Es ist allerdings anzunehmen, dass diese Rechte keine abschließende Aufzählung derjenigen Rechte der AMRK darstellen, zu denen staatliche Schutzpflichten bestehen. Vielmehr ist im Rahmen zukünftiger Rechtsprechung zu erwarten, dass die staatlichen Schutzpflichten durch den Gerichtshof weiter konkretisiert und auf zusätzliche Rechte ausgeweitet werden. Dies gilt insbesondere, da der Gerichtshof selbst ausgeführt hat, über die Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 AMRK seien positive Schutzpflichten für den gesamten Rechtskatalog der AMRK möglich.258 Dies wird jedoch ohne Zweifel vom jeweiligen Recht (Justizgewährungsrechte eignen sich beispielsweise nicht für staatliche Schutzpflichten) und vom Einzelfall abhängig sein. Hinsichtlich Konkretisierung und inhaltlicher Reichweite staatlicher Schutzpflichten ist die EMRK im Vergleich der beiden Konventionen bisher deutlich umfassender durch den EGMR interpretiert worden, als dies im Falle der AMRK durch den IAGMR der Fall ist. 3. Auslegung staatlicher Schutzpflichten durch die Interamerikanische Menschenrechtskommission Vor der Interamerikanische Kommission für Menschenrechte können Beschwerden hinsichtlich der Verletzung von Konventionsrechten nicht nur, wie beim Interamerikanischen Gerichtshof, von Staaten, sondern auch von Individuen im Wege der Individualbeschwerde vorgebracht werden. Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich aus Berichten zu derartigen Individualbeschwerden oder anhand von Staatenberichten Hinweise auf die Sichtweise der Kommission zu staatlichen Schutzpflichten ergeben. a) Individualbeschwerden vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Eine ausführliche Analyse der bisher ca. 13.000 Beschwerden vor der Interamerikanischen Menschenrechtskonvention ist vorliegend nicht möglich. Eine im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte Analyse sämtlicher veröffentlichter Verfahren von Januar 1998 bis Dezember 2009259, bei denen die Kommission zu einer Entscheidung in der Sache gekommen war, hat dagegen folgendes ergeben: Insgesamt bemerkenswert ist, dass sich die Kommission lediglich in einer verschwindend geringen Verfahrenszahl mit Eingriffen Dritter in Konventionsrechte und damit verbundene staatliche Schutzpflichten beschäftigt hat. Die absolute Mehrzahl der Verfahren befasst sich mit direkten staatlichen Eingriffen in Konventionsrechte, wie unrechtmäßige Festnahmen, Verschleppungen durch Polizei258 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4, Ziff. 172. 259 Quelle: www.cidh.oas.org/casos/09.eng.htm.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

kräfte oder Misshandlungen durch paramilitärische Kräfte. Der Grund dafür mag zum einen in der spezifischen Wahrnehmung der Funktion der Konvention durch die Bürger der Mitgliedsstaaten gesehen werden. Auch heute noch wird die AMRK offensichtlich fast ausschließlich als Instrument zur Abwehr direkten staatlichen Handelns verstanden. Vor allem aber impliziert der genannte Umstand, dass die Bürger der Mitgliedsstaaten zur AMRK vor allem mit Widrigkeiten zu kämpfen haben, die von instabilen oder korrupten staatlichen Regimen ausgehen. Die wenigen Fälle, in denen staatliche Schutzpflichten in Bezug auf Handlungen Dritter eine Rolle spielen, befassen sich überwiegend mit Schutzpflichten hinsichtlich Art. 4 (Recht auf Leben) AMRK. So stellt die Kommission beispielsweise in Minors in Detention v. Honduras fest, dass der Vertragsstaat Pflichten zum Schutz des Lebens Minderjähriger vor Angriffen Dritter in Gefängnissen hat.260 In einigen weiteren Fällen wird ebenfalls die Schutzpflicht in Bezug auf das Recht zum Leben betont.261 Die Verfahren, bei denen speziell staatliche Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen eine Rolle spielen, werden ab S. 112 ff. gesondert behandelt. b) Staatenberichte der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Die Kommission betont in ihren Staatenberichten das grundsätzliche Bestehen staatlicher Schutzpflichten aus der AMRK. Unter anderem führt sie in einem Staatenbericht zu Brasilien aus „[…] even where conduct may not initially be directly imputable to a state (for example, because the actor is unidentified or not a state agent), a violative act may lead to state responsibility not because of the act itself, but because of the lack of due diligence to prevent the violation or respond to it as the Convention requires.“262

Damit unterstreicht sie die generelle staatliche Sorgfaltspflicht (due diligence), die auch die Pflicht zum Schutz vor schädigenden Handlungen nicht-staatlicher Akteure umfassen kann. Konkreter geht die Kommission in einem Staatenbericht zu Guatemala auf das Recht auf Leben nach Art. 4 AMRK ein, indem sie auf die staatliche Pflicht hinweist, Individuen vor rechtsverletzenden Eingriffen Dritter zu schützen.263

260

IACHR, Case of Minors in Detention v. Honduras, Entsch. v. 10. 03. 1999, Report no. 41/ 99, Case 10.491, Ziff. 136, 140. 261 IACHR, Case of Leydi Dayan Sanchez v. Columbia, Entsch. v. 23. 07. 2008, Report no. 43/08, Case 12.009, Ziff. 51, 57; IACHR, Case of Sebastiao Camargo Filho v. Brazil, Entsch. v. 19. 05. 2009, Report no. 25/09, Case 12.310, Ziff. 77. 262 IACHR, Report on the Situation of Human Rights in Brazil, OEA/Ser.L/V/II.97, Doc. 29, rev.1, 29. 09. 1997, Chapter VIII, Ziff. 30. 263 IACHR, Report on the Situation of Human Rights in the Republic of Guatemala, OEA/ Ser.L/V/II.53, Doc. 21, rev. 2, 13. 10. 1981, Chapter II, Ziff. 10.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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c) Zwischenergebnis Wie deutlich wurde, hat sich die Kommission bislang weniger intensiv mit staatlichen Schutzpflichten beschäftigt als der IAGMR. Dennoch ist aus den bisherigen Individualbeschwerdeverfahren und vereinzelten Staatenberichten abzulesen, dass auch die Kommission das Bestehen staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf Handlungen Dritter annimmt.

IV. Spezifische Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen Nachdem das Bestehen von staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich einzelner Rechte im Rahmen der AMRK insbesondere durch den IAGMR bejaht wurde, stellt sich die Frage, ob die staatlichen Pflichten auch den Schutz vor den Aktivitäten privater Unternehmen umfassen. 1. Auslegung durch den IAGMR Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich bislang noch in keinem einzigen Urteil und in keiner Entscheidung grundsätzlich mit staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten nationaler oder transnationaler Unternehmen befasst. Zwar betont er, wie oben ausgeführt, in mehreren Fällen die Möglichkeit einer staatlichen Schutzpflichtverletzung bei Eingriffen Privater („nonstate-actors“264, „third parties“265) in Konventionsrechte. Jedoch werden Wirtschaftsunternehmen („Company(ies)“, „Corporation(s)“ oder „Enterprise(s)“) an keiner Stelle als mögliche in Konventionsrechte eingreifende Subjekte genannt. Vereinzelt gehen lediglich einzelne Richter in Sondervoten auf mögliche Eingriffe in Konventionsrechte durch private (trans-)nationale Unternehmen ein. So äußert sich beispielsweise Richter García-Ramírez in seinem Sondervotum zum Fall Tibi v. Ecuador bezugnehmend auf das 25jährige Bestehen des Interamerikanischen Gerichtshofs zu verschiedenen grundsätzlichen rechtlichen Aspekten des Falles, bei dem der Edelsteinhändler Daniel Tibi wegen des Verdachtes des Rauschgifthandels über 18 Monate von peruanischen Polizeibeamten gefangen gehalten, gefoltert sowie enteignet worden war. Hinsichtlich der Rechts auf Eigentum (Art. 21 AMRK) führte Richter García-Ramírez aus „Would the rights of a member of an indigenous community […] be excluded from protection of Article 21? Certainly not. […] Would the rights of an individual in regards to a 264

IACtHR, Case of Valle Jaramillo et al. v. Colombia, Urt. v. 27. 11. 2008, Ser. C no.192, Ziff. 139. 265 IACtHR, Case of 19 Merchants v. Columbia, Urt. v. 05. 07. 2004, Ser. C no. 109, Ziff. 183; IACtHR, Case of Escher et al. v. Brazil, Urt. v. 06. 07. 2009, Ser. C no. 200, Ziff. 113.

110

2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

commercial company which, in turn, owned a certain property, be excluded from said protection? They would not either.“266

Eine weitere Vertiefung dieser Problematik erfolgte nicht. Einzig in einigen Fällen im Kontext von Umweltbeeinträchtigungen hat sich der IAGMR mit privaten Unternehmensaktivitäten beschäftigt, die nachfolgend aufgezeigt werden sollen. a) Relevante Verfahren vor dem IAGMR In den Fällen Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua267 und Saramaka People v. Suriname268 wurden Abholzungs- bzw. Minenkonzessionen durch staatliche Stellen an private Unternehmen vergeben. Der Gerichtshof führt dazu unter anderem aus: „In conclusion, the Court considers that the logging concessions issued by the State in the Upper Suriname River lands have damaged the environment and the deterioration has had a negative impact on lands and natural resources traditionally used by members of the Saramaka people that are, in whole or in part, within the limits of the territory to which they have a communal property right. The State failed to carry out or supervise environmental and social impact assessments and failed to put in place adequate safeguards and mechanisms in order to ensure that these logging concessions would not cause major damage to Saramaka territory and communities […] All of the above constitutes a violation of the property rights of the members of the Saramaka people recognized under Article 21 of the Convention, in connection with Article 1.1 of said instrument.“269

Anders als beispielsweise im Fall Öneryildiz v. Türkei270 vor dem EGMR geht es hierbei jedoch nicht um Eingriffe in Konventionsrechte durch Unternehmen, die der Staat hätte unterbinden müssen. Der IAGMR betont in dem oben zitierten Urteilsauszug, dass die ungeprüfte Konzessionsvergabe die eigentliche Konventionsverletzung darstellt (the logging concessions issued by the State […] have damaged the environment). Insofern kann in diesen Fällen nicht von typischen Schutzpflichtfällen hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen gesprochen werden, da nicht ein Unterlassen, sondern die aktiven Handlungen des Staates gerügt werden.271 Im Fall 266 IACtHR, Separate Concurring Opinion of Judge Sergio García-Ramírez to the Judgment of the Inter-American Court of Human Rights in the Case of Tibi v. Ecuador, Urt. v. 07. 09. 2004, Ser. C no. 114, Annex, Ziff. 84; vgl. auch Sondervotum von Richter Alirio Abreu Burelli in: IACtHR, Advisory Opinion OC-18/03 v. 17. 09. 2003, Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants, Ser. A no. 18, Annex, Kapitel IV. 267 IACtHR, Case of Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urt. v. 31. 08. 2001, Ser. C no. 79. 268 IACtHR, Case of the Saramaka People v. Suriname, Urt. v. 28. 11. 2008, Ser. C no. 172. 269 IACtHR, Case of the Saramaka People v. Suriname, Urt. v. 28. 11. 2008, Ser. C no. 172, Ziff. 154; im Ergebnis ähnlich: IACtHR, Case of Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urt. v. 31. 08. 2001, Ser. C no. 79, Ziff. 153. 270 Siehe S. 58. 271 Vgl. ähnlich gelagerte Fälle: IACtHR, Case of López-Álvarez v. Honduras, Urt. v. 01. 02. 2006, Ser. C no. 141; IACtHR, Case of the Pueblo Bello Massacre v. Colombia, Urt. v. 31. 01.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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Claude-Reyes et al. v. Chile bejahte der IAGMR die Verletzung staatlicher Pflichten hinsichtlich eines umweltbeeinträchtigenden Abholzungsprojektes unter Beteiligung privater Unternehmen ohne aber einen Eingriff in Konventionsrechte durch diese Unternehmen zu thematisieren.272 Inhaltlich ging es vielmehr um den Vorwurf an den Staat, der es unterlassen hatte, den betroffenen Bürger ausreichend Informationen zu dem Projekt zur Verfügung zu stellen. b) Rechtsgutachten des IAGMR Keines der bislang 20 Rechtsgutachten des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat sich explizit mit dem Thema Wirtschaft und Menschenrechte befasst oder die Frage staatlicher Schutzpflichten diesbezüglich ausführlich thematisiert.273 Zumeist wird in den Gutachten lediglich undifferenziert auf die Möglichkeit von Schutzpflichtverletzungen in Bezug auf „private third parties“, nicht aber konkret auf Unternehmen verwiesen.274 Im Hinblick auf das häufig öffentlich diskutierte Thema der Kinderarbeit gibt Rechtsgutachten Nr. 17 Hinweise auf mögliche Schutzpflichten in Bezug auf Wirtschaftsaktivitäten. So heißt es in dem Gutachten „States Party to the American Convention are under the obligation, pursuant to Articles 19 (Rights of the Child) and 17 (Rights of the Family), in combination with Article 1(1) of this Convention, to adopt all positive measures required to ensure protection of children against mistreatment, whether in their relations with public authorities, or in relations among individuals or with non-governmental entities.“275

Derartige „non-governmental entities“ können zweifelsohne beispielsweise private Schuleinrichtungen sein, es ist jedoch ebenso gut denkbar, dass der IAGMR damit Fälle von Kinderarbeit im unternehmerischen Umfeld vor Augen hatte. Im Hinblick auf das Verhältnis von Arbeitnehmern zu privaten Arbeitgebern und damit konsequenterweise auch zu privaten Unternehmen betont der IAGMR staatliche Pflichten zum Schutz grundlegender Arbeitnehmerrechte in Rechtsgutachten Nr. 18 (Advisory Opinion on Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants).276 Keines dieser Rechtsgutachten wurde bisher durch einen Mitgliedsstaat der AMRK kommentiert. 2006, Ser. C no. 140; IACtHR, Case of the Sawhoyamaxa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 29. 03. 2006, Ser. C no. 146. 272 IACtHR, Case of Claude-Reyes et al. v. Chile, Urt. v. 19. 09. 2006, Ser. C no. 151. 273 Rechtsgutachten verfügbar unter: www.corteidh.or.cr/opiniones.cfm. 274 Siehe beispielsweise: IACtHR, Advisory Opinion OC-18/03 v. 17. 09. 2003, Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants, Ser. A no. 18, Ziff. 104. 275 IACtHR, Advisory Opinion OC-17/02 v. 28. 08. 2002, Juridical Condition and Human Rights of the Child, Ser. A no. 17, Ziff. 87. 276 IACtHR, Advisory Opinion OC-18/03 v. 17. 09. 2003, Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants, Ser. A no. 18, Ziff. 140, 147 f.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

c) Zwischenergebnis Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich der IAGMR bislang noch nicht vertieft mit der Frage staatlicher Pflichten zum Schutz vor den Aktivitäten privater Unternehmen beschäftigt hat. Mit verbindlicher Wirkung für die Mitgliedsstaaten hat er lediglich festgestellt, dass die staatliche Pflicht zur Wahrung der in der AMRK statuierten Rechte gemäß Art. 1 Abs. 1 AMRK auch den Schutz vor Eingriffen durch nicht-staatliche Akteure umfassen kann. Da der Gerichtshof keine Differenzierung hinsichtlich jener möglichen nicht-staatlichen Akteure vornimmt und in einigen Rechtsgutachten gar explizit Schutzpflichten in Bezug auf private Arbeitgeber annimmt, kann und muss zum jetzigen Stand gefolgert werden, dass staatliche Schutzpflichten im Rahmen der AMRK sämtliche nicht-staatlichen Akteure umfassen können und damit je nach Fallkonstellation auch hinsichtlich privater Unternehmen gelten. Es stellt sich als Konsequenz die Frage, ob die durch den IAGMR konkretisierten Schutzpflichten aus Art. 4, 5, 7, 16 und 21 AMRK einer sachlichen Differenzierung in Bezug auf private Unternehmen unterliegen. Mit anderen Worten: haben die Staaten in den Fällen privater Unternehmen eine besonders ausgeprägte Schutzpflicht gegenüber der Schutzpflicht bei natürlichen Personen? Dies wäre dann der Fall, wenn der IAGMR eine solche Differenzierung in seinen Urteilen verbindlich festgestellt hätte. Da dies hingegen auch nicht ansatzweise erfolgt ist, muss gefolgert werden, dass staatliche Schutzpflichten aus der AMRK zumindest in den Fällen der Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 4, 5, 7, 16 und 21 AMRK auch hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen gelten. Es ist ferner davon auszugehen, dass der IAGMR die bereits im oben genannten Rechtsgutachten Nr. 17277 festgestellten staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich der Ausbeutung von Kindern (Art. 17, Schutz der Familie, i.V.m. Art. 19, Rechte des Kindes) im Urteilswege künftig ebenso mit verbindlicher Wirkung in Bezug auf private Unternehmen für die Mitgliedsstaaten festlegen wird wie die in Rechtsgutachten Nr. 18278 genannten Arbeitnehmerrechte. 2. Auslegung durch die Interamerikanische Menschenrechtskommission In einigen wenigen Entscheidungen hat sich die Kommission zumindest mittelbar mit der Frage staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf Unternehmensaktivitäten beschäftigt. Ähnlich wie beim IAGMR handelt es sich in der Mehrzahl dieser Fälle

277

IACtHR, Advisory Opinion OC-17/02 v. 28. 08. 2002, Juridical Condition and Human Rights of the Child, Ser. A no. 17, Ziff. 87. 278 IACtHR, Advisory Opinion OC-18/03 v. 17. 09. 2003, Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants, Ser. A no. 18, Ziff. 140, 147 f.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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um Eingriffe in die Eigentumsrechte indigener Bevölkerungsgruppen durch staatliche Konzessionsvergaben an private Unternehmen.279 a) Individualbeschwerden vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission So bejahte die Kommission beispielsweise im Fall Maya Indigenous Communities of the Toledo District v. Belize eine Verletzung der Eigentumsrechte der indigenen Bevölkerung und führt aus „The State further violated the right to property […] to the detriment of the Maya people, by granting logging and oil concessions to third parties to utilize the property and resources that could fall within the lands […]“280

Auffällig ist erneut, dass auch die Kommission dazu tendiert, selbst in evidenten Fällen wie diesem von „third parties“ und nicht konkret von Unternehmen zu sprechen. In einer Reihe weiterer ähnlich gelagerter Fälle sah die Kommission ebenfalls Konventionsverletzungen durch die Vertragsstaaten281, wobei auch hier angemerkt sei, dass es sich bei den Konzessionsfällen nicht um Fälle staatlicher Schutzpflichtverletzungen im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um direktes Fehlverhalten staatlicher Stellen handelt. Es fällt weitergehend auf, dass die Kommission etwa seit 2004 auch Fälle zumindest für zulässig erklärt, in denen spezifische Konventionsrechtsverletzungen durch staatliches Unterlassen trotz bestehender Schutzpflichten in Bezug auf unternehmerische Aktivitäten gerügt werden. In einem Fall betreffend die Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern führt die Kommission aus „Although the State alleges that the acts referred to by the union members were perpetrated by a private company, the Commission has the authority to review the case with regard to action by the state, on the basis of the acts of its judicial authorities and the alleged lack of guarantees offered by the jurisdictional organs.“282 [Hervorhebung durch Verfasser]

und bejaht somit die grundsätzliche Möglichkeit einer staatlichen Schutzpflichtverletzung in Fällen von Eingriffen in die Vereinigungsfreiheit (Art. 16 AMRK) durch Unternehmen. In einem weiteren Fall bejahte die Kommission die grundsätzliche Möglichkeit von staatlichen Schutzpflichtverletzungen in Fällen von 279

Siehe hierzu auch: Anicama, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the Inter-American Human Rights System, S. 14 ff. 280 IACHR, Case of the Maya Indigenous Communities of the Toledo District v. Belize, Entsch. v. 12. 10. 2004, Report No. 40/04, Case 12.053, Ziff. 194. 281 Siehe stellvertretend: IACHR, Case of the Community San Mateo de Huanchor and its members v. Peru, Entsch. zur Zulässigkeit v. 15.101.2004, Report 69/04, Case 504/03. 282 IACHR, Case of Workers Belonging to the „Association of Fertilizer Workers“ (FERTICA) Union v. Costa Rica, Entsch. zur Zulässigkeit v. 02. 03. 2006, Report no. 21/06, Case 2893 – 02, Ziff. 31.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Diskriminierungen bei Arbeitsplatzvergaben durch private Arbeitgeber.283 Schließlich bejahte die Kommission in einem anderen Verfahren die grundsätzliche Möglichkeit der Eingriffe in Konventionsrechte aus Art. 4 (Right to Life), Art. 5 (Right to Humane Treatment) und Art. 7 (Right to Personal Liberty) durch private Erdölunternehmen.284 b) Staatenberichte der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Bislang sind in keinem Staatenbericht grundsätzliche Hinweise durch die Kommission abgegeben worden, die das Verhältnis staatlicher Schutzpflichten gegenüber privaten Unternehmen eindeutig klarstellen bzw. konkretisieren. Allerdings nimmt die Kommission in ihrem Staatenbericht zu Ecuador umfassend Stellung zu den umweltschädigenden Auswirkungen privatwirtschaftlicher Erdölgewinnung in Ecuador und den menschenrechtsbeeinträchtigenden Effekten für die indigene Bevölkerungsgruppen.285 c) Zwischenergebnis Insgesamt ist seit etwa 2004 eine wachsende Tendenz zur Bejahung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf unternehmerische Aktivitäten durch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte zu vermerken. Insbesondere im Hinblick auf Art. 4, 5, 7, 16 AMRK gibt die Kommission in einigen Berichten zu Individualbeschwerden zu erkennen, dass sie, ebenso wie der IAGMR, staatliche Schutzpflichten nicht nur bei natürlichen Personen, sondern auch beim Handeln privater Unternehmen anzunehmen bereit ist. 3. Zusammenfassung und Analyse der staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf die Aktivitäten privater Unternehmen Nach der bisherigen Analyse kann festgehalten werden, dass sowohl der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte, als auch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte das Bestehen staatlicher Schutzpflichten im Hinblick auf Handlungen Privater bejahen. Hinsichtlich der Schutzpflichten Privater kann weder beim IAGMR noch bei der Kommission eine besondere Differenzierung staatlicher Schutzpflichten bei natürlichen und bei juristischen Personen ausgemacht 283 IACHR, Case of Neusa Dos Santos Nascimento and Gisele Ana Ferreira v. Brazil, Entsch. zur Zulässigkeit v. 21. 10. 2006, Report no. 84/06, Case 1068 – 03. 284 IACHR, Case of the Kichwa Peoples of the Sarayaku Community and its Members v. Ecuador, Entsch. zur Zulässigkeit v. 13. 10. 2004, Report no. 62/04, Case 167/03; vgl. auch den Fall des Profitierens eines privaten Unternehmens von staatlichen Misshandlungen: IACHR, Case of the „Calotto“ Massacre v. Colombia, Entsch. v. 13. 04. 2000, Report no. 36/00, Case 11.101, Ziff. 44. 285 IACHR, Report on the Situation of Human Rights in Ecuador, OEA/Ser.L/V/II.96, Doc. 10 rev. 1, 24. 04. 1997.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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werden. Vielmehr gelten die bislang durch den IAGMR konkret festgestellten Schutzpflichten der Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 4, 5, 7, 16 und 21 AMRK gleichermaßen hinsichtlich der Handlungen natürlicher wie auch juristischer Personen. Das individuelle Schutzpflichtmaß ergibt sich abhängig von der spezifischen Einzelsituation, dem Kenntnisstand der staatlichen Stellen und der unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes adäquaten Handlungsoptionen.

V. Räumlicher Geltungsbereich und extraterritoriale Anwendung der AMRK im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten Basierend auf den Ergebnissen der bisherigen Analyse und der Schlussfolgerung, dass der IAGMR sowie die Interamerikanische Kommission das grundsätzliche Bestehen von staatlichen Schutzpflichten bejahen und dies auch die Aktivitäten privater Unternehmen umfasst, stellt sich im Kontext der vorliegenden Arbeit nachfolgend die Frage nach dem räumlichen Geltungsbereich derartiger Schutzpflichten. Insbesondere gilt es zu prüfen, ob sich staatliche Schutzpflichten auch auf die grenzüberschreitenden Aktivitäten transnationaler Unternehmen erstrecken. 1. Territorialität als Basis des räumlichen Geltungsbereichs der AMRK Ähnlich wie Art. 1 EMRK legt Art. 1 Abs. 1 AMRK den räumlichen Geltungsbereich der Konvention anhand des Hoheitsbereiches („subject to their jurisdiction“) fest. Es ist evident, dass sich dies zunächst auf das jeweilige Territorium der Mitgliedsstaaten zur AMRK bezieht. Auffällig ist allerdings, dass trotz gegebener Möglichkeit nicht auf das eigene Territorium abgestellt wurde, sondern eben jene Begrifflichkeit gewählt wurde, die bereits vom EGMR unter bestimmten Umständen als über das eigene Territorium hinausgehend interpretiert worden ist. Ob die Schutzpflichten der Mitgliedsstaaten zur AMRK unter bestimmten Umständen ebenfalls über ihre Territorialgrenzen hinausreichen, muss wiederum anhand der auslegenden Entscheidungen und Berichte durch IAGMR und Kommission untersucht werden. 2. Ausnahmen vom reinen Territorialitätsgrundsatz a) Auslegung durch den IAGMR Aktuell hat sich der IAGMR noch in keinem einzigen Urteil mit der Frage der extraterritorialen Reichweite der AMRK befasst. Einzig Richter García-Ramírez gibt in einem Sondevotum einen Hinweis auf den räumlichen Geltungsbereich, indem er ausführt

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

„It is indeed the task of the State – as it derives from its origin and justification – to preserve the rights of every person subject to its jurisdiction, which is a broad concept that for sure goes beyond territorial issues, in compliance with the actions and omissions that best serve to this protection in order to favor the enjoyment and exercise of the rights.“286

Darüber hinaus finden sich von Seiten des IAGMR weder in Urteilen, noch in Rechtsgutachten Hinweise auf den räumlichen Geltungsbereich der AMRK. b) Auslegung durch die Interamerikanische Kommission Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat in begrenztem Maße Hinweise zum räumlichen Anwendungsbereich der AMRK gegeben. Im Fall Coard et al. v. The United States of America rügen 17 Bürger Grenadas, sie seien 1983 bei der großangelegten US-Militäroperation von US-Einheiten 9 – 12 Tage lang gefangen gehalten und misshandelt worden. Die Interamerikanische Kommission bejahte die räumliche Geltung der AMRK mit der wegweisenden Begründung „[…] the Commission finds it pertinent to note that, under certain circumstances, the exercise of its jurisdiction over acts with an extraterritorial locus will not only be consistent with but required by the norms which pertain. […] Given that individual rights inhere simply by virtue of a person’s humanity, each American State is obliged to uphold the protected rights of any person subject to its jurisdiction. While this most commonly refers to persons within a state’s territory, it may, under given circumstances, refer to conduct with an extraterritorial locus where the person concerned is present in the territory of one state, but subject to the control of another state – usually through the acts of the latter’s agents abroad. In principle, the inquiry turns not on the presumed victim’s nationality or presence within a particular geographic area, but on whether, under the specific circumstances, the State observed the rights of a person subject to its authority and control.“287 [Hervorhebungen durch Verfasser].

In lediglich zwei weiteren der untersuchten Fälle thematisiert die Kommission die extraterritoriale Geltung der AMRK in Situationen von „authority and control“ durch einen Konventionsstaat.288 Sie zieht dabei Parallelen zum Fall Zypern v. Türkei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte289, bei dem der EGMR Juris286 IACtHR, Reasoned Opinion of Judge Sergio García-Ramírez to the Judgment of the Inter-American Court of Human Rights in the Case of Ximenes-Lopes v. Brazil, Urt. v. 04. 07. 2006, Ser. C no. 149, Annex, Ziff. 3. 287 IACHR, Case of Coard et al. v. The United States of America, Entsch. v. 29. 09. 1999, Report no. 109/99, Case 10.951, Ziff. 37; zu diesem Fall auch: Gondek, NILR 349, 381 – 382 (2005). 288 IACHR, Case of Armando Alejandre Jr., Carlos Costa, Mario de la Pena and Pablo Morales v. Cuba, Entsch. v. 29. 09. 1999, Report no. 86/99, Case 11.589, Ziff. 23; IACHR, Precautionary Measures on behalf of the detainees being held by the United States at Guantanamo Bay, Cuba, Annual Report 2002, 07. 03. 2003, Chapter III, OEA/Seer.L/V/II.117, Doc. 1, rev. 1, Ziff. 80; zum Thema „authority and control“ der Interamerikanischen Kommission siehe auch: Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, 2006, S. 8 – 10. 289 EGMR, Cyprus v. Turkey [GC], Urt. v. 10. 05. 2001, ECHR 2001-IV, 2.

B. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention

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diktion aufgrund von „effektiver Kontrolle“ bejaht hatte.290 Darüber hinaus hat sich die Kommission noch nicht näher mit der Frage der extraterritorialen Reichweite der AMRK befasst. 3. Bedeutung für die extraterritoriale Jurisdiktion über transnational operierende Unternehmen Da sich der IAGMR noch nicht inhaltlich mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs der AMRK befasst hat, ist auch der Aspekt der extraterritorialen Schutzpflichterstreckung zum jetzigen Zeitpunkt noch ungeklärt. Zwar hat die Kommission in deutlicher Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR betont, dass sie in Fällen von „authority and control“ die extraterritoriale Geltung der AMRK anzunehmen bereit ist. Jedoch haben die Berichte und Entscheidungen der Kommission, wie oben dargestellt, keine verbindliche Wirkung und dienen somit nicht als „Übung“ zur Auslegung der AMRK im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK. Selbst wenn der IAGMR die vorliegende Auffassung der Kommission teilen würde, wären zahlreiche Fragen ungeklärt: Unter welchen konkreten Umständen kann von effektiver Kontrolle ausgegangen werden (Hoheitsmacht über einzelne Personen und/oder militärische Kontrolle)? Würde die AMRK nur innerhalb der amerikanischen „espace juridique“ Wirkung entfalten? Würde auf fremdem Territorium ein differenziertes Schutzpflichtmaß gelten? Mangels eindeutiger extraterritorialer Schutzpflichtzuweisung durch den IAGMR bzw. eines dahingehenden Staatenkonsenses und angesichts der herausragenden Bedeutung des Souveränitätsprinzips muss als völkerrechtliche Konsequenz festgehalten werden, dass die AMRK nach dem Willen ihrer Mitgliedsstaaten bislang keine staatliche Pflicht zum Schutz der Konventionsrechte außerhalb des jeweiligen Staatsterritoriums begründet. Damit trifft die Konventionsstaaten auch keine Pflicht, die in ihnen beheimateten transnational operierenden Unternehmen für deren extraterritoriale Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Letztlich ist auch die Frage ungeklärt, ob die Staaten zumindest verpflichtet sind, transnationale Unternehmen für deren nationale Leitungsentscheidungen, die wiederum zu Menschenrechtsverletzungen im Ausland führen können, zur Rechenschaft zu ziehen. Auch dieser Aspekt bedarf der zukünftigen Klärung durch den IAGMR.

VI. Endergebnis Insgesamt kann festgestellt werde, dass die AMRK nach Auslegung durch den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und die Interamerikanische 290 IACHR, Case of Armando Alejandre Jr., Carlos Costa, Mario de la Pena and Pablo Morales v. Cuba, Entsch. v. 29. 09. 1999, Report no. 86/99, Case 11.589, Ziff. 24; vgl. zur extraterritorialen Anwendung der AMRK auch Cerna, CHRGJ Working paper No. 6, 2006.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Kommission für Menschenrechte neben reinen Abwehrrechten auch staatliche Schutzpflichten in Bezug auf die Aktivitäten privater Akteure beinhaltet. Derartige Schutzpflichten ergeben sich nach Auffassung des IAGMR insbesondere hinsichtlich Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 4 (Recht auf Leben), 5 (Recht auf menschenwürdige Behandlung), 7 (Recht auf persönliche Freiheit), 16 (Vereinigungsfreiheit) und 21 (Eigentumsrechte) AMRK und gegebenenfalls auch hinsichtlich Art. 17 (Schutz des Familienlebens) und 19 (Rechte des Kindes) AMRK. Die staatliche Pflicht zum Schutz gilt gleichermaßen in Bezug auf natürliche wie auch auf juristische Personen und damit auch im Hinblick auf private Unternehmen. Jedoch sind inhaltliche Reichweite und Konkretisierungsgrad dieser Schutzpflichten gerade im Zusammenhang mit unternehmerischen Aktivitäten noch ungeklärt und im Vergleich zur EMRK deutlich weniger weit herausgearbeitet. Hinsichtlich der extraterritorialen Geltung der AMRK und damit etwaiger extraterritorialer Schutzpflichten hat sich der Interamerikanische Gerichtshof noch nicht geäußert. Die Interamerikanische Kommission lässt in den wenigen Fällen, in denen sie sich mit dieser Frage befasst, erkennen, dass sie die extraterritoriale Geltung der AMRK in Gebieten, in denen ein Konventionsstaat effektive Kontrolle („authority and control“) ausübt, annimmt. Es ist jedoch in Ermangelung verbindlicher Aussagen des IAGMR im Hinblick auf transnational operierende Unternehmen abschließend festzuhalten, dass die AMRK die Konventionsstaaten bislang nicht verpflichtet, „ihre“ transnationalen Unternehmen für extraterritoriale Verwicklungen in Menschenrechtsverletzungen zu sanktionieren.

C. Die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker Am 27. Juni 1981 wurde in Nairobi, Kenia, im Rahmen einer Versammlung der Regierungen der 1963 gegründeten Organisation für Afrikanische Einheit (Organisation for African Unity, OAU) die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker (AfrMRC oder auch Banjul-Charta) unterzeichnet.291 Sie trat am 21. Oktober 1986 in Kraft. Neben der EMRK und der AMRK stellt sie die dritte große regionale Menschenrechtskonvention dar, der mittlerweile sämtliche 53 Mitgliedsstaaten der aus der OAU hervorgegangenen Afrikanischen Union (African Union, AU)292 beigetreten sind.293 Die AfrMRC orientiert sich verfahrensrechtlich an der EMRK vor Inkrafttreten des 11. Zusatzprotokolls sowie an der AMRK. Gemessen an der Gesamtzahl der Vertragsparteien ist sie die größte existierende regionale Menschenrechtskonvention. Darüber hinaus gewährleistet sie von allen re291 African Charter on Human and People’s Rights, 27. 06. 1981, 21 ILM 59 (1982); zur Entstehungsgeschichte der AfrMRC siehe: Mbaya, in Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 54 ff. 292 Informationen zur AU unter: www.africa-union.org. 293 Vertiefend zur AU und zur OAU: Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 138 f.

C. Die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker

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gionalen Menschenrechtskonventionen zumindest in formeller Hinsicht die größte Bandbreite an Rechten. So beinhaltet sie in Teil I („Rechte und Pflichten“) zum einen die klassischen Fundamentalrechte wie das Recht auf Leben (Art. 4) und das Recht auf Freiheit (Art. 6). Zum anderen umfasst sie Justizgewährungsrechte (Art. 7), politische und bürgerliche Freiheitsrechte wie die Gewissens-, Berufs- und Religionsfreiheit (Art. 8) und insbesondere auch kulturelle, soziale und wirtschaftliche Rechte wie das Recht auf Bildung (Art. 17 Abs. 1) und das Recht auf körperliche und geistige Gesundheit (Art. 16 Abs. 1). Darüber hinaus beinhaltet die AfrMRC auch Kollektivrechte wie das Existenz- und Selbstbestimmungsrecht der Völker (Art. 20 Abs. 1), das Recht der Völker auf Entwicklung (Art. 22 Abs. 1) sowie das Recht auf eine gesunde Umwelt (Art. 24). Damit ist die AfrMRC die einzige regionale Menschenrechtskonvention, die Menschenrechte aller „drei Generationen“ schützt. Ein weiteres Spezifikum der AfrMRC besteht darin, dass sie neben Rechten auch Individualpflichten zuordnet. So ist der Einzelne gemäß Art. 27 gegenüber seiner Familie, der Gesellschaft, dem Staat und der internationalen Gemeinschaft unter anderem verpflichtet, Mitbürger nicht zu diskriminieren (Art. 28), die harmonische Entwicklung der Familie zu fördern (Art. 29 Nr. 1), seine Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen (Art. 29 Nr. 2), Steuern zu zahlen (Art. 29 Nr. 6) sowie die afrikanische Kultur und Einheit zu fördern (Art. 29 Nr. 7, 8). Die große Bandbreite der geschützten Rechte korrespondiert allerdings – wie noch verdeutlicht werden wird – nicht mit der schwach ausgeprägten verfahrensrechtlichen Effektivität des durch die AfrMRC gewährleisteten Menschenrechtsschutzes.294

I. Organe der Afrikanischen Menschenrechtskonvention Konventionsorgane sind die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker und der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker. 1. Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker Die 11 Mitglieder umfassende Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (African Commission mit Sitz in Banjul, Gambia) nahm ihre Arbeit am 2. November 1987 auf.295 Ihre Errichtung, Funktion und Aufgaben ergeben sich aus Art. 30 ff. AfrMRC. Grundsätzlich hat sie die Aufgabe, die Rechte der Menschen und Völker zu schützen und zu fördern (Art. 45 Abs. 1). Daneben ist sie zuständig für Staatenbeschwerden. Art. 47 ff. AfrMRC sehen dazu ein Verfah294

Einführend zur AfrMRC: Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 452 ff.; Kempen/ Hillgruber, Völkerrecht, S. 319 ff.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 394 ff. 295 Informationen zur Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker unter: www.achpr.org.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

renssystem vor, wonach sich jeder Vertragsstaat mit der Behauptung an die Kommission wenden kann, ein anderer Vertragsstaat habe Konventionsrechte verletzt. Daraufhin erarbeitet die Kommission einen vertraulichen Bericht, der an die beteiligten Staaten sowie an die Versammlung der Staats- und Regierungschefs der AU weitergeleitet wird (Art. 52). Jene entscheidet im Anschluss, ob der Bericht veröffentlicht werden soll (Art. 59 Abs. 1). Die AfrMRC sieht keine Individualbeschwerde vor, jedoch hat sich über Art. 55 i.V.m. 58 AfrMRC zumindest im Ansatz ein System der Individualbeschwerde entwickelt. Hiernach kann die Kommission sich dann mit individuellen Beschwerden befassen, wenn die an sie herangetragenen Informationen massive und systematische Menschenrechtsverletzungen vermuten lassen und die Kommission daraufhin von der Versammlung der Staats- und Regierungschefs mit der Erstellung eines Berichtes beauftragt wird. Letztlich wird auch ein so entstandener Bericht vertraulich behandelt und nur nach Entscheidung der o.g. Versammlung veröffentlicht. Daneben kann die Kommission gemäß Art. 45 Abs. 1 Rechtsgutachten erstellen. Insgesamt ist das Verfahrenssystem der Kommission eher auf diplomatische und vertrauliche Streitschlichtung denn auf effektive Strafverfolgung ausgerichtet.296 2. Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker Mit dem Zusatzprotokoll über die Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Rechte der Völker wurde der Kommission ein weiteres Konventionsorgan zur Seite gestellt.297 Das Protokoll trat am 25. Januar 2004 in Kraft.298 Der elf Richter umfassende Gerichtshof hat seinen Sitz in Arusha, Tansania, und trat 2006 erstmals zusammen.299 Der Gerichtshof hat die Aufgabe, über Auslegung und Anwendung der AfrMRC sowie weiterer spezieller afrikanischer Menschenrechtskonventionen wie etwa der Afrikanischen Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes von 1989 zu entscheiden (Art. 3 Abs. 1 Zusatzprotokoll) sowie diesbezüglich Rechtsgutachten (advisory opinions) zu erstellen (Art. 4 Abs. 1). Parteifähig sind gemäß Art. 5 Abs. 1 Zusatzprotokoll die Kommission, der Beschwerde erhebende Staat, der Staat gegen den die Beschwerde gerichtet wurde, der Staat des Opfers der Verletzung sowie afrikanische zwischenstaatliche Organisationen. Ein Individualbeschwerdeverfahren existiert hingegen nicht, es sei denn, Staaten geben eine entsprechende Unterwerfungserklärung ab. Es ist geplant, den

296

Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 453. Protocol to the African Charter on Human and People’s Rights on the Establishment of an African Court on Human and People’s Rights, 09. 06. 1998, OAU Doc. OAU/LEG/EXP/ AFCHPR/PROT (III), abgedruckt in: ZaöRV 58 (1998), 727 ff. 298 Informationen zum Gerichtshof unter: www.african-court.org. 299 Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 244. 297

C. Die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker

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Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker mit dem Gerichtshof der Afrikanischen Union zusammenzulegen.300

II. Kompetenzen der Konventionsorgane zur verbindlichen Auslegung der AfrMRC Zwar bestimmt Art. 45 Abs. 3 AfrMRC dass zu den Aufgaben der Kommission gehört: „Interpret all the provisions of the present Charter […].“ Jedoch erlangen die Interpretationen der Kommissionen keine verbindliche Wirkung für die Mitgliedsstaaten.301 Sie entfalten lediglich die weitere Staatenpraxis beeinflussende Wirkung. Dem Afrikanischen Menschenrechtsgerichtshof dagegen obliegt es, die AfrMRC auszulegen (Art. 3 Abs. 1 Zusatzprotokoll) und verbindliche sowie nicht anfechtbare Urteile aufzustellen (Art. 28 Abs. 2 Zusatzprotokoll), die mithin als Übung der Vertragsparteien im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK zu werten sind. Angesichts der Tatsache allerdings, dass der Gerichtshof am 15. 12. 2009 trotz mehrjährigen Bestehens sein erstes und bislang einziges Urteil verkündet hat, welches im Übrigen für die vorliegende Arbeit keine Relevanz aufweist302, soll im Weiteren nicht auf die Arbeit des Gerichtshofes eingegangen werden.303 Die Kommission hingegen hat bisher in einigen öffentlich zugänglichen Berichten ihre Auffassung zur Auslegung der AfrMRC geäußert, die nachfolgend auf mögliche staatliche Schutzpflichten in Bezug zu privaten Unternehmen untersucht werden sollen.

III. Allgemeine Schutzpflichten und spezifische Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen Die Mitgliedsstaaten zur AfrMRC sehen sich laut Präambel zur Konvention selbst in der Pflicht, die in der Konvention normierten Rechte zu fördern und zu schützen („Firmly convinced of their duty to promote and protect […]“). Jedoch bedienen sie sich in Art. 1 AfrMRC einer eher allgemeinen Definition der grundsätzlich von den Mitgliedstaaten zu beachtenden Pflichten, die vor allem keinen direkten Hinweis auf staatliche Schutzpflichten enthält „The Member States […] shall recognize the

300

Das entsprechende Protokoll ist unter folgendem Link einsehbar: www.african-court. org/fileadmin/documents/Court/Statute%20ACJHR/ACJHR_Protocol.pdf. 301 Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 322; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 395. 302 AfrCHPR, Michelot Yogogombaye v. The Republic of Senegal, Urt. v. 15. 12. 2009, no. 001/2008 (Die Klage wurde mangels Unterwerfungserklärung seitens Senegal unter das Individualbeschwerdeverfahren ohne Anhörungen abgewiesen). 303 Zu den Widrigkeiten, mit denen die Richter des Gerichtshofes zu kämpfen haben, siehe das kritische Interview mit Richter a.D. Kanyeihamba, „Menschenrechte auch in Afrika!“, verfügbar unter: www.linksnet.de/de/artikel/24894.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

rights, duties and freedoms enshrined in this Chapter […]“.304 In den zur Veröffentlichung zugelassenen Berichten äußert sich die Kommission zudem nur sehr eingeschränkt zu etwaigen staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf die Handlungen Dritter.305 Vereinzelt wird in allgemeiner Weise auf die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für Handlungen nicht-staatlicher Akteure verwiesen.306 Lediglich in ihrem Bericht zum Verfahren The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights v. Nigeria geht die Kommission detaillierter auf staatliche Schutzpflichten und, was für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung ist, auf Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen ein.307 Der Fall ist auch als Ogoni-Fall der Kommission bekannt. 1. Der Ogoni-Fall vor der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker 1996 reichten zwei Nichtregierungsorganisationen Beschwerde nach Art. 55 AfrMRC bei der Afrikanischen Menschenrechtskommission ein. In der Beschwerde wurde eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen gerügt, welche im Nigerdelta östlich von Port Harcourt, Nigeria, auf dem Gebiet der Ogoni begangen worden waren.308 Konkret wurde dem Konventionsstaat Nigeria vorgeworfen, über sein staatliches Mineralölunternehmen Nigerian National Petroleum Company (NNPC) in einem Konsortium mit der Shell Petroleum Development Corporation (SPDC) für schwerwiegende und dauerhafte Umwelt- sowie Gesundheitsbeeinträchtigungen der Ogoni-Bevölkerung verantwortlich zu sein.309 Dies sei insbesondere durch unsachgemäße Entsorgung von giftigen Abfällen unter anderem in lokale Gewässer geschehen, was zu schwerwiegenden Krankheiten der Atemwege, der Haut, des Gastrointestinaltraktes, des nervösen Systems und der Fortpflanzungsorgane geführt habe. Nigeria wird vorgeworfen, die Mineralölunternehmen nicht ausreichend beaufsichtigt, die Einhaltung von Sicherheitsstandards nicht eingefordert, der OgoniBevölkerung wichtige Informationen vorenthalten und insbesondere den Unternehmen militärische Einheiten zur freien Verfügung bereitgestellt zu haben. Diese Einheiten waren nach Auffassung der Beschwerdeführer für zahlreiche gewalttätige 304

Art. 1 AfrMRC. Die veröffentlichten Berichte der Kommission sind einsehbar unter: www1.umn.edu/ humanrts/africa/comcases/allcases.html. 306 So in: AfrComHPR, Africa Legal Aid v. Gambia, Decision no. 207/97 (2001), Ziff 31, „[…] mindful of a State’s responsibility for non-State actors“; AfrComHPR, Commission Nationale des Droits de l’Homme et des Libertes v. Chad, Decision no. 74/92 (1995), Ziff. 20, „[…] if a state neglects to ensure the rights in the African Charter, this can constitute a violation, even if the State or its agents are not the immediate cause of the violation.“. 307 AfrComHPR, The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights v. Nigeria, Decision no. 155/96 (2001). 308 Der Beschwerdetext ist einsehbar unter: www.cesr.org/downloads/nigeriapetition.pdf. 309 AfrComHPR, The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights v. Nigeria, Decision no. 155/96 (2001), Ziff. 1 ff. 305

C. Die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker

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Angriffe auf die Ogoni-Bevölkerung, insbesondere auf die MOSOP-Bewegung (Movement of the Survival of Ogoni People), verantwortlich.310 Die Veröffentlichung des Berichts, in dem die Kommisson mangels Replik Nigerias vom Vortrag der Beschwerdeführer ausging und daher letztlich gravierende Menschenrechtsverletzungen staatlicherseits feststellte311, erfolgte 2001.312

2. Positive staatliche Schutzpflichten In ihrem Bericht nutzt die Kommission zum ersten Mal die Gelegenheit, sich grundsätzlich mit den staatlichen Pflichten aus der AfrMRC zu befassen.313 Sie unterscheidet zunächst hinsichtlich sämtlicher Rechte aus der AfrMRC zwischen den unterschiedlichen Pflichtenkategorien „to respect, protect, promote and fulfil“.314 Dabei repräsentiere laut Kommission „to respect“ die klassische Interpretation der Menschenrechte als Abwehrrechte vor rechtsverletzenden Eingriffen des Staates. „to protect“ beinhalte staatliche Pflichten zum Schutz vor Rechtsverletzungen durch Dritte, während „to promote“ eher die Schaffung eines den Menschenrechten förderlichen Verständnisses und Umfeldes diene. Wenig scharf davon getrennt beschreibe „to fulfil“ die Erwartungshandlung an den Staat, „[…] to move its machinery towards the actual realisation of the rights.“315 Die so etablierten Pflichtenkategorien gelten nach Auffassung der Kommission hingegen nicht nur für die AfrMRC, sondern für sämtliche regionalen und internationalen Menschenrechtsverträge.316 Interessanterweise befasst sich die Kommission über diese Behauptung hinaus nicht näher mit den Gründen und der Herleitung der durch sie aufgestellten Pflichtenkategorien. In Bezug auf staatliche Schutzpflichten im Sinne von „to protect“ verweist sie lediglich auf die bereits im Verlauf dieser Arbeit ausführlich dargestellten Urteile im Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras317 des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie auf das Urteil im Fall X and Y v. The Netherlands318 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.319 Nach diesen gene310 Ibid, Ziff. 7; insgesamt wurde Nigeria Verletzungen der Art. 2, 4, 14, 16,18 Abs. 1, 21 und 24 AfrMRC vorgeworfen. 311 Ibid, Ziff. 49: „In the circumstances, the Commission is compelled to proceed with the examination of the matter on the basis of the uncontested allegations of the Complainants, which are consequently accepted by the Commission.“. 312 Die neue Regierung Nigerias kommentierte die Vorfälle in einer Verbalnote mit „there is no denying the fact that a lot of atrocities were and are still being committed by the oil companies in Ogoni Land and indeed in the Niger Delta area“, Ibid, Ziff. 42. 313 Ibid, Ziff. 43, „[…] would be proper to establish what is generally expected of governments under the Charter and more specifically vis-à-vis the rights themselves.“. 314 Ibid, Ziff. 44 ff. 315 Ibid, Ziff. 47. 316 Ibid, Ziff. 48. 317 Siehe S. 100 ff. 318 Siehe S. 70 f.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

rellen Ausführungen unterteilt die Kommission ihre Analyse staatlicher Pflichtverletzungen in die Bereiche Gesundheit und saubere Umwelt (bezugnehmend auf Art. 16, 21 und 24 AfrMRC)320, Recht auf Wohnung (bezugnehmend auf Art. 14, 16 und 18)321, Recht auf ausreichende Ernährung (bezugnehmend auf Art. 4 und 16)322 und Recht auf Leben (Art. 4)323 und stellt in allen Bereichen fest, dass staatliche Schutzpflichtverletzungen in Bezug auf Handlungen nicht-staatlicher Akteure vorgelegen haben.324 3. Explizite staatliche Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen Zwar betont die Kommission am Ende ihres Berichtes das grundsätzlich positive Einflusspotenzial multinationaler Unternehmen auf die Entwicklung eines Staates und seiner Bevölkerung325, sie macht jedoch in ihrem Bericht wiederholt deutlich, dass aus ihrer Sicht staatliche Schutzpflichten nicht nur hinsichtlich natürlicher Personen, sondern explizit auch in Bezug auf Handlungen privater Unternehmen vorliegen können. So führt sie beispielsweise in Bezug auf Art. 16, 21 und 24 AfrMRC (Gesundheits- und Umweltschädigungen) aus: „Contrary to its Charter obligations […] the Nigerian Government has given the green light to private actors, and the oil Companies in particular, to devastatingly affect the well-being of the Ogonis.“326

Aus dem Sachkontext versteht sich, dass es sich hierbei – anders als bei den o.g. Konzessionsvergabefällen – um eindeutige Fälle von Schutzpflichtverletzungen handelt, da der Vorwurf im Dulden von Rechtsverletzungen trotz Kenntnis und bestehender Möglichkeiten des Einschreitens begründet liegt. Weiterhin bejaht die Kommission staatliche Schutzpflichten in Bezug auf Handlungen privater Unternehmen bei Verletzungen in den Bereichen Recht auf Wohnung (Art. 14, 16 und

319 AfrComHPR, The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights v. Nigeria, Decision no. 155/96 (2001), Ziff. 57. 320 Ibid, Ziff. 50 ff. 321 Ibid, Ziff. 59 ff. 322 Ibid, Ziff. 64 ff. 323 Ibid, Ziff. 67. 324 Vertiefend zum Bericht der Kommission im Ogoni-Fall: Coomans, 52 ICLQ 749 – 760 (2003). 325 AfrComHPR, The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights v. Nigeria, Decision no. 155/96 (2001), Ziff. 69: „The intervention of multinational corporations may be a potentially positive force for development if the State and the people concerned are ever mindful of the common good and the sacred rights of individuals and communities.“. 326 Ibid, Ziff. 58.

C. Die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker

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18)327, Recht auf ausreichende Ernährung (Art. 4 und 16)328 sowie Recht auf Leben (Art. 4)329. 4. Zwischenergebnis und Bewertung Interessanterweise betont die Kommission in ihrem Bericht, wie oben dargestellt, dass sie mangels Replik Nigerias von der Korrektheit der Beschwerdeinhalte ausgeht und dementsprechend Rechtseingriffe durch private Unternehmen annimmt. Das von den Beschwerdeführern explizit genannte Unternehmen Shell Petroleum Development Corporation (SPDC) wird jedoch in dem gesamten Bericht lediglich zweimal namentlich genannt wird (beide Male im Kontext des Vorbringens der Beschwerdeführer). Konsequenterweise hätte die Kommission entweder in ihrem Bericht Rechtsverletzungen seitens Shell ebenfalls eindeutig als wahr unterstellen müssen (wofür sie im Zweifel nicht kompetent gewesen wäre) oder von den ihr gemäß Art. 46 AfrMRC zustehenden Möglichkeiten weiterer Untersuchungen Gebrauch machen sollen um die Beschwerdeinhalte zu bestätigen oder zu widerlegen.330 Unabhängig von dieser Frage der Justiziabilität bleibt jedoch festzuhalten, dass die Kommission der grundsätzlichen Überzeugung ist, dass im Rahmen der AfrMRC positive staatliche Schutzpflichten bestehen und dies auch in Bezug auf Handlungen privater Unternehmen zutrifft. Da die Kommission allerdings keine Entscheidungen mit verbindlicher Wirkung für die Mitgliedsstaaten treffen kann, hat der dargestellte Bericht letztlich lediglich eine gegebenenfalls die weitere Staatenpraxis beeinflussende Wirkung. Die dargestellte Auffassung mag zudem Einfluss auf zukünftige Urteile des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Rechte der Völker haben, der seinerseits dann die AfrMRC verbindlich auszulegen befugt ist.

IV. Räumlicher Geltungsbereich und extraterritoriale Anwendung der AfrMRC im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten Die Banjul-Charta gibt in ihrem Vertragstext keinen Hinweis auf den räumlichen Geltungsbereich oder eine etwaige extraterritoriale Anwendung. Darüber hinaus wird in keinem einzigen veröffentlichten Bericht der Kommission der Frage nach327 Ibid, Ziff. 61: „Its obligations to protect obliges it to prevent the violation of any individual’s right to housing by any other individual or non-state actors […]“. 328 Ibid, Ziff. 66: „The government has destroyed food sources through its security forces and State Oil Company; has allowed private oil companies to destroy food sources;“. 329 Ibid, Ziff 67: „Given the wide spread violations perpetrated by the Government of Nigeria and by private actors (be it following its clear blessing or not), the most fundamental of all human rights, the right to life has been violated.“. 330 Art. 46 AfrMRC „The Commission may resort to any appropriate method of investigation; it may hear from the Secretary General of the Organization of African Unity or any other person capable of enlightening it“.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

gegangen, ob die AfrMRC extraterritoriale Wirkung entfaltet. Auch diesbezüglich sind neben Berichten der Kommission insbesondere zukünftige klarstellende Urteile des Gerichtshofs abzuwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt kann eine extraterritoriale Geltung der AfrMRC mangels klarer Zuweisung durch den Afrikanischen Menschengerichtshof nicht unterstellt werden.

V. Endergebnis Mangels verbindlich geltender Urteile des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Rechte der Völker kann zum jetzigen Zeitpunkt im Hinblick auf die AfrMRC noch nicht vom Bestehen staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf Dritte und insbesondere in Bezug auf private Unternehmen ausgegangen werden. Angesichts der aufgezeigten Entwicklungen im Rahmen der EMRK und der AMRK, an denen sich die AfrMRC bislang häufig orientiert hat, sowie einem klarem Votum der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker für das Bestehen derartiger staatlicher Schutzpflichten, wird man aber davon ausgehen können, dass sich die AfrMRC absehbar in eine entsprechende Richtung entwickeln wird.

D. Die Arabische Charta der Menschenrechte Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Arabischen Liga331 beschloss der Rat der Liga der Arabischen Staaten am 15. 09. 1994 in Tunis die Arabische Charta der Menschenrechte.332 Die Charta trat jedoch mangels Akzeptanz seitens der Staaten erst in ihrer revidierten Fassung vom Mai 2004 am 30. 01. 2008 in Kraft.333 Die Charta ist damit die jüngste der regionalen Menschenrechtskonventionen.334

I. Inhalte der Arabischen Charta der Menschenrechte Die Charta umfasst neben der Präambel 53 Artikel, die inhaltlich in vier Hauptkategorien aufgeteilt werden können. Zunächst werden in Art. 5 – 10 und 14 331

Einführend: Herdegen, Völkerrecht, S. 360 f. Zur regionalen arabischen Perspektive auf das Thema Menschenrechte siehe: An-Na’im, 23 HRQ 701 ff. (2001). 333 Arab Charter on Human Rights, 15. 09. 1994, Englische Übersetzung der revidierten Fassung von Mai 2004 abgedruckt in: Boston University International Law Journal 24 (2006) 147, 149 ff. 334 Zur Historie der Arabischen Charta der Menschenrechte siehe: Al-Midani, Boston University International Law Journal 24 (2006) 147 ff.; zur revidierten Fassung der Arabischen Charta der Menschenrechte: Hadj Sahraoui, Yearbook of the International Commission of Jurists 2004, S. 339 ff. 332

D. Die Arabische Charta der Menschenrechte

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die klassischen Freiheitsrechte wie das Recht auf Leben und persönliche Freiheit festgelegt. Die zweite Kategorie beinhaltet Justizgewährungsrechte (Art. 12, 13, 15 – 20) während die dritte Kategorie bürgerliche und politische Rechte umfasst (Art. 21 – 33). Die vierte Kategorie beinhaltet ökonomische, soziale und kulturelle Rechte, wie das Recht auf Arbeit (Art. 34 – 42). Die so geschützten Rechte unterliegen allerdings an einigen Stellen besonderen Einschränkungen. So relativiert die Charta beispielsweise mit Hinweis auf die besondere Bedeutung der islamischen Scharia die Gleichbehandlung von Mann und Frau (Präambel i.V.m. Art. 3 Abs. 3) und gestattet unter bestimmten Voraussetzungen die Vollziehung der Todesstrafe gegen Jugendliche (Art. 7 Abs. 1). Auf erhebliche Kritik sind daneben die Formulierungen aus der Präambel und aus Art. 2 Abs. 3 der Charta gestoßen, in denen „Zionismus“ mit Rassismus gleichgesetzt wird und als Bedrohung des internationalen Friedens und der Selbstbestimmung der Völker gewertet wird.335 Die Charta lehnt sich abgesehen von diesen Fällen inhaltlich stark an die Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie an die beiden UN-Menschenrechtspakte von 1966 an.336

II. Das Arabische Menschenrechtskomitee Die Arabische Menschenrechtscharta sieht in Art. 45 ff. die Berufung des Arab Human Rights Committee vor. Dieses Überwachungsorgan hat die Aufgabe, die von den Vertragsstaaten gemäß Art. 48 ein Jahr nach der Ratifizierung der Charta sowie anschließend alle drei Jahre periodisch vorzulegenden Umsetzungsberichte zu prüfen und unverbindliche Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten (Art. 48 Abs. 4). Bis heute hat das Komitee weder Berichte der Staaten eingefordert, noch Gutachten zur Charta vorgelegt, da es noch mit organisatorischen Fragen befasst ist. Verfahren zur Individual- oder Staatenbeschwerde sind im Rahmen der Arabischen Menschenrechtscharta ebenso wenig vorgesehen wie die Errichtung eines arabischen Menschengerichtshofes.

III. Staatliche Schutzpflichten Art. 3 Abs. 1 der Charta legt fest: „Each State Party to the present Charter undertakes to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the right to enjoy all the rights and freedoms recognized herein, without any distinction on grounds of race, color, sex, language, religion, opinion, thought, national or social origin, property, birth of physical or mental disabilities.“ 335 336

rechte.

Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 397. Siehe Präambel, Art. 1 Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 der Arabischen Charta der Menschen-

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Da das Arabische Menschenrechtskomitee bislang noch keine Vorschläge zur Auslegung der Charta erarbeitet hat, kann jedoch bislang nicht gefolgert werden, die Vertragsstaaten zur Arabischen Charta für Menschenrechte hätten staatliche Schutzpflichten in den Regelungsgehalt der Konvention aufnehmen wollen. Die Tatsache, dass sie von der Verwendung möglicher deutlicherer Hinweise auf staatliche Schutzpflichten abgesehen haben, gibt einen weiteren Hinweis, dass staatliche Schutzpflichten nicht voreilig in die Charta hinein interpretiert werden dürfen. Daneben findet sich in der Charta kein Hinweis auf ein besonderes Verhältnis der Staaten zu privaten Unternehmen, aus denen spezifische staatliche Schutzpflichten gefolgert werden könnten.

IV. Ergebnis Die noch sehr junge Arabische Charta der Menschenrechte weist auffällige Ähnlichkeiten zu verschiedenen internationalen Menschenrechtsverträgen auf. Bislang kann jedoch weder aus ihrem Vertragstext, noch aus Äußerungen des Arabischen Menschenrechtskomitees gefolgert werden, dass die Vertragsstaaten generelle staatliche Schutzpflichten in Bezug auf Handlungen Privater Personen im Allgemeinen oder privater Unternehmen im Besonderen anzunehmen gewillt sind.

E. Gesamtbetrachtung staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Menschenrechtsübereinkommen mit Fokus auf private Unternehmen Im Rahmen einer Gesamtschau der bisher durchgeführten Analysen staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf die Aktivitäten privater Unternehmen treten sowohl Übereinstimmungen, als auch inhaltliche Unterschiede bei den verschiedenen regionalen Menschenrechtskonventionen hervor:

I. Regionale Entwicklungstendenzen: Von reinen Abwehrrechten zu umfassenderen Schutzsystemen Die regionalen Menschenrechtskonventionen stellen letztlich auch heute noch in erster Linie in ihrer Funktionalität Abwehrinstrumente gegen staatliche Übergriffe dar. Darüber hinaus besteht ein deutliches Gefälle beim Vergleich der vier regionalen Menschenrechtskonventionen in Bezug auf den Entwicklungsgrad staatlicher Schutzpflichten. Zusammenfassend kann zunächst festgestellt werden, dass die Europäische Menschenrechtskonvention zweifellos von allen vier regionalen Konventionen zum Schutz der Menschenrechte das am weitesten ausgereifte Instrument ist. Dies macht

E. Gesamtbetrachtung staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Abkommen

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sich nicht nur am vergleichsweise langen Bestehen der EMRK und an der Vielzahl der bisher durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen Fälle, sondern vor allem an den darin enthaltenen weitreichenden Interpretationen der EMRK fest. So hat der EGMR in zahlreichen Urteilen staatliche Handlungspflichten („positive obligations“) in Regelungs-, Untersuchungs-, Informations- und sonstige Handlungspflichten ausdifferenziert. Die EMRK hat sich auf diesem Wege darüber hinaus als „living instrument“ von einem klassischen Menschenrechtsvertrag zur ausschließlichen Abwehr rechtsverletzenden staatlichen Handelns hin zu einem weit umfassenderen Schutzsystem entwickelt, welches für die Vertragsstaaten auch Pflichten begründet, Schutzberechtigte vor den Handlungen privater Dritter zu schützen. Obschon in deutlich weniger Fällen und insgesamt weniger differenziert, interpretiert der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte die Amerikanische Menschenrechtskonvention ebenfalls dynamisch als „living instrument“ und vertritt die Auffassung, dass auch die AMRK neben Abwehrrechten staatliche Schutzpflichten beinhalte. Auffällig ist hierbei die deutliche interpretative Anlehnung an die Auslegung der EMRK durch den EGMR seitens des IAGMR, was sich unter anderem in zahlreichen Verweisen auf Entscheidungen des EGMR zeigt. Dennoch offenbaren sich bei einem Überblick über die Verfahren vor dem EGMR und dem IAGMR deutliche Unterschiede bei den Anwendungsfällen der jeweiligen Instrumente. Es mag an der verhältnismäßigen Stabilität der europäischen Rechtssysteme liegen, dass sich der EGMR zunehmend nicht mehr nur mit Fällen von Abwehrrechten gegen staatliches Handeln, sondern vermehrt auch mit Fällen der Verletzung staatlicher Schutzpflichten beschäftigt. Im Kontrast dazu geht es in den Verfahren vor dem IAGMR und der Interamerikanischen Menschenrechtskommission mehrheitlich um rechtsverletzende Eingriffe durch staatliche Stellen wie etwa durch Polizeikräfte oder paramilitärische bzw. militärische Einheiten. Darin spiegelt sich die schwierige politische Lage zahlreicher mittel- und südamerikanischer Staaten, die häufig mit dem Problem des Missbrauchs von Staatsmacht und gewaltsamer Willkür staatlicher Stellen einhergeht. Während die Entscheidungen von EGMR und IAGMR verbindliche Wirkung für die jeweiligen Vertragsstaaten der Konventionen haben und somit Grundlage für die zeitgemäße Auslegung der Vertragstexte sind, hat die Afrikanische Menschenrechtskommission, die staatliche Schutzpflichten ebenfalls anzunehmen bereit ist, kein Recht zur verbindlichen Interpretation der Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und Völker. Der Afrikanische Menschengerichtshof hingegen, dem ein solches Recht zusteht, hat bislang wegen schwieriger äußerer politischer Einflussfaktoren erst ein Verfahren abgeschlossen und entsprechend auch nicht verbindlich über mögliche staatliche Schutzpflichten entschieden. Auch hier zeigt sich, dass das Erwachsen staatlicher Schutzpflichten eng verbunden ist mit der Stabilität der jeweiligen politischen Rahmenbedingungen. Letztlich kann nicht gefolgert werden, die AfrMRC beinhalte nach aktuellem Stand staatliche Schutzpflichten. Den entsprechenden Äußerungen der Afrikanischen Menschenrechtskommission kann le-

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

diglich der Hinweis auf mögliche künftige verbindliche Vertragsinterpretationen entnommen werden. Die junge Arabische Menschenrechtskonvention weist ebenfalls mangels Hinweisen im Vertragstext oder entsprechender Auslegungen durch ein dafür kompetentes Organ sowie mangels jedweden Hinweises auf einen entsprechenden Willen der Vertragsstaaten in ihrer jetzigen Fassung keine konkreten staatlichen Schutzpflichten auf. In den Fällen der beiden Konventionen, die nach aktuellem Stand staatliche Schutzpflichten beinhalten – EMRK und AMRK – muss trotz einer grundsätzlichen Bereitschaft zur zeitgemäßen Auslegung derartiger Schutzpflichten durch die Überwachungsorgane die Annahme einer generellen Schutzpflicht hinsichtlich sämtlicher Rechtsgarantien der Konventionen verneint werden. Es existieren mit anderen Worten trotz dynamischer Auslegungen weder im Rahmen der EMRK, noch im Rahmen der AMRK rechtsgarantieunabhängige generelle Schutzpflichten. Vor diesem Hintergrund ist ein Vergleich der konkreten schutzpflichtrelevanten Rechtsgarantien der beiden Konventionen aufschlußreich: Die Gerichtshöfe zur EMRK und zur AMRK interpretieren beide das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK und Art. 4 AMRK), das Folterverbot (Art. 3 EMRK und Art. 5 AMRK), das Recht auf Freiheit (Art. 5 EMRK und Art. 7 AMRK) sowie die Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK und Art. 16 AMRK) als schutzpflichtrelevante Rechtsgarantien. Dagegen wurden bislang lediglich durch den EGMR das Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbots (Art. 4 EMRK) sowie das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) als Rechtsgarantien mit impliziten staatlichen Schutzpflichten ausgelegt. Der IAGMR andererseits hat das Eigentumsrecht nach Art. 21 AMRK als schutzpflichtrelevante Rechtsgarantie interpretiert.337 Wenn auch freilich nicht von vollständig identischen Entwicklungen gesprochen werden kann, so sind doch eindeutige Parallelen bei den beiden Konventionen erkennbar, die auf ein vergleichbares kulturell geprägtes Verständnis modernen westlichen Menschenrechtsschutzes hindeuten. Es ist zu erwarten, dass die Gerichtshöfe beider Konventionen staatliche Schutzpflichten zukünftig weiter ausdifferenzieren werden und weitere Rechtsgarantien in den Kreis der Schutzpflichten aufnehmen werden. Die Gefahren, die sich aus dem Anerkennen von unbegrenzten Schutzpflichten ergeben würden, werden zum Ende dieser Arbeit adressiert.

337 Im Ogoni-Fall interpretiert die Afrikanische Menschenrechtskommission – unverbindlich – interessanterweise insbesondere einige Menschenrechte der dritten Generation innerhalb der AfrMRC als schutzpflichtrelevant. Dazu gehören das Recht auf bestmögliche Gesundheit (Art. 16 AfrMRC), das Recht zur Selbstbestimmung über natürliche Ressourcen (Art. 21) und das Recht auf eine saubere Umwelt (Art. 24). Daneben erkennt auch die Afrikanische Menschenrechtskommission im Recht auf Leben (Art. 4), im Eigentumsrecht (Art. 14) und im Recht auf Schutz der Familie (Art. 18) staatliche Schutzpflichten.

E. Gesamtbetrachtung staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Abkommen

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II. Gemeinsamkeiten der regionalen Konventionen hinsichtlich staatlicher Schutzpflichten Bei allen untersuchten regionalen Menschenrechtskonventionen wird deutlich, dass stets ausschließlich Vertragsstaaten verpflichtet werden und nie private Unternehmen oder private natürliche Personen direkt. Erst im Wege der mittelbaren Drittwirkung bestimmter Rechtsgarantien aus EMRK und AMRK (und zumindest nach Ansicht der Afrikanischen Menschenrechtskommission auch aus der AfrMRC) entfalten die genannten Konventionen relevante Wirkungsbeziehungen zwischen Privaten. Diese können jedoch im Rahmen keines einzigen Überwachungssystems im Sinne einer unmittelbaren Drittwirkung geltend gemacht werden, sondern es bedarf stets der Verletzung einer Schutzpflicht auf staatlicher Seite und einer entsprechenden Beschwerde oder Klage vor dem zuständigen Überwachungsorgan. Damit ist die Dogmatik der hier untersuchten Schutzpflichten in Teilen mit der insbesondere in Deutschland erarbeiteten Dogmatik der Drittwirkung der Grundrechte vergleichbar, die im Grundsatz ebenfalls nur in Ausnahmen unmittelbare Drittwirkungen kennt.338 Dieses Ergebnis ist sicherlich vor dem Hintergrund der parallel geführten Debatte um die direkte menschenrechtliche Verantwortung nationaler und insbesondere transnationaler Unternehmen von Bedeutung. Weder EMRK noch AMRK kennen eine Differenzierung der Schutzberechtigungen zwischen Bürgern des jeweiligen Staates und Nicht-Bürgern. Staatliche Schutzpflichten im Rahmen der EMRK und der AMRK sind in diesem Zusammenhang nicht als bürgerspezifische Pflichten, sondern entsprechend dem universellen Schutzgedanken der Menschenrechte als Pflichten zum Schutz all derer zu verstehen, die sich unter der Hoheitsgewalt des Staates befinden. Dabei steht es den Staaten grundsätzlich frei, zu entscheiden, wie sie im Rahmen ihrer spezifischen Rechtsordnung ihre Schutzpflichten erfüllen. Innerstaatliche Umsetzungsmechanismen sind allerdings bei beiden Konventionen stets am Effektivitätsgrundsatz (effet utile), also im Lichte des gemeinsamen Vertragszieles und dessen dauerhafter Förderung, auszurichten. Zusätzlich betonen EGMR und IAGMR, dass alle innerstaatlichen Maßnahmen einer obligatorischen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden müssen, um die ansonsten schnell ausufernden staatlichen Schutzpflichten einzugrenzen und Dritte vor zu tiefen Eingriffen in ihre Rechte zu bewahren.339 Dem Staat kommt dabei ein gewisser Ermessensspielraum zu, was den nationalen Besonderheiten Rechnung trägt.340 338 Siehe hierzu vertiefend: Maurer, Staatsrecht I, S. 283 ff.; von Münch, Staatsrecht II, 108 ff; Schwacke/Schmidt, Staatsrecht, S. 224 ff.; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 190 ff. 339 Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung i.R.d. EMRK siehe: EGMR, Osman v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 28. 10. 1998, ECHR 1998-VIII, 4124, Ziff. 116; EGMR, Paul and Audrey Edwards v. The United Kingdom, Urt. v. 14. 03. 2002, ECHR 2002-II, 137, Ziff. 55; für die AMRK siehe: IACtHR, Case of the Sawhoyamaxa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 29. 03. 2006, Ser. C no. 146, Ziff. 155.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

Interessanterweise begründen sowohl EGMR als auch IAGMR die Annahme staatlicher Schutzpflichten im Rahmen der Konventionen mit dem Hinweis auf die sich wandelnden internationalen Menschenrechtsstandards. So erfordere die zeitgemäße Interpretation der EMRK laut EGMR beispielsweise, dass die Rechtsgarantien stärker vor Eingriffen Dritter bewahrt werden.341 Ob die internationalen Menschenrechtsverträge als Kernstücke des internationalen Menschenrechtsschutzes tatsächlich nach aktueller Auslegung eine derartige Ausweitung staatlicher Pflichten mit sich bringen, denen sich die regionalen Systeme anzupassen verpflichtet sehen, wird im weiteren Verlauf der Arbeit zu prüfen sein. Bereits jetzt aber soll der Vermutung Ausdruck gegeben werden, dass die regionalen und die internationalen Menschenrechtsverträgen sich in ein System sich wechselseitig bestärkender Menschenrechtsstandards begeben haben. Ob dies zutrifft, und was dies bedeuten würde, bleibt zu prüfen. Eine weitere Gemeinsamkeit sticht insbesondere vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der Arabischen Menschenrechtscharta hervor: In keinem der Vertragstexte der vier regionalen Menschenrechtskonventionen werden staatliche Schutzpflichten explizit genannt. Dies gilt selbst für die junge AfrMRC und für die erst 2008 in Kraft getretene Arabische Menschenrechtscharta, die vor dem Hintergrund der Schutzpflichtinterpretationen insbesondere der AMRK, an die sie sich sonst in Teilen anlehnt, durchaus staatliche Schutzpflichten explizit hätten benennen können. Dieser Umstand kann lediglich dahingehend gewertet werden, dass die regionalen Menschenrechtskonventionen von der Staatengemeinschaft auch heute noch vorwiegend als klassische Abwehrinstrumente verstanden werden.

III. Einbeziehung von privaten Unternehmen in den Wirkungsbereich staatlicher Schutzpflichten In keinem der Vertragstexte der regionalen Konventionen wird explizit Bezug auf private Unternehmen bzw. Wirtschaft im Allgemeinen genommen. Hinsichtlich der Rechtsgarantien, bei denen die Überwachungsorgane bisher staatliche Schutzpflichten bejaht haben, wird auf der anderen Seite in keiner Weise eine qualitative Differenzierung hinsichtlich staatlicher Schutzpflichten beim Handeln natürlicher Personen und beim Handeln juristischer Personen vorgenommen. Im Gegenteil haben EGMR und IAGMR zu erkennen gegeben, dass sie staatliche Schutzpflichten 340 Vgl. EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 98. 341 Wie bereits auf S. 69 f. ausgeführt, bejahte der EGMR in Siliadin v. France das Bestehen von staatlichen Schutzpflichten bei Handlungen privater Dritter und führt in diesem Zusammenhang aus „[…] the increasingly high standard being required in the area of the protection of human rights and fundamental liberties correspondingly and inevitably requires greater firmness in assessing breaches of the fundamental values of democratic societies.“, EGMR, Siliadin v. France, Urt. v. 26. 07. 2005, ECHR 2005-VII, 295, Ziff. 121.

E. Gesamtbetrachtung staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Abkommen

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stets dann anzunehmen gewillt sind, wenn eine entsprechende Rechtsgarantie durch Dritte verletzt wurde und der Staat es trotz gegebener und verhältnismäßiger Möglichkeiten unterlassen hat, adäquaten Schutz zu gewährleisten. Dabei verwenden die Gerichte ausschließlich Begriffe wie „non-state-actors“342, „third parties“343 oder „non-governmental entities“344 (in den englischen Urteilsfassungen) und verdeutlichen damit, dass es im Grundsatz unerheblich ist, ob die eigentliche Eingriffshandlung durch eine natürliche Person oder eine juristische Person vorgenommen wurde. Auch private Unternehmen können demnach dem Wirkungsbereich der oben festgestellten staatlichen Schutzpflichten zugerechnet werden. Dies hat der EGMR zuletzt in 2009 im Fall Leon and Agnieszka Kania v. Poland verdeutlicht, in dem er staatliche Schutzpflichten auch im Hinblick auf „private-sector activities“ bejahte.345 Die Afrikanische Menschenrechtskommission wird in ihrer unverbindlichen Entscheidung im Ogoni-Fall noch konkreter, indem sie staatliche Schutzpflichten hinsichtlich „[…] private actors, and the oil Companies in particular, […]“ bejaht.346 Ähnliches gilt für die Interamerikanische Menschenrechtskommission, die als einziges Überwachungsorgan bislang eindeutig von Schutzpflichten beim Handeln von „private companies“ gesprochen hat.347 Aber auch ohne eine derart konkrete Benennung wird aus der durchgeführten Analyse deutlich, dass zumindest im Rahmen der EMRK und der AMRK je nach Fall staatliche Schutzpflichten auch in Bezug auf private Unternehmen bestehen können. Von den Überwachungsorganen wird darüber hinaus keine weitere Differenzierung hinsichtlich der besonderen rechtlichen Form oder Größe der Unternehmen vorgenommen. Damit richtet sich die besondere Ausprägung staatlicher Schutzpflichten in den Fällen von privaten Unternehmen nicht nach deren Umsatz, Mitarbeiterzahl oder sonstiger Vergleichsgröße, sondern ausschließlich nach den fallspezifischen Gegebenheiten, innerhalb derer der Staat seiner Schutzpflicht hätte nachkommen müssen. In diesem Zusammenhang bedient sich insbesondere der IAGMR des Begriffs der „due diligence“348, der in diesem Kontext die Pflicht zur Wahrnehmung der gebotenen staatlichen Sorgfaltspflichten im Sinne einer angemessenen Prüfung beschreibt. Dieser Begriff wird uns 342

Siehe beispielsweise: IACtHR, Case of Valle Jaramillo et al. v. Colombia, Urt. v. 27. 11. 2008, Ser. C no.192, Ziff. 139. 343 Siehe beispielsweise: IACtHR, Case of 19 Merchants v. Columbia, Urt. v. 05. 07. 2004, Ser. C no. 109, Ziff. 183. 344 Siehe beispielsweise: IACtHR, Advisory Opinion OC-17/02 v. 28. 08. 2002, Juridical Condition and Human Rights of the Child, Ser. A no. 17, Ziff. 87. 345 Der EGMR bejaht Schutzpflichten in Bezug auf „private-sector activities“: EGMR, Leon and Agnieszka Kania v. Poland, Urt. v. 21. 07. 2009, not reported, Ziff. 99. 346 AfrComHPR, The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights v. Nigeria, Decision no. 155/96 (2001), Ziff. 58. 347 IACHR, Case of Workers Belonging to the „Association of Fertilizer Workers“ (FERTICA) Union v. Costa Rica, Entsch. zur Zulässigkeit v. 02. 03. 2006, Report no. 21/06, Case 2893 – 02, Ziff. 31. 348 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4, Ziff. 172.

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2. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis regionaler Abkommen

im Kontext der Prüfung der internationalen Menschenrechtsverträge erneut begegnen.

IV. Typische Anwendungsfälle in Bezug auf private Unternehmen Prinzipiell können staatliche Schutzpflichten bei Aktivitäten privater Unternehmen im Hinblick auf all diejenigen Rechtsgarantien vorliegen, bei denen der Staat auch in Bezug auf Handlungen natürlicher Personen zum Schutz verpflichtet ist. Bei einer Gesamtschau der bisher durch Überwachungsorgane regionaler Menschenrechtskonventionen entschiedenen Verfahren fallen jedoch einige typische Fallmuster im Hinblick auf private Unternehmen auf. So handelt es sich bei einem Großteil der Fälle um Sachverhalte, bei denen Staaten Schutzpflichten missachtet haben und dadurch Umweltschäden durch Unternehmen ermöglicht oder zumindest nicht verhindert wurden. Im Rahmen der EMRK handelt es sich bei diesen Umweltschadensfällen ausschließlich um Schadstoff- bzw. Lärmemissionen, die zur Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben (Art. 8) bzw. des Rechts auf Leben (Art. 2) führten. Sämtliche Fälle, die der IAGMR bisher zu entscheiden hatte, befassten sich dagegen mit staatlichen Vergaben von umweltbeeinträchtigenden Minen- und Abholzungskonzessionen und damit einhergehenden Verletzungen von Eigentumsrechten indigener Bevölkerungsgruppen (Art. 21 AMRK)349. Der OgoniFall vor der Afrikanischen Menschenrechtskommission wiederum behandelte in erster Linie Umwelt- und Gesundheitsschäden durch die extraktiven Aktivitäten von Erdölunternehmen (Art 16, 21, 24 AfrMRC). Neben dieser verhältnismäßig großen Gruppe an Umweltfällen finden sich sowohl vor dem EGMR als auch vor dem IAGMR Fälle von Verletzungen der Vereinigungsfreiheit durch Unternehmen (Art. 11 EMRK und Art. 16 AMRK). Außer einigen wenigen Fällen zur Diskriminierung am Arbeitsplatz (Art. 1 i.V.m. 24 AMRK) vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission sind letztlich nur noch die Fälle der Beeinträchtigung von Konventionsrechten durch industrielle unternehmerische Aktivitäten vor dem EGMR hervorzuheben (Verletzungen der Art. 2 und 8 EMRK). Das Gesamtbild ist insoweit bemerkenswert, als die typischerweise zu erwartenden Fallkategorien von Kinderarbeit oder schweren Verletzungen von Arbeitnehmerrechten bislang im Rahmen keiner einzigen regionalen Menschenrechtskonvention mit Verfahren vertreten sind. Der IAGMR weist zwar in seinen Rechtsgutachten Nr. 17 und 18 auf derart mögliche Schutzpflichtverletzungen hin, entsprechende Verfahren sind jedoch noch nicht eingeleitet worden.

349 Auch die Mehrzahl der Fälle vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission beschäftigte sich mit Eigentumsverletzungen indigener Bevölkerungsgruppen durch staatliche Konzessionsvergaben.

E. Gesamtbetrachtung staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Abkommen

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V. Extraterritoriale Reichweite staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen Hinsichtlich der extraterritorialen Reichweite staatlicher Schutzpflichten aus regionalen Menschenrechtskonventionen fallen sowohl Gemeinsamkeiten als auch divergierende Ergebnisse auf. Gemeinsam ist allen regionalen Menschenrechtskonventionen, dass sie sich primär betont als territorial geltende Rechtssätze verstehen. Nach aktueller Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird im Rahmen der EMRK davon nur in den Fällen eine Ausnahme gemacht, in denen ein Konventionsstaat Hoheitsmacht über Personen auf fremden Territorium oder aber effektive Kontrolle über fremdes Staatsgebiet inne hat. In letzteren Fällen ist der jeweilige Staat auf dem kontrollierten fremden Staatsgebiet auch hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen schutzpflichtig, seien es lokale oder transnationale Unternehmen. In die gleiche Richtung gehen die letztlich allerdings unverbindlichen Interpretationen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte, die in den Fällen von „authority and control“ extraterritoriale Geltung der AMRK annimmt. Mangels diesbezüglicher verbindlicher Auslegungen der Afrikanischen Menschenrechtskonvention und der Arabischen Menschenrechtscharta kann zum jetzigen Zeitpunkt keine extraterritoriale Geltung der beiden Konventionen angenommen werden. Durch die grundsätzliche Wirkungsbeschränkung auf die Territorien der Vertragsstaaten findet daher sowohl das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip als auch das damit verbundene Interventionsverbot in allen regionalen Menschenrechtskonventionen hervorgehobene Beachtung. Ob sich dagegen das Konzept der „espace juridique“ für die EMRK oder andere regionale Menschenrechtskonventionen durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Damit muss letztlich festgehalten werden, dass nach aktuellem Stand und mit Ausnahme der dargestellten „effective control“-Fälle des EGMR kein Vertragsstaat einer regionalen Menschenrechtskonvention zum Schutz von Personen außerhalb seines eigenen Territoriums verpflichtet ist. Demzufolge bestehen auch keine Schutzpflichten auf Seiten der Konventionsstaaten hinsichtlich der Aktivitäten „ihrer“ transnational operierenden Unternehmen im Ausland. Dies gilt in Ermangelung eindeutiger Interpretationen der zuständigen Überwachungsorgane auch in den Fällen, in denen private Unternehmen auf dem Wege nationaler Entscheidungen der Unternehmensführungen mittelbar Menschenrechtsverletzungen in Drittstaaten auslösen, da sämtliche Konventionen lediglich den Schutz von Berechtigten innerhalb der Hoheitsmacht der jeweiligen Vertragsstaaten vorsehen.

Dritter Teil

Staatliche Schutzpflichten hinsichtlich privater Unternehmen auf der Grundlage internationaler Menschenrechtsverträge Neben den regionalen Menschenrechtskonventionen sind die internationalen Menschenrechtsverträge ein weiteres zentrales Element des weltweiten Menschenrechtsschutzes. Sie werden unterteilt in die beiden Menschenrechtspakte und in die spezifischen Menschenrechtsverträge, welche jeweils einem oder mehreren spezifischen Bereichen des Menschenrechtsschutzes zugeordnet sind. Nachfolgend werden diese Verträge auf mögliche staatliche Schutzpflichten und insbesondere auf Pflichten zum Schutz vor den Aktivitäten privater Unternehmen untersucht.1 Da in zahlreichen Entscheidungen der zuständigen Gerichte und Überwachungsorgane die englischen Kurzbezeichnungen der Konventionen und der zuständigen Organe verwendet werden, wird der besseren Übersicht halber nachfolgend ebenfalls ausschließlich von den englischen Bezeichnungen Gebrauch gemacht.

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte Da die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Resolution keine Rechtsbindung erzeugen kann, bemühten sich die Vereinten Nationen früh um ein verbindlicheres Vertragswerk zum Schutz der Menschenrechte.2 Nach langen Verhandlungen wurden am 16. 12. 1966 der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR)3 sowie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale, und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Cultural and Social Rights, ICECSR)4 ver1 Eine Untersuchung staatlicher Schutzpflichten aus einzelnen internationalen Menschenrechtsverträgen wurde 2006/2007 durch den UN-Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte durchgeführt, siehe zusammenfassend: „State responsibilities to regulate and adjudicate corporate activities under the United Nations core human rights treaties: an overview of treaty body commentaries“ vom 13. Februar 2007, UN Doc. A/HRC/4/35/Add.1. 2 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 427; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 312. 3 International Covenant on Civil and Political Rights, 16. 12. 1966, 999 UNTS 171, BGBl. 1973 II, 1534. 4 International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 16. 12. 1966, 993 UNTS 3, BGBl. 1973 II, 1570.

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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abschiedet.5 Beide traten 1976 in Kraft6 und vereinen heute im Fall des ICCPR 165 und im Fall des ICESCR 160 Vertragsstaaten.7

I. Einführung und Verhältnis der Menschenrechtspakte zueinander ICCPR und ICESCR sind grundsätzlich unabhängig voneinander, wenn auch nahezu identische Präambeln und inhaltliche Verbindungen bestehen.8 Der ICCPR dient dem Schutz der Menschenrechte der ersten Generation9, zu denen unter anderem ein allgemeines Diskriminierungsverbot (Art. 2 Abs. 1), das Recht auf Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3), das Recht auf Leben (Art. 6), Verbot der Folter (Art. 7), Sklavereiverbot (Art. 8), Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 9), Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 14), Rückwirkungsverbot (Art. 15), Gedanken- Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 18), Meinungsfreiheit (Art. 19), Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 21 und 22) gehören. In Ergänzung zum ICCPR wurden bislang zwei Zusatzprotokolle verabschiedet: Das erste Fakultativprotokoll von 1966 zur Begründung der Individualbeschwerde10 und das zweite Fakultativprotokoll von 1989 zur Abschaffung der Todesstrafe11. Der ICECSR hingegen dient überwiegend dem Schutz von Menschenrechten der zweiten Generation, zu denen u. a. das Recht auf Arbeit (Art. 6), das Recht auf soziale Sicherheit (Art. 9), das Recht auf angemessenen Lebensstandard (Art. 11), das Recht auf Gesundheit (Art. 12) und das Recht auf Bildung (Art. 13) gezählt werden. Die beiden Pakte unterscheiden sich – was für die zu prüfenden Schutzpflichten von großer Bedeutung ist – erheblich hinsichtlich der Pflicht zur Umsetzung der in ihnen enthaltenen Rechte sowie hinsichtlich ihrer Kontrollsysteme.12

5

Zur Genese der Pakte siehe: Cohen, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 915 ff.; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 427. 6 Der ICCPR trat am 23. 03. 1976 und der ICESCR am 03. 01. 1976 in Kraft. 7 Stand Juni 2010. Zum aktuellen Stand siehe: http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails. aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-3&chapter=4&lang=en. 8 Zur Interdependenz der beiden Pakte ausführlich: Scott, 21 HRQ 633 ff. (1999). 9 Siehe hierzu: Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 361. 10 Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights, 16. 12. 1966, 999 UNTS 171, BGBl. 1992 II, 1247; in Kraft getreten am 23. 03. 1976. 11 Second Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights, aiming at the abolition of the death penalty, 15. 12. 1989, 1642 UNTS 414, BGBl. 1992 II, 391; in Kraft getreten am 11. 07. 1991. 12 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 363.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

II. Organe und Berichtssysteme der Menschenrechtspakte Zur Durchsetzung der in den Pakten genannten Rechte wurden obligatorische Berichtssysteme eingeführt. Im Falle des ICCPR handelt es sich zunächst um ein Berichtssystem (Art. 40 ff.), nach dem die Vertragsstaaten in regelmäßigen Abständen Berichte über Stand und Fortentwicklung der Sicherung der garantierten Rechte beim Ausschuss für Menschenrechte (Human Rights Committee13, HRC, Art. 28 ff. ICCPR) vorlegen müssen, welche von diesem durch Concluding Observations (Abschließende Bemerkungen) kommentiert werden. Daneben existiert auf Basis des 1. Zusatzprotokolls zum ICCPR die Möglichkeit zur Individualbeschwerde (das HRC beschließt derartige Verfahren mit so genannten „Views“ (Beurteilungen)) und zur Staatenbeschwerde. Vertragsstaaten müssen sich letzterem Verfahren gemäß Art. 41 Abs. 1 ICCPR aktiv unterwerfen. Bislang wurde (aus politischen Gründen14) jedoch noch keine einzige Staatenbeschwerde eingereicht.15 Der ICESCR sieht bislang neben einem an den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights, CESCR) gerichteten Berichtssystem (Art. 16 ff. ICESCR) keine weiteren Kontrollverfahren vor. Am 10. 12. 2008 wurde das Fakultativprotokoll zum ICESCR zur Begründung der Individualbeschwerde verabschiedet, welches allerdings noch nicht in Kraft getreten ist.16 Sowohl HRC, als auch CECSR können Allgemeine Bemerkungen (General Comments) abgegeben17, welche Interpretationen der inhaltlichen Reichweite der Pakte enthalten.18 Schutzpflichten hinsichtlich privater Unternehmen werden weder in den Vertragstexten der beiden Pakte, noch in den jeweiligen Zusatzprotokollen explizit erwähnt. Ob die Vertragsstaaten zum Schutz vor rechtsverletzenden Aktivitäten privater Unternehmen verpflichtet sind, lässt sich daher nachfolgend nur unter Hinzuziehung der durch den Ausschuss für Menschenrechte bzw. den Sozialausschuss verabschiedeten General Comments, Concluding Observations zu den Staatenberichten und Views zu den Individualbeschwerdeverfahren prüfen. Entscheidend sind dabei auch die jeweiligen Kompetenzen der Ausschüsse zur verbindlichen Vertragsauslegung, welche im weiteren Verlauf ebenfalls zu prüfen sein werden.

13

Bestehend aus 18 unabhängigen Experten. Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 364. 15 Offizielle Mitteilung des Office of the UN High Commissioner for Human Rights (OHCHR) unter: www2.ohchr.org/english/bodies/petitions/index.htm#interstate. 16 Optional Protocol to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 10. 12. 2008, UN-Resolution A/RES/63/117. 17 Art. 40 Abs. 4 S. 2 ICCPR und Art. 21 ICESCR. 18 Zusammen mit der AEMR bilden die Pakte und ihre Zusatzprotokolle die „Internationale Menschenrechtscharta“ (International Bill of Human Rights). 14

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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III. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) Insbesondere bürgerliche und politische Rechte werden klassischerweise als Abwehrrechte (oder auch negative Rechte) des Bürgers gegen den Staat betrachtet.19 Wie nachfolgend ausgeführt, gibt es jedoch Hinweise, wonach die im ICCPR enthaltenen Rechte nach aktueller Auffassung des Human Rights Committee (HRC) neben reinen Abwehrrechten auch Schutzpflichten der Vertragsstaaten beinhalten. 1. Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR a) Ausgangspunkt der Analyse: Generalklausel aus Art. 2 ICCPR Art. 2 Abs. 1 ICCPR statuiert: „Each State Party to the present Covenant undertakes to respect and to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant […]“.

Ebenso wie im Rahmen der AMRK treffen wir an dieser Stelle auf eine Unterscheidung in zwei Pflichtenkategorien (im englischen Vertragstext „to respect“ und „to ensure“). Vereinzelt wird hierzu im Schrifttum auch von einer „dualen Struktur“ im Rahmen des ICCPR gesprochen.20 Art. 2 Abs. 2 ICCPR legt nicht nur fest, dass die Staaten, wo nötig, gesetzgeberische Maßnahmen ergreifen müssen, um Rechtsgarantien effektiv zu sichern. Darüber hinaus heißt es in Art. 2 Abs. 2 auch „[…] each State Party to the present Covenant undertakes to take the necessary steps, in accordance with its constitutional processes […]“

Damit gesteht der ICCPR den Vertragsstaaten nach einer Ansicht im Schrifttum einen generell weiten Spielraum bei der einzelstaatlichen Umsetzung ihrer Vertragspflichten zu.21 Ob es sich bei der Pflichtenkategorisierung in Art. 2 Abs. 1 ICCPR um Handlungspflichten, wie beispielsweise den aus Art. 2 Abs. 3 ICCPR folgenden Pflichten zur aktiven Einrichtung wirksamer Beschwerdemechanismen22, oder um Pflichten zum Schutz vor den Handlungen Privater handelt, erschließt sich aus dem Vertragstext hingegen nicht. Art. 2 ICCPR impliziert lediglich, bei grundsätzlich weitem Gestaltungsspielraum der Vertragsstaaten, das Bestehen ver-

19 Joseph/Schultz/Castan: The International Covenant on Civil and Political Rights, 2. Auflage, Oxford et al. 2004, S. 33. 20 Herdegen, Völkerrecht, S. 379; vgl. auch: Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 313. 21 Ambos, AVR 37 (1999), 318, 321. 22 Siehe dazu: Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 114.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

schiedener Pflichtenkategorien, die möglicherweise über reine Abwehrrechte hinausgehen.23 b) Schutzpflichten im Rahmen des kodifizierten Rechts des ICCPR Mehreren Stellen des Vertragstextes können gewisse, über die Schaffung von Maßnahmen zur Sicherung effektiver Rechtsschutzverfahren hinausgehende, Handlungspflichten entnommen werden.24 So legen die Art. 6 Abs. 1 (Recht auf Leben), Art. 17 Abs. 2 (Schutz des Privatlebens), Art. 23 Abs. 1 (Schutz der Familie), Art. 24 Abs. 1 (Schutz des Kindes vor Diskriminierung) und Art. 26 (Gleichheit vor dem Gesetz) fest, dass die jeweiligen Rechtsgarantien durch die Schaffung gesetzlicher Grundlagen gesichert werden müssen („protected by law“). Während hierin implizit ein zumindest mittelbarer Schutz vor schädigenden Handlungen Privater enthalten ist, ist der genaue Umfang staatlicher Schutzpflichten auch hieraus nicht ablesbar. c) General Comments (Allgemeine Bemerkungen) des HRC Das Human Rights Committee hat bislang 33 General Comments zu unterschiedlichen Fragen der Anwendung des ICCPR veröffentlicht.25 aa) General Comment No. 31 („The nature of the general legal obligation imposed on States parties“) Von zentraler Bedeutung bei der Bestimmung staatlicher Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR ist General Comment No. 31 („Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant“) vom 26. 05. 2004.26 Darin legt das HRC die Generalklausel aus Art. 2 ICCPR sowohl im Hinblick auf Inhalt, wie auch im Hinblick auf die räumliche Geltung konkretisierend aus. Zunächst betont das HRC in General Comment No. 31 die grundsätzliche Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 ICCPR. Dieser sei als Grundsatzverpflichtung („general 23 Ambos, AVR 37 (1999), 318, 321; Tomuschat, Between Idealism and Realism, S. 267; Reinisch, in Alston: Non-State Actors and Human Rights, S. 37, 79. 24 Zur positiven Handlungspflicht hinsichtlich der Einrichtung von Rechtsschutzverfahren siehe: Joseph/Schultz/Castan: The International Covenant on Civil and Political Rights, 2. Auflage, Oxford et al. 2004, S. 34; zu ausdrücklichen Schutzpflichten vgl. auch: Kälin/ Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 108 f. 25 Stand Juni 2010. Verfügbar unter: www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm. 26 HRC, General Comment No. 31 [80th Session] Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant v. 26. 05. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 [Im weiteren Verlauf zitiert als: General Comment No. 31].

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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obligation“) zu verstehen, wohingegen Art. 2 Abs. 2 ICCPR die Grundsatzstruktur („overarching framework“) festlege, durch welche die Rechtsgarantien zu sichern sind.27 Art. 2 sei dabei bindend für alle staatlichen Stellen. Eine Derogation, welcher Form auch immer, sei nicht möglich.28 Anschließend stellt das HRC ausdrücklich fest, Art. 2 ICCPR enthalte Pflichten, die in ihrer Natur sowohl negativ wie auch positiv sein können.29 Mit der Kernaussage „However the positive obligations on States Parties to ensure Covenant rights will only be fully discharged if individuals are protected by the State, not just against violations of Covenant rights by its agents, but also against acts committed by private persons or entities that would impair the enjoyment of Covenant rights in so far as they are amenable to application between private persons or entities.“30

betont das HRC das Bestehen staatlicher Schutzpflichten für Rechtsverletzungen Privater untereinander. Darüber hinaus begründen nach Ansicht des HRC einige Artikel (explizit genannt werden Art. 7, 17 und 26) des ICCPR ihrerseits positive Schutzpflichten.31 Jedoch statuiert Art. 2 ICCPR nach Auffassung des HRC in keinem Fall horizontale Effekte, d. h. es entstehen im Rahmen des ICCPR keine direkten Verpflichtungen Privater untereinander.32 Wie auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte im oben beschriebenen Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras,33 bedient sich das HRC des Merkmals der gebotenen Sorgfalt (im englischen „due diligence“) zur Beschreibung der Anforderungen an die Vertragsstaaten. So heißt es „There may be circumstances in which a failure to ensure Covenant rights as required by article 2 would give rise to violations by States Parties of those rights, as a result of States Parties’ permitting or failing to take appropriate measures or to exercise due diligence to prevent, punish, investigate or redress the harm caused by such acts by private persons or entities.“34.

Somit wird deutlich, dass die Vertragsstaaten auch im Rahmen des ICCPR nicht für jeden Eingriff in die Rechte des Paktes durch Private verantwortlich sind. Dies gelte nur für Fälle des Nichthandelns bei bestehender Schutzpflicht. Zwar verlangt das HRC die Ergreifung legislativer, judikativer, administrativer, edukativer und sonstiger angemessener Maßnahmen zur Erfüllung der staatlichen Vertragspflichten und betont besonders die staatlichen Pflichten zu unverzüglichen, effektiven und 27

Ibid, Ziff. 3, 5. Ibid, Ziff. 4. 29 Ibid, Ziff. 6. 30 Ibid, Ziff. 8. 31 Ibid, Ziff. 8. 32 Ibid, Ziff. 8; bezeichnen die staatlichen Schutzpflichten selbst und nicht die Pflichten Privater untereinander irreführend als „horizontal duties“: Joseph/Schultz/Castan: The International Covenant on Civil and Political Rights, 2. Auflage, Oxford et al. 2004, S. 36. 33 Siehe S. 100 ff. 34 HRC, General Comment No. 31, Ziff. 8. 28

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

unabhängigen Untersuchungen bei Verletzungen des ICCPR, v. a. bei Eingriffen in Art. 6, 7 und 9 ICCPR.35 Eine Konkretisierung der Pflicht zur Ausübung der gebotenen staatlichen Sorgfalt gibt das HCR jedoch weder im hier besprochenen General Comment No. 31, noch in einem anderen General Comment, einer Concluding Observation36 oder Individualbeschwerde37. Man kann annehmen, dass das HRC damit dem in Art. 2 Abs. 2 ICCPR kodifizierten und in General Comment No. 31 erneut betonten38 Grundsatz des weiten Gestaltungsspielraums bei der Erfüllung vertragsstaatlicher Pflichten Rechnung trägt.39 Schließlich wird in General Comment No. 31 das Verhältnis staatlicher Schutzpflichten zu den Pflichten zur Einrichtung wirksamer Beschwerdemechanismen (Art. 2 Abs. 3 ICCPR) dargelegt, die zwar miteinander verknüpft, inhaltlich jedoch getrennt zu behandeln seien.40 Im Ergebnis hat das HRC mit General Comment No. 31 daher lediglich das Bestehen staatlicher Schutzpflichten im Grundsatz bejaht und Hinweise auf einzelne Rechte gegeben, bei denen je nach Fallkonstellation Schutzpflichten bestehen können. Eine weitergehende Konkretisierung staatlicher Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR erfolgt hingegen nicht. bb) Sonstige General Comments Über General Comment No. 31 hinaus verweist das HRC in einigen weiteren General Comments auf staatliche Schutzpflichten. In General Comment No. 6, der sich mit dem Recht auf Leben (Art. 6 ICCPR) befasst, führt das HRC aus: „The expression ,inherent right to life‘ cannot properly be understood in a restrictive manner, and the protection of this right requires that States adopt positive measures.“41

General Comment No. 16 (Schutz des Privatlebens, Art. 17) stellt gleichermaßen Schutzpflichten hinsichtlich der Handlungen Dritter fest, auch hier ohne diese näher zu konkretisieren: „[…] right of every person to be protected against arbitrary or unlawful interference with his privacy, family, home or correspondence as well as against unlawful attacks on his honour 35

Ibid, Ziff. 15, 18. Im Rahmen der Concluding Observations benutzt das HRC den Begriff „due diligence“ lediglich im Bericht zu Benin im Kontext des Schutzes des Lebens (insbesondere von Kindern), HRC, Concluding Observations Benin, 01. 12. 2004, UN Doc. CCPR/CO/82/BEN, Ziff. 14. 37 Die Verwendung des Begriffes „due diligence“ in mehreren Beurteilungen zu Individualbeschwerden bezieht sich lediglich auf die Zulässigkeitsanforderung, wonach Beschwerdeführer ihre Ansprüche mit der notwendigen Sorgfalt vorbringen müssen; vgl. nur: HRC, Hylton v. Jamaica, Communication No. 600/1994, 16. 07. 1996, CCPR/C/57/D/600/1994, Ziff. 6.3 („While it is correct that the author of a communication is required to display due diligence in the presentation of his/her claims […]“). 38 HRC, General Comment No. 31, Ziff. 13. 39 Vgl. Ambos, AVR 37 (1999), 318, 321. 40 HRC, General Comment No. 31, Ziff. 8, 15, 16. 41 HRC, General Comment No. 06 [16th Session] The right to life (art. 6) v. 30. 04. 1982, Ziff. 5. 36

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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and reputation […] whether they emanate from State authorities or from natural or legal persons […] require the State to adopt legislative and other measures.“42

Darüber hinaus hat das HRC in drei weiteren General Comments staatliche Schutzpflichten zu spezifischen Rechten bejaht: Zum Diskriminierungsverbot in General Comment No. 18 „[…] it is a positive duty of States parties to make certain that spouses have equal rights as required by the Covenant.“43,

zum Verbot der Folter und unwürdigen Behandlung (Art. 7 ICCPR) in General Comment No. 20 „It is the duty of the State party to afford everyone protection through legislative and other measures as may be necessary against the acts prohibited by article 7, whether inflicted by people acting in their official capacity, outside their official capacity or in a private capacity.“44

und zum Recht der Minderheiten (Art. 27) in General Comment No. 23 „The enjoyment of those rights may require positive legal measures of protection […]“.45

cc) Zwischenergebnis In General Comments Nos. 6, 16, 18, 20 und 23 betont das Human Rights Committee das Bestehen staatlicher Schutzpflichten hinsichtlich einzelner Rechte des ICCPR. Mit General Comment No. 31 fasst das HRC die bis dahin nur vereinzelt angesprochenen staatlichen Schutzpflichten in Auslegung der Pflicht „to ensure“ zu einem grundlegenden Prinzip unter Art. 2 Abs. 1 ICCPR zusammen. Während das HRC staatliche Schutzpflichten im Grundsatz bejaht, sieht es jedoch davon ab, diese im Einzelnen zu konkretisieren und belässt den Vertragsstaaten unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 2 ICCPR einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung ihrer Vertragspflichten.

42 HRC, General Comment No. 16 [32th Session] The right to respect of privacy, family, home and correspondence, and protection of honour and reputation (Art. 17) v. 08. 04. 1988, Ziff. 1; vgl. in General Comment No. 16 auch Ziff. 10 und 11, welche die staatliche Schutzpflicht unterstreichen und zumindest im Hinblick auf den Schutz persönlicher Daten konkretisieren (Ziff. 11). 43 HRC, General Comment No. 18 [37th Session] Non-discrimination v. 10. 11. 1989, Ziff. 5. 44 HRC, General Comment No. 20 [44th Session] Replaces general comment 7 concerning prohibition of torture and cruel treatment or punishment (Art. 7) v. 10. 03. 1992, Ziff. 2 (vormals General Comment No. 7, Ziff. 2). 45 HRC, General Comment No. 23 [50th Session] The rights of minorities (Art. 27) v. 08. 04. 1994, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5 Ziff. 7.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

d) Concluding Observations zu Staatenberichten Neben den General Comments lassen sich auch einigen Concluding Observations des HRC zu Berichten der Vertragsstaaten Hinweise auf staatliche Schutzpflichten vor Eingriffen Privater entnehmen. Zwar wird in den Concluding Observations an keiner Stelle vertiefend oder erläuternd auf staatliche Schutzpflichten eingegangen46, jedoch rügt das HRC die Verletzung staatlicher Pflichten zum Schutz von Individuen und Gruppen in Einzelbereichen. In Fallgruppen zusammengefasst sind dies: Staatliche Schutzpflichten zur Verhinderung von Diskriminierungen unter Privaten47, Pflichten zum aktiven Schutz von Kindern vor Ausbeutung und Kinderarbeit durch Private48, Pflichten zum Schutz von Frauen vor Gewalttaten durch Private49, Pflichten zum Schutz von Minderheiten vor Gewalt durch Dritte50, Schutz vor Menschenhandel51, Schutz vor Sklaverei52 sowie die Pflicht zum Schutz von kulturellen Minderheiten (Art. 27 ICCPR) vor Rechtsverletzungen durch Dritte53. Das HRC spricht bei Bedarf in den Concluding Observations seine Besorgnis über einen bestimmten Zustand aus und empfiehlt Handlungen. In ihrem Konkretisierungsgrad gehen die relevanten Concluding Observations dabei nicht über die oben genannten General Comments hinaus. So äußert das HRC beispielsweise in seinen Concluding

46

Untersucht wurden sämtliche Concluding Observations des HRC bis Juni 2010. HRC, Concluding Observations Chile, 30. 03. 1999, UN Doc. CCPR A/54/40 (1999), Ziff. 219; HRC, Concluding Observations Croatia, 04. 04. 2001, UN Doc. CCPR A/56/40 (2001), Ziff. 23; HRC, Concluding Observations Venezuela, 02. 04. 2001, UN Doc. CCPR A/56/ 40 (2001), Ziff. 19. 48 HRC, Concluding Observations Kenya, 29. 04. 2005, UN Doc. CCPR/CO/83/KEN, Ziff. 26; HRC, Concluding Observations Morocco, 01. 12. 2004, UN Doc. CCPR/CO/82/MAR, Ziff. 31; HRC, Concluding Observations Paraguay, 24. 04. 2006, UN Doc. CCPR/C/PRY/CO/ 2, Ziff. 21; HRC, Concluding Observations Thailand, 08. 05. 2005, UN Doc. CCPR/CO/84/ THA, Ziff. 21; HRC, Concluding Observations Uganda, 24. 05. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/ UGA, Ziff. 20; HRC, Concluding Observations United Republic of Tanzania, 06. 08. 2009, CCPR/C/TZA/CO/4, Ziff. 25; HRC, Concluding Observations Uzbekistan, 26. 04. 2005, UN Doc. CCPR/CO/83/UZB, Ziff. 25. 49 HRC, Concluding Observations Switzerland, 03. 11. 2009, CCPR/C/CHE/CO/3, Ziff. 11; HRC, Concluding Observations United Republic of Tanzania, 06. 08. 2009, CCPR/C/TZA/CO/ 4, Ziff. 10, 11. 50 HRC, Concluding Observations United Republic of Tanzania, 06. 08. 2009, CCPR/C/ TZA/CO/4, Ziff. 15; HRC, Concluding Observations USA, 18. 12. 2006, UN Doc. CCPR/C/ USA/CO/3/Rev.1, Ziff. 25. 51 HRC, Concluding Observations Paraguay, 24. 04. 2006, UN Doc. CCPR/C/PRY/CO/2, Ziff. 13; HRC, Concluding Observations Thailand, 08. 05. 2005, UN Doc. CCPR/CO/84/THA, Ziff. 20. 52 HRC, Concluding Observations Brazil, 01. 12. 2005, UN Doc. CCPR/C/BRA/CO/2, Ziff. 14. 53 HRC, Concluding Observations Guayana, 30. 03. 2000, UN Doc. CCPR A/55/40 (2000), Ziff. 379; HRC, Concluding Observations Suriname, 04. 05. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/ SUR, Ziff. 21. 47

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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Observations zu Chile Besorgnis über anhaltende Diskriminierungszustände und empfiehlt „Legislation should be enacted to prohibit discrimination and provide an effective remedy to those whose right not to be discriminated against is violated. The Committee also recommends the establishment of a national defender of human rights or other effective agency to monitor the implementation of anti-discrimination legislation.“54

Ebenso wie im Rahmen der General Comments kann auf der Ebene der Concluding Observations abschließend vor allem seit Ende der 90er Jahre eine Entwicklung hin zu weiter gefassten staatlichen Pflichten zum Schutz vor schädigenden Handlungen Privater festgestellt werden, wobei das HRC auch hier den Staaten einen weiten Gestaltungsraum belässt. e) Beurteilungen des HRC zu Individualbeschwerden (1. Fakultativprotokoll) Das Human Rights Committee ist durch Art. 5 Abs. 4 des Ersten Fakultativprotokolls zum ICCPR55 ermächtigt, auf Individualbeschwerden hinsichtlich Verletzungen von Rechtsgarantien des ICCPR mit der Verabschiedung von Beurteilungen (so genannten „Views“) zu reagieren.56 Sowohl den Beschwerdeführern, wie auch den jeweiligen Unterzeichnerstaaten des Fakultativprotokolls werden diese Beurteilungen zur Kenntnis gegeben. In zahlreichen derartigen Beurteilungen hat das HRC Verletzungen von Rechtsgarantien bejaht, darunter auch mehrere Fälle von Verletzungen staatlicher Handlungspflichten.57 Jedoch bezieht sich der ganz überwiegende Teil dieser speziellen Fälle nicht auf die Verletzung von staatlichen Pflichten zum Schutz vor Handlungen Privater, sondern auf Handlungspflichtverletzungen im direkten Verhältnis Staat-Individuum (häufig sind dies Entführungen und Misshandlungen durch staatliche Stellen, denen aus Sicht des HRC keine adäquaten aktiven staatlichen Maßnahmen folgten bzw. keine Präventionen vorausgingen).58 In den wenigen Fällen, in denen sich das HRC mit staatlichen Pflichten zum Schutz vor Handlungen Privater beschäftigt, betont das HRC zum einen, eine Delegation von Pflichten an Private sei nicht möglich59, zum anderen, dass die 54 HRC, Concluding Observations Chile, 30. 03. 1999, UN Doc. CCPR A/54/40 (1999), Ziff. 219; vgl. zu Handlungspflichten im Rahmen von HRC-Beurteilungen auch: Tomuschat, Between Idealism and Realism, S. 272 f. 55 Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights, 16. 12. 1966, 999 UNTS 171, BGBl. 1992 II, 1247; in Kraft getreten am 23. 03. 1976. 56 Ibid, Art. 5 Abs. 4. 57 Siehe nur: HRC, Barbato v. Uruguay, Communication No. 84/1981, 21. 10. 1982, UN Doc. CCPR/C/17/D/84/1981, Ziff. 9.6 (Pflicht zur aktiven Untersuchung bei Rechtsverletzungen durch staatliche Stellen). 58 Vgl. SRSG Ruggie, Human Rights Treaty Report No. 3, Ziff. 19 ff. 59 HRC, Lindgren et al. and Lundquist et al. v. Sweden, Communications Nos. 298/1988 and 299/1988, 09. 11. 1990, UN Doc. CCPR/C/40/D/298 – 299/1988, Ziff. 10.4.

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staatliche Pflicht zu effektiven Untersuchungen auch bei Verletzungen von Vertragsgarantien durch Private gelte60. Darüber hinaus bejaht das HRC staatliche Pflichten zum Schutz vor Eingriffen Privater bei Verletzungen des Rechts auf persönliche Sicherheit und des Rechts auf Leben61, bei Folter62 und in Entführungsfällen63. Auch in den Fällen der Beurteilungen nach Art. 5 Abs. 4 des Ersten Fakultativprotokolls erkennt das HRC den Vertragsstaaten einen weiten Gestaltungsraum im Umgang mit den Vertragsverpflichtungen zu. f) Zwischenergebnis zu Schutzpflichten im Allgemeinen Das Human Rights Committee hat sich sowohl in seinen General Comments, wie auch in Concluding Observations zu Staatenberichten und Beurteilungen von Individualbeschwerden in der Vergangenheit mit staatlichen Pflichten zum Schutz vor Handlungen Privater befasst. Mit Veröffentlichung von General Comment No. 31 hat das HRC seiner allgemeinen Auffassung staatlicher Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR generellen Ausdruck verliehen, wobei die Frage staatlicher Schutzpflichten bislang nur in wenigen Concluding Observations und Beurteilungen thematisiert wurde. Erwähnung findet General Comment No. 31 lediglich in wenigen Concluding Observations, die diesen aber nur beiläufig erwähnen und nicht näher konkretisieren.64 Der Bereich staatlicher Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR ist daher im Vergleich zu Pflichten im direkten Verhältnis Staat zu Individuum wesentlich weniger konkretisiert, wenn auch eine Tendenz hin zur deutlicheren Bejahung staatlicher Schutzpflichten durch das HRC in den letzten Jahren erkennbar ist.65 Die aufgezeigte Entwicklung entspricht der generellen Einordnung des ICCPR durch den HRC als „living instrument“.66

60 HRC, Rajapakse v. Sri Lanka, Communication No. 1250/2004, 05. 09. 2006, UN Doc. CCPR/C/87/D/1250/2004, Ziff. 9.3. 61 HRC, Delgado Páez v. Colombia, Communication No. 195/1985, 12. 07. 1990, UN Doc. CCPR/C/39/D/195/1985, Ziff. 5.5. 62 HRC, Ahani v. Canada, Communication No. 1051/2002, 15. 06. 2004, UN Doc. CCPR/C/ 80/D/1051/2002, Ziff. 10.7, 10.10. 63 HRC, Bautista v. Colombia, Communication No. 563/1993, 27. 10. 1995, UN Doc. CCPR/C/55/D/563/1993, Ziff. 8.6. 64 HRC, Concluding Observations Azerbaijan, 13. 08. 2009, UN Doc. CCPR/C/AZE/CO/3, Ziff. 9; HRC, Concluding Observations Kenya, 29. 04. 2005, UN Doc. CCPR/CO/83/KEN, Ziff. 5; HRC, Concluding Observations Russian Federation, 24. 11. 2009, UN Doc. CCPR/C/ RUS/CO/6, Ziff. 7; HRC, Concluding Observations Spain, 05. 01. 2009, UN Doc. CCPR/C/ ESP/CO/5, Ziff. 9; HRC, Concluding Observations United Republic of Tanzania, 06. 08. 2009, CCPR/C/TZA/CO/4, Ziff. 7. 65 So auch: Joseph/Schultz/Castan: The International Covenant on Civil and Political Rights, 2. Auflage, Oxford et al. 2004, S. 36. 66 HRC, Judge v. Canada, Communication No. 829/1998, 05. 08. 2002, UN Doc. CCPR/C/ 78/D/829/1998, Ziff. 10.3.

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2. Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen Die Vertragstexte des ICCPR sowie der beiden Zusatzprotokolle enthalten an keiner Stelle einen Hinweis auf Unternehmen im Besonderen oder Wirtschaft im Allgemeinen. Fraglich ist daher, ob Unternehmen in den Entscheidungen des HRC explizite Erwähnung finden und ob Fälle existieren, in denen staatliche Pflichten zum Schutz vor unternehmerischen Tätigkeiten bejaht wurden. a) Die Erwähnung von Wirtschaftsunternehmen in den General Comments des HRC Das HRC erwähnt Wirtschaftsunternehmen in seinen General Comments nicht direkt. Das HRC verweist lediglich auf rechtliche Personen oder aber den Privatsektor (in den englischen Texten werden folgende Formulierungen gewählt: „legal persons“67, „in a private capacity“68, „from private interference“69, „private sector“70, „private actors, such as employers“71, „private agencies“72, „private persons or entities“73).

Wirtschaftsunternehmen werden aber auch an keiner Stelle von diesen Gruppen ausgenommen. b) Die Erwähnung von Wirtschaftsunternehmen in Concluding Observations und Individualbeschwerdeverfahren: Spezifische Fallgruppen Insgesamt kann hinsichtlich der Beurteilungen von Individualbeschwerden und Concluding Observations festgestellt werden, dass sich das HRC im Vergleich zu Fällen von Verletzungen klassischer Abwehrrechte bisher nur in sehr begrenztem Maße mit staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten von Unternehmen beschäftigt hat. Es existiert darüber hinaus kein einziger Fall, bei dem die Pflicht eines Vertragsstaates zur extraterritorialen Sanktionierung transnational operieren67 HRC, General Comment No. 16 [32th Session] The right to respect of privacy, family, home and correspondence, and protection of honour and reputation (Art. 17) v. 08. 04. 1988, Ziff. 1, 2. 68 HRC, General Comment No. 20 [44th Session] Replaces general comment 7 concerning prohibition of torture and cruel treatment or punishment (Art. 7) v. 10. 03. 1992, Ziff. 2. 69 HRC, General Comment No. 27, [67th Session] Freedom of movement (Art. 12) v. 02. 11. 1999, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.9, Ziff. 6. 70 HRC, General Comment No. 28, [68th Session] Equality of rights between men and women (Art. 3) v. 29. 03. 2000, CCPR/C/21/Rev.1/Add.10, Ziff. 4. 71 Ibid, Ziff. 20, 31. 72 Ibid, Ziff. 31. 73 HRC, General Comment No. 31 [80th Session] Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant v. 26. 05. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Ziff. 8.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

der Unternehmen thematisiert wurde. Die wenigen existierenden Fälle mit Bezug zu Privatunternehmen lassen sich in folgende Fallgruppen einordnen: aa) Schutzpflichten bei Diskriminierungen im Arbeitsbereich Im Rahmen der Individualbeschwerde Love et al. v. Australia rügten mehrere Piloten einer australischen Fluggesellschaft einen Verstoß gegen Art. 26 ICCPR (Gleichheitsgrundsatz, Verbot der Diskriminierung) mit der Begründung, ihr Arbeitgeber habe ihnen aufgrund ihres Alters (alle standen kurz vor dem sechzigsten Lebensjahr) in diskriminierender Weise die Weiterbeschäftigung verweigert.74 Das HRC sah bereits den Tatbestand einer diskriminierenden Handlung als nicht gegeben, führt aber ergänzend aus, es sei „[…] unnecessary to decide whether the dismissal was directly imputable to the State party, or whether the State party’s responsibility would be engaged by a failure to prevent third party discrimination“75.

Damit verdeutlicht das HRC, dass eine Verletzung von Art. 26 ICCPR im Grundsatz auch durch staatliches Unterlassen von Maßnahmen zum Schutz vor den Aktivitäten des Unternehmens denkbar gewesen wäre. Darüber hinaus mahnt das HRC in mehreren Concluding Observations das Fehlen gesetzlicher Grundlagen zur Vermeidung von Diskriminierungen durch private Arbeitgeber und die damit verbundene Verletzung der staatlichen „duty to protect“ an.76 bb) Schutzpflichten zur Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit In mehreren Fällen mahnt das HRC die Vertragsstaaten zur Beachtung ihrer Schutzpflichten zur Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit. Zwar werden Unternehmen in keinem dieser Fälle explizit erwähnt, aus dem Kontext der Sachverhalte lässt sich jedoch folgern, dass das HRC nicht nur Schutzpflichten in Bezug auf häusliche Kinder- und Zwangsarbeit bejaht, sondern die Reichweite staatlicher Schutzpflichten auch auf unternehmerische Tätigkeiten erstreckt.77 74

HRC, Love et al. v. Australia, Communication No. 983/2001, 25. 03. 2003, UN Doc. CCPR/C/77/D/983/2001, Ziff. 2.1. 75 Ibid, Ziff. 8.4. 76 HRC, Concluding Observations Chile, 30. 03. 1999, UN Doc. CCPR A/54/40 (1999), Ziff. 219; HRC, Concluding Observations Croatia, 04. 04. 2001, UN Doc. CCPR A/56/40 (2001), Ziff. 19; HRC, Concluding Observations Ecuador, 04. 11. 2009, UN Doc. CCPR/C/ ECU/CO/5, Ziff. 8; HRC, Concluding Observations Venezuela, 02. 04. 2001, UN Doc. CCPR A/ 56/40 (2001), Ziff. 23. 77 HRC, Concluding Observations Brazil, 01. 12. 2005, UN Doc. CCPR/C/BRA/CO/2, Ziff. 14; HRC, Concluding Observations Kenya, 29. 04. 2005, UN Doc. CCPR/CO/83/KEN, Ziff. 26; HRC, Concluding Observations Morocco, 01. 12. 2004, UN Doc. CCPR/CO/82/MAR,

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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cc) Pflichten zum Schutz von Wanderarbeitern In seinen Concluding Observations zu Thailand äußert das HRC seine Besorgnis hinsichtlich des mangelhaften staatlichen Schutzes von Wanderarbeitern. Dies gelte insbesondere für den Zugang zu sozialen Einrichtungen und Ausbildungen, hinsichtlich ihrer örtlichen Freizügigkeit und hinsichtlich der häufigen Praxis der Einbehaltung von Dokumenten. Das HRC betont weiterhin „The Committee notes that ethnic minorities and migrants from Myanmar are particularly vulnerable to exploitation by employers […]“78

und impliziert damit ebenfalls eine staatliche Pflicht zum Schutz vor schädigenden privatwirtschaftlichen Tätigkeiten. dd) Pflichten zum Schutz indigener Bevölkerungsgruppen Schließlich hat sich das HRC in mehreren Fällen mit staatlichen Pflichten zum Schutz indigener Bevölkerungsgruppen vor kommerzieller Ausbeutung (in der Regel handelt es sich um Abholzungen sowie um Öl- und Gasexplorationen) ihrer Gebiete auseinandergesetzt. Ebenso wie in den oben dargestellten ähnlichen Fällen im Rahmen der AMRK79 resultiert auch hier der unrechtmäßige Eingriff nicht direkt aus Handlungen von Unternehmen, sondern besteht in den staatlichen Genehmigungshandlungen zur Konzessionierung von Landnutzungsrechten durch Unternehmen.80 ee) Zwischenergebnis Während das HRC in den General Comments zur grundsätzlichen Auslegung des ICCPR in auffälliger Weise von der expliziten Nennung privater Unternehmen absieht, benennt das HRC seit Ende der 90er Jahre in Einzelentscheidungen konkrete Schutzpflichten in Bezug auf Wirtschaftsunternehmen. Dies ist vor allem im Bereich Ziff. 31; HRC, Concluding Observations Paraguay, 24. 04. 2006, UN Doc. CCPR/C/PRY/CO/ 2, Ziff. 21; HRC, Concluding Observations Thailand, 08. 05. 2005, UN Doc. CCPR/CO/84/ THA, Ziff. 21; HRC, Concluding Observations Uganda, 24. 05. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/ UGA, Ziff. 20; HRC, Concluding Observations Uzbekistan, 26. 04. 2005, UN Doc. CCPR/CO/ 83/UZB, Ziff. 25 (mit besonderem Hinweis auf die Baumwollindustrie). 78 HRC, Concluding Observations Thailand, 08. 05. 2005, UN Doc. CCPR/CO/84/THA, Ziff. 23. 79 Siehe S. 110 f. 80 HRC, Concluding Observations Canada, 20. 04. 2006, UN Doc. CCPR/C/CAN/CO/5, Ziff. 9; HRC, Concluding Observations Guayana,30. 03. 2000, UN Doc. CCPR A/55/40 (2000), Ziff. 379; HRC, Concluding Observations Suriname, 04. 05. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/ SUR, Ziff. 21; HRC, Hopu and Bessert v. France, Communication No 549/1993, 29. 07. 1997, UN Doc. CCPR/C/60/D/549/1993/Rev.1, Ziff. 10.3; HRC, Länsman et al. v. Finland, Communication No. 511/1992, 26. 10. 1994, UN Doc. CCPR/C/52/D/511/1992, Ziff. 2.1, 9.4; HRC, Lubicon Lake Band v. Canada, Communication No. 167/1984, 26. 03. 1990, UN Doc. CCPR/C/ 38/D/167/1984, Ziff. 2.3.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

der Diskriminierung im Arbeitsbereich, im Rahmen von Kinder- und Zwangsarbeit sowie bei der Beschäftigung von Wanderarbeitern zu beobachten. Im Bereich der extraktiven Industrien werden private Unternehmen ebenfalls genannt, jedoch ist hierbei zu beachten, dass es sich nicht um Fälle staatlicher Schutzpflichtverletzungen im engeren Sinne handelt. c) Staatsunternehmen Eine Differenzierung hinsichtlich des Grades möglicher Schutzpflichten im Hinblick auf private Unternehmen im Gegensatz zu solchen Pflichten im Hinblick auf staatliche Unternehmen nimmt das HRC an keiner Stelle vor. Aus dem oben genannten Fall Love et al. v. Australia81 geht daneben kein Hinweis hervor, dass die direkte Verantwortlichkeit des Vertragsstaates für das Handeln eines seiner Staatsunternehmen und die Verantwortlichkeit für das Unterlassen von aktiven Maßnahmen zum Schutz vor Eingriffen privater Unternehmen qualitativ unterschiedlich vom HRC bewertet werden. Da jedoch jede aktive Schutzmaßnahme zugleich einen Eingriff in die Rechte von Individuen und je nach Fall auch von Unternehmen darstellt, würden besonders strenge Anforderungen an staatliche Schutzpflichten zu einem – dem liberalen Charakter des ICCPR entgegenstehenden – Ausufern staatlicher Kontrolle führen. Daher kann auch die staatliche Pflicht zum Schutz vor den Aktivitäten privater Unternehmen nicht über die staatliche Pflicht zur Aufsicht über staatseigene Unternehmen hinaus gehen.82 3. Extraterritoriale Geltung des ICCPR Nachdem eine Tendenz des HRC, staatliche Schutzpflichten in Einzelbereichen auch auf Unternehmen auszuweiten, festgestellt worden ist, stellt sich die Frage nach der extraterritorialen Geltung derartiger Schutzpflichten. a) Hinweise zur extraterritorialen Geltung des ICCPR im Vertragstext Art. 2 Abs. 1 ICCPR beinhaltet in der englischen Vertragsfassung die Formulierung „[…] undertakes to respect and to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant […]“.

Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um zwei kumulative Anforderungen zu handeln.83 Das Human Rights Committee hat aus Art. 2 jedoch stets zwei alternative 81

Siehe S. 148 f. So auch: Joseph/Schultz/Castan: The International Covenant on Civil and Political Rights, 2. Auflage, Oxford et al. 2004, S. 36; siehe dazu auch: SRSG Ruggie, Human Rights Treaty Report No. 3, Ziff. 144. 83 Skogly/Gibney, 24 HRQ 781, 790 (2002). 82

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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Möglichkeiten zur Begründung der Geltung des ICCPR heraus gelesen.84 In General Comment No. 23 betont das HRC das Bestehen zweier Alternativen zur Begründung der extraterritorialen Geltung des ICCPR: „[…] all individuals within the territory or under the jurisdiction of the State […].“85 Im Fall Lopez Burgos v. Uruguay stellt das HRC fest: „Article 2 (1) of the Covenant places an obligation upon a State party to respect and to ensure rights ,to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction‘, but it does not imply that the State party concerned cannot be held accountable for violations of rights under the Covenant which its agents commit upon the territory of another State […]“86

Ähnliche Betonungen der extraterritorialen Geltung des ICCPR bei hoheitlichem Handeln im Ausland finden sich in weiteren Beurteilungen des HRC.87 Extraterritoriale wirtschaftliche Aktivitäten von Unternehmen wurden dabei bislang vom HRC in keiner Weise thematisiert. b) „Power or effective control“-Doktrin In General Comment No. 31 hat sich das HRC mit der grundsätzlichen extraterritorialen Geltung des ICCPR befasst und seine „power of effective control“ Doktrin begründet. Es führt aus: „[…] a State party must respect and ensure the rights laid down in the Covenant to anyone within the power or effective control of that State Party, even if not situated within the territory of the State Party.“ [Hervorhebung durch Verfasser].88

Wann allerdings ein derartiger Fall vorliegt wird mit Ausnahme von Situationen internationaler Friedenseinsätze nicht konkretisiert.89 Weiterhin sei Art. 2 ICCPR nach Auffassung des HRC so zu interpretieren, dass Ausweisungen und Auslieferungen dann als vertragswidrig einzustufen seien, wenn dem jeweiligen Individuum Gefahr für sein Leben oder Folter im Ausland drohe.90 Diese, der oben dargestellten 84 Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, 2006, S. 4; Gondek, NILR 349, 378 – 379 (2005); Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 124, 126; vgl. zur Genese das Art. 2 ICCPR: Dennis, 99 AJIL 119, 123 ff. (2005). 85 HRC, General Comment No. 23 [50th Session] The rights of minorities (Art. 27) v. 08. 04. 1994, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5, Ziff. 4; vgl. auch: Meron: 89 AJIL 78 ff. (1995). 86 HRC, Lopez Burgos v. Uruguay, Communication No. 52/1979, 29. 07. 1981, UN Doc. CCPR/C/13/D/52/1979, Ziff. 12.3. 87 HRC, Celiberti de Casariego v. Uruguay, Communication No. 56/1979, 29. 07. 1981, UN Doc. CCPR/C/13/D/56/1979, Ziff. 10.3; HRC, Montero v. Uruguay, Communication No. 106/ 1981, 31. 03. 1983, UN Doc. CCPR/C/18/D/106/1981, Ziff. 5; HRC, Munaf v. Romania, Communication No. 1539/2006, 21. 08. 2009, UN Doc. CCPR/C/96/D/1539/2006, Ziff. 14.2. 88 HRC, General Comment No. 31 [80th Session] Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant v. 26. 05. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Ziff. 10. 89 Ibid, Ziff. 10. 90 Ibid, Ziff. 12.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

Soering-Rechtsprechung des EGMR91 entsprechende Auffassung hatte das HRC bereits zuvor in einigen Beurteilungen zu Individualbeschwerden vertreten.92 c) Sichtweisen der Vertragsstaaten und internationaler Gerichte zur extraterritorialen Reichweite des ICCPR Es existieren keine Vertragsvorbehalte von Seiten der Vertragsstaaten zur Frage staatlicher Schutzpflichten unter dem ICCPR. Gleiches gilt für die Frage der extraterritorialen Geltung der Konvention. Besondere Bedeutung in der Beurteilung der vom HRC aufgestellten „Power or effective control“-Doktrin kommt der Advisory Opinion Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory des Internationalen Gerichtshofs zu.93 Darin beurteilt der IGH die Rechtmäßigkeit der Errichtung der israelischen Sperrmauer zur Abriegelung palästinensischer Gebiete unter anderem unter dem Aspekt der extraterritorialen Geltung der beiden Menschenrechtspakte und der Konvention zum Schutz der Kinder.94 Hinsichtlich des ICCPR kommt der IGH zu einem der „Power or effective control“-Doktrin sehr nahe liegenden Schluss: „[…] while the jurisdiction of States is primarily territorial, it may sometimes be exercised outside the national territory. Considering the object and purpose of the International Covenant on Civil and Political Rights, it would seem natural that, even when such is the case, States parties to the Covenant should be bound to comply with its provisions […] in adopting the wording chosen, the drafters of the Covenant did not intend to allow States to escape from their obligations when they exercise jurisdiction outside their national territory.“95

Ganz anders beurteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die extraterritoriale Geltung des ICCPR in seiner Bankoviç-Entscheidung, in der er sich auf den ICCPR bezieht. In dem entscheidenden Absatz heißt es „[…] as early as 1950 the drafters had definitively and specifically confined its territorial scope and it is difficult to suggest that exceptional recognition by the Human Rights Committee of certain instances of extra-territorial jurisdiction […] displaces in any way the territorial jurisdiction expressly conferred by that Article of the CCPR […]“96

91

EGMR, Soering v. The United Kingdom, Urt. v. 07. 07. 1989, Ser. A no. 161, 4. HRC, Kindler v. Canada, Communication No. 470/1991, 30. 07. 1993, UN Doc. CCPR/ C/48/D/470/1991, Ziff. 6.2; HRC, Judge v. Canada, Communication No. 829/1998, 05. 08. 2002, UN Doc. CCPR/C/78/D/829/1998, Ziff. 10.6. 93 IGH, Advisory Opinion on Legal Consequences on the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, 136, www.icj-cij.org/docket/files/ 131/1671.pdf. 94 Ibid, Ziff. 107 ff. 95 Ibid, Ziff. 109. 96 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, ECHR 2001-XII, 333, Ziff. 78. 92

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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Auch Belgien, Deutschland, Israel und vor allem die USA halten, wie den Concluding Observations zu entnehmen ist, im Grundsatz an einer rein territorialen Geltung des ICCPR fest.97 d) Zwischenergebnis Während das Human Rights Committee im Einvernehmen mit dem IGH die extraterritoriale Geltung des ICCPR in Fällen der Ausübung staatlicher Hoheitsmacht bejaht, sehen EGMR und einige Vertragsstaaten den Geltungsbereich des ICCPR auf das Territorium des jeweiligen Vertragsstaates begrenzt. Diese entgegengesetzten Sichtweisen lassen keinen klaren Schluss hinsichtlich des tatsächlichen räumlichen Geltungsbereichs des ICCPR zu. Es bleibt insbesondere abzuwarten, wie sich die Vertragsstaaten künftig zur extraterritorialen Geltung des ICCPR äußern werden. 4. Bindungswirkung von Entscheidungen des HRC Angesichts des vom HRC postulierten extensiven und stetig wachsenden Umfangs staatlicher Schutzpflichten in Verbindung mit der Weigerung einiger Vertragsstaaten, nicht zuletzt der USA („The Committee notes with concern the restrictive interpretation made by the State party of its obligations under the Covenant, as a result in particular of […] (b) its failure to take fully into consideration its obligation under the Covenant not only to respect, but also to ensure the rights prescribed by the Covenant.“)98, weitreichende Schutzpflichten unter dem ICCPR anzuerkennen, stellt sich letztlich die Frage nach der Bindungswirkung der HRCEntscheidungen. Der Vertragstext des ICCPR und der Zusatzprotokolle gibt keinen Hinweis auf die Bindungswirkung der General Comments (Art. 40 Abs. 4 S. 2), Concluding Observations (Art. 40 Abs. 4 S. 1) und Beurteilungen (Art. 5 Abs. 4 des Ersten Fakultativprotokolls). Die General Comments entfalten mangels sonstiger freiwilliger Unterwerfung der Staaten keine bindende Wirkung.99 Sie sind vielmehr als „soft law“ einzustufen.100 Als solches werden Verlautbarungen verstanden, welche nicht den klassischen Völkerrechtsquellen des Art. 38 IGH-Satzung zugeordnet werden 97 HRC, Concluding Observations Belgium, 12. 08. 2004, UN Doc. CCPR/CO/81/BEL, Ziff. 6; HRC, Concluding Observations Germany, 30. 03. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/DEU, Ziff. 11; HRC, Concluding Observations Israel, 05. 08. 2003, UN Doc. CCPR A/58/40 (2003), Ziff. 11; HRC, Concluding Observations USA, 18. 12. 2006, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/3/ Rev.1, Ziff. 10; anders Polen, das eine extraterritoriale Geltung explizit bejaht: HRC, Concluding Observations Poland, 02. 12. 2004, UN Doc. CCPR/CO/82/POL, Ziff. 3; allgemein zu staatlichen Repliken auf Berichte der Menschenrechtskommissionen: Cohen, 18 HRQ 517 – 543 (1996). 98 Siehe: HRC, Concluding Observations USA, 18. 12. 2006, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/3/ Rev.1, Ziff. 10. 99 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 314. 100 Ambos, AVR 37 (1999), 318, 322.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

können und denen daher keine völkerrechtliche Bindungswirkung zukommt.101 Sie können jedoch moralische und politische Wirkung begründen und ihrerseits Tendenzen zur Weiterentwicklung des Völkerrechts aufzeigen.102 Die Concluding Observations haben nach Aussage des Fact Sheets der UN zum Human Rights Committee des ICCPR und seiner Funktionsweise103 eine duale Funktion. Zum einen sollen sie die Staaten bei der Erstellung künftiger Staatenberichte unterstützen und sie zum anderen auf die drängendsten Problemlagen hinweisen.104 Bei Nichtbeachtung der Empfehlungen des HRC wird dies im Jahresbericht des HRC an die Generalversammlung vermerkt, weitergehende Sanktionen existieren nicht.105 Auch die Nichtbeachtung der Kommissionsempfehlungen in ihren Beurteilungen zu Individualbeschwerden hat lediglich eine Feststellung in den Jahresberichten des HRC zur Folge.106 Eine bindende Unterwerfung der Staaten unter die Concluding Observations und Beurteilungen existiert darüber hinaus nicht.107 Folglich entfalten weder General Comments, noch Concluding Observations oder Beurteilungen zu Individualbeschwerden bindende Wirkung.108 Aus den Auffassungen des HRC ist lediglich eine allgemeine wenn auch deutliche Tendenz hin zu umfassenderen staatlichen Schutzpflichten unter dem ICCPR zu erkennen. 5. Auffassungen der Vertragsstaaten zum Bestehen staatlicher Schutzpflichten im Rahmen des ICCPR Die mangelnde Bindungswirkung der Auffassungen des HRC befreit die Vertragsstaaten hingegen nicht von ihrer generellen Bindung an den ICCPR. Gemäß Art. 31 Abs. 2 b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge ist hinsichtlich der bindenden Wirkungen völkerrechtlicher Verträge die spätere Übung bei der Anwendung der Verträge ausschlaggebend. So kommt den Erwiderungen der Staaten auf die Interpretationen des HRC entscheidende Bedeutung zu. Da u. a. die

101

Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 113. Vitzthum, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 32; generell zu den Schlussfolgerungen der Überwachungsorgane von Menschenrechtsverträgen: Oberleitner, Menschenrechtsschutz durch Staatenberichte, S. 222 ff. 103 Office of the High Commissioner for Human Rights, Fact Sheet No. 15 (Rev.1), Civil and Political Rights: The Human Rights Committee, May 2005, www.unhcr.org/refworld/docid/ 4794773c0.html. 104 Ibid, S. 19. 105 Ibid, S. 20. 106 Ibid, S. 27. 107 Vgl. Klein, in: Klein, The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations, S. 22, 23. 108 Zur mangelnden Bindungswirkung der Beurteilungen von Individualbeschwerden siehe auch: Cohen, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 915, 920; Dennis, 99 AJIL 119, 127 (2005); Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 314; Tomuschat, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 1115, 1119. 102

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USA eine weite Interpretation staatlicher Schutzpflichten ablehnen109 und darüber hinaus mehrere Vertragsstaaten wie Belgien, Deutschland und die USA den räumlichen Geltungsbereich des ICCPR grundsätzlich an ihr nationales Territorium binden110, kann weder in Bezug auf die inhaltliche, noch auf die extraterritoriale Geltung des ICCPR von einem vollständigen Staatenkonsens gesprochen werden. Auch Art. 29 (Räumlicher Geltungsbereich von Verträgen) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge gibt keinen Hinweis auf ein anderes mögliches Ergebnis.111 Damit kann die inhaltliche und räumliche Reichweite staatlicher Schutzpflichten unter dem ICCPR bestenfalls als in einem dynamischen Prozess befindlich bezeichnet werden, welcher anzudauern scheint. 6. Ergebnis Zwar weisen die Entscheidungen des Human Rights Committee auf einen dynamischen Prozess in der Interpretation des ICCPR mit zunehmenden staatlichen Schutzpflichten auch in Bezug auf private Unternehmen hin. In Ermangelung eines Staatenkonsenses zur inhaltlichen und räumlichen Geltung des ICCPR muss jedoch eine Pflicht zur Sanktionierung privater transnationaler Unternehmen für Beteiligungen an extraterritorialen Menschenrechtsverletzungen unter dem ICCPR zum jetzigen Zeitpunkt eindeutig verneint werden.112 Gleiches gilt für nationale Unternehmensentscheidungen mit extraterritorialen rechtsverletzenden Effekten. Selbst das Bestehen staatlicher Schutzpflichten auf dem eigenen Staatsgebiet kann vor dem Hintergrund deutlicher Meinungsunterschiede in der Auslegung des ICCPR durch HRC und Vertragsstaaten nicht eindeutig beantwortet werden. Deutlich wird lediglich, dass die staatlichen Pflichten zum Schutz vor den Aktivitäten von Wirtschaftsunternehmen tendenziell zunehmen.

109

HRC, Concluding Observations USA, 18. 12. 2006, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/3/ Rev.1, Ziff. 10. 110 Neben weiteren: HRC, Concluding Observations Belgium, 12. 08. 2004, UN Doc. CCPR/CO/81/BEL, Ziff. 6; HRC, Concluding Observations Germany, 30. 03. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/DEU, Ziff. 11; HRC, Concluding Observations USA, 18. 12. 2006, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/3/Rev.1, Ziff. 10. 111 Art. 29 „Sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, bindet ein Vertrag jede Vertragspartei hinsichtlich ihres gesamten Hoheitsgebietes.“. 112 So auch: Joseph/Schultz/Castan: The International Covenant on Civil and Political Rights, 2. Auflage, Oxford et al. 2004, S. 92.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

IV. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, ICESCR)113 dient der Sicherung angemessener Rahmenbedingungen für die individuelle Existenz.114 Die in ihm enthaltenen Gewährleistungsziele sind im Vergleich zu den Rechten des ICCPR eher „weich“ und weitgehend unbestimmt hinsichtlich ihrer konkreten Handlungsanforderungen. 1. Schutzpflichten im Rahmen des ICESCR Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights, CESCR, nachfolgend: Sozialausschuss)115 führt in General Comment No. 15 zum ICESCR aus: „Steps should be taken by States parties to prevent their own citizens and companies from violating the right to water of individuals and communities in other countries.“ [Hervorhebung durch Verfasser]116.

So und ähnlich formuliert der Sozialausschuss an verschiedenen Stellen die Anforderungen, welche die Vertragsstaaten nach seiner Auffassung im Rahmen des Paktes zu erfüllen haben. Bei der Prüfung der rechtlichen Qualität derartiger Handlungsaufforderungen durch den Sozialausschuss mit Blick auf Handlungen transnationaler Unternehmen ist zunächst der Vertragstext heranzuziehen. a) Schutzpflichten im Rahmen des kodifizierten Rechts des ICESCR Im Gegensatz zu den bisher untersuchten völkerrechtlichen Verträgen finden sich im Vertragstext des ICESCR keine Beschreibungen der grundlegenden staatlichen Pflichten. Lediglich in Art. 8 Abs. 1 a, c (Schutz ökonomischer und sozialer Interessen durch Gewerkschaften), Art. 10 (Schutz der Familie) und Art. 15 (u. a. Schutz geistigen Eigentums) ICESCR finden sich Hinweise auf positive d. h. handlungsorientierte Pflichten der Staaten. Dies geschieht jedoch stets in allgemein gehaltener 113

International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 16. 12. 1966, 993 UNTS 3, BGB. 1973 II, 1570. 114 Herdegen, Völkerrecht, S. 380 f. 115 Der Sozialausschuss veröffentlicht nach Art. 21 ff. ICESCR General Comments und nach Art. 16 ff. Concluding Observations zu einzelnen Staatenberichten; zu der oft unbefriedigenden Beachtung der Berichtspflicht durch die Vertragsstaaten Siehe: Chapman, 18 HRQ 23, 28 (1996). 116 CESCR, General Comment No. 15 [29th Session] The right to water (Art. 11 and 12 of the Covenant) v. 20. 01. 2003, UN Doc. E/C.12/2002/11, Ziff. 33.

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Formulierung und nicht konkret in Bezug auf Handlungen privater Individuen oder gar Unternehmen.117 Das Bestehen staatlicher Schutzpflichten erscheint zudem angesichts Art. 2 Abs. 1 ICESCR fraglich, der lediglich festlegt: „Each State Party to the present Covenant undertakes to take steps, individually and through international assistance and cooperation, especially economic and technical, to the maximum of its available resources, with a view to achieving progressively the full realization of the rights recognized in the present Covenant by all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures.“

Einige Vertreter im Schrifttum erkennen dem ICESCR aufgrund dieser Formulierung und mangels weitergehender kodifizierter Pflichten lediglich den Charakter von politischen Programmsätzen118, eher unverbindlichen in die Zukunft gerichteten Vorgaben119 bzw. unbestimmten Bemühungsverpflichtungen120 zu. Dies zeige sich bereits durch das Fehlen jeglicher Ausnahmetatbestände und Einschränkungsmöglichkeiten im Rahmen des ICESCR.121 Konkrete Rechtspflichten hingegen bestünden nicht, sondern lediglich die Maßgabe, die Verwirklichung der Vertragsrechte nach besten Möglichkeiten anzustreben (Art. 2 Abs. 1 „to the maximum of its available resources“).122 Der Sozialausschuss setzt sich in dem nachfolgend geprüften General Comment No. 3 grundlegend mit staatlichen Pflichten auseinander. b) General Comment No. 3 („The nature of States parties obligations“) General Comment No. 3123 beschäftigt sich mit dem Rechtscharakter staatlicher Pflichten aus dem oben zitierten Art. 2 Abs. 1 ICESCR. Zunächst beschreibt der Sozialausschuss dabei die allgemeine Pflicht zur progressiven und diskriminierungsfreien Rechtsverwirklichung und erörtert anschließend die spezifische Pflicht zur unmittelbaren Ergreifung von Schritten („to take steps“) auf dem Weg dorthin.124

117 Beispielsweise heißt es in Art. 10: „The States Parties to the present Covenant recognize that […] The widest possible protection and assistance should be accorded to the family,[…]“. 118 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 365. 119 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 429. 120 Herdegen spricht von „unbestimmten Bemühungsverpflichtungen“, bejaht aber zugleich das Bestehen sowohl von Abwehrrechten, wie auch von Schutzpflichten, Völkerrecht, S. 381. 121 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 365. 122 Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 232; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 365; tendenziell anders: SRSG Ruggie, Human Rights Treaty Report No. 2, Ziff. 19, wo das Bestehen von Schutzpflichten im Grundsatz auch für ICESCR bejaht wird. 123 CESCR, General Comment No. 3 [5th Session] The nature of States parties obligations (Art. 2, para. 1 of the Covenant) v. 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23. 124 Ibid, Ziff. 1, 2.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

aa) Progressive Rechtsverwirklichung Unmittelbare Pflicht sei es, konkrete und gezielte Schritte in Form von legislativen125, judikativen126 und verwaltungstechnischen127 Maßnahmen einzuleiten, um die Verwirklichung der Rechtsgarantien des ICESCR progressiv zu erreichen „The principal obligation of result reflected in article 2 (1) is to take steps „with a view to achieving progressively the full realization of the rights recognized“ in the Covenant.“128

Der Sozialausschuss erkennt dabei selber an, dass es sich hierbei, anders als beim ICCPR, nicht um unmittelbare Verpflichtungen handelt, betont aber mit dem Hinweis auf die raison d’être des Paktes in einem gewissen Zirkelschluss dennoch das Bestehen der nachfolgend aufgezeigten Mindestpflichten („Core Obligations“).129 bb) Mindestpflichten (Core Obligations) Als Mindestpflichten sieht der Sozialausschuss in General Comment No. 3 das Recht auf ausreichende Ernährung, das Recht auf eine Basis-Gesundheitsversorgung, das Recht auf Ausbildung sowie das Recht auf angemessene Unterbringung und führt dazu aus „[…] the Committee is of the view that a minimum core obligation to ensure the satisfaction of, at the very least, minimum essential levels of each of the rights is incumbent upon every State party.“130

Darüber hinaus gibt der Ausschuss in General Comment No. 3 keinen Hinweis darauf, ob es sich dabei ausschließlich um Handlungspflichten des Staates im Sinne der Sicherstellung einer Grundversorgung handelt oder ob Mindestpflichten darüber hinaus auch den Schutz vor beeinträchtigenden Handlungen privater natürlicher Personen und Unternehmen umfassen. In zahlreichen weiteren General Comments unterstreicht der Sozialausschuss seine Auffassung zu staatlichen Mindestpflichten („Core Obligations“) in den Bereichen Recht auf Nahrung131, Ausbildung132, Gesundheit133, Recht auf Wasser134, Schutz geistigen Eigentums135 sowie Anti-Diskri125

Ibid, Ziff. 3. Ibid, Ziff. 5. 127 Ibid, Ziff. 7. 128 Ibid, Ziff. 9. 129 Ibid, Ziff. 9. 130 Ibid, Ziff. 10. 131 CESCR, General Comment No. 12 [20th Session] The right to adequate food (Art.11) v. 12.05.99, UN Doc. E/C.12/1999/5, Ziff. 6. 132 CESCR, General Comment No. 13 [21th Session] The right to education (Art.13) v. 08.12.99, UN Doc. E/C.12/1999/10, Ziff. 57. 133 CESCR, General Comment No. 14 [22th Session] The right to the highest attainable standard of health v. 11. 08. 2000, UN Doc. E/C.12/2000/4, Ziff. 43. 126

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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minierung im Arbeitsbereich136. Jedoch verweist er darin nur vereinzelt ausdrücklich auf staatliche Schutzverantwortung hinsichtlich der Handlungen von „third parties“137 bzw. „private actors“138 oder wie jüngst in General Comment No. 20 im Kontext von Diskriminierungen im privaten Bereich vor den Handlungen von „individuals and entities in the private sphere“139. c) Pflichtenkategorisierungen: „Respect“, „Protect“ and „Fulfil“ Verschiedentlich wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, der ICESCR beinhalte drei verschiedene Pflichtenkategorien.140 Dies seien, trotz fehlendem konkreten Wortlaut im Vertragstext, Abwehrrechte, Schutzpflichten sowie die staatliche Pflicht, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur flexiblen und progressiven Erreichung der Rechtsgarantien des Paktes notwendig sind und die zugleich ausschließlich durch den Staat erreicht werden können.141 Auch der Sozialausschuss selbst legt in seinem neuesten General Comment (No. 21) vom Dezember 2009 diese drei Pflichtenka134

CESCR, General Comment No. 15 [29th Session] The right to water (Art. 11 and 12 of the Covenant) v. 20. 01. 2003, UN Doc. E/C.12/2002/11, Ziff. 37. 135 CESCR, General Comment No. 17 [35th Session] The right of everyone to benefit from the protection of the moral and material interests resulting from any scientific, literary or artistic production of which the or she is the author (article 15, paragraph 1 (c), of the Covenant) v. 12. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/GC/17, Ziff. 39. 136 CESCR, General Comment No. 18 [35th Session] The right to work v. 06. 02. 2006, UN Doc. E/C.12/GC/18, Ziff. 31. 137 Siehe beispielsweise: CESCR, General Comment No. 17 [35th Session] The right of everyone to benefit from the protection of the moral and material interests resulting from any scientific, literary or artistic production of which the or she is the author (Article 15, paragraph 1 (c), of the Covenant) v. 12. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/GC/17: „Obligations to protect include the duty of States parties to ensure the effective protection of the moral and material interests of authors against infringement by third parties.“ [Hervorhebung durch Verfasser], Ziff. 31. 138 Siehe beispielsweise: CESCR, General Comment No. 16 [34th Session] The equal right of men and women to the enjoyment of all economic, social and cultural rights (art. 3 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) v. 11. 08. 2005, UN Doc. E/ C.12/2005/4: „States parties must take appropriate measures to eliminate violence against men and women and act with due diligence to prevent, investigate, mediate, punish and redress acts of violence against them by private actors.“ [Hervorhebung durch Verfasser], Ziff. 27. 139 CESCR, General Comment No. 20 [42th Session] Non-discrimination in economic, social and cultural rights (art. 2, para. 2, of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) v. 02. 07. 2009, UN Doc. E/C.12/GC/20, Ziff. 11; ähnlich auch: CESCR, Concluding Observations Cambodia, 12. 06. 2009, UN Doc. E/C.12/KHM/CO/1, Ziff. 31. 140 Brot für die Welt et al.: Globalising economic and social human rights by strengthening extraterritorial obligations, Oktober 2006, www.eed.de//fix/files/doc/eed_fian_bfdw_extraterri torial_sechs_Faelle_07_deu.pdf, S. 11 ff.; Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: a perspective on its development, S. 109 ff.; SRSG Ruggie, Human Rights Treaty Report No. 2, Ziff. 10 ff. 141 Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: a perspective on its development, S. 109, 114.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

tegorien als Maßstab staatlicher Pflichterfüllung zum ICESR an. So führt er im Kontext des Rechts auf Teilhabe am kulturellen Leben aus „The right of everyone to take part in cultural life, like the other rights enshrined in the Covenant, imposes three types or levels of obligations on States parties: (a) the obligation to respect; (b) the obligation to protect; and (c) the obligation to fulfil. […] The obligation to protect requires States parties to take steps to prevent third parties from interfering in the right to take part in cultural life.“142

Der Sozialausschuss betont in Abkehr seiner bisherigen Beschränkung auf Mindestpflichten nun zusätzlich das Bestehen der drei genannten Pflichtenkategorien hinsichtlich sämtlicher Rechte des ICESCR. Während dies auf den ersten Blick im Vergleich zum ICCPR durch eine dreifache Pflichtenkategorisierung deutlich strengere Anforderungen an die Vertragsstaaten suggeriert, wird die verbindliche Geltung und systematische Einordnung einer derartigen Pflichtenkategorisierung in der nachfolgenden Beurteilung kritisch zu hinterfragen sein. d) Beurteilung und Zwischenergebnis Während die politischen und bürgerlichen Rechte des ICCPR zweifellos primär als Abwehrrechte zu verstehen sind, beinhaltet der ICESCR ökonomische, soziale und kulturelle Rechte, welche progressiv durch die Vertragsstaaten umzusetzen sind und damit vielfältige und teilweise auch ressourcenintensive Maßnahmen erfordern.143 Dieser grundlegende Unterschied erklärt, warum sich die Staatengemeinschaft überhaupt für die zeitgleiche Verabschiedung von zwei getrennten Menschenrechtspakten entschieden hat.144 Angesichts dieser Tatsache erscheint es abwegig, annehmen zu wollen, die Staatengemeinschaft habe sich im ICESCR konkreten Handlungs- oder gar konkreten Schutzpflichten unterwerfen wollen.145 Wie sind nun aber die vom Sozialausschuss mehrfach angesprochenen Mindestpflichten („Core Obligations“) zu interpretieren? Mangels eindeutiger Definition des Rechtscharakters durch den Sozialausschuss und insbesondere mangels erkennbaren Willens von Seiten der Vertragsstaaten ist eine genaue Interpretation der Mindestpflichten zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Allerdings scheint es sich angesichts der konkreten Auswahl an Rechten durch den Sozialausschuss (Minimalversorgung im Hinblick auf Nahrung, Unterkunft, Wasserversorgung etc.) um Pflichten zu handeln, die ausschließlich auf die innerstaatliche Sicherstellung einer Grundversorgung der eigenen Bevölkerung abzielen. Als solche sind sie eher als klassische Gewährleistungsrechte, denn als Abwehrrechte oder gar Schutzpflichten zu inter142

CESCR, General Comment No. 21 [43th Session] Right of everyone to take part in cultural life (art. 15, para. 1 (a), of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) v. 21. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/GC/21, Ziff. 48. 143 Cohen, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 915, 916. 144 Joseph/Schultz/Castan, The International Covenant on Civil and Political Rights, S. 33. 145 Zur Genese des ICESCR: Dennis, 99 AJIL 119, 128 (2005).

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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pretieren. Sie entsprechen dem Ziel des ICESCR und dem Willen der Vertragsparteien, ökonomische, soziale und kulturelle Rechte progressiv fortentwickeln zu wollen. Insofern ist die Beschreibung der Mindestpflichten durch den Sozialausschuss vertragskonform. Dagegen bietet die Aussage des Sozialausschusses in General Comment No. 21, es seien zwingend staatliche Pflichtenkategorien zu beachten, Anlass zur kritischen Prüfung. Der Sozialausschuss lehnt sich mit dieser neuen Systematik auffällig an die Pflichtensystematik der EMRK und der AMRK an, die dort gerade in den vergangenen Jahren dynamisch weiterentwickelt wurde. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Sozialausschuss in förderlicher Absicht zumindest die dort erarbeiteten Schutzpflichtinterpretationen auf die ICESCR übertragen hat. Dies gilt umso mehr, da seit Inkrafttreten des ICESCR im Jahr 1976 eine derartige Pflichtenkategorisierung in keiner Weise eine Historie aufweist, sondern unvermittelt mit General Comment No. 21 einsetzt. Bislang existieren keine Äußerungen seitens der Vertragsstaaten, die dieses Novum kommentieren und einen Rückschluss auf Zustimmung oder Ablehnung der Staaten zulassen. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Staaten diesen Vorstoß mehrheitlich eher kritisch sehen werden. Der Sozialausschuss verkennt nämlich den Willen der Vertragsparteien, die den ICESCR absichtlich und in deutlicher Wortwahl als progressives Menschenrechtsinstrument ratifiziert haben. Dieses sollte von Anfang an keine konkreten Handlungs- oder Schutzpflichten beinhalten. Dies wird durch den Sozialausschuss selbst in General Comment No. 3 bestätigt, wo es heißt „In this sense the obligation differs significantly from that contained in article 2 of the International Covenant on Civil and Political Rights which embodies an immediate obligation to respect and ensure all of the relevant rights.“.146

Das Vertragsziel der progressiven Rechtsverwirklichung mit der Benennung von Mindestpflichten steht mit der nunmehr zusätzlich eingeführten konkreten Pflichtenkategorisierung nicht im Einklang. Daher ist die durch den Sozialausschuss vorgelegte Pflichtenkategorisierung als zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht vertragskonform abzulehnen. Ebenso wie im Rahmen des ICCPR, kommt auch beim ICESCR den General Comments und Concluding Observations keine verbindliche Wirkung zu. Die Interpretationen des Ausschusses sind daher ohnehin lediglich als Handlungsempfehlungen an die Staaten zu verstehen.147 Damit kann festgehalten werden, dass der ICESCR keine konkreten staatlichen Schutzpflichten beinhaltet. Die Staaten sind lediglich gefordert, Maßnahmen auf dem Weg zur progressiven Realisierung der Vertragsrechte zu ergreifen. In Fortführung dieser Schlussfolgerung ist es fraglich, wie einige eindeutige Aufforderungen seitens des Sozialausschusses an die Vertragsstaaten zu verstehen sind, in denen die Reglementierung nationaler und teilweise gar die extraterritoriale Sank146

CESCR, General Comment No. 3 [5th Session] The nature of States parties obligations (Art. 2, para. 1 of the Covenant) v. 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23, Ziff. 9. 147 Simma, in: Klein, The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations, S. 31, 38.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

tionierung transnationaler Unternehmen explizit Erwähnung findet. Dieser Aspekt soll nachfolgend untersucht werden. 2. Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen a) Die Erwähnung von Wirtschaftsunternehmen in General Comments In mehreren General Comments mahnt der Sozialausschuss – stets in Bezug auf eine der von ihm benannten „Core Obligations“ – staatliches Handeln an, welches Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen zumindest impliziere.148 So führt der Sozialausschuss beispielsweise aus: „While only States are parties to the Covenant and are thus ultimately accountable for compliance with it, […] States parties should provide an environment facilitating the discharge of these obligations. Private enterprises – national and multinational – while not bound by the Covenant, have a particular role to play in job creation, hiring policies and nondiscriminatory access to work.“149.

Identische Ausführungen jeweils mit klarem Bezug zu nationalen und transnationalen Unternehmen finden sich hinsichtlich des Rechts auf Nahrung150, Schutz geistigen Eigentums151, Gesundheitsversorgung152 und Anti-Diskriminierung im Arbeitsbereich153. Ihnen allen ist gemeinsam, dass der Sozialausschuss die zu ergreifenden Maßnahmen nur allgemein beschreibt. Vor allem aber verwendet der Ausschuss stets die Formulierung „sollte“ und verdeutlicht so, dass es sich lediglich um Anregungen und nicht um konkrete staatliche Schutzpflichten handelt. Mit dem oben bereits kritisch analysierten General Comment No. 21 vom Dezember 2009 trat hingegen auch auf der Ebene der Pflichten hinsichtlich privater Wirtschaftsunternehmen eine deutliche Verschärfung ein. Der Sozialausschuss führt im Kontext der Pflichtendifferenzierung aus:

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Vgl.: Reinisch, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 37, 86. CESCR, General Comment No. 18 [35th Session] The right to work v. 06. 02. 2006, UN Doc. E/C.12/GC/18, Ziff. 52. 150 CESCR, General Comment No. 12 [20th Session] The right to adequate food (Art.11) v. 12.05.99, UN Doc. E/C.12/1999/5, Ziff. 20, 27. 151 CESCR, General Comment No. 17 [35th Session] The right of everyone to benefit from the protection of the moral and material interests resulting from any scientific, literary or artistic production of which the or she is the author (Article 15, paragraph 1 (c), of the Covenant) v. 12. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/GC/17, Ziff. 48. 152 CESCR, General Comment No. 14 [22th Session] The right to the highest attainable standard of health v. 11. 08. 2000, UN Doc. E/C.12/2000/4, Ziff. 42. 153 CESCR, General Comment No. 5 [11th Session] Persons with disabilities v. 09. 12. 1994, UN Doc. E/1995/22, Ziff. 11. 149

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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„Consequently, the obligation to protect is to be understood as requiring States to take measures to prevent third parties from interfering in the exercise of rights listed in paragraph 49 above. (c) Respect and protect the cultural productions of indigenous peoples, including their traditional knowledge, natural medicines, folklore, rituals and other forms of expression; This includes protection from illegal or unjust exploitation of their lands, territories and resources by State entities or private or transnational enterprises and corporations.“.154

Obwohl in der Sache grundsätzlich legitim, ist der ICESCR – wie oben dargestellt – nie dazu gedacht gewesen, derartige Schutzpflichten aufzustellen. Ein entsprechender Wille der Vertragsstaaten ist nicht ersichtlich. Somit bestehen auch im Hinblick auf private Wirtschaftsunternehmen keine konkreten staatlichen Schutzpflichten aus dem ICESCR. b) Spezifische Fallgruppen mit Bezug zu Wirtschaftsunternehmen Im Ergebnis vergleichbar mit den General Comments sind die zahlreichen Fälle, in denen der Sozialausschuss in Concluding Observations zu Staatenberichten staatliches Handeln mit Bezug zu Wirtschaftstätigkeiten anmahnt.155 Es handelt sich insbesondere um folgende wiederkehrende Fälle: Schutz vor Kinderarbeit156, Schutz von Wanderarbeitern vor wirtschaftlicher Ausbeutung157, Schutz indigener Bevölkerungsgruppen vor unrechtmäßiger wirtschaftlicher Landnutzung auch durch Unternehmen158, Schutz von Gewerkschaften159 sowie Sicherstellung menschenwür154 CESCR, General Comment No. 21 [43th Session] Right of everyone to take part in cultural life (art. 15, para. 1 (a), of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) v. 21. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/GC/21, Ziff. 50. 155 Beispiele für Concluding Observations, in denen explizit staatliche Handlungen im Bezug auf „multinationale“ bzw. „transnationale“ Unternehmen angemahnt werden: CESCR, Concluding Observations Ecuador, 07. 06. 2004, UN Doc. E/C.12/1/Add.100, Ziff. 35 (hins. Umweltschutzmaßnahmen); CESCR, Concluding Observations Honduras, 09. 05. 2001, UN Doc. CESCR E/2002/22 (2001), Ziff. 122, 143 (hins. Arbeits- und Umweltschutz); CESCR, Concluding Observations India, 08. 08. 2008, UN Doc. E/C.12/IND/CO/5, Ziff. 29, 69 (hins. Saatgut in der Landwirtschaft); ausführlich zum Prozedere bei der Erfüllung der staatlichen Berichtspflichten im Allgemeinen: Simma, in: Klein, The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations, S. 31 ff. 156 CESCR, Concluding Observations China, 13. 05. 2005, UN Doc. E/C.12/1/Add.107, Ziff. 23, 52; CESCR, Concluding Observations Italy, 14. 12. 2004, UN Doc. E/C.12/1/Add.103, Ziff. 19; CESCR, Concluding Observations Mexico, 09. 06. 2006, UN Doc. E/C.12/MEX/CO/4, Ziff. 22; CESCR, Concluding Observations Uzbekistan, 24. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/UZB/ CO/1, Ziff. 50; CESCR, Concluding Observations Zambia, 23. 06. 2005, UN Doc. E/C.12/1/ Add.106, Ziff. 25, 47. 157 CESCR, Concluding Observations China, 13. 05. 2005, UN Doc. E/C.12/1/Add.107, Ziff. 24, 52, 53; CESCR, Concluding Observations Kuwait, 07. 06. 2004, UN Doc. E/C.12/1/ Add.98, Ziff. 13, 16, 35. 158 CESCR, Concluding Observations Democratic Republic of the Congo, 16. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/COD/CO/4, Ziff. 6; CESCR, Concluding Observations Ecuador, 07. 06. 2004, UN

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

diger Arbeitsbedingungen160. In all diesen Fällen äußert der Sozialausschuss zunächst seine Besorgnis hinsichtlich bestehender Missstände und fordert die jeweiligen Vertragsstaaten unter Verwendung von Formulierungen wie „recommends“, „urges“, „strongly urges“ oder „calls upon“ zur Behebung derselben auf. Auch hier wird deutlich, dass es sich nicht um konkrete Schutzpflichten, sondern lediglich um unverbindliche Handlungsaufforderungen handelt. c) Zwischenergebnis Weder hinsichtlich natürlicher noch hinsichtlich juristischer Personen bestehen aktuell staatliche Schutzpflichten aus dem ICESCR. Jedoch ist ein deutlicher Trend in den General Comments und Concluding Observations des Sozialausschusses hin zur Annahme stärkerer Schutzpflichten erkennbar. Dabei werden nationale und transnationale Wirtschaftsunternehmen zentral in den Wirkungsbereich staatlicher Pflichten mit einbezogen.161 Sollten die Vertragsstaaten der Auffassung des Ausschusses zustimmen, so könnten derartige Schutzpflichten zukünftig entstehen. Es ist jedoch eher zu erwarten, dass die Vertragsstaaten den ICESCR auch weiterhin ausschließlich als Instrument zur progressiven Menschenrechtsverwirklichung betrachten werden. 3. Extraterritoriale Geltung des ICESCR Schließlich stellt sich die Frage, wie die wiederholte Aufforderung von Seiten des Sozialausschusses zu verstehen ist, transnationale Unternehmen und andere private Dritte von der Beeinträchtigung vertraglich geschützter Rechte in anderen Staaten abzuhalten.162 Wie bereits eingangs zitiert163, führt der Sozialausschuss mit Bezug zum Recht auf Wasser aus Doc. E/C.12/1/Add.100, Ziff. 12, 35, 53; CESCR, Concluding Observations Mexico, 09. 06. 2006, UN Doc. E/C.12/MEX/CO/4, Ziff. 10, 27, 28, 32, 46. 159 CESCR, Concluding Observations Democratic Republic of the Congo, 16. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/COD/CO/4, Ziff. 23; CESCR, Concluding Observations Poland, 02. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/POL/CO/5, Ziff. 20. 160 CESCR, Concluding Observations Austria, 25. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/AUT/CO/3, Ziff. 22; CESCR, Concluding Observations Bosnia and Herzegovina, 24. 01. 2006, UN Doc. E/ C.12/BIH/CO/1, Ziff. 15; CESCR, Concluding Observations Canada, 22. 05. 2006, UN Doc. E/ C.12/CAN/CO/4+5, Ziff. 48; CESCR, Concluding Observations Democratic Republic of the Congo, 16. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/COD/CO/4, Ziff. 22; CESCR, Concluding Observations Ecuador, 07. 06. 2004, UN Doc. E/C.12/1/Add.100, Ziff. 41, 42; CESCR, Concluding Observations Slovenia, 25. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/SVN/CO/1, Ziff. 31. 161 Zur Verantwortung des Staates hinsichtlich transnationaler Unternehmensaktivitäten speziell bei Rechtsverletzungen aus dem ICESCR: Seibert-Fohr, AVR 43 (2005), 153 – 186. 162 Siehe nur: CESCR, General Comment No. 14 [22th Session] The right to the highest attainable standard of health v. 11. 08. 2000, UN Doc. E/C.12/2000/4, Ziff. 39: „To comply with their international obligations in relation to article 12, States parties have to respect the enjoyment of the right to health in other countries, and to prevent third parties from violating the

A. Die Internationalen Menschenrechtspakte

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„Steps should be taken by States parties to prevent their own citizens and companies from violating the right to water of individuals and communities in other countries.“164

Dies kann nach der bisherigen Analyse zwar nicht als Pflicht zur extraterritorialen Sanktionierung, womöglich aber als generelle Erlaubnis dazu gewertet werden. Jedoch stellt der Ausschuss im gleichen Zusammenhang klar „Where States parties can take steps to influence other third parties to respect the right, through legal or political means, such steps should be taken in accordance with the Charter of the United Nations and applicable international law.“.165

Letzteres ist richtigerweise als Verweis auf bestehendes Völkergewohnheitsrecht zu verstehen. Das Souveränitätsprinzip verlangt in Fällen extraterritorialer Jurisdiktion das Vorliegen eines völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Anknüpfungspunktes, sofern keine völkervertragliche Legitimation vorliegt. Indem der Sozialausschuss zudem von „[…] prevent their own citizens and companies […]“ spricht, gibt er einen Hinweis auf den völkergewohnheitsrechtlichen Anknüpfungspunkt des aktiven Personalitätsprinzips, bei dem es um die extraterritoriale Jurisdiktion von Bürgern und Unternehmen der eigenen Nationalität bzw. Staatszugehörigkeit geht. Daher ist der ICESCR für sich nicht als legitimierende Basis zur extraterritorialen Jurisdiktion über transnationale Unternehmen zu verstehen. Dieses Ergebnis entspricht auch der Auffassung des IGH in seiner Advisory Opinion Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, in der er ausführt „The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights contains no provision on its scope of application. This may be explicable by the fact that this Covenant guarantees rights which are essentially territorial.“166

Der IGH sieht damit zu Recht, angesichts des speziellen Rechtscharakters des ICESCR, eine Begrenzung dessen räumlicher Geltung auf das jeweilige staatliche Territorium.167

right in other countries […]“ [Hervorhebung durch Verfasser]; vgl. daneben: CESCR, General Comment No. 12, Ziff. 36; CESCR, General Comment No. 18, Ziff. 30. 163 Siehe S. 156 f. 164 CESCR, General Comment No. 15 [29th Session] The right to water (Art. 11 and 12 of the Covenant) v. 20. 01. 2003, UN Doc. E/C.12/2002/11, Ziff. 33; siehe hierzu auch: Skogly/ Gibney, 24 HRQ 781, 792 – 793 (2002). 165 CESCR, General Comment No. 15 [29th Session] The right to water (Art. 11 and 12 of the Covenant) v. 20. 01. 2003, UN Doc. E/C.12/2002/11, Ziff. 33. 166 IGH, Advisory Opinion on Legal Consequences on the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, 136, Ziff. 112; siehe dazu auch: Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, 2006, S. 6, 20; siehe hierzu auch: Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 126. 167 So auch mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte des Paktes: Dennis, 99 AJIL 119, 127 (2005).

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

4. Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der ICESCR keine Schutzpflichten und somit auch keine Pflichten zum Schutz hinsichtlich der Aktivitäten von Wirtschaftsunternehmen enthält. Die Vertragsstaaten sind hingegen verpflichtet, nach den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf die progressive Realisierung der Vertragsrechte hinzuwirken und dabei insbesondere die Realisierung der durch den Sozialausschuss konkretisierten Mindestpflichten zu beachten. Legitimierende Wirkung zur extraterritorialen Sanktionierung transnationaler Unternehmen ist dem Pakt vor dem Hintergrund des Interventionsverbotes nicht zu entnehmen. Entsprechende Äußerungen des Sozialausschusses sind als Aufforderungen zur völkerrechtmäßigen Anwendung völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Anknüpfungspunkte extraterritorialer Jurisdiktion zu verstehen.

V. Zusammenfassendes Ergebnis zu den Menschenrechtspakten Die Praxis der für den Menschenrechtsschutz immanent wichtigen Menschenrechtspakte lässt den Schluss zu, dass sich der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz dynamisch fortentwickelt und dabei auch die Aktivitäten privater und insbesondere transnational operierender Unternehmen zunehmend in den Fokus rücken. Zum jetzigen Zeitpunkt jedoch begründen weder ICCPR noch ICESCR die staatliche Pflicht zur extraterritorialen Jurisdiktion über transnationale Unternehmen. Im Fall des ICCPR, dem zumindest Tendenzen zu territorial geltenden Schutzpflichten entnommen werden können, mangelt es am internationalen Staatenkonsens, wohingegen beim ICESCR bereits die Genese und dessen staatenseitig verfolgtes Gesamtziel gegen das Bestehen von konkreten Schutzpflichten sprechen.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte Neben den beiden internationalen Menschenrechtspakten und den regionalen Menschenrechtskonventionen existieren weitere Konventionen und Deklarationen zum Schutz der Menschenrechte. Zum weiteren Kern des internationalen Menschenrechtsschutzes zählen sechs Konventionen, die – ähnlich wie die Menschenrechtspakte – jeweils mit einem eigenen Überwachungsausschuss (Monitoring Committee) ausgestattet sind.168 Dies sind:

168 Für eine Übersicht der Konventionen, ihrer Zusatzprotokolle sowie der Überwachungsausschüsse siehe: OHCHR, www2.ohchr.org/english/law/index.htm#core.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

167

– das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination, nachfolgend: ICERD)169, – das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, nachfolgend: CEDAW)170, – das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, nachfolgend: CAT)171, – die Konvention über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child, nachfolgend: CRC)172, – die Internationale Konvention zum Schutz von Wanderarbeitern und ihrer Familien (International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families, nachfolgend: ICRMW)173 sowie die – Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities, nachfolgend: CRPD)174. Hinzu kommt die Internationale Konvention zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance), welche jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Untersuchung noch nicht in Kraft getreten ist und somit vorliegend nicht näher untersucht werden soll.175 Nachfolgend wird untersucht, ob sich aus den oben genannten Konventionen staatliche Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen ergeben. Dazu werden wiederum zunächst allgemeine Schutzpflichten analysiert. Da sich die Konventionen in den für die vorliegende Arbeit relevanten Punkten strukturell sowie inhaltlich in weiten Teilen gleichen und zudem teilweise 169 International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, 07. 03. 1966, 660 UNTS 195, in Kraft getreten am 04. 01. 1969. 170 Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 18. 12. 1979, 1249 UNTS 13, in Kraft getreten am 03. 09. 1981. 171 Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, 10. 12. 1984, 1465 UNTS 85, in Kraft getreten am 26. 06. 1987. 172 Convention on the Rights of the Child, 20. 11. 1989, 1577 UNTS 3, in Kraft getreten am 02. 09. 1990. 173 International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families, 18. 12. 1990, UN Doc. A/RES/45/158, in Kraft getreten am 01. 07. 2003. 174 Convention on the Rights of Persons with Disabilities, 13. 12. 2006, UN Doc. A/61/611, in Kraft getreten am 03. 05. 2008. 175 International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance, 20. 12. 2006, UN Doc. A/61/488; Ratifizierungsstatus unter: http://treaties.un.org/Pages/ ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-16&chapter=4&lang=en.

168

3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

auf die Ergebnisse aus der Untersuchung der beiden Menschenrechtspakte aufgebaut werden kann, sollen die genannten Konventionen zusammenfassend geprüft und dargestellt werden. Die optionalen Zusatzprotokolle zu den einzelnen Konventionen werden, wo inhaltlich angebracht, ebenfalls zur Untersuchung staatlicher Schutzpflichten herangezogen. Analysiert werden nachfolgend sowohl die Vertragstexte der Konventionen und relevanten Zusatzprotokolle, als auch relevante General Comments (Allgemeine Bemerkungen), Concluding Observations (Abschließende Bemerkungen zu Staatenberichten), Beurteilungen von Individualbeschwerden sowie staatliche Vorbehalte (Reservations) zu den Konventionen.176

I. Schutzpflichten im Rahmen spezieller Menschenrechtskonventionen 1. Die „älteren“ Konventionen: ICERD und CEDAW Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (ICERD) von 1966177 und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW)178 von 1979 geben konkrete Hinweise auf staatliche Schutzpflichten bereits in den jeweiligen Vertragstexten. a) Vertragstexte Sowohl in Art. 2 d ICERD „Each State Party shall prohibit and bring to an end, by all appropriate means […] racial discrimination by any persons, group or organization;“, als auch in Art. 2 e CEDAW „To take all appropriate measures to eliminate discrimination against women by any person, organization or enterprise;“ werden staatliche Pflichten zum Schutz vor rechtsverletzenden Handlungen Dritter explizit genannt179 und damit der Anwendungsbereich der beiden Konventionen im Grundsatz bereits über klassische Abwehrrechte hinaus festgelegt.180 Aus den Ver176 Zum Zeitpunkt der Untersuchung existieren hinsichtlich ICRMW noch keine General Comments und hinsichtlich CRPD weder General Comments noch Concluding Observations. 177 Ausführlich zur ICERD: Wolfrum, in: Klein, The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations, S. 49 ff. 178 Ausführlich zur CEDAW: Schöpp-Schilling, in: Klein, The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations, S. 71 ff. 179 Siehe auch: Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 367. 180 Grundsätzliche staatliche Schutzpflichten werden darüber hinaus an weiteren Stellen des ICERD deutlich: Art. 2 Ziff. b ICERD „Each State Party undertakes not to sponsor, defend or support racial discrimination by any persons or organizations;“, Art. 4 Ziff. b „Shall declare illegal and prohibit organizations […] which promote and incite racial discrimination […]“ sowie Art. 5 Ziff. b „The right to security of person and protection by the State against violence or bodily harm, whether inflicted by government officials or by any individual group or institution“ [Hervorhebungen durch Verfasser].

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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tragstexten geht hingegen nicht hervor, welche Reichweite die so statuierten Schutzpflichten inhaltlich mit sich bringen. Um dies feststellen zu können, muss auf die Interpretation der zuständigen Ausschüsse sowie auf die staatenseitigen Reaktionen auf selbige zurückgegriffen werden. b) Interpretation durch Überwachungsausschüsse und Vertragsstaaten Bei der Analyse der Interpretation der Vertragstexte durch den zuständigen Ausschuss zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (Committee on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, nachfolgend: CEDAW-Ausschuss)181 und durch den Ausschuss zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (Committee on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination, nachfolgend: ICERD-Ausschuss)182 fällt auf, dass bis Anfang der 90er Jahre in keiner der grundlegenden General Recommendations183 zu den beiden Konventionen ein Hinweis auf den konkreten Inhalt der vertraglich festgelegten Schutzpflichten bzw. auf staatliche Schutzpflichten im Allgemeinen zu finden ist.184 Erst 1992 führt der CEDAW-Ausschuss mit General Recommendation No. 19185 Näheres hierzu aus und stellt fest „[…] States may also be responsible for private acts if they fail to act with due diligence to prevent violations of rights or to investigate and punish acts of violence, and for providing compensation.“186

An dieser Stelle begegnet uns das Merkmal der gebotenen Sorgfalt erneut, das bereits vom HRC in seinem General Comment No. 31 zur Konkretisierung staatlicher Schutzpflichten aus dem ICCPR sowie vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Velásquez-Rodríguez v. Honduras herangezogen wurde.187 Eine Konkretisierung dieses Erfordernisses erfolgt hingegen in keiner weiteren Veröffentlichung des CEDAW-Ausschusses.188 Lediglich in einigen Be181

Art. 17 ff. CEDAW. Art. 8 ff. ICERD. 183 Im Gegensatz zu anderen völkerrechtlichen Verträgen nutzen ICERD und CEDAW nicht den Begriff „General Comments“, sondern „General Recommendations“, siehe Art. 9 Abs. 2 ICERD und Art. 21 Abs. 1 CEDAW. 184 Zur Frage staatlicher Schutzpflichten im Rahmen von CEDAW und ICERD in Bezug auf Unternehmen, vgl. auch: SRSG Ruggie, Human Rights Treaty Report No. 1 (CEDAW) und No. 4 (ICERD). 185 CEDAW, General Comment No. 19, [11th Session] Violence against women (1992), UN Doc. A/47/38. 186 Ibid, Ziff. 9. 187 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4, Ziff. 172. 188 In General Recommendation No. 24 unterstreicht der CEDAW-Ausschuss lediglich erneut die staatliche Pflicht zum Schutz vor rechtsbeeinträchtigenden Handlungen Dritter, 182

170

3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

urteilungen zu Individualbeschwerden greift der Ausschuss die eben zitierte Formulierung zur „due diligence“ wortgleich auf und rügt, darauf verweisend, in den genannten Fällen staatliches Unterlassen, was nach seiner Beurteilung zu Schutzpflichtverletzungen geführt habe.189 In General Recommendation No. 25 (2004) führt er aus: „States parties to the Convention are under a legal obligation to respect, protect, promote and fulfil this right to non-discrimination for women and to ensure the development and advancement of women […]“190

und unterstreicht dies in General Recommendation No. 26 (2008) erneut im speziellen Kontext von Wanderarbeiterinnen „This general recommendation intends to contribute to the fulfilment of the obligations of State Parties to respect, protect and fulfil the human rights of women migrant workers […]“.191

Aus dieser Kategorisierung einzelner staatlicher Pflichten kann geschlossen werden, dass der Ausschuss gezielt eine konsequente Unterscheidung verschiedener staatlicher Pflichten einschließlich staatlicher Schutzpflichten vorantreibt und zugleich im Rückgriff auf Entwicklungen aus anderen Völkerrechtsinstrumenten wie der AMRK völkerrechtliche Konformität sucht. Auch der ICERD-Ausschuss betont bereits in seinen Concluding Observations aus dem Jahr 2007 zum Staatenbericht Israels das Bestehen staatlicher Schutzpflichten beim Handeln Privater.192 Mit der aktuellen General Recommendation No. 32 aus dem Jahr 2009 gibt er zum ersten Mal konkrete Hinweise auf seine Interpretation staatlicher Schutzpflichten. Darin verweist er zunächst grundsätzlich auf sein Verständnis der ICERD als „[…] living instrument that must be interpreted and applied taking into account the circumstances of contemporary society“.193 Weiterhin bestehe das Diskriminierungsverbot nicht nur in Bezug auf staatliche Stellen. Vielmehr sei die konkrete Formulierung in Art. 2 d ICERD „[…] by any person, group or organization;“ tatsächlich als Hinweis auf staatliche Schutzpflichten zu CEDAW, General Comment No. 24, [20th Session] Women and Health (1999), UN Doc. A/54/ 38/Rev.1, Ziff. 15. 189 Siehe: CEDAW, A.T. v. Hungary, Communication No. 2/2003, 26. 01. 2005, UN Doc. A/ 60/38 (Part I), Ziff. 9.2; CEDAW, Yildirim v. Austria, Communication No. 6/2005, 06. 08. 2007, UN Doc. CEDAW/C/39/D/6/2005, Ziff. 12.1.1. 190 CEDAW, General Comment No. 25, [30th Session] Art. 4 Para. 1 (2004), UN Doc. CEDAW/C/2004/I/WP.1/Rev.1, Ziff. 4. 191 CEDAW, General Comment No. 26, [42th Session] Women Migrant Workers (2008), UN Doc. CEDAW/C/2009/WP.1/R, Ziff. 2. 192 CERD, Concluding Observations Israel, 14. 06. 2007, UN Doc. CERD/C/ISR/CO/13, Ziff. 30. 193 CERD, General Comment No. 32, [75th Session] The meaning and scope of special measures in the International Convention on the Elimination of All Forms Racial Discrimination v. 24. 09. 2009, UN Doc. CERD/C/GC/32, Ziff. 5.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

171

werten.194 Konkretisierend führt er hinsichtlich staatlicher Schutzpflichten aus Art. 1 Abs. 4 ICERD195 aus: „The term ,protection‘ […] signifies protection from violations of human rights emanating from any source, including discriminatory activities of private persons […]. The term ,protection‘ also indicates that special measures may have preventive (of human rights violations) as well as corrective functions.“196

Die aufgezeigte Entwicklung ist insoweit bemerkenswert, als dass die Ausschüsse zur CEDAW und zur ICERD parallel in den letzten 5 bis 10 Jahren damit begonnen haben, staatliche Schutzpflichten näher zu beschreiben. Dabei fällt nicht nur bei der Einordnung der ICERD als „living instrument“ eine Anlehnung unter anderem an die EMRK auf. Auch die Pflichtendifferenzierung durch den CEDAW-Ausschuss bedient sich in auffälliger Weise der uns bereits aus den regionalen Menschenrechtskonventionen bekannten Kategorien staatlicher Pflichten. c) Vorbehalte durch die Vertragsstaaten Staatliche Vorbehalte (Reservations) hinsichtlich des Bestehens von Schutzpflichten aus der CEDAW bzw. staatliche Einwendungen in Bezug auf deren Auslegung durch den CEDAW-Ausschuss existieren nicht. Lediglich im Hinblick auf die ICERD haben einige Staaten, darunter die USA, gemäß Art. 20 ICERD Vorbehalte hinsichtlich des Bestehens staatlicher Schutzpflichten vermerkt. Diesen Vorbehalten zur ICERD ist zu entnehmen, dass die Staaten Schutzpflichten aus der ICERD dem Umfang nach auf den bereits durch ihre Verfassungen und nationalen Gesetze gewährleisteten Schutz beschränken. So lautet der Vorbehalt der USA zur ICERD (Auszug): „To the extent, however, that the Convention calls for a broader regulation of private conduct, the United States does not accept any obligation under this Convention to enact legislation or take other measures under paragraph (1) of article 2, subparagraphs (1) (c) and (d) of article 2, article 3 and article 5 with respect to private conduct except as mandated by the Constitution and laws of the United States.“197

Dieser mit Ratifizierung der Konvention durch die USA vom 21. 10. 1994 übermittelte Vorbehalt verdeutlicht zwar ebenso wie die weiteren (ähnlich lautenden)

194

Ibid, Ziff. 9. Art. 1 Abs. 4 ICERD: „Special measures taken for the sole purpose of securing adequate advancement of certain racial or ethnic groups or individuals requiring such protection as may be necessary in order to ensure such groups or individuals equal enjoyment or exercise of human rights and fundamental freedoms […]“. 196 Ibid, General Comment No. 32 (Fn. 193), Ziff. 23. 197 Vorbehalt der USA vom 21. 10. 1994 verfügbar unter: http://treaties.un.org/Pages/View Details.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-2&chapter=4&lang=en. 195

172

3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

Vorbehalte zur ICERD198 eine kritische Einstellung zum Umfang staatlicher Schutzpflichten, negiert diese aber nicht grundsätzlich. Im Gegenteil, das Ausnehmen von Schutzpflichten impliziert deren grundsätzliches Bestehen. Da die Vorbehalte darüber hinaus individualstaatliche Vertragsbeschränkungen darstellen und ihre Zahl (5 Staaten haben diesbezüglich Vorbehalte angemerkt) gemessen an der Gesamtzahl der Konventionsstaaten von 173 verhältnismäßig gering ist, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die ICERD nach dem Willen der Mehrheit der Staaten nicht im Grundsatz auch staatliche Schutzpflichten begründet. Aus keiner sonstigen Erwiderung von Seiten der Vertragsstaaten, vor allem nicht in Bezug auf General Recommendations oder sonstige Veröffentlichungen durch den ICERDAusschuss, kann ein Rückschluss auf einen Dissens in der grundlegenden Annahme des Bestehens einzelfallabhängiger staatlicher Schutzpflichten aus der ICERD gezogen werden. d) Zwischenergebnis Sowohl ICERD, als auch CEDAW statuieren bereits im jeweiligen Vertragstext im Grundsatz staatliche Schutzpflichten.199 Während dies jedoch bis vor wenigen Jahren keine größere Beachtung durch die zuständigen Ausschüsse fand, legen diese die staatlichen Schutzpflichten aktuell in enger Anlehnung an die Entwicklung staatlicher Schutzpflichten in anderen Menschenrechtskonventionen aus. Obwohl Tendenzen zu Etablierung verschiedener Kategorien staatlicher Pflichten erkennbar werden, kann mangels eindeutiger Stellungnahmen der Vertragsstaaten bislang diesbezüglich keine Verbindlichkeit gefolgert werden. Gemäß der Schutzrichtung der beiden Verträge und angesichts der klaren Formulierungen in den Vertragstexten kann aber festgehalten werden, dass staatliche Schutzpflichten im Grundsatz im Falle beider Verträge vorliegen. Deren mögliche Nichtbeachtung ist letztlich stark einzelfallabhängig zu beurteilen. Die vereinzelten individualstaatlichen Vorbehalte zur ICERD führen dabei zu keinem anderen Ergebnis. Sie nehmen zwar die jeweiligen Staaten von den Schutzpflichten aus, bestätigen aber dadurch implizit ihr Bestehen.

198 Weitere Vorbehalte zur ICERD durch Antigua/Barbuda (Auszug): „The Constitution prescribes judicial processes to be observed in the event of the violation of any of these rights, whether by the state or by a private individual. Acceptance of the Convention by the Government of Antigua and Barbuda does not imply the acceptance of obligations going beyond the constitutional limits nor the acceptance of any obligations to introduce judicial processes beyond those provided in the Constitution.“; fast identische Vorbehalte zur ICERD durch: Bahamas, Barbados und Jamaika, sämtlich verfügbar unter: http://treaties.un.org/Pages/ ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-2&chapter=4&lang=en. 199 Im Ergebnis für CEDAW vergleichbar: Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 367; vgl. auch: SRSG Ruggie, Human Rights Treaty Report No. 4 (CEDAW).

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

173

2. Die „jüngeren“ Konventionen: CRC, ICRMW und CRPD CRC, ICRMW und CRPD weisen in ihren Vertragstexten hinsichtlich der Frage nach staatlichen Schutzpflichten Parallelen in der Pflichtendifferenzierung auf.200 a) Kategorisierungen staatlicher Pflichten in den Vertragstexten In den Vertragstexten der drei genannten jüngeren Konventionen werden staatliche Konventionspflichten in verschiedene Kategorien unterschieden. Dies sind „respect and ensure“ in Art. 7 ICRMW201 und Art. 2 Abs. 1 CRC202 sowie „promote, protect and ensure“ in Art. 1 Abs. 1 CRPD203. Nicht zuletzt an derartigen expliziten Unterscheidungen staatlicher Konventionspflichten – darunter auch die zum Schutz vor Rechtsverletzungen durch Dritte („protect“) – wird deutlich, dass die Staatengemeinschaft bei der Kodifizierung neuer internationaler Menschenrechtsverträge darum bemüht ist, über reine Abwehrrechte hinaus umfassenderen Schutz zu gewährleisten.204 Überdies werden staatliche Schutzpflichten an einigen Stellen der Vertragstexte deutlich unterstrichen. So verlangt Art. 4 Abs. 1 Ziff. e CRPD von den Vertragsstaaten „To take all appropriate measures to eliminate discrimination on the basis of disability by any person, organization or private enterprise;“. Art. 16 Abs. 2 ICRMW stellt ebenso deutlich fest „Migrant workers and members of their families shall be entitled to effective protection by the State against violence, physical injury, threats and intimidation, whether by public officials or by private individuals, groups or institutions.“ 200 Zur Frage staatlicher Schutzpflichten im Rahmen von CAT, CRC und CRPD in Bezug auf Unternehmen, vgl. auch: SRSG Ruggie, Human Rights Treaty Report No. 5 (CAT), No. 6 (CRC) und No. 7 (ICRMW). 201 Art. 7 ICRMW „States Parties undertake, in accordance with the international instruments concerning human rights, to respect and to ensure to all migrant workers and members of their families […]“ [Diese und nachfolgende Hervorhebungen durch Verfasser]. 202 Art. 2 Abs. 1 CRC „States Parties shall respect and ensure the rights set forth in the present Convention […]“; siehe auch: Art. 33 CRC […] „protect children from the illicit use of narcotic drugs […]“; Art. 34 CRC […] „protect the child from all forms of sexual exploitation […]“; Art. 36 CRC […] „States Parties shall protect the child against all other forms of exploitation prejudicial to any aspects of the child’s welfare.“; einführend zur UN-Konvention über die Rechte des Kindes: Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 233, 234; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 368. 203 Art. 1 CRPD „The purpose of the present Convention is to promote, protect and ensure the full and equal enjoyment of all human rights and fundamental freedoms by all persons with disabilities […]“; Art. 4 Abs. 1 CRPD „States Parties undertake to ensure and promote the full realization of all human rights and fundamental freedoms for all persons with disabilities […]“. 204 Siehe dazu auch: Ambos, AVR 37 (1999), 318, 327 f.; Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, S. 22 ff.; Joseph, 46 NILR 171, 175 ff. (1999); Reinisch, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 37, 79; de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227, 233 – 235; Sepulveda et al., Human Rights Reference Handbook, S. 16, 17.

174

3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

Freilich ist damit noch nichts über die inhaltliche Reichweite einzelner staatlicher Schutzpflichten gesagt, zu deren Analyse wiederum auf die Aussagen der zuständigen Überwachungsausschüsse sowie auf Reaktionen der Vertragsstaaten zurückgegriffen werden muss. b) Interpretationen durch Überwachungsausschüsse und Vertragsstaaten Die beiden Überwachungsausschüsse zum ICRMW205 und zum CRPD206 haben aufgrund ihres erst kurzen Bestehens bislang noch keine General Comments veröffentlicht, die eine vertiefende Interpretation staatlicher Schutzpflichten ermöglichen würden. Auch die wenigen Concluding Observations des ICRMW-Ausschusses lassen diesbezüglich keinen Rückschluss zu. Lediglich der Überwachungsausschuss des CRC207 gibt in drei seiner bisher 12 General Comments weitergehende Hinweise auf staatliche Schutzpflichten. Im Kontext der Schaffung unabhängiger Institutionen zur Förderung des Schutzes von Kindern führt er aus: „These powers should include promotion and protection of the rights of all children under the jurisdiction of the State party in relation not only to the State but to all relevant public and private entities“.208

Weiter interpretiert der Ausschuss „The Committee recognizes that responsibilities to respect and ensure the rights of children extend in practice beyond the State and State-controlled services and institutions to include children, parents and wider families, other adults, and non-State services and organizations.“209

Während hieraus nicht eindeutig hervorgeht, ob der Ausschuss von eigenen Pflichten Dritter spricht oder aber von staatlichen Schutzpflichten für deren Handeln, wird er in General Comment No. 11 aus dem Jahr 2009 deutlicher. Darin führt er hinsichtlich des Schutzes von Kindern aus indigenen Bevölkerungsgruppen aus, die staatlichen Konventionspflichten umfassten nicht nur Abwehrrechte, sondern auch den Schutz

205

Art. 72 ff. ICRMW. Art. 34 ff. CRPD. 207 Art. 43 ff. CRC. 208 CRC, General Comment No. 2, [32th Session] The role of independent national human rights institutions in the promotion and protection of the rights of the child (2002), UN Doc. CRC/GC/2002/2, Ziff. 9. 209 CRC, General Comment No. 5, [34th Session] General measures of implementation of the Convention on the Rights of the Child (2003), UN Doc. CRC/GC/2003/5, Ziff. 56 (ähnlich auch Ziff. 43). 206

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

175

„[…] against the acts of other persons within the State party.“210 Weiter stellt er fest „The duty to respect and protect requires each State party to ensure that the exercise of the rights of indigenous children is fully protected against any acts of the State party by its legislative, judicial or administrative authorities or by any other entity or person within the State party.“211

und interpretiert die CRC demzufolge als eine Konvention mit eindeutigen Schutzpflichten. Bislang sind keine Äußerungen von Seiten der Vertragsstaaten erkennbar, die das Bestehen staatlicher Schutzpflichten ablehnen würden. Von einem Staatenkonsens hinsichtlich der konkreten Umsetzungsanforderungen bei staatlichen Schutzpflichten wird man angesichts der erst jüngst getätigten Interpretation des CRC-Ausschusses hingegen nicht sprechen können. c) Analyse und Zwischenergebnis Die drei jüngeren Konventionen CRC, ICRMW und CRPD lassen aufgrund ihres erst kurzen Bestehens noch keine eindeutige Aussage zum genauen Umfang und zu konkreten Inhalten staatlicher Schutzpflichten zu. Die Vertragstexte der genannten Konventionen weisen jedoch mit ihren nicht näher konkretisierten Pflichtenkategorien auf das Bestehen unterschiedlicher Pflichten und verbunden damit auch auf das Bestehen staatlicher Schutzpflichten vor rechtsverletzenden Aktivitäten Dritter hin. Darüber hinaus haben die zuständigen Ausschüsse bereits an einigen Stellen derartige Schutzpflichten explizit bejaht. Am Beispiel der General Comments der Kinderschutzkonvention wird deutlich – und dies gilt für alle genannten Konventionen –, dass der größte Mangel in der ungenügenden definitorischen Abgrenzung der unterschiedlichen, von den Ausschüssen dargelegten, staatlichen Pflichtenkategorien liegt. Letztendlich kann ein Trend sowohl bei der Vertragsauslegung, als auch bei den eigentlichen Vertragstexten jüngerer Menschenrechtskonventionen hin zu akzentuierteren staatlichen Schutzpflichten festgestellt werden. Im Grundsatz wird man unter Zugrundelegung der Vertragstexte, der völkerkonventionsrechtlichen Gesamtentwicklung sowie der Schutzrichtung der Konventionen auch bei noch ungenügender Ausdifferenzierung staatlicher Pflichtenkategorien das Bestehen staatlicher, einzelfallabhängiger Schutzpflichten auch bei den jüngeren Konventionen bejahen können.212 Ob dies auch den Schutz vor den Aktivitäten von privaten Wirtschaftsunternehmen einschließt, wird im weiteren Verlauf zu prüfen sein.

210 CRC, General Comment No. 11, [50th Session] Indigenous children and their rights under the Convention (2009), UN Doc. CRC/C/GC/11, Ziff 17. 211 CRC, General Comment No. 11, [50th Session] Indigenous children and their rights under the Convention (2009), UN Doc. CRC/C/GC/11, Ziff. 78 (ähnlich auch Ziff. 23, 25, 26 und 50). 212 Vgl. Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 109 ff.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

3. UN-Folterkonvention (CAT) Die UN-Folterkonvention (CAT) unterscheidet sich von den vorgenannten Konventionen maßgeblich, indem bereits im Rahmen des Vertragstextes deutlich wird, dass es sich bei dieser Konvention ausschließlich um kodifiziertes klassisches Abwehrrecht handelt.213 Art. 1 CAT definiert zunächst den Begriff der Folter und beschreibt anschließend, dass die Konvention nur zur Geltung kommt, „[…] when such pain or suffering is inflicted by or at the instigation of or with the consent or acquiescence of a public official or other person acting in an official capacity.“ [Hervorhebung durch Verfasser].

Auch wenn Art. 4 Abs. 1 ebenso wie Art. 16 Abs. 1 CAT zumindest Hinweise auf mögliche Beteiligungsformen durch Dritte und damit auch auf private Unternehmen gibt, so ist dennoch Grundvoraussetzung stets das Vorliegen einer staatlichen Haupthandlung.214 Weder im weiteren Vertragstext, noch in einer der 25 General Comments, oder in einer der zahlreichen Concluding Observations bzw. Beurteilungen von Individualbeschwerden findet sich ein Hinweis auf darüber hinausgehende staatliche Schutzpflichten. Insbesondere findet sich kein Hinweis auf staatliche Pflichten zum Schutz vor den Aktivitäten nationaler bzw. transnationaler Unternehmen. Theoretisch denkbar wären lediglich Fälle, in denen private Unternehmen, wie beispielsweise private Gefängnisbetreiberdienste in Rechtsverletzungen nach der Folterkonvention verwickelt wären. Dies wäre hingegen ein Fall klassischen Abwehrrechts, da das Unternehmen dann „in an official capacity“ handeln würde. Demzufolge kann bereits hier festgehalten werden, dass die Vertragsstaaten der UN-Folterkonvention keine direkten Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Unternehmen trifft.215 Während staatliche Schutzpflichten wegen des klaren Wortlautes im Rahmen der UN-Folterkonvention ausgeschlossen sind, existieren staatliche Pflichten zum Schutz vor Folter durch Private unter anderem im Rahmen der oben geprüften EMRK.216 Eine weitergehende Untersuchung der CAT ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit vor diesem Hintergrund nicht angezeigt.

213 Grundsätzlich zur UN-Konvention gegen Folter: Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 233; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 367, 368. 214 Dies wird in Art. 16 Abs. 1 CAT erneut betont: „[…] when such acts are committed by or at the instigation of or with the consent or acquiescence of a public official or other person acting in an official capacity.“; vgl. auch: Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 92. 215 Anders: de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227, 234. 216 Vgl. EGMR, Beganovic´ v. Croatia, Urt. v. 25. 06. 2009, ECHR 2009 – [zur Publikation vorgesehen], Ziff. 70; EGMR, E. and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 26. 11. 2002, not reported, Ziff. 88 ff.; EGMR, Z. and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 10. 05. 2001, ECHR 2001-V, 57, Ziff. 73 – 75.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

177

4. Maßnahmen zur Erfüllung völkervertraglicher Schutzpflichten Während die Ausschüsse der Konventionen die inhaltliche Reichweite staatlicher Schutzpflichten offen lassen, geben sie darüber hinaus auch keine Hinweise auf die jeweilige Art der zu ergreifenden Maßnahmen. In den genannten Konventionen ist stets lediglich die Rede von der staatlichen Pflicht zur Ergreifung der angemessenen legislativen, administrativen, judikativen sowie sonstiger Maßnahmen.217 5. Zwischenergebnis Trotz mangelnder Konkretisierung sowohl inhaltlicher Art, wie auch hinsichtlich der anzuwendenden konkreten Maßnahmen, muss im Grundsatz für die Konventionen CEDAW, ICERD, CRC, ICRMW und CRPD das Bestehen einzelfallabhängiger staatlicher Schutzpflichten bejaht werden. Zu Recht geben die zuständigen Ausschüsse zu bedenken, dass die Konventionen bei der Interpretation reiner Abwehrrechte ansonsten nur unvollkommenen Schutz der in ihnen statuierten Rechte begründen würden. Vor allem aber lassen die deutlichen Formulierungen in den einzelnen Vertragstexten selbst nur den Schluss zu, dass die Vertragsstaaten bei den Vertragsverabschiedungen im Grundsatz staatliche Pflichten auch zum Schutz hinsichtlich der Handlungen nichtstaatlicher Dritter beabsichtigt haben. Das Fehlen jedweder anderslautender Interpretation durch die Vertragsstaaten der Konventionen deutet auf eine demgemäße Auffassung und damit auf eine übereinstimmende Auslegung bei der Vertragsanwendung gemäß Art. 31 Abs. 2 Ziff. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge hin. Ebenso wie bei den zuvor geprüften regionalen Menschenrechtsverträgen liegt die Vertragsverletzung stets im Unterlassen gebotener und zumutbarer Schutzmaßnahmen vor den Eingriffen Dritter. Die UN-Folterkonvention (CAT) hingegen begründet als klassisches Abwehrinstrument gegen staatliches Handeln keine staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich der Handlungen Privater.

217

Art. 3 CEDAW „[…] all appropriate measures, including legislation […]“ (ähnlich auch Art. 2 Ziff. e CEDAW); Art. 2 Ziff. b CERD „[…] by all appropriate means, including legislation as required by circumstances […]“; Art. 2 Abs. 1 CRC „[…] all appropriate, administrative, social and educational measures […]“ (ähnlich auch Art. 4, Art. 19 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 2 CRC); Art. 6 OPAC „[…] all necessary legal, administrative and other measures […]“; Art. 4 Abs. 1 Ziff. a CRPD „[…] all appropriate legislative, administrative and other measures […]“; Art. 16 Abs. 2 CRMW spricht darüber hinaus von dem Erfordernis von „[…] effective protection […]“.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

II. Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten privater Wirtschaftsunternehmen Nachdem das Bestehen einzelfallabhängiger staatlicher Schutzpflichten für die Konventionen CEDAW, ICERD, CRC, ICRMW und CRPD im Grundsatz bejaht wurde, stellt sich im nächsten Schritt die Frage, ob die zuständigen Überwachungsausschüsse bzw. die Vertragsstaaten Hinweise auf mögliche Schutzpflichten hinsichtlich privater nationaler oder transnationaler Wirtschaftsunternehmen geben. 1. Schutzpflichten hinsichtlich privater Wirtschaftsunternehmen im Rahmen von CRC, ICRMW und CRPD Den Vertragstexten und Concluding Observations von CRC, ICRMW und CRPD können sowohl direkte, wie auch indirekte Hinweise auf Schutzpflichten hinsichtlich privater Wirtschaftsunternehmen entnommen werden. a) Konkrete Benennung privater Wirtschaftsunternehmen in Vertragstexten und in General Comments In den Vertragstexten und auch in den General Comments zu CRC, ICRMW und CRPD werden private Wirtschaftsunternehmen lediglich an einer einzigen Stelle konkret genannt. Nur Art. 4 Abs. 1 Ziff. e CRPD verlangt von den Vertragsstaaten „To take all appropriate measures to eliminate discrimination on the basis of disability by any person, organization or private enterprise“ [Hervorhebung durch Verfasser]

und benennt damit konkret staatliche Schutzpflichten in Bezug auf diskriminierende Handlungen durch private Unternehmen. b) Weitere Hinweise auf private Wirtschaftsunternehmen aa) ICRMW Nach Art. 11 ICRMW dürfen Wanderarbeiter und ihre Familien nicht in Abhängigkeits- bzw. Sklavereiverhältnissen ausgebeutet (Abs. 1) oder zu Arbeit gezwungen werden (Abs. 2). Gemäß Art. 16 Abs. 2 ICRMW gilt die Pflicht zum effektiven Schutz in Abgrenzung zu staatlichen Handlungen auch bei „[…] private individuals, groups or institutions“. Es ist kaum vorstellbar, dass private Wirtschaftsunternehmen als Hauptarbeitgeber von Wanderarbeitern nach dem Willen der Vertragsstaaten nicht unter diese Institutionen fallen sollen.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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bb) CRPD Art. 9 Abs. 2 Ziff. b und Art. 21 Ziff. c CRPD sprechen im Kontext des Zugangs zu Dienstleistungsangeboten von „private entities“. Ferner verlangen Art. 27 Abs. 1 Ziff. a und b CRPD den Schutz behinderter Arbeitnehmer(innen) vor ungleicher Behandlung, Diskriminierung und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen. Art. 27 Abs. 2 CRPD konkretisiert diesen Schutz und verbietet jede Form der Sklaverei oder Zwangsarbeit von Personen mit Behinderungen. Wiederum ist dies kaum unter Außerachtlassung privater Wirtschaftsunternehmen interpretierbar und widerspräche auch den Schutzpflichten aus Art. 4 Abs. 1 Ziff. e CRPD. cc) CRC Art. 32 Abs. 1 CRC verweist auf die staatliche Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder „[…] be protected from economic exploitation […]“ Während hiernach zunächst lediglich vermutet werden kann, dass auch vor ökonomischer Ausbeutung durch private Unternehmen geschützt wird, konkretisiert der CRC-Ausschuss in verschiedenen Concluding Observations zu Staatenberichten den Inhalt der Pflicht aus Art. 32 Abs. 1 CRC. Im Fall von Jordanien verlangt er im Sinne staatlicher Schutzpflichten wirksame Maßnahmen wie überarbeitete Arbeitsschutzgesetze, um Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung in privaten Unternehmen der Landwirtschaft, aber auch in Familienbetrieben und häuslicher Arbeit zu schützen.218 Staatlichen Schutz und konkreten Handlungsbedarf mahnt der Ausschuss hinsichtlich der hohen Zahl an Kindern an, die in Minen, im Natursteinabbau, in Plantagen (z. B. im Tabakanbau), in der Fischerei sowie in handwerklichen Betrieben tätig sind.219 Auch in jüngsten Concluding Observations weist der CRC-Ausschuss auf die staatlichen Pflichten zum Schutz vor den Aktivitäten nationaler und transnationaler Unternehmen hin.220 2. Schutzpflichten hinsichtlich privater Wirtschaftsunternehmen im Rahmen von CEDAW und ICERD Während bei den jüngeren Konventionen private Wirtschaftsunternehmen bislang nur in Ansätzen konkret genannt wurden, haben sich die Ausschüsse von CEDAW 218

CRC, Concluding Observations Jordan, 29. 09. 2006, UN Doc. CRC/C/JOR/CO/3, Ziff. 89 a. 219 CRC, Concluding Observations Colombia, 08. 06. 2006, UN Doc. CRC/C/COL/CO/3, Ziff. 82; CRC, Concluding Observations Nigeria, 13. 04. 2005, UN Doc. CRC/C/15/Add.257, Ziff. 73; CRC, Concluding Observations Lebanon, 08. 06. 2006, UN Doc. CRC/C/LBN/CO/3, Ziff. 79. 220 CRC, Concluding Observations Bolivia, 16. 10. 2009, UN Doc. CRC/C/BOL/CO/4, Ziff. 17 f.; CRC, Concluding Observations Mozambique, 04. 11. 2009, UN Doc. CRC/C/MOZ/ CO/2, Ziff. 21 f.; CRC, Concluding Observations Philippines, 22. 10. 2009, UN Doc. CRC/C/ PHL/CO/3 – 4, Ziff. 21 f.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

und ICERD bereits deutlich intensiver mit der staatlichen Pflicht zum Schutz vor Eingriffen durch Unternehmen und insbesondere durch transnationale Unternehmen befasst. Zwar existiert in den Vertragstexten von CEDAW und ICERD lediglich in Art. 2 Ziff. e CEDAW ein entsprechender Verweis auf die vertragsstaatliche Pflicht „To take all appropriate measures to eliminate discrimination against women by any person, organization or enterprise;“221 es ist jedoch unklar, ob sich dies auf Staatsunternehmen und/oder auf private Unternehmen bezieht. In ihren General Comments und Concluding Observations weisen die beiden Ausschüsse hingegen bereits seit über 20 Jahren auf mögliche rechtsverletzende Eingriffe durch private Unternehmen hin: a) General Comments General Comment No. 25 des CEDAW-Ausschusses betont ausdrücklich die staatliche Pflicht zum Schutz von Frauen vor Diskriminierung unter anderem durch „enterprises“222. In Konkretisierung des allgemeinen Schutzes vor Rassendiskriminierung schlägt der ICERD-Ausschuss den Vertragsstaaten vor, Maßnahmen zu ergreifen („recommends“), welche die Diskriminierung indigener Bevölkerungsgruppen im Zusammenhang mit „commercial companies“223, die Diskriminierung von Roma im Zusammenhang mit „private companies“224 und die Diskriminierung von Arbeitnehmern bei Rekrutierungen im Zusammenhang mit „private companies“225 unterbinden.226 Es sei jedoch betont, dass es sich bei letzteren eindeutig um Anregungen handelt und diesbezüglich an keiner Stelle von staatlichen Pflichtverletzungen gesprochen wird. b) Concluding Observations In zahlreichen Concluding Observations gibt insbesondere der ICERD-Ausschuss seiner Besorgnis hinsichtlich der Handlungen transnationaler bzw. multinationaler

221 Ein indirekter Hinweis auf Unternehmen findet sich zudem in Art. 11 Abs. 1 CEDAW, wo die staatliche Pflicht zur Eliminierung jeder Form der Diskriminierung „[…] in the field of employment […]“ gefordert wird. 222 CEDAW, General Comment No. 25, [30th Session] Art. 4 Para. 1 (2004), UN Doc. CEDAW/C/2004/I/WP.1/Rev.1, Ziff. 7 und 31. 223 CERD, General Comment No. 23, [51th Session] Indigenous Peoples (1997), UN Doc. A/52/18, Annex V, Ziff. 3. 224 CERD, General Comment No. 27, [57th Session] Discrimination against Roma (2000), UN Doc. A/55/18, Annex V, Ziff. 27. 225 CERD, General Comment No. 29, [61th Session] Art. 1 Para. 1 (Descent) (2002), UN Doc. A/57/18, Ziff. (ll). 226 Vgl. darüber hinaus auch hins. Kinderarbeit: CERD, General Comment No. 30, [65th Session] Discrimination against Non-Citizens (2005), UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.7/Add.1, Ziff. 34.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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Unternehmen Ausdruck.227 Die dem zugrunde liegenden Sachverhalte beinhalten: großflächige Abholzungen mit rechtsverletzendem Einfluss auf Ureinwohner Brasiliens im Zusammenhang mit „multinational companies“,228 Arbeitsverhältnisse ausländischer Arbeitnehmer in Kuwait im Zusammenhang mit „transnational corporations“229, Arbeitnehmerdiskriminierungen auf den Philippinen im Zusammenhang mit „transnational corporations“230 und insbesondere Situationen, in denen die Vermutung besteht, dass indigene Bevölkerungsgruppen im Zusammenhang mit extraktiv arbeitenden „multinational (private) companies“ diskriminiert werden231. In keinem dieser Fälle stellt der ICERD-Ausschuss bisher streng genommen staatliche Schutzpflichtverletzungen fest. Er notiert stets lediglich seine Besorgnis mit unterschiedlicher Akzentuierung und fordert die Vertragsstaaten zu angemessenen Untersuchungs- und ggfls. Gegenmaßnahmen auf. Dass keine Pflichtverletzungen festgestellt werden, liegt daran, dass die Ausschüsse hinsichtlich der Staatenberichte nicht das Mandat haben, den einzelnen Fällen nachzugehen. Dies heißt hingegen nicht notwendigerweise, dass keine Schutzpflichten bestehen. 3. Sonderfall: Staatsunternehmen In keiner der untersuchten Konventionen und Äußerungen der zuständigen Überwachungsausschüsse wird bei den staatlichen Pflichten zwischen Staatsunternehmen, Unternehmen im staatlichen Auftrag und privaten Unternehmen unterschieden.232 Da die Konventionen auch nach der hier durchgeführten Untersuchung im Kern als Konventionen mit Abwehrcharakter gewertet werden müssen, wird man 227 Der CEDAW-Ausschuss äußert lediglich in seinen Concluding Observations zu Sri Lanka Besorgnis hinsichtlich der Arbeitsbedingungen junger Frauen in transnationalen Unternehmen: „Particular concern was voiced about younger women in the work-force of multinational corporations, […]“, CEDAW, Concluding Observations Sri Lanka, 03. 04. 1987, UN Doc. CEDAW A/42/38, Ziff. 207. Für allgemeine Hinweise auf staatliche Schutzpflichten im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten vgl.: CEDAW, Concluding Observations Cambodia, 25. 01. 2006, UN Doc. CEDAW/C/KHM/CO/3, Ziff. 28; CEDAW, Concluding Observations China, 25. 08. 2006, UN Doc. CEDAW/C/CHN/CO/6, Ziff. 29; CEDAW, Concluding Observations Guatemala, 12. 02. 2009, UN Doc. CEDAW/C/GUA/CO/7, Ziff. 11. 228 CERD, Concluding Observations Brazil, 10. 03. 1987, UN Doc. A/42/18, Ziff. 550; Hinweis: Die beiden Ausschüsse verwenden die Begriffe „transnationale“ und „multinationale“ Unternehmen synonym. 229 CERD, Concluding Observations Kuwait, 1984, UN Doc. A/39/18, Ziff. 486. 230 CERD, Concluding Observations Philippines, 1980, UN Doc. A/35/18, Ziff. 364. 231 CERD, Concluding Observations Chile, 10. 08. 1999, UN Doc. A/54/18, Ziff. 375; CERD, Concluding Observations Columbia, 08. 08. 1985, UN Doc. A/40/18, Ziff. 451; CERD, Concluding Observations Nigeria, 10. 08. 1993, UN Doc. A/48/18, Ziff. 309; CERD, Concluding Observations, Peru, 03. 09. 2009, UN Doc. CERD/C/PER/CO/14 – 17, Ziff. 14. 232 Beispielsweise nennt der ICERD-Ausschuss in General Comment No. 23 „[…] commercial companies and State enterprises“ ohne weitere Differenzierung im Kontext des Schutzes indigener Bevölkerungsgruppen, CERD, General Comment No. 23, [51th Session] Indigenous Peoples (1997), UN Doc. A/52/18, Annex V, Ziff. 3.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

aber nicht umhinkommen, die staatliche Verantwortung für eigenes Handeln, und damit auch für das Handeln von Staatsunternehmen und Unternehmen im Staatsauftrag, höher einzustufen als die Verantwortung für das Handeln privater Unternehmen. Eine andere Interpretation würde zu extensiven staatlichen Überwachungsmaßnahmen führen, die dem eigentlichen Sinn der Konventionen entgegen stünden. Wie staatliche Pflichten hinsichtlich staatlicher und privater Unternehmen differieren, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden und bedarf weiterer Interpretationen durch die Ausschüsse und Vertragsstaaten. 4. Analyse und Zwischenergebnis Eindeutige Aussagen bezüglich staatlicher Schutzpflichten in konkreten Einzelsituationen vor rechtsverletzenden Eingriffen privater Wirtschaftsunternehmen lassen sich nach der hier durchgeführten Untersuchung spezieller Menschenrechtsverträge angesichts dynamischer Entwicklungen in diesem Bereich zur Zeit nicht aufstellen. Es sind hingegen deutliche Tendenzen erkennbar. Zum einen findet sich in der erst vor kurzem in Kraft getretenen CRPD zum ersten Mal ein ausdrücklicher Hinweis auf staatliche Schutzpflichten im Kontext privater Unternehmen in einem Vertragstext (Art. 4 Abs. 1 Ziff. e CRPD). Dass dies hingegen nicht auch in der ähnlich aktuellen Konvention zum Schutz der Wanderarbeiter (ICRMW) der Fall ist, ist gerade wegen des Inhaltes dieser Konvention erstaunlich. Es lässt lediglich den Rückschluss zu, dass die interpretative Ausweitung staatlicher Schutzpflichten auf Wirtschaftsunternehmen sorgfältiger Prüfung bedarf und sich diese offensichtlich nicht überall gleichermaßen schnell im Staatenkonsens fortentwickelt. Zahlreiche vertraglich fixierte Hinweise auf staatliche Schutzpflichten im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten lassen jedoch bei den jüngeren Konventionen CRC, CRPD und ICRMW den Schluss zu, dass Vertragsstaaten einzelfallabhängig Schutzpflichten auch im Falle privater nationaler wie transnationaler Unternehmen zu bejahen bereit sind. Bei den genannten drei Konventionen bleibt die zukünftige Entwicklung der Vertragsanwendung abzuwarten. Im Hinblick auf CEDAW und ICERD geben zahlreiche General Comments eindeutige Hinweise, dass die Ausschüsse staatliche Schutzpflichten im Kontext privater Unternehmen bejahen. In dieselbe Richtung weisen die unverbindlichen Vorschläge durch die Ausschüsse in einer Vielzahl von Concluding Observations mit ausdrücklichen Hinweisen auch auf transnationale Wirtschaftsunternehmen. In der Kommunikation zwischen den Vertragsstaaten und den Ausschüssen der geprüften fünf Menschenrechtsverträge existiert kein Hinweis von Seiten der Staaten, dass sie der Ansicht sind, staatliche Schutzpflichten würden nicht auch den Schutz vor rechtsverletzenden Eingriffen durch Wirtschaftsunternehmen umfassen. Angesichts des so entstandenen Gesamtbildes kann nachfolgend vom grundsätzlichen Bestehen einzelfallabhängiger staatlicher Schutzpflichten bei genannten fünf Konventionen (CRC, CRPD, ICRMW, CEDAW und ICERD) auch im Hinblick auf private Wirt-

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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schaftsunternehmen ausgegangen werden.233 Vertragsverletzungen sind dabei immer nur dann möglich, wenn ein Vertragsstaat trotz gegebener Möglichkeit gebotene Handlungen unterlassen hat und so Berechtigte in ihren Rechten verletzt wurden. Während mit diesem Ergebnis eine Aussage über staatliche Schutzpflichten im eigenen Staatsgebiet getroffen wurde, gilt es abschließend zu prüfen, ob derartige einzelfallbezogene Schutzpflichten auch extraterritoriale Geltung erlangen können.

III. Extraterritoriale Geltung spezieller Menschenrechtskonventionen und deren Bedeutung für transnational operierende Unternehmen Klarstellend sollen zunächst zwei theoretische Möglichkeiten extraterritorialer Konventionsgeltung beschrieben werden. Zum einen stellt sich die nahe liegende Frage, in welchen Territorien die jeweilige Konvention Geltung findet. Daneben kann aber auch die Frage nach Pflichten zur nationalen Jurisdiktion mit lediglich extraterritorialer Wirkung gestellt werden. Allerdings handelt es sich bei letzterer nur scheinbar um eine eigenständige Variante extraterritorialer Konventionsgeltung. Der entscheidende Aspekt ist bei genauer Betrachtung aller Konventionen nicht, ob die schädigende natürliche/juristische Person sich innerhalb der Geltungsbereichs der Konvention befindet, sondern vielmehr, ob die aus der jeweiligen Konvention berechtigten Personen sich innerhalb des Geltungsbereichs der Konvention befinden. Dies sind sie zunächst immer dann, wenn sie sich auf Territorium befinden, in welchem wiederum die Konvention Geltung hat. Insofern ist stets die Frage zu stellen, in welchem Territorium die zu prüfende Konvention gilt. Bei den geprüften Konventionen lassen sich hierzu klare Unterschiede nachweisen. 1. Extraterritoriale Geltung der CRPD Anders als andere Konventionen beinhaltet die CRPD keinen Hinweis auf die extraterritoriale Geltung der Konvention wie etwa „subject to their jurisdiction“ oder ähnliches. In Art. 4 Abs. 5 CRPD wird der räumliche Geltungsbereich lediglich auf „[…] all parts of federal States […]“ festgelegt, was allerdings nur einen Hinweis auf die uneingeschränkte Geltung der Konvention in allen Ländern/Federal States innerhalb eines Staates darstellt. Weitere Hinweise auf eine über das Staatsgebiet hinausgehende Geltung gibt auch der erst im Aufbau befindliche Überwachungsausschuss der CRPD nicht. Da die Vertragsstaaten trotz Kenntnis der in anderen Menschenrechtsverträgen sonst üblichen Hinweise auf die räumliche Geltung auf eine solche verzichtet haben, ist zum jetzigen Zeitpunkt nur der Schluss möglich, dass eine extraterritoriale Geltung der Konvention von den Vertragsstaaten bislang nicht vorgesehen ist. Somit kann festgehalten werden, dass die CRPD lediglich 233

So im Ergebnis für CEDAW und ICERD auch: Weissbrodt, zfwu 2005, 279, 284.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

staatliche Schutzpflichten vor rechtsverletzenden Eingriffen durch Private und damit auch durch Unternehmen auf dem eigenen Staatsgebiet begründet. Eine darüber hinausgehende Pflicht ist der CRPD nicht zu entnehmen. 2. Extraterritoriale Geltung von ICRMW, CEDAW und CRC a) Gebiete innerhalb staatlicher „jurisdiction“ Die Internationale Konvention zum Schutz von Wanderarbeitern und ihrer Familien ist zwangsläufig als multiterritoriales Instrument zu verstehen. Jedoch verpflichten sich die Konventionsstaaten gemäß Art. 7 ICRMW lediglich zur Wahrung der Konventionsrechte aller „[…] migrant workers and members of their families within their territory or subject to their jurisdiction […]“ Die Konvention gilt hiernach sowohl im eigenen Staatsgebiet, als auch in extraterritorialen Gebieten, in denen der Vertragsstaat Hoheitsgewalt ausübt. Art. 2 Abs. 1 CRC verweist auf die staatliche Pflicht zur Wahrung der Konventionsrechte „within their jurisdiction“ und hält damit ebenfalls die staatliche – nicht zwangsläufig nur auf das Staatsgebiet bezogene – Hoheitsgewalt als entscheidendes Merkmal fest.234 Ganz ähnlich verhält es sich im Rahmen der CEDAW, die zwar keinen derartigen Hinweis im Vertragstext enthält, deren räumliche Geltung aber durch den Überwachungsausschuss ebenfalls mit Blick auf die staatliche Hoheitsgewalt („within their jurisdiction“235) konkretisiert wurde.236 Wann genau in diesen Fällen Hoheitsgewalt vorliegt, wird von den Ausschüssen und Vertragsstaaten an keiner Stelle thematisiert. Der CEDAW-Ausschuss hat lediglich im Falle Israels Hoheitsgewalt in den besetzten Palästinensergebieten bejaht.237 Dies entspricht, wie bereits ausgeführt, der Auffassung des EGMR und insbesondere der Auffassung des Internationalen Gerichtshofes, die neben Fällen der Hoheitsmacht über einzelne Personen auf fremden Staatsgebiet auch in den Fällen militärischer Okkupationen Hoheitsgewalt bejaht haben. Der IGH hat dies mit Blick auf die Geltung der CRC in seiner Advisory Opinion on Legal Conse-

234 In General Comment No. 6 stellt der Ausschuss an mehreren Stellen klar, dass die Konvention auf dem eigenen Staatsgebiet und/oder in Gebieten „subject to its jurisdiction“ gilt, CRC, General Comment No. 6, [39th Session] Treatment of unaccompanied and separate children outside their country of origin (2005), UN Doc. CRC/GC/2005/6, Ziff. 33, 77 f. 235 CEDAW, General Comment No. 24, [20th Session] Women and Health (Article 12)(1999), UN Doc. A/54/38/Rev.1, Ziff. 7. 236 Der Ausschuss verweist zusätzlich an folgenden Stellen auf das entscheidende Merkmal der Hoheitsgewalt: CEDAW, General Comment No. 26, [42th Session] Women Migrant Workers (2008), UN Doc. CEDAW/C/2009/WP.1/R, Ziff. 25 b; CEDAW, Concluding Observations Belgium, 01. 03. 1989, UN Doc. CEDAW A/51/38, Ziff. 178. 237 CEDAW, Concluding Observations Israel, 22. 07. 2005, UN Doc. CEDAW/C/ISR/CO/3, Ziff. 24.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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quences on the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory betont.238 Daher weisen die wenigen verfügbaren Hinweise darauf hin, dass die Konventionen zumindest in Fällen militärischer Hoheitsgewalt extraterritorial Anwendung finden. Ob die Konventionen in diesen Fällen in vollem Umfang oder nur unter Einschränkungen gelten, ist offen und bedarf weiterer Vertragsauslegung durch die Vertragsstaaten und Überwachungsausschüsse. An keiner Stelle befassen sich die Überwachungsausschüsse und Vertragsstaaten mit der Pflicht zur extraterritorialen Jurisdiktion in Bezug auf Gebiete, die nicht der staatlichen Hoheitsgewalt unterstehen. Ein dahingehender Wille zur Vertragsauslegung durch die Staaten ist nicht erkennbar. Daher kann abschließend folgendes festgehalten werden: ICRMW, CEDAW und CRC verpflichten die Staaten zur Wahrung der Konventionsrechte – im Einzelfall auch zum Schutz vor rechtsverletzenden Eingriffen durch private Unternehmen – lediglich in ihrem eigenen Staatsgebiet und darüber hinaus nur in den Gebieten, in denen sie Hoheitsgewalt ausüben. Weitergehende extraterritoriale Pflichten bestehen nicht. Insbesondere sind die Vertragsstaaten keiner der geprüften Konventionen verpflichtet, die in ihnen beheimateten Unternehmen für Rechtsverletzungen im extraterritorialen Bereich zu sanktionieren..239 b) Sonderfall: Extraterritoriale Schutzpflichten im Rahmen des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention (OPSC) Eine besondere Situation ergibt sich gegebenenfalls im Rahmen des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderschutzkonvention (Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on the sale of children, child prostitution and child pornography, nachfolgend: OPSC) vom 25. 05. 2000, welches unter anderem dem Schutz vor Kinderhandel und Kinderarbeit dient.240 Aus dem nachfolgend untersuchten Vertragstext könnten sich staatliche Schutzpflichten hinsichtlich privater Unternehmen ergeben, die in den Fällen von Kinderarbeit eine deutlich weitergehende extraterritoriale Reichweite mit sich bringen, als bei den zuvor geprüften Konventionen. aa) Extraterritoriale Jurisdiktion nach Art. 3 Abs. 1 OPSC Art. 3 Abs. 1 des Zusatzprotokolls sieht im Kontext des Kinderhandels vor:

238 IGH, Advisory Opinion on Legal Consequences on the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, 136, Ziff. 113; siehe hierzu auch: Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, 2006, 5 ff.; Dennis, 99 AJIL 119, 129 (2005). 239 So auch de Schutter für die CRC, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227, 289. 240 Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on the sale of children, child prostitution and child pornography (OPSC), 25. 05. 2000, UN Doc. A/54/49, in Kraft getreten am 18. 01. 2002.

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„Each State Party shall ensure that, as a minimum, the following acts and activities are fully covered under its criminal or penal law, whether such offences are committed domestically or transnationally […]“ [Hervorhebung durch Verfasser].

Unter diese Bestimmung fällt nach Art. 3 Abs. 1 Ziff. (a), (i), a. auch Kinderhandel zum Zwecke der Kinderarbeit („Engagement of the child in forced labour“). Darüber hinaus sind die Vertragsstaaten gemäß Art. 3 Abs. 4 OPSC aufgefordert, strafrechtliche, zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen juristische Personen für deren Beteiligung an derartigen rechtsverletzenden Eingriffen zu ergreifen. Bei einer ersten Betrachtung ließen sich aus diesen Voraussetzungen zumindest theoretisch staatliche Pflichten ableiten, Unternehmen für extraterritoriale Beteiligungen (gemäß Art. 3 Abs. 2 OPSC sind Beteiligungen ebenfalls zu ahnden) an Kinderhandel zum Zweck der Kinderarbeit zur Rechenschaft zu ziehen. Abgesehen jedoch davon, dass eine Definition von Beteiligung („Complicity“) juristischer Personen fehlt und völkerrechtlich höchst umstritten ist241, gibt das Zusatzprotokoll keine Definition des oben zitierten Merkmals „transnationally“. Man kann aber dem Inhalt des Vertragstextes und der Schutzrichtung des Zusatzprotokolls entnehmen, dass die Vertragsstaaten jedwedem Kinderhandel zum Zwecke der Kinderarbeit und etwaigen Beteiligungen daran wirkungsvoll entgegentreten wollen, sei er national oder grenzüberschreitend. Damit ist die Frage, inwieweit Staaten für die außerhalb der eigenen Grenzen begangenen Konventionsverletzungen transnationaler Unternehmen verantwortlich sind, freilich noch nicht beantwortet. In zahlreichen Concluding Observations fordert der zuständige Überwachungsausschuss die Staaten zwar auf, extraterritoriale Jurisdiktion über alle in Art. 3 Abs. 1 OPSC aufgeführten Tatbestände zu begründen, gibt jedoch keinen Hinweis auf eine diesbezügliche Pflicht oder darauf, ob juristische Personen ebenfalls für Beteiligungen an extraterritorialen Rechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen sind.242 Bei der Analyse der Concluding Observations fällt auf, dass bislang nationale bzw. transnationale Unternehmen in keiner einzigen Concluding Observation zum OPSC 241 Siehe nur: Forcese, 26 YJIL 487 – 515 (2001); International Commission of Jurists: Corporate Complicity & Legal Accountability, Volume 2 – Criminal Law and International Crimes, 2008, http://icj.org/IMG/Volume_2.pdf; Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie, Companion Report: Clarifying the Concepts of „Sphere of influence“ and „Complicity“ (15. 05. 2008), UN Doc. A/HRC/8/16; Wells/Elias, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 141, 155 ff. 242 CRC, Concluding Observations Andorra, 17. 03. 2006, UN Doc. CRC/C/OPSC/AND/ CO/1, Ziff. 16, 17; CRC, Concluding Observations Austria, 22. 10. 2008, UN Doc. CRC/C/ OPSC/AUT/CO/1, Ziff. 24; CRC, Concluding Observations Chile, 18. 02. 2008, UN Doc. CRC/ C/OPSC/CHL/CO/1, Ziff. 27; CRC, Concluding Observations France, 15. 10. 2007, UN Doc. CRC/C/OPSC/FRA/CO/1, Ziff. 20; CRC, Concluding Observations Guatemala, 06. 07. 2007, UN Doc. CRC/C/OPSC/GTM/CO/1, Ziff. 18; CRC, Concluding Observations Korea, 02. 07. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/KOR/CO/1, Ziff. 39; CRC, Concluding Observations Kuwait, 18. 02. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/KWT/CO/1, Ziff. 20; CRC, Concluding Observations Spain, 17. 10. 2007, UN Doc. CRC/C/OPSC/ESP/CO/1, Ziff. 29; CRC, Concluding Observations USA, 25. 06. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/USA/CO/1, Ziff. 35.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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erwähnt wurden. Eine Antwort auf die Frage nach der Pflicht zur extraterritorialen Jurisdiktion könnte aber der nachfolgend untersuchte Art. 4 OPSC geben. bb) Pflichtenkonkretisierung nach Art. 4 OPSC Art. 4 des Zusatzprotokolls gibt Auskunft über besondere Situationen mit extraterritorialem Bezug und fordert die Vertragsstaaten zum einen auf, Jurisdiktionsmaßnahmen zu treffen, wenn die Rechtsverletzung auf ihrem Staatsgebiet oder an Bord eines Schiffs oder Flugzeugs mit Registrierung in diesem Staat geschieht.243 Zum anderen sind die Vertragsstaaten aufgefordert, Täter, welche nicht ausgeliefert werden, selbst ihrer Jurisdiktion zu unterstellen.244 Vor allem aber sieht Art. 4 Abs. 2 OPSC vor, dass Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen, wenn Täter oder Opfer Staatsangehörige des jeweiligen Staates sind. Es ist hingegen unklar, ob sich dies neben natürlichen auch auf juristische Personen und damit auch auf private Unternehmen bezieht. Nimmt man an, dies sei der Fall, so stellt sich letztlich die Frage, ob es sich hierbei tatsächlich um eine vertraglich geschuldete Pflicht handelt. Gemäß Art. 4 Abs. 1 (Rechtsverletzungen auf eigenem Territorium) und Abs. 3 (Nichtauslieferung des Täters) OPSC sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die für den Schutz der Rechte aus Art. 3 OPSC erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Im deutlichen Gegensatz dazu wird in Art. 4 Abs. 2 (Täter oder Opfer sind Staatsangehörige des jeweiligen Staates) OPSC lediglich der Hinweis gegeben, dass die Vertragsstaaten in den Fällen nationaler Täter oder Opfer eines extraterritorialen Rechtsverstoßes die erforderlichen Jurisdiktionsmaßnahmen treffen dürfen. Daher sind die Vertragsstaaten aufgrund des Zusatzprotokolls lediglich aufgefordert, die völkergewohnheitsrechtlichen Anknüpfungspunkte des aktiven und passiven Personalitätsprinzips zur Verwirklichung der geschützten Rechte auf freiwilliger Basis anzuwenden.245 Eine Pflicht zur extraterritorialen Jurisdiktion über natürliche Personen oder transnationale Unternehmen ist damit hingegen nicht verbunden. cc) Zwischenergebnis Art. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 OPSC begründet staatliche Pflichten zum Schutz vor rechtsverletzenden Handlungen natürlicher und juristischer Personen auf dem eigenen Staatsgebiet. In den Fällen jedoch, in denen die Tat außerhalb des eigenen Territoriums begangen wurde und der Täter Staatsangehöriger des jeweiligen Vertragsstaates ist, wird der Staat lediglich aufgefordert, nicht aber verpflichtet, Jurisdiktion auf der Basis des aktiven Personalitätsprinzips auszuüben. Bezogen auf private Unternehmen bedeutet dies, dass auch sie für nationale Beteiligungen an Fällen von Kinderhandel und Kinderarbeit zur Rechenschaft gezogen werden 243 244 245

Art. 4 Abs. 1 OPSC. Art. 4 Abs. 3 OPSC. Diese sind in ihrem Bestehen und Umfang teilweise höchst umstritten.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

müssen. Da auch Unternehmen eine Staatszugehörigkeit besitzen, sind die Vertragsstaaten im Prinzip auch aufgefordert, auf freiwilliger Basis, „ihre“ Unternehmen auf der Basis des aktiven Personalitätsprinzips zu sanktionieren. Es werden aber keine staatlichen Pflichten zur extraterritorialen Jurisdiktion über natürliche Personen oder transnationale Unternehmen als juristische Personen in Fällen von Rechtsverletzungen der OPSC begründet. 3. Extraterritoriale Geltung der ICERD a) Vertragstext und Auslegung durch den Überwachungsausschuss Ebenso wie die bereits untersuchten Menschenrechtskonventionen verweist auch die ICERD in Art. 6 auf einen Geltungsbereich angelehnt an den Hoheitsbereich der Vertragsstaaten „States Parties shall assure to everyone within their jurisdiction effective protection and remedies […]“.246 In General Recommendations No. 19 und 29 wird dieses Prinzip erneut betont („under their jurisdiction“).247 Konkretisierend gibt der Überwachungsausschuss zu verstehen, dass er Hoheitsmacht in Fällen effektiver Kontrolle bejaht248, was auch schon durch den EGMR als Maßstab zur Bestimmung des Geltungsbereiches der EMRK herangezogen wurde.249 Insgesamt ist mangels anderslautender Interpretation durch die Vertragsstaaten bis zu diesem Punkt daher nur der Schluss möglich, dass auch die ICERD lediglich im jeweiligen Staatsgebiet des Vertragsstaates und darüber hinaus nur in den Gebieten gilt, in denen er Hoheitsgewalt durch effektive Kontrolle ausübt. b) Aufforderung des Überwachungsausschusses zur extraterritorialen Jurisdiktion über US-amerikanische und kanadische transnationale Unternehmen Die Concluding Observations zu den letzten Staatenberichten von Kanada (25. 05. 2007)250 und den USA (08. 05. 2008)251 werfen im harten Kontrast zu dem eben genannten Geltungsbereich zahlreiche Fragen auf. In beiden, fast wortgleichen Kommentierungen äußert der Überwachungsausschuss zunächst seine Besorgnis 246

Art. 6 ICERD; Art. 3 ICERD verweist daneben auf „[…] territories under their jurisdiction.“. 247 CERD, General Comment No. 19, [47th Session] Racial segregation and apartheid (1995), UN Doc. A/50/18, Ziff. 1; CERD, General Comment No. 29, [61th Session] Art. 1 Para. 1 (Descent) (2002), UN Doc. A/57/18, Ziff. a. 248 CERD, Concluding Observations Israel, 14. 06. 2007, UN Doc. CERD/C/ISR/CO/13, Ziff. 79, 83. 249 Siehe S. 85 ff. 250 CERD, Concluding Observations Canada, 25. 05. 2007, UN Doc. CERD/C/CAN/CO/ 18. 251 CERD, Concluding Observations USA, 08. 05. 2008, UN Doc. CERD/C/USA/CO/6.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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über Berichte, nach denen US-amerikanische bzw. kanadische TNCs im Zusammenhang mit der Förderung von Bodenschätzen in anderen Staaten die Rechte auf Gesundheit, Bodennutzung und saubere Umwelt dortiger indigener Bevölkerungsgruppen negativ beeinflussen. Im Lichte von Art. 2 Abs.1 und 5 Ziff. e bzw. 4 Ziff. a und b ICERD sowie von General Recommendation No. 23 fordert er die USA und Kanada anschließend auf, die zur Verhinderung derartiger Beeinträchtigungen durch TNCs in fremden Staaten gebotenen legislativen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen.252 Darüber hinaus führt er im direkten Anschluss aus: „In particular, the Committee recommends that the State party explore ways to hold transnational corporations registered in the United States [bzw. in Canada] accountable.“

Noch nie zuvor hat der Überwachungsausschuss einer Menschenrechtskonvention Vertragsstaaten in derart deutlicher Weise zur extraterritorialen Jurisdiktion über TNCs wegen möglicher Beteiligungen an Vertragsverletzungen aufgerufen. Diese aktuelle Entwicklung wirft mehrere Frage auf: Auf welche Territorien bezieht sich der Ausschuss konkret? Was ist die Rolle des Ausschusses bei der Vertragsinterpretation? Wozu genau fordert er die USA und Kanada auf? Wie sind die Reaktionen der Vertragsstaaten? aa) Territoriale Reichweite Im Kontext transnationaler Unternehmen bezieht sich der Überwachungsausschuss in beiden Fällen auf extraterritoriale Aktivitäten „in countries outside“, „in territories outside“ bzw. „abroad“.253 Da der Ausschuss ausdrücklich fremde Staaten nennt und nicht von Gebieten unter Hoheitsgewalt bzw. unter effektiver Kontrolle der Vertragsstaaten spricht, ergibt eine erste Betrachtung, dass er sich möglicherweise auf Staatsgebiete bezieht, in denen die beiden Vertragsstaaten keinerlei Hoheitsgewalt ausüben. Dass der Ausschuss im Sinne einer espace juridique nur Staatsgebiete anderer Vertragsstaaten meinen könnte, ist den Ausführungen in keiner 252 Der vollständige Wortlaut im Fall der USA lautet: „The Committee notes with concern the reports of adverse effects of economic activities connected with the exploitation of natural resources in countries outside the United States by transnational corporations registered in the State party on the right to land, health, living environment and the way of life of indigenous peoples living in these regions (arts. 2 (1) (d) and 5 (e)). In light of article 2, paragraph 1 (d), and 5 (e) of the Convention and of its general recommendation No. 23 (1997) on the rights of indigenous peoples, the Committee encourages the State party to take appropriate legislative or administrative measures to prevent acts of transnational corporations registered in the State party which negatively impact on the enjoyment of rights of indigenous peoples in territories outside the United States.“, Ibid, Ziff. 30; fast wortgleich äußert sich der Ausschuss im Fall Kanadas: CERD, Concluding Observations Canada, 25. 05. 2007, UN Doc. CERD/C/CAN/ CO/18, Ziff. 17. 253 Die genauen Hintergründe der „Berichte“, von denen der Ausschuss spricht, wurden nicht veröffentlicht, sind weder in den Staatenberichten der USA (State Report USA v. 24. 10. 2007, UN Doc. CERD/C/USA/6) oder Kanadas (State Report Canada v. 05. 04. 2006, UN Doc. CERD/C/CAN/18) erwähnt, noch in Individualbeschwerden enthalten und können daher vorliegend nicht zur näheren Analyse beitragen.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

Weise zu entnehmen. Man könnte die Aufforderungen daher zumindest so interpretieren, dass der Ausschuss Staatsgebiete meint, die weder einem Vertragsstaat angehören, noch unter der Hoheitsgewalt des jeweiligen Staates stehen. Damit ginge er jedoch weit über die sonst geltenden räumlichen Konventionsreichweiten hinaus. Die dargestellten Aufforderungen des Überwachungsausschusses sind vor dem Hintergrund der oben durchgeführten Untersuchung des Geltungsbereiches der ICERD254 kritisch zu betrachten. Eine Aufforderung an die USA und Kanada zur extraterritorialen Jurisdiktion hinsichtlich unternehmerischer Aktivitäten in Staaten, die nicht der ICERD angehören, käme inhaltlich letztlich einem völkerrechtswidrigen Vertrag zu Lasten dritter Staaten gleich, da in deren Souveränitätsrechte eingegriffen würde. Bevor eine völkerrechtmäßige Interpretation der Aufforderungen des Überwachungsausschusses erfolgt, soll zunächst die Kompetenz des ICERDAusschusses zur verbindlichen Vertragsinterpretation untersucht werden. bb) Kompetenz des ICERD-Ausschusses zur verbindlichen Vertragsinterpretation Der Überwachungsausschuss der ICERD fordert die USA und Kanada auf („encourages“) bzw. empfiehlt ihnen („recommends“), die erforderlichen Maßnahmen zur Sanktionierung von transnationalen Unternehmen zu ergreifen. Während diese Wortwahl an sich keine bindende Wirkung impliziert, stellt sich dennoch, ebenso wie bereits zuvor bei anderen Überwachungsausschüssen, die Frage nach der Rolle des Überwachungsausschusses bei der Vertragsinterpretation und der Bindungswirkung seiner Aussagen. Dem Vertragstext ist keinerlei Hinweis auf eine bindende Wirkung der Auffassungen des Ausschusses zu entnehmen. Nach Art. 9 Abs. 2 ICERD steht es dem Ausschuss frei, „[…] may make suggestions and general recommendations based on the examination of the reports and information received from the States Parties.“ Diese Vorschläge und generellen Bemerkungen werden der Generalversammlung zusammen mit Erwiderungen der Staaten ohne weitere Konsequenzen lediglich vorgelegt.255 Auch dem offiziellen Fact Sheet zum ICERD ist keine weiterführende Information zu entnehmen.256 Der ICERD-Ausschuss selbst gibt in General Recommendation No. 32 zu verstehen, dass seine Äußerungen lediglich eine Funktion als „practical guidance“, d. h. als praktische Anleitung zum Verständnis der ICERD erfüllen.257 Ein Wille der Vertragsstaaten, sich den Auffassungen des Ausschusses 254

Siehe S. 188 f. Art. 9 Abs. 2 S. 2 ICERD. 256 Office of the High Commissioner for Human Rights, Fact Sheet No. 12, The Committee on the Elimination of Racial Discrimination, May 1991, www.ohchr.org/Documents/Publicati ons/FactSheet12en.pdf. 257 CERD, General Comment No. 32, [75th Session] The meaning and scope of special measures in the International Convention on the Elimination of All Forms Racial Discrimination v. 24. 09. 2009, UN Doc. CERD/C/GC/32, Ziff. 4. 255

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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verbindlich zu unterwerfen, ist darüber hinaus nicht erkennbar. Daher wird man im Ergebnis den Stimmen aus dem Schrifttum zustimmen können, nach denen sich die Rechtsqualität der Äußerungen der Überwachungsorgane der Konventionen als rechtlich nicht verbindliches Soft-Law darstellt.258 Die interpretative Tätigkeit nicht nur des ICERD-Ausschusses, sondern aller Überwachungsausschüsse dient vor allem dem konstruktiven Dialog und so der progressiven Verwirklichung der Konventionsziele in einem Kooperationsrahmen zwischen Vertragsstaat und Überwachungsorgan.259 Durch die Veröffentlichung der Concluding Observations und Beurteilungen von Individualbeschwerden entsteht hingegen ein beachtenswerter politischer und medialer Druck.260 cc) Konkrete Inhalte der Aufforderungen des Ausschusses Obschon von den Aufforderungen des Ausschusses keine Bindungswirkung ausgeht, stellt sich dennoch die Frage, wozu er die Staaten konkret auffordert. Da davon ausgegangen werden kann, dass er die Vertragsstaaten nicht zu völkerrechtswidrigem Verhalten auffordern will, stellt sich insbesondere die Frage, auf welche völkerrechtliche Grundlage er die extraterritoriale Jurisdiktion über transnationale Unternehmen in anderen Staaten stellt. Dahingehend gibt der Ausschuss wenig Hinweise. Zwar basiert er seine Aufforderungen auf Art. 2 Abs. 1 und 5 Ziff. e bzw. 4 Ziff. a und b ICERD, diese konkretisieren jedoch lediglich die inhaltlichen Tatbestandsmerkmale und geben keinen Hinweis auf die extraterritoriale Anwendbarkeit der Konvention. Der Ausschuss fordert die Staaten auf „to explore ways“, transnationale Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen und lässt damit erkennen, dass er die Konvention selbst nicht als hinreichende völkerrechtliche Grundlage ansieht. Daher verbleibt nur die Interpretationsmöglichkeit, wonach der Ausschuss die Staaten auffordert, Jurisdiktion über transnationale Unternehmen im Rahmen völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Grenzen zu etablieren. Diese Grenzen werden von völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Anknüpfungspunkten gekennzeichnet. Letztlich kann daher festgehalten werden, dass der Ausschuss die USA und Kanada auffordert, Jurisdiktion über „ihre“261 transnationalen Unternehmen auf der Basis völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Anknüpfungspunkte zu etablieren. Ob der Ausschuss darüber hinaus die ICERD so interpretiert, dass mit Ratifizierung durch die Vertragsstaaten eine gesteigerte Pflicht zur Anwendung derartiger Anknüpfungspunkte besteht, ist offen und hängt mangels Bindungswirkung der Auffassungen des Ausschusses vor allem vom künftigen Willen der Vertragsparteien ab. 258 Oberleitner, Menschenrechtsschutz durch Staatenberichte, S. 222; Wolfrum, in: Klein, The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations, S. 49, 59, 67, 69. 259 Vgl. Oberleitner, Menschenrechtsschutz durch Staatenberichte, S. 223, 242. 260 Connors, in: Bayefsky, The UN Human Rights Treaty System in the 21st Century, S. 3, 8. 261 D.h. solche Unternehmen, die die Staatszugehörigkeit zu dem jeweiligen Staat haben.

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3. Teil: Staatliche Schutzpflichten auf Basis internationaler Verträge

dd) Reaktionen der Vertragsstaaten Der Ausschuss hat die USA und Kanada aufgefordert, in ihrem jeweils nächsten Bericht Auskunft über die Auswirkungen der ihnen zugehörigen transnationalen Unternehmen auf indigene Bevölkerungsgruppen im Ausland sowie über die entsprechend ergriffenen staatlichen Maßnahmen zu geben.262 Bislang sind noch keine neuen Staatenberichte von Seiten der USA oder Kanada veröffentlicht worden.263 In Interimsberichten nehmen die USA und Kanada zu einigen der durch den Ausschuss vorgebrachten Punkten Stellung.264 Die hier angesprochene Frage der extraterritorialen Jurisdiktion über transnationale Unternehmen wird jedoch nicht thematisiert, die Staaten verweisen diesbezüglich auf ihren nächsten regulären Bericht.265 c) Zwischenergebnis Ebenso wie die sonstigen geprüften Konventionen zum Schutz der Menschenrechte gilt auch die ICERD ausschließlich im jeweiligen Staatsgebiet der Vertragsstaaten und zudem in den Gebieten, in denen sie Hoheitsmacht etwa durch effektive Kontrolle ausüben. Die aktuellen Äußerungen des Überwachungsausschusses hinsichtlich transnationaler Unternehmen aus den USA und aus Kanada lassen zum jetzigen Zeitpunkt lediglich die Interpretation zu, wonach der Ausschuss die beiden Staaten auffordert, diese Unternehmen im Rahmen völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Grenzen (d. h. auf der Basis völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Anknüpfungspunkte) ihrer Jurisdiktion zu unterstellen. Im Falle der USA ist die Aufforderung durch den ICERD-Ausschuss besonders beachtens- und verfolgenswert, da die USA, wie bereits dargelegt, Schutzpflichten über einen Vertragsvorbehalt zum Teil ausgeschlossen haben.

262

CERD, Concluding Observations Canada, 25. 05. 2007, UN Doc. CERD/C/CAN/CO/ 18, Ziff. 17; CERD, Concluding Observations USA, 08. 05. 2008, UN Doc. CERD/C/USA/CO/ 6, Ziff. 30. 263 Stand: 30. Juni 2010; gemäß Art. 9 Ziff. b ICERD haben regelmäßige Staatenberichte nach dem Erstbericht alle zwei Jahre zu erfolgen. 264 CERD, Information provided by the Government Canada on the implementation of the concluding observations of the Committee on the Elimination of Racial Discrimination, 27. 10. 2009, UN Doc. CERD/C/CAN/CO/18/Add.1; CERD, Information provided by the Government of the United States of America on the implementation of the concluding observations of the Committee on the Elimination of Racial Discrimination, 05. 02. 2009, UN Doc. CERD/C/USA/ CO/6/Add.1. 265 CERD, Information provided by the Government of the United States of America (Fn. 264), Einleitung, Abs. 2, S. 4: „The United States Government intends to consider more fully all of the Committee’s concluding observations as it prepares its next periodic report.“.

B. Spezielle Konventionen zum Schutz der Menschenrechte

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IV. Zusammenfassendes Ergebnis zu den speziellen Menschenrechtskonventionen Außer im Falle der UN-Folterkonvention (CAT) begründen nach aktueller Vertragsauslegung alle geprüften speziellen Konventionen im Grundsatz einzelfallabhängige Schutzpflichten auch im Hinblick auf private Wirtschaftsunternehmen. Konventionsverletzungen sind dabei im Sinne mittelbarer Drittwirkung immer nur dann möglich, wenn ein Vertragsstaat trotz gegebener Möglichkeit gebotene Handlungen unterlassen hat und so Berechtigte in ihren Rechten durch private Unternehmen verletzt wurden. Die festgestellten einzelfallabhängigen Schutzpflichten im Rahmen von ICERD, CEDAW, CRC (inkl. OPSC), ICRMW und CRPD gelten zuvorderst in den Staatsgebieten der Vertragsstaaten. Die Konventionen rücken darüber hinaus das Merkmal der staatsgebietsunabhängigen Hoheitsgewalt („jurisdiction“) in den Vordergrund266 und keine Konvention mit Ausnahme der CRPD nennt das Staatsgebiet als alleinigen Anknüpfungspunkt. Daher bestehen für die Vertragsstaaten der ICERD, CEDAW, CRC und ICRMW extraterritoriale Schutzpflichten lediglich in Bezug auf solche Gebiete, in denen sie effektive Hoheitsgewalt ausüben. Ob in diesen Fällen von einem reduzierten Pfichtenumfang ausgegangen werden muss, ist bisher unklar. Die Analyse der Menschenrechtskonventionen ICERD, CEDAW, CAT, CRC, ICRMW und CRPD hat ergeben, dass aus keiner dieser Konventionen eine Verpflichtung der Vertragsstaaten zur unbeschränkten extraterritorialen Jurisdiktion über Aktivitäten transnationaler Unternehmen folgt.

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Vgl. auch Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 123.

Vierter Teil

Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse zu staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf private Wirtschaftsunternehmen A. Analyse und Vergleich der Ergebnisse regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge Während Wirtschaft im Allgemeinen und transnationale Unternehmen im Besonderen noch vor 15 bis 20 Jahren lediglich in Ausnahmefällen in der Praxis internationaler menschenrechtlicher Spruchkörper und Überwachungsausschüsse Erwähnung fanden, hat die vorangegangene Untersuchung einen Trend erkennbar werden lassen, der auf umfassendere staatliche Pflichten zum Schutz vor den Aktivitäten Dritter und damit einhergehend betont auch auf private Wirtschaftsunternehmen hinweist.

I. Einbeziehung von privaten Wirtschaftsunternehmen in den Wirkungsbereich staatlicher Schutzpflichten In Auslegung zahlreicher regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge als „living instruments“ entwickelt sich der internationale Menschenrechtsschutz dynamisch weiter. Wie ausführlich dargelegt, kommen den Staaten insbesondere im Rahmen von EMRK, aber auch im Rahmen von AMRK, ICCPR, ICERD, CEDAW, CRC, ICRMW und CRPD zunehmend neben klassischen Abwehrrechten auch wachsende Schutzpflichten zu. Speziell hinsichtlich der ICCPR ist auf die divergierenden Ansichten von Überwachungsausschuss und einigen Staaten hinsichtlich inhaltlicher und räumlicher Geltung der Konvention hinzuweisen. Die ermittelten Schutzpflichten erfahren durch die zuständigen Gerichte und insbesondere durch die Überwachungsausschüsse der internationalen Menschenrechtsverträge gerade im letzten Jahrzehnt eine kontinuierlich zunehmende Orientierung speziell auf privatwirtschaftliche Unternehmen.1 Die Staaten sind dabei mehr und mehr gefordert, 1 CEDAW, General Comment No. 25, [30th Session] (2004), UN Doc. CEDAW/C/2004/I/ WP.1/Rev.1, („enterprises“), Ziff. 7 und 31; CERD, General Comment No. 23, [51th Session] (1997), UN Doc. A/52/18, Annex V („commercial companies“) Ziff. 3; CERD, General Comment No. 27, [57th Session] (2000), UN Doc. A/55/18, Annex V, („private companies“)

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 195

Rechtsverletzungen durch Wirtschaftsunternehmen zu verhindern, zu untersuchen und zu sanktionieren. Weiterhin wurde deutlich, dass den Staaten ein weiter Gestaltungsspielraum in der konkreten Umsetzung bestehender Schutzpflichten belassen wird. Die UN-Folterkonvention (CAT) begründet indes aufgrund ihres reinen Abwehrcharakters und die ICESCR aufgrund ihrer Einordnung als Instrument der progressiven Rechtsverwirklichung keine staatlichen Schutzpflichten. Auch die Arabische und die Afrikanische Menschenrechtscharta weisen zur Zeit keine Hinweise im Vertragstext oder im Wege der Auslegung auf, die auf staatliche Schutzpflichten schließen lassen. Somit ist auch deutlich geworden, dass die Etablierung staatlicher Schutzpflichten keine homogene Entwicklung über alle Menschenrechtsverträge hinweg ist, sondern manche Verträge gar unberührt davon bleiben. Dabei spielt die Frage, ob es sich um regionale oder um internationale Menschenrechtsverträge handelt, keine inhaltliche Rolle. Während in den älteren Menschenrechtsverträgen aus den 50er bis 80er Jahren staatliche Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen über den Weg der Auslegung durch die zuständigen Überwachungsorgane ermittelt wurden, weisen die jüngeren Menschenrechtsverträge wie die ICRMW aus dem Jahr 1990 und insbesondere die CRPD aus dem Jahr 2006 neben Abwehrrechten direkt auf Schutzpflichten vor rechtsverletzenden Aktivitäten durch private Unternehmen hin.2 Insofern sind zwei parallele Trends erkennbar: Zum einen die deutliche Neigung der Überwachungsausschüsse, staatliche Schutzpflichten auch auf private Unternehmen auszuweiten, und zum anderen ein Trend hin zu expliziter Nennung derartiger Schutzpflichten in neuen Vertragstexten. Letztlich sind jedoch zahlreiche Aspekte staatlicher Schutzpflichten, wie beispielsweise die Frage nach der Qualität staatlicher Pflichten im Hinblick auf staatliche Unternehmen und insbesondere die konkreten Anforderungen in den Fällen nationaler und transnationaler Unternehmen, noch ungeklärt. Die aufgezeigte Entwicklung führt nicht zur Feststellung direkter Pflichten privater nationaler und transnationaler Unternehmen im Menschenrechtsschutz. Die untersuchten Verträge stellen im Grundsatz vielmehr weiterhin Abwehrrechte gegen staatliches Handeln dar. Jedoch werden Staaten zunehmend für vorwerfbares Unterlassen hinsichtlich der Verhinderung bzw. Sanktionierung von Rechtsverletzungen durch private Individuen und Unternehmen verantwortlich gemacht. Die Ziff. 27; CERD, General Comment No. 29, [61th Session] (2002), UN Doc. A/57/18 („private companies“), Ziff. (ll); CRC, General Comment No. 2, [32th Session] (2002), UN Doc. CRC/ GC/2002/2 („private entities“); Ziff. 9; CRC, General Comment No. 11, [50th Session] (2009), UN Doc. CRC/C/GC/11 („any other entity or person within the State party“), Ziff. 78; HRC, General Comment No. 31 [80th Session] (2004), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 („committed by private persons or entities“), Ziff. 8. 2 Art. 4 Abs. 1 Ziff. e CRPD „To take all appropriate measures to eliminate discrimination on the basis of disability by any person, organization or private enterprise;“; Art. 16 Abs. 2 ICRMW „Migrant workers and members of their families shall be entitled to effective protection by the State against violence, physical injury, threats and intimidation, whether by public officials or by private individuals, groups or institutions.“, [Hervorhebungen durch Verfasser].

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

Rechtsgarantien entfalten so bei allen Konventionen, bei denen Schutzpflichten bejaht wurden, mittelbare Drittwirkung. Dies gilt uneingeschränkt auch in einem möglichen Verhältnis zwischen Opfer und privatem Unternehmen. Die Praxis der Ausschüsse und Spruchkörper entspricht damit inhaltlich in weiten Teilen den zur Zeit noch unverbindlichen Zurechenbarkeitsregeln der International Law Commission zur Staatenverantwortlichkeit (International Law Commission’s Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, ILC-Artikel).3 Die ILCArtikel legen fest, unter welchen Bedingungen ein Staat für völkerrechtswidriges Handeln verantwortlich gemacht werden kann und was die entsprechenden Folgen sind. Gemäß Art. 1 ILC-Artikel lösen nur staatliche Akte die Staatenverantwortung aus, wobei nach Art. 2 auch staatliche Unterlassungen in Frage kommen können. Damit wird deutlich, dass ein Staat für das Verhalten Dritter nach den ILC-Artikeln völkerrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden kann, wohl aber für ihm vorwerfbares Unterlassen bei entsprechender Handlungs- oder Schutzpflicht. Für die Handlungen von privaten Unternehmen sind Staaten nach Art. 5 und 8 ILC-Artikel nur dann direkt verantwortlich, wenn diese im staatlichen Auftrag oder unter staatlicher Leitung handeln. Konkrete staatliche Verhaltensnormen oder spezifische Schutzpflichten werden in den ILC-Artikeln dagegen nicht thematisiert. Die ILCArtikel werden daher trotz einer gewissen inhaltlichen Verwandtschaft zu staatlichen Schutzpflichten als völkerrechtliche Sekundärnormen im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter untersucht.4

II. Das Bestehen von Pflichtenkategorien in Menschenrechtsverträgen Die Afrikanische Menschenrechtskommission vertritt im Ogoni-Fall die Auffassung, dass auf der Basis des modernen Menschenrechtsschutzes nicht nur im Fall der Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und Völker, sondern ausnahmslos bei allen Menschenrechtsverträgen eine Unterteilung in vier unterschiedliche staatliche Pflichtenkategorien zu erfolgen habe. Dies schließe Pflichten zum Schutz vor staatlichen rechtsverletzenden Maßnahmen (klassische Abwehrrechte) ebenso ein wie staatliche Pflichten zum Schutz vor Handlungen privater Dritter (Schutzpflichten), der Pflicht zur Schaffung eines für die Menschenrechte 3 Vgl. Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit der International Law Commission: UN General Assembly, Resolution on ILC-Articles on the Responsibility of States for Internationally wrongful acts (28. 01. 2002), UN Doc. A/Res/56/83. 4 Vertiefend zu den ILC-Artikeln: Bodansky/Crook, 96 AJIL 773 ff. (2002); Bryde, in: Kälin et al., Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, S. 165, 178 ff.; Crawford et al., 12 EJIL 963 ff. (2001); Hummer, in: Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch für Völkerrecht, Bd. 1, S. 233, 236; ILC, Commentaries to the draft articles on Responsibility of States for internationally wrongful acts (2001), abgedruckt in UN Doc. A/56/10/Supp. 10; Jennings/Watts: Oppenheim’s International Law, Bd. 1, S. 548 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 185 ff.; Sperduti, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 216 ff.

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 197

förderlichen Umfeldes sowie einer staatlichen Pflicht zur Förderung des Gedankens der Menschenrechte durch sämtliche öffentlichen Stellen.5 Dies hätte zur Konsequenz, dass nicht nur in bestehenden, sondern auch in zukünftigen Verträgen allein aus der Natur der Verträge als Menschenrechtsverträge heraus stets und unabhängig vom eigentlichen Willen der Vertragsstaaten unterschiedliche Pflichten resultieren würden. Eine solche Pflichtenkategorisierung für alle Menschenrechtsverträge kann allerdings nach den hier vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht als vom Willen der Staatengemeinschaft getragen nachgewiesen werden. Zwar bestehen klare Tendenzen zur Ausweitung staatlicher Pflichten insbesondere hinsichtlich staatlicher Schutzpflichten sowohl auf der Ebene regionaler, wie auch auf der Ebene internationaler Verträge. Jedoch sind die damit verbundenen Entwicklungen von ganz unterschiedlicher Intensität und zum anderen besteht – wie in dieser Arbeit dargestellt – kein Konsens der Staatengemeinschaft hinsichtlich einer grundsätzlichen Pflichtenkategorisierung bei Menschenrechtsverträgen.6 So beschränkt sich beispielsweise der EGMR darauf, die staatlichen Pflichten aus Art. 1 EMRK fallspezifisch als Abwehrrechte, Regelungs-, Untersuchungs-, Informations- sowie als Schutzpflichten auszulegen. Eine strenge Pflichtenkategorisierung in die oben durch die Afrikanische Menschenrechtskommission aufgestellten Pflichtenkategorien ist dem EGMR hinsichtlich der EMRK, die sich bezüglich staatlicher Schutzpflichten als die am weitesten entwickelte Menschenrechtskonvention darstellt, fremd. Die Annahme einer grundsätzlichen Pflichtenkategorisierung bei Menschenrechtsverträgen entspricht daher zumindest zum heutigen Zeitpunkt nicht dem Willen der Staatengemeinschaft.

III. Das Bestehen genereller staatlicher Schutzpflichten Im vorangegangenen Teil wurde das Bestehen einer Pflichtenkategorisierung in Menschenrechtsverträgen diskutiert. Eng mit dieser Frage verbunden ist die Frage nach dem Bestehen einer generellen staatlichen Schutzpflicht in Bezug auf die Menschenrechte. Generell wäre die staatliche Pflicht zum Schutz dann, wenn es neben der klassischen Abwehrrechtedimension gegen staatliches Handelns grundsätzlich bei jedem in Frage stehenden Menschenrecht auch eine Schutzpflichtdimension gegen das Handeln Dritter gäbe. Eine solche generelle Schutzpflicht könnte zum einen vertragsspezifisch für alle in dem jeweiligen Vertrag geschützten Rechte vorliegen. Zum anderen könnte sich eine generelle Schutzpflicht zumindest theoretisch auch aus Völkergewohnheitsrecht ergeben und würde dann entsprechend für 5 AfrComHPR, The Social and Economic Rights Action Center and the Center for Economic and Social Rights v. Nigeria, Decision no. 155/96 (2001), Ziff. 44 ff. 6 Im Ergebnis ähnlich: Ambos, AVR 37 (1999), 318, 319, 327; Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, 2006, S. 22 ff.; Joseph, 46 NILR 171, 175 – 176 (1999); Reinisch, in: Alston, NonState Actors and Human Rights, S. 37, 78 – 79; Sepulveda et al., Human Rights Reference Handbook, S. 16, 17; de Schutter, in: Alston, Non-State Actors and Human Rights, S. 227, 231 ff.; Tomuschat, Between Idealism and Realism, S. 267.

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

alle Menschenrechtsverträge gelten. Beide Möglichkeiten sollen nachfolgend untersucht werden. 1. Generelle Schutzpflichten aus Menschenrechtsverträgen Wie ausführlich sowohl für die regionalen als auch für die internationalen Menschenrechtsverträge dargestellt, beinhaltet eine wachsende Zahl von Menschenrechtsverträgen staatliche Pflichten zum Schutz vor rechtsverletzenden Handlungen Dritter. Jüngere Konventionen wie die CRPD benennen diese konkret in den Generalklauseln ihrer Vertragstexte und lassen so keinen Zweifel, dass die Unterzeichnerstaaten den Willen haben, die gesamten Rechtsgarantien des jeweiligen Vertrages auch unter den Aspekt staatlicher Schutzpflichten zu stellen. Demgegenüber weisen die meisten älteren Menschenrechtsverträge diesbezüglich keine eindeutigen Hinweise in den Vertragstexten auf und gelangen wie beispielsweise im Fall der EMRK erst über den Weg der dynamischen Auslegung zu staatlichen Schutzpflichten. Eine für den jeweiligen Vertrag geltende generelle Schutzpflicht würde daher nur dann dem Willen der Vertragsstaaten entsprechen, wenn ein entsprechender Zusatz zum Vertrag verabschiedet würde, die überwiegende Staatenpraxis dies vorsähe oder aber das zur verbindlichen Interpretation des jeweiligen Vertrages eingesetzte Organ in dynamischer Auslegung des Vertrages zu einem derartigen Ergebnis käme. Zur verbindlichen Auslegung der Menschenrechtsverträge sind lediglich der Europäische, der Interamerikanische und der Afrikanische Menschengerichtshof berufen. Sämtliche übrigen Überwachungsorgane haben zwar interpretierende Funktionen hinsichtlich des Status quo der Rechtsverwirklichung in den einzelnen Vertragsstaaten und entscheiden darüber hinaus in Individual- oder Staatenbeschwerdeverfahren. Die Entscheidungen haben jedoch stets unverbindlichen Rechtscharakter und erzeugen so lediglich politischen und öffentlichen Druck auf die Staaten. Die Überwachungsorgane können daher Impulse für die Rechtsentwicklung setzen, nicht jedoch aufgrund einer eigenen dynamischen Vertragsinterpretation zusätzliche Vertragspflichten herbeiführen. Fraglos bewegt sich die Diskussion um staatliche Schutzpflichten nicht entlang klar definierter Linien. Vielmehr ist das Thema je nach Menschenrechtsvertrag unterschiedlich zu betrachten und befindet sich in konstanter Fortentwicklung. Die vorangegangenen Untersuchungen staatlicher Schutzpflichten haben aber gezeigt, dass eine Statuierung genereller staatlicher Schutzpflichten innerhalb der untersuchten Verträge zum jetzigen Zeitpunkt nicht ohne weiteres möglich ist. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der sich von allen Überwachungsorganen am intensivsten mit staatlichen Schutzpflichten auseinandergesetzt hat, spricht an keiner Stelle von einer generellen Schutzpflicht im Rahmen der EMRK. Er untersucht Schutzpflichten einzelfallbezogen und ist dabei hinsichtlich einiger Rechtsgarantien in Verbindung mit der Generalklausel aus Art. 1 EMRK zum Ergebnis staatlicher Schutzpflichten gelangt. Es ist zwar anzunehmen, dass der EGMR in Zukunft auch in Bezug auf weitere Rechte staatliche Schutzpflichten annehmen

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 199

wird, was letztlich zu einer generellen Schutzpflicht führen mag, zum jetzigen Zeitpunkt liegt eine solche hingegen nicht vor. Um den Willen der Vertragsstaaten zu wahren, wird man mit derselben zurückhaltenden Herangehensweise auch generelle Schutzpflichten in anderen Menschenrechtsverträgen suchen müssen. Diese Auffassung wird unter anderem auch vom British Foreign and Commonwealth Office geteilt, welches in einem offen Brief vom 9. Juli 2009 an den UN-Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte folgendes erklärte „The United Kingdom agrees that certain treaty provision may impose an express or implied duty on States to protect against non-State abuses. However, it does not consider that there is a general duty to protect under the core United Nations human rights treaties, nor that such a duty is generally agreed to exist as a matter of customary law. […] In other words, whether a duty exists and the scope of that duty will depend on a case-by-case analysis of a particualr right.“7

Angesichts der weitreichenden Implikationen, welche generelle Schutzpflichten unter den Menschenrechtsverträgen mit sich bringen würden, kann die britische Auffassung als exemplarisch zumindest für die Mehrheit der Staaten betrachtet werden. 2. Generelle Schutzpflichten auf der Basis von Völkergewohnheitsrecht Die oben aufgeführte britische Stellungnahme lässt keinen Zweifel daran, dass Großbritannien zurzeit das Bestehen einer generellen auf Völkergewohnheitsrecht basierenden Schutzpflicht hinsichtlich der Menschenrechte nicht anerkennt. In der Stellungnahme wird weiter ausgeführt „[…] the United Kingdom has not seen sufficient evidence of state practice or opinio juris to indicate that there is a general duty on States to protect against human rights abuses by nonstate actors.“8

Dieser Auffassung ist im Ergebnis zuzustimmen. Gegen die Annahme einer völkergewohnheitsrechtlich bestehenden Schutzpflicht, die für alle Menschenrechtsverträge oder gar darüber hinaus für alle Menschenrechte gilt, spricht zunächst die unterschiedliche Akzeptanz, mit der einzelnen Menschenrechte begegnet wird. Während die fundamentalen Menschenrechte mit den klassischen Gewährleistungen für die persönliche Freiheit, die körperliche Unversehrtheit sowie die elementaren Gleichheitsgarantien unbestritten sind, wird dem rechtlichen Gehalt jüngerer Menschenrechte, wie dem Recht auf Entwicklung, dem Recht auf eine saubere Umwelt, dem Recht auf Frieden und Sicherheit und dem Recht auf Demokratie aus unterschiedlichen Gründen vielfach mit Skepsis seitens der Staaten begegnet.9 Es 7

British Foreign & Commonwealth Office, Letter to UN Special Representative Ruggie clarifying UK Govt. view of state duty to protect human rights, 09. 07. 2009, www.reports-andmaterials.org/UK-Foreign-Office-letter-to-Ruggie-9-Jul-2009.pdf, S. 2. 8 Ibid, S. 2. 9 Vgl. Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 422.

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

wäre abwegig zu glauben, dass die Staatengemeinschaft hinsichtlich aller genannten Rechte Schutzpflichten anzunehmen bereit ist. Selbst in Bezug auf völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Menschenrechte kann mangels entsprechender Staatenpraxis nicht auf eine völkergewohnheitsrechtlich begründete Schutzpflicht geschlossen werden. Wie schwierig die Diskussion um staatliche Schutzpflichten ist, kann auch anhand der mit dieser Thematik verwandten Diskussion um das völkerrechtliche Rechtsinstitut der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) abgelesen werden.10 Die Internationale Kommission zu Intervention und Staatlicher Souveränität (International Commission on Intervention and State Sovereignty, ICISS) bereitete dieser neuen normativen Figur mit ihrem Bericht „The Responsibility to Protect“ im Jahr 2001 den Boden. In der auf dem UN-Gipfel der Staats- und Regierungschefs 2005 verabschiedeten Resolution der UN-Generalversammlung („2005 World Summit Outcome“) findet sie breite Unterstützung. Das Rechtsinstitut sieht unter anderem vor, dass jeder Mitgliedstaat der Vereinten Nationen eine Verantwortung zum Schutz seiner Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat.11 Der rechtliche Status indes ist eindeutig: Die Staatengemeinschaft ist bislang nicht bereit, über die oben genannte rechtlich unverbindliche Resolution hinauszugehen. So kann das Rechtsinstitut bestenfalls als „Recht im Werden“ und nicht als völkerrechtlich voll wirksames Prinzip verstanden werden.12 Wenn nun schon hinsichtlich der genannten schwersten vorstellbaren Eingriffe in die Menschenrechte, die sogar auf Ebene des Internationalen Strafgerichtshofes als Tatbestände des Rom-Statuts verankert sind, keine generellen staatlichen Schutzpflichten angenommen werden können, so gilt dies umso weniger für verhältnismäßig geringere Eingriffe in andere Menschenrechte. Bis zur Verabschiedung eines völkerrechtlichen Vertrages zur Begründung genereller Schutzpflichten bleibt es daher Aufgabe der Staatengemeinschaft, in einzelnen Menschenrechtsverträgen spezifische Schutzpflichten zu etablieren. Die politische und rechtliche Realität steht derweil einem möglichen Wunsch nach universellen staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich der Menschenrechte entgegen. Allerdings zeigen die in dieser Arbeit dargelegten Entwicklungen, dass sich staatliche Schutzpflichten mit einer begrüßenswerten Konstanz fortentwickeln.

10 Einführend: Luck, Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen 2008, 51 ff.; kritisch: Stahn, 101 AJIL 99 – 120 (2007). 11 UN General Assembly, Resolution on the 2005 World Summit Outcome (24. 10. 2005), UN Doc. A/RES/60/1, Ziff. 138 „Each individual State has the responsibility to protect its populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. This responsibility entails the prevention of such crimes, including their incitement, through appropriate and necessary means. We accept that responsibility and will act in accordance with it.“. 12 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 357; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 181.

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 201

IV. Vergleich staatlicher Schutzpflichten hinsichtlich der Aktivitäten natürlicher Personen und juristischer Personen Die Gesamtschau der erarbeiteten Ergebnisse zeigt, dass hinsichtlich staatlicher Schutzpflichten weder durch die Überwachungsorgane regionaler, noch durch die Überwachungsorgane internationaler Menschenrechtskonventionen eine qualitative Unterscheidung zwischen natürlichen Personen und Unternehmen als juristischen Personen getroffen wird. In den Fällen also, in denen staatliche Schutzpflichten in Bezug auf einzelne Rechtsgarantien verbindlich festgestellt wurden, gelten diese im Prinzip unabhängig vom Eingriffssubjekt. Die Überwachungsorgane der untersuchten Menschenrechtskonventionen haben dabei an verschiedenen Stellen deutlich gemacht, dass den Staaten ein weiter Ermessensspielraum in der individuellen Wahl der Vorgehensweise zur Erfüllung ihrer Schutzpflichten überlassen bleibt.13 Die Staaten sind somit in aller Regel nicht zu einer bestimmten Vorgehensweise verpflichtet, mit der sie ihren Schutzpflichten zu begegnen haben. So kann ein Staat ihn treffende Schutzpflichten beispielsweise durch die Durchführung strafrechtlicher Verfahren mit den gebotenen Sanktionen erfüllen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Strafrecht zahlreicher Staaten nicht nur eine Verfolgbarkeit natürlicher, sondern auch juristischer Personen vorsieht.14

V. Staatliches Schutzpflichtmaß Ein entscheidendes Ergebnis der vorliegenden Untersuchung bezieht sich auf die Frage, unter welchen Umständen Staaten ihren Schutzpflichten völkerrechtskonform nachkommen. Die aufgezeigten Schutzpflichten sind bei den untersuchten Menschenrechtsverträgen, in denen sie bejaht wurden, im Grundsatz dann erfüllt, wenn der jeweilige Staat seiner Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Untersuchung, Verhinderung, Sanktionierung und ggfls. Wiedergutmachung nachgekommen ist. Pflichterfüllung liegt daher nicht bei vollständiger Verhinderung jeder Rechtsverletzung vor, sondern wird in Ansehung der praktischen Realitäten dann bejaht, wenn der Staat alles Erforderliche unternommen hat, um die Rechtsverletzung zu vermeiden bzw. deren Folgen zu mindern und zu ahnden. Insofern sind staatliche Schutzpflichten keine Standards of Result, sondern in allen untersuchten Fällen Standards of Conduct. Hierbei unterscheiden sich regionale und internationale Menschenrechtsverträge nicht. 13

Beispielhaft: EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 98: „[…] the State enjoys a certain margin of appreciation in determining the steps to be taken to ensure compliance with the Convention.“. 14 Im belgischen Strafrecht beispielsweise wurde 1999 die Strafbarkeit juristischer Personen in den Code Pénal eingeführt: Art. 2 Loi instaurant la responsabilité pénale des personnes morales v. 04. 05. 1999, Moniteur Belge, 22. 06. 1999, S. 23411.

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

1. Unternehmensgröße als Schutzpflichtmaß Kein Überwachungsorgan hat bislang eine Differenzierung staatlicher Schutzpflichten auf Grundlage der Unternehmensgröße, des Unternehmensumsatzes oder anhand eines sonstigen unternehmensspezifischen Merkmals durchgeführt. Mit anderen Worten: Unabhängig davon, ob es sich um ein kleines lokal agierendes Familienunternehmen oder um ein transnationales Unternehmen handelt, der Grad staatlicher Schutzpflichten wird nicht anhand eines bestimmten Unternehmenswertes bestimmt. 2. Das Merkmal der gebotenen Sorgfalt zur Bestimmung staatlicher Schutzpflichten Wiederholt wird von den Überwachungsorganen das Merkmal der Beachtung der gebotenen Sorgfalt (in den englischen Ausführungen der Entscheidungen ist von „due diligence“ die Rede) zur Beschreibung der adäquaten Handlungsauswahl bei staatlichen Schutzpflichten herangezogen oder in vergleichbarer Weise genutzt. Eine derartige Orientierung am Maßstab der gebotenen Sorgfalt ist insbesondere in der betriebswirtschaftlichen Praxis bekannt und beschreibt dort die Analyse eines Unternehmens im Falle von Unternehmensübernahmen (Mergers & Acquisitions) nach Maßgabe der gebotenen Sorgfalt. Zweifelsohne kann der Begriff nicht unreflektiert vom privatwirtschaftlichen, marktorientierten Gebrauch in die Situation staatlicher Schutzpflichten übertragen werden. Entscheidend ist, dass der inhärenten Bedeutung dieses Begriffs nicht ein konkretes Ziel zugrunde liegt, sondern ausschließlich der Beschreibung einer bestimmten Vorgehensweise dient. Diese wird durch das Merkmal der gebotenen Sorgfalt charakterisiert, die bei verständiger Würdigung der jeweils fallspezifischen Umstände erwartet werden darf. Eben damit wird deutlich, dass es sich bei staatlichen Schutzpflichten ausschließlich um Standards of conduct, letztlich also um die Frage der adäquaten staatlichen Vorgehensweise in der spezifischen Einzelsituation, handelt. Somit existiert im Falle von staatlichen Schutzpflichten auch kein Standardverfahren und keine Routineprüfung, durch die sich ein Staat bei konsequenter Anwendung in jedem Fall exkulpieren könnte. Am praktischen Beispiel verdeutlicht bedeutet dies: Erlangt beispielsweise ein Vertragsstaat der EMRK Kenntnis vom unmittelbaren Bevorstehen einer Gefährdung seiner Bevölkerung durch den unsachgemäßen Umgang eines Unternehmens mit Giftstoffen, so ist er aufgrund seiner in diesem Moment einsetzenden völkervertraglichen Schutzpflicht gehalten, sich zumindest Kenntnis über den Grad der Gefährdung zu verschaffen. Sollte ihm zur Kenntnis gelangen, dass ein unmittelbares und rechtsbeeinträchtigendes Ereignis droht, so steigert sich das Maß der ihn treffenden Schutzpflicht entsprechend.

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 203

3. Unterschiedliche Schutzpflichtmaßstäbe Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die einzelnen Überwachungsorgane der regionalen und internationalen Menschenrechtsverträge unterschiedliche Maßstäbe bei der Beurteilung der Schutzpflichten auf Seiten der Staaten anwenden. Der EGMR achtet darauf, dass dem Staat im Lichte des konkret zu schützenden Rechtes im Einzelfall keine unangemessenen Schutzpflichten auferlegt werden.15 Auf diese Weise wird vermieden, dass sich der Staat in einer Pflichtenkonstellation wiederfindet, die seine Umsetzungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten übersteigt oder unter Abwägung aller Umstände unzumutbar wäre. Damit wendet der EGMR ebenso wie die anderen Überwachungsorgane das Merkmal der gebotenen Sorgfalt bei Beachtung der fallspezifischen Umstände an. Mindestens ebenso bedeutend ist für den EGMR darauf aufbauend die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf einer zweiten Stufe. Dies dient weniger dem Schutz des Staates vor übertriebenen Umsetzungsmaßnahmen. Es geht in erster Linie darum, die ansonsten schnell ausufernden staatlichen Schutzpflichten einzugrenzen und Dritte bzw. die Allgemeinheit vor zu tiefen Eingriffen in ihre jeweiligen Rechte zu bewahren.16 Der EGMR verfolgt das Ziel, bei dieser Rechtsgüterabwägung zu einer ausgewogenen Balance zwischen dem Schutz des betroffenen Individuums und dem Schutz der Allgemeinheit zu gelangen.17 So führt er beispielsweise in Hatton and Others v. The United Kingdom aus: „Whether the case is analysed in terms of a positive duty on the State to take reasonable and appropriate measures to secure the applicants’ rights […] or in terms of an interference by a public authority […] the applicable principles are broadly similar. In both contexts regard must be had to the fair balance that has to be struck between the competing interests of the individual and of the community as a whole; and in both contexts the State enjoys a certain margin of appreciation in determining the steps to be taken to ensure compliance with the Convention.“18 [Hervorhebungen durch Verfasser].

Der EGMR wendet somit ausdrücklich den gleichen Maßstab zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme bei staatlichen Eingriffen, wie auch bei Maßnahmen zum Schutz vor Eingriffen Dritter an und erkennt den Staaten dabei gleichermaßen einen gewissen Ermessensspielraum zu, was nicht zuletzt den nationalen Besonderheiten Rechnung trägt. Auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte nutzt als Maßstab für staatliche Schutzpflichten das Merkmal der gebotenen Sorgfaltspflicht, um die 15 Siehe beispielsweise: EGMR, Osman v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 28. 10. 1998, ECHR 1998-VIII, 4124, Ziff. 116. 16 Vgl. EGMR, Paul and Audrey Edwards v. The United Kingdom, Urt. v. 14. 03. 2002, ECHR 2002-II, 137, Ziff. 55. 17 EGMR, McGinley and Egan v. The United Kingdom, Urt. v. 09. 06. 1998, ECHR 1998-III, 1333, Ziff. 98. 18 EGMR, Hatton and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 08. 07. 2003, ECHR 2003-VIII, 189, Ziff. 98.

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

Staaten vor unzumutbaren Schutzpflichten zu bewahren.19 Diesbezüglich führt der IAGMR in Sawhoyamaxa Indigenous Community v. Paraguay aus: „Taking into account the difficulties involved in the planning and adoption of public policies and the operative choices that have to be made in view of the priorities and the resources available, the positive obligations of the State must be interpreted so that an impossible or disproportionate burden is not imposed upon the authorities.“20

In dem aktuellen Urteil González et al. („Cotton Field“) v. Mexico aus dem Jahr 2009 befasst sich der IAGMR ausdrücklich mit den Voraussetzungen, unter denen einem Staat eine Schutzpflicht im Rahmen der AMRK zukommt. So führt er aus: „Nevertheless, according to the Court’s jurisprudence, it is evident that a State cannot be held responsible for any human rights violation committed between private individuals within its jurisdiction. Indeed, a State’s obligation of guarantee under the Convention does not imply its unlimited responsibility for any act or deed of private individuals, because its obligation to adopt measures of prevention and protection for private individuals in their relations with each other is conditional on its awareness of a situation of real and imminent danger for a specific individual or group of individuals and the reasonable possibility of preventing or avoiding that danger.“.21

Hiernach sind drei Voraussetzungen maßgeblich für die Bejahung einer staatlichen Schutzpflicht: (1) Die staatliche Kenntnis einer unmittelbar drohenden Gefahr, (2) das Bestehen dieser Gefahr im Hinblick auf eine konkrete Person oder Gruppe von Personen und (3) zumutbare Möglichkeiten, die Gefahr zu verhindern. Während der IAGMR hiermit auf der einen Seite konkrete Voraussetzungen für das Bestehen staatlicher Schutzpflichten aufstellt, wendet er im Gegensatz zum EGMR dennoch im Prinzip nur ein einstufiges Prüfungssystem an. Denn die genannten restriktiven Voraussetzungen dienen letztlich lediglich dem Schutz des Staates vor unzumutbaren Schutzpflichten. Der EGMR hingegen geht einen Schritt weiter und prüft unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ob durch die staatliche Schutzmaßnahmen zudem möglicherweise ein unverhältnismäßiger Eingriff in Rechte Dritter erfolgt. Auch die übrigen Überwachungsorgane regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge betonen zwar das Merkmal der gebotenen Sorgfalt zur Bestimmung staatlicher Schutzpflichten22, verzichten jedoch auf eine nachgelagerte 19 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4., Ziff. 172. 20 IACtHR, Case of the Sawhoyamaxa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 29. 03. 2006, Ser. C no. 146, Ziff. 155. 21 IACtHR, Case of González et al. („Cotton Field“) v. Mexico, Urt. v. 16. 11. 2009, Ser. C no. 205, Ziff. 280; vgl. auch die vertiefenden Ausführungen hierzu im Sondervotum von Richter Garcia-Sayan: IACtHR, Separate Concurring Opinion of Judge Diego Garcia-Sayan to the Case of González et al. („Cotton Field“) v. Mexico, Urt. v. 16. 11. 2009, Ser. C no. 205, Annex, Ziff. 5 ff. 22 CEDAW, General Comment No. 19, [11th Session] Violence against women (1992), UN Doc. A/47/38, Ziff. 9; CEDAW, A.T. v. Hungary, Communication No. 2/2003, 26. 01. 2005, UN Doc. A/60/38 (Part I), Ziff. 9.2; CEDAW, Yildirim v. Austria, Communication No. 6/2005,

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 205

Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schutzmaßnahme im Hinblick auf Rechte Dritter. Daher kann festgehalten werden, dass im Rahmen von staatlichen Schutzpflichten verschiedene Maßstäbe bzw. verschiedene Prüfungssysteme von den Überwachungsorganen angewendet werden. Dies ist auf der einen Seite ein zweistufiges System durch den EGMR, welches dem Schutz des Staates vor unzumutbaren Schutzpflichten und zudem dem Schutz Dritter vor unverhältnismäßigen Eingriffen in ihre Rechte dient. Die Reichweite des Schutzes von Individuen vor den Eingriffen natürlicher und juristischer Personen findet somit ihre Grenzen nicht nur in den zumutbaren staatlichen Möglichkeiten, sondern auch in den legitimen Rechten anderer Rechtsinhaber. Auf der anderen Seite besteht ein einstufiges System auf Seiten aller übrigen Überwachungsorgane, welches lediglich dem Schutz des Staates vor unzumutbaren Schutzpflichten dient. Im Prinzip lässt sich dieses Auseinanderfallen der Prüfungssysteme mit der unterschiedlichen Verbindlichkeit der Entscheidungen der einzelnen Überwachungsorgane erklären. Wie im Rahmen dieser Arbeit ausgeführt, kommt den meisten Überwachungsorganen nicht die Kompetenz zur verbindlichen Vertragsauslegung und damit auch nicht die Kompetenz hinsichtlich verbindlicher Entscheidungen in Beschwerdefällen zu. Da die entsprechenden Entscheidungen einzelstaatlich somit nicht umgesetzt werden müssen, besteht auch keine direkte Veranlassung bei den Überwachungsorganen, sich detailliert mit der Verhältnismäßigkeit der Einzelmaßnahme zu beschäftigen. Die Überwachungsorgane begnügen sich daher in aller Regel mit eher allgemein gehaltenen Bestimmungen des Maßstabes der gebotenen Sorgfalt staatlicherseits. Dies ist im Fall des EGMR und des IAGMR anders, denn beiden Gerichtshöfen kommt die Kompetenz zu, verbindlich Einzelfeststellungen zu treffen. Sie müssen sich daher konsequenterweise auch stärker mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Einzelmaßnahme im Hinblick auf Rechte Dritter beschäftigen. Dass der IAGMR dies bislang nicht getan hat mag zum einen an der noch sehr begrenzten Zahl der durch ihn gefällten Urteile liegen.23 Zum anderen lassen die bisherigen Klagen darauf schließen, dass es sich bislang ganz überwiegend um Fälle gehandelt hat, in denen Staaten ihren Schutzpflichten gar nicht erst nachgekommen sind, und weniger um Fälle, in denen eben solche zum Schaden Dritter übermäßig ausgeweitet wurden.

06. 08. 2007, UN Doc. CEDAW/C/39/D/6/2005, Ziff. 12.1.1; HRC, General Comment No. 31 [80th Session] Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant v. 26. 05. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Ziff. 8; IACHR, Report on the Situation of Human Rights in Brazil, OEA/Ser.L/V/II.97, Doc. 29, rev.1, 29. 09. 1997, Chapter VIII, Ziff. 30. 23 Stand 29. Juni 2010: 213 Urteile durch den IAGMR.

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

VI. Extraterritoriale Reichweite staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Wirtschaftsunternehmen Soweit staatliche Schutzpflichten bestehen, erstreckt sich ihr räumlicher Geltungsbereich zunächst lediglich auf das jeweilige Staatsgebiet. Im Fall der EMRK, ICCPR24, ICERD, CEDAW, CRC, ICRMW, CRPD und in ersten Ansätzen der AMRK wird darüber hinaus das Kriterium der Hoheitsgewalt im Sinne von „effective control“ bzw. „authority and control“ in den Vordergrund gerückt. Dabei handelt es sich in aller Regel um Fälle militärischer Kontrolle über fremde Staatsgebiete oder staatliche Hoheitsmacht über Personen im Ausland. Dies wurde mit Blick auf ICCPR und CRC bereits durch den IGH im Fall des israelischen Mauerbaus bestätigt.25 Es kann mithin gefolgert werden, dass sich staatliche Schutzpflichten auch auf derartige Gebiete staatlicher Hoheitsmacht erstrecken. Dies wurde zusätzlich vom IGH im Fall der Demokratischen Republik Kongo v. Uganda bestätigt, in dem er, nach dem Bejahen staatlicher Hoheitsmacht Ugandas in der Provinz Ituri, ausführt „This obligation comprised the duty to secure respect for the applicable rules of international human rights law and international humanitarian law, to protect the inhabitants of the occupied territory against acts of violence, and not to tolerate such violence by any third party.“26

Damit sind Staaten im Grundsatz verpflichtet, Individuen vor rechtsverletzenden Aktivitäten natürlicher und juristischer Personen, einschließlich transnationaler Unternehmen, die in dem jeweiligen Gebiet tätig sind, zu schützen.27 Die Staaten sind jedoch, abgesehen von diesen außergewöhnlichen Situationen extraterritorialer Hoheitsmacht, im Rahmen keines einzigen der untersuchten Menschenrechtsverträge für die Aktivitäten privater transnationaler Unternehmen im Ausland verantwortlich und aufgrund keines völkerrechtlichen Vertrages zu diesbezüglicher Jurisdiktion verpflichtet. Das heißt, dass nach aktueller völkerrechtlicher Interpretation der regionalen und internationalen Menschenrechtsverträge kein Vertragsstaat verpflichtet ist, die unter seiner Rechtsordnung registrierten Unternehmen für Beteiligungen an extraterritorialen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass aus den untersuchten Menschenrechtsverträgen auch keine Legitimation zur extraterritorialen Jurisdiktion gefolgert werden kann. Angesichts der Bedeutung des Souveränitätsprinzips und des Interventionsverbotes sowie mangels ausdrücklicher Legitimationsbasis in den 24

Im Fall der ICCPR zumindest nach Auffassung des Human Rights Committee. IGH, Advisory Opinion on Legal Consequences on the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, 136, www.icj-cij.org/docket/files/ 131/1671.pdf. 26 IGH, Case Concerning Arrmed Activities on the Territory of the Congo [Democratic Republic of Congo v. Uganda], Urteil v. 19. 12. 2005, ICJ Rep. 2005, 201, Ziff. 178; vertiefend hierzu: Cerone, CHRGJ Working paper No. 5, 2006, S. 6 ff. 27 Ob sich die staatlichen Schutzpflichten dabei nach dem Ausmaß effektiver Kontrolle richten, ist noch weitestgehend offen. 25

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 207

Vertragstexten oder durch die zuständigen Überwachungsorgane kann eine solche nur bei Vorliegen eines völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Anknüpfungspunktes angenommen werden.28 Im Fall transnationaler Unternehmen kommen dazu insbesondere das aktive Personalitätsprinzip und das Universalitätsprinzip in Betracht, die hier allerdings nicht weiter vertieft werden können.

VII. Vergleich der Entwicklungsdynamik regionaler und internationaler Konventionen in Bezug auf Schutzpflichten Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass es hinsichtlich regionaler und internationaler Konventionen sowohl Interdependenzen als auch Unterschiede bei der Entwicklung von Schutzpflichten gibt. 1. Wechselseitige Entwicklungsdynamik Der EGMR betont in jüngeren Urteilen wie beispielsweise in Siliadin v. France, in dem es um staatliche Schutzpflichten nach Art. 4 EMRK ging, dass er seine zeitgemäße Interpretation der ERMK auch in Bezug auf Schutzpflichten nicht zuletzt von den wachsenden Standards im internationalen Menschenrechtsschutz abhängig macht: „Sight should not be lost […] that the increasingly high standard being required in the area of the protection of human rights and fundamental liberties correspondingly and inevitably requires greater firmness in assessing breaches of the fundamental values of democratic societies.“29

Die genaue Quelle dieser wachsenden Menschenrechtsstandards lässt der EGMR indes offen. Es ist allerdings anzunehmen, dass er sich dabei insbesondere auf andere regionale und internationale Menschenrechtsverträge sowie auf deren wachsende Zahl an sich bezieht. Hierzu wurde im Rahmen dieser Arbeit festgestellt, dass die Überwachungsorgane der zentralen internationalen Menschenrechtskonventionen gerade in der jüngeren Vergangenheit zunehmend ihrer Auffassung hinsichtlich wachsender Schutzpflichten Ausdruck gegeben haben. Neue Menschenrechtsverträge lassen bereits im Vertragstext erkennen, dass die Vertragsstaaten staatliche 28 Vertiefend zur Problematik der völkerrechtlichen Intervention in fremde Souveränitätsbereiche zum Schutz der Menschenrechte: Bindschedler, Der Schutz der Menschenrechte und das Verbot der Einmischung, FS für Schlochauer, 1981, S. 179 ff.; Caplan, 97 AJIL 741 ff. (2003); Delbrück, GYIL 22 (1979), 384 ff.; Reisman, 84 AJIL 866 ff. (1990); Schreuer, 4 EJIL 447 ff. (1993); Tomuschat, in: Caflisch/Stein/Tomuschat, Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, S. 5 ff. 29 EGMR, Siliadin v. France, Urt. v. 26. 07. 2005, ECHR 2005-VII, 295, Ziff. 121; deutsche Übersetzung in: NJW 2007, 41.

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

Pflichten über reine Abwehrrechte hinaus in den Pflichtenkanon aufnehmen wollten. Umgekehrt beziehen sich auch die internationalen Menschenrechtsverträge an verschiedenen Stellen auf die Entwicklung staatlicher Schutzpflichten in anderen Menschenrechtsinstrumenten. So sieht Art. 7 ICRMW vor: „States Parties undertake, in accordance with the international instruments concerning human rights, to respect and to ensure to all migrant workers […]“. Die Vertragsstaaten bringen mit Verabschiedung derartiger Vertragstexte zum Ausdruck, dass sie differenzierte staatliche Pflichten übernehmen wollen und dieses Vorgehen als übereinstimmend mit anderen Menschenrechtsinstrumenten betrachten. Es ist somit erkennbar, dass die Entwicklung staatlicher Schutzpflichten nicht bei jedem Menschenrechtsvertrag vollständig separiert verläuft. Vielmehr entwickelt sich durch die wiederkehrende Bezugnahme auf wachsende weltweite Schutzpflichtstandards ein „Verstärkungsumfeld“, welches zu einer insgesamt erhöhten Dynamik bei der Fortentwicklung staatlicher Schutzpflichten führt. Mangels konkreter Anhaltspunkte kann jedoch trotz der aufgezeigten Entwicklungen nicht von einer speziellen Systematik sich wechselseitig verstärkender Schutzpflichtstandards zwischen regionalen Konventionen einerseits und internationalen Konventionen andererseits gesprochen werden. Regionale Menschenrechtskonventionen sind zwar in ihrer räumlichen Geltung beschränkt, sie bilden aber für sich partikuläres Völkerrecht. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich, im Vergleich zu internationalen Verträgen, staatliche Schutzpflichten jeweils in jenen regionalen Räumen besonders dynamisch entwickeln, in denen ein gemeinsames kulturelles Verständnis besteht. Diese zu Anfang der vorliegenden Arbeit aufgestellte These wurde durch die Untersuchungen nur teilweise bestätigt. Staatliche Schutzpflichten hinsichtlich der Menschenrechte bilden sich parallel auf regionaler und auf internationaler Ebene aus. Am ausgeprägtesten stellen sie sich im Rahmen der EMRK und der AMRK dar. Andere regionale Instrumente wie die arabische und die afrikanische Menschenrechtscharta weisen dagegen zumindest bislang keine konkreten Schutzpflichten auf. Zudem sind auch bei den internationalen Konventionen deutliche Unterschiede in der Entwicklungsdynamik staatlicher Schutzpflichten erkennbar. Man kann daher nicht konstatieren, dass sich staatliche Schutzpflichten aus regionalen Konventionen in jedem Fall dynamischer entwickeln, als dies bei internationalen Konventionen der Fall ist. Vielmehr handelt es sich bei der Ausdifferenzierung staatlicher Pflichten im Rahmen von Menschenrechtsverträgen insgesamt um ein äußerst dynamisches Feld. 2. Der Einfluss kultureller Besonderheiten auf die Entwicklung von Schutzpflichten Im Kontext des Vergleichs regionaler und internationaler Menschenrechtskonventionen kommt auch der Frage nach den kulturellen Unterschieden bei der Interpretation der Menschenrechte und deren staatlicher Schutzpflichten eine erheb-

A. Analyse und Vergleich regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge 209

liche Bedeutung zu.30 Im Jahr 1993 fand in Wien die zweite Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen statt, an der 171 Staaten teilgenommen haben und die mit dem Ziel der Förderung eines allgemeinen Menschenrechtsverständnisses einberufen worden war. Wichtigstes Ergebnis der Konferenz war die unverbindliche Wiener Erklärung vom 25. Juni 1993 und das damit verbundene Aktionsprogramm. Darin heißt es unter anderem: „All human rights are universal, indivisible and interdependent and interrelated. The international community must treat human rights globally in a fair and equal manner, on the same footing, and with the same emphasis. While the significance of national and regional particularities and various historical, cultural and religious backgrounds must be borne in mind, it is the duty of States, regardless of their political, economic and cultural systems, to promote and protect all human rights and fundamental freedoms.“31.

Diese Formulierung ist für die vorliegende Arbeit in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen stellen die beteiligten 171 Staaten klar, dass die Menschenrechte im Grundsatz auch Schutzpflichten mit sich bringen. Dies bestätigt die hier erarbeitete Gesamtanalyse, wonach sich die Menschenrechte nach aktuellem völkerrechtlichen Verständnis von reinen Abwehrrechten hin zu umfassenderen Schutzgarantien entwickeln. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht wird die genannte Passage der Wiener Erklärung daneben als klares Petitum gegen eine wie auch immer geartete Beachtlichkeit regional unterschiedlicher Menschenrechtsverständnisse vorgebracht.32 Es wird unter anderem argumentiert, weltweite Menschenrechte und Vorbehalte nationaler Gesellschaftsordnungen seien ein Widerspruch in sich.33 Dem wird von anderer Seite entgegen gehalten, dass die Wiener Erklärung die Uneinheitlichkeit der unterschiedlichen Menschenrechtsverständnisse exemplarisch vor Augen geführt habe. Gerade der oben zitierte Auszug aus der Wiener Erklärung wird als Formelkompromiss verstanden, in dem sich die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte vor dem Hintergrund der zu beachtenden unterschiedlichen historischen, kulturellen und regionalen Besonderheiten fragmentiere und relativiere.34 Aufbauend auf den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit muss der letztgenannten Ansicht zugestimmt werden. Es hat sich gezeigt, dass deutliche Unterschiede in der regionalspezifischen Verankerung staatlicher Schutzpflichten bestehen.35 In diesem Zusammenhang sei betont, dass es nicht die Auffassungen der unverbindlich entscheidenden internationalen Men30 Zu den Entwicklungen und regionalspezifischen Herausforderungen der regionalen Menschenrechtskonventionen: Buergenthal, 19 HRQ 703, 715 ff. (1997). 31 Vienna Declaration and Programme of Action, World Conference on Human Rights, 12. 07. 1993, UN Doc. A/Conf.157/23, Ziff. 5, 32 ILM 1661 (1993). 32 Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 222; zu den unterschiedlichen Menschenrechtsauffassungen: Bartsch, NJW 1994, 1321 ff. 33 Ibid, S. 222; ähnlich: Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 431 f. 34 Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 332. 35 Vertiefend zur Frage der kulturellen Relativität der Menschenrechte: Tilley, 22 HRQ 501 – 547 (2000); Walker/Poe, 24 HRQ 237 – 263 (2002).

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

schenrechtskommissionen, sondern allein der Staatenwille ist, der letztlich über die Weiterentwicklung völkerrechtlicher Schutzpflichten entscheidet. Die Ansichten der Kommissionen begleiten diesen Prozess lediglich und geben ihm zweifelsohne wertvolle Impulse. Würde tatsächlich ein universelles Menschenrechtsverständnis bestehen, so wäre die Bereitschaft zur verbindlichen Anerkennung staatlicher Schutzpflichten weltweit ausgeprägter.36 Selbst wenn man ein grundsätzliches universelles Verständnis der Menschenrechte voraussetzt, so wird schnell deutlich, dass sich regional-spezifisch deutliche Unterschiede hinsichtlich der Frage ergeben, unter welchen Voraussetzungen in diese Rechte eingegriffen werden darf und wieweit sie beschränkt werden dürfen.37 Wenn nun aber das Verständnis der Menschenrechte bzw. zumindest der Eingriffsvoraussetzungen in ebendiese innerhalb der Regionen und Kulturen differieren, dann kann auch nicht von einheitlich geltenden entsprechenden staatlichen Schutzpflichten ausgegangen werden. Dies entspricht wiederum der Gesamtanalyse der vorliegenden Arbeit, die zwar regional unterschiedliche Ausprägungen konkreter Schutzpflichten ergeben hat, zugleich aber das Bestehen genereller Schutzpflichten als völkerrechtlich nicht belegbar nachgewiesen hat. Im Kontext der Frage nach kulturellen und regionalen Besonderheiten kann zusammenfassend festgehalten werden: Keinem einzigen Überwachungsorgan eines speziellen Menschenrechtsvertrages kommt verbindliche Auslegungs- und Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des jeweiligen Vertrages zu. Die beteiligten Vertragsstaaten sind zwar bereit, die zu schützenden Rechte im Grundsatz anzuerkennen. Was aber das konkrete Ausfüllen der staatlichen Pflichten angeht, fällt die große Zurückhaltung auf, die die Staaten verbindlichen externen Entscheidungsprozessen entgegen bringen. Der Grund dafür ist in einem kulturell und regional unterschiedlich ausgeprägten Menschenrechtsverständnis zu suchen. Dagegen sind die Staaten einzelner regionaler Konventionen eher bereit, sich in der relativen Sicherheit eines gemeinsamen Werteverständnisses verbindlichen Entscheidungen ihrer Überwachungsorgane zu unterstellen. Dies begründet letztlich die Möglichkeit einer größeren Dynamik in der Weiterentwicklung des Menschenrechtsschutzes und damit einhergehend auch staatlicher Schutzpflichten auf regionaler Ebene.

B. Die evolutive Interpretation von Menschenrechtsverträgen durch die zuständigen Überwachungsorgane Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, eine dynamische Auslegung völkerrechtlicher Verträge und insbesondere eine derartige Auslegung von Menschen-

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Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass für den asiatischen Raum, wo eine große Zahl an Menschenrechtsverletzungen unter Beteiligung privater Unternehmen vorzufinden ist, keine völkerrechtliche Menschenrechtskonvention existiert. 37 Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 332.

B. Die evolutive Interpretation von Menschenrechtsverträgen

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rechtsverträgen sei problematisch.38 Kritisch wird angeführt, dass beispielsweise die vom EGMR39 oder auch in anderen Menschenrechtsverträgen40 praktizierte Auslegung der jeweiligen Verträge als „living instruments“ die Gefahr einer eigenmächtigen und ausschließlich geltungszeitlichen Interpretation mit sich bringe, die nicht mehr vom Willen der Vertragsstaaten getragen sei. Nur soweit die „spätere Übung“ („subsequent practice“) der Staaten im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK auslegungsleitend wirke, könne eine Einordnung als „living instrument“ erfolgen.41 Im Grundsatz ist der dargestellten Kritik zuzustimmen. Es besteht tatsächlich eine beträchtliche Gefahr, wenn völkerrechtliche Verträge durch das zuständige Überwachungsorgan stets neu interpretiert werden könnten und die Staaten so im Verlauf der Zeit die Kontrolle über die von ihnen verabschiedeten Vertragsbestandteile verlieren würden. In diesem Zusammenhang wäre auch eine ausschließlich zweckorientierte Interpretation im Sinne einer „effet utile“ in ihrer Eigendynamik nicht zu stoppen und hätte unabsehbare Konsequenzen. Dennoch gilt es im Hinblick auf die einzelnen Überwachungsorgane zu differenzieren. Im Laufe der vorliegenden Arbeit wurde unter anderem geprüft, welche Kompetenzen zur verbindlichen Vertragsauslegung die einzelnen Überwachungsorgane der regionalen und internationalen Menschenrechtskonventionen haben. Dies führte zu dem Ergebnis, dass lediglich der europäische, der interamerikanische und der Afrikanische Menschengerichtshof mit verbindlicher Wirkung für die Vertragsstaaten über die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und anderer Interpretationsfragen entscheiden können.42 In diesen Fällen greift die genannte Kritik nicht, denn die Vertragsstaaten begeben sich sehenden Auges in die Möglichkeit geltungszeitlicher Jurisdiktion mit verbindlicher Wirkung für sich und andere Vertragsstaaten. Damit geben sie bereits bei Vertragsunterzeichnung ihrem Willen Ausdruck, die Urteile der Gerichte als „spätere Übung“ im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK zu akzeptieren. Wie bereits dargelegt, scheint die Sicherheit des regionalen Wertekontextes genug Überzeugungskraft zu besitzen, dass sich eine große Zahl an Staaten auf eine derartige begrüßenswerte Bindung einlässt. Dagegen ist der 38

Stellvertretend: Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 325 ff. EGMR, Loizidou v. Turkey (preliminary objections), Urt. v. 23. 03. 1995, Ser. A. no. 310, 3, Ziff. 71 ff.; EGMR, Selmouni v. France [GC], Urt. v. 28. 07. 1999, ECHR 1999-V, 149, Ziff. 101. 40 CERD, General Comment No. 32, [75th Session] The meaning and scope of special measures in the International Convention on the Elimination of All Forms Racial Discrimination v. 24. 09. 2009, UN Doc. CERD/C/GC/32, Ziff. 5.; HRC, Judge v. Canada, Communication No. 829/1998, 05. 08. 2002, UN Doc. CCPR/C/78/D/829/1998, Ziff. 10.3.; IACtHR, Case of Gómez-Paquiyauri Brothers v. Peru, Urt. v. 08. 07. 2004, Ser. C no. 110, Ziff. 165; IACtHR, Case of Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urt. v. 31. 08. 2001, Ser. C no. 79, Ziff. 146; IACtHR, Case of the Yakye Axa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 17. 06. 2005, Ser. C no. 125, Ziff. 162. 41 Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 326. 42 Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art 46 Abs. 1 EMRK und bei Anerkennung der verbindlichen Jurisdiktionsgewalt des IAGMR nach Art. 62 AMRK. 39

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4. Teil: Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse

oben dargestellten Kritik mit Blick auf die Überwachungsorgane ohne verbindliche Entscheidungskompetenz zuzustimmen. Es handelt sich bei Menschenrechtsverträgen nicht per se um „living instruments“, welche durch die Ausschüsse nach eigenem Dafürhalten ausgelegt werden können. Erst die Gesamtschau der Staatenpraxis und des Vertragstextes kann in diesen Fällen eine völkerrechtlich legitime Grundlage für eine neue Auslegung einzelner Vertragsteile sein. Auf die Gefahren, welche bei zu weiter Auslegung staatlicher Schutzpflichten folgen, wird im folgenden Kapitel eingegangen.

C. Aspekte zur übermäßigen Ausweitung staatlicher Schutzpflichten Bei der Analyse staatlicher Schutzpflichten dürfen die Gefahren nicht unerwähnt bleiben, die bei der Annahme überzogener staatlicher Schutzpflichten drohen. Um ihren völkervertraglichen Pflichten vollständig nachzukommen, würden Staaten bei ausufernden Schutzpflichten verstärkt Überwachungs- und Kontrollsysteme etablieren, welche stets auch Eingriffe in private individuelle Belange mit sich bringen und der Zielrichtung der Menschenrechtsverträge damit diametral entgegenwirken würden. So schreibt Tomuschat treffend: „Overemphasizing the duty of protection could become tantamount to ushering in an Orwellian type of Leviathan who, in order fully to discharge its mandate, would as a first step establish a comprehensive system of intelligence in order to monitor the activities of its citizens in all fields of life.“43

Schutzpflichten bergen mit anderen Worten zumindest die theoretische Gefahr in sich, dass ihr Ziel – der umfassendere Schutz des einzelnen vor Eingriffen in seine Rechte – durch übertriebene staatliche Kontrollsysteme und der einhergehenden Beschränkung individueller Rechte konterkariert wird. Es handelt sich hierbei um einen Aspekt, der nach Auffassung des Verfassers in der Diskussion um staatliche Schutzpflichten vielfach zu kurz kommt. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass die völkervertraglich eingesetzten Überwachungsorgane durch detaillierte Vorgaben zu den staatlichen Schutzpflichten letztlich eine Rolle einnehmen, die über die ihnen zugedachte überwachende Rolle hinausgeht. So hätten überzogen konkrete Anweisungen zur Erfüllung der dem Staat zukommenden Schutzpflichten in gewisser Weise normsetzenden Charakter.44 Dies würde im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich die Staaten auf völkervertraglicher Basis in ein quasi-jurisdiktionsstaatliches System begeben würden. Sollten sich die aufgezeigten Gefahren realisieren, so würde dies zum einen die Bereitschaft der Staaten merklich reduzieren, sich ver43 Tomuschat, Between Idealism and Realism, S. 268; ähnlich: Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 112. 44 So auch: Beck, 2 EHRLR 214 – 244 (2008).

C. Aspekte zur übermäßigen Ausweitung staatlicher Schutzpflichten

213

bindlichen Entscheidungen der Überwachungsorgane, wie beispielsweise im Fall des EGMR, zu unterstellen. Zum anderen würde die Bereitschaft, sich überhaupt zum Schutz der Menschenrechte völkervertraglich zu verpflichten, abnehmen. Wie lassen sich nun aber das Ziel eines umfassenderen Schutzes der Menschenrechte durch die Fortentwicklung staatlicher Schutzpflichten und die gerade aufgezeigten Gefahren einer übertriebenen dynamischen Anwendung in Einklang bringen? Die Antwort auf diese Frage ist weniger in den Vertragstexten, als vielmehr zum einen in einer konsequenten Anwendung des bereits oben beschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes45 und zum anderen in einem kritischen Selbstverständnis der Überwachungsorgane zu suchen. Aufgabe der Überwachungsorgane ist der Schutz derjenigen Menschenrechte, die die jeweilige Konvention vorsieht. Jedoch haben die Überwachungsorgane als völkerrechtliche Organe im Dienst der Menschenrechte inzident stets den Schutz der Menschenrechte in einem größeren Kontext zu beachten. Ursprüngliches und auch heute noch primäres Ziel der Menschenrechte ist die Abwehr rechtsverletzenden staatlichen Handelns. Die Überwachungsorgane haben dabei im Sinne eines kritischen Selbstverständnisses darauf zu achten, dass sie nicht mit dem wohlgemeinten Ziel umfassenderen Schutzes vor Augen eben solche Schutzpflichten etablieren, die zu weitreichenden einzelstaatlichen Überwachungssystemen führen. Damit wäre dem ursprünglichen Ziel der Menschenrechte kein Dienst erwiesen. Bislang lassen insbesondere die Äußerungen der Überwachungsorgane der internationalen Menschenrechtsverträge ein derart kritisches Selbstverständnis selten erkennen. Sie interpretieren – wie in dieser Arbeit aufgezeigt – an vielen Stellen staatliche Schutzpflichten in Bezug auf das Handeln privater Personen und Unternehmen, setzen sich jedoch nicht konsequent mit den Grenzen staatlicher Schutzpflichten auseinander. Da insbesondere den Überwachungskommissionen zurzeit keine verbindliche Entscheidungskompetenz zukommt, mag man dies für unbeachtlich halten. Es schafft hingegen auf Seiten der Staaten Rechtsunsicherheit und ist ein falsches Zeichen auf dem richtigen Weg.

45

Siehe S. 203 ff.

Fünfter Teil

Ausblick auf die künftige Entwicklung staatlicher Schutzpflichten in Bezug auf private Unternehmen A. Zu erwartende Entwicklungen auf der Ebene regionaler und internationaler Menschenrechtsverträge Die vorliegende Arbeit hat in Bezug auf staatliche Schutzpflichten einen deutlich wachsenden Trend erkennen lassen. In den regionalen und internationalen Menschenrechtsschutzsystemen werden Staaten zunehmend Schutzpflichten auferlegt, die sowohl in Bezug auf Handlungen natürlicher wie auch juristischer Personen Anwendung finden und damit auch Bedeutung für die Aktivitäten privater Unternehmen entfalten. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend auf drei Ebenen fortsetzen wird. Zum einen kann davon ausgegangen werden, dass sich die Überwachungsorgane regionaler und internationaler Menschenrechtskonventionen künftig mit zunehmender Intensität mit der Ausarbeitung staatlicher Schutzpflichten befassen werden. Wie oben ausgeführt, bietet die bereits bestehende Akzeptanz hinsichtlich der grundsätzlichen Existenz staatlicher Schutzpflichten gepaart mit einer sich wechselseitig beeinflussenden Dynamik der Konventionen die Grundlage für die Konkretisierung und auch Erweiterung staatlicher Schutzpflichten. Zum anderen ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass künftige Menschenrechtskonventionen in ihren Vertragstexten ebenfalls deutliche Hinweise auf staatliche Schutzpflichten aufweisen werden. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten größeren Bereitschaft der Staaten, sich im Wertekontext regionaler Konventionen zu verbindlicheren Überwachungsmaßnahmen zu verpflichten, kommt den regionalen Menschenrechtskonventionen schließlich eine besondere Bedeutung zu. In ihrem Rahmen sind zukünftig zwar keine generellen Schutzpflichten zu erwarten, wohl aber die konkrete Erweiterung des bestehenden Kanons an Schutzpflichten auf weitere Rechtsgarantien aus den jeweiligen Konventionen. Ob diese Entwicklungen hingegen neben dem Rechtsraum der EMRK und der AMRK auch für die afrikanische und die arabische Menschenrechtscharta zu erwarten sind, ist angesichts der aufgezeigten besonderen Umstände der beiden Schutzsysteme eher zweifelhaft.

B. Bedeutung der Entwicklungen für das operative Geschäft

215

B. Bedeutung der völkerrechtlichen Entwicklungen für das operative Geschäft privater Unternehmen Aus Sicht der Unternehmen wird man konstatieren können, dass das Thema Wirtschaft und Menschenrechte bislang als eigenständiges Thema eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle gespielt hat. Zwar haben sich insbesondere westliche Unternehmen seit Jahrzehnten mit Fragen des Arbeits- und Umweltschutzes sowie der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit befasst und diesbezüglich weltweit Standards gesetzt, eine umfassendere Beschäftigung mit dem Thema ist hingegen bisher ausgeblieben. Dies war angesichts des traditionellen Verständnisses der Menschenrechte als reine Abwehrrechte gegen staatliches und nicht gegen privatwirtschaftliches Handeln auch nicht angezeigt. Mit Ausweitung des internationalen Menschenrechtsschutzes hat sich dies nun geändert und dazu geführt, dass sich zahlreiche Unternehmen mit diesem Thema befassen. Unter der Bezeichnung Corporate Social Responsibility (CSR oder auch Corporate Responsibility (CR)) bzw. Nachhaltiges Wirtschaften beschäftigt sich eine große Zahl an Unternehmen zunehmend mit gesellschaftsrelevanten wirtschaftsethischen Fragen ihrer Aktivitäten, die von Umweltaspekten über den Umgang mit Mitarbeitern, dem Einkauf „sauberer“ Produkte bis hin zum sozialen und ökologischen Lieferkettenmanagement reicht. Zunehmend wird dabei auch die Frage der Einhaltung der Menschenrechte in das Blickfeld der verantwortlichen Unternehmensführungen gerückt. Durch die Etablierung spezieller Verantwortlichkeiten innerhalb der Unternehmen und der wachsenden systematischen Analyse des Einflusses des eigenen Unternehmens auf die Wahrung der Menschenrechte (z. B. mittels Human Rights Impact Assessments) schreitet die unternehmensinterne Arbeit an diesem Thema voran. Dies belegt eine Studie der Global Reporting Initiative (GRI) aus dem Jahr 2009, die sich mit der Unternehmensberichterstattung großer weltweit operierender Unternehmen im Hinblick auf deren menschenrechtsrelevante Aktivitäten befasst.1 Als Kernaussage kommt die Studie zu dem Schluss, dass die Mehrheit der untersuchten Unternehmen bereits heute über den Einfluss ihrer Aktivitäten auf die Menschenrechte berichtet. Jedoch ist die jeweilige Informationstiefe und die Bereitschaft zur transparenten und kritischen Selbstanalyse noch weniger stark ausgeprägt als beispielsweise im Umweltbereich.2 Für private Wirtschaftsunternehmen haben die in dieser Arbeit aufgezeigten Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen praktische Relevanz für ihr operatives Geschäft. Zum einen ist zu erwarten, dass sich Staaten künftig verstärkt mit der Frage der praktischen Umsetzung ihrer Schutzpflichten aus Menschenrechtsverträgen im Hinblick auf private Wirtschaftsaktivitäten auseinandersetzen werden. Auf diese 1

Global Reporting Initiative (GRI): Corporate Human Rights Reporting: An Analysis of Current Trends, November 2009, verfügbar unter: www.globalreporting.org/NR/rdonlyres/ 4C5DB4C6-5084-4A84-BE51-0D134B3B5 A2E/3605/Human_Rights_analysis_trends.pdf. 2 Vgl. die Executive Summary der Studie, Ibid, S. 1.

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5. Teil: Ausblick auf die künftige Entwicklung staatlicher Schutzpflichten

Weise wird zumindest mittelbar zunehmender Druck auf Unternehmen spürbar werden. Bereits heute sind einzelstaatliche Initiativen und Aktivitäten erkennbar, die auf eine stärkere Kontrolle und Sanktionierung nationaler und transnationaler Unternehmen im Hinblick auf mögliche Beteiligungen an Menschenrechtsverletzungen schließen lassen. Beispielsweise veröffentlichte die norwegische Regierung am 23. Januar 2009 das Weißbuch „Corporate social responsibility in a global economy“, welches sich mit der Verantwortung privater Unternehmen für Umwelt, Arbeitsbedingungen, Anti-Korruption und insbesondere Menschenrechte auseinandersetzt.3 Darin heißt es in Bezug auf private Wirtschaftsunternehmen unter anderem „The Government’s aim is that Norway should play a proactive role globally in order to strengthen the status of human rights […]“.4 Auch das britische Parlament befasst sich neuerdings intensiv mit dem Thema Wirtschaft und Menschenrechte. In einem Bericht des gemeinsamen Ausschusses für Menschenrechte des britischen House of Lords und House of Commons vom 16. Dezember 2009 spricht sich der Ausschuss für konkrete Maßnahmen im Umgang mit diesem Thema aus und regt u. a. die Gründung einer unabhängigen Commission for Business, Human Rights and the Environment an.5 Daneben findet bereits heute extraterritoriale Jurisdiktion in Fällen der Beteiligung von Unternehmen an Menschenrechtsverletzungen im Ausland insbesondere im Rahmen der eingangs dieser Arbeit beschriebenen US-amerikanischen Alien Tort Claims Act (ATCA)-Jurisdiktion statt. Auch hierbei ist tendenziell eher mit einer Zunahme, denn mit einer Abnahme staatlicher Ordnungseingriffe zu rechnen. Insgesamt existiert eine erhebliche einzelstaatliche Dynamik im Hinblick auf das Thema Wirtschaft und Menschenrechte. Dies ist nicht nur für die Rechts- und Complianceabteilungen, sondern auch für die Führungen privater Unternehmen von Bedeutung, da es sich um grundsätzliche strategische Ausrichtungen sowie um erhebliche rechtliche und reputative Risikofragen im Hinblick auf die Menschenrechte handelt. Neben dem wachsenden völkerrechtlichen und einzelstaatlichen Druck auf private Unternehmen ist es insbesondere der freie Markt, der seinerseits Druck auf Unternehmen ausübt, sich intensiver mit Menschenrechten zu befassen. Zunächst ist hierbei der Einfluss von Nichtregierungsorganisationen und Medien zu nennen, die durch die Offenlegung von Menschenrechtsverletzungen Verbraucherverhalten beeinflussen können. Der so entstandene Umsatz- und Reputationsschaden kann Unternehmen empfindlich treffen. Darüber hinaus fragen insbesondere große institutionelle Anleger und Investoren zunehmend zum Zweck der Risikominimierung 3 Norwegian Ministry of Foreign Affairs, „Corporate social responsibility in a global economy“, Report No. 10 (200-2009) to the Storting, 23. 01. 2009, verfügbar unter: www.reg jeringen.no/pages/2203320/PDFS/STM200820090010000EN_PDFS.pdf. 4 Ibid, S. 10. 5 UK Joint Committee on Human Rights, House of Lords and House of Commons, „Any of our business? Human rights and the UK private sector“, First Report of Session 2009 – 10, Vol. 1 vom 16. 12. 2009, HL Paper 5-I, HC 64-I, veröffentlicht unter: www.publications.parliament.uk/ pa/jt200910/jtselect/jtrights/5/5i.pdf.

C. Schlussbetrachtung

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ihrer Investitionen nach dem Vorhandensein von Prozessen und Leitlinien hinsichtlich der unternehmensspezifischen Auswirkungen auf die Menschenrechte. Während dies noch vor einigen wenigen Jahren lediglich beiläufig abgefragt wurde, schließen gerade langfristig orientierte Anlagen wie etwa Pensionsfonds in wachsendem Maße Unternehmen aus, die keine ausreichende Menschenrechtspolitik implementiert haben. Beispielsweise wurden bis Dezember 2008 zwei Unternehmen vom staatlichen norwegischen Pensionsfond wegen ihrer Verwicklung in Menschenrechtsfälle ausgeschlossen.6 In einem aktuellen Fall um das britische Minenunternehmen Vedanta Resources plc. haben mehrere institutionelle Investoren, darunter die anglikanische Kirche, ihre Anteile an dem Unternehmen wegen einer geplanten Mine in Indien verkauft, in deren Zusammenhang schwere Menschenrechts- und Umweltschäden befürchtet werden.7 Um langfristige Investitionen zu sichern, fordern Investoren daher unter anderem eine konsequentere Berichterstattung zum Thema Menschenrechte von den Unternehmen.8 Die Frage schließlich, ob und wie Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte in ihren häufig weit verzweigten Zulieferketten verantwortlich sind, ist mit besonderen rechtlichen und praktischen Herausforderungen verbunden, die in ihrer Komplexität beachtlich sind. Um mit den oben genannten Herausforderungen umzugehen, bedarf es neuer Instrumente und Prozesse in Wirtschaftsunternehmen. Der UN-Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte John Ruggie benannte bereits in seinem Bericht aus dem Jahr 2008 vier Kernelemente, die Unternehmen zur Wahrnehmung ihrer Due Diligence bei den Menschenrechten zu beachten haben. Dies sind: die Einführung einer unternehmensspezifischen Menschenrechtsstrategie (Human Rights Policy), regelmäßige Folgenabschätzungen (Human Rights Impact Assessments, HRIAs), die Integration der beiden vorgenannten in die Unternehmenskultur und das Management sowie regelmäßige Berichterstattung zu den Fortschritten.9

C. Schlussbetrachtung Bei aller Diskussion um unternehmerische Übertretungen der Menschenrechte darf nicht übersehen werden, dass gerade die vielfach kritisierten Auslandsaktivitäten transnationaler Unternehmen in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle einen 6

Norwegian Ministry of Foreign Affairs (Fn. 3), S. 23. Siehe Pressemitteilung des Guardian v. 18. 02. 2010, „Rowntree trust sells shares in Vedanta over human rights fears“, www.guardian.co.uk/business/2010/feb/18/rowntree-trustpulls-out-from-vedanta-resources. 8 Siehe beispielsweise: UNEP Principles for Responsible Investment, Pressemitteilung vom 15. 02. 2010, „Investors step up pressure on corporate responsibility reporting“, verfügbar unter: www.unpri.org/files/lal10_final.pdf. 9 Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (07. 04. 2008), UN Doc. A/HRC/8/5, Ziff. 56 ff. 7

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5. Teil: Ausblick auf die künftige Entwicklung staatlicher Schutzpflichten

stabilisierenden und insgesamt positiven Einfluss auf die Verwirklichung der Menschenrechte haben.10 Die Herausforderungen an Unternehmen sind dennoch nicht zu unterschätzen. Es wird wohl weniger eine Frage der prozessualen Umsetzbarkeit sein, die die Unternehmen vor Probleme stellen wird. Vielmehr ist es der staatliche und marktforcierte Druck, sich mit einem Thema auseinander zu setzen, welches klassischerweise ausschließlich staatlicherseits behandelt wurde und zu dem Unternehmen daher zumindest bislang nicht aus einem intrinsischen Impuls heraus Zugang finden. Mit zunehmender Ausdifferenzierung des internationalen Menschenrechtsschutzes werden sich nationale und insbesondere transnationale Unternehmen dieser Herausforderung jedoch stellen müssen. Dabei wird es einige Unternehmen geben, die sich dieser Herausforderung nicht annehmen und mit entsprechenden staatlichen und privatwirtschaftlichen Konsequenzen rechnen müssen. Andere wiederum werden die Chancen ergreifen, die mit dem Thema Menschenrechte verbunden sind, und sich ihrer als Mittel zur erfolgreichen Marktdifferenzierung bedienen.

10

Dazu ausführlich: Meyer, 18 HRQ 368 – 397 (1996).

Rechtsprechungsverzeichnis I. Entscheidungen internationaler Gerichte 1. Ständiger Internationaler Gerichtshof StIGH, Lotus Case [France v. Turkey], Urteil v. 07. 09. 1927, PCIJ Series A, No. 10 (1927), 4 2. Internationaler Gerichtshof IGH, Advisory Opinion on Legal Consequences on the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, 136, verfügbar unter: www.icj-cij.org/do cket/files/131/1671.pdf IGH, Case Concerning Armed Activities on the Territory of the Congo [Democratic Republic of Congo v. Uganda], Urteil v. 19. 12. 2005, ICJ Rep. 2005, 201 3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte [Sämtlich Entscheidungen (auch solche „not reported“) verfügbar unter: www.echr.coe.int/ ECHR/EN/Header/Case-Law/HUDOC/HUDOC+database/] EGMR, A. v. The United Kingdom, Urt. v. 23. 09. 1998, no. 25599/94, ECHR 1998-VI, 2692, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 617 EGMR, Abdurzakova and Abdurzakov v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, no. 35080/04, not reported EGMR, Airey v. Ireland, Urt. v. 09. 10. 1979, no. 6289/73, Ser. A. no. 32, 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1979, 626 EGMR, Assenov and Others v. Bulgaria, Urt. v. 28. 10. 1998, no. 24760/94, ECHR 1998-VIII, 3264 EGMR, Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States [GC] (dec.), Entsch. v. 12. 12. 2001, no. 52207/99, ECHR 2001-XII, 333, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 133, NJW 2003, 413 EGMR, Beganovic´ v. Croatia, Urt. v. 25. 06. 2009, no. 46423/06, ECHR 2009 – [zur Publikation vorgesehen] EGMR, Ben el Mahi and Others v. Denmark (dec.), Entsch. v. 11. 12. 2006, no. 5853/06, ECHR 2006 – [zur Publikation vorgesehen] EGMR, Borysiewicz v. Poland, Urt. v. 01. 07. 2008, no. 71146/01, not reported EGMR, Branco Tomasˇic´ and Others v. Croatia, Urt. v. 15. 01. 2009, no. 46598/06, not reported EGMR, Budayeva and Others v. Russia, Urt. v. 20. 03. 2008, nos. 15339/02, 21166/02, 20058/ 02, 11673/02, 15343/02, ECHR 2008 – [zur Publikation vorgesehen] EGMR, Buzescu v. Romania, Urt. v. 24. 05. 2005, no. 61302/00, not reported

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Rechtsprechungsverzeichnis

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EGMR, Kurt v. Turkey, Urt. v. 25. 05. 1998, no. 24276/94, ECHR 1998-III, 1152 EGMR, L.C.B. v. The United Kingdom, Urt. v. 09. 06. 1998, no. 23413/94, ECHR 1998-III, 1390, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 353 EGMR, Ledyayeva and Others v. Russia, Urt. v. 26. 10. 2006, nos. 53157/99, 53247/99, 53695/ 00, 56850/00, not reported EGMR, Leon and Agnieszka Kania v. Poland, Urt. v. 21. 07. 2009, no. 12605/03, not reported EGMR, Lithgow and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 08. 07. 1986, nos. 9006/80, 9262/ 81, 9263/81, 9265/81, 9266/81, 9313/81, 9405/81, Ser. A no. 102, 4, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1988, 350 EGMR, Loizidou v. Turkey [GC], Urt. v. 18. 12. 1996, no. 15318/89, ECHR 1996-VI, 2216, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1997, 555 EGMR, Loizidou v. Turkey (preliminary objections) [GC], Urt. v. 23. 03. 1995, no. 15318/89, Ser. A. no. 310, 3, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1995, 629 EGMR, López-Ostra v. Spain, Urt. v. 09. 12. 1994, no. 16798/90, Ser. A no. 303-C, 38, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1995, 530 EGMR, Mamatkulov and Abdurasulovic v. Turkey, Urt. v. 06. 02. 2003, nos. 46827/99, 46951/ 99, not reported, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2003, 704 EGMR, Marckx v. Belgium, Urt. v. 13. 06. 1979, no. 6833/74, Ser. A. no. 31, 2, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1979, 454, NJW 1979, 2449 EGMR, Markovic and Others v. Italy [GC], Urt. v. 14. 12. 2006, no. 1398/03, ECHR 2006 – [zur Publikation vorgesehen] EGMR, M.C. v. Bulgaria, Urt. v. 04. 12. 2003, no. 39272/98, ECHR 2003-XII, 1 EGMR, McCann and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 27. 09. 1995, no. 18984/91, Ser. A no. 324, 4, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1996, 233 EGMR, McGinley and Egan v. The United Kingdom, Urt. v. 09. 06. 1998, nos. 21825/93, 23414/ 94, ECHR 1998-III, 1333, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1999, 335 EGMR, Medova v. Russia, Urt. v. 15. 01. 2009, no. 25385/04, not reported EGMR, Mikayil Mammadov v. Azerbaijan, Urt. v. 17. 12. 2009, no. 4762/05, not reported EGMR, Moldovan and Others v. Romania, Urt. v. 12. 07. 2005, nos. 41138/98, 64320/01, ECHR 2005-VII, 167 EGMR, Moreno Gómez v. Spain, Urt. v. 16. 11. 2004, no. 4143/02, ECHR 2004-X, 307, deutsche Übersetzung in: NJW 2005, 3767 EGMR, Mykhaylenky and Others v. Ukraine, Urt. v. 30. 11. 2004, nos. 35091/02, 35196/02, 35201/02, 35204/02, 35945/02, 35949/02, 35953/02, 36800/02, 38296/02, 42814/02, ECHR 2004-XII, 153 EGMR, Nachova and Others v. Bulgaria [GC], Urt. v. 06. 07. 2005, nos. 43577/98, 43579/98, ECHR 2005-VII, 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2005, 693 EGMR, Öcalan v. Turkey [GC], Urt. v. 12. 05. 2005, no. 462211/99, ECHR 2005-IV, 47, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2005, 463, NVwZ 2006, 1267

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EGMR, Öneryildiz v. Turkey [GC], Urt. v. 30. 11. 2004, no. 48939/99, ECHR 2004-XII, 1 EGMR, Özgür Gündem v. Turkey, Urt. v. 16. 03. 2000, no. 23144/93, ECHR 2000-III, 37 EGMR, Opuz v. Turkey, Urt. 09. 06. 2009, no. 33401/02, ECHR 2009 – [zur Publikation vorgesehen] EGMR, Osman v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 28. 10. 1998, no. 23452/94, ECHR 1998VIII, 3124 EGMR, Osmanog˘lu v. Turkey, Urt. v. 24. 01. 2008, no. 48804/99, not reported EGMR, Paul and Audrey Edwards v. the United Kingdom, Urt. v. 14. 03. 2002, no. 46477/99, ECHR 2002-II, 137 EGMR, Plattform „Ärzte für das Leben“ v. Austria, Urt. v. 21. 06. 1988, no. 10126/82, Ser. A no. 139, 2, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 522 EGMR, Powell and Rayner v. The United Kingdom, Urt. v. 21. 02. 1990, no. 9310/81, Ser. A. no. 172, 2, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1990, 418 EGMR, Rantsev v. Cyprus and Russia, Urt. v. 07. 01. 2010, no. 25965/04, not reported EGMR, Salman v. Turkey [GC], Urt. v. 27. 06. 2000, no. 21986/93, ECHR 2000-VII, 365, deutsche Übersetzung in: NJW 2001, 2001 EGMR, Sandra Jankovic´ v. Croatia, Urt. v. 05. 03. 2009, no. 38478/05, not reported EGMR, Selmouni v. France [GC], Urt. v. 28. 07. 1999, no. 25803/94, ECHR 1999-V, 149, deutsche Übersetzung in: NJW 2001, 56 EGMR, Siliadin v. France, Urt. v. 26. 07. 2005, no. 73316/01, ECHR 2005-VII, 295, deutsche Übersetzung in: NJW 2007, 41 EGMR, Soering v. The United Kingdom, Urt. v. 07. 07. 1989, no. 14038/88, Ser. A no. 161, 4, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 314, NJW 1990, 2183 EGMR, Sørensen and Rasmussen v. Denmark [GC], Urt. v. 11. 01. 2006, nos. 52562/99, 52620/ 99, ECHR 2006-I, 1, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 2006, 550 EGMR, Sovtransavto Holding v. Ukraine, Urt. v. 25. 07. 2002, no. 48553/99, ECHR 2002-VII, 95 EGMR, Steel and Morris v. The United Kingdom, Urt. v. 15. 02. 2005, no. 68416/01, ECHR 2005-II, 1, deutsche Übersetzung in: NJW 2006, 1255 EGMR, Storck v. Germany, Urt. v. 16. 06. 2005, no. 61603/00, ECHR 2005-V, 111, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2008, 582, NJW-RR 2006, 308 EGMR, Stubbings and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 22. 10. 1996, nos. 22083/93, 22095/93, ECHR 1996-IV, 1487, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 1997, 436 EGMR, Ta˘tar v. Romania, Urt. v. 27. 01. 2009, no. 67021/01, not reported EGMR, Wilson, National Union of Journalists and Others v. The United Kingdom, Urt. v. 02. 07. 2002, nos. 30668/96, 30671/96, 30678/96, ECHR 2002-V, 49, deutsche Übersetzung in: ÖJZ 2003, 729 EGMR, X and Y v. The Netherlands, Urt. v. 26. 03. 1985, no. 8978/80, Ser. A no. 91, 3, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1985, 297, NJW 1985, 2075

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EGMR, Yas¸a v. Turkey, Urt. v. 02. 09. 1998, no. 22495/93, ECHR 1998-VI, 2411 EGMR, Yershova v. Russia, Urt. v. 08. 04. 2010, no. 1387/04, not reported EGMR, Young, James and Webster v. The United Kingdom, Urt. v. 13. 08. 1981, nos. 7601/76; 7806/77, Ser. A. no. 44, 5, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1981, 559, NJW 1982, 2717 EGMR, Z and Others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 10. 05. 2001, no. 29392/95, ECHR 2001-V, 57 EGMR, Zarb Adami v. Malta, Urt. v. 20. 06. 2006, no. 17209/02, ECHR 2006-VIII, 307 4. Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte [Sämtliche Urteile und Sondervoten abrufbar unter: www.corteidh.or.cr/casos.cfm] a) Urteile des IAGMR IACtHR, Case of 19 Merchants v. Columbia, Urt. v. 05. 07. 2004, Ser. C no. 109 IACtHR, Case of Bámaca-Velásquez v. Guatemala, Urt. v. 25. 11. 2000, Ser. C no. 70 IACtHR, Case of Caballero-Delgado and Santana v. Colombia, Urt. v. 08. 12. 1995, Ser. C no. 22 IACtHR, Case of Cantoral-Huamaní and García-Santa Cruz v. Peru, 10. 07. 2007, Order, Ser. C no. 167 IACtHR, Case of Claude-Reyes et al. v. Chile, Urt. v. 19. 09. 2006, Ser. C no. 151 IACtHR, Case of Escher et al. v. Brazil, Urt. v. 06. 07. 2009, Ser. C no. 200 IACtHR, Case of Godínez-Cruz v. Honduras, Urt. v. 20. 01. 1989, Ser. C no. 5 IACtHR, Case of Gómez-Paquiyauri Brothers v. Peru, Urt. v. 08. 07. 2004, Ser. C no. 110 IACtHR, Case of González et al. („Cotton Field“) v. Mexico, Urt. v. 16. 11. 2009, Ser. C no. 205 IACtHR, Case of Heliodoro Portugal v. Panama, Urt. v. 12. 08. 2008, Ser. C no. 186 IACtHR, Case of Huilca-Tecse v. Peru, Urt. v. 03. 03. 2005, Ser. C no. 121 IACtHR, Case of Juan Humberto Sánchez v. Honduras, Urt. v. 07. 06. 2003, Ser. C no. 99 IACtHR, Case of Kawas-Fernández v. Honduras, Urt. v. 03. 04. 2009, Ser. C no. 196 IACtHR, Case of López-Álvarez v. Honduras, Urt. v. 01. 02. 2006, Ser. C no. 141 IACtHR, Case of Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urt. v. 31. 08. 2001, Ser. C no. 79 IACtHR, Case of the „Mapiripán Massacre“ v. Colombia, Urt. v. 15. 09. 2005, Ser. C no. 134 IACtHR, Case of the Pueblo Bello Massacre v. Colombia, Urt. v. 31. 01. 2006, Ser. C no. 140 IACtHR, Case of the Rochela Massacre v. Colombia, Urt. v. 11. 05. 2007, Ser. C no. 163 IACtHR, Case of the Saramaka People v. Suriname, Urt. v. 28. 11. 2007, Ser. C no. 172 IACtHR, Case of the Sawhoyamaxa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 29. 03. 2006, Ser. C no. 146 IACtHR, Case of the „Street Children“ (Villagran-Morales et al.) v. Guatemala, Urt. v. 19. 11. 1999, Ser. C no. 63

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IACtHR, Case of the Yakye Axa Indigenous Community v. Paraguay, Urt. v. 17. 06. 2005, Ser. C no. 125 IACtHR, Case of Valle Jaramillo et al. v. Colombia, Urt. v. 27. 11. 2008, Ser. C no. 192 IACtHR, Case of Velásquez-Rodríguez v. Honduras, Urt. v. 29. 07. 1988, Ser. C no. 4 b) Sondervoten der Richter des IAGMR IACtHR, Reasoned Opinion of Judge Sergio García-Ramírez to the Judgment of the InterAmerican Court of Human Rights in the Case of Ximenes-Lopes v. Brazil, Urt. v. 04. 07. 2006, Ser. C no. 149, Annex IACtHR, Separate Concurring Opinion of Judge Diego Garcia-Sayan to the Case of González et al. („Cotton Field“) v. Mexico, Urt. v. 16. 11. 2009, Ser. C no. 205, Annex IACtHR, Separate Concurring Opinion of Judge Sergio García-Ramírez to the Judgment of the Inter-American Court of Human Rights in the Case of Tibi v. Ecuador, Urt. v. 07. 09. 2004, Ser. C no. 114, Annex c) Rechtsgutachten des IAGMR [abrufbar unter: www.corteidh.or.cr/opiniones.cfm]: IACtHR, Advisory Opinion OC-4/84 v. 19. 01. 1984, Proposed Amendments to the Naturalization Provision of the Constitution of Costa Rica, Ser. A no. 4 IACtHR, Advisory Opinion OC-17/02 v. 28. 08. 2002, Juridical Condition and Human Rights of the Child, Ser. A no. 17 IACtHR, Advisory Opinion OC-18/03 v. 17. 09. 2003, Juridical Condition and Rights of the Undocumented Migrants, Ser. A no. 18 5. Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker AfrCHPR, Michelot Yogogombaye v. The Republic of Senegal, Urt. v. 15. 12. 2009, no. 001/2008 II. Entscheidungen nationaler Gerichte 1. Entscheidungen deutscher Gerichte LG Bonn, Urt. v. 10. 12. 2003, Milenkovic et al. gegen Bundesrepublik Deutschland, AZ 1 O 361/02, verfügbar unter: www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/lg_bonn/j2003/1_O_361_02ur teil20031210.html 2. Entscheidungen der Gerichte des Vereinigten Königreichs UK Court of Appeals, R. (Al-Skeini) v. Secretary of State for Defence [2005], Entsch. v. 21. 12. 2005, EWCA Civ 1609 3. Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte a) US Supreme Court US Supreme Court, Sosa v. Alvarez-Machain et al., Entsch. v. 29. 06. 2004, 124 S.Ct. 2739 (2004), 43 I.L.M. 1390 (2004)

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CERD, Concluding Observations Israel, 14. 06. 2007, UN Doc. CERD/C/ISR/CO/13 CERD, Concluding Observations Kuwait, 1984, UN Doc. A/39/18 CERD, Concluding Observations Nigeria, 10. 08. 1993, UN Doc. A/48/18 CERD, Concluding Observations, Peru, 03. 09. 2009, UN Doc. CERD/C/PER/CO/14 – 17 CERD, Concluding Observations Philippines, 1980, UN Doc. A/35/18 CERD, Concluding Observations USA, 08. 05. 2008, UN Doc. CERD/C/USA/CO/6 – Information provided by the Government Canada on the implementation of the concluding observations of the Committee on the Elimination of Racial Discrimination, 27. 10. 2009, UN Doc. CERD/C/CAN/CO/18/Add.1 – Information provided by the Government of the United States of America on the implementation of the concluding observations of the Committee on the Elimination of Racial Discrimination, 05. 02. 2009, UN Doc. CERD/C/USA/CO/6/Add.1 3. Committee on Economic, Social and Cultural Rights a) General Recommendation nach Art. 21 ICESCR CESCR, General Comment No. 3 [5th Session] The nature of States parties obligations (Art. 2, para. 1 of the Covenant) v. 14. 12. 1990, UN Doc. E/1991/23 CESCR, General Comment No. 5 [11th Session] Persons with disabilities v. 09. 12. 1994, UN Doc. E/1995/22 CESCR, General Comment No. 6 [13th Session] The economic, social and cultural rights of older persons v. 08. 12. 1995, UN Doc. E/1996/22 CESCR, General Comment No. 9 [19th Session] The domestic application of the Covenant v. 03. 12. 1998, UN Doc. E/C.12/1998/24 CESCR, General Comment No. 12 [20th Session] The right to adequate food (Art.11) v. 12.05.99, UN Doc. E/C.12/1999/5 CESCR, General Comment No. 13 [21th Session] The right to education (Art.13) v. 08.12.99, UN Doc. E/C.12/1999/10 CESCR, General Comment No. 14 [22th Session] The right to the highest attainable standard of health v. 11. 08. 2000, UN Doc. E/C.12/2000/4 CESCR, General Comment No. 15 [29th Session] The right to water (Art. 11 and 12 of the Covenant) v. 20. 01. 2003, UN Doc. E/C.12/2002/11 CESCR, General Comment No. 16 [34th Session] The equal right of men and women to the enjoyment of all economic, social and cultural rights (art. 3 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) v. 11. 08. 2005, UN Doc. E/C.12/2005/4 CESCR, General Comment No. 17 [35th Session] The right of everyone to benefit from the protection of the moral and material interests resulting from any scientific, literary or artistic production of which the or she is the author (article 15, paragraph 1 (c), of the Covenant) v. 12. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/GC/17 CESCR, General Comment No. 18 [35th Session] The right to work v. 06. 02. 2006, UN Doc. E/ C.12/GC/18

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CESCR, General Comment No. 19 [39th Session] The right to social security (art. 9) v. 04. 02. 2008, UN Doc. E/C.12/GC/19 CESCR, General Comment No. 20 [42th Session] Non-discrimination in economic, social and cultural rights (art. 2, para. 2, of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) v. 02. 07. 2009, UN Doc. E/C.12/GC/20 CESCR, General Comment No. 21 [43th Session] Right of everyone to take part in cultural life (art. 15, para. 1 (a), of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) v. 21. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/GC/21 b) Concluding Observations zu Staatenberichten nach Art. 16 Abs. 2 Ziff. a ICESCR CESCR, Concluding Observations Austria, 25. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/AUT/CO/3 CESCR, Concluding Observations Bosnia and Herzegovina, 24. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/ BIH/CO/1 CESCR, Concluding Observations Cambodia, 12. 06. 2009, UN Doc. E/C.12/KHM/CO/1 CESCR, Concluding Observations Canada, 22. 05. 2006, UN Doc. E/C.12/CAN/CO/4+5 CESCR, Concluding Observations China, 13. 05. 2005, UN Doc. E/C.12/1/Add.107 CESCR, Concluding Observations Democratic Republic of the Congo, 16. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/COD/CO/4 CESCR, Concluding Observations Ecuador, 07. 06. 2004, UN Doc. E/C.12/1/Add.100 CESCR, Concluding Observations Honduras, 09. 05. 2001, UN Doc. CESCR E/2002/22 (2001) CESCR, Concluding Observations India, 08. 08. 2008, UN Doc. E/C.12/IND/CO/5 CESCR, Concluding Observations Italy, 14. 12. 2004, UN Doc. E/C.12/1/Add.103 CESCR, Concluding Observations Kuwait, 07.06, 2004, UN Doc. E/C.12/1/Add.98 CESCR, Concluding Observations Mexico,09. 06. 2006, UN Doc. E/C.12/MEX/CO/4 CESCR, Concluding Observations Poland, 02. 12. 2009, UN Doc. E/C.12/POL/CO/5 CESCR, Concluding Observations Slovenia, 25. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/SVN/CO/1 CESCR, Concluding Observations Uzbekistan, 24. 01. 2006, UN Doc. E/C.12/UZB/CO/1 CESCR, Concluding Observations Zambia, 23. 06. 2005, UN Doc. E/C.12/1/Add.106 4. Committee on the Rights of the Child a) General Comments nach Art. 45 Ziff. d CRC CRC, General Comment No. 2, [32th Session] The role of independent national human rights institutions in the promotion and protection of the rights of the child (2002), UN Doc. CRC/ GC/2002/2 CRC, General Comment No. 5, [34th Session] General measures of implementation of the Convention on the Rights of the Child (2003), UN Doc. CRC/GC/2003/5 CRC, General Comment No. 6, [39th Session] Treatment of unaccompanied and separate children outside their country of origin (2005), UN Doc. CRC/GC/2005/6

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CRC, General Comment No. 11, [50th Session] Indigenous children and their rights under the Convention (2009), UN Doc. CRC/C/GC/11 b) Concluding Observations zu Staatenberichten nach Art. 45 Ziff. d CRC CRC, Concluding Observations Bolivia, 16. 10. 2009, UN Doc. CRC/C/BOL/CO/4 CRC, Concluding Observations Colombia, 08. 06. 2006, UN Doc. CRC/C/COL/CO/3 CRC, Concluding Observations Jordan, 29. 09. 2006, UN Doc. CRC/C/JOR/CO/3 CRC, Concluding Observations Lebanon, 08. 06. 2006, UN Doc. CRC/C/LBN/CO/3 CRC, Concluding Observations Mozambique, 04. 11. 2009, UN Doc. CRC/C/MOZ/CO/2 CRC, Concluding Observations Nigeria, 13. 04. 2005, UN Doc. CRC/C/15/Add.257 CRC, Concluding Observations Philippines, 22. 10. 2009, UN Doc. CRC/C/PHL/CO/3 – 4 c) Concluding Observations zu Staatenberichten nach Art. 12 Abs. 1 OPSC CRC, Concluding Observations Andorra, 17. 03. 2006, UN Doc. CRC/C/OPSC/AND/CO/1 CRC, Concluding Observations Austria, 22. 10. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/AUT/CO/1 CRC, Concluding Observations Chile, 18. 02. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/CHL/CO/1 CRC, Concluding Observations France, 15. 10. 2007, UN Doc. CRC/C/OPSC/FRA/CO/1 CRC, Concluding Observations Guatemala, 06. 07. 2007, UN Doc. CRC/C/OPSC/GTM/CO/1 CRC, Concluding Observations Korea, 02. 07. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/KOR/CO/1 CRC, Concluding Observations Kuwait, 18. 02. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/KWT/CO/1 CRC, Concluding Observations Spain, 17. 10. 2007, UN Doc. CRC/C/OPSC/ESP/CO/1 CRC, Concluding Observations USA, 25. 06. 2008, UN Doc. CRC/C/OPSC/USA/CO/1 5. Human Rights Committee a) General Comments nach Art. 40 Abs. 4 ICCPR HRC, General Comment No. 03 [13th Session] Implementation at the national level (Art. 2) v. 29. 07. 1981 HRC, General Comment No. 06 [16th Session] The right to life (Art. 6) v. 30. 04. 1982 HRC, General Comment No. 16 [32th Session] The right to respect of privacy, family, home and correspondence, and protection of honour and reputation (Art. 17) v. 08. 04. 1988 HRC, General Comment No. 18 [37th Session] Non-discrimination v. 10. 11. 1989 HRC, General Comment No. 20 [44th Session] Replaces general comment 7 concerning prohibition of torture and cruel treatment or punishment (Art. 7) v. 10. 03. 1992 HRC, General Comment No. 23 [50th Session] The rights of minorities (Art. 27) v. 08. 04. 1994, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5 HRC, General Comment No. 27, [67th Session] Freedom of movement (Art. 12) v. 02. 11. 1999, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.9

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HRC, General Comment No. 28, [68th Session] Equality of rights between men and women (Art. 3) v. 29. 03. 2000, CCPR/C/21/Rev.1/Add.10 HRC, General Comment No. 31 [80th Session] Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant v. 26. 05. 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/ Add.13 b) Concluding Observations zu Staatenberichten nach Art. 40 Abs. 2 ICCPR HRC, Concluding Observations Azerbaijan, 13. 08. 2009, UN Doc. CCPR/C/AZE/CO/3 HRC, Concluding Observations Belgium, 12. 08. 2004, UN Doc. CCPR/CO/81/BEL HRC, Concluding Observations Benin, 01. 12. 2004, UN Doc. CCPR/CO/82/BEN HRC, Concluding Observations Brazil, 01. 12. 2005, UN Doc. CCPR/C/BRA/CO/2 HRC, Concluding Observations Canada, 20. 04. 2006, UN Doc. CCPR/C/CAN/CO/5 HRC, Concluding Observations Chile, 30. 03. 1999, UN Doc. CCPR A/54/40 (1999) HRC, Concluding Observations Croatia, 04. 04. 2001, UN Doc. CCPR A/56/40 (2001) HRC, Concluding Observations Ecuador, 04. 11. 2009, UN Doc. CCPR/C/ECU/CO/5 HRC, Concluding Observations Germany, 30. 03. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/DEU HRC, Concluding Observations Guayana, 30. 03. 2000, UN Doc. CCPR A/55/40 (2000) HRC, Concluding Observations Israel, 05. 08. 2003, UN Doc. CCPR A/58/40 (2003) HRC, Concluding Observations Kenya, 29. 04. 2005, UN Doc. CCPR/CO/83/KEN HRC, Concluding Observations Morocco, 01. 12. 2004, UN Doc. CCPR/CO/82/MAR HRC, Concluding Observations New Zealand, 17. 07. 2002, UN Doc. CCPR A/57/40 vol. I (2002) HRC, Concluding Observations Paraguay, 24. 04. 2006, UN Doc. CCPR/C/PRY/CO/2 HRC, Concluding Observations Poland, 02. 12. 2004, UN Doc. CCPR/CO/82/POL HRC, Concluding Observations Russian Federation, 24. 11. 2009, UN Doc. CCPR/C/RUS/CO/ 6 HRC, Concluding Observations Spain, 05. 01. 2009, UN Doc. CCPR/C/ESP/CO/5 HRC, Concluding Observations Suriname, 04. 05. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/SUR HRC, Concluding Observations Switzerland, 03. 11. 2009, UN Doc. CCPR/C/CHE/CO/3 HRC, Concluding Observations Thailand, 08. 05. 2005, UN Doc. CCPR/CO/84/THA HRC, Concluding Observations Uganda, 24. 05. 2004, UN Doc. CCPR/CO/80/UGA HRC, Concluding Observations United Republic of Tanzania, 06. 08. 2009, UN Doc. CCPR/C/ TZA/CO/4 HRC, Concluding Observations USA, 18. 12. 2006, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/3/Rev.1 HRC, Concluding Observations Uzbekistan, 26. 04. 2005, UN Doc. CCPR/CO/83/UZB HRC, Concluding Observations Venezuela, 02. 04. 2001, UN Doc. CCPR A/56/40 (2001)

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Rechtsprechungsverzeichnis c) Beurteilungen von Individualbeschwerden nach Art. 1 ff. Zusatzprotokoll zur ICCPR

HRC, Ahani v. Canada, Communication No. 1051/2002, 15. 06. 2004, UN Doc. CCPR/C/80/D/ 1051/2002 HRC, Barbato v. Uruguay, Communication No. 84/1981, 21. 10. 1982, UN Doc. CCPR/C/17/D/ 84/1981 HRC, Bautista v. Colombia, Communication No. 563/1993, 27. 10. 1995, UN Doc. CCPR/C/55/ D/563/1993 HRC, Celiberti de Casariego v. Uruguay, Communication No. 56/1979, 29. 07. 1981, UN Doc. CCPR/C/13/D/56/1979 HRC, Delgado Páez v. Colombia, Communication No. 195/1985, 12. 07. 1990, UN Doc. CCPR/ C/39/D/195/1985 HRC, Hopu and Bessert v. France, Communication No 549/1993, 29. 07. 1997, UN Doc. CCPR/ C/60/D/549/1993/Rev.1 HRC, Judge v. Canada, Communication No. 829/1998, 05. 08. 2002, UN Doc. CCPR/C/78/D/ 829/1998 HRC, Kindler v. Canada, Communication No. 470/1991, 30. 07. 1993, UN Doc. CCPR/C/48/D/ 470/1991 HRC, Länsman et al. v. Finland, Communication No. 511/1992, 26. 10. 1994, UN Doc. CCPR/ C/52/D/511/1992 HRC, Lindgren et al. and Lundquist et al. v. Sweden, Communications Nos. 298/1988 and 299/ 1988, 09. 11. 1990, UN Doc. CCPR/C/40/D/298 – 299/1988 HRC, Lopez Burgos v. Uruguay, Communication No. 52/1979, 29. 07. 1981, UN Doc. CCPR/C/ 13/D/52/1979 HRC, Love et al. v. Australia, Communication No. 983/2001, 25. 03. 2003, UN Doc. CCPR/C/ 77/D/983/2001 HRC, Lubicon Lake Band v. Canada, Communication No. 167/1984, 26. 03. 1990, UN Doc. CCPR/C/38/D/167/1984 HRC, Montero v. Uruguay, Communication No. 106/1981, 31. 03. 1983, UN Doc. CCPR/C/18/ D/106/1981 HRC, Munaf v. Romania, Communication No. 1539/2006, 21. 08. 2009, UN Doc. CCPR/C/96/ D/1539/2006 HRC, Rajapakse v. Sri Lanka, Communication No. 1250/2004, 05. 09. 2006, UN Doc. CCPR/C/ 87/D/1250/2004

Materialienverzeichnis I. Internationale Rechtsakte und Materialien 1. Völkerrechtliche Verträge African Charter on Human and People’s Rights, 27. 06. 1981, 1520 UNTS 217, 21 ILM 59 (1982) – Protocol to the African Charter on Human and People’s Rights on the Establishment of an African Court on Human and People’s Rights, 09. 06. 1998, OAU Doc. OAU/LEG/EXP/ AFCHPR/PROT (III), abgedruckt in: ZaöRV 58 (1998), 727 ff. American Convention on Human Rights, 22. 11. 1969, 1144 UNTS 123, 9 ILM 673 (1970), EuGRZ 1980, 435 – Additional Protocol to the American Convention on Human Rights in the Area of Economic, Social, and Cultural Rights, 17. 11. 1988, OAS Treaty Series no. 69 – Additional Protocol to the American Convention on Human Rights to Abolish the Death Penalty, 06. 08. 1990, OAS Treaty Series no. 73 American Declaration on the Rights and Duties of Man (1948), 02. 05. 1948, OAS Res. XXX Arab Charter on Human Rights, 15. 09. 1994, Englische Übersetzung der revidierten Fassung von Mai 2004 abgedruckt in: Boston University International Law Journal 24 (2006) 147, 149 ff. Charter of the Organisation of American States (OAS), 30. 04. 1948, OAS Treaty Series, nos. 1C and 61, 119 UNTS 3 Charter of the United Nations, 26. 06. 1945, 15 UNCIO 335 Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, 10. 12. 1984, 1465 UNTS 85 Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 18. 12. 1979, 1249 UNTS 13 Convention on the Rights of Persons with Disabilities, 13. 12. 2006, UN Doc. A/61/611 Convention on the Rights of the Child, 20. 11. 1989, 1577 UNTS 3 – Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on the sale of children, child prostitution and child pornography, 25. 05. 2000, UN Doc. A/54/49 European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, 04. 11. 1950, 213 UNTS 221, in Kraft getreten am 03. 09. 1953, BGBl. II 1952, 686 (untersucht in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. 05. 2002, BGBl. II 2002, 1055) International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance, 20. 12. 2006, UN Doc. A/61/488

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International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, 07. 03. 1966, 660 UNTS 195 International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families, 18. 12. 1990, UN Doc. A/RES/45/158 International Covenant on Civil and Political Rights, 16. 12. 1966, 999 UNTS 171, BGBl. 1973 II, 1534 – Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights, 16. 12. 1966, 999 UNTS 171, BGBl. 1992 II, 1247 – Second Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights, aiming at the abolition of the death penalty, 15. 12. 1989, 1642 UNTS 414, BGBl. 1992 II, 391 International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 16. 12. 1966, 993 UNTS 3, BGB. 1973 II, 1570 – Optional Protocol to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 10. 12. 2008, UN. Doc. A/RES/63/117 Rome Statute of the International Criminal Court, 17. 07. 1998, 2187 UNTS 3 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 23. 05. 1969, 1155 UNTS 331 2. Sonstige Internationale Materialien Chatham House: International Law Discussion Group, The Principle of Non-Interference in Contemporary International Law: Non-Interference in a State’s Internal Affairs used to be a Rule of International Law: Is it Still?, 28. 02. 2007, www.chathamhouse.org.uk/files/ 6567_il280207.pdf Commission on Human Rights: Promotion and Protection of Human Rights – Interim Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (22. 02. 2006), UN Doc. E/CN.4/ 2006/97 – Report of the United Nations High Commissioner on Human Rights on the responsibilities of transnational corporations and related business enterprises with regard to human rights (15. 02. 2005), UN Doc. E/CN.4/2005/91 Commission on Transnational Corporations: Report on the Second Session, Supplement No. 5, (01.–12. 03. 1976), UN Doc. E/5782, E/C.10/16 – Draft Code of Conduct on Transnational Corporations (05. 06. 1982), UN Doc. E/C.10/1982/ 6, abgedruckt in 22 ILM 192 (1983) – Draft Code of Conduct on Transnational Corporations (12. 06. 1990), UN Doc. E/1990/94 ECOSOC: Report of the Group of Eminent Persons to Study the Impact of Multinational Corporations on Development and on International Relations, New York 1974, ST/ESA/ 6, UN Doc. E/5500/Rev. 1 – Res. 1908 (LVII) vom 02. 08. 1974, The impact of transnational corporations on the development process and on international relations, UN Doc. E/5570

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Global Reporting Initiative (GRI): Corporate Human Rights Reporting: An Analysis of Current Trends, November 2009, www.globalreporting.org/NR/rdonlyres/4C5DB4C6-5084-4A84BE51 – 0D134B3B5 A2E/3605/Human_Rights_analysis_trends.pdf Human Rights Council: Business and Human Rights: Mapping International Standards of Responsibility and Accountability for Corporate Acts – Report of the Special Representative of the Secretary General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum 1: State responsibilities to regulate and adjudicate corporate activities under the United Nations core human rights treaties: an overview of treaty body commentaries (13. 02. 2007), UN Doc. A/HRC/4/35/Add.1 – Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (07. 04. 2008), UN Doc. A/ HRC/8/5 – Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie, Companion Report: Clarifying the Concepts of „Sphere of influence“ and „Complicity“ (15. 05. 2008), UN Doc. A/HRC/8/16 – Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises (09. 04. 2010), Business and Human Rights: Further steps toward the operationalization of the „protect, respect and remedy“ framework, UN Doc. A/HRC/14/27 Institut de Droit International: Resolution on Multinational Enterprises (Oslo, 07. 09. 1977), abgedruckt in: Annuaire, Vol. 57 I (1977), S. 382 – 386. Institute for Applied International Science, Norway (Fafo): Business and International Crime, Liabilities of Business Entities for Grave Violations of International Law, 2004, www.fafo. no/pub/rapp/467/467.pdf International Commission of Jurists: Corporate Complicity & Legal Accountability, Volume 2 – Criminal Law and International Crimes, 2008, http://icj.org/IMG/Volume_2.pdf International Labour Organization: ILO Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy (März 2006), www.ilo.org/wcmsp5/groups/pu blic/—ed_emp/—emp_ent/documents/publication/wcms_094386.pdf – ILO Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy, abgedruckt in: 17 ILM 422 (1978) International Law Commission: Articles on the Responsibilities of States (28. 01. 2002), abgedruckt in: UN Doc. A/56/83 (Annex) sowie in Tomuschat, Völkerrecht, Nr. 9 – Commentaries to the draft articles on Responsibility of States for internationally wrongful acts adopted by the International Law Commission at its fifty-third session (2001), Extract from the Report of the International Law Commission on the work of its Fifty-third session, abgedruckt in UN Doc. A/56/10/Supp. 10 Office of the High Commissioner for Human Rights, Fact Sheet No. 15 (Rev.1), Civil and Political Rights: The Human Rights Committee, May 2005, www.unhcr.org/refworld/docid/ 4794773c0.html – Fact Sheet No. 12, The Committee on the Elimination of Racial Discrimination, May 1991, www.ohchr.org/Documents/Publications/FactSheet12en.pdf

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Stichwortverzeichnis Abwehrcharakter 41, 181, 195 Abwehrrecht 34, 38, 58, 64, 66, 72, 94, 100, 101, 102, 105, 106, 118, 123, 128, 129, 139, 140, 147, 159, 160, 168, 173, 174, 176, 177, 194, 195, 196, 197, 208, 209, 215 Access to Remedy 35 Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker 38, 118 ff., 125, 129, 195, 196, 208 Afrikanische Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker 119 f., 122, 129, 131, 133, 134, 170, 194, 196, 197 Afrikanische Menschenrechtscharta siehe Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker Afrikanische Menschenrechtskommission siehe Afrikanische Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker 120 ff., 125, 126, 129 ff., 139, 149, 161, 198, 204, 206, 208, 211 Aktives Personalitätsprinzip 33, 165, 187 f. Alien Tort Claims Act (ATCA) 31, 216 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEM) 23, 127, 136 American Law Institute 47 Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) 53, 95 ff., 126, 129, 130 Anknüpfungspunkt 33, 86, 165 f., 187, 191 ff., 207 Anti-Diskriminierung 158, 162 Arabische Charta der Menschenrechte 37, 38, 126 ff., 130, 132, 135, 195, 208, 214 Arabische Menschenrechtskonvention siehe Arabische Charta der Menschenrechte Arbeitsbedingungen 25, 37, 164, 179, 216 Aufsichtspflichten 63 Auslandsniederlassung 27, 46, 49, 50 Auslegung von Menschenrechtsverträgen 52

Auslegungskompetenz 55, 98 f., 100, 121, 138, 190 f.,205, 211 Auslieferung 88 f., 93, 151, 187 Ausweisung 56, 88 f., 93, 151 Authority and Control 87, 116, 117, 118, 135, 206 Banjul-Charta siehe Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker Bankoviç and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States 85 ff., 89 ff., 152 Behinderung 23, 39, 167, 179 Belgien 33, 47, 85, 153, 155 Berichterstattung 215, 217 Betreuungspflichten 63, 64 Bindungswirkung 153 f., 190, 191 Bodenschätze 189 British Foreign and Commonwealth Office 199 Burma 33 Chiquita 32 Code of Conduct 27 f., 29 Committee on Economic, Social and Cultural Rights 39, 138, 156 ff. Committee on the Elimination of Discrimination against Women 169 Committee on the Elimination of Racial Discrimination 23, 169 Committee on the Rights of the Child 174 Core Obligation 158 ff., 166 Corporate Responsibility to Respect 34 Corporate Social Responsibility 215 f. Demokratische Republik Kongo v. Uganda 206 Domaine réservé 43 Drittwirkung – mittelbare 65, 68, 131 – unmittelbare 65, 68, 131

Stichwortverzeichnis Due Diligence 102, 108, 133, 141, 169, 170, 202, 217 Dynamische Auslegung/Interpretation/Weiterentwicklung 31,37, 40, 52, 56, 102, 129, 130, 161, 166, 182, 194, 198, 208, 210 Dynamisch-teleologischer Ansatz 56 Effektivitätsgrundsatz 52, 59, 131, 211 Effet utile siehe Effektivitätsgrundsatz Entwicklungsdynamik 207 ff. Ermessen/Ermessensspielraum 80, 97, 131, 201, 203 Espace juridique 117, 135, 189 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 24, 37, 38, 54 ff., 97, 101, 106 f., 115, 118, 126, 128 ff., 161, 171, 176, 188, 194, 197 f., 202, 206 ff., 214 Extraterritoriale Jurisdiktion 31 ff., 43, 117, 165 f., 185 ff., 193, 206, 216 Extraterritorialer Effekt 92 f., 95 Fair Balance 85, 203 Familienleben 59, 62, 70, 73, 94, 118, 130, 134 Familienunternehmen/Familienbetrieb 202, 179 Folter 39, 61, 68, 88, 94, 96, 101, 109, 130, 137, 143, 146, 151, 167 Folterkonvention 176 f., 193, 195 Gefährdung 62, 202 Geltungsbereich 83 ff., 115 ff., 125 ff., 153, 155, 183, 188, 190, 206 Generalversammlung 27, 154, 190, 200 Generelle Schutzpflichten 197 ff., 214 Gesundheit 58, 62, 63, 75, 119, 124, 137, 158, 162, 189 Gesundheitsschädigung/Gesundheitsbeeinträchtigung 76, 122, 124, 134, 179 Gewährleistungsrecht 160 Gewährleistungsziel 156 Gewerkschaft 74, 156, 163 Gleichbehandlung 25, 127 Gleichheitsgarantie 199 Global Reporting Initiative 215 Handlung – schädigende 37, 92, 108, 140, 145

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– staatliche 57, 58 ff., 64, 83, 88, 102, 176, 178 Handlungsaufforderung 156, 164 Heimatstaat 43, 46, 48, 78, 83, 92 Hoheitsgewalt 56, 65, 84 ff., 89 f., 131, 184 f., 188 ff., 193, 206 Hoheitsmacht 83 f., 86 ff., 117, 135, 153, 184, 188, 192, 206 Human Rights Committee (HRC) 39, 138 ff. Human Rights Impact Assessment 215, 217 Indigene Bevölkerung 23, 103, 105, 109, 113, 114, 134, 149, 163, 174 f., 180 f., 189, 192, 204 Indigenous People siehe Indigene Bevölkerung Individualbeschwerde 54, 97, 107 f., 109, 113 f., 120, 137, 138, 142, 145 ff., 152, 154, 168, 170, 176, 191 Individualpflicht 119 Industrielle Aktivitäten 25 ff., 30, 51, 73 f., 79, 134, 150 Informationspflichten 62 ff., 75 Innere Angelegenheiten 42 f. Institut de Droit International 47 International Labour Organization (ILO) 30, 45 f., 47 International Law Commission (ILC) 196 Internationaler Strafgerichtshof 24, 30 f., 200 Interventionsverbot 42 f., 135, 166, 206 Isaak and Others v. Turkey 90 f. Jurisdiktionsbereich 87, 93 Justizgewährungsrechte 96, 107, 119, 127 Karadzic, Radovan 32 Kinderarbeit 25 f., 92, 111, 134, 144, 163, 185 ff. Kinderhandel 185 ff. Kollektivrechte 119 Kontrolle – effektive 85 ff., 89 f., 91 f., 94 f., 117 f., 135, 188 f., 192 – lückenlose 80 – militärische 117, 206 – regelmäßige 82 – zentralisierte 45, 47, 48

252

Stichwortverzeichnis

Kontrollsystem 137, 212 Konventionsverletzung 54, 57, 97, 103, 110, 113, 186, 193 Konzernstrategie 46, 48 Konzession 110, 113, 124, 134, 149 Kriegsverbrechen 200 Kriegsverbrechertribunal 24 Lärm/Lärmemission 75, 77 f., 79, 134 Living Instrument 57, 72, 94, 106, 129, 146, 170,171, 194, 211, 212 Lotus-Fall 33 Marcos, Ferdinand 32 Maß der Transnationalität 50 Meinungsfreiheit 25, 137, 215 Menschenrechtskonferenz 209 Menschenrechtskonvention – afrikanische siehe Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker – amerikanische siehe Amerikanische Menschenrechtskonvention – arabische siehe Arabische Charta der Menschenrechte – europäische siehe Europäische Menschenrechtskonvention Menschenrechtsverletzung – extraterritoriale 117, 155, 206 – schwerste 24, 30, 34 – systematische 120 Mindestbeteiligung 44 Mindestgröße transnationaler Unternehmen 46 f. Mindestkontrolle 44, 46 Mindestpflicht siehe Core Obligation Misshandlung 26, 108, 145 Mittelstand 49 MOSOP-Bewegung 123 Mutterunternehmen 46, 48 Neue Internationale Wirtschaftsordnung 27 Niederlassung siehe Auslandsniederlassung OECD Leitsätze für Multinationale Unternehmen 30 Ogoni-Fall 122 f., 133, 134, 196 Öneryildiz v. Türkei 58, 63, 73, 110

Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) 30, 45 ff. Pakt von San José siehe Amerikanische Menschenrechtskonvention Paramilitärische Einheiten 26, 102, 108, 129 Passives Personalitätsprinzip 33, 187 Personalhoheit 42 Persönliche Freiheit 96, 101, 105, 118, 127, 199 Pflichtendifferenzierung 162, 171, 173 Pflichtenkategorisierung 139, 159 f., 161, 197 Pflichtenkonkretisierung 187 Positive Obligations siehe Staatliche Handlungspflichten Power of Effective Control-Doktrin 151 f. Privatisierung 81 ff. Progressive Rechtsverwirklichung 158, 161, 164, 195 Rahmenkonzept „Protect, Respect, Remedy“ 34, 51 Recht auf – Eigentum 64, 105, 109, 113, 118, 130, 134, 156, 158, 162 – Freiheit 70, 94, 96, 101, 105, 118, 119, 127, 130, 137 – körperliche Unversehrtheit 199 – Nahrung 124 f., 158, 162 – Wasser 158, 164 Rechtsgüterabwägung 203 Regelungspflichten 59, 64 Remedy 34 f., 145 Reputation 79, 143, 216 Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States 47 Rom-Statut 24, 30 f., 200 Ruggie, John G. siehe UN-Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte Schadensersatzklage 31 Schadstoffemissionen 75 ff., 79, 134 Schutz des Eigentums siehe Recht auf Eigentum Schutzadressat 56 Schutzmaßnahme 75, 150, 177, 204, 205 Schutzpflichtmaß 90, 115, 117, 201 ff.

Stichwortverzeichnis Schutzpflichtstandard 208 Schutzprinzip 33 Schutzrichtung 65, 172, 175, 186 Schutzverantwortung 159, 200 Schwellenländer 50 f. Shell 32, 33, 93, 122, 125 Sicherheit 61, 70, 76, 94, 95, 137, 146, 199, 210, 211 Sicherheitsdienste/Sicherheitskräfte 26, 67, 70, 101, 102 Siliadin v. France 69, 70, 207 Sklaverei 69 f., 94, 96, 130, 137, 144, 178, 179 Soering v. Großbritannien 88, 92 f., 152 Soft Law 153, 191 Sorgfaltspflicht 108, 133, 201, 203 Souveränität 41 f., 86, 92, 95, 190, 200 Souveränitätsprinzip 42, 117, 135, 165, 206 Sozialausschuss siehe Committee on Economic, Social and Cultural Rights Staatenbericht 97, 100, 107 ff., 114, 138, 144, 146, 154, 163, 168, 170, 179, 181, 188, 192 Staatenbeschwerde 54, 97 ff., 119, 127, 138, 198 Staatengemeinschaft 24, 43, 132, 160, 173, 197, 200 Staatenkonsens 34, 117, 155, 166, 175, 182 Staatenpraxis 33, 43, 121, 125, 198, 200, 212 Staatenverantwortlichkeit 196 Staatliche Handlungspflicht 55 ff., 73, 76, 94, 103 ff., 129, 139 ff., 145, 158, 204 Staatsangehöriger 31, 56, 187 Staatsangehörigkeit 41 Staatsgebiet 83 ff., 135, 155, 183 ff., 187 ff., 192 f., 206 Staatsgewalt 42 Staatsunternehmen 81, 83, 94, 150, 180 ff. Staatszugehörigkeit 48, 165, 188 Standard of Conduct 201 f. Standard of Result 201 State duty – to ensure 100 ff., 110 f., 127, 139, 141, 143, 150 f. 153, 158 f., 161, 170, 173 ff., 186, 203, 208 – to fulfil 123, 159 f., 170 – to promote 57, 121, 123, 170, 173, 209

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– to protect 34, 51, 123, 148, 159 f., 170, 173, 199, 206, 209 Sweatshop 25 Territorialität 84, 115 Territorialitätsgrundsatz 85 ff., 115 ff. Tochterunternehmen 33, 91, 92 Total S.A. 33, 93 Trend 51, 164, 175, 194 f., 214 Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy 30, 45 Überwachungssystem 131, 213 Umwelt 119, 122, 124, 134, 189, 199, 216 Umweltbeeinträchtigung 110, 111, 134 Umwelteinwirkung 75, 76 Umweltemissionen 73, 75 ff., 79 Umweltschaden/Umweltschädigung 114, 124, 134, 217 Umweltschutz 80, 215 Umweltverschmutzung 33 UN Code of Conduct on Transnational Corporations 27 f. UN Global Compact 29 UN-Normen für die Verantwortlichkeiten transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte 28 f. UN Subcommission on the Promotion and Protection of Human Rights 28 United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) 44, 46, 47, 49, 50 Universalitätsprinzip 33, 207, 209 UN-Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte 25, 28, 34, 51, 199, 217 Unterlassen 57, 58, 64, 66, 68, 69, 70, 76, 77, 92, 103, 110, 111, 113, 133, 148, 150, 170, 177, 183, 193, 195, 196 Unternehmen – multinationales 30, 44 ff., 78, 124, 162, 180 f. – staatliches siehe Staatsunternehmen – transnationales 23, 26 ff., 31 ff., 36, 38, 43 ff., 65, 78 ff. 83, 91 ff., 109, 115, 117 f., 131, 135, 147, 155, 156, 162 ff., 176, 178 ff., 186 ff., 202, 206 f., 216 ff.

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Stichwortverzeichnis

Unternehmensgröße 202 Untersuchungspflichten 60 ff., 64 USA 32 f., 50, 88, 92, 96, 153, 155, 171, 188, 189, 190, 191, 192 Velásquez-Rodríguez v. Honduras 100 ff., 106, 123, 141, 169 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 200 Vereinigungsfreiheit 25, 71 ff., 79, 94, 105, 113, 118, 130, 134, 137, 215 Verhaltenskodex 27, 29 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 60, 66, 115, 203, 204, 213 Verhältnismäßigkeitsprüfung 80 f., 102, 131 Versammlungsfreiheit 71 f., 73, 94, 137 Völkergewohnheitsrecht 33, 34, 86, 165, 166, 187, 191, 192, 197, 199 f., 207 Völkermord 200 Völkerstrafrecht 24

Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen 152, 168, 171 f., 192, 209 Wanderarbeiter 25, 39, 149, 150, 163, 167, 170, 178, 182, 184 Weak Governance Zone 26, 93, 95 Wiener Erklärung 209 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVRK) 52, 55, 98, 100, 117, 121, 154, 155, 177, 211 Wirkungsbereich 132 ff., 164, 194 ff. Wirkungsprinzip 33 World Investment Report 44, 49 Yahoo 32 Zulässigkeit 42, 65, 85, 90, 113 Zwangsarbeit 69 f., 94, 130, 148 f., 179 Zwangsmitgliedschaft 73, 74, 79