Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle – Nationaler Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle im Vergleich [1 ed.] 9783428557561, 9783428157563

Die Arbeit beleuchtet mit dem Nationalen Normenkontrollrat und dem EU-Ausschuss für Regulierungskontrolle zwei öffentlic

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Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle – Nationaler Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle im Vergleich [1 ed.]
 9783428557561, 9783428157563

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1411

Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle – Nationaler Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle im Vergleich Von

Robert Notbohm

Duncker & Humblot · Berlin

ROBERT NOTBOHM

Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle – Nationaler Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle im Vergleich

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1411

Wirkungen und Grenzen von Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle – Nationaler Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle im Vergleich

Von

Robert Notbohm

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück hat diese Arbeit im Jahr 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15756-3 (Print) ISBN 978-3-428-55756-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85756-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück im Wintersemester 2018/2019 als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Geschichte des europäischen öffentlichen Rechts und Verwaltungswissenschaften von Professorin Dr. Pascale Cancik. Relevantes Quellenmaterial und Literatur haben bis November 2018 Berücksichtigung gefunden. Ich möchte mich an dieser Stelle zunächst bei Professorin Dr. Pascale Cancik bedanken, die mich bereits während des juristischen Studiums zum kritischen Denken und wissenschaftlichen Arbeiten angeregt hat. Ohne die wissenschaftliche Neugier, die sie bei mir immer wieder aufs Neue geweckt hat, wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Während meiner Zeit an ihrem Lehrstuhl hat sie mich sowohl bei der Themenwahl als auch bei der Fertigung dieser Arbeit stets mit wertvollen Anstößen und kritischen Anregungen gefördert. Professor Dr. Oliver Dörr, LL. M. (Lond.), danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und die darin enthaltenen hilfreichen Hinweise. Ein aufrichtiger Dank gilt zudem meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für die stets unkomplizierte Zusammenarbeit, die gute Arbeitsatmosphäre sowie die zahlreichen Möglichkeiten zum fachlichen Austausch. Bedanken möchte ich mich ferner bei meinen Eltern, Cornelia und Uwe Notbohm, für ihre langjährige und unermüdliche Unterstützung während meines Studiums und weit darüber hinaus. Besonderer Dank gebührt schließlich meiner wunderbaren Ehefrau, Caroline Notbohm, für den unentwegten Rückhalt, ihre Geduld und ihren Zuspruch während des Schreibens dieser Arbeit. Insbesondere bin ich ihr für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die vielen nützlichen Anmerkungen dankbar. Osnabrück, im April 2019

Robert Notbohm

Inhaltsverzeichnis Einleitung 19 I.

Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

II.

Politische Rhetorik als wissenschaftliches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

III. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

1. Kapitel

Der Nationale Normenkontrollrat 30

A. Entstehung und Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Bürokratie und „Bürokratieabbau“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. „Bürokratieabbau“ in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Entwicklung der Verwaltungspolitik bis 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) „Schlanker Staat“ ab 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) „Aktivierender Staat“ ab 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 d) „Initiative Bürokratieabbau“ 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 e) „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ ab 2006 . . . . . . . . . . . . . 37 3. Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4. Institutionen zur Verbesserung der Rechtsetzung in den Bundesländern . . 44 5. Internationale Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 d) OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 e) Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6. Standardkosten-Modell als methodische Arbeitsgrundlage . . . . . . . . . . . . . 60 a) Modellbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Modellregion für den Bürokratieabbau Ostwestfalen-Lippe . . . . . . . . . 65 c) Vorarbeiten der privaten Fachhochschule des Mittelstands (FHM) . . . 66

8

Inhaltsverzeichnis d) Einfluss der Bertelsmann Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 e) Erweiterung des Standardkosten-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 7. Entstehungsprozess des NKRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) CDU / CSU-nahe Arbeitsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Gesetzesinitiative der Großen Koalition im Jahr 2005 . . . . . . . . . . . . . 75 c) Beratung und Beschluss des NKRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) Novelle des NKRG im Jahr 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 8. Zusammenfassende Analyse der Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 80 II.

Prüfaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Prüfungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Entwürfe für neue Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Stammgesetze zu Änderungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Entwürfe nachrangiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften . . . . . . . 84 d) Vorarbeiten zu Rechtsakten der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 e) Bei der Umsetzung von EU-Recht betroffene Regelungen . . . . . . . . . . 88 f) Bestehendes Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Bürokratiekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Erfüllungsaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Sonstige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Prüfungsaspekte nach § 4 Abs. 2 NKRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Ziel und Notwendigkeit der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Alternative Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 cc) Zeitpunkt des Inkrafttretens, Befristung und Evaluierung . . . . . . . 96 dd) Rechts- und Verwaltungsvereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ee) „gold plating“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Prüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Gesetzesinitiativen der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Gesetzesinitiativen des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

III. Arbeitsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Mitgliederauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Inkompatibilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Anbindung an das Bundeskanzleramt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Sekretariat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Inhaltsverzeichnis

9

3. Internes Arbeits- und Prüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Beratungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Beratung der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Beratung von Bundestag und Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5. Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) „Einfacher-zu“-Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Weitere Projekttätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c) Zielrichtung der Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6. Jahresberichte und weitere Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 7. Verhältnis zur Bundesministerialverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 8. Tätigkeitspensum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 9. Praktische und methodische Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Prüffristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Änderungen des Gesetzentwurfs im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Umgehung durch Einbringung aus der Mitte des Bundestages . . . . . . . 125 d) Quantifizierung des Nutzens einer Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 e) Vollzugskosten von Ländern und Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I.

Namenskritik am „Nationalen Normenkontrollrat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

II.

Selbstbeschreibung des Normenkontrollrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

III. Der Normenkontrollrat als politikberatendes Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Modelle wissenschaftlicher Politikberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Funktionen wissenschaftlicher Politikberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 IV. „Unpolitischer“ Charakter der Prüftätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. „Unpolitischer“ Auftrag des Normenkontrollrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Durchbrechung durch Erweiterung des Prüfmandats . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Politische Dimension von Folgekostenabschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 140 V.

Bedeutung für „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ . . . . . . . . . . . . . 144 1. „Methodenwächter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Institutionalisierung der Kontrolle von Teilen der Gesetzesfolgenabschätzung 146 3. Personalbedarf und Budgetmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

VI. Unabhängigkeit als zentrales Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Unabhängiger Status des Normenkontrollrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Einschränkung durch Rechtsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Anbindung an das Bundeskanzleramt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Auswahl der Mitglieder durch die Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

10

Inhaltsverzeichnis VII. Rechtliche Grenzen des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Fehlende normative Grundlage für Projekttätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Begrenzter Öffentlichkeitsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

C. Verfassungsrechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I.

Organisationsgewalt der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Beeinträchtigung des Kernbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Beeinträchtigung des Randbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

II.

Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

III. Gesetzgebungsrechte des Bundestages und Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 IV. Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Demokratische Legitimation des Normenkontrollrates . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Tendenz zur Entparlamentarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Die Rolle des Bundestages im politischen Entscheidungsprozess . . . . 183 b) Entparlamentarisierung durch Sachverständigengremien . . . . . . . . . . . 184 c) Beeinträchtigung des politischen Bewertungsmonopols des Parlaments 185 d) Schwächung der parlamentarischen Kontrollfunktion . . . . . . . . . . . . . . 188 e) Vernachlässigung parlamentarischer Folgenabschätzungsverantwortung 192 V.

Unzulässigkeit eines Selbstbefassungsrechts des Normenkontrollrates . . . . . . 198 1. Obligatorische Überprüfung von Bundestagsinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Obligatorische Überprüfung von Bundesratsinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . 203

VI. Abschnittsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

2. Kapitel

Der Ausschuss für Regulierungskontrolle 207

A. Entstehung und Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I.

Rahmenbedingungen und Vorläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. „Better Regulation“ in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Wesentliche Entwicklungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 c) Verringerung der Verwaltungslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 d) EU-REFIT-Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Folgenabschätzung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Entwicklung der Folgenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Verfahren der Folgenabschätzung in der Europäischen Kommission . . 224

Inhaltsverzeichnis

11

c) Methodische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Internationale Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 4. High Level Group unter Edmund Stoiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 5. Ausschuss für Folgenabschätzung als Vorläufer des Ausschusses für Regulierungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Tätigkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 6. Konkreter Entstehungsprozess des Ausschusses für Regulierungskontrolle 234 7. Zusammenfassende Analyse der Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 236 II.

Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Bewertungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Folgenabschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Wichtige Evaluierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Eignungsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Bewertungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Ablauf des Bewertungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4. Beratung der Kommissionsdienststellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

III. Arbeitsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Internes Arbeitsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4. Öffentlichkeitsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5. Tätigkeitspensum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 I. II.

Selbstbeschreibung des Ausschusses für Regulierungskontrolle . . . . . . . . . . . 252 Instrument zur Verbesserung der „Qualität“ der Unionsrechtsetzung . . . . . . . 253 1. Qualifizierung als „watchdog“ im Folgenabschätzungssystem der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Institutionalisierung der Kontrolle von kommissionseigenen Folgenabschät­ zungen und Evaluierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Methodische Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

III. Unabhängigkeit als wesentliche Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Auftrag zur unabhängigen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Differenzierung zwischen externen und kommissionsangehörigen Mitgliedern 261 3. Auswahl der Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4. Anbindung an das Generalsekretariat der Europäischen Kommission . . . . 263 IV. Relevanz im Rahmen der Deregulierungspolitik der Europäischen Kommission 265

12

Inhaltsverzeichnis

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I.

Initiativmonopol der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

II.

Kollegialprinzip der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

III. Institutionelles Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. Herleitung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Ungleichgewicht durch das Folgenabschätzungssystem der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 IV. Unionaler Grundsatz der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Vermittlung demokratischer Legitimation in der Europäischen Union . . . . 279 2. Legitimationsniveau des Ausschusses für Regulierungskontrolle . . . . . . . . 280 3. Unzureichende Kontrollrechte des Europäischen Parlaments im Hinblick auf das Folgenabschätzungssystem der Europäischen Kommission . . . . . . 282 a) Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments als Ausfluss des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Wesentliche Kontrollrechte des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . 284 c) Kontrolle durch Überprüfung der Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 d) Kontrolle durch Anfertigung parlamentseigener Folgenabschätzungen zu Legislativvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 V.

Verantwortung der Unionsgesetzgeber für die „Qualität“ und Folgen der Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

VI. Abschnittsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

3. Kapitel Institutionenvergleich zwischen Nationalem Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle 299



A. Rechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 I.

Rechtsgrundlage der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Regelungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Auswirkungen auf die Änderungsbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

II.

Organisatorische Anbindung an die Exekutivspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

III. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 1. Personelle Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Auswahl und Vergütung der Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 4. Unabhängigkeit als symbolische Zuschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Inhaltsverzeichnis I.

13

Vergleich der Folgenabschätzungssysteme in Deutschland und der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Regelungsstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 2. Inhaltliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 3. Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

II.

Prüfungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Wirkungsanalysen zu neuen Regelungsentwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2. Wirkungsanalysen zu bestehenden Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

III. Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Kostenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 2. Vollumfängliche Folgenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 IV. Prüfungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 V.

Prüfungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Methodisches Prüfungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 2. Inhaltliches Prüfungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3. Stellungnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

VI. Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . 326 I.

Dominanz von Bundesregierung und Europäischer Kommission . . . . . . . . . . 327 1. Faktisches Folgenabschätzungsmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Untermauerung durch exekutive Folgenabschätzungskontrolle . . . . . . . . . 328 3. Gefahr des Abbaus kostenintensiver Schutzstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Fokussierung der Folgenabschätzungen auf ökonomische Auswirkungen 329 b) Verstärkung durch die deutsche „one in, one out“-Regel und das europäische REFIT-Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 c) Unzureichende Beteiligung der eigentlichen Legislativorgane . . . . . . . 332

II.

Rolle der Parlamente in der Folgenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 1. Folgenabschätzungsinstrumente des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 a) Sachverständigenanhörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Wissenschaftliche Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 c) Büro für Technikfolgenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 d) Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . 339 2. Folgenabschätzungsinstrumente des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . 340 a) Science and Technology Options Assessment (STOA) . . . . . . . . . . . . . 341 b) Beauftragung externer Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 c) Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ . . . . . . 342 3. Parlamentarische Folgenabschätzungen als Gegengewicht . . . . . . . . . . . . . 344

14

Inhaltsverzeichnis III. Alternative Strukturierung der Folgenabschätzungskontrolle . . . . . . . . . . . . . 348 1. Anbindung an den Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 2. Alternativ besetztes Kontrollgremium auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . 351 a) Extern besetztes Kontrollgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Paritätisch besetztes Kontrollgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

D. Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 I.

Zukunft der Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Entwicklung in Deutschland und der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . 354 2. Entwicklung in anderen europäischen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

II.

Weiterentwicklung von Konzept und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

E. Abschnittsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

4. Kapitel

Zusammenfassung in Thesen 362

A. Nationaler Normenkontrollrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 B. Ausschuss für Regulierungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 C. Institutionenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Materialverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht Abg. Abgeordneter ABl. Amtsblatt Abs. Absatz ACTAL AdviesCollege Toetsing Administratieve Lasten a. D. außer Dienst AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung Alt. Alternative AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel ATR Adviescollege Toetsing Regeldruk Aufl. Auflage AWV Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. BayRS Bayerische Rechtssammlung Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckOK Beck’sche Online-Kommentare Begr. Begründer BGBl. Bundesgesetzblatt BMF Bundesministerium der Finanzen Drucksachen des Bundesrates BR-Drs. BT-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundestages BT-Prot. Protokolle des Deutschen Bundestages BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE bzw. beziehungsweise CBO Congressional Budget Office CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CML Rev. Common Market Law Review CSU Christlich-Soziale Union in Bayern dass. dasselbe ders. derselbe dies. dieselbe(n) dms der moderne staat (Zeitschrift) DÖV Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung DRiZ Drs. Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt DVBl.

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Abkürzungsverzeichnis

Europäische Gemeinschaft EG Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR European Journal of Risk Regulation EJRR European Law Journal ELJ engl. englisch EP Europäisches Parlament et cetera etc. Gesetz zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats EthRG Europäische Union EU Europäisches Gericht erster Instanz EuG Europäischer Gerichtshof EuGH Europarecht (Zeitschrift) EuR Vertrag über die Europäische Union EUV Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG f. folgend Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ Freie Demokratische Partei FDP ff. folgende Fachhochschule des Mittelstands FHM Fn. Fußnote frz. französisch FS Festschrift Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof GA Gesetz zur Regelung der Gentechnik GenTG GewArch Gewerbearchiv GFA Gesetzesfolgenabschätzung Gesellschaft für Programmforschung GfP GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien GGO Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH Gemeinsames Ministerialblatt GMBl. GO Geschäftsordnung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages GOBT GS Gedenkschrift GVBl. / GVOBl. Gesetz- und Verordnungsblatt (Bezeichnung variiert nach Bundesland) Grundlagen des Verwaltungsrechts GVwR Hrsg. Herausgeber Handbuch des Staatsrechts HStR Impact Assessment Board IAB Industrie- und Handelskammer IHK Interdepartementale Projectdirectie Administratieve Lasten IPAL im Sinne von i. S. v. in Verbindung mit i. V. m. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. IW JbUTR Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts Journal of European Public Policy JEPP

Abkürzungsverzeichnis

17

Journal of International Economic Law JIEL Juristische Schulung JuS JZ JuristenZeitung Kap. Kapitel Kfz Kraftfahrzeug KMU kleine und mittlere Unternehmen Kommunaljurist (Zeitschrift) KommJur Landkreistag Nordrhein-Westfalen LKT NRW Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) LKV MBl. Ministerialblatt Mio. Million(en) Meetinstrument Administratieve Lasten Mistral Maastricht Journal of European and Comparative Law MJ Mrd. Milliarde(n) M.-V. Mecklenburg-Vorpommern neue Fassung n. F. Neue Juristische Wochenschrift NJW Nationaler Normenkontrollrat NKR Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates NKRG No. Number Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland NordÖR Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NWVBl. Nationales Zentrum für Bürokratiekostenabbau NZBA Neue Zeitschrift für Sozialrecht NZS Organisation for Economic Co-operation and Development OECD Organisation for European Economic Co-Operation OEEC OIRA Office of Information and Regulatory Affairs Office of Management and Budget OMB OWL Ostwestfalen-Lippe Die Personalvertretung (Zeitschrift) PersV Political Science Applied (Zeitschrift) PSCA Regulatory Fitness and Performance Programme REFIT RL Richtlinie Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Regulatory Scrutiny Board RSB Seite / Satz S. Sächsische Verwaltungsblätter SächsVBl. Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der SachvRatG gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Schl.-H. Schleswig-Holstein SGB Sozialgesetzbuch SKM Standardkosten-Modell Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des EuSlg. ropäischen Gerichts erster Instanz

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Abkürzungsverzeichnis

sog. sogenannte(n) Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD Spstr. Spiegelstrich StAnz. Staatsanzeiger Science and Technology Options Assessment STOA StUG Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Süddeutsche Zeitung SZ unter anderem / und andere u. a. UAbs. Unterabsatz United Kingdom UK United States of America USA United States Code U. S. C. von / vom v. Var. Variante VerfGH Verfassungsgerichtshof VerwArch Verwaltungsarchiv vgl. vergleiche Verwaltung & Management (Zeitschrift) VM Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A VOB / A Vol. Volume VR Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VVDStRL VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz wirtschaftsrechtliche blätter wbl Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV zum Beispiel z. B. Zeitschrift für Rechtssoziologie ZfRSoz Zeitschrift für Gesetzgebung ZG Ziff. Ziffer Zeitschrift für das Juristische Studium ZJS Zeitschrift für öffentliches Recht. Journal of Public Law ZÖR Zeitschrift für Parlamentsfragen ZParl Zeitschrift für Politikberatung ZPB Zeitschrift für Rechtspolitik ZRP Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften ZSE Zeitschrift für Umweltrecht ZUR

„Das mindeste, was der Bürger im Rechtsstaat von Parla­ment und Regierung bei der Gesetzgebung erwarten kann und muß, ist, daß keine Ex- und Hopp-Gesetze verabschiedet werden, und daß die Folgen einer gesetzlichen Regelung sorgfältig abgeschätzt werden.“1

Einleitung Im Zuge des weitläufigen, internationalen Reformbereichs „Better Regulation“ rücken seit der Jahrtausendwende vor allem in Europa die Bemühungen in den Vordergrund, den Regierungen Instrumente an die Hand zu geben, um „qualitativ hochwertige“ Regulierungen und Gesetze zu produzieren. Diese Bemühungen entspringen in erster Linie wirtschaftspolitischen Motiven. Insbesondere durch die Durchführung von Folgenabschätzungen sollen die politischen Akteure in die Lage versetzt werden, Rechtsakte zu erlassen, die die Wirtschaft möglichst wenig belasten. Davon erhofft sich die Politik, den Wohlstand und die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch im Zeitalter der Globalisierung gewährleisten zu können. Viele Inhalte des vagen Reformkonzepts „Better Regulation“ sind jedoch nicht neu, sondern greifen nur das auf, was in Deutschland und auch in der Europäischen Union vor allem seit den 1980-er Jahren mehr oder weniger erfolglos praktiziert wurde. Dazu gehört insbesondere das unbestimmte Dauerthema „Bürokratieabbau“. Es bildet in Deutschland einen zentralen Bestandteil des im Jahr 2006 gestarteten Regierungsprogramms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ der Großen Koalition. Nicht geringer ist die Bedeutung des „Bürokratieabbaus“ auf Ebene der EU, wo er unter dem Stichwort „Verringerung von Verwaltungslasten“ vorangetrieben wird. Während Deutschland im Rahmen des genannten Regierungsprogramms unter Rückgriff auf das in seinem Anwendungsbereich beschränkte Standardkosten-Modell den „Bürokratieabbau“ forciert, führt die Europäische Kommission, um selbigen zu erreichen, seit 2005 umfassende Folgenabschätzungen zu neuen Regelungsentwürfen durch. In beiden „Regierungssystemen“ existieren trotz des unterschiedlichen Ansatzes mittlerweile in ihrer Funktionsweise ähnliche Instanzen, die kontrollieren, ob die Verfasser von Gesetzentwürfen in Bundesregierung bzw. Europäischer Kommission die jeweiligen Vorgaben zum „Bürokratieabbau“ und zur „besseren Rechtsetzung“ einhalten. In Deutschland erfüllt seit 2006 der Nationale Normenkontrollrat diese Kontrollaufgabe. Auf Unionsebene ist es seit 2015 der Ausschuss für Regulierungskontrolle (Regulatory Scrutiny Board), der die Folgenabschätzungen der Kommission überprüft. Der hinter dem Nationalen Normenkontrollrat und dem europäischen Ausschuss für Regulierungskontrolle stehende Versuch, „Bürokratie“ durch neue bürokratische Strukturen abbauen zu wollen, entbehrt auf den ersten Blick nicht 1

v. Münch, NJW 1999, 3023 (3024); ebenfalls zitiert von Seckelmann, ZRP 2010, 213 (213).

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Einleitung

einer gewissen Absurdität. Jedoch beruht die Einsetzung der untersuchten Gremien auf verwaltungswissenschaftlichen, vor allem durch die OECD verbreiteten Forschungserkenntnissen. Diese besagen, dass in staatlichen Behörden ansässige Verfasser von Regelungsentwürfen Vorgaben für Gesetzesfolgenabschätzungen häufig nur dann berücksichtigen, wenn eine möglichst unabhängige Instanz deren Einhaltung institutionell kontrolliert.

I. Gegenstand der Untersuchung Sowohl der Nationale Normenkontrollrat als auch der Ausschuss für Regulierungskontrolle sind bei der jeweiligen Exekutivspitze (Bundeskanzleramt bzw. Generalsekretariat der Europäischen Kommission) angesiedelt.2 Ihre Funktion besteht nicht – wie teils fälschlicherweise angenommen – darin, selbst Kostenmessungen und Folgenabschätzungen zu neuen Rechtsakten vorzunehmen. Vielmehr überprüfen sie in einem frühen Stadium des Rechtsetzungsverfahrens die aus der Exekutive stammenden Folgenabschätzungen zu neuen Regelungsentwürfen. Aus diesem Grund und angesichts ihrer organisatorischen Anbindung stellen sie Institutionen exekutiver Folgenabschätzungskontrolle dar. Die Leitfragen, die dieser Untersuchung zugrunde liegen, kreisen zum einen um die Wirkungen, die diese beiden Institutionen in verwaltungswissenschaftlicher, politischer und rechtlicher Hinsicht haben. Zum anderen sollen die methodisch-ökonomischen und insbesondere die verfassungsrechtlichen Grenzen herausgearbeitet werden, denen die untersuchten Sachverständigengremien unterliegen. Um diesbezüglich Forschungserkenntnisse zu erzielen, ist zwangsläufig ein interdisziplinärer Ansatz notwendig. Eine rein rechtsdogmatische und rechtsquellentheoretische Untersuchung hilft an dieser Stelle nicht weiter, da der Normenkontrollrat und der Ausschuss für Regulierungskontrolle ihre Wirkung vor allem im frühen, innerexekutiven Willensbildungsprozess der Gesetzesentstehung entfalten. Dieser Prozess ist jedoch sowohl vom deutschen Grundgesetz als auch von den europäischen Verträgen kaum geregelt. Daher sind allein rechtliche Gesichtspunkte weder ausschlaggebend noch ausreichend, um die Tätigkeit von Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle bewerten zu können. So bedarf der den Gremien normativ zugewiesene Kontrollauftrag einer Überprüfung im Hinblick darauf, ob er auf praktisch nachvollziehbaren Annahmen beruht und mit brauchbaren Methoden ausgeübt wird. Ohne Rückgriff auf wirtschafts- und verwaltungswissenschaftliche Einblicke wäre eine entsprechende Einschätzung nur bedingt 2

Entsprechend nationalem Verfassungsrecht erfolgte die Ansiedlung folglich bei der Gubernative. Da im Unionsverfassungsrecht der Ort der Gubernative jedoch nicht eindeutig zwischen Kommission, Rat und Europäischem Rat verortet werden kann, wird in diesem Kontext auf den allgemeineren Begriff der Exekutive, womit die Kommission gemeint ist, zurückgegriffen; zum unklaren Ort der Gubernative in der Union v. Alemann, Handlungsform, S. 73; Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 6, Kap. 1 Rn. 393 ff.; Möllers, Gewaltengliederung, S. 271 ff.

Einleitung

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sinnvoll. Ebenso ist es ausschließlich mithilfe politikwissenschaftlicher Erkenntnisse und Ansätze möglich, Aussagen darüber zu treffen, in welchem tatsächlichen Verhältnis die untersuchten Institutionen zu den anderen am Rechtsetzungsprozess beteiligten Organen stehen. Erst auf der Grundlage dieses Wissens kann eine verlässliche verfassungsrechtliche Beurteilung der Institutionen, ihres Mandats und ihrer Tätigkeit vorgenommen werden. Da sich die Tätigkeit von Normenkontrollrat und Ausschuss an einer „Nahtstelle zwischen Legislative und Exekutive“3 vollzieht, liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit im Verfassungsorganisationsrecht. Zentraler Ausgangspunkt ist die Forschungsfrage, ob die von den beiden Gremien durchgeführte Folgenabschätzungskontrolle in materieller Hinsicht nicht in erster Linie eine Aufgabe der Legislative, also der demokratisch unmittelbar legitimierten Parlamente, darstellt. Denn es sind der Deutsche Bundestag und auf Unionsebene (neben dem Ministerrat) auch das Europäische Parlament, die abschließend über das Zustandekommen der Rechtsakte entscheiden. Aus diesem Grund muss gewährleistet sein, dass die Legislativorgane über die möglichen Auswirkungen der von ihnen beschlossenen Gesetze, die das zentrale Steuerungsinstrument hoheitlicher Gewalt darstellen, informiert sind. Einiges deutet darauf hin, dass ein hinreichendes Informationsniveau erst dann erreicht ist, wenn die Folgenabschätzungskontrolle im unmittelbaren, politischen Einflussbereich der Legislative stattfindet. Ein scheinbar unabhängiges, aber bei der Exekutive angesiedeltes Sachverständigengremium, das möglicherweise über eine inhaltlich-methodische Prüfungskompetenz im Hinblick auf Gesetzeswirkungen verfügt, erscheint dagegen vor allem im parlamentarischen Regierungssystem Deutschlands als Fremdkörper. Ebenso muss für die Unionsebene geklärt werden, wie weit der Einflussbereich der Kommission in Bezug auf die Folgenabschätzungen zu den von ihr vorgeschlagenen Initiativen reicht. Ausschlaggebend wird schließlich sein, ob sich über rechtspolitische Desiderate hinaus einerseits im Grundgesetz und andererseits in den europäischen Verträgen verfassungsrechtlich hinreichend konkrete Maßstäbe finden lassen, die die Verfassungswidrigkeit der exekutiven Folgenabschätzungskontrolle nahelegen. Eng mit dieser zentralen Ausgangsfrage sind weitere systematische Leitaspekte verbunden, welche die vorliegende Untersuchung prägen und an verschiedenen Stellen immer wieder Relevanz erlangen. Es handelt sich zunächst um die Frage nach dem Prüfungsumfang der beiden Sachverständigengremien. Dieser verrät bereits viel darüber, was sich „die Politik“ von den Gremien ursprünglich erhoffte. Während der Normenkontrollrat anfangs lediglich die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten für Unternehmen beachtet hat, verfolgte das Mandat des Ausschusses von Beginn an einen weiten Ansatz, der alle wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen einschließlich der Bürgerperspektive umfasste. Der Prüfungsumfang hängt unmittelbar auch davon ab, welche Auswirkungen die Verfasser von Gesetzentwürfen in der Bundesregierung bzw. in der Europäischen 3

So für den Normenkontrollrat Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (417).

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Kommission generell ermitteln und darlegen müssen. Nicht zuletzt in dieser Hinsicht bestehen deutliche Unterschiede zwischen bundesdeutscher und europäischer Ebene, die im Vergleichskapitel zur Sprache kommen. Ebenso steht die den Gremien verliehene Unabhängigkeit im Fokus der Untersuchung. Sie soll die Neutralität der Sachentscheidungen gewährleisten. Es bestehen aber berechtigte Zweifel daran, ob insbesondere die Vorgaben der Besetzungsverfahren genügen, um den Gremien ein für ihre Funktion hinreichendes Maß an Unabhängigkeit zu erteilen. Da der Normenkontrollrat zudem ausdrücklich einer Rechtsaufsicht durch das Bundeskanzleramt unterliegt, ist fraglich, wie weit sein unabhängiges Mandat tatsächlich reicht. Die Einsetzung beratender Sachverständigengremien provoziert häufig den Vorwurf der „Expertokratie“. Dahinter verbirgt sich die Befürchtung, dass im Sinne einer „Depolitisierung“ zentrale Entscheidungen letztlich nicht mehr von den demokratisch legitimierten Verfassungsorganen getroffen werden, sondern Fachleute allein anhand ökonomisch rationaler Kriterien wichtige politische Beschlüsse inhaltlich vorprägen. Da der Normenkontrollrat und der Ausschuss an der jeweiligen exekutiven Rechtsetzungsvorbereitung partizipieren, besteht auch durch sie grundsätzlich die Gefahr einer „expertokratischen“ Einflussnahme. Zwar besagt das Mandat des Ausschusses für Regulierungskontrolle, dass er nur die Wirkungsanalysen der Europäischen Kommission, nicht aber deren Legislativvorschläge unmittelbar bewerten darf. Allerdings enthalten bereits die Folgenabschätzungen bedeutsame inhaltliche Weichenstellungen im Hinblick auf den späteren Rechtsakt, die der Ausschuss überprüfen darf. Der Gefahr einer inhaltlichen Mitwirkung begegnet das Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKRG), indem es in § 1 Abs. 4 betont, dass Ziele und Zwecke einer Regelung nicht Prüfungsgegenstand des Rates sind. Demnach soll die Tätigkeit des Normenkontrollrates auf einem „unpolitischen Mandat“ beruhen, das zunächst im begrenzten methodischen Ansatz des Standardkosten-Modells seine Grundlage fand. Mit der Erweiterung des Prüfauftrages um den Erfüllungsaufwand wuchsen jedoch die Zweifel an diesem vermeintlich unpolitischen Auftrag. Entzündet hat sich die Debatte um eine möglicherweise mittelbare politische Einflussnahme insbesondere an der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015. Der Normenkontrollrat machte diesen wiederholt dafür verantwortlich, dass der Erfüllungsaufwand und damit die jährlichen Folgekosten für Unternehmen angesichts der zusätzlichen Lohnkosten um 5,2 Mrd. Euro angestiegen seien.4 Allein die Anhebung des Mindestlohns zum 01. Januar 2017 von 8,50 Euro pro Stunde auf 8,84 Euro pro Stunde taxierte der Normenkontrollrat als Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, der mit einer weiteren Mrd. Euro jährlich zu Buche schlage.5 Kritik kam daraufhin vor al 4

NKR, Jahresbericht 2016, S. 24; zunächst war der Normenkontrollrat angesichts der Schätzungen des Bundesarbeitsministeriums sogar von einem Anstieg von 9,2 Mrd. Euro ausgegangen, NKR, Jahresbericht 2015, S. 14; ders., Jahresbericht 2014, S. 29. 5 NKR, Jahresbericht 2017, S. 12.

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lem von der damals amtierenden Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die dem Normenkontrollrat vorwarf, „dass er seinen Auftrag entweder nicht verstanden hat oder einer klaren politischen Zielsetzung folgt“6. Hintergrund des Streits war die Frage, ob die Höhe der Lohn- und Personalkosten überhaupt als relevanter Aufwand für Unternehmen gewertet werden könne.

II. Politische Rhetorik als wissenschaftliches Problem Im Zentrum der Diskussionen um „Bürokratieabbau“ und „bessere Rechtsetzung“ steht wiederholt eine Terminologie, die politisch aufgeladen ist. Es geht vor allem um Begrifflichkeiten wie etwa „Bürokratiekosten“, „administrative Lasten“ und um die „Qualität“ der Gesetzgebung. Gemein ist den Begriffen, dass sie in ihrer Bedeutung ungenau bleiben, aber von den Agenda-Settern und politischen Akteuren zielgerichtet in einer bestimmten Konnotation gebraucht werden, um der Öffentlichkeit ein vorgeprägtes Bild zu vermitteln. In den Kommunikationswissenschaften wird dieser Vorgang als „Framing“ bezeichnet. So gelten „Bürokratiekosten“, „bürokratische Lasten“ und „administrative Lasten“ bzw. „Verwaltungslasten“ gemeinhin als überflüssig oder gar schädlich. Aus diesem Grund lassen sich diese Begriffe in solchen politischen Programmen wiederfinden, deren Ziel es ist, entsprechende Vorgaben, die angeblich zu „Bürokratiekosten“ führen, abzubauen. Ob sich hingegen hinter diesen Begriffen tatsächlich etwas objektiv Unnötiges verbirgt oder ob es lediglich aus einer bestimmten politischen Richtung als solches betrachtet wird, bleibt offen. Ähnliches gilt in umgekehrter Weise für den Begriff der „Qualität“ in Bezug auf Gesetze. Qualität beschreibt in der Alltagssprache die Eigenschaften und Anforderungen, die ein Produkt erfüllen und haben sollte, damit es den Ansprüchen der Konsumenten genügt. Demzufolge versprechen viele Regierungsprogramme auf nationaler und internationaler Ebene, die „Qualität“ der Rechtsetzung verbessern zu wollen. Das ist letztlich auch das Ziel, das hinter der Einsetzung des Normenkontrollrates und des Ausschusses für Regulierungskontrolle steht. Wenn von „Qualitätsanforderungen“ an Gesetze die Rede ist, bleibt aber zunächst unklar, ob damit politische oder gesetzestechnische Maßstäbe gemeint sind. Nicht immer kann zwischen diesen beiden Gesichtspunkten in der Praxis scharf getrennt werden.7 Die in jeder Folgenabschätzung thematisierte Frage, ob eine gesetzliche Regelung „notwendig“ ist, stellt etwa eine politische Frage dar, über die in einer Demokratie verschiedene Parteien streiten. Mehr oder weniger objektive Krite 6

FAZ Nr. 160 v. 13.07.2017, S. 17. Ausführlich dazu und zum Folgenden Fliedner, Rechtsetzung, S. 61 f.; ähnlich Jantz, dms 2015, 385 (402 f.); Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (863); zur Unterscheidung zwischen gesetzestechnischer und inhaltlicher Qualität auch Grüner, Quantität und Qualität, S. 23 ff.; dasselbe Problem besteht im Hinblick auf die Begriffe „bessere Rechtsetzung“ bzw. „Better Regulation“, dazu unter Kap. 2, A. I. 1. 7

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rien können daher allenfalls im Hinblick auf die gesetzestechnische bzw. gesetzgebungsfachliche Qualität formuliert werden. Obwohl die genannten Begriffe folglich nicht selten politisch besetzt sind, werden sie im Laufe dieser Untersuchung benutzt, um die Ziele und Inhalte der entsprechenden politischen Programmatiken exakt beschreiben zu können. Die Übernahme dieser Begriffe bedeutet jedoch nicht, dass das dahinter stehende politische Konzept und die damit verbundene Begriffsbildung kritiklos bleiben. An unterschiedlichen Stellen der Arbeit erfolgt die jeweils gebotene Auseinandersetzung.

III. Forschungsstand Die vorliegende Abhandlung betrifft neben der Staatsrechtslehre in einem größeren Kontext vor allem Fragen, die der Gesetzgebungslehre (zum Teil auch als Gesetzgebungswissenschaft oder Gesetzgebungstheorie bezeichnet) zuzuordnen sind. Die Ursprünge der Gesetzgebungslehre reichen zurück in die Tradition der Rechtswissenschaft um 1900.8 Einen erheblichen Bedeutungszuwachs hat die Gesetzgebungslehre im deutschsprachigen Raum erst wieder seit den 1970-er Jahren erfahren. Ihre Wiederentdeckung war dem Befund geschuldet, dass zu viele unnötige und schlechte Gesetze verabschiedet würden.9 Die Gesetzgebungslehre gilt als interdisziplinäres, vor allem in den Rechtswissenschaften angesiedeltes Fachgebiet. Vordenker der wiedererweckten Gesetzgebungslehre waren zunächst Werner Maihofer, Jürgen Rödig und Peter Noll. Letzterer legte im Jahr 1973 ein viel beachtetes Lehrbuch zur Gesetzgebungslehre vor, in dem er der Rechtswissenschaft ein „neues Interesse für Gesetzgebung“ attestierte.10 Später traten Autoren wie Ulrich Karpen und Michael Kloepfer als Vertreter der Gesetzgebungslehre in Erscheinung. In Abkehr von der klassischen Gesetzgebungslehre plädierte Gunnar Folke Schuppert hingegen für eine moderne, problemlösungsorientierte Regelungswissenschaft, die der Governance-Perspektive Rechnung trägt.11 Die Gesetzgebungslehre beschäftigt sich vor allem mit der Gesetzesmethodik. Sie bezieht sich damit auf das „innere“ Gesetzgebungsverfahren, das nicht in der Verfassung geregelt ist und den vom äußeren Verfahrensablauf zu unterscheiden 8

So Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 1 Fn. 3; ebenso zur langen Geschichte der Gesetzgebungslehre Mertens, Gesetzgebungskunst, S. 4, 6; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 24; andeutungsweise Meßerschmidt, ZJS 2008, 111 (113). 9 Maihofer, in: Winkler / Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S. 3 (3 f.); zum „ständig wachsenden Umfang der Gesetzesproduktion“ Noll, Gesetzgebungslehre, S. 29 f.; dazu aus heutiger Sicht Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 3; zum historischen Befund, dass die Forderung nach möglichst wenigen, kurzen und sich auf das Wesentliche beschränkenden Gesetzen die Gesetzgebungsdiskussion seit ihrer frühesten Zeit begleitete, Mertens, Gesetzgebungskunst, S. 17, 406 ff. 10 Noll, Gesetzgebungslehre, S. 29 ff. 11 Schuppert, Governance und Rechtsetzung, S. 99 ff., 105.

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den Willens- und Entscheidungsbildungsprozess bei der Gesetzesentstehung beschreibt12. Es ist die Phase des Gesetzgebungsprozesses, in der die Gesetzesfolgenabschätzung in der Exekutive sowie deren „unabhängige“, institutionalisierte Kontrolle ansetzen und stattfinden. Als Teilaspekt der Gesetzgebungslehre streift diese Untersuchung am Rande auch die zuletzt wieder aktuelle Diskussion, ob sich dem deutschen und europäischen Verfassungsrecht Vorgaben für eine rationale Gesetzgebung entnehmen lassen13. Als Aufgabe einer kritischen Gesetzgebungslehre formulierte Klaus Meßerschmidt, dass sie „stets die politischen Implikationen von Reformbestrebungen untersuchen [muss], die sich vordergründig allein auf die Gesetzesqualität und die Rationalität des Gesetzgebungsprozesses beziehen, im – vielfach durchaus gewollten – Ergebnis aber zu einer Gewichtsverschiebung zwischen den Gewalten führen würden“14. In diesem Sinne macht es sich diese Arbeit zum Ziel, neben der Einsetzung des Normenkontrollrates sowie des Ausschusses für Regulierungskontrolle die daraus resultierenden Folgewirkungen auf den Rechtsetzungsprozess zu hinterfragen und rechtlich zu bewerten. Da der Normenkontrollrat bereits mehr als ein Jahrzehnt als „Beratungs- und Kontrollgremium“ der Bundesregierung tätig ist, war er wiederholt – jedenfalls am Rande – Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle wurde hingegen bislang nur beiläufig erwähnt. Da er erst seit 2015 existiert, ist auch ein Vergleich zwischen ihm und dem Normenkontrollrat bisher nicht erfolgt. Ebenso wenig gibt es eine umfassende Untersuchung, die die Systematik der Gesetzesfolgenabschätzung im Bund mit dem Folgenabschätzungsregime auf Ebene der Europäischen Union vergleicht. 1. Deutschland Die anfängliche Unsicherheit in den Politik- und Rechtswissenschaften über die Rolle des Normenkontrollrates im Gesetzgebungsverfahren spiegelte sich zunächst in unterschiedlichen Hundemetaphern wider. Die gewählten Bezeichnungen für den Normenkontrollrat reichten von „Schoßhund“15 über „kastrierten Hund“16

12 Der Terminus „inneres Gesetzgebungsverfahren“ geht zurück auf Schwerdtfeger, in: ­ tödter / Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, S. 173 (173) und ist heute weit verbreitet, siehe Hoffmann, S ZG 1990, 97 (98 f.); Hugo, Vernehmlassung, S. 50; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (160 f.); Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Bd. II, Vor Art. 76 ff. Rn. 6; Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (114). 13 Dazu zuletzt Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 410 ff.; Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 73 ff.; Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 131 ff. 14 Meßerschmidt, ZJS 2008, 224 (224). 15 Dazu Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (117). 16 Abg. Zeil (FDP), BT-Prot. 16/79, S. 7805.

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sowie „Wachhund“17 bis zum „gefährlichen Pitbull“18. Mittlerweile hat sich in den Politik- und Verwaltungswissenschaften ein etwas eindeutigeres Bild über die Bedeutung des Sachverständigengremiums herauskristallisiert. Insbesondere Werner Jann wies wiederholt darauf hin, dass die besondere Bedeutung des Normenkontrollrates sowie des Standardkosten-Modells darin liege, in der ministeriellen Gesetzgebungsvorbereitung den Einfluss der Generalisten und Regulierungsskeptikern gegenüber den Spezialisten und Regulierungsbefürwortern zu stärken. Erreicht werde dies, indem neue, bisher nicht vorhandene Informationen über die Kosten von Gesetzen erhoben und transparent gemacht würden.19 Sylvia Veit und Kai Wegrich näherten sich dem Normenkontrollrat hingegen mittels empirischer Befunde. Sie untersuchten jeweils, wie der Normenkontrollrat erfolgreich innerhalb der deutschen Regierungsorganisation institutionalisiert wurde und welches Vorgehen er wählte, um von den Ressorts mit seinen Bedenken zu Gesetzentwürfen gehört zu werden.20 Trotz dieser Ansätze fehlt es an einer umfassenden Darstellung des Normenkontrollrates in deskriptiver, empirischer und politikwissenschaftlicher Hinsicht, die über Einzelaspekte in Fachbeiträgen hinausgeht. Noch lückenhafter ist das Ergebnis mit Blick auf die Rechtswissenschaften. Über einige wenige Fachbeiträge und -aufsätze hinaus hat der Normenkontrollrat dort bislang nur am Rande Aufmerksamkeit erfahren. Insbesondere Leitaspekte des Gremiums wie seine „Unabhängigkeit“ und sein „unpolitisches Mandat“, aber auch sein wachsendes Aufgabenfeld wurden aus rechtlicher Hinsicht kaum thematisiert. Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Normenkontrollrates blieb bis heute oberflächlich, obwohl er bei jedem Gesetzentwurf, der von der Bundesregierung stammt, vor der Kabinettsbefassung beteiligt wird. Versuche einer vagen verfassungsrechtlichen Würdigung gab es zunächst nur in den Sachverständigenanhörungen, die der zuständige Bundestagsausschuss anlässlich der Verabschiedung und Änderung des NKRG in den Jahren 2006 und 2010 durchführte. Dort kamen 2006 u. a. die Staatsrechtler Michael Brenner und Markus Heintzen zu Wort, die keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einsetzung des Normenkontrollrates erhoben.21 Solche äußerte Michael Brenner aber im Jahr 2010, als es darum ging,

17 Derlien / Böhme / Heindl, Bürokratietheorie, S. 235 Fn. 116; Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (66); Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (301); Karpen, FAZ Nr. 158 v. 11.07.2006, S. 7. 18 Dazu Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 282 f.; Schröder, DÖV 2007, 45 (49); Abg. Berg (SPD), BT-Prot. 16/37, S. 3267, die allerdings den Vergleich mit einer flügelschlagenden Gans bevorzugt, die mit „lautem Geschnatter“ auf Bedrohungen reagiert, aber niemanden angreift. 19 Jann, Berliner Republik 1/2007, 46 (57); ders. / Jantz, ZG 2008, 51 (66 f.); ders. / Wegrich, dms 2008, 49 (69). 20 Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (299 ff.); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (116 ff.); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (291 ff.). 21 Siehe dazu BT-Drs. 16/1665, S. 5 f.

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die Prüfungsbefugnisse des Normenkontrollrats auf Gesetzesinitiativen des Bundestages und des Bundesrates auszudehnen.22 Dieser Kritik schloss sich Margrit Seckelmann in einem Fachaufsatz im Grundsatz an.23 Schließlich verabschiedete der Bundestag eine deutlich abgemilderte Mandatsausweitung des Normenkontrollrates, die offenkundig nicht mehr auf verfassungsrechtliche Zweifel stieß. Erst Tobias Linke skizzierte im Jahr 2016 in klaren Worten die Verfassungswidrigkeit des Normenkontrollrates.24 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt war für ihn jedoch allein der Eingriff in die Organisationsgewalt der Regierung sowie in deren Gesetzesinitiativrecht. Unberücksichtigt blieb bislang aber die mindestens ebenso bedeutsame Rolle des Normenkontrollrates für das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament im Gesetzgebungsverfahren. Insbesondere die Exekutivlastigkeit, die im Mandat des Normenkontrollrates und auch in der Gesetzesfolgenabschätzung generell zu Tage tritt, verlangt nach einer verfassungsrechtlichen Überprüfung. Schließlich ist die rechtliche Auseinandersetzung mit dem Normenkontrollrat von anhaltender Aktualität. Das zeigt sich vor allem daran, dass mittlerweile auch vermehrt Bundesländer Normenkontrollräte einsetzen, die sich hinsichtlich Mandat und Stellung an ihrem Namensgeber auf Bundesebene orientieren.25 Darüber hinaus ist anzumerken, dass zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Normenkontrollrat auf Autoren zurückgehen, die selbst entweder Sekretariatsmitarbeiter (z. B.  Philipp Birkenmaier, Dominik Böllhoff, Doris Dietze) oder Mitglied des Normenkontrollrates (z. B. Gisela Färber, Henning Kreibohm, Johann Wittmann) waren. Einerseits können diese Personen Informationen aus erster Hand über die nicht öffentlichen Arbeitsverfahren des Gremiums liefern. Andererseits sind sie in ihrer Sichtweise im Hinblick darauf, wie Status und Tätigkeit des Normenkontrollrates zu beurteilen sind, notwendigerweise „befangen“. Diese persönliche Vorprägung der jeweiligen Autoren wurde beim Rückgriff auf die entsprechenden Texte berücksichtigt. 2. Europäische Union Auf europäischer Ebene hat die Gesetzgebungslehre bislang keinen festen Stand. Gleichwohl gibt es in der deutschsprachigen Rechtswissenschaft eine Vielzahl von Beiträgen, die sich mit den Schwächen und Problemen der europäischen

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Brenner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)178, S. 2 ff.; dazu auch BT-Drs. 17/4241, S. 5. 23 Seckelmann, ZRP 2010, 213 (215). 24 Linke, JZ 2016, 1081 (1085 ff.). 25 Sachsen hat im Jahr 2016 einen Normenkontrollrat eingesetzt, Baden-Württemberg folgte im Jahr 2017, entsprechende Planungen gibt es zurzeit auch in Nordrhein-Westfalen, siehe dazu Kap. 3, D. I. 1.

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Rechtsetzung befassen.26 Als Mittel der Wahl, um diesen Problemen zu begegnen, gelten vor allem Folgenabschätzungen. Diese haben in Bezug auf die Union insbesondere in der englischsprachigen Literatur u. a. durch Andrea Renda und Anne Meuwese wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren.27 Die unterschiedlichen Abhandlungen zum unionalen Folgenabschätzungssystem thematisierten oftmals auch den Ausschuss für Folgenabschätzung (Impact Assessment Board).28 Dieses rein kommissionsinterne Gremium überprüfte seit 2006 die Wirkungsanalysen der EU-Kommissionsdienststellen zu neuen Regelungsinitiativen. Es gilt als unmittelbarer Vorläufer des jetzigen Ausschusses für Regulierungskontrolle. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle wurde hingegen bislang nur als ein Bestandteil der im Jahr 2015 neu aufgelegten „Agenda für bessere Rechtsetzung“ behandelt. Die entsprechenden Beiträge beschränkten sich im Regelfall auf die Frage, ob der Ausschuss dazu beitragen könne, für evidenzbasierte und nachvollziehbare Folgenabschätzungen zu sorgen, um dadurch mittelbar die Schwächen der Unionsrechtsetzung zu beheben. Darüber hinaus fehlt es an Untersuchungen, welche die Arbeitsmethoden des Gremiums und seine unionsverfassungsrechtlichen Implikationen für den europäischen Gesetzgebungsprozess umfassend beleuchten.

IV. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in drei Abschnitte. Im ersten Abschnitt steht der Nationale Normenkontrollrat im Fokus der Betrachtung. Zu Beginn werden langfristige politische und rechtliche Entwicklungen sowie Einflussfaktoren aufgezeigt, die die Einsetzung des Normenkontrollrates im Jahr 2006 begünstigt und gefördert haben. Daran schließt sich eine Erläuterung des konkreten Aufgabenfelds an, die unter Bezugnahme auf die Regelungen im NKRG Gegenstände, Umfang und Verfahren der Prüfungen des Normenkontrollrates beschreibt. Mittels empirischer Erkenntnisse wird sodann dargelegt, wie das Gremium die ihm gesetzlich auferlegten Aufgaben intern und in Zusammenarbeit mit den am Gesetzgebungsprozess beteiligten Bundesorganen erfüllt. Die Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung ist streckenweise notwendig deskriptiv, aber unerlässlich, um ein vollständiges Bild vom Normenkontrollrat und eine tatsächliche Grundlage für die nachfolgende inhaltliche Bewertung zu erhalten. Es folgt eine Einordnung in politischer und rechtlicher Hinsicht, die u. a. wesentliche Zuschreibungen an den Normenkontrollrat wie etwa „unabhängig“ oder „unpolitisch“ hinterfragt. Der erste

26 Etwa v. Danwitz, JZ 2006, 1 (2 ff.); Grüner, Quantität und Qualität, S. 78 ff.; Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 2 Rn. 2 ff.; Herten-Koch, Rechtsetzung, S. 12 ff.; Karpen, AöR 124 (1999), 400 (418 ff.); Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 15 ff. 27 Meuwese, Impact Assessment, S. 2 ff.; Renda, Impact Assessment in the EU, S. 43 ff. 28 Siehe z. B. Alemanno, ELJ 2009, 382 (389 f.); Lund, VR 2011, 87 (89); Meuwese, Impact Assessment, S. 72 ff.; näher dazu unter Kap. 2, A. I. 5.

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Abschnitt endet damit, dass das Mandat und die Tätigkeit des Normenkontrollrates im Gesetzgebungsverfahren einer umfassenden verfassungsrechtlichen Würdigung unterzogen werden. Einem parallelen Aufbau folgt der zweite Abschnitt, in dem der europäische Ausschuss für Regulierungskontrolle den Untersuchungsgegenstand darstellt. Da es sich bei dem Ausschuss um ein neues Element in der „Better Regulation“-Strategie der Europäischen Kommission handelt, sind zunächst die bisherigen Entwicklungsschritte in diesem Politikbereich auf Unionsebene nachzuvollziehen. Anschließend schildert die Untersuchung die Aufgaben und Arbeitsweise des Ausschusses, wie sie sich vor allem aus dem Einsetzungsbeschluss des Kommissionspräsidenten ergeben. Die darauffolgende rechtliche und politische Stellung des Ausschusses ist insbesondere von seiner vermeintlichen Unabhängigkeit geprägt. In diesem Kontext wird auch zu klären sein, ob er als taugliches Instrument dienen kann, um die „Qualität“ der Unionsrechtsetzung zu erhöhen. Die den Abschnitt abschließende unionsverfassungsrechtliche Würdigung fragt danach, ob sich insbesondere aus dem institutionellen Gleichgewicht und dem unionalen Demokratieprinzip rechtliche Bedenken gegenüber der Einsetzung des Ausschusses und den damit verbundenen Auswirkungen auf den Rechtsetzungsprozess herleiten lassen. Der dritte Abschnitt widmet sich schließlich einem Institutionenvergleich zwischen deutschem Normenkontrollrat und europäischem Ausschuss für Regulierungskontrolle. Ausgehend von der teilweise voneinander abweichenden rechtlichen Stellung der Gremien beleuchtet die Untersuchung, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sich in Bezug auf die Bedeutung ergeben, die der Normenkontrollrat und der Ausschuss in der Gesetzesfolgenabschätzung auf Bundes- bzw. Unionsebene einnehmen. In einem größeren Kontext wird der Frage nachgegangen, ob daraus ähnliche Implikationen resultieren, die das Kräfteverhältnis der am Rechtsetzungsprozess beteiligten Organe betreffen. Trotz der rechtlichen Unterschiede zwischen dem nationalen und dem europäischen Gesetzgebungsverfahren folgt daraus die These, dass eine bei der Spitze der Exekutive institutionalisierte Folgenabschätzungskontrolle sowohl die Rolle der Bundesregierung als auch die der Europäischen Kommission im jeweiligen Rechtsetzungsverfahren weiter stärkt. Die Bedeutung des Bundestages und des Europäischen Parlaments bleibt hingegen unberücksichtigt, wenn es darum geht, die potenziellen Wirkungen gesetzgeberischer Entscheidungen im Vorfeld zu analysieren. Aus diesem Grund wird vergleichend untersucht, welche Möglichkeiten den Parlamenten offenstehen und wie sie diese nutzen, um die Auswirkungen der von ihnen zu beschließenden Legislativakte abschätzen zu können. An dieser Stelle konzentriert sich die Untersuchung hinsichtlich der europäischen Ebene auf das Parlament und blendet die Rolle des Ministerrates als Mitgesetzgeber weitgehend aus, da dieser darüber hinaus auch wesentliche Regierungsfunktionen wahrnimmt. Abschließend folgen Vorschläge, wie die bisherige Folgenabschätzungskontrolle auf bundesdeutscher und europäischer Ebene neu strukturiert werden könnte, um die nicht zuletzt aus verfassungsrechtlicher Perspektive bedeutsame Beteiligung der Parlamente daran zu gewährleisten.

1. Kapitel

Der Nationale Normenkontrollrat Der im Jahr 2006 durch Gesetz auf Bundesebene eingerichtete Nationale Normenkontrollrat hat die Aufgabe, neue Regelungsentwürfe insbesondere der Bundesregierung auf ihre Kostenfolgen zu überprüfen. Die mittlerweile zehnköpfige, aus regierungsexternen Fachleuten zusammengesetzte Institution ist beim Bundeskanzleramt angegliedert.

A. Entstehung und Tätigkeit Im Herbst 2006 hat der Nationale Normenkontrollrat seine Arbeit aufgenommen. Es handelt sich um ein „unabhängiges“ Beratungs- und Kontrollgremium, das es so in Deutschland vorher weder auf Landes- noch auf Bundesebene gegeben hat. Dementsprechend bestand zu Beginn nicht nur bei den Mitgliedern des Normenkontrollrates selbst eine gewisse Unsicherheit darüber, ob ein solches Gremium dem Zweck des „Bürokratieabbaus“, zu dessen Unterstützung es letztendlich gegründet wurde, dienen kann.1

I. Hintergrund Die Einsetzung des Nationalen Normenkontrollrates stand im Wesentlichen unter der Überschrift des „Bürokratieabbaus“.2 Dementsprechend war sein Mandat in den Anfangsjahren zunächst darauf beschränkt, die Bürokratiekostenmessungen der Bundesregierung nach dem Standardkosten-Modell unter methodischen Gesichtspunkten zu überprüfen. Die Debatte um die Dauerthemen Bürokratieabbau, Entbürokratisierung und Deregulierung hat die Bundesrepublik Deutschland in unterschiedlicher Intensität hingegen bereits seit Jahrzehnten beschäftigt. Sie ging u. a. sowohl mit regierungsinternen als auch regierungsexternen Institutionalisierungsbestrebungen auf Landes- und Bundesebene, der Einführung von Prüflisten und Vorgaben zur Gesetzesfolgenabschätzung im Rechtsetzungsprozess einher. 1

NKR, Jahresbericht 2007, S. 5. BT-Drs. 16/1406, S. 1; Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (88); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (52 f.); das verdeutlicht nicht zuletzt § 1 Abs. 2 NKRG, wonach es Aufgabe des Normenkontrollrates ist, „die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen auf den Gebieten des Bürokratieabbaus und der besseren Rechtsetzung zu unterstützen“. 2

A. Entstehung und Tätigkeit

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Aber die Gesichtspunkte, die zur Einrichtung des Normenkontrollrates beigetragen haben, liegen nicht allein in diesen nationalen Diskussionen, sondern entspringen auch der internationalen Entwicklung rund um „Better Regulation“. 1. Bürokratie und „Bürokratieabbau“ Die Wortschöpfung „Bürokratie“ („Bureaucratie“) geht auf den französischen Überseekaufmann Vincent de Gournay (1712–1759) zurück, der damit die Beamtenschaft des Ancien Régime herabwürdigte. Er definierte in Anbetracht einer Überreglementierung im Bereich des Handels die „Herrschaft des Büros“ bewusst als vierte Herrschaftsform neben Demokratie, Aristokratie und Monarchie.3 Politische Bürokratiekritik gibt es damit seit mehr als 200 Jahren. In der Bundesrepublik Deutschland entwickelte sich in den 1970-er Jahren „Bürokratisierung“ zu einem populären Sammelbegriff für vielfältige Kritik am modernen Wohlfahrtsstaat.4 Seit dieser Zeit ist auch der Begriff „Bürokratieabbau“ als politisches Schlagwort in der öffentlichen Wahrnehmung weit verbreitet. „Bürokratieabbau“ gilt selbst abseits von neoliberaler Politikgestaltung als Voraussetzung, um die Leistungsfähigkeit des Staates zu gewährleisten, und erfreut sich daher als politisches Ziel bei den um Wähler kämpfenden Parteien großer Beliebtheit. Diese Entwicklung entspricht dem heutigen Sprachgebrauch, der dem Begriff Bürokratie in der Regel eine negative Konnotation zuweist. Bürokratie gilt dabei als Synonym für übertriebenen Ressourcenverbrauch, Schwerfälligkeit von Entscheidungsprozessen, steile Hierarchien und Risikovermeidung.5 Dem steht die wissenschaftliche Definition von Bürokratie nach Max Weber entgegen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts objektivierte Weber den Begriff der Bürokratie, indem er ihn in Abgrenzung zu willkürlichen Herrschaftsformen als Organisationsform der Verwaltung zur Ausübung legaler Herrschaft beschrieb.6 Als wesentliche Merkmale einer Bürokratie betonte er die arbeitsteilige und regelgebundene Erfüllung von Amtsgeschäften durch hauptberuflich tätige, nach Leistung und Qualifikation ausgewählte Beamte.7 In diesem Sinne soll die bürokratische Organisation der öffentlichen Verwaltung die Ungleichbehandlung Einzelner durch willkürliche Entscheidungen vermeiden. Insofern hob Weber die Vorteile „bürokratischer Herrschaft“ hervor und verlieh ihr eine positivere Bedeutung. 3

Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 136; Derlien / Böhme / Heindl, Bürokratietheorie, S. 16; siehe dazu und zur weiteren Geschichte des Bürokratiebegriffs Cancik, Der Staat 2017, 1 (3 ff.); Wunder, in: Windhoff-Héritier (Hrsg.), FS Ellwein, S. 277 (278 ff.). 4 Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 96; Jann, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 67 (72); zur Vielschichtigkeit des Begriffs „Bürokratie“ auch Beus, ZSE 2007, 68 (69 f.). 5 Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 339. 6 Jantz / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 126 (126). 7 Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 97; Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 137.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

2. „Bürokratieabbau“ in der Bundesrepublik Deutschland „Bürokratieabbau“ als „politischer Modebegriff“8 erfasst eine Vielzahl von Maßnahmen zur Vereinfachung des staatlichen Verwaltungshandelns. Tatsächlich verfolgen die unter den Schlagwörtern „Bürokratieabbau“ oder „Entbürokratisierung“ ergriffenen Maßnahmen sehr unterschiedliche Ziele.9 In diesem Kontext ist zwischen mindestens drei verschiedenen Ebenen der Bürokratiekritik zu unterscheiden: Es gibt zu viel Staat (Aufgabenebene), es gibt zu viele Vorschriften (Regulierungsebene) und es wird falsch verwaltet (Organisationsebene).10 Programme zum Bürokratieabbau lassen sich in der Regel mindestens einer dieser Ebenen zuordnen. Wenn beispielsweise unter der Überschrift „Bürokratieabbau“ Maßnahmen zur besseren Rechtsetzung implementiert werden sollen, bezieht sich dieses Vorgehen auf die Regulierungsebene. Programme zum Bürokratieabbau sind in der Regel eingebunden in die jeweiligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen sowie politischen Entwicklungen und lassen sich vor diesem Hintergrund besser einordnen.11 a) Entwicklung der Verwaltungspolitik bis 1982 Nach Gründung der Bundesrepublik stand zunächst das Bemühen im Vordergrund, die Verwaltung hierarchisch sowie rechtsstaatlich zu organisieren und demokratische Strukturen zu verfestigen. Trotz erster Expertenkommissionen und Gutachten zu Fragen der Verwaltungsvereinfachung kam es zu keinen nennenswerten Reformen.12 Die anschließende Phase von Mitte der 1960-er Jahre bis Mitte der 1970-er Jahre fällt unter das Leitbild des „aktiven Staates“. Sie war von ersten umfassenden Verwaltungsreformen geprägt, mit denen der Verwaltungsapparat den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen angepasst werden sollte.13 Beispielhaft sind die Finanzreform des Jahres 1969 sowie die kommunalen Gebietsreformen in den Ländern. Mittels einer auf langfristiger Planung angelegten Politik versuchte der Staat, Marktversagen zu verhindern und die Probleme einer stetig wachsenden öffentlichen Daseinsvorsorge zu lösen. Gegen Ende der 1970-er Jahre offenbarten sich aufgrund verfehlter wirtschaftspolitischer Ziele und einer rasant zunehmenden Staatsquote die Grenzen des Inter 8

Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 96. Bull, Die Verwaltung 2005, 285 (286 f.); Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 98; Jantz / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 126 (127). 10 Bull, Die Verwaltung 2005, 285 (286 f.); Jann / Wegrich, dms 2008, 49 (53); Jantz / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 126 (127); ähnlich bereits Mayntz, Gesetzgebung und Bürokratisierung, S. 5. 11 Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 15. 12 Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 102 f.; Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 218 f. 13 Beer, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 52 (55); Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 220. 9

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ventionsstaates. Unter diesem Eindruck vollzog sich ein langsamer Paradigmenwechsel, der sich zunächst vor allem in den Bundesländern niederschlug, wo ab 1978 nahezu flächendeckend Kommissionen zur Entbürokratisierung eingesetzt wurden.14 Die in Teilen umgesetzten Vorschläge dieser Kommissionen liefen vor allem auf Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung und Rechtsbereinigung hinaus.15 Auf Bundesebene gab es 1980 eine umfangreiche und viel beachtete Sachverständigenanhörung zu „Ursachen einer Bürokratisierung in der öffentlichen Verwaltung sowie zu ausgewählten Vorhaben zur Verbesserung des Verhältnisses von Bürger und Verwaltung“. Gegenstände der Anhörung waren neben staatlicher Aufgabenkritik16 insbesondere Maßnahmen zur Gewährleistung vollzugsfähiger Gesetze17. Letztere sollten dazu dienen, der staatlichen „Regelungsflut“, also dem stetigen Zuwachs von Gesetzen und untergesetzlichen Normen, entgegenzuwirken. Ebenfalls zur Diskussion stand das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürgern, dessen Verbesserung u. a. durch transparentere Verfahren und verständlicher abgefasste Verwaltungsentscheidungen angemahnt wurde. Auf parteipolitischer Ebene war es gegen Ende der 1970-er Jahre das konservative Spektrum, das Entbürokratisierung als Wahlkampfthema aufgriff, um den von sozialdemokratischer Seite forcierten Ausbau des Sozialstaats zu kritisieren.18 b) „Schlanker Staat“ ab 1982 Im Jahr 1982 setzte mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die konservativ-liberale Koalition eine Phase ein, in deren Fokus die allgemeine Verringerung des staatlichen Aufgabenspektrums stand. Unter dem Schlagwort „Entbürokratisierung“ trieb die neue Bundesregierung zunächst eine Verschlankung der Bundesverwaltung durch eine umfassende Privatisierungsstrategie voran, die mit der deutlichen Reduzierung der Bundesbeteiligungen an Unternehmen ihren Anfang nahm.19 Zu Beginn der 1990-er Jahre folgten umfangreiche Privatisierungsmaßnahmen in den Kommunikations- und Verkehrsbereichen. Hintergrund dieser 14 Cancik, Der Staat 2017, 1 (24); Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 105; Derlien / Böhme / Heindl, Bürokratietheorie, S. 232; Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 17; Wilkes, Die Verwaltung 1989, 333 (335). 15 Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 105; Ellwein, Verwaltung und Verwaltungsvorschriften, S. 10 f.; Wilkes, Die Verwaltung 1989, 333 (336). 16 Bundesminister des Innern, Sachverständigenanhörung, Teil A, S. 85 ff., 100 ff., 113 ff.; Mayntz, Gesetzgebung und Bürokratisierung, S. 25 ff., 102 ff. 17 Bundesminister des Innern, Sachverständigenanhörung, Teil A, S. 199 ff.; Mayntz, Gesetzgebung und Bürokratisierung, S. 75 ff.; zu dieser Anhörung auch Cancik, Der Staat 2017, 1 (26 f.). 18 Ausführlich dazu Cancik, Der Staat 2017, 1 (16 ff.); dies., in: Blamberger u. a. (Hrsg.), Vom Umgang mit Fakten, S. 151 (153 f.). 19 Bach / Jantz / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 527 (532); dazu auch Jantz / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 126 (129); König, Moderne öffentliche Verwaltung, S. 675 f.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Entwicklung war das neue verwaltungspolitische Leitbild des „schlanken Staates“, das in engem Zusammenhang mit der international bereits Mitte der 1970-er Jahre und in Deutschland etwas später aufkommenden neoliberalen Staatskritik stand.20 Diese beurteilte nicht mehr Marktversagen, sondern Staats- und Bürokratieversagen als wesentliches Hindernis für wirtschaftliches Wachstum. Zur Problemlösung griffen die staatlichen Akteure vermehrt auf Strategien aus der Privatwirtschaft zurück. Dieser Trend spiegelte sich später in der betriebswirtschaftlich inspirierten Binnenmodernisierung der Verwaltung mittels des New Public Management wider, das in Deutschland unter der Bezeichnung „Neues Steuerungsmodell“ Anklang fand.21 Um vor diesem Hintergrund die „Entbürokratisierung“ voranzutreiben, setzte die Regierung unter Helmut Kohl im Jahr 1983 eine „Unabhängige Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung“ ein, die nach ihrem Vorsitzenden als „Waffenschmidt-Kommission“ bezeichnet wurde. Die Kommission war bis 1998 tätig und verabschiedete in dieser Zeit eine Reihe von Berichten mit zahlreichen Anregungen zur Rechtsbereinigung sowie zur Vereinfachung von Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren.22 Zwischen 1983 und 1993 griff die Bundesregierung einige dieser Vorschläge auf und brachte u. a. drei Rechtsbereinigungsgesetze auf den Weg. Ausdrücklich vom „schlanken Staat“ sprach Helmut Kohl erstmals im Rahmen einer Regierungserklärung im Januar 1995.23 Zur fachlichen und politischen Begleitung der Themenkomplexe „Rückführung staatlicher Leistungen“ und „Abbau überflüssiger Bürokratie“ setzte die Bundesregierung kurze Zeit später den Sachverständigenrat „Schlanker Staat“ ein. Dieser konstituierte sich mit 20 Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und den Gebietskörperschaften am 21. September 1995. Angelegt war die Arbeit des Sachverständigenrates als Instrument, um eine betriebswirtschaftlich inspirierte Binnenmodernisierung der Bundesverwaltung zu konzipieren.24 In seinem am 12. September 1997 vorgelegten Abschlussbericht schlug der Sachverständigenrat schwerpunktmäßig Maßnahmen zur Gesetzesbedarfsprüfung, Verringerung der Staatsaufgaben, Privatisierung, Verwaltungsreform und Flexibilisierung der Haushaltswirtschaft vor. Neben dem Abschlussbericht erstellte er in Zusammenarbeit mit Verwaltungspraktikern einen 20 Beer, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 52 (56); Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 49. 21 Beer, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 52 (56); Hartmann, Inklusive Verwaltung, S. 14; Jann, in: Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, S. 21 (30 f.); mit einer ambivalenten Bilanz zum New Public Management auf Kommunalebene in Deutschland Bogumil, in: Brüning / Schliesky (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 13 (19 ff.). 22 Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 224 f.; Veit, Bessere Gesetze, S. 69. 23 Beer, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 52 (56). 24 Beer, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 52 (56); das Ziel des Leitbildes „Schlanker Staat“ bestand generell darin, Konzepte des freien Marktes in die öffentliche Verwaltung zu importieren, dazu Jann, in: Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, S. 21 (31).

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„Leitfaden zur Modernisierung von Behörden“25. Zur Reduzierung der „Normenflut“ empfahl der Sachverständigenrat nicht nur eine Gesetzesbedarfsprüfung, sondern auch eine konsequente Gesetzesfolgenabschätzung, die die Kosten, die ein Regelungsvorhaben bei wirtschaftlichen Unternehmen und privaten Haushalten verursacht, plausibel prognostiziert und ausweist.26 Damit standen nicht mehr nur die Strukturen und Verfahren innerhalb der Verwaltung als Auswuchs von „Bürokratie“ im Fokus, sondern es wurden vermehrt auch deren Auswirkungen auf die Wirtschaft beleuchtet. c) „Aktivierender Staat“ ab 1999 Die im Jahr 1998 neu gewählte rot-grüne Bundesregierung ersetzte das Modell des „schlanken Staates“ durch das Leitbild des „aktivierenden Staates“. Dieses Leitbild hatte eine Neubestimmung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zum Ziel. Im Unterschied zum „schlanken Staat“ beabsichtigt der „aktivierende Staat“ keine Reduktion staatlicher Verantwortung, sondern er will staatliche, halbstaatliche und private Akteure zum Erreichen gemeinsamer Ziele aktivieren. Statt nur das Staats- und Bürokratieversagen in den Fokus zu stellen, berücksichtigt das Leitbild die Voraussetzungen und Beschränkungen staatlicher Steuerung.27 Diese Sichtweise hat eine umfassende Debatte rund um den Begriff der Governance hervorgebracht. Im Kern geht es um die Frage nach der Rolle des Staates in einer modernen Gesellschaft und die Verteilung der Verantwortung zwischen Staat und Gesellschaft. Governance behandelt das Verhältnis zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren und deren Koordination und Kooperation.28 Nicht mehr der Staat als alleinige Problemlösungsinstanz, sondern auch Wirtschaft und Bürger sollen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme herangezogen werden.29 Konkreten Niederschlag fand das Leitbild in dem am 01. Dezember 1999 beschlossenen Regierungsprogramm „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“, mit dem 15 Leitprojekte und 23 weitere Projekte zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung verkündet wurden.30 Die Federführung des Regierungsprogramms oblag einem Staatssekretärsausschuss und einer Stabsstelle im Bundesministerium des Innern. 25 Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 3, Leitfaden zur Modernisierung von Behörden. 26 Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 1, S. 16 f. 27 Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 50; Hüper, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung, S. 41 (43); Jann, in: Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, S. 21 (32). 28 Hartmann, Inklusive Verwaltung, S. 14 f.; Jann, in: Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, S. 21 (32); Pfisterer, DÖV 2009, 1130 (1130). 29 Beer, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 52 (59); Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 50; Jann, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 67 (73 f.); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 18 f. 30 Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 01. Dezember 1999, S. 4.

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d) „Initiative Bürokratieabbau“ 2003 Vor dem Hintergrund der mit dem „aktivierenden Staat“ einhergehenden neuen Perspektive auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft rückte der „Bürokratie­ abbau“ wieder stärker in den Vordergrund. Nach der Wiederwahl der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2002 verabschiedete sie am 26. Februar 2003 mit einem Kabinettsbeschluss den „Masterplan Bürokratieabbau“ unter dem Titel „Mittel­stand fördern – Beschäftigung schaffen – Bürgergesellschaft stärken“. Der „Masterplan“ markierte den Ausgangspunkt für das Gesamtkonzept „Initiative Bürokratieabbau“. Neben einem Sofortprogramm verfolgte die Regierung unter dem Dach der „Initiative Bürokratieabbau“ zeitweise über 70 Einzelprojekte, die insgesamt das Ziel verfolgten, „administrative Belastungen“ für Bürger und Unternehmen abzubauen.31 Schwerpunktmäßig ging es der Regierung darum, die sog. Massenverfahren, wie etwa Kfz-Zulassungen, Sozialversicherungsmeldungen und Kassenrezepterstellungen, zu vereinfachen. Als wesentliche Instrumente setzte die Initiative auf Deregulierung, Prozessoptimierung und die Reorganisation von Behördenstrukturen.32 Zur Organisation des Konzepts installierte die Regierung als Steuerungsgremium einen Staatssekretärsausschuss sowie eine beim Bundesinnenminis­ terium angesiedelte Geschäftsstelle. Die Idee eines „Bürokratie-TÜVs“ ähnlich dem späteren Normenkontrollrat realisierte die Initiative jedoch nicht, da die damalige Regierung eine mit entsprechenden Aufgaben beauftragte Institution als Bürokratiezuwachs wertete.33 Die Bundesregierung wählte mit der „Initiative Bürokratieabbau“ einen sektorspezifischen Ansatz, der sich auf die fünf für die sozial- und wirtschaftspolitische Reformpolitik besonders bedeutsamen Handlungsbereiche Arbeitsmarkt und Selbstständigkeit, Wirtschaft und Mittelstand, Forschung, Technologie und Innovation, Zivilgesellschaft und Ehrenamt sowie Dienstleistungen und Bürgerservice verdichtete.34 Eingebettet in die Reformpolitik der Agenda 2010 initiierten die Bundesministerien in diesen Bereichen Modernisierungsmaßnahmen, um insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken. Eine weitere Kernaufgabe der „Initiative Bürokratieabbau“ bildete die Rechtsbereinigung, in deren Rahmen alle Ressorts den in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Normenbestand überprüfen sollten.35 Mit diesem Vorgehen verband sich das 31

Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 255; Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 19. 32 Hüper, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung, S. 41 (43); Lohmann, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 21 (23 f.). 33 Lohmann, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 21 (24). 34 Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 254 f.; Hill, DÖV 2004, 721 (726); Hüper, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung, S. 41 (43 ff.); Lohmann, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 21 (26); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 19. 35 Hüper, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung, S. 41 (45); Lohmann, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 21 (30).

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Ziel, Rechtsvorschriften, die „unnötige Bürokratie“ auslösen und Unternehmen, Bürger sowie Verwaltung mit Kosten und Zeit belasten, im Sinne einer verständlichen und übersichtlichen Rechtsordnung zu beseitigen. Bis August 2005 gelang es der Regierung, 75 Gesetze und 293 Rechtsverordnungen außer Kraft zu setzen.36 e) „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ ab 2006 Mit der Bildung der Großen Koalition im Herbst 2005 erklärte die damals neu gewählte Bundeskanzlerin Angela Merkel den „Bürokratieabbau“ zur „Chef­ sache“, indem sie die Zuständigkeit für das Thema vom Bundesinnenministerium in das Bundeskanzleramt verlagerte.37 Auf der Grundlage des im April 2006 beschlossenen Regierungsprogramms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ institutionalisierte die Große Koalition den Reformprozess durch einen neuen Staatssekretärsausschuss unter dem Vorsitz eines ebenfalls neu geschaffenen „Koordinators der Bundesregierung für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“38. Dieser Koordinator bekleidet zugleich das Amt eines Staatsministers im Bundeskanzleramt. Unterstützung erfährt der Staatssekretärsausschuss überdies durch die ebenfalls neu eingerichtete, im Bundeskanzleramt ansässige „Geschäftsstelle Bürokratieabbau“. Diese fungiert vor allem als Koordinierungsinstanz für die Ressorts.39 Weitere Kernpunkte des Regierungsprogramms waren die Einführung des Standardkosten-Modells zur Messung von Informationspflichten sowie die Einsetzung des Nationalen Normenkontrollrates als „Bürokratie-TÜV“40, die im weiteren Verlauf der Arbeit einen wesentlichen Untersuchungsgegenstand bilden. Mit dem Regierungsprogramm fanden das Konzept und der Begriff der „besseren Rechtsetzung“ semantisch Eingang in die bundespolitische Agenda. Hinter dieser Begrifflichkeit verbirgt sich ein relativ unbestimmtes reformpolitisches Leitbild, dessen Ziel es ist, politikfeldübergreifend die Art und Weise zu verändern, wie Rechtsetzung vorbereitet, ausgewählt und durchgeführt wird.41 Es stützt sich auf die Grundannahme, dass „mehr Informationen“ und damit „mehr Wissen“ zu „besseren“ politischen Entscheidungen führen.42 Den zuvor ergriffenen Maß 36

Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 257. Bach / Jantz / Veit, in: Egle / Zohlnhöfer (Hrsg.), Zweite Große Koalition, S. 463 (468); Veit, Bessere Gesetze, S. 77; dies., in: Ziekow (Hrsg.), Bewerten, S. 37 (44). 38 Dieses Amt bekleideten bislang Hildegard Müller (2006–2008), Hans Bernhard Beus (Oktober 2006-Dezember 2007 als Vertretung für Hildegard Müller), Hermann Gröhe ­(2008–2009), Eckart von Klaeden (2009–2013), Helge Braun (2013–2018), Hendrik Hoppenstedt (seit 2018). 39 Bach / Jantz / Veit, in: Egle / Zohlnhöfer (Hrsg.), Zweite Große Koalition, S. 463 (469); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (52). 40 Jann, Berliner Republik 1/2007, 46 (55); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 20; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 33. 41 Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 7; näher zum Begriff „Better Regulation“ und dessen Verhältnis zu „besserer Rechtsetzung“ unter Kap. 2, A. I. 1. a). 42 Jantz, dms 2015, 385 (386); ders. / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 126 (127). 37

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nahmen (z. B.  Rechtsvereinfachung, Rechtsbereinigung und Gesetzesfolgen­ abschätzung), die heute als Elemente einer besseren Rechtsetzung gelten, fehlte in der Regel ein dahinterstehendes Gesamtkonzept. Sie standen oftmals wahlweise im Zeichen des Bürokratieabbaus, der Deregulierung oder der Rationalisierung politischer Entscheidungsprozesse. Die im Regierungsprogramm zum Ausdruck kommende Differenzierung zwischen „Bürokratieabbau“ einerseits und „besserer Rechtsetzung“ andererseits bedeutet insofern jedenfalls in sprachlicher Hinsicht eine Weiterentwicklung, wenngleich die Bundesregierung auf die nachvollziehbare begriffliche Zuordnung ihrer Maßnahmen wenig Wert legt. Die Begriffe scheinen häufig synonym verwendbar. Vielfach ist überdies bei Initiativen im Rahmen des Regierungsprogramms zweifelhaft, ob es sich tatsächlich um „Entbürokratisierung“ oder vielmehr um wirtschaftspolitische Maßnahmen handelt.43 Nicht zuletzt die Ansicht, „Bürokratieabbau“ stelle ein „Konjunkturprogramm zum Nulltarif“ dar44, bringt zum Vorschein, dass die Bundesregierung im Zuge ihres Programms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ in erster Linie anstrebt, die Bedingungen wirtschaftlichen Handelns in Deutschland zu vereinfachen. Im Rahmen des Regierungsprogramms setzte sich die Bundesregierung am 28. Februar 2007 das Ziel, den Gesamtbestand an Bürokratiekosten für die Wirtschaft, die auf staatlich veranlasste Informationspflichten zurückgehen, bis Ende 2011 um 25 % zu reduzieren. Um diese Zielerreichung überprüfen zu können, bedurfte es einer Bestandsmessung aller auf Bundesrecht basierenden Bürokratiekosten. Bereits im Kabinettsbeschluss vom 25. April 2006 hatte die Bundesregierung die Ressorts aufgefordert, den jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Normenbestand auf Informationspflichten für die Wirtschaft zu überprüfen.45 Auf der Grundlage dieser ermittelten Informationspflichten begann das Statistische Bundesamt am 01. Januar 2007 mit der Messung der bestehenden Bürokratiekosten. Als Stichtag für den im Rahmen der Bestandsmessung zu berücksichtigenden Rechtsbestand wurde der 30. September 2006 ausgewählt. Im Sommer 2008 schloss das Statistische Bundesamt die äußerst aufwendige Messung mit dem Ergebnis ab, dass 9.519 Informationspflichten für die Wirtschaft jährliche Bürokratiekosten in Höhe von 49,3 Mrd. Euro verursachen.46 Das 25 %-Abbauziel konnte die Bundesregierung erst mit über einem Jahr Verzögerung Mitte 2013 erreichen. Um den aus Informationspflichten resultierenden Aufwand für die Wirtschaft dauerhaft auf dem erreichten niedrigeren Niveau zu halten, beschloss das Bundes­kabinett 43

Vgl. Derlien / Böhme / Heindl, Bürokratietheorie, S. 236; allgemein zur ökonomischen Verengung von Entbürokratisierung Cancik, in: Blamberger u. a. (Hrsg.), Vom Umgang mit Fakten, S. 151 (154). 44 Ludewig, SZ Nr. 233 v. 10.10.2009, S. 24; Abg. Wegner (CDU / CSU), BT-Prot. 17/46, Anlage 4 S. 4794; siehe auch die ähnliche Formulierung „Wachstumsprogramm zum Nulltarif“ in CDU / CSU / FDP, Koalitionsvertrag 17.  Legislaturperiode, S.  15. 45 Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 25. April 2006, S. 5; zur Definition von „Bürokratiekosten“ und „Informationspflichten“ unter Kap. 1, A. II. 2. a). 46 Statistisches Bundesamt, Bestandsmessung der Bürokratiekosten, S. 21; Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2012, S. 6 (Datenstand: 01. August 2012).

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2012 die Einführung eines Bürokratiekostenindex.47 Dieser vom Statistischen Bundesamt auf der Grundlage einer Datenbank monatlich aktualisierte Index bildet ab, wie sich ausgehend vom 01. Januar 2012 die Höhe der jährlichen Bürokratiekosten für die Wirtschaft in Deutschland verändert. Weitere Elemente des bis heute fortgeführten Regierungsprogramms waren neben der im Jahr 2011 erfolgten Ausweitung der Kostenabschätzungen auf den Erfüllungsaufwand zahlreiche Einzelmaßnahmen in Form von Gesetzen, Projekten oder Initiativen. Diese Maßnahmen reichten vom E-Government-Gesetz48 über das Bürokratieentlastungsgesetz49 und der Einführung eines „KMU-Tests“50 bis zur Initiative „Amtlich-Einfach“, in deren Rahmen das Statistische Bundesamt Unternehmen und Bürger befragt, wie sie die Zusammenarbeit mit Behörden und Ämtern in bestimmten Situationen wahrnehmen. Im Dezember 2014 führte die Bundesregierung auf Vorschlag des Normenkontrollrates die als „Bürokratiebremse“ titulierte „one in, one out“-Regel ein, die das Ziel verfolgt, dass die Bundesregierung in gleichem Maße Belastungen für die Wirtschaft abbaut, wie sie durch neue Regelungsvorhaben zusätzliche Belastungen schafft.51 Die Regel stammt ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich52 und kommt einer Selbstverpflichtung gleich. Sie beansprucht grundsätzlich für alle von der Bundesregierung vorgeschlagenen Entwürfe von Rechtsvorschriften Geltung, die sich auf den laufenden Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft auswirken. Ausgenommen sind jedoch Vorhaben, soweit sie EU-Vorgaben, internationale Verträge, Rechtsprechung des BVerfG sowie des EuGH jeweils eins zu eins umsetzen, der Abwehr erheblicher Gefahren dienen oder zeitlich begrenzte Wirkung von maximal einem Jahr haben. Steigt durch eine Regelung der laufende Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, muss das jeweils für die Regelung federführend verantwortliche Ressort den Zuwachs an anderer Stelle in gleicher Höhe kompensieren. Erkennt das Ressort keine Kompensationsmöglichkeiten und kann es aus früheren Vor­haben keinen entsprechenden Überschuss an Entlastungen nachweisen, besteht die Möglichkeit, bei anderen Ressorts um die Übernahme der Kompensation nach­zusuchen

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Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 28. März 2012, S. 2; näher dazu Vorgrimler, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik Juni 2013, S. 407 (408 ff.). 48 Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz) vom 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2749), zuletzt geändert am 04. April 2017 (BGBl. I S. 770). 49 Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz) vom 28. Juli 2015 (BGBl. I S. 1400). 50 Bundesregierung / NKR / Statistisches Bundesamt, Leitfaden zur Berücksichtigung der Belange mittelständischer Unternehmen, S. 1; dazu Schwarting, PersV 2017, 13 (17). 51 Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 11. Dezember 2014, S. 2 f.; ausführlich dazu Lohmann, ZG 2016, 179 ff.; Schwarting, PersV 2017, 13 (19); kritisch zu den möglichen Folgen der Regelung unter Kap. 3, C. I. 3. b). 52 Seit 2013 findet in Großbritannien die noch weitergehende „one in, two out“-Regel Anwendung, dazu Department for Business, Innovation and Skills, Better Regulation Framework Manual, S. 41 ff.

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oder beim Staatssekretärsausschuss Bürokratieabbau eine Deckelung der zu erbringenden Kompensation zu erbeten. 3. Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland Die Gesetzesfolgenabschätzung wird als ein interdisziplinärer Forschungsansatz definiert, mit dem die Notwendigkeit einer Regelung, ihre Wirksamkeit und ihre Folgen, die über die Wirksamkeit im engeren Sinne hinausgehen, multidimensional erfasst und bewertet werden.53 Sie gilt im weiteren Sinne als spezifisches Evaluationsverfahren.54 Abgeleitet vom Begriff der Technikfolgenabschätzung nahm die Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland in der Mitte der 1970-er Jahre ihren Anfang.55 Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Beiträge zu diesem Thema war in zahlreichen Fällen die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Die Frage nach den Folgen und Wirkungen von Gesetzen stellte in dieser Zeit vor allem ein Betätigungsfeld für Politikwissenschaftler dar. Böhret und Hugger entwickelten beispielsweise Tests, um Rechtsnormen im Entwurfsstadium in einer Quasi-Realität dahingehend zu überprüfen, ob sie die Ziele, die man mit ihnen verfolgte, auch erfüllen können.56 Fricke sprach sich 1983 für die Institutionalisierung von Gesetzeskontrollen sowohl in prozeduraler als auch in organisatorischer Hinsicht aus, um eine Verbesserung der Rechtsetzung herbeizuführen.57 Diese Diskussionen fanden ihren praktischen Niederschlag in den von der Bundesregierung 1984 eingeführten „Blauen Prüffragen“.58 Neue Rechtsetzungsvorhaben der Ministerialverwaltung mussten nach dem Beschluss der Bundesregierung vom 11. Dezember 1984 anhand dieser zehn Prüffragen, die sich u. a. auf Notwendigkeit, Alternativen, Erforderlichkeit eines Gesetzes, Befristung, Praktikabilität und das Kosten-Nutzen-Verhältnis bezogen, beurteilt werden.59 In der Gesetz­ 53 Grün / Morsey, Prospektive Gesetzesfolgenabschätzung, S. 19; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 6; Köck, VerwArch 93 (2002), 1 (2); Wagner, ZRP 1999, 480 (480). 54 Konzendorf, in: Widmer u. a. (Hrsg.), Evaluation, S. 27 (31); Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (154); Sicko, ZfRSoz 2011, 27 (30); Stockmann / Meyer, Evaluation, S. 48; die GFA als „Ausprägung von Gesetzesevaluation“ bezeichnend Gusy / Kapitza, in: Gusy (Hrsg.), Evaluation, S. 9 (17); zum Verhältnis von Evaluation und GFA in terminologischer Hinsicht Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 175 ff. 55 Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 13; Veit, Bessere Gesetze, S. 61 f.; Wagner, ZRP 1999, 480 (482). 56 Böhret / Hugger, Der Praxistest von Gesetzentwürfen; dies., ZParl 1979, 245 ff. 57 Fricke, Modelle zur Institutionalisierung einer Gesetzeskontrolle, S. 53 ff. 58 Ausführlich dazu Fliedner, ZG 1991, 40 ff.; Gericke, Verrechtlichung, S. 236 ff.; König, in: Grimm / Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie, S. 171 (176 ff.); die Bezeichnung „Blaue Prüffragen“ rührt daher, dass die Fragen auf blauem Papier gedruckt waren. 59 Die „Blauen Prüffragen“ wurden als Anhang der am 20. Dezember 1989 von der Bundesregierung verabschiedeten „Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und von Verwaltungsvorschriften“ veröffentlicht (GMBl. 1990, S. 42).

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gebungspraxis kam den Prüffragen jedoch nur eine sehr geringe Bedeutung zu.60 Auf Forderungen des Sachverständigenrates „Schlanker Staat“ nach einer stärkeren Beachtung der Gesetzesfolgenabschätzung reagierte die schwarz-gelbe Bundesregierung, indem sie 1996 die „Blauen Prüffragen“ in die damalige sog. GGO II (Besonderer Teil) aufnahm und gemäß § 22a GGO II a. F. (GMBl. 1996, S. 449 ff.) mit einer Berücksichtigungspflicht für die Bundesministerien versah.61 Zudem mussten die Verfasser von Gesetzentwürfen nun den voraussichtlichen Vollzugsaufwand sowie die daraus entstehenden Kosten für Wirtschaft und Verwaltung in der Gesetzesbegründung darstellen.62 Die Gesetzesfolgenabschätzung fand in der Mitte der 1990-er Jahre mehr Beachtung, da die staatlichen Akteure sie als wirksames Instrument betrachteten, um vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage öffentlicher Kassen Einsparpotenziale aufzudecken und Gesetze einer Bedürfnisprüfung unter Kostengesichtspunkten zu unterziehen.63 Durch eine umfassende Novelle der GGO im Jahr 2000 löste die rot-grüne Bundesregierung die „Blauen Prüffragen“ ab und führte das bis heute geltende Verfahren der Gesetzesfolgenabschätzung ein, bei dem die Auswirkungen eines neuen Gesetzes umfassend in dessen Begründung darzustellen sind.64 Als wissenschaftliche Grundlage und Anleitung diente das von Böhret und Konzendorf im Jahr 2001 vorgelegte „Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung“, das ein Leitprojekt der 1998 neugewählten Bundesregierung unter Gerhard Schröder im Rahmen des Programms „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ war. Es reduzierte die Gesetzesfolgenabschätzung methodisch nicht auf ein Mittel zur Deregulierung und Kostensenkung, sondern verfolgte den Ansatz einer universellen Wirkungsanalyse.65 Zur praxisorientierten Anwendung für die Ministerien erschien zusätzlich ein „Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung“, der die unterschiedlichen Methoden 60

Bull, Die Verwaltung 2005, 285 (307); Gericke, Verrechtlichung, S. 243 f.; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 13; Krings, ZG 2009, 237 (240); Meyer-Teschendorf / Hofmann, DÖV 1997, 268 (272); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 32; Wagner, in: Jann u. a. (Hrsg.), FS Böhret, S. 411 (421); ders., ZRP 1999, 480 (483); Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (31); Zypries / Peters, ZG 2000, 316 (324). 61 Köck, VerwArch 93 (2002), 1 (4); Meyer-Teschendorf / Hofmann, DÖV 1997, 268 (273 f.); Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 1, S. 24. 62 Meyer-Teschendorf / Hofmann, DÖV 1997, 268 (273 f.); Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 1, S. 24; Wagner, ZRP 1999, 480 (485). 63 Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 1, S. 16 f.; näher dazu Brocker, in: Hof / Lübbe-Wolff (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I, S. 35 (37); Hofmann, Abwägung im Recht, S. 41. 64 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien v. 26.07.2000, GMBl. 2000, S. 526 ff.; näher dazu Fliedner, Rechtsetzung, S. 41; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 42; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 13; Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 128 f.; Veit, in: Ziekow (Hrsg.), Bewerten, S. 37 (43); Zypries / Peters, ZG 2000, 316 (324 f.). 65 Siehe Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 1 f.; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 43 f.

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und wesentlichen Verfahrensschritte darstellte. Seit 2009 steht den Ministerien darüber hinaus eine „Arbeitshilfe zur Gesetzesfolgenabschätzung“ zur Verfügung.66 Innerhalb der Gesetzesfolgenabschätzung existiert eine Unterscheidung anhand des Einsatzzeitpunkts im Rechtsetzungsprozess, so dass zwischen der prospek­ tiven, begleitenden und der retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung differenziert werden kann. Die prospektive Gesetzesfolgenabschätzung setzt zu einem Zeitpunkt an, in dem sich die Idee zu einem Regelungsvorhaben entwickelt.67 Sie fragt insbesondere danach, ob die Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns besteht und Regelungsalternativen erkennbar sind. Indem eventuelle Regelungsalternativen ausgearbeitet, auf ihre wahrscheinlichen Folgen abgeschätzt und bewertet werden, lässt sich so die optimale Regelungsalternative ermitteln.68 Bei der Anwendung der begleitenden Gesetzesfolgenabschätzung liegt bereits ein Regelungsentwurf vor, der anhand bestimmter Prüfkriterien untersucht und daraufhin ggf. noch verändert wird. Im Fokus stehen dabei Fragestellungen nach der Befolgbarkeit, Vollzugseignung und Kosten-Nutzen-Relation des Entwurfs.69 Wenn sich eine Regelung bereits seit einiger Zeit in Kraft befindet, kommt die retrospektive Gesetzesfolgenabschätzung zur Anwendung.70 Als Mittel der Ex-post-Evaluation dient sie dazu herauszufinden, ob die Ziele des Vorhabens mit der geltenden Regelung erreicht wurden und welche nicht beabsichtigten Nebenfolgen und Belastungen eingetreten sind. Damit liefert sie die notwendigen Informationen für eine eventuelle Novellierung oder Aufhebung der Rechtsvorschrift.71 Geregelt ist die Gesetzesfolgenabschätzung auf Bundesebene in erster Linie in der GGO. Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 44 Abs. 1 GGO sind als wesentliche Auswirkungen eines Gesetzes die beabsichtigten Wirkungen und die unbeabsichtigten Nebenwirkungen in der Gesetzesbegründung darzustellen. Im Schwerpunkt konzentriert sich die Folgenbetrachtung nach § 44 GGO auf die finanziellen Folgen eines Gesetzentwurfs. Demgegenüber umfassen die nach § 43 Abs. 1 GGO in der Gesetzesbegründung darzustellenden Aspekte u. a. Fragen nach der Notwendigkeit des Gesetzentwurfs sowie nach alternativen Lösungsmöglichkeiten 66

Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Arbeitshilfe zur GFA. Böhret, Gesetzesfolgenabschätzung, S. 8; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 9; Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (33). 68 Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 5 ff.; Sicko, ZfRSoz 2011, 27 (31). 69 Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 89; ebenso Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 52. 70 Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 255; Brocker, DRiZ 2002, 462 (465); Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 11; kritisch zur Begrifflichkeit „retrospektive Gesetzesfolgenabschätzung“ Franz, Verwaltungswissenschaft, S. 508; Schulz, DÖV 2009, 1113 (1113); Sicko, in: Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht, S. 199 (206); dies., ZfRSoz 2011, 27 (31 f.), die stattdessen den Begriff „Gesetzesevaluation“ bevorzugt. 71 Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 52; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 11; Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (34). 67

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und geben damit Anlass für eine prospektive Gesetzesfolgenabschätzung. Da die GGO nur für die Bundesministerien gilt, gibt es keine Vorgaben für die Gesetzesfolgenabschätzung von Regelungsentwürfen des Bundesrates oder aus der Mitte des Bundestages. Rechtliche Sanktionen für den Fall der Nichtdurchführung einer Gesetzesfolgenabschätzung sind nicht vorgesehen.72 In der Praxis lässt sich u. a. aus diesem Grund feststellen, dass zahlreiche Gesetzentwürfe der Bundesregierung keine Gesetzesfolgenabschätzung enthalten, die den Vorgaben der §§ 43 f. GGO entspricht.73 Um die Gesetzesfolgenabschätzung auf Bundesebene stärker zu verankern, gab es immer wieder Stimmen, die eine organisatorische Institutionalisierung der Folgenanalyse von Rechtsetzungsvorhaben durch eine externe Stelle forderten.74 Diese sollte überprüfen, ob die Bundesministerien eine sachgerechte Gesetzesfolgenabschätzung durchführen. In diesem Kontext ist auch der Appell des Sachverständigenrates „Schlanker Staat“ für eine institutionalisierte Vorschriftenkontrolle in Form einer beim Bundeskanzleramt angesiedelten „Normprüfstelle“ zu verstehen, die als regierungsinterner Filter für die Beachtung der „Blauen Prüffragen“ sorgen sollte. Der Sachverständigenrat formulierte als maßgebliche Kompetenz für ein solches Gremium, dass es in Fällen unsubstantiierter Gesetzesbegründung dem Gesetzesvorhaben die Kabinettreife absprechen und es zur Nachbesserung an das federführende Ressort zurückgeben könne. Auf Wunsch sollte die „Normprüfstelle“ auch dem Bundestag bei der Prüfung parlamentarischer Gesetzesinitiativen zur Verfügung stehen.75 Als Vorbild für die „Normprüfstelle“ könnte u. a. der in Bayern bereits seit 1984 bestehende Normprüfungsausschuss gedient haben, der zusammengesetzt aus Vertretern der Ministerien sowie der Staatskanzlei neue Regelungsvorhaben der Landesregierung auf Vereinfachungsmöglichkeiten untersuchte.76 Die politische Umsetzung der Forderung nach einer „Normprüfstelle“ blieb in den 1990-er Jahren auf Bundesebene jedoch aus. Stattdessen wählte die Regierung unter Kohl einen hausinternen Ansatz, nach dem jedes Ressort in Form einer Selbstverpflichtung gehalten war, die „Blauen Prüffragen“ zu beachten. Zur Absicherung musste der jeweilige Minister gemäß § 40 Abs. 1 GGO II a. F. eine 72

Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 14; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (231); Köck, VerwArch 93 (2002), 1 (12 f.). 73 Fliedner, Rechtsetzung, S. 118; Führ / Bizer / Hensel, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 323 (323 f.); Krings, ZG 2009, 237 (241); Nagel, in: ders. / Böllmann (Hrsg.), Staatliches Handeln, S. 95 (114); ders., SächsVbl. 2010, 105 (106). 74 Fricke, Modelle zur Institutionalisierung einer Gesetzeskontrolle, S. 100 ff.; Grün / Morsey, Prospektive Gesetzesfolgenabschätzung, S. 160; Hofmann, ZG 1999, 44 (55); Wagner, ZRP 1999, 480 (485). 75 Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 1, S. 22; kritisch dazu Brocker, in: Hof / Lübbe-Wolff (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I, S. 35 (39 f.); näher zur vorgeschlagenen „Normprüfstelle“ insgesamt Meyer-Teschendorf / Hofmann, DÖV 1997, 268 (272). 76 Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 2, Materialband, S. 68 f.; dazu unter Kap. 1, A. I. 4.

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ausdrückliche Bestätigung gegenüber dem Chef des Bundeskanzleramts abgeben, dass bei der Vorbereitung des Gesetzesvorhabens in seinem Haus die „Blauen Prüffragen“ eingehalten wurden.77 Die mit Vehemenz vom Sachverständigenrat vorgetragene Forderung nach einer „Normprüfstelle“ belegt, dass die Idee eines mit dem Normenkontrollrat in seiner Grundfunktion ähnlichen Gremiums in Deutschland im Jahr 2006 nicht gänzlich neu war.78 4. Institutionen zur Verbesserung der Rechtsetzung in den Bundesländern Auf Landesebene existierten bereits frühzeitig Institutionalisierungsaktivitäten, die sich auf „Bürokratieabbau“, die Vereinfachung der Rechtsvorschriften und die organisatorische Verankerung der Gesetzesfolgenabschätzung bezogen. Seit den 1980-er Jahren setzten immer mehr Bundesländer sog. Normprüfungsstellen bzw. Normprüfungsausschüsse ein, die als interne Einheiten die Gesetzesvorbereitung in den Landesministerialverwaltungen kritisch begleiten. Ihre Aufgabe besteht im Regelfall darin, aus den Ministerien stammende Gesetzes- und Verordnungsentwürfe anhand von Prüflisten u. a. auf Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit zu untersuchen.79 In rechtlicher Hinsicht beruht ihre Tätigkeit auf Organisationserlässen der Landesregierungen. Den politischen Hintergrund dieser Einheiten bildete zunächst die in den 1970-er Jahren entfachte Debatte um Entbürokratisierung sowie Rechts- und Verwaltungsvereinfachung. Später richtete sich die Aufmerksamkeit auch auf Aspekte der Gesetzesfolgenabschätzung. Bereits seit 1980 besteht in Baden-Württemberg ein Normprüfungsausschuss, der sich aus Vertretern des Staats-, Innen- sowie Justizministeriums zusammensetzt. Er unterzieht sämtliche Rechtsetzungsvorhaben der Ministerialverwaltung einer Begutachtung im Hinblick auf Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Verständlichkeit.80 Im Jahr 1981 schuf auch die von der CDU geführte Landesregierung in Niedersachsen mit der „Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung“ ein Referat in der Staats 77 Meyer-Teschendorf / Hofmann, DÖV 1997, 268 (274); Sachverständigenrat „Schlanker Staat“, Abschlußbericht Bd. 1, S. 24 ff.; Wagner, ZRP 1999, 480 (485); Zypries / Peters, ZG 2000, 316 (317). 78 Siehe dazu Böhret, VM 2006, 284 (289); Gröhe / Naundorf, ZG 2009, 367 (370); auch Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 973 f. hat bereits im Jahr 2000 angeregt, beim Bundeskanzleramt eine Organisationseinheit einzurichten, die die Regulierungsvorhaben der Bundesregierung auf Notwendigkeit und die Einhaltung der Aspekte der „Blauen Prüffragen“ kontrolliert. 79 Unkelbach, Institutionalisierung der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 38 f.; ausführlich zu den verschiedenen Bundesländern Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 142 ff.; die Normprüfstellen als „koordinierende Controlling-Einheiten“ bezeichnend Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (37 f.). 80 Vogel, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Verwaltungsvereinfachung, S. 55 (60); Wilkes, Die Verwaltung 1989, 333 (337).

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kanzlei, das alle Entwürfe der Ministerien für Gesetze und Verordnungen auf Erforderlichkeit, Norminhalt, Normgestaltung und Vollzugseignung überprüft.81 Die „Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung“ ist mit drei Juristen besetzt. Sie wird vor der Kabinettsbefassung an den Regelungsentwürfen beteiligt und kann diesbezüglich Änderungsvorschläge unterbreiten, die sie den beteiligten Ministerien zuleitet. Wenn zwischen der Arbeitsgruppe und den Ministerien kein Einvernehmen über die Änderungsvorschläge erzielt werden kann, sind die Streitfragen in der Kabinettsvorlage darzulegen. Insbesondere der in Bayern im Jahr 1984 eingerichtete, mittlerweile umgestaltete ressortübergreifende Normprüfungsausschuss, dessen Geschäftsstelle in der Staatskanzlei angegliedert war, galt als beispielgebend.82 Er untersuchte Gesetzesvorlagen der Staatsregierung, Rechtsverordnungen der Staatsregierung oder eines Staatsministeriums sowie bestimmte Verwaltungsvorschriften anhand von Organisationsrichtlinien, die u. a. eine strenge Notwendigkeitsprüfung und die Beachtung der Kostenauswirkungen staatlichen Handelns vorsahen.83 Über die Frage, ob eine Beteiligung des Normprüfungsausschusses erforderlich war, entschied die Staatskanzlei bzw. die Geschäftsstelle. Im Jahr 2003 wandelte die bayerische Landesregierung diese Geschäftsstelle in eine bei der Staatskanzlei ansässige „Zentrale Normprüfstelle“ um, der nunmehr die anfängliche Kontrolle aller Entwürfe von Rechtsvorschriften obliegt.84 Eine Befassung des Normprüfungsausschusses findet nur noch dann statt, wenn das zuständige Ressort und die Zentrale Normprüfstelle keine Einigung über den Entwurf erzielen können. Der Normprüfungsausschuss setzt sich aus dem mit der Leitung der Staatskanzlei beauftragten Mitglied der Staatsregierung und den Staatssekretären bzw. Amtschefs aller Ressorts zusammen. Verbleibt auch nach der Beteiligung des Normprüfungsausschusses eine Uneinigkeit mit dem zuständigen Ressort, entscheidet das Kabinett der Staatsregierung über die Angelegenheit. In Hessen setzte die Landesregierung unter Führung der SPD im Jahr 1991 bei der Staatskanzlei die später als Normprüfungsstelle bezeichnete „Arbeitsgruppe Verwaltungsvereinfachung“ ein. Im Zuge der Ressortabstimmung hat die Normprüfungsstelle die Entwürfe aller Landesgesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Kostenwirk 81 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 153; Ellwein, Verwaltung und Verwaltungsvorschriften, S. 144; Schultze, DÖV 2007, 401 (402, 404); Wilkes, Die Verwaltung 1989, 333 (337); ausführlich dazu und zum Folgenden Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 79 f. 82 Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 26. Juni 1984, Nr. B III 3-155-9-1, Bayer. StAnz. 1984 Nr. 26, Beilage 4; dazu etwa Müller-Graff, EuZW 1998, 325 (329). 83 Schermutzki, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Verwaltungsvereinfachung, S. 37 (43 f.). 84 Dazu und zum Nachfolgenden Brenski (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsmodernisierung 2003/2004, S. 46; siehe ebenfalls § 6 Abs. 4 Geschäftsordnung der Bayerischen Staatsregierung (StRGeschO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. November 2006 (Bayer. GVBl. S. 825, BayRS 1102-2-1-S), zuletzt geändert am 28. Januar 2014 (Bayer. GVBl. S. 58).

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samkeit, Verständlichkeit und Vollzugseignung mit dem Ziel der Reduzierung von Vorschriften und Standards zu überprüfen.85 Auch in das hessische Befristungskonzept hinsichtlich neuer Gesetze und die damit verbundene Evaluierung befristeter Rechtsvorschriften ist die Normprüfungsstelle eingebunden. Diesbezüglich legt sie die Kriterien und den Umfang der Evaluation fest, die die Ressorts durch­ zuführen haben. Ebenfalls im Jahr 1991 erfolgte in Sachsen die Einrichtung eines aus Vertretern des Justiz- und Innenministeriums sowie der Staatskanzlei zusammengesetzten Normprüfungsausschusses. Dessen Tätigkeit beschränkte sich zunächst auf eine reine Rechtsförmlichkeitsprüfung neuer Gesetze und Verordnungen.86 Später erstreckte sich die Prüfungskompetenz des Normprüfungsausschusses auch auf die Frage, ob eine neue Rechtsvorschrift jeweils erforderlich ist. Die SPD-geführte schleswig-holsteinische Landesregierung führte 1998 neben einem dem Innenministerium angegliederten Normprüfungsreferat einen aus drei Staatssekretären bestehenden Normprüfungsausschuss ein.87 Eine Befassung des Normprüfungsausschusses setzt allerdings voraus, dass im ersten Verfahrensschritt das Normprüfungsreferat nach einer Analyse der Rechtsförmlichkeit und Erforderlichkeit des Gesetz- oder Verordnungsentwurfs Bedenken hat, die das federführende Ressort nicht teilt.88 In Berlin existierte ab 2003 eine ressortübergreifende Normprüfungsstelle, die zunächst aus einer unabhängigen Normprüfungskommission und einer koordinierenden Geschäftsstelle in der Senatskanzlei bestand.89 Aufgabe der Normprüfungskommission, die sich aus drei externen Fachleuten, einem Staatssekretär und einem Bezirksstadtrat zusammensetzte, war es, eine begleitende Gesetzesfolgenabschätzung zu den von der Senatsverwaltung vorgelegten Gesetzentwürfen durchzuführen. Angesichts der Komplexität der Fragestellungen und aus Effizienzgesichtspunkten verlagerte der Berliner Senat im Jahr 2009 die Aufgabe der Normenprüfung zunächst auf eine in der Senatskanzlei eingerichtete Normprüfungsstelle90

85 Riebel, ZRP 2002, 61 (61); daran anknüpfend Bouffier, ZRP 2012, 55 (55 f.); heute normiert in § 36 Gemeinsame Geschäftsordnung der Staatskanzlei, der Ministerien des Landes Hessen sowie der Landesvertretung Berlin (GGO), Hess. StAnz. 26/2016, S. 639. 86 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 167 f.; Brenski (Hrsg.), Staatsund Verwaltungsmodernisierung 2003/2004, S. 361; Steinhaus, Gesetze mit Verfallsdatum, S. 97. 87 Änderung der Geschäftsordnung der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 13. Mai 1992, GVOBl. Schl.-H. 1992, S. 236, durch Einfügung von § 10a durch Beschluss der Landesregierung vom 14. Januar 1998, GVOBl. Schl.-H. 1998, S. 34; in der aktuell geltenden GO der Landesregierung findet die Normprüfungsstelle allerdings keine Erwähnung mehr. 88 Siehe Mohr, NordÖR 2007, 153 (155). 89 Berliner Senatsbeschluss Nr. 778/02 vom 17. Dezember 2002; dazu Brenski / Liebig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsmodernisierung 2004/2005, S. 49 f. 90 Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 16/2076 vom 23. Januar 2009, Vorlage (zur Kenntnisnahme) Neuausrichtung der ressortübergreifenden Normprüfung.

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und gab sie 2013 unter Auflösung dieser Stelle wieder vollständig in die Hände der einzelnen Ressorts. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns implementierte 2004 eine Normprüfstelle im Justizministerium, welche u. a. die Notwendigkeit, Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, Verständlichkeit und Rechtsförmlichkeit der ihr vorgelegten Entwürfe von Gesetzen und Rechtsverordnungen untersucht.91 Ihr Tätigkeitsgebiet ergibt sich aus einer als Verwaltungsvorschrift der Landesregierung erlassenen eigenen Geschäftsordnung92 sowie aus der GGO II, deren Überarbeitung im Jahr 2009 dazu führte, dass auch die Kostenfolgenabschätzung von Informationspflichten nach dem Standardkosten-Modell zum Prüfungsgegenstand der Normprüfstelle wurde93. Brandenburg verfügt seit 2005 über eine in der Staatskanzlei angesiedelte zen­ trale Normprüfstelle.94 Sie untersucht Entwürfe von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften vor deren Behandlung im Landeskabinett auf Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit sowie ihre Auswirkungen auf Bürger, Wirtschaft und Verwaltung. Das Ergebnis ihrer Prüfung hält sie in einer Stellungnahme fest, die sie im Rahmen der Ressortabstimmung dem für den Entwurf zuständigen Ministerium übermittelt. Seit 2009 müssen die Landesministerien die Auswirkungen eines Regelungsentwurfs auf Bürger und Unternehmen vor allem mithilfe einer Bürokratiekostenabschätzung nach dem Standardkosten-Modell ermitteln. Diese Kostenabschätzung ist ebenfalls Untersuchungsgegenstand der zentralen Normprüfstelle. Nach längeren politischen Diskussionen setzte auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalens mit Kabinettsbeschluss vom 24. Oktober 2006 eine ressortübergreifende Normprüfstelle im Innenministerium ein.95 Die dortige Normprüfstelle untersucht alle Rechtsnormentwürfe der Ministerien in rechtstechnischer Hinsicht und achtet in diesem Kontext u. a. auf die innere Stimmigkeit der Rechtsordnung und eine bürgerfreundliche Rechtssprache. Anschließend teilt sie ihre Empfehlun 91 Ausführlich Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 530 f.; Brenski / Liebig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsmodernisierung 2004/2005, S. 231 f.; Christiansen / Voß, LKV 2004, 529 (530). 92 Zunächst Geschäftsordnung der Normprüfstelle vom 25. Februar 2004, ABl. M.-V. 2004, S. 271 und nunmehr Geschäftsordnung der Normprüfstelle vom 18. Dezember 2012, ABl. M.-V. 2013, S. 5. 93 Vgl. § 4 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 3 Abs. 7 Gemeinsame Geschäftsordnung II, Richtlinien zum Erlass von Rechtsvorschriften und weiteren Regelungen durch die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern (GGO II) vom 02. Dezember 2008, ABl. M.-V. 2009, S. 2. 94 Aktuell geregelt in § 21 Abs. 3 Gemeinsame Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg (GGO) vom 15. März 2016. 95 Näher dazu Richter, NWVBl. 2009, 173 (174); auch Becker, NVwZ 2010, 1071 (1071), die darauf hinweist, dass die Normprüfstelle auch zu Evaluierungsmaßnahmen der Ressorts zu befristeten Rechtsvorschriften Stellung bezieht; Aufgaben und Verfahren der Normprüfstelle ergeben sich aus § 40 Gemeinsame Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 2014, MBl. NRW. 2014, S. 826, zuletzt geändert am 07. Juni 2017, MBl. NRW. 2017, S. 622.

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gen dem federführend zuständigen Ministerium mit, das frei darüber entscheiden kann, ob es ihnen folgt. Da die beschriebenen Normprüfungsstellen teilweise seit den 1980/90-er Jahren als Kontrollinstanzen an der landesregierungsinternen Gesetzesvorbereitung beteiligt sind, wiesen sie bereits vor Einsetzung des Normenkontrollrates Übereinstimmungen mit dessen späterer Tätigkeit auf. Auffällig ist, dass die Landesregierungen nahezu durchweg auf eine Beteiligung der Landesparlamente an der Normprüfung verzichteten. Als wesentlicher Unterschied zum Normenkontrollrat ist zu konstatieren, dass die Normprüfungsstellen interne Regierungseinheiten darstellen, die sich aus weisungsabhängigen Ministerialbeamten zusammensetzen. Allzu kritisch dürften ihrer Überprüfungen daher nicht ausfallen. Zudem verfolgen sie im Regelfall einen weiteren Ansatz, der sich nicht nur auf die Überprüfung der Darstellung der Bürokratiekosten oder des Erfüllungsaufwands beschränkt, sondern unterschiedliche Elemente einer Gesetzesfolgenabschätzung umfasst. Gleichwohl zeigt ihre Verbreitung, dass zentrale, ressortübergreifende Kontrollstellen in den meisten Bundesländern bereits vor der Einsetzung des Normenkontrollrates auf Bundesebene ein gängiges Instrument waren, um die Beachtung von Aspekten der Rechtsetzungslehre im Gesetzgebungsalltag zu gewährleisten. Mittlerweile orientieren sich vereinzelt Bundesländer (Sachsen, Baden-Württemberg) am Modell des Nationalen Normenkontrollrates und führen hinsichtlich Mandat und Stellung ähnliche Gremien ein.96 Diese ersetzen die beschriebenen regierungsinternen Einheiten jedoch in der Regel nicht, sondern ergänzen als regierungsexterne, „unabhängige“ Institutionen deren Arbeit. 5. Internationale Einflussfaktoren Den programmatischen Ausgangspunkt für den Versuch, die Kostenfolgen normativer Regelungen methodisch zu ermitteln, bildete das aus dem angloamerikanischen Raum stammende New Public Management. Betriebswirtschaftliche Denkweisen und Instrumente sollten nicht nur in die staatlichen Verwaltungsstrukturen integriert werden, sondern sich auch im Gesetzgebungsalltag niederschlagen. Aus diesem Grund existierten in den USA und Großbritannien bereits in den 1980-er Jahren regierungsnahe Einrichtungen, die den Zweck des Bürokratie­ abbaus verfolgten und aufgrund ihrer Entstehung und Vorgehensweise im Hinblick auf die deutsche Entwicklung Beachtung verdienen. Als konkretes Vorbild für den Normenkontrollrat gilt jedoch das niederländische Modell des unabhängigen Beratungsgremiums ACTAL zur Reduzierung „bürokratischer Lasten“.97 Nicht zuletzt 96

Näher dazu unter Kap. 3, D. I. 1. Bauer / Knill / Ziegler, ZSE 2006, 549 (558); Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 263; Cirsovius, NZS 2015, 841 (842); Karpen, FAZ Nr. 158 v. 11.07.2006, S. 7; Kreibohm /  Schön, Eildienst LKT NRW 2008, 61 (64); Schröder, DÖV 2007, 45 (45); Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 133; Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121). 97

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beeinflussten aber auch die Beratungstätigkeit der OECD sowie die Aktivitäten der EU die Herausbildung der organisatorischen Strukturen zum „Bürokratieabbau“ und zur „besseren Rechtsetzung“, die es heute in Deutschland gibt. a) Niederlande Zu Beginn der 1990-er Jahre setzte sich in den Niederlanden die politische Wahrnehmung durch, dass ein Übermaß an staatlich veranlassten Informationspflichten für Unternehmen negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Landes haben kann. Das Wirtschaftsministerium beauftragte daher im Jahr 1993 das in Den Haag ansässige Forschungs- und Beratungsinstitut EIM Business & Policy Research mit der Aufgabe, einen Ausgangspunkt über das Ausmaß der gesetzlichen Befolgungskosten für die niederländische Wirtschaft zu bestimmen.98 Aus diesem Auftrag entwickelte sich erstmalig die Idee, ein genaues Messverfahren zur Ermittlung und Quantifizierung des staatlich veranlassten Verwaltungsaufwands für die Wirtschaft zu erarbeiten. Nach einer ersten Messung ergab sich hinsichtlich des Verwaltungsaufwands aufgrund von Rechtsvorschriften ein Kostenumfang für Unternehmen von jährlich etwa 6 Mrd. Euro. Aufgrund dieser Zahl sah sich 1994 die damalige sozialliberale Regierung unter Ministerpräsident Wim Kok dazu veranlasst, in die Regierungserklärung das Ziel aufzunehmen, die „administrativen Lasten“ für Unternehmen innerhalb von vier Jahren um 10 % zu senken. In dieser Zeit waren alle Ministerien aufgefordert, Pläne zur Entlastung der Wirtschaft im Hinblick auf den zur Umsetzung von Rechtsvorschriften erforderlichen Aufwand zu entwickeln. Nachdem die Regierung das gesetzte Abbauziel deutlich verfehlt hatte, wurde offensichtlich, dass es eines umfassenderen Ansatzes bedurfte.99 Um das Jahr 1994 entwickelte EIM Business & Policy Research aus dem bisherigen, noch recht ungenauen Messverfahren die Messmethode Mistral („Meetinstrument Administratieve Lasten“). Diese ermöglichte es, die durch die Umsetzung von Rechtsvorschriften hervorgerufenen „administrativen Lasten“ für Unternehmen zu ermitteln und die dadurch gewonnenen Informationen für Regelungsvergleiche und Änderungssimulationen von Gesetzen zu nutzen. Da es bislang aber an einem erfolgsversprechenden Gesamtkonzept zum politikfeldübergreifenden Abbau „administrativer Lasten“ fehlte, setzte die zweite Regierung unter Wim Kok 1998 eine Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Direktors des privaten Mineralölunternehmens Shell Niederlande Jan Slechte ein. Die „Slechte-Kommission“ empfahl der Regierung, das Vorgehen zur Reduzierung „bürokratischer Lasten“ zu depolitisieren, um die notwendigen Diskussionen über „Bürokratieabbau“ und die rechtstechnische Qualität von Gesetzen nicht zum Spielball widerstreitender poli 98

Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (30); Kay, Bürokratieabbau in den Niederlanden, S. 38. 99 Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (30); Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (25).

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tischer Interessen werden zu lassen. Zu diesem Zweck sollte die inhaltlich-politische Auseinandersetzung über das Gesetz von der Messung der „administrativen Lasten“, die Aufschluss über die Effizienz der Regelungen gibt, streng getrennt werden.100 Weiterhin regte die „Slechte-Kommission“ an, ein regierungsunabhängiges Beratungsgremium zu schaffen, das die staatlichen Behörden im Rahmen der Bemühungen um den Abbau „bürokratischer Lasten“ überprüfen und ihnen gegenüber konstruktive Kritik üben solle.101 Auf der Basis dieser Vorschläge gründete die Regierung im Jahr 2000 ACTAL („AdviesCollege Toetsing Administratieve Lasten“) als unabhängiges und externes Beratungsgremium102. ACTAL und sein Nachfolger ATR beraten und unterstützen die niederländische Regierung und das Parlament im Rahmen der Gesetzgebung beim Abbau „bürokratischer Lasten“ für Unternehmen. Sie werden von einem Vorstand aus drei angesehenen Mitgliedern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft geleitet und besitzen eine Geschäftsstelle mit zehn Mitarbeitern.103 Jeder Gesetzentwurf eines Ministeriums ist vor seiner Einbringung ins Kabinett ACTAL / ATR samt einer Kalkulation der voraussichtlichen Bürokratiekosten vorzulegen.104 Das Gremium prüft daraufhin innerhalb von vier Wochen den Gesetzentwurf und kann in diesem Zusammenhang die Ministerien zu ergänzenden Erläuterungen und Alternativvorschlägen auffordern.105 Die Prüfung endet mit einer Stellungnahme, die der Gesetzesvorlage vor der Zuleitung ins Kabinett beigefügt wird. Das Kabinett ist an die Stellungnahme nicht gebunden, doch in der Regel nimmt es einen Gesetzentwurf, der auf Bedenken des ACTAL / ATR stößt, nicht in der bemängelten Fassung an.106 Neben der Funktion als Kontrollorgan sieht es ACTAL / ATR auch als seine Aufgabe an, die Themen Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung durch beratende Tätigkeit gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften fortzuentwickeln.107 100

Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (30 f.); Kay, Bürokratieabbau in den Niederlanden, S. 56; Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 36. 101 Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (31); Kay, Bürokratieabbau in den Niederlanden, S. 60. 102 Zum 01. Juni 2017 wurde ACTAL durch das Gremium ATR (Adviescollege Toetsing Regeldruk) ersetzt, dem ein ähnliches Aufgabenfeld zugewiesen ist. Die Namensänderung bringt allerdings zum Ausdruck, dass der Fokus nicht mehr allein auf der Überprüfung „administrativer“ Belastungen liegt. 103 Kay, Bürokratieabbau in den Niederlanden, S. 63; Kreibohm / Klippstein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (48); Röttgen, ZRP 2006, 47 (47); das Gremium ATR verfügte im Jahr 2018 über elf Mitarbeiter. 104 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 60 (66); Kreibohm / Klipp­ stein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (48). 105 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 60 (66); Kreibohm / Klipp­ stein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (48); OECD, From Red Tape to Smart Tape, S. 178. 106 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 60 (66); Kreibohm / Klippstein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (48); Schröder, DÖV 2007, 45 (45 f.). 107 Bauer / Knill / Ziegler, ZSE 2006, 549 (559); Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (291); Kreibohm / Klippstein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (48 f.).

A. Entstehung und Tätigkeit

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Vor dem Hintergrund der zunehmenden Institutionalisierung des Bürokratie­ abbaus setzte sich im Jahr 2003 die neue christlich-liberale niederländische Regierung unter Jan Peter Balkenende politisch das Ziel, die „bürokratischen“ Belastungen für Unternehmen durch die Erfüllung staatlich veranlasster Informationspflichten innerhalb von vier Jahren um 25 % zu senken108. Ausgangspunkt für die Senkung war eine im Juni 2004 aktualisierte „Bestandsmessung“, die ergab, dass die gesamten jährlichen Bürokratiekosten für Unternehmen bei 16,3 Mrd. Euro lagen.109 Um das Abbauziel zu erreichen und alle Ministerien nach ihren Möglichkeiten an der Senkung des Verwaltungsaufwands zu beteiligen, gründete die Regierung ergänzend zu ACTAL eine zentrale, im Finanzministerium verortete Koordinationseinheit unter dem Namen IPAL („Interdepartementale Projectdirectie Administratieve Lasten“).110 IPAL wirkt in erster Linie darauf hin, dass alle Ressorts den Abbau „bürokratischer Lasten“ in gleicher Weise vorantreiben.111 Dafür ist jedem Ministerium jeweils eine Untergruppe von IPAL-Mitarbeitern zugeordnet.112 Entsprechend der Angliederung von IPAL an das Finanzministerium liegt bei diesem auch die Federführung für das Projekt. Die Entscheidung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass es sich beim Finanzministerium zum einen um ein Querschnittsressort handelt und es zum anderen im Vergleich zu anderen Ressorts traditionell über eine besondere Bedeutung verfügt.113 Im Dezember 2003 stellte IPAL als eine konzeptionelle Weiterentwicklung der Messmethode Mistral das Standardkosten-Modell vor, das seitdem zur Bestimmung „bürokratischer“ Belastungen für alle Ministerien verbindlich ist.114 Unter „bürokratischen Lasten“ sind nach diesem Modell diejenigen Kosten zu verstehen, die bei Unternehmen durch gesetzliche Informations-, Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten entstehen. Seit 2005 messen die Ministerien auch die Bürokratiekosten, denen Bürger ausgesetzt sind. Bereits im Jahr 2007 hat die niederländische Regierung unter Balkenende das Programm nochmals erweitert und berücksichtigt seitdem nicht nur die Kosten aufgrund von Informationspflichten, sondern einschließlich inhaltlicher Verpflichtungen den gesamten Verwaltungsaufwand, der von einem Gesetz ausgeht.115

108

Dieses Ziel hat die niederländische Regierung im Jahr 2007 erreicht. Kay, Bürokratieabbau in den Niederlanden, S. 81; Kreibohm / Schön, Eildienst LKT NRW 2008, 61 (63). 110 Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (31); Kay, Bürokratieabbau in den Niederlanden, S. 82; Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 37; Veit, ZG 2008, 68 (80). 111 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 60 (65 f.); Kreibohm / Klipp­ stein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (47). 112 Kreibohm / Klippstein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (46). 113 Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (290); Kreibohm /  Klippstein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (46). 114 Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (31); Kay, Bürokratieabbau in den Niederlanden, S. 83. 115 Färber, in: GfP (Hrsg.), Better Regulation, S. 9 (22 f.); Lenk, in: Brüggemeier / ders. (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 41 (74). 109

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Das „niederländische Modell“ zeichnet sich durch drei Kernpunkte aus, aufgrund derer es als besonders durchsetzungsfähig und wirksam bewertet wurde. Neben der Ermittlung der „bürokratischen Lasten“ mittels des StandardkostenModells als Messmethode und der Festlegung eines konkreten Abbauziels durch die Regierung ist insbesondere die Organisationsstruktur aus ACTAL / ATR und IPAL hervorzuheben. Sie sorgen als unabhängiges Beratungsgremium und Koor­ dinationseinheit für die entsprechenden Rahmenbedingungen aus Kontrolle und Steuerung, um den Bürokratieabbau voranzutreiben. Die seit 2006 in Deutschland in die Wege geleiteten Bemühungen zum „Bürokratieabbau“ orientieren sich erkennbar am dargestellten Vorgehen in den Niederlanden.116 Sowohl die Organisationsstruktur bestehend aus Normenkontrollrat als unabhängigem Kontroll- und Beratungsgremium und der ressortübergreifenden Koordinierungseinheit in Form der „Geschäftsstelle Bürokratieabbau“ im Bundeskanzleramt als auch die Übernahme des Standardkosten-Modells ähneln deutlich dem niederländischen Modell. Ebenso wie die niederländische Regierung hat sich die deutsche Bundesregierung 2007 das Ziel gesetzt, 25 % der jährlichen Bürokratiekosten von Unternehmen bis Ende 2011 abzubauen. Erreichen konnte sie dieses Ziel allerdings erst im Jahr 2013. Schließlich entsprach es auch der niederländischen Vorgehensweise, die Kostenabschätzungen im Jahr 2011 auf den Erfüllungsaufwand und damit auf inhaltliche Befolgungskosten auszudehnen. b) USA Bereits im Jahr 1980 hat der US-amerikanische Kongress durch den Erlass des Paperwork Reduction Act die rechtliche Grundlage für wesentliche Maßnahmen des Abbaus von Verwaltungslasten in den USA gelegt. Ziel des Gesetzes war es, die Belastungen, denen Unternehmen und Bürger durch bundesstaatlich veranlasste, schriftliche Informationspflichten ausgesetzt sind, zu senken. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten für neue Regulierungen angewandten systematischen Kosten-Nutzen-Analysen, die in den USA den methodischen Schwerpunkt der Regulatory Impact Assessments bilden.117 Darüber hinaus sah der Paperwork Reduction Act die Bildung einer regierungsinternen Einheit unter dem Namen Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA) vor.118 Das OIRA ist als weisungsabhängiges Exekutivorgan dem Office of Management and Budget (OMB) untergeordnet, das 116

Das niederländische Modell sei „in seinen Grundzügen schlicht übernommen“ worden, so Schuppert, Governance und Rechtsetzung, S. 94. 117 Vgl. Bürger / Pahle / Wordelmann, VM 2009, 83 (84); Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 7; Grundlage für die systematische Nutzung von Kosten-Nutzen-Analysen im Rahmen von „Regulatory Impact Analysis“ im exekutiven Bereich war die 1981 von Präsident Reagan erlassene Executive Order 12291; dazu Hahn / Litan, JIEL 2/2005, 473 (474 f.). 118 Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth (Hrsg.), Comparative Administrative Law, S. 309 (313); v. Falkenhayn, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 138 (138).

A. Entstehung und Tätigkeit

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wiederum eine der Stabsstellen im Weißen Haus darstellt.119 Zusammengesetzt ist das OIRA aus einem vom Präsidenten ernannten sowie vom Senat bestätigten Leiter und 40 bis 50 Berufsbeamten. Die von Präsident Clinton im Jahr 1993 erlassene Executive Order 12866 verlangt von den amerikanischen Bundesministerien und -behörden, ihre untergesetzlichen Initiativen dem OIRA zum Zweck der Überprüfung vorzulegen, sofern es sich um ein bedeutsames Regulierungsvorhaben („significant regulatory action“) handelt. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn das Vorhaben wirtschaftliche Auswirkungen von jährlich mehr als 100 Mio. Dollar erwarten lässt oder erhebliche Auswirkungen auf einzelne Wirtschafts­ sektoren, die Umwelt, die öffentliche Gesundheit oder Sicherheit, die Bundesstaaten, die Gemeinden oder die indianischen Stämme hat.120 Hinsichtlich solcher exekutivischer Rechtsetzungsvorhaben muss die Bundesverwaltung eine Folgenabschätzung durchführen, deren Analyseinhalt die Executive Order 12866 sowie das 2003 vom OMB verfasste Rundschreiben Circular A-4 vorgeben.121 Gemäß dem Rundschreiben ist es Ziel einer Folgenabschätzung, zu belegen, dass die von der Regierung gewählte Maßnahme mehr Nutzen stiftet als Schaden verursacht.122 Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die Analyse die Feststellung des Regelungsbedarfs, die Untersuchung der Alternativen und die Bewertung der Kosten und Nutzen der vorgeschlagenen Initiative und der wichtigsten Alternativen in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht umfassen. Präsident Obama hat durch die Executive Order 13563 aus dem Jahr 2011 die im Rahmen einer Folgenanalyse anzuwendenden Instrumente u. a. um Öffentlichkeitsbeteiligungen und Ex-post-Evaluationen erweitert.123 Das OIRA überprüft innerhalb von 90 Tagen, ob die Folgenabschätzung des ihm zugeleiteten Vorhabens den durch die Executive Order 12866 aufgestellten Grundsätzen entspricht. Ist das nicht der Fall, weist das OIRA die zuständige Behörde durch einen return letter auf diejenigen Aspekte hin, die einer genaueren Untersuchung bedürfen.124 Erst nach Freigabe im Federal Register durch das OIRA entfaltet die Rechtsnorm verbindliche Außenwirkung.125 Die von der Legislative erlassenen Gesetze unterliegen hingegen nicht der Prüfungskompetenz des OIRA, sondern können nur durch den Kongress selbst auf 119

Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (53); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (287); v. Falkenhayn, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 138 (138). 120 Executive Order 12866, section 3 (f) (1) (Federal register Vol. 58, No. 190, 04.10.1993). 121 Hofmann, Abwägung im Recht, S. 83 f.; Wolf-Hegerbekermeier, ZG 2013, 357 (371). 122 Office of Management and Budget, Circular A-4, Regulatory Analysis, September 17, 2003, S. 4, abrufbar unter https://www.whitehouse.gov/sites/whitehouse.gov/files/omb/circulars/​A4/ a-4.pdf (letzter Zugriff: 02.02.2018). 123 Executive Order 13563, section 2 und 6 (Federal register Vol. 76, No. 14, 21.01.2011). 124 Hofmann, Abwägung im Recht, S. 83; Jacobs, in: Kirkpatrick / Parker (Hrsg.), Regulatory Impact Assessment, S. 17 (21); Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth (Hrsg.), Comparative Administrative Law, S. 309 (314). 125 Hofmann, Abwägung im Recht, S. 84; v. Falkenhayn, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 138 (138).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Bürokratielasten und weitere Auswirkungen untersucht werden. Zu diesem Zweck erließ der Kongress 1995 den Unfunded Mandates Reform Act, mit dem verhindert werden soll, dass Bundesgesetze einer anderen staatlichen Ebene durchsetzbare Rechtspflichten auferlegen, ohne dass die Zentralregierung die entsprechende Finanzierung dafür bereitstellt. Der Unfunded Mandates Reform Act ermächtigt das Congressional Budget Office (CBO), entsprechende Gesetzesvorlagen auf deren Folgekosten für die öffentliche Hand und den Privatsektor zu überprüfen.126 Kommt das CBO in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass eine relevante Kostenverlagerung auf eine andere staatliche Ebene ohne entsprechenden Ausgleich vorliegt, hat jeder Parlamentarier das Recht mit einem Geschäftsordnungsantrag die weitere Behandlung des Gesetzentwurfs zu verhindern, es sei denn, die Mehrheit des jeweiligen Hauses stimmt für die unveränderte Fortführung des Gesetzgebungsverfahrens.127 Da der Unfunded Mandates Reform Act neben der Beschränkung auf oben genannte relevante Kostenverlagerungen nur direkte Folgekosten einer Regelung umfasst und Gesetzentwürfe, die der Durchsetzung von Grundrechten dienen, Diskriminierungen verhindern sollen und für die nationale Sicherheit oder die Erfüllung völkerrechtlicher Pflichten notwendig sind, ausblendet128, ist der Bereich, in dem die Legislative umfassende Kostenfolgenabschätzungen vornimmt, sehr begrenzt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in den USA auf Bundesebene zwar weder ein flächendeckendes noch ein einheitliches System von Gesetzesfolgenabschätzungen existiert. Da jedoch die diesbezügliche Institutionalisierung von Verfahren, zuständigen sowie kontrollierenden Stellen und Methoden vor allem innerhalb der Exekutive des Bundes früher als in anderen Staaten begann, genießt das US-amerikanische Regulatory Impact Assessment weltweit einen gewissen Vorbildcharakter. c) Großbritannien Auch in Großbritannien blickt die Gesetzesfolgenabschätzung auf eine längere Tradition zurück, die in der Mitte der 1980-er Jahre begann. In dieser Zeit wurden erste regierungsinterne Einrichtungen gebildet, um im Rahmen einer Agenda für bessere Rechtsetzung Politikfelder aufzuspüren, in denen staatliche Regulierungen vereinfacht oder abgebaut werden konnten.129 Im Jahr 1995 führte die da 126

Unfunded Mandates Reform Act (UMRA), 2 U. S. C. § 658c (a)-(b) (1995); dazu Fehling, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 135 (137); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 39; v. Falkenhayn, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 138 (139 f.). 127 Fehling, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 135 (140 f.). 128 Siehe die vollständigen Ausnahmen vom Anwendungsbereich Unfunded Mandates Reform Act (UMRA), 2 U. S. C. § 658a (1995). 129 Baldwin, Public Law 2005, 485 (485 f.); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (287).

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malige von den Konservativen gestellte britische Regierung unter John Major die Deregu­lation Unit im Cabinet Office, also in der britischen Regierungszentrale, ein. Die 1997 neu gewählte Labour-Regierung unter Tony Blair behielt diese zen­ trale Steuerungseinheit in der Folgezeit bei, stellte sie jedoch neu auf und benannte sie in Regulatory Impact Unit um. Aufgabe der Unit war es, in Kooperation mit den Ministerien darauf zu achten, dass die Gesetzesvorhaben der Regierung den Grundsätzen „besserer Rechtsetzung“ entsprechen und einer Folgenabschätzung unterzogen werden.130 Die Verantwortung für die Durchführung der Regulatory Impact Assessments oblag jedoch dem jeweils fachlich zuständigen Ministerium. Im Jahr 2005 wandelte die britische Regierung die Regulatory Impact Unit in die ebenfalls unmittelbar im Kabinett angesiedelte Better Regulation Executive um. Sie ist zum einen mit Beamten, die vor allem aus den Ministerien stammen, und zum anderen mit Personen aus der Privatwirtschaft besetzt. Seit 2007 ist die Better Regulation Executive dem britischen Wirtschaftsministerium angegliedert. Als zentrale Koordinationseinheit begleitet sie bis heute den Better-Regulation-Prozess der Regierung, bewertet Politikvorschläge und überprüft ausgewählte Gesetzesfolgenabschätzungen. Die Möglichkeit, ein Regulierungsvorhaben aufgrund seiner mangelhaften „Qualität“ zu blockieren, steht der Better Regulation Executive allerdings nicht zu.131 Darüber hinaus schuf die britische Regierung 1997 als unabhängiges Beratungsgremium die Better Regulation Task Force als Nachfolgerin der bereits seit den 1980-er Jahren bestehenden Deregulation Task Force. Die damit einhergehende Umbenennung ist exemplarisch für den zunächst vor allem in Großbritannien zu beobachtenden sprachlichen Wandel von Deregulierung zu Better Regulation.132 Der von der Labour-Regierung forcierte terminologische Schwenk versuchte, das mit dem Begriff Deregulierung implizierte generelle Misstrauen gegenüber staatlicher Regelsetzung zu beenden und die Notwendigkeit wirksamer staatlicher Rechtsetzung zum Schutz öffentlicher und privater Interessen hervorzuheben.133 Inhaltlich verschob sich der Fokus hin zu umfassenderen Gesetzesfolgenabschätzungen, die nicht mehr nur die Auswirkungen der Rechtsetzung auf die Wirtschaft betrachteten, sondern auch die Folgen für die Bürger berücksichtigten. Der Better Regulation Task Force gehörten regierungsexterne Vertreter verschiedener Inte­ ressengruppen an, die der Premierminister auswählte. Sie befasste sich mit der Gesetzgebungstätigkeit der Regierung insgesamt und beriet die Ministerien zu neuen Regulierungsvorschlägen. Von ihren diesbezüglichen Empfehlungen ging jedoch keine Bindungswirkung für die Regierung aus.134 Als die fünf Grundsätze guter 130

OECD, From Red Tape to Smart Tape, S. 201. Bauer / Knill / Ziegler, ZSE 2006, 549 (557); OECD, Better Regulation in Europe: United Kingdom, S. 67. 132 Hill, DÖV 2004, 721 (722); Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 14. 133 Baldwin, Public Law 2005, 485 (486). 134 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 78 (79); OECD, From Red Tape to Smart Tape, S. 201 f. 131

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Regulierung formulierte sie Proportionality, Accountability, Consistency, Transparency und Targeting. Die Förderung dieser Grundsätze stand im Mittelpunkt ihrer Beratungstätigkeit. Die Better Regulation Task Force wurde 2006 in Better Regulation Commission umbenannt und ist seit 2009 unter der Bezeichnung Regulatory Policy Committee als Beratungsgremium der Regierung aktiv. Nach den positiven Erfahrungen mit dem Standardkosten-Modell in den Niederlanden entschied sich die britische Regierung 2005 auf Empfehlung der Better Regulation Task Force dafür, dieses Modell für eigene Messungen zu übernehmen. Um einen Ausgangspunkt zu erhalten, ließ die Regierung zunächst eine Bestandsmessung aller Informationspflichten durchführen. Aufgrund der Tatsache, dass Großbritannien bereits über ein ausgeprägtes System von Folgenabschätzungen verfügte, stieß das Standardkosten-Modell auf Widerstand, da es in Konkurrenz zu bestehenden Verfahren trat und nach seiner Anwendung nicht die erhofften Fortschritte brachte.135 Ein vergleichbarer Erfolg wie in den Niederlanden wurde dem Standardkosten-Modell in Großbritannien daher nicht zuteil. Die britische Politiklandschaft verstand das Modell eher als einen ersten Schritt hin zu noch umfassenderen Kosten-Nutzen-Analysen von Gesetzesvorhaben.136 Die kurze Darstellung offenbart, dass eine weitreichende Gesetzesfolgenabschätzung in Großbritannien im Gegensatz zu ihrer sporadischen Anwendung in Deutschland ein alltägliches Instrument in der Arbeit der Exekutive darstellt.137 Neben den Niederlanden gilt Großbritannien daher als Referenzland für die Institutionalisierung und Umsetzung von „besserer Rechtsetzung“ und „Bürokratieabbau“ im politischen System.138 Großbritannien verfügt ähnlich wie die Niederlande sowohl über eine zentrale Koordinationseinheit als auch über ein externes und unabhängiges Beratungsgremium, um eine funktionsfähige Gesetzesfolgenabschätzung zu gewährleisten. Diese Struktur dürfte für die deutschen Bestrebungen im Rahmen des Regierungsprogramms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ seit 2006 ebenfalls als Orientierung gedient haben. Mit der Einsetzung des Normenkontrollrates als unabhängigem Beratungsgremium und dem Staatssekretärsausschuss sowie der „Geschäftsstelle Bürokratieabbau“ als Koordinationseinheiten hat die damalige Bundesregierung ähnliche Organisationsformen gewählt. Sie verfolgte mit der Fokussierung auf Bürokratiekosten jedoch einen im Vergleich zum britischen Regulatory Impact Assessment deutlich engeren Ansatz.

135

Holthusen, Anwendung des Standardkosten-Modells, S. 64, 67; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 65. 136 Vgl. Färber, in: GfP (Hrsg.), Better Regulation, S. 9 (33 f.); Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 65. 137 Bauer / Knill / Ziegler, ZSE 2006, 549 (556 f.); Hahn / Litan, JIEL 2/2005, 473 (490); Radaelli, JEPP 2005, 924 (929, 932 f.). 138 Vgl. Bach / Jantz / Veit, in: Egle / Zohlnhöfer (Hrsg.), Zweite Große Koalition, S. 463 (468); Bürger / Pahle / Wordelmann, VM 2009, 83 (86); Färber, in: GfP (Hrsg.), Better Regulation, S. 9 (22 ff.); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (54); Veit, Bessere Gesetze, S. 248.

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d) OECD Die im Jahr 1961 aus der Vorgängerorganisation OEEC hervorgegangene OECD nimmt für ihre Mitgliedsländer die Rolle eines Impulsgebers in Bereichen staat­ licher Tätigkeit ein, die einen Bezug zur Wirtschaftspolitik aufweisen. Die weltweite Verbreitung von Programmen zu „besserer Rechtsetzung“ ist zu einem nicht unerheblichen Anteil dem Engagement der OECD als entsprechendem Standardsetzer geschuldet.139 Neben der Förderung des Gedankenaustausches zwischen den Mitgliedsländern zum Bürokratieabbau (Cutting Red Tape) begann die OECD in der Mitte der 1990-er Jahre, grundlegende Prinzipien für eine „bessere Rechtsetzung“ zu formulieren.140 Hintergrund dieser Entwicklung war das Ziel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Staaten zu erhalten und den Wohlstand im Zeitalter der Globalisierung sicherzustellen. Im Jahr 1995 verabschiedete der Rat der OECD die „Recommendation of the Council of the OECD on improving the Quality of Government Regulation“ inklusive einer Referenzcheckliste für die Entscheidungsfindung auf dem Gebiet der Rechtsetzung. Die Empfehlungen zielten insbesondere darauf ab, die Mitgliedsländer davon zu überzeugen, die Wirksamkeit, Effizienz und Nachvollziehbarkeit ihrer Rechtsetzung u. a. durch institutionalisierte Verfahrensweisen, Folgenabschätzungen, Konsultationen und Evaluationen zu gewährleisten. In der Folgezeit untersuchte die OECD eine Reihe von Mitgliedstaaten unter dem Aspekt, welche Maßnahmen zur Verbesserung der technischen Gesetzes­ qualität getroffen wurden und an welchen Stellen noch Verbesserungsbedarf bestand. Die Veröffentlichung dieser Berichte trug dazu bei, die betroffenen Mitgliedsländer unter Zugzwang zu setzen und Vergleiche zwischen den Fortschritten der verschiedenen Staaten zu ermöglichen. Der Länderbericht der OECD im Bereich Regulierungsreform zu Deutschland aus dem Jahr 2004 sah insbesondere in der Gesetzesfolgenabschätzung Schwachstellen, da es dem Verfahren mangels Sanktionen im Falle der Nichtbeachtung und aufgrund des Fehlens eines systematischen Ansatzes an Durchschlagskraft mangele.141 Die Verbesserungsvorschläge der OECD legten der Bundesregierung nahe, eine Methode zur Abschätzung der durch Verwaltungsaufwand verursachten Kosten auszuarbeiten. Des Weiteren riet die OECD den deutschen Amtsträgern, eine zentrale Regierungsstelle einzurichten, die das Verfahren zur Gesetzesfolgenabschätzung begleitet und überprüft. Im Jahr 2005 empfahl die OECD im Rahmen der Veröffentlichung weiterer Grundsätze für gute Regulierungsqualität, bei der Einführung der Maßnahmen zur besseren Rechtsetzung auf ein breites Gesamtkonzept zurückzugreifen und den ge 139

Jantz, dms 2015, 385 (393); Veit, Bessere Gesetze, S. 15. Allio, in: Kirkpatrick / Parker (Hrsg.), Regulatory Impact Assessment, S. 72 (74); Baldwin, Public Law 2005, 485 (489); Veit, Bessere Gesetze, S. 15; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 7. 141 OECD, Reviews of Regulatory Reform: Germany, S. 75 f. 140

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

samten Regulierungszyklus in die Betrachtung einzubeziehen.142 Die nachträgliche Korrektur und Bereinigung des Bestandes an Regulierungen müsse um ein frühzeitiges Tätigwerden ergänzt werden, das bereits bei der Erarbeitung der Vorschriften im Ministerium ansetze. Das Vorgehen zur Etablierung besserer Rechtsetzung gelinge vor allem dann, wenn es auf höchster politischer Ebene durch eine Organisationseinheit institutionalisiert werde und eine unabhängige Kontrolle der Ministerien erfolge.143 In einigen Kernpunkten hat die OECD damit neben den Strukturen aus den Niederlanden und Großbritannien die Entwicklung des Regierungsprogramms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Insbesondere die Organisationsstruktur bestehend aus Staatssekretärsausschuss, Koordinator und Geschäftsstelle im Bundeskanzleramt, die allesamt für Bürokratieabbau zuständig sind, setzt die Empfehlung der Institutionalisierung auf höchster politischer Ebene um. Die organisatorische Anbindung des Normenkon­ trollrates an das Bundeskanzleramt ist ebenfalls vor diesem Hintergrund zu deuten. Jedoch blieb der deutsche Ansatz zunächst auf die Messung von Bürokratiekosten für Unternehmen begrenzt, während andere von der OECD angepriesenen Instrumente wie eine umfassendere Gesetzesfolgenabschätzung oder Evaluationsklauseln erst ab 2011 mehr Aufmerksamkeit fanden.144 Im Jahr 2008 startete die OECD das Projekt EU 15, in dessen Zuge sie 15 Länder der EU im Hinblick auf ihre Bemühungen um eine verbesserte Rechtsetzung untersuchte. Im entsprechenden Länderbericht zu Deutschland aus dem Jahr 2010 lobte die OECD die durch das Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ erzielten Fortschritte. Sie hob insbesondere die Einsetzung des Normenkontrollrates und der „Geschäftsstelle Bürokratieabbau“ hervor und begrüßte, dass die Bundesregierung mithilfe des Standardkosten-Modells einen ersten systematischen Ansatz zur Kostenmessung etabliert habe. Negativ bewertete der Bericht u. a. die Tatsache, dass der Fokus des Programms bislang lediglich auf der Senkung der Bürokratiekosten liege und kein umfassendes Gesamtkonzept verfolgt werde, das alle „Qualitätsaspekte“ und an der Gesetzgebung beteiligten Organe einschließe. Das bisherige Vorgehen wirke zersplittert und es würden nur punktuelle Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung getroffen.145 Eine Ausweitung auch bezüglich des Mandats des Normenkontrollrates auf die gesamte Ex-ante-Folgenabschätzung von Gesetzentwürfen sei erforderlich.146 Mit der Novelle des NKRG im Jahr 2011 hat die Bundesregierung diese Forderungen teilweise umgesetzt.

142

OECD, Guiding Principles for Regulatory Quality and Performance, S. 3. OECD, Reviews of Regulatory Reform: Germany, S. 82 f.; siehe auch Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 10. 144 Vgl. Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 10. 145 OECD, Better Regulation in Europe: Germany, S. 38; dazu auch Fliedner, Rechtsetzung, S. 42 f. 146 OECD, Better Regulation in Europe: Germany, S. 27. 143

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e) Europäische Union Als ebenso bedeutsamer Einflussfaktor für die Entstehung des Normenkontrollrates erwiesen sich die auf Ebene der Europäischen Union getätigten Bestrebungen. Besondere Aufmerksamkeit hat in Deutschland der „Mandelkern-Bericht“ erfahren147, dessen Ausarbeitung durch eine 16-köpfige Expertenrunde auf einen Beschluss der für die öffentliche Verwaltung zuständigen Minister der EU-Mitgliedstaaten von November 2000 zurückgeht.148 Adressat des im Jahr 2001 ver­ öffentlichten Berichts waren nicht nur die Organe der EU, sondern auch die Unionsmitgliedstaaten. Neben der Bedeutung von Folgenabschätzungen für eine moderne, nachweisgestützte Politik betonte er, dass „die Frage der Strukturen der absolut vorrangige Dreh- und Angelpunkt“ sei, der über den Erfolg der Bemühungen um eine bessere Rechtsetzung entscheide149. Als wesentliche Elemente geeigneter Strukturen verweist der Bericht auf die Notwendigkeit starken politischen Rückhalts, die Unterstützung durch die Regierungsspitze, einen horizontalen Gesamtansatz sowie ein strategisches Konzept. Die Zuständigkeit für Umsetzung, Koordinierung und Überwachung der Regeln besserer Rechtsetzung sollte bei der gewählten Organisationsstruktur liegen.150 Insofern hat der „Mandelkern-Bericht“ bereits die Richtung vorgegeben, welche die Bundesregierung ab 2006 mit dem Normenkontrollrat sowie der „Geschäftsstelle Bürokratieabbau“, deren Anbindung im Bundeskanzleramt und der konzeptionellen Fokussierung auf das Standard­kosten-Modell als Formen besonderer institutioneller Strukturen eingeschlagen hat. Von nicht geringerer Bedeutung für das nationale Vorgehen zur Gewährleistung „besserer Rechtsetzung“ und zum Abbau von Bürokratiekosten ist auch der von der Europäischen Kommission in diesen Bereichen verfolgte Ansatz. Die zahlreichen von der Kommission zu diesen Themen veröffentlichten Mitteilungen beziehen bis heute neben den Unionsorganen auch die Mitgliedstaaten ein und fordern diese auf, ihrerseits Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und zur Verringerung der Verwaltungslasten zu ergreifen.151 Nach einer Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2005 sollen „alle Mitgliedstaaten nationale Strategien für bessere Rechtsetzung und insbesondere Folgenabschätzungssysteme für die integrierte Bewertung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und Umweltfolgen erstellen und die 147 Vgl. Brocker, DRiZ 2002, 462 (462 f.); Fliedner, Rechtsetzung, S. 43 f.; Hüper, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung, S. 41 (48); Rottmann, ZRP 2003, 61 (63); Smeddinck, DVBl. 2003, 641 (643 f.); in Anknüpfung zur Aufgabe des Normenkontrollrates Röttgen, ZRP 2006, 47 (48). 148 Ausführlich dazu und zur Entwicklung der Bemühungen um eine bessere Rechtsetzung auf Unionsebene unter Kap. 2, A. I. 1. b). 149 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Mandelkern-Bericht, S. 59. 150 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Mandelkern-Bericht, S. 60 f. 151 Vgl. Europäische Kommission, Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds, KOM(2002) 278 endg., S. 17 f.; dies., Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 9 f.; dies., Strategische Überlegungen, KOM(2006) 689 endg., S. 3 f.; dies., Bessere Rechtsetzung, COM(2016) 615 final, S. 13.

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dazu erforderliche Infrastruktur in Abhängigkeit von den nationalen Gegebenheiten schaffen“.152 Zwar geht von den Mitteilungen keine rechtliche Bindungswirkung aus153, aber sie üben politischen Druck auf die Mitgliedstaaten aus, aktiv zu werden. Mit dem 2003 eingeführten umfassenden Folgenabschätzungsansatz unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen hat die Kommission ein Orientierungskonzept für nationale Lösungen geschaffen, das sie durch eine zielgerichtete Selbstdarstellung zu preisen wusste.154 So stellte die Kommission im Jahr 2010 in einer Mitteilung fest: „Einige Mitgliedstaaten haben erhebliche Fortschritte bei Themen wie der Verringerung der Verwaltungslasten erzielt. Aber nur wenige haben ein so weitreichendes System der besseren Rechtsetzung eingerichtet wie die Kommission.“155 Die Einführung des Normenkontrollrates sowie des damit zusammenhängenden Standardkosten-Modells sind nicht unmittelbar und ausschließlich auf die Aktivitäten der Europäischen Kommission zurückzuführen. Aber die von der Kommission wiederholt vorgetragenen Forderungen nach einer Verringerung der „Verwaltungslasten“ und „besserer Rechtsetzung“ haben dazu beigetragen, diese Themen in Deutschland stärker auf die politische Agenda zu tragen. 6. Standardkosten-Modell als methodische Arbeitsgrundlage Das Standardkosten-Modell stellt einen methodischen Ansatz dar, mit dem ein Teil der „bürokratischen“ Belastungen, die von rechtlichen Regelungen ausgehen, systematisch ermittelt werden kann. Seinen Ursprung hat das StandardkostenModell in den Niederlanden der 1990-er Jahre. Es basiert auf der Messmethode Mistral und wurde über einen Zeitraum von mehreren Jahren mit Unterstützung der niederländischen Regierung konzeptionell entwickelt und angewendet.156 Die Einführung des Standardkosten-Modells in Deutschland ist eng verknüpft mit der Einsetzung des Normenkontrollrates. Es bildet die methodische Grundlage für seine Prüfungstätigkeit. Basis für die Anwendung des Modells auf bundesdeutscher Ebene ist ein gemeinsam von Bundesregierung und Statistischem Bundesamt erarbeitetes, rechtlich unverbindliches und im August 2006 veröffentlichtes „Methodenhandbuch der Bundesregierung“.157

152

Europäische Kommission, Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 9. Diese „Programm-Mitteilungen“ im Zusammenhang europäischer Rechtsetzung haben ausschließlich politischen Charakter, ebenso Brohm, „Mitteilungen“ der Kommission, S. 29 f.; dazu auch unter Kap. 3, B. I. 1. 154 Veit, Bessere Gesetze, S. 247. 155 Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 10. 156 Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (30 f.); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 36 f.; dazu unter Kap. 1, A. I. 5 a). 157 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Einführung des Standardkosten-Modells, S. 6. 153

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a) Modellbeschreibung Zentraler Ausgangspunkt des Standardkosten-Modells ist der Begriff der Informationspflicht. In Anlehnung an internationale Erfahrungen definiert § 2 Abs. 2 S. 3 NKRG Informationspflichten als auf Grund von Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift bestehende Verpflichtungen, Daten und sonstige Informationen für Behörden oder Dritte zu beschaffen, verfügbar zu halten oder zu übermitteln. Es kann sich bei der Informationspflicht folglich sowohl um eine Pflicht handeln, die unmittelbar zu einem schriftlichen, elektronischen oder mündlichen Informationstransfer führt, als auch um Pflichten mit dem Inhalt der Bereithaltung von Daten, die nur bei Bedarf abgerufen werden. Mit dem Standardkosten-Modell lassen sich nur die Kosten ermitteln, die sich aus rechtlich verlangten Informationspflichten ergeben. Gegenstand der Schätzung sind somit die Kosten, die für das Ausfüllen von Formularen und Anträgen sowie das Führen von Registern, Statistiken und Nachweisen etc. anfallen. Andere Kosten, die auf inhaltliche Verpflichtungen wie beispielsweise Umweltschutzbestimmungen zurückzuführen sind, bleiben außer Betracht.158 Ziel des Standardkosten-Modells ist es, einen Teil der Kosten, die Unternehmen aus der Befolgung gesetzlicher Vorschriften entstehen, systematisch zu erfassen. In Kenntnis dieser Kostenbelastung soll geprüft werden, in welchem Umfang Unternehmen von diesen Kosten durch Maßnahmen des „Bürokratieabbaus“ entlastet werden können.159 Zugleich bezweckt das Modell mithilfe einer nachvollzieh­baren Methodik die oftmals subjektiv geführten Diskussionen um Bürokratiebelastungen auf eine zahlenmäßig objektive Grundlage zu stellen.160 In diesem Sinne wird dem Standardkosten-Modell von einigen Beobachtern eine entpolitisierende Wirkung zugesprochen, da die politischen Debatten über „Bürokratieabbau“ versachlicht würden.161 Das Standardkosten-Modell zerlegt die zur Erfüllung einer Informationspflicht erforderlichen Arbeitsschritte in Standardaktivitäten.162 Hintergrund dieses Vorgehens ist die Erkenntnis, dass sich die unterschiedlichen Informationspflichten in ihrer Bearbeitung häufig sehr ähneln.163 Am Ende werden die Ergebnisse jeder 158 Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (33); Kroll, ZG 2009, 259 (261); zur Definition der Informationspflicht auch unter Kap. 1, A. II. 2. a); eindrücklich zu den unterschiedlichen Kostenarten, die im Zuge einer ökonomischen Gesetzesanalyse berücksichtigt werden können Deckert, ZG 1995, 240 (247 ff.). 159 Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 39. 160 Chlumsky / Schmidt / Vorgrimler / Waldeck, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik 10/2006, S. 993 (993); Veit, ZG 2008, 68 (69). 161 Funke, Bürokratieabbau, S. 72; Konzendorf, in: Widmer u. a. (Hrsg.), Evaluation, S. 27 (38); Veit, ZG 2008, 68 (69); Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (39); zur Kritik daran siehe unter Kap. 1, B. IV. 3. 162 Eckert, KommJur 2008, 332 (333); Funke, Bürokratieabbau, S. 72; Kroll, ZG 2009, 259 (261); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 257. 163 Chlumsky / Schmidt / Vorgrimler / Waldeck, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik 10/2006, S. 993 (994); Eckert, KommJur 2008, 332 (333); Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (424).

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einzelnen Standardaktivität wieder zur Informationspflicht zusammenaddiert. Die Kosten jeder Standardaktivität ergeben sich aus den Parametern Tarif, Zeit, Häufigkeit und Größe der Zielgruppe.164 Unter Tarif ist der Lohnsatz zu verstehen, der bei dem Normadressaten zur Ausführung der Tätigkeit pro Zeiteinheit anfällt. Wenn es um Informationspflichten geht, die Bürger betreffen, wird nicht auf den Lohnsatz abgestellt, sondern nur der Zeitaufwand quantifiziert. Das Parameter Zeit bestimmt den Zeitbedarf in Minuten zur Erfüllung der Informationspflicht. Aus der Multiplikation der Parameter Tarif und Zeit ergibt sich der Preis für die einmalige Erfüllung einer Informationspflicht. Die Häufigkeit sagt aus, wie oft im Jahr der Informationspflicht nachgekommen werden muss. Die Größe der Zielgruppe enthält die Anzahl der jährlich betroffenen Normadressaten. Wird die Häufigkeit mit der Größe der Zielgruppe multipliziert, resultiert daraus die jährliche Anzahl der Fälle, in denen die Informationspflicht befolgt werden muss. Vereinfacht ausgedrückt reduziert sich die Berechnung für eine rechtliche Regelung auf die Formel: Preis der einmaligen Erfüllung einer Informationspflicht mal Anzahl der Fälle ist gleich die Summe der Bürokratiekosten.165 Das Standardkosten-Modell verfolgt bei dieser Berechnung nicht den Anspruch, alle erdenklichen Verhaltensweisen der Normadressaten zu berücksichtigen, sondern die typische Prozessgestaltung abzubilden, indem es von durchschnittlichen Handlungsabläufen ausgeht.166 Die dem Modell zugrundeliegende Kostenberechnung ist wenig komplex. Als schwieriger und wichtiger erweist sich die Ermittlung der für die Berechnung erforderlichen Faktoren. Auf welchem Weg diese Faktoren erhoben werden können, ist vor allem davon abhängig, ob Informationspflichten aufgrund bestehender Rechtsakte („Bestandsmessung“ oder „Nullmessung“) oder neue Informationspflichten („Ex-ante-Messung“) zu untersuchen sind. Im Rahmen der Bestandsmessung sind insbesondere zur Ermittlung belastbarer Zeitparameter Unternehmen dahingehend zu befragen, welchen Zeitaufwand die verschiedenen Standardaktivitäten zur Erfüllung einer Informationspflicht bei ihnen in Anspruch nehmen.167 Da bei Durchführung der Ex-ante-Messung noch keine Angaben zum Zeitaufwand in den Unternehmen verfügbar sind, wird in diesem Fall regelmäßig auf standardisierte Erfahrungswerte zurückgegriffen, die in Deutschland das Statistische Bundesamt bereithält. Es handelt sich beim Standardkosten-Modell aufgrund der pauschalisierten Betrachtung weniger um ein Mess- als vielmehr um ein

164

Insgesamt dazu Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Einführung des Standardkosten-Modells, S. 16 ff. 165 Die Gesamtformel lautet: Tarif × Zeit × Häufigkeit × Größe der Zielgruppe = Höhe der Bürokratiekosten. Bereits vor dem Standardkosten-Modell existierte der Begriff „Bürokratiekosten“, über deren Definition aber Uneinigkeit herrschte, siehe etwa Deckert, ZG 1995, 240 (250); Karpen, in: Hof / Schulte (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht III, S. 329 (330). 166 Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 257; Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (424). 167 Vgl. Eckert, KommJur 2008, 332 (334); Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Einführung des Standardkosten-Modells, S. 47 ff.

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Schätzverfahren, mit dem ein Gesamtbild der durch rechtliche Vorschriften entstehenden Informationskosten erarbeitet wird.168 Ursprünglich zielte das Standardkosten-Modell nur auf die Schätzung der Kosten von Unternehmen ab.169 In Deutschland verpflichtete sich die Bundesregierung bereits im Kabinettsbeschluss vom 25. April 2006 zum Regierungsprogramm „Büro­kratieabbau und bessere Rechtsetzung“ dazu, die durch rechtlich vorgegebene Informationspflichten für Unternehmen, Bürger und Verwaltung entstehenden Bürokratiekosten messbar zu senken und neue Informationspflichten zu vermeiden. Die Bundesregierung brachte damit frühzeitig zum Ausdruck, dass die Anwendung des Standardkosten-Modells in Deutschland nicht auf Unternehmen beschränkt bleiben sollte. In den ersten zwei Jahren bezogen sich die Messungen nach dem Standardkosten-Modell gleichwohl zunächst ausschließlich auf Unternehmen, da die Schätzung der Kosten von wirtschaftlichen Organisationseinheiten methodisch einfacher zu handhaben war und man sich durch die Vermeidung „bürokratischer“ Hürden für Unternehmen am schnellsten volkswirtschaftliches Wachstum erhoffte.170 Seit Anfang 2009 nutzten die Bundesministerien das Standardkosten-Modell auch dazu, bei neuen Regelungsvorhaben den Zeitaufwand für Bürger zu ermitteln.171 In diesem Kontext unterblieb jedoch eine Transformation des Zeitaufwands in monetäre Kosten. Gleichwohl konnte der Normenkontrollrat dadurch in der Folge die Darstellung der „Bürokratiebelastungen“ sowohl für die Wirtschaft als auch für die Bürger in den Gesetzentwürfen der Bundesministerien überprüfen. Eine Schätzung der Bürokratiekosten der öffentlichen Verwaltung mittels des Standardkosten-Modells gestaltete sich hingegen schwieriger. Es fehlte an einer praktikablen Methodik, welche die Informationspflichten von den sonstigen inhaltlichen Pflichten einer Behörde abgrenzte.172 Entsprechend der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 2 S. 3 NKRG betrifft ein Großteil der behördlichen Verwal 168

Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 261; Eckert, KommJur 2008, 332 (336); Konzendorf, in: Widmer u. a. (Hrsg.), Evaluation, S. 27 (38) sieht daher im Standardkosten-Modell eine „erhebliche methodische Reduktion“. 169 Holthusen, Anwendung des Standardkosten-Modells, S. 16; Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 40; Veit, Bessere Gesetze, S. 22. 170 Chlumsky / Schmidt / Vorgrimler / Waldeck, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik 10/2006, S. 993 (994). 171 Bach / Jantz / Veit, in: Egle / Zohlnhöfer (Hrsg.), Zweite Große Koalition, S. 463 (471); Jann / Wegrich / Jantz / Veit, Bürokratieabbau für Bürger, S. 12; Veit, Bessere Gesetze, S. 79; ausführlich zur Anwendung des Standardkosten-Modells auf den Bereich Bürger Holthusen, Anwendung des Standardkosten-Modells, S. 16 ff. 172 Siehe hierzu und zu den Problemen der Anwendung des Standardkosten-Modells im Bereich der öffentlichen Verwaltung Zülka, DÖV 2009, 939 (940 ff.); zu praktischen Anwendungsversuchen des Modells in der Verwaltung Pfisterer, DÖV 2009, 1130 (1132 f.); eine der ersten Messungen mittels des Standardkosten-Modells auf kommunaler Ebene fand durch die NordWestConsult GmbH im Landkreis Osnabrück statt, wo im Jahr 2007 die Entlastungswirkun­gen des niedersächsischen Modellkommunengesetzes auf bestimmte Verwaltungsvorgänge untersucht wurden, näher dazu Zülka, in: Kruse / Wittberg (Hrsg.), Fallstudien zur Unternehmensführung, S. 144 (145 ff.).

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tungstätigkeit Informationspflichten. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die Bearbeitung von Informationen anders als bei Unternehmen den Kernbereich des materiellen Verwaltungshandelns ausmacht.173 Mit der Novellierung des NKRG im Jahr 2011 und der damit einhergehenden Betrachtung des Erfüllungsaufwands kam dieses Problem nicht mehr zum Tragen, weil der Erfüllungsaufwand sowohl Bürokratiekosten als auch den Aufwand durch sonstige inhaltliche Pflichten erfasst. Für jede von der Verwaltung zu erfüllende Tätigkeit (z. B. Bereitstellung von Informationen, Bearbeitung von Anträgen, Erstellung eines Bescheids, Überwachungsaufgaben) konnte demnach unter Berücksichtigung der dafür aufzubringenden Arbeitszeit und den laufbahnspezifischen Lohnsätzen der jeweils zuständigen Mitarbeiter der kostenbezogene Erfüllungsaufwand geschätzt werden. Im Verhältnis zur bereits beschriebenen Gesetzesfolgenabschätzung verfolgt das Standardkosten-Modell einen wesentlich engeren Ansatz, der sich nur auf die Informationspflichten einer Regelung bezieht. Die Bürokratiekostenabschätzung orientiert sich am Wirtschaftlichkeitsprinzip und berücksichtigt daher lediglich ökonomische Aspekte. Gerade in dieser inhaltlichen Beschränkung liegt der Vorteil des Standardkosten-Modells. Sie ermöglichte es, dass das Modell von den am Rechtsetzungsprozess beteiligten Stellen methodisch leicht rezipiert werden konnte und damit zumeist auf Akzeptanz in der Bundesministerialverwaltung stieß.174 Trotz dieser Differenzen zwischen Bürokratiekostenmessung und Gesetzesfolgenabschätzung dienen beide Konzepte dem Ziel, in unterschiedlichem Ausmaß die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung zu ermitteln. Aus diesem Grund stellt die Bürokratiekostenmessung nach dem Standardkosten-Modell einen methodischen Unterfall einer umfassenden Gesetzesfolgenabschätzung dar.175 Vereinzelt wird allerdings befürchtet, dass das Standardkosten-Modell dank seines Erfolgs den umfassenderen Ansatz der Gesetzesfolgenabschätzung in den Hintergrund drängen könnte.176 Verstärkt wird diese Gefahr dadurch, dass eine erschöp-

173 Dietsche / Glied / Kluge / Ley, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 183 (186); Funke, Bürokratieabbau, S. 77; NKR, Jahresbericht 2009, S. 44 ff.; ders., Jahresbericht 2010, S. 51. 174 Förster, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 71 (75 f.); Konzendorf, in: Widmer u. a. (Hrsg.), Evaluation, S. 27 (38); Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (160); Schultze, DÖV 2007, 401 (410). 175 Ebenfalls dieser Ansicht folgend Böhret, VM 2006, 284 (289); Färber, in: GfP (Hrsg.), Better Regulation, S. 9 (18); Maurer, ZG 2006, 377 (379); Nagel, SächsVbl. 2010, 105 (106); Veit, Bessere Gesetze, S. 22; Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Recht­ setzung, S. 31 (35); anders hingegen Sicko, ZfRSoz 2011, 27 (30 f.), die das Standardkosten-Modell als eigenständiges „Rechtsoptimierungsverfahren“ versteht; ähnlich Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 254, der der entsprechenden Ex-ante-Messung von Bürokratiekosten trotz ihrer Integration in die allgemeine GFA einen „eigenständigen Verfahrenscharakter“ zuspricht. Zu den Unterschieden zwischen den beiden Verfahren siehe Förster, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 71 (72 ff.). 176 So Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (159 f.); ähnlich Bürger / Pahle / Wordelmann, VM 2009, 83 (83).

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fende Gesetzesfolgenabschätzung im Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ bislang nahezu keine Rolle gespielt hat. b) Modellregion für den Bürokratieabbau Ostwestfalen-Lippe Die Region Ostwestfalen-Lippe im nordrhein-westfälischen Regierungsbezirk Detmold ist seit 2004 eine Modellregion für den Bürokratieabbau. Unter der Koordination der OWL (Marketing) GmbH aus Bielefeld engagieren sich bereits seit 2002 verschiedene Akteure aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft in der Initiative „Wirtschaftsnahe Verwaltung“, um sich für weniger und „bessere“ Vorschriften sowie eine moderne Verwaltung einzusetzen, die ergebnisorientiert arbeitet.177 Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens unterstützte die Bemühungen der Initiative, indem sie 2004 das auf drei Jahre befristete Gesetz zum Bürokratieabbau in der Modellregion Ostwestfalen-Lippe erließ178. Ziel war es gemäß § 1 S. 1 Bürokratieabbaugesetz OWL, in der Modellregion zum Zwecke des Bürokratieabbaus über einen Zeitraum von drei Jahren ausgewählte Vorschriften (Gesetze, Verordnungen und Erlasse)  außer Kraft zu setzen oder zu modifizieren, um zu erproben, ob damit unternehmerisches Handeln erleichtert, Existenzgründungen gefördert und die wirtschaftliche Entwicklung in der Region insgesamt vorangetrieben werden kann. Das Gesetz sah u. a. Ausnahmen vom Widerspruchsverfahren sowie vereinfachte Genehmigungsverfahren vor. Basierend auf dem Bürokratieabbaugesetz OWL fand in der Modellregion in Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium eine der ersten Messungen auf der Grundlage des Standardkosten-Modells in Deutschland statt. Die von der Bielefelder Unternehmensberatung NordWestConsult Anfang 2006 durchgeführte „Pilotmessung nach dem Standardkostenmodell zum Umfang der administrativen Belastungen bei öffentlicher Ausschreibung gemäß § 8 VOB / A ohne und mit Präqualifizierung“ sollte darlegen, in welchem Maße die gesetzliche Einführung eines Präqualifikationsverfahrens dazu beitragen könnte, die Kostenbelastungen betroffener Unternehmen zu reduzieren.179 Unter Präqualifikation ist eine vorgelagerte, unabhängig von einer konkreten Ausschreibung vorgenommene Prüfung der Eignungsnachweise von Bauunternehmen zu verstehen, so dass die Unternehmen bei allen Ausschreibungen auf die Ergebnisse der Präqualifizierungsstelle verweisen können.180 Zur Berechnung eines möglichen Einsparpotenzials bezog sich die Pilot 177

Stember, in: Stember / Göbel (Hrsg.), Verwaltungsmanagement, S. 29 (82). Gesetz zum Bürokratieabbau in der Modellregion Ostwestfalen-Lippe (Bürokratieabbaugesetz OWL) vom 16. März 2004 (GVBl. NRW S. 134); dazu Bull, Die Verwaltung 2005, 285 (295). 179 NordWestConsult, Pilotmessung nach dem Standardkostenmodell zum Umfang der administrativen Belastungen bei öffentlicher Ausschreibung; siehe auch Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 70 f. 180 Die Möglichkeit der Präqualifizierung ist mittlerweile in § 6b VOB / A vorgesehen. Die vorzulegenden Eignungsnachweise ergeben sich nun aus § 6a VOB / A. 178

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

messung auf die Ermittlung der durch die Beibringung von Eignungsnachweisen entstehenden Informationskosten mit und ohne Präqualifikation. Im Ergebnis hat die Messung ergeben, dass durch die Einführung eines Präqualifikationsverfahrens eine immense Zeit- und Kostenersparnis für Bauunternehmen verwirklicht werden könnte. c) Vorarbeiten der privaten Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Die in Bielefeld beheimatete, im Jahr 2000 gegründete private Fachhochschule des Mittelstands (FHM) widmet sich seit dem Jahr 2005 dem Bürokratiekostenabbau als zentralem Forschungsfeld. Als Initiator der FHM, die schwerpunktmäßig wirtschafts- und medienwissenschaftliche Studiengänge anbietet, gilt der Erziehungs- und Wirtschaftswissenschaftler Richard Merk. Träger der FHM ist die Stiftung Bildung und Handwerk aus Paderborn, die als gemeinnützige Stiftung ihre Aufgabe darin sieht, die allgemeine und berufliche Bildung zu fördern. Die Vertreter der FHM wiesen wiederholt darauf hin, dass insbesondere mittelständische Unternehmen unter den „Auswüchsen und Kosten, die durch Bürokratie verursacht“ würden, zu leiden hätten. Die „Belastungen der deutschen Unternehmen durch Bürokratie“ seien zu einem „enormen Standortnachteil Deutschlands“ geworden.181 Vor diesem Hintergrund unterstützte die FHM die Bemühungen, das Standardkosten-Modell als Messmethode für Bürokratiekosten in Deutschland zu etablieren.182 In ihrem Auftrag entstand 2005 das erste deutschsprachige Handbuch zum Standardkosten-Modell. Es findet auch in der Gesetzesbegründung zum NKRG Erwähnung und stellt im Wesentlichen eine Übersetzung des internationalen Handbuchs zur standardisierten Bürokratiekostenmessung (International Standard Cost Model Manual) dar, das im Jahr 2004 aus einer Arbeitsgruppe der Länder Niederlande, Dänemark, Schweden, Norwegen und Großbritannien hervorging.183 Daran anschließend hat es sich die FHM zur Aufgabe gemacht, die Bürokratiekostenabschätzung in Deutschland zu begleiten und voranzutreiben. Zu diesem Zweck hat sie im Jahr 2007 das „Nationale Zentrum für Bürokratiekostenabbau“ (NZBA) gegründet. Im Kuratorium des NZBA bekleidet Norbert Röttgen, der maßgeblich an der Einsetzung des Normenkontrollrates beteiligt war, die Funktion des Vorsitzenden. Da die FHM das Standardkosten-Modell als betriebswirtschaftlichen Ansatz begreift, kooperierte sie für das Handbuch zum Standardkosten-Modell sowie im Rahmen weiterer Praxisanwendungen der neuen Messmethode mit der Bielefelder Unternehmensberatung NordWestConsult GmbH. Deren langjähriger Geschäftsführer Henning Kreibohm war als Sachverständiger zum Gesetzentwurf 181

So Merk, in: ders. (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 8. Siehe dazu insbesondere den Beitrag von Kreibohm / Klippstein, in: Merk (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 25 (31 ff.), der im hochschuleigenen Verlag der FHM veröffentlicht wurde. 183 BT-Drs. 16/1406, S. 5. 182

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des NKRG am 29. Mai 2006 vor dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Technologie geladen und wurde anschließend von 2006 bis 2011 zum Mitglied des Normenkontrollrates berufen. Ebenso fungierte Gerhard Klippstein, der zu dieser Zeit Rektor der FHM war, als Sachverständiger bei der Anhörung zum Gesetzentwurf des NKRG am 29. Mai 2006 und bemängelte in diesem Zusammenhang, dass die Gesetzentwürfe aus des Mitte des Bundestages nicht vom Prüfmandat des Normenkontrollrates erfasst seien184. Im Rahmen der Anhörung zur Novelle des NKRG am 28. Juni 2010 vor dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Technologie befürwortete Volker Wittberg in seiner Funktion als Professor an der FHM und Leiter des NZBA die Mandatserweiterung des Normenkontrollrates um den Erfüllungsaufwand.185 Nachdem die FHM zunächst den Schwerpunkt darauf legte, mittels des Standardkosten-Modells „bürokratische Belastungen“ für privatwirtschaftliche Unternehmen offenzulegen, rückten ab 2008 auch Kommunen als „Bürokratieopfer“ in den Fokus ihres wissenschaftlichen Forschungsinteresses. Sie warb eingehend dafür, das Standardkosten-Modell nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auch auf die öffentliche Verwaltung und insbesondere die Kommunen anzuwenden. Eine vom „Nationalen Zentrum für Bürokratiekostenabbau“ der FHM ausgearbeitete Studie sollte dieses Erfordernis unterstreichen, da die Untersuchung zum Ergebnis kam, dass die deutschen Kommunen hochgerechnet jährlich acht Mio. Arbeitsstunden (umgerechnet 400 Mio. Euro an Personalkosten) für die Erfüllung der ihnen durch Bundes- und Landesrecht sowie EU-Recht auferlegten Informationspflichten aufwenden müssten.186 Mit dieser in den Städten Baden-Baden, Bünde, Freiburg und dem Kreis Lippe durchgeführten Studie sah die FHM den Nachweis erbracht, dass das Standardkosten-Modell mit geringfügigen Modifikationen auf die Informationspflichten der Kommunen übertragbar sei.187 Angesichts fortbestehender methodischer Unklarheiten blieb die flächendeckende Anwendung des Standardkosten-Modells auf die Kommunalverwaltung in der Folgezeit jedoch aus. Erst ab dem Jahr 2011, seitdem mit dem Modell der Erfüllungsaufwand eines Gesetzes abgeschätzt wird, berücksichtigen Bundesministerien und Normenkontrollrat regel­ mäßig die Folgekosten gesetzlicher Regelungen auch für die Kommunen.

184

BT-Drs. 16/1665, S. 6. BT-Drs. 17/4241, S. 5. 186 Dietsche / Glied / Kluge / Ley, in: Klippstein / Röttgen (Hrsg.), Kommunen als Bürokratieopfer, S. 28 f.; dazu Pfisterer, DÖV 2009, 1130 (1133); kritisch zu dieser Studie Zülka, DÖV 2009, 939 (943 f.), da sie solche Informationspflichten der Kommunen ausblende, die sich unmittelbar aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergäben. 187 Dietsche / Glied / Kluge / Ley, in: Klippstein / Röttgen (Hrsg.), Kommunen als Bürokratieopfer, S. 46; dies., in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 183 (208). 185

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

d) Einfluss der Bertelsmann Stiftung Eine führende Rolle bei der Implementierung des Standardkosten-Modells in Deutschland kam der in Gütersloh ansässigen Bertelsmann Stiftung zu.188 Im Rahmen ihres Großprojekts „Agenda Moderne Regulierung“ nahm das Standardkosten-Modell von Beginn an eine zentrale Rolle ein, da es mit der Hoffnung verbunden war, eine systematische Erfolgskontrolle staatlicher Regulierungstätigkeit etablieren zu können. Durch eine Reihe von Studien unter ihrer Federführung ist es der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmens­ beratungen gelungen, das Standardkosten-Modell in Deutschland bekannt zu machen und die Vorteile seiner Anwendung herauszustellen. Die erste Studie dieser Art stellte ein im Januar 2006 begonnenes Pilotprojekt zur Messung der von sechs Landesbauordnungen ausgehenden Informationspflichten dar. Ziel des Projekts, bei dem sich die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland beteiligten, war es insbesondere, den Nutzwert des Standardkosten-Modells in Bezug auf die deutsche Regulierungskultur zu überprüfen und die Anwendbarkeit des Modells auf Landesebene zu erproben.189 Ein weiteres Pilotprojekt der Bertelsmann Stiftung bestand im Zeitraum zwischen Mai und September 2006 darin, das Landesweiterbildungs- und Bildungsfreistellungsrecht der fünf Bundesländer Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mithilfe des Standardkosten-Modells zu untersuchen und hinsichtlich der Informationspflichten zu vergleichen. Das Projekt bezweckte die Gewinnung methodischer Erkenntnisse für die weitere Anwendung des Modells.190 Unterstützend führte die Bertelsmann Stiftung Ende 2005 eine Veranstaltungsreihe ein, in deren Fokus die in den Niederlanden gemachten Erfahrungen mit dem Standardkosten-Modell standen. Ziel dieser Diskussionsveranstaltungen war es, das Standardkosten-Modell nach niederländischem Vorbild einschließlich des dort entwickelten institutionellen Aufbaus im Sinne eines Agenda-Settings der deutschen Fachöffentlichkeit zu präsentieren und verschiedene Optionen für die Einführung in Deutschland zu diskutieren.191 Weiterhin initiierte die Bertelsmann Stiftung in der zweiten Hälfte des Jahres 2006 das Pilotprojekt „SKM-Scan des Landesrechts auf Bürokratiekosten“, in 188 Vgl. Bach / Jantz / Veit, in: Egle / Zohlnhöfer (Hrsg.), Zweite Große Koalition, S. 463 (468); Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 261; Bull, in: Ziekow (Hrsg.), Verwaltungspolitik, S. 151 (160); Holthusen, Anwendung des Standardkosten-Modells, S. 57; Nagel, in: ders. / Böllmann (Hrsg.), Staatliches Handeln, S. 95 (106 f.); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratie­ kosten messen, S. 22, 53; Schuppert, Governance und Rechtsetzung, S. 92; Veit, Bessere Gesetze, S. 57. 189 Ernst / Brinkmann / Frick, VM 2006, 239 (241 f.); dazu auch Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Das Standard-Kosten-Modell, S. 10. 190 Ernst / Brinkmann / Frick, VM 2006, 239 (242). 191 Zur Dokumentation der Veranstaltungsreihe Ernst / Koop, ZG 2006, 179 ff.

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dessen Rahmen das Landesrecht der Bundesländer Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen im Hinblick auf die Regelungen ana­lysiert wurde, die die höchsten Informationskosten für Unternehmen verursachen.192 Abweichend von einer normalen Messung mithilfe des Standardkosten-Modells (SKM-Messung) zeichnet sich der SKM-Scan (auch als „Quick-Scan“ bekannt) dadurch aus, dass lediglich eine Schätzung der Bürokratiekosten für Informationspflichten aufgrund von Erfahrungswerten bereits durchgeführter SKM-Messungen in anderen Projekten vorgenommen wird. Da folglich keine Erhebungen vor Ort stattfinden, sind die im Zuge des SKM-Scans ermittelten Endergebnisse in der Regel relativ ungenau. Allerdings zielt der SKM-Scan nicht auf eine präzise Bürokratiekostenmessung ab, sondern strebt die Identifizierung derjenigen Rechtsvorschriften an, die vergleichsweise besonders kostenintensive Informationspflichten enthalten (sog. „Kostentreiber“).193 Im ländervergleichenden Ergebnis hat das Projekt eine Rangliste von zehn Regelungsbereichen hervorgebracht, die länderübergreifend mit besonders hohen Bürokratiekosten verbunden sind. Dazu gehörten u. a. die Wassergesetze, das Bauordnungsrecht sowie die Straßengesetze. Mit dem Projekt konnte die Bertelsmann Stiftung den teilnehmenden Bundesländern konkrete Einsparungspotenziale aufzeigen. In den ihr zurechenbaren Veröffentlichungen aus den Jahren 2005 und 2006 betonte die Bertelsmann Stiftung, dass das Standardkosten-Modell die Möglichkeit biete, detaillierte Aufschlüsse über den Umfang der staatlich veranlassten Bürokratiekosten, denen vor allem Unternehmen ausgesetzt seien, zu erhalten.194 Das Modell schaffe Transparenz, da die Quantifizierung „bürokratischer Lasten“ die Argumentation bei Maßnahmen des „Bürokratieabbaus“ erleichtere und die Erfolge der Maßnahmen messbar mache. Die durch das Standardkosten-Modell ermöglichte Reduzierung von Bürokratiekosten fördere Innovationen, Produktivität und ökonomisches Wachstum, ohne dass es öffentlicher Ausgaben bedürfe. Langfristig werde ein Mentalitätswandel in der Gesetzgebungskultur dahingehend eintreten, dass die verantwortlichen gesetzgeberischen Stellen die mit Regelungsvorhaben verbundenen Folgekosten stets im Blick hätten. Als für die Bertelsmann Stiftung handelnde Personen traten im Rahmen der „Agenda Moderne Regulierung“ der verantwortliche Projektleiter Frank Frick so 192 Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 261 f.; Dehoust / Nagel, SächsVBl. 2008, 101 (102); Ernst / Brinkmann / Frick, VM 2006, 239 (243); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 71; der dazugehörige ländervergleichende externe Bericht, den das für die Durchführung des Projekts verantwortliche Beraterkonsortium bestehend aus Mitarbeitern von KPMG, Rambøll Management und EIM verfasst hat, ist abrufbar unter https://www. saarland.de/dokumente/thema_moderne_verwaltung/SKM-Scan_laendervergleichenderexterner​ Bericht_final.pdf (letzter Zugriff: 18.08.2017). 193 Dehoust / Nagel, SächsVBl. 2008, 101 (102); Ernst / Brinkmann / Frick, VM 2006, 239 (243); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 47. 194 Dazu und zum Folgenden Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Das Standard-Kosten-Modell, S. 3; Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (36); siehe auch Ernst / Koop, ZG 2006, 179 (181 f.).

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wie die Projektmanager Henrik Brinkmann und Tobias Ernst auf. Von ihnen stammen zwei gemeinsame Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, mit denen sie im Jahr 2006 für die flächendeckende Einführung des Standardkosten-Modells in Deutschland plädierten.195 Sowohl bei der Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf des NKRG am 29. Mai 2006 als auch bei der Sachverständigenanhörung zur Novelle des NKRG am 28. Juni 2010 war Frank Frick als Vertreter der Bertelsmann Stiftung geladen.196 Im Zuge der öffentlichen Anhörung am 29. Mai 2006 pries er die Bürokratiekostenmessung auf der Grundlage des StandardkostenModells als einzige Möglichkeit, um den Bürokratieabbau gezielt zu steuern.197 Frick befürwortete in diesem Kontext auch die Einsetzung des Normenkontrollrates, da es nur einer unabhängigen und starken Instanz gelingen könne, dem Prozess der Bürokratiekostenmessung ausreichend Autorität und Legitimität zu verleihen. Im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE im Juli 2007 zur „Rolle der Bertelsmann Stiftung beim Bürokratieabbauvorhaben der Bundesregierung“ offenbarte die Bundesregierung, dass das damalige Normenkontrollratsmitglied Hans D. Barbier zwischen 1996 und 2004 im Kuratorium der Bertelsmann Stiftung saß und ein im November 2006 eingestellter Mitarbeiter des Sekretariats des Normenkontrollrates zuvor ein halbes Jahr beratend für die Bertelsmann Stiftung tätig war.198 Dadurch beeinflusste die Bertelsmann Stiftung mittelbar auch die ersten praktischen Anwendungen des Standardkosten-Modells auf Bundesebene. Nachdem das Standardkosten-Modell hinsichtlich der Bürokratiekosten der Wirtschaft in Deutschland implementiert war, hat die Bertelsmann Stiftung im Jahr 2007 die Anwendung des Modells auf die Bürokratiebelastungen der Bürger durch die Studie „Ermittlung von Bürokratie-Zeit-Kosten von Bürgern mit Hilfe des Standard-Kosten-Modells“ vorangetrieben. Die die Studie durchführenden Unternehmensberatungen NordWestConsult und Rambøll Management betrachteten den Bürokratieaufwand für Menschen in besonderen Lebenslagen, indem sie sich im Rahmen der Untersuchungen auf ehrenamtlich Tätige in Sportvereinen, Eltern von behinderten Kindern und Angehörige von pflegebedürftigen älteren Personen konzentrierten. Als Ergebnis der Studie hat die Bertelsmann Stiftung neben dem Einsparungspotenzial von bis zu 28 % für Eltern von behinderten Kindern und Angehörigen von pflegebedürftigen älteren Menschen festgestellt, dass das Standardkosten-Modell in leichter Modifikation auch zur Messung der „bürokratischen“ Belastungen von Bürgern geeignet sei.199

195

Vgl. Ernst / Brinkmann / Frick, VM 2006, 239 ff.; Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 ff. Siehe Frick, Stellungnahmen, BT-Ausschussdrs. 16(9)130 und BT-Ausschussdrs. 17(9)174. 197 Dazu und zum Folgenden siehe BT-Drs. 16/1665, S. 5. 198 BT-Drs. 16/6152, S. 2 f.; siehe zu Letzterem auch Baer, in: Mahlmann (Hrsg.), FS Rottleuthner, S. 245 (250, Fn. 17). 199 Bertelsmann Stiftung, Ermittlung von Bürokratie-Zeit-Kosten von Bürgern mit Hilfe des Standard-Kosten-Modells (SKM), S. 8. 196

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Nach der dreijährigen Anwendung des Standardkosten-Modells in Deutschland forcierte die Bertelsmann Stiftung die Ausweitung des Modells in Richtung aller Regulierungskosten. Durch die Veröffentlichung eines Handbuchs zur Messung von Regulierungskosten und eines internationalen Vergleichs von Methoden zur Messung von Regulierungskosten im Jahr 2009 hat die Bertelsmann Stiftung die Erweiterungsdiskussion maßgeblich geprägt. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Bundesregierung nicht mehr nur die Bürokratiekosten, sondern den gesamten Erfüllungsaufwand neuer Regelungsvorhaben ermittelt und das Mandat des Normenkontrollrates entsprechend angepasst wurde.200 Im Rahmen der öffentlichen Sachverständigenanhörung am 28. Juni 2010 zur NKRG-Novelle im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat Frick für die Bertelsmann Stiftung zum Ausdruck gebracht, dass eine Erweiterung der Prüfungen des Normenkontroll­rates um den Erfüllungsaufwand erforderlich sei, um die Spürbarkeit des bisherigen „Bürokratieabbaus“ zu stärken.201 Die besondere Rolle, die die Bertelsmann Stiftung insgesamt bei der Einführung und Weiterentwicklung des Standardkosten-Modells in Deutschland einnahm, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass das Modell ihren politischen Leitlinien entsprach. Die regelmäßig von der Bertelsmann Stiftung zu unterschiedlichen Themen vorgelegten Studien legen es generell nahe, staatliches Handeln vermehrt an marktwirtschaftlichen Kriterien auszurichten. Diesen Anspruch verfolgt auch das Standardkosten-Modell, da es eine ausschließlich ökonomische Sichtweise in den Gesetzgebungsprozess einbringt. e) Erweiterung des Standardkosten-Modells Da das Standardkosten-Modell in seiner ursprünglichen Form nur einen kleinen Ausschnitt gesetzlicher Folgekosten umfasste, zeigten sich alsbald seine Grenzen. Als Problem erwies sich insbesondere, dass die Unternehmen, obwohl sie die Hauptadressaten der bisherigen Aktivitäten darstellten, kaum eine entlastende Wirkung durch den Abbau von Informationspflichten verspürten.202 Wie von der Bertelsmann Stiftung vorangetrieben, wich daher die Begrenzung auf die Informationspflichten einem umfassenderen Kostenverständnis. Der Ausgangspunkt für die Erweiterung des Standardkosten-Modells war die Novelle des NKRG im Jahr 2011. Seither besteht die Aufgabe des Normenkontrollrates gemäß § 1 Abs. 3 NKRG darin, die Darstellung des Erfüllungsaufwands neuer Regelungen für 200

Veit, Bessere Gesetze, S. 81. Frick, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)174, S. 1; siehe auch BT-Drs. 17/4241, S. 4. 202 Funke, Bürokratieabbau, S. 84; NKR, Jahresbericht 2010, S. 29; Öchsner, SZ Nr. 218 v. 21.09.2011, S. 19; Schorn, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 99 (100); Veit, in: Ziekow (Hrsg.), Bewerten, S. 37 (45); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (296); so auch für die Niederlande Lenk, in: Brüggemeier / ders. (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 41 (73). 201

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung auf ihre Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit zu überprüfen. Die Bundesministerien sind aufgrund § 44 Abs. 4 GGO verpflichtet, den Erfüllungsaufwand neuer gesetzlicher Regelungen zu ermitteln und im Entwurf darzustellen. Die vorher ausschließlich zu beachtenden Bürokratiekosten sind entsprechend § 2 Abs. 2 S. 1 NKRG als Bestandteil des Erfüllungsaufwands anzusehen und gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 NKRG erfolgt ihre Schätzung weiterhin nach dem Standardkosten-Modell in seiner ursprünglichen Form. Die Mandatsausweitung des Normenkontrollrates um den Erfüllungsaufwand machte eine Fortentwicklung des Standardkosten-Modells erforderlich, denn auch die Berechnungsmethode für den Erfüllungsaufwand sollte im Wesentlichen auf den Grundsätzen des bisherigen Modells basieren.203 Bundesregierung, Statis­ tisches Bundesamt und Normenkontrollrat haben dazu 2011 den „Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands in Regelungsvorhaben der Bundesregierung“ entwickelt und diesen im Jahr 2012 aktualisiert.204 Der Leitfaden stellt sowohl für die Bundesministerien als auch für den Normenkontrollrat die Grundlage im Umgang mit dem Erfüllungsaufwand dar.205 Er orientiert sich maßgeblich am Standardkosten-Modell und modifiziert dieses anhand nationaler Erfahrungen an einigen Stellen, um es auf den deutlich umfassenderen Ansatz des Erfüllungsaufwands anwenden zu können. Eine einheitliche internationale Methodik zur Schätzung des Erfüllungsaufwands liegt hingegen bislang nicht vor.206 Da im Rahmen des Erfüllungsaufwands nicht nur Informationspflichten, sondern alle Handlungspflichten Berücksichtigung finden, müssen grundsätzlich alle Sach-, Betriebs-, Unterhalts-, Anschaffungs- und einmalige Umstellungskosten, die bei den Normadressaten zur Erfüllung einer rechtlichen Vorgabe entstehen, beachtet werden. 7. Entstehungsprozess des NKRG Seinen Anfang nahm das Projekt zur Einführung eines Normenkontrollrates in Deutschland im Jahr 2005. Im Wahlkampf für die vorgezogene Neuwahl am 18. September 2005 legte die CDU / CSU u. a. einen Schwerpunkt auf den Bürokratieabbau in der Hoffnung, auf diese Weise die Wirtschaft ankurbeln zu können. Die 203

Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (266); Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 20; zur Definition des Erfüllungsaufwands unter Kap. 1, A. II. 2. b). 204 Bundesregierung / NKR / Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands. 205 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 57; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 19. 206 Ein erster Schritt in diese Richtung stellt aber ein von der OECD im Jahr 2014 unter Mitarbeit von Deutschland veröffentlicher Leitfaden dar, siehe OECD, Regulatory Compliance Cost Assessment Guidance, S. 21 ff.

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damalige Oppositionsführerin Angela Merkel verdeutlichte dieses in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 07. September 2005: „Wir werden Bürokratieabbau ganz vorne ansetzen. In der jetzigen Situation des Haushaltes gibt es nur eine Möglichkeit: Wachstum schaffen vor allen Dingen durch Maßnahmen, die nichts kosten. Deshalb ist Bürokratieabbau ein Schlüsselpunkt in unserem Programm.“207 a) CDU / CSU-nahe Arbeitsgruppe Bereits im Mai 2005, also kurz nach der Ankündigung von Neuwahlen durch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, beauftragte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU / CSU-Fraktion Norbert Röttgen den ehemaligen CDU-Staatssekretär für Justiz und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg Hans-Georg Kluge damit, innovative Ideen zum Bürokratieabbau zu entwickeln.208 Dieser Auftrag mündete in die Bildung einer Arbeitsgruppe209, die sich verstärkt dem Thema des Bürokratieabbaus widmete. Hans-Georg Kluge reiste als Vertreter und Vorsitzender der Arbeitsgruppe im August 2005 in die Niederlande, um sich dort näher über die niederländische Vorgehensweise zum Abbau von Bürokratiekosten zu informieren, die international bereits viel Lob erhalten hatte.210 Er sprach zu diesem Zweck mit hauptamtlichen Mitarbeitern des Beratungsgremiums ACTAL, dessen Aufgabe insbesondere darin besteht, bei Gesetzesinitiativen den berechneten Verwaltungsaufwand und etwaige Regelungsalternativen auf ihre Kosten zu überprüfen211. Die dabei gewonnenen Eindrücke über die niederländische Methodik hinsichtlich der Bürokratiekostenmessung überzeugten die Arbeitsgruppe. In ihrem Abschlussbericht mit dem Titel „Vorschläge zur Intensivierung der Deregulierung und Einleitung eines umfassenden Bürokratieabbaus in der Bundesrepublik Deutschland“ von Oktober 2005 betonte die Arbeitsgruppe, dass das niederländische Standardkosten-Modell zur Bürokratiekostenmessung als am besten geeignet erscheine.212 Der im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe enthaltene Vorschlag lautete dementsprechend, dass in Deutschland kurzfristig eine systematisierte Bürokratiekostenmessung als Kernelement einer effektiven Gesetzesfolgenabschätzung eingeführt werden solle. Zu deren Implementierung empfahl der Abschlussbericht ein Gesetz zu verabschieden, das u. a. eine „institutionelle Gesetzesbeobachtung“ durch einen unabhängigen 207

BT-Prot. 15/186, S. 17507. Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (23). 209 Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Hans-Georg Kluge, Hans-Jörg Dietsche, York von Falkenhayn, Klaus Finkelnburg, Anett Kleine-Döpke-Güse, Gerald Kretschmer und Alexander Schink. 210 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (25). 211 Schröder, DÖV 2007, 45 (45); siehe näher dazu unter Kap. 1, A. I. 5 a). 212 Kluge / Dietsche / v. Falkenhayn / Finkelnburg / Kleine-Döpke-Güse / Kretschmer / Schink, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 31 (36); dazu auch Bach / Jantz / Veit, in: Egle / Zohlnhöfer (Hrsg.), Zweite Große Koalition, S. 463 (468). 208

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„Normenkontrollausschuss“ auf Regierungsebene einrichtet.213 Als Begründung für diesen Ratschlag verwies der Abschlussbericht auf entsprechende Empfehlungen der OECD und des „Mandelkern-Berichts“ der EU sowie auf die erfolgreiche Arbeit der bayerischen Normprüfstelle.214 Die Grundzüge, wie sich die Arbeitsgruppe die Tätigkeit dieses Ausschusses vorstellte, ähnelten auf der einen Seite teilweise bereits dem Normenkontrollrat in seiner heutigen Ausgestaltung. So schlug die Arbeitsgruppe vor, dass der Ausschuss seine Voten gegenüber dem federführenden Bundesminister nicht öffentlich abgeben solle, zugleich aber diese Voten und die dazugehörigen Stellungnahmen der Bundesregierung dem Gesetzentwurf bei der Einbringung in den Bundestag beizufügen seien215, wie es heute auch in § 6 Abs. 1 NKRG geregelt ist. Zudem betonte die Arbeitsgruppe die Unabhängigkeit des vorgeschlagenen Ausschusses216, die später ein wichtiges Charakteristikum des Normenkontrollrates darstellte. Bezüglich der unabhängigen Stellung des Ausschusses orientierte sich die Arbeitsgruppe an den vergleichbaren Gremien in den Niederlanden (ACTAL) und in Großbritannien (Better Regulation Task Force). Auf der anderen Seite gingen die Vorschläge der Arbeitsgruppe jedoch deutlich über das hinaus, was später durch das NKRG umgesetzt wurde. Insbesondere sollte der Ausschuss eine umfassende Gesetzesfolgenabschätzung vornehmen dürfen und dabei sowohl die Gesetzentwürfe der Bundesministerien als auch bestehende Gesetze auf Regelungsbedarf, Regelungsalternativen, Zweckmäßigkeit und Folgerichtigkeit, Kostenwirksamkeit, Vollzugseignung, Belastung der Landes- und Kommunalbehörden sowie Europarechtskompatibilität überprüfen.217 Falls der vorgeschlagene Normenkontrollausschuss bei seiner Prüfung feststellen sollte, dass die Prinzipien „guter Gesetzgebung“ nicht eingehalten worden seien, sollte ihm das Recht zustehen, den Gesetzentwurf zu beanstanden. Der für den Gesetzesvorschlag zuständige Bundesminister sollte in dieser Situation, falls er die Auffassung des Ausschusses nicht teilt, verpflichtet sein, die legislatorischen Absichten näher zu begründen und sich einem Konfliktregelungsverfahren zu unterwerfen, das bei einem von der Arbeitsgruppe vorgesehenen Bundesminister für Entbürokratisierung, Deregulierung und Aufgabenkritik stattfinden sollte. Ein Vetorecht und damit die Möglichkeit, die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs zu verhindern, sah die Arbeitsgruppe für den geplanten Ausschuss jedoch nicht vor. 213 Kluge / Dietsche / v. Falkenhayn / Finkelnburg / Kleine-Döpke-Güse / Kretschmer / Schink, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 31 (47 ff.). 214 Kluge / Dietsche / v. Falkenhayn / Finkelnburg / Kleine-Döpke-Güse / Kretschmer / Schink, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 31 (49). 215 Kretschmer / Finkelnburg, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 155 (161). 216 Kluge / Dietsche / v. Falkenhayn / Finkelnburg / Kleine-Döpke-Güse / Kretschmer / Schink, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 31 (50 f.). 217 Siehe hierzu und zu den nachfolgend dargestellten Vorschlägen die von der Arbeitsgruppe verfassten Eckpunkte für ein Deregulierungsgesetz bei Kretschmer / Finkelnburg, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 155 (158 ff.).

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Angesichts der erheblichen Reichweite der angedachten Befugnisse des vorgeschlagenen Gremiums haben größere Teile des Abschlussberichts bislang keine Umsetzung in die Praxis erfahren. Dennoch belegt der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe, dass es in Kreisen der CDU / CSU-Fraktion bereits konkrete Vorstellungen von einem unabhängigen Normenkontrollgremium gab, die in den nachfolgenden Entwicklungen hin zur Bildung des Normenkontrollrates eine bedeutsame Rolle gespielt haben. b) Gesetzesinitiative der Großen Koalition im Jahr 2005 Nach der Bundestagswahl am 18. September 2005 formierte sich eine Große Koalition aus CDU / CSU und SPD. Der ausgehandelte Koalitionsvertrag wurde am 11. November 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt und am 18. November 2005 von den Parteispitzen unterzeichnet. Der Abschnitt „Bürokratieabbau“ des Koalitionsvertrages enthielt u. a. die Zusage, dass die Bundesregierung das StandardkostenModell zur objektiven Messung der „bürokratischen Belastungen“ von Unternehmen umgehend einführe.218 Weiter hieß es: „Beim Bundeskanzleramt wird zur Begleitung dieses Prozesses ein unabhängiges Gremium von Fachleuten (Normen­ kontroll-Rat) eingesetzt, das u. a. Gesetzesinitiativen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen auf ihre Erforderlichkeit und die damit verbundenen bürokratischen Kosten hin überprüft. Der Rat hat darüber hinaus das Recht, Gesetze, die nach seiner Auffassung überflüssig sind oder gegen sonstige Prinzipien guter Gesetzgebung verstoßen, zu benennen und eine begründete Stellungnahme dazu gegenüber dem Kabinett abzugeben. Der Vorsitzende des Rates kann die Auffassungen seines Gremiums dem Bundeskanzler oder – stellvertretend – dem ChefBK unmittelbar vortragen.“219 Es war insbesondere Norbert Röttgen, der die Ergebnisse der von ihm beauftragten Arbeitsgruppe aufgriff, um in Zusammenarbeit mit dem damaligen Parlamentarischen SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz die Idee eines Normenkontrollrates für die Koalitionsvereinbarung auszuarbeiten.220 Da folglich auch die SPD das Vorhaben unterstützte, fand es bereits zu Beginn der Legislaturperiode unmittelbar Eingang in die politische Agenda der Bundesregierung. Die Vorbereitung des Gesetzentwurfs lag in der Folgezeit in den Händen der Fraktionen von CDU / CSU und SPD. Den Koalitionsfraktionen war schnell klar, dass sowohl die Festschreibung des Standardkosten-Modells als auch die Ein 218

CDU / CSU / SPD, Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, S. 74. CDU / CSU / SPD, Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, S. 75. 220 Bei der Rede der Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Veranstaltung zur Zwischenbilanz des Nationalen Normenkontrollrates am 11. Mai 2009 in Berlin betonte sie die diesbezüglichen Verdienste von Norbert Röttgen und Olaf Scholz, abrufbar unter http://adrien. barbaresi.eu/corpora/speeches/BR/t/1463.html (letzter Zugriff: 23.02.18); ebenso Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (24). 219

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

setzung eines Normenkontrollrates nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgreich gelingen könnten. Damit verfolgten sie insbesondere das Ziel, die Ministerialverwaltung auf die Beachtung dieser neuen Instrumente gesetzlich zu verpflichten.221 Hintergrund dessen waren zum Teil erhebliche Widerstände aus dem Kreis der Ministerialbeamten, insbesondere aus dem Bundesjustizministerium. Diese waren der Ansicht, dass die Überprüfung der Gesetzentwürfe der Bundesregierung durch den Normenkontrollrat zu einem Zeitpunkt, in dem die interne Willensbildung der Regierung noch nicht abgeschlossen sei, einen Verstoß gegen Art. 76 GG darstelle, weil eine Einflussnahme externer Sachverständiger in dieser Phase als Eingriff in den unantastbaren Kern exekutiver Eigenverantwortung zu werten sei.222 Im Zuge dieser Debatte verfasste das Bundesjustizministerium Anfang April 2006 einen eigenen Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Einrichtung eines Normenkontrollrates, der jedoch vor allem in zwei Punkten erheblich von dem später im Bundestag verabschiedeten NKRG abwich.223 Zum einen sollte der Normenkontrollrat nur dann Stellung zur Einbringung von Gesetzesvorlagen nehmen dürfen, wenn er von den Inhabern des Gesetzesinitiativrechts darum gebeten wurde. Zum anderen sah der Entwurf des Bundesjustizministeriums keine Festschreibung des Standardkosten-Modells zur Berechnung der „Bürokratielasten“ vor, sondern ließ offen, wie diese festgestellt werden sollten. Für die mit der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beschäftigten Parlamentarier von CDU / CSU und SPD stellte der Entwurf des Bundesjustizministeriums den Versuch dar, einen Normenkontrollrat mit möglichst geringem Einfluss zu etablieren. Aus diesem Grund waren sie sich darüber einig, aus dem Entwurf des Bundesjustizministeriums keine Vorschläge zu übernehmen. Die Ausarbeitung des NKRG erfolgte daraufhin durch die Koalitionsfraktionen, ohne dass die Ministerialverwaltung und die Bundesregierung daran nennenswert beteiligt waren. Der Grund für dieses Vorgehen dürften die bereits erwähnten erheblichen Bedenken gewesen sein, die einige Bundesministerien an der Verfassungsmäßigkeit der Prüfkompetenz des Normenkontrollrates äußerten. Zeitgleich mit der Erarbeitung des Gesetzentwurfs für das NKRG rief die Bundesregierung durch einen Kabinettsbeschluss das bereits erwähnte Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ am 25. April 2006 ins Leben. Darin verpflichtete sich die Bundesregierung die durch Informationspflichten hervorgerufenen Bürokratiekosten messbar zu senken und neue Informationspflichten zu vermeiden.224 Zur Erreichung dieses Ziels und als einer der Schwerpunkte des Programms sah die Bundesregierung die Einbeziehung des geplanten Normenkontrollrates vor, dessen Einrichtung auf gesetzlicher Grundlage sie ausdrücklich

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Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (27). Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (27); dazu auch Heintzen, ZRP 2006, 235 (235). 223 Hierzu und zu den Inhalten des vom Bundesjustizministerium stammenden Alternativ­ entwurfs Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 165 (165 f.). 224 Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 25. April 2006, S. 1. 222

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befürwortete.225 Aus diesem Grund stand die Einsetzung des Normenkontrollrates in unmittelbarem Zusammenhang zum Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“.226 c) Beratung und Beschluss des NKRG Die Regierungsfraktionen der Großen Koalition brachten den Gesetzentwurf zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates am 09. Mai 2006 in den Bundestag ein. Der Entwurf beschränkte die Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates auf Gesetzesvorschläge der Bundesministerien, ohne dem Gremium zunächst eine größere Rolle im Konzept der „besseren Rechtsetzung“ zuzuweisen. Damit blieb der Gesetzentwurf deutlich hinter den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages zurück227, in dem es hieß, dass der Rat die Erforderlichkeit von Gesetzesinitiativen der Bundesregierung überprüfen und das Recht haben solle, Gesetze, die nach seiner Auffassung überflüssig seien oder gegen sonstige Prinzipien guter Gesetzgebung verstießen, zu benennen und eine begründete Stellungnahme dazu gegenüber dem Kabinett abzugeben228. Sowohl in den Beratungen des federführenden Ausschusses für Wirtschaft und Technologie als auch im Bundestag wurde deutlich, dass es der SPD-Fraktion wichtig war, den Aufgabenkreis des Normenkontrollrates zu begrenzen, um zunächst Erfahrungen zu sammeln und Misstrauen abzubauen.229 Der SPD-Abgeordnete und zugleich Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum NKRG Rainer Wend erklärte die Bedenken seiner Fraktion zum einen mit der Angst vor der Entwicklung einer „Expertokratie“, die eine Machtverlagerung zulasten des Parlaments nach sich ziehe.230 Zum anderen wies er auf die Befürchtung hin, der Bürokratieabbau könne ähnlich wie ein Trojanisches Pferd nur als Vorwand benutzt werden, um in Wahrheit den Inhalt von Gesetzen zu überprüfen.231 Als Argument gegen die Überprüfung der Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages durch den Normenkontrollrat führte Wend an, dass es aus demokratietheoretischer Sicht bedenklich wäre, wenn die Legislative in Bezug auf Bürokratiekosten von einem Gremium kontrolliert werde, über dessen Besetzung die Exekutive entscheide.232

225

Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 25. April 2006, S. 1 f. Dietze / Färber, VM 2007, 283 (283); Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (88); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (151). 227 Dose, dms 2008, 99 (106); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (155); Maurer, ZG 2006, 377 (378); Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (159); Schröder, DÖV 2007, 45 (47). 228 CDU / CSU / SPD, Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, S. 75. 229 BT-Drs. 16/1665, S. 10; BT-Prot. 16/37, S. 3262. 230 Abg. Wend (SPD), BT-Prot. 16/37, S. 3262. 231 Abg. Wend (SPD), BT-Prot. 16/37, S. 3262; siehe dazu auch Schröder, DÖV 2007, 45 (47). 232 Abg. Wend (SPD), BT-Prot. 16/37, S. 3262. 226

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Demgegenüber hätte es die CDU / CSU-Fraktion bevorzugt, wenn der Normenkontrollrat von Anfang an auch die Gesetzentwürfe der Bundestagsfraktionen hätte prüfen können.233 Doch damit konnte sich die CDU / CSU-Bundestagsfraktion genauso wenig durchsetzen wie mit einem internen Diskussionsvorschlag vom 27. Mai 2006, der beinhaltete, den Gesetzentwurf zum NKRG dahingehend zu erweitern, dass beim Bundestag ein Büro zur Durchführung der standardisierten Bürokratiekostenmessung eingerichtet werde. Dieses Büro sollte für die Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages die Höhe der dadurch entstehenden Bürokratiekosten messen.234 Dieser Vorschlag scheiterte vor allem an der Befürchtung der SPD-Fraktion, dass damit die umstrittene Frage, ob der Normenkontrollrat Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages überprüfen solle, erneut virulent werden könnte. Der Gesetzentwurf zum NKRG ging unverändert aus den Beratungen und der Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat hervor.235 Am 14. August 2006 wurde das NKRG ausgefertigt und trat am 18. August 2006 in Kraft.236 d) Novelle des NKRG im Jahr 2011 Die nach der Bundestagswahl am 27. September 2009 gebildete Koalitionsregierung aus CDU / CSU und FDP weitete die politischen Aktivitäten zum „Bürokratieabbau“ aus. In ihrem Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009 vereinbarte sie, sowohl die gesetzlichen Informationspflichten für Bürger als auch die gesetzlichen Handlungspflichten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung zu prüfen, bevor neue Gesetze vorgelegt würden.237 Zu diesem Zweck beabsichtigte die neue Regierung, den Normenkontrollrat zu stärken und seine Kompetenzen auszubauen. Unter Berücksichtigung der neuen Anforderungen sollte sein Mandat ausgedehnt sowie seine Größe und Zusammensetzung überprüft werden.238 Im Kabinettsbeschluss vom 27. Januar 2010 bekräftigte die neue Regierung, dass sie das Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ vom 25. April 2006 fortführen und auf die Betrachtung des „gesamten Aufwandes von Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung zur Erfüllung bundesrechtlicher Vorgaben“ ausweiten wolle.239

233

Abg. Meyer (CDU / CSU), BT-Prot. 16/37, S. 3257. Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 165 (166). 235 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 165 (166); Schröder, DÖV 2007, 45 (45). 236 Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates vom 14. August 2006 (BGBl. I, S. 1866). 237 CDU / CSU / FDP, Koalitionsvertrag 17.  Legislaturperiode, S.  15. 238 CDU / CSU / FDP, Koalitionsvertrag 17. Legislaturperiode, S. 15 f. Im Jahr 2009 hat auch der Normenkontrollrat selbst eine Erweiterung seines Mandats in Richtung weiterer Kosten angeregt, siehe NKR, Jahresbericht 2009, S. 64 ff. 239 Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 27. Januar 2010, S. 1. 234

A. Entstehung und Tätigkeit

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Auch dieser Kabinettsbeschluss enthielt den Plan, die Zuständigkeiten des Normenkontrollrates zu erweitern.240 Diesen Absichtserklärungen ließ die Regierung mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates vom 08. Juni 2010, den die Fraktionen der CDU / CSU und FDP in den Bundestag einbrachten, Taten folgen.241 Eine wesentliche Neuerung, die das Änderungsgesetz enthielt, war die Erweiterung des Prüfmandats um den Erfüllungsaufwand. Als Begründung führte der Gesetzentwurf an, dass der Begriff der Bürokratiekosten aufgrund seiner Enge nur einen kleinen Teil der Gesamtbelastung ausmache, die mit gesetzlichen Regelungen einhergehe. Durch die Einbeziehung des Erfüllungsaufwands werde die „Qualität der Rechtsetzung“ insgesamt verbessert.242 Vor dem Hintergrund des erweiterten Prüfmandats umfasste der Gesetzentwurf den Vorschlag, die Mitgliederzahl des Gremiums auf zehn Personen zu erhöhen. Überdies sah der Entwurf des Änderungsgesetzes zunächst vor, dass auch Regelungsvorlagen des Bundesrates und aus der Mitte des Bundestages der Prüfung des Normenkontrollrates unterworfen werden sollten, sofern es eine Fraktion des Bundestages beantragt. Auf diese Weise sollte die Umgehung des Normenkontrollrates durch die Einbringung von Regierungsentwürfen in den Bundestag über die Koalitionsfraktionen vermieden werden. Den Oppositionsfraktionen wäre es in diesen Fällen möglich gewesen, die Überprüfung solcher Gesetzentwürfe durch den Normenkontrollrat zu beantragen.243 Nachdem der Bundestag den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie überwiesen hatte, offenbarten sich am 28. Juni 2010 in der dort stattfindenden öffentlichen Sachverständigenanhörung verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf die Frage, unter welchen Bedingungen der Normenkontrollrat die Regelungsvorhaben von Bundesrat und aus der Mitte des Bundestages überprüfen dürfe. Die Sachverständigen Michael Brenner und Dieter Schubmann-Wagner äußerten die Sorge, dass es sowohl das Gesetzesinitiativrecht einer Fraktion als auch das freie Mandat aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verletze, wenn eine Fraktion Gesetzesvorlagen einer anderen Fraktion gegen deren Willen dem Normenkontrollrat zur Überprüfung zuleite. Ebenso sei es mit der verfassungsrechtlich abgesicherten Eigenständigkeit des Bundesrates und dem in Art. 76 GG geregelten Verhältnis der Einbringungskompetenzen zwischen Länderkammer und Bundestag nicht vereinbar, wenn Gesetzentwürfe des Bundesrates auch gegen dessen Willen auf Antrag einer Bundestagsfraktion dem Normenkontrollrat vorgelegt würden.244 Die SPD-Fraktion griff die Kritik aus der Anhörung 240

Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 27. Januar 2010, S. 3. BT-Drs. 17/1954. 242 BT-Drs. 17/1954, S. 6. 243 Abg. Wegner (CDU / CSU), BT-Prot. 17/46, Anlage 4 S. 4793. 244 Brenner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)178, S. 2 ff.; Schubmann-Wagner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)177, S. 3; ebenfalls kritisch Seckelmann, ZRP 2010, 213 (215); anders Peifer, GewArch 2010, 479 (481); Schröder, DÖV 2007, 45 (47). 241

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

mit einem Änderungsantrag auf, der vorsah, dass es dem Bundesrat und den einbringenden Fraktionen selbst obliege, darüber zu entscheiden, ob sie ihre Vorhaben dem Normenkontrollrat zuleiten.245 Zwar fand dieser Antrag im Ausschuss keine Mehrheit, doch entsprach er bereits nahezu der späteren Fassung des geänderten § 4 Abs. 3 NKRG. Am 07. Juli 2010 vertagte der Ausschuss auf Wunsch der Koalitionsfraktionen die weitere Beratung des Gesetzentwurfs, so dass auch die abschließende Beratung im Bundestag, die für den 08. Juli 2010 vorgesehen war, entfiel. Die abschließende Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuss fand schließlich erst am 15. Dezember 2010 statt. In dieser Sitzung brachten die Fraktionen von CDU / CSU und FDP einen Änderungsantrag ein, der insbesondere hervorhob, dass der Bundesrat und die einbringenden Fraktionen im Bundestag jeweils eigenständig darüber entscheiden könnten, ob sie ihre Initiativen dem Normenkontrollrat vorlegen.246 Auf diese Weise versuchten die Regierungsfraktionen, die zu Tage getretenen verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Der Änderungsantrag fand im Ausschuss die Unterstützung von CDU / CSU, SPD und FDP. Der Bundestag verabschiedete daraufhin in seiner Sitzung vom 16. Dezember 2010 das Änderungsgesetz in der Fassung, die es durch die Ausschussberatungen erhalten hatte. Nach der Beteiligung des Bundesrates konnte das Änderungsgesetz zum NKRG am 16. März 2011 ausgefertigt werden und am 22. März 2011 in Kraft treten.247 8. Zusammenfassende Analyse der Entstehungsgeschichte Entscheidende Akteure, die im Vorfeld zur Einsetzung des Normenkontrollrates und seiner methodischen Grundlagen beigetragen haben, waren die von Norbert Röttgen initiierte CDU / CSU-nahe Arbeitsgruppe sowie vor allem die Bertelsmann Stiftung. Letztere hat dem Standardkosten-Modell als konzeptionelle Basis zur Berechnung der durch Informationspflichten verursachten Belastungen in Deutschland zum Durchbruch verholfen. Aber auch weite Teile der 2006 in der Großen Koalition vertretenden SPD waren den neuen Ansätzen zum Bürokratieabbau gegenüber aufgeschlossen.248 Als unmittelbares Vorbild dienten das in den Niederlanden tätige Beratungsgremium ACTAL sowie die dortige Anwendung des Standardkosten-Modells, das zunächst einen engen Fokus auf Bürokratiekosten neuer Regelungsvorhaben legte. Demgegenüber betonten sowohl die EU als auch die OECD bereits früh die Relevanz umfassender Folgenabschätzungen für eine wirksame Rechtsetzung. Empfehlungen der OECD wie auch die Vorbilder in den 245

BT-Drs. 17/4241, S. 5 f. BT-Drs. 17/4241, S. 2. 247 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates vom 16. März 2011 (BGBl. I, S. 420). 248 Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (24); vgl. Abg. Berg (SPD), BT-Prot. 16/37, S. 3268; Abg. Wend (SPD), BT-Prot. 16/37, S. 3261. 246

A. Entstehung und Tätigkeit

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Niederlanden und Großbritannien wiesen eine Exekutivlastigkeit der Institutionalisierung besserer Rechtsetzung auf, ohne die Parlamente daran entscheidend zu beteiligen. Diesem Beispiel folgte der deutsche Gesetzgeber mit der Einrichtung des Normenkontrollrates beim Bundeskanzleramt. Obwohl es im angloamerikanischen Rechtskreis bereits seit Beginn der 1980-er Jahren Kosten-Nutzen-Analysen im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens gab, die weit über den in Deutschland ab 2006 zunächst auf Bürokratiekosten für die Wirtschaft beschränkten Ansatz hinausragten, waren die Institutionen und regierungsinternen Abläufe in den USA und Großbritannien ebenfalls für die Ausgestaltung des Normenkontrollrates von Bedeutung. Gleichzeitig darf nicht in Vergessenheit geraten, dass auch Deutschland seit 1984 ausgehend von den „Blauen Prüffragen“ bereits Formen der Wirkungsanalyse neuer Rechtsetzungsvorhaben kannte, die sich bis hin zu einer umfassenden Gesetzesfolgenabschätzung entwickelten.249 In den Bundesländern existierten in den 1980/90-er Jahren vermehrt regierungsinterne Normprüfungsgremien, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit neuer Gesetze hinterfragten und dadurch Elemente der Folgenabschätzung institutionalisierten. Die Gesetzesfolgenabschätzung auf Bundesebene ist jedoch nicht über die Aufnahme in die GGO hinausgekommen und erlangte im Gesetzgebungsalltag nur geringe Aufmerksamkeit. Der zunächst nur auf Bürokratiekosten für die Wirtschaft bezogene Ansatz des Standardkosten-Modells stellte insofern einen neuen konzeptionellen Versuch dar, eng begrenzte Wirkungsanalysen in der Gesetzgebung des Bundes fest zu verankern. Im Laufe der Zeit wich in Deutschland ebenso wie zuvor in den Niederlanden die Begrenzung auf wirtschaftsbezogene, aus Informationspflichten resultierenden Kosten einer umfassenderen und inhaltlicheren Betrachtung, die auch die Belastungen für Bürger und die öffentliche Verwaltung berücksichtigte.

II. Prüfaufgaben Die grundlegende Aufgabe des Normenkontrollrates ergibt sich aus § 1 Abs. 2 NKRG. Dem Normenkontrollrat obliegt es laut dieser Norm, die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen auf den Gebieten des Bürokratieabbaus und der besseren Rechtsetzung zu unterstützen.250 Diese offene Aufgabenbeschreibung erfährt zugleich eine Konkretisierung durch § 1 Abs. 3 NKRG, der die eigentliche

249

Beispielgebend ist insofern Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung. Diese weite Formulierung hat die Norm erst im Rahmen der Änderung des NKRG im Jahr 2011 erhalten. In der ersten Fassung des § 1 Abs. 2 NKRG von 2006 bestand die Aufgabe des Normenkontrollrates lediglich darin, „die Bundesregierung dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten durch Anwendung, Beobachtung und Fortentwicklung einer standardisierten Bürokratiekostenmessung auf Grundlage des Standardkosten-Modells zu reduzieren“. 250

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Kernaufgabe des Normenkontrollrates beschreibt.251 Diese besteht darin, die Darstellung des Erfüllungsaufwands neuer Regelungen für Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung auf ihre Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit zu überprüfen. Es ist im Rahmen dieser Prüftätigkeit nicht die Aufgabe des Normenkontrollrates, den Erfüllungsaufwand einschließlich der Bürokratiekosten und die sonstigen Kosten eines Regelungsentwurfs selbst zu messen.252 Dieses obliegt gemäß § 44 Abs. 4, 5 Nr. 1 GGO allein dem jeweiligen Bundesministerium, das für den Regelungsentwurf federführend verantwortlich ist. Der Normenkontrollrat agiert vielmehr als „Methodenwächter“253, um die Berechnung des Erfüllungsaufwands zu kontrollieren. § 4 NKRG präzisiert das in § 1 Abs. 2 und 3 NKRG angedeutete Aufgabenfeld des Normenkontrollrates. Dabei erfolgt eine Differenzierung zwischen den Prüfungsgegenständen in § 4 Abs. 1 NKRG, dem Prüfungsumfang einschließlich der in § 4 Abs. 2 NKRG genannten Prüfungsaspekte sowie dem Prüfungsverfahren gemäß § 4 Abs. 3 NKRG. Das Prüfungsrecht des Normenkontrollrates korrespondiert generell nicht mit einer Prüfungspflicht. Es steht in seinem Ermessen, welche der ihm vorgelegten Regelungsentwürfe er einer Prüfung unterzieht.254 In der Praxis ist der Normenkontrollrat jedoch darum bemüht, möglichst alle Regelungsentwürfe der Bundesregierung zu überprüfen.255 1. Prüfungsgegenstände Die in § 4 Abs. 1 NKRG genannten, vom Prüfungsrecht des Normenkontroll­ rates umfassten Gegenstände reichen von Entwürfen neuer Bundesgesetze über Entwürfe nachrangiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis hin zu Vorarbeiten für Rechtsetzungsakte der Europäischen Union. Seit Inkrafttreten des NKRG im Jahr 2006 hat der Gesetzgeber an den in § 4 Abs. 1 NKRG niedergelegten Prüfungsgegenständen keine Änderungen vorgenommen. Die Prüfungsgegenstände bedürfen stets einer Betrachtung im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 NKRG, da diese Vorschrift den Umfang eines Teils der Prüfungsgegenstände in Abhängigkeit ihrer organbezogenen Herkunft einzuschränken ver 251

Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 3 f. Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 196; Schröder, DÖV 2007, 45 (46). 253 BT-Drs. 16/1406, S. 5; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (217); Schröder, DÖV 2007, 45 (46); Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 133; näher dazu unter Kap. 1, B. V. 1. 254 BT-Drs. 16/1406, S. 6; BT-Drs. 17/1954, S. 7; Heintzen, ZRP 2006, 235 (235); Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 12; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (217); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (157); Schröder, DÖV 2007, 45 (48). 255 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 56. 252

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mag. Alle als Prüfungsgegenstände in Betracht kommenden Regelungsentwürfe, die aus den Bundesministerien stammen, unterliegen gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG einschränkungslos der Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates. Demgegenüber ist die Ausübung des Prüfungsrechts im Hinblick auf Regelungsentwürfe, die ihren Ursprung im Bundestag oder im Bundesrat haben, an weitere Voraussetzungen geknüpft. So bestimmt § 4 Abs. 3 S. 2 NKRG, dass der Normenkontrollrat Regelungsvorhaben aus dem Bundesrat nur überprüft, wenn sie ihm vom Bundesrat auf freiwilliger Grundlage zugeleitet werden. Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages darf der Normenkontrollrat gemäß § 4 Abs. 3 S. 3 NKRG nur unter der Bedingung begutachten, dass es die einbringende Fraktion oder die einbringenden Abgeordneten beantragen. Es gilt daher zu beachten, dass die nachfolgend genauer dargestellten Prüfungsgegenstände lediglich dann der Kontrolle des Normenkontrollrates unterliegen, wenn er auch unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 3 NKRG zur Überprüfung des jeweiligen Regelungsvorhabens befugt ist. a) Entwürfe für neue Bundesgesetze Entwürfe für neue Bundesgesetze nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 NKRG dürften den wichtigsten Prüfungsgegenstand des Normenkontrollrates ausmachen. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass diese Vorschrift das sog. „Ex-ante-Verfahren“ regelt, das den Kern der Beteiligung des Normenkontrollrates am Gesetzgebungsverfahren darstellt256. Der Begriff des „Ex-ante-Verfahrens“ beschreibt den Vorgang, in dessen Rahmen der Normenkontrollrat die von den Bundesministerien erarbeiteten Schätzungen der Kostenfolgen neuer Regelungsvorhaben prüft, bevor das Bundeskabinett sie beschließt. Darüber hinaus ist die Arbeit des Normenkontrollrates bei der Überprüfung von Entwürfen für neue Bundesgesetze am deutlichsten nach außen hin sichtbar. Seine Stellungnahmen werden in diesen Fällen der Gesetzesvorlage bei der Zuleitung an den Bundestag gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 NKRG unmittelbar angehängt und finden so ihren Weg in die politische Öffentlichkeit. b) Stammgesetze zu Änderungsgesetzen Bereits § 4 Abs. 1 Nr. 2 NKRG verdeutlicht, dass sich die Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates nicht auf die Folgen neuer Regelungsvorhaben und somit auf das sog. „Ex-ante-Verfahren“ beschränkt, sondern darüber hinaus auch bestehendes Bundesrecht erfasst257. Dem Normenkontrollrat ist es gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 NKRG möglich, bei Entwürfen von Änderungsgesetzen auch die Stammgesetze in seine Überprüfung einzubeziehen. Wenn sich der Normenkontrollrat mit 256

Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 8; NKR, Jahresbericht 2010, S. 9 ff. 257 Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (217); Schröder, DÖV 2007, 45 (46).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

der beabsichtigten Änderung eines Gesetzes auseinandersetzt, muss sich seine Tätigkeit folglich nicht in der Untersuchung des Erfüllungsaufwands der Neuerungen des Gesetzes erschöpfen, sondern er kann auch das geänderte Gesetz im Ganzen auf unnötige Kostenfolgen begutachten. Das ist insofern als sinnvoll zu erachten, als ein Änderungsgesetz stets in Zusammenschau mit dem gesamten geänderten Gesetz betrachtet werden sollte, da erst in diesem Kontext alle hervorgerufenen Gesetzesfolgen feststellbar sind. Letztlich handelt es sich bei der Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 2 NKRG aber um eine gesetzgeberische Klarstellung, weil die hier genannten Stammgesetze als bestehendes Bundesrecht ohnehin von § 4 Abs. 1 Nr. 6 NKRG umfasst sind. Da das Statistische Bundesamt im Jahr 2007 im Zuge einer umfangreichen Bestandsmessung alle im Bundesrecht vorhandenen Bürokratiekosten für die Wirtschaft ermittelte, waren diese den Bundesministerien für jedes Bundesgesetz bekannt. Im Fall einer Gesetzesänderung wussten die Ministerien daher in Bezug auf das jeweilige Stammgesetz exakt, welche Bürokratiekosten für die Wirtschaft von diesem Gesetz ausgingen. Im Regelfall erübrigte sich daher eine Überprüfung dieser Kosten durch den Normenkontrollrat. Da die Bundesministerien seit 2009 jedoch auch die Bürokratiekosten für Bürger in den Gesetzentwürfen ausweisen und sich die Bestandsmessung nicht auf diese bürgerbezogenen Kosten bezog, haben Stammgesetze als Prüfungsgegenstand des Normenkontrollrates seit diesem Zeitpunkt an praktischer Relevanz gewonnen. Letzteres gilt ebenso vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang des Normenkontrollrates im Jahr 2011 um den Erfüllungsaufwand erweiterte, aber eine Bestandsmessung desselbigen ausblieb, da sie sich als zu komplex erwies.258 c) Entwürfe nachrangiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften § 4 Abs. 1 Nr. 3 NKRG erweitert den Prüfungsumfang des Normenkontrollrates auf die Entwürfe nachfolgender nachrangiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Bürokratiekosten nicht nur durch förmliche Gesetze entstehen können, sondern auch durch Akte administrativer Rechtsetzung, insbesondere durch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften.259 Gesetzgeberischer Zweck dieser Regelung ist es, zu vermeiden, dass der angestrebte Entbürokratisierungsprozess durch untergesetzliche Vollzugsregelungen unterlaufen wird.260 Allerdings sind nur bundesrechtliche Regelungen vom 258

Ähnlich auch Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (92), die jedoch fälschlicherweise den Eindruck erweckt, als sei die Prüfungskompetenz hinsichtlich der Stammgesetze erst durch die Novelle 2011 in das NKRG aufgenommen worden. 259 BT-Drs. 16/1406, S. 6; Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (420); zur Frage, ob der Normenkontrollrat auch die Satzungen der Sozialversicherungsträger prüfen darf ­Cirsovius, NZS 2015, 841 (842 ff.). 260 BT-Drs. 16/1406, S. 6.

A. Entstehung und Tätigkeit

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Prüfungsmandat des Normenkontrollrates erfasst, was insofern problematisch ist, als Vollzugsregelungen der Länder und die damit einhergehenden Vollzugskosten der Länder und Kommunen eine nicht unerhebliche Größe darstellen dürften.261 Aufgrund des kompetenzrechtlichen Gefüges der Art. 83 ff. GG war es nicht möglich, die durch Vollzugsregelungen der Länder entstehenden Bürokratiekosten als Prüfungsgegenstand des Normenkontrollrates aufzunehmen.262 Jedoch beinhaltet der mittlerweile vom Prüfungsumfang erfasste Erfüllungsaufwand auch die zu erwartenden Vollzugskosten der Verwaltungen der Länder und Kommunen, soweit diese aus der Umsetzung einer bundesrechtlichen Vorgabe resultieren.263 Konkrete Vollzugsregelungen der Länder und Kommunen darf der Normenkontrollrat aber weiterhin nicht prüfen. Die sog. BMF-Schreiben, mit denen das Bundesministerium der Finanzen nachgelagerte Finanzbehörden anweist, wie bestimmte steuerliche Sachverhalte zu behandeln sind, gelten ebenfalls als Entwürfe nachrangiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften i. S. v. § 4 Abs. 1 Nr. 3 NKRG.264 Als Grund dafür wird vom Normenkontrollrat angeführt, dass sie über das zugrundeliegende Gesetz hinaus weiteren Erfüllungsaufwand verursachen können. Daher haben im Mai 2013 der Normenkontrollrat und das Bundesfinanzministerium vereinbart, dass das Ministerium den Normenkontrollrat bei der Erarbeitung der BMF-Schreiben immer dann einbeziehen wird, wenn es auch Interessenverbände beteiligt.265 Als erörterungsbedürftig erweist sich der Umgang mit Entwürfen untergesetzlicher Rechtsvorschriften, die das zuständige Ressort nicht dem Bundeskabinett übermittelt. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG überprüft der Normenkontrollrat die Regelungsentwürfe der Bundesministerien vor deren Vorlage an das Bundeskabinett. Untergesetzliche Rechtsnormen wie Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften werden jedoch nicht in allen Fällen dem Bundes­ kabinett vorgelegt. So besagt der Umkehrschluss aus § 62 Abs. 3 GGO, dass Rechtsverordnungen dem Bundeskabinett dann nicht vorzulegen sind, wenn nicht die Bundes­regierung, sondern ein Bundesminister sie erlässt und sie weder von all­gemein-politischer Bedeutung sind, noch Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Bundesministerien hervorrufen. Verwaltungsvorschriften werden aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit in Form von Erlassen, Richtlinien oder Dienstanweisungen ebenfalls nicht flächendeckend dem Bundeskabinett übermittelt, insbesondere wenn sie nur für den Geschäftsbereich eines Ressorts Geltung beanspruchen. Dennoch lässt die Formulierung in § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG nicht die 261

Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (100); NKR, Jahresbericht 2013, S. 41. 262 Karpen, FAZ Nr. 158 v. 11.07.2006, S. 7; Schröder, DÖV 2007, 45 (46). 263 Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (89); Wittmann, GewArch 2010, 137 (140). 264 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 51; NKR, Jahresbericht 2014, S. 39. 265 NKR, Jahresbericht 2014, S. 39.

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Schlussfolgerung zu, dass das Prüfungsrecht nur Regelungsentwürfe erfasst, die einer Vorlagepflicht an das Bundeskabinett unterliegen.266 § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG enthält in erster Linie eine Aussage darüber, wann in zeitlicher Hinsicht das Prüfungsrecht des Normenkontrollrates in Bezug auf Regelungsentwürfe der Bundesregierung eingreift. Die Vorschrift bezweckt aber nicht, § 4 Abs. 1 Nr. 3 NKRG dahingehend einzuschränken, dass nur solche Entwürfe nachrangiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften vom Prüfungsrecht erfasst sind, die das zuständige Ministerium dem Bundeskabinett tatsächlich vorlegt. Ein solches Verständnis würde dem Sinn und Zweck des NKRG widersprechen, da es insbesondere auch die durch untergesetzliche Rechtsvorschriften verursachten Kostenbelastungen für Wirtschaft, Bürger und öffentliche Verwaltung ins Blickfeld rücken will.267 d) Vorarbeiten zu Rechtsakten der EU Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 NKRG gehören auch Vorarbeiten zu Rechtsakten (Rahmenbeschlüssen, Beschlüssen, Übereinkommen und diesbezüglichen Durchführungsmaßnahmen) der Europäischen Union und zu Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaft zu den vom Normenkontrollrat überprüfbaren Regelungsgegenständen. Es beruht offenbar auf einer redaktionellen Ungenauigkeit, dass der Gesetzgeber bei der Novelle des Gesetzes im Jahr 2011 keine Anpassung an die durch den Vertrag von Lissabon 2009 geänderten europarechtlichen Strukturen vorgenommen hat und weiter von „Europäischer Gemeinschaft“ statt von „Europäischer Union“ spricht. Gemeint sind i. S. d. Vorschrift Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der Europäischen Union. Grund für die Übernahme der Vorarbeiten zu europäischen Rechtsakten in den Katalog der Prüfungsgegenstände ist die politische Wahrnehmung, dass EU-Regelungen, die Bürokratiekosten verursachen, bereits im Entstehungsprozess entgegenzuwirken sei.268 Wenn sie von Ministerrat und Europäischem Parlament im Rechtsetzungsverfahren erst einmal beschlossen worden sind, gelten Verordnungen unmittelbar und müssen Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden. Kosten und Be­lastungen, die mit diesen Regelungen verbunden sind, schlagen sich folglich bei Verordnungen unmittelbar und bei Richtlinien mittelbar über den Umsetzungsakt auf die nationalen Adressatenkreise nieder.269 Durch die frühzeitige Überprüfung der Vorarbeiten zu den Rechtsetzungsakten unter Beteiligung des Normenkon­trollrates soll der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen der Verhandlungen im EU-Ministerrat die Verabschiedung von Ver 266 So auch Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 50; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 13. 267 Vgl. BT-Drs. 16/1406, S. 6; Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 50; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 13. 268 Siehe Abg. Meyer (CDU), BT-Prot. 16/37, S. 3257. 269 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 14.

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ordnungen oder Richtlinien zu verhindern, die ein hohes Maß an Bürokratiekosten erwarten lassen.270 Damit Bundesregierung und Normenkontrollrat diese frühzeitige Überprüfung praktisch wahrnehmen können, haben die für die EU zuständigen Staatssekretäre der Bundesministerien am 08. Oktober 2007 erstmalig Leitlinien zur Büro­ kratiekostenmessung bei der EU-Gesetzgebung (sog. „EU-ex-ante-Verfahren“) beschlossen271. Entsprechend diesen damaligen Leitlinien prüfte das jeweils federführende Bundesministerium unter Einbeziehung des Normenkontrollrates nach Vorlage eines Legislativvorschlags der Kommission, ob diese eine plausible und nachvollziehbare Bürokratiekostenschätzung vorgenommen hat. Ergänzungen erfuhren diese Leitlinien durch einen Beschluss der für Europafragen zuständigen Abteilungsleiter in den Bundesministerien vom 30. April 2009. Stellte sich danach im EU-Ministerrat heraus, dass die Bürokratiekostenschätzung der Kommission bei einem Regelungsvorhaben fehlte oder unzureichend war, sollten die Ressorts die nachträgliche Durchführung von der Kommission einfordern. Im Jahr 2010 bemängelte der Normenkontrollrat, dass er an dem Prozess der Bürokratiekostenmessung durch die Ressorts hinsichtlich EU-Regelungsvorhaben nicht flächen­ deckend beteiligt werde.272 Die Bundesregierung beschloss im Dezember 2012 das „EU-ex-ante-Verfahren“ dahingehend zu erweitern, dass die Ressorts bereits das jährliche Arbeitsprogramm und die Roadmaps der Europäischen Kommission auf geplante Initiativen untersuchen, die voraussichtlich mit signifikantem Aufwand für Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung in Deutschland einhergehen.273 Der Normenkontrollrat erhielt Gelegenheit, zu dieser Einschätzung der Ressorts zum voraussichtlich mit den Vorhaben der Kommission verbundenen Aufwand Stellung zu nehmen. Mit Beschluss des Staatssekretärsausschusses für Europafragen vom 11. Januar 2016 etablierte die Bundesregierung ein neues „EU-ex-ante-Verfahren“, das sich jedoch an der bisherigen Vorgehensweise orientiert.274 Als wesentliche Neuerung enthält der Beschluss die Vorgabe, dass das federführende Bundesministerium eine eigene Abschätzung des durch einen Legislativvorschlag der Kommission für Deutschland zu erwartenden Erfüllungsaufwands anfertigt, wenn sich die Kommission auch nach Aufforderung weigert, eine Kostenabschätzung vorzulegen. Weist die Folgenabschätzung der Kommission zu einem Legislativvorschlag einen unionsweiten Erfüllungsaufwand von jährlich mehr als 35 Mio. Euro aus, hat das zuständige Bundesministerium stets eine eigene quantitative Abschätzung des für 270

Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 14; Schröder, DÖV 2007, 45 (46). 271 Siehe Bundesregierung, Bürokratiekosten: Erkennen-Messen-Abbauen, Anhang 4, S. 93 f. 272 NKR, Jahresbericht 2010, S. 58. 273 Beschluss abgedruckt in Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2012, Anhang S. 66 ff. 274 Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2015, Anlage 10, S. 70 f.; diesen Beschluss erwähnt auch § 74 Abs. 3 S. 3 GGO im Rahmen einer dynamischen Verweisung.

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Deutschland voraussichtlich entstehenden Erfüllungsaufwands zu erarbeiten. Das Ressort übermittelt dem Normenkontrollrat diese Abschätzung, um ihm die Möglichkeit zur Überprüfung und Stellungnahme zu geben. Bedeutung erlangt der beschriebene Prüfungsgegenstand schließlich vor allem so lange, wie auf Unionsebene noch keine flächendeckenden Folgenabschätzungen stattfinden, was nach Auffassung des Normenkontrollrates bislang der Fall ist. So würden Folgenabschätzungen nur für solche Kommissionsinitiativen erstellt, bei denen aus Sicht der Kommission mit erheblichen wirtschaftlichen, sozialen oder ökologischen Auswirkungen zu rechnen sei.275 Durch die im Jahr 2015 getroffenen Maßnahmen der Europäischen Kommission auf dem Gebiet der besseren Rechtsetzung, zu denen insbesondere die Einrichtung des Ausschusses für Regulierungskontrolle zählt, könnte sich hier jedoch eine Wende in der Einschätzung des Normenkontrollrates abzeichnen.276 e) Bei der Umsetzung von EU-Recht betroffene Regelungen Prüfungsgegenstand nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 NKRG sollen auch diejenigen Gesetze und nachrangigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften sein, die durch die Umsetzung von EU-Recht betroffen sind. Darunter fallen demnach alle nationalen Rechtsnormen, die der Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung einer EU-Richtlinie in deutsches Recht ändern muss. In diesem Kontext kann sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel, Bürokratiekosten sowie Erfüllungsaufwand möglichst gering zu halten, und dem Vorrang des Unionsrechts offenbaren.277 In aller Regel gebietet es der Anwendungsvorrang des EU-Rechts, dieses Spannungsverhältnis zugunsten der Umsetzungsverpflichtung aus Art. 288 Abs. 3 AEUV aufzulösen, es sei denn, es sind unterschiedliche Möglichkeiten der Umsetzung denkbar, die jeweils die praktische Wirksamkeit der Richtlinie gewährleisten. In einem solchen Fall könnte der Normenkontrollrat in seiner Stellungnahme anraten, auf die Art der Umsetzung zurückzugreifen, die den geringsten Erfüllungsaufwand für Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung nach sich zieht. f) Bestehendes Bundesrecht Wie bereits durch § 4 Abs. 1 Nr. 2 NKRG angedeutet, ist das Prüfungsrecht des Normenkontrollrates nicht auf neue Regelungsvorhaben begrenzt, sondern umfasst gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 NKRG alle bestehenden Bundesgesetze einschließlich der darauf beruhenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Der Normenkontrollrat kann somit bestehendes Bundesrecht auf den damit verbundenen 275

NKR, Jahresbericht 2014, S. 66. Vgl. NKR, Jahresbericht 2015, S. 57. 277 Schröder, DÖV 2007, 45 (46 f.). 276

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Erfüllungsaufwand einschließlich der Bürokratiekosten untersuchen, ohne durch ein konkretes Rechtsetzungsverfahren dazu veranlasst worden zu sein. Da er jedoch die Kosten von Gesetzen nicht selbst misst, ist er auf die Kooperation vor allem mit dem Statistischen Bundesamt angewiesen, um bestehende Bundesgesetze auf ihre Folgekosten kontrollieren zu können. Ausdruck gefunden hat dieser Prüfungsgegenstand zunächst in der Beteiligung des Normenkontrollrates an der Bestandsmessung der Bürokratiekosten. Die vom Statistischen Bundesamt in den Jahren 2007 und 2008 durchgeführte Bestandsmessung diente in erster Linie dazu, einen Überblick über den Gesamtbestand an Bürokratiekosten zu erlangen. Anhand dessen konnte im Sinne einer Zielerreichungskontrolle nachvollzogen werden, ob und in welchem Umfang der Bürokratiekostenabbau voranschreitet.278 Zugleich bildete die Bestandsmessung den Ausgangspunkt für mögliche Gesetzesänderungen, die Kostenbelastungen durch Informationspflichten reduzieren oder beseitigen sollten.279 Der Bestandsmessung kam daher im Gegensatz zur Ex-ante-Messung der Bürokratiekosten ein „evaluatorischer Charakter“ zu.280 Im Rahmen der Bestandsmessung spielte der Normenkontrollrat jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Diese verstand er vor allem darin, zu einer möglichst hohen Aussagekraft der in der Bestandsmessung gewonnenen Daten beizutragen, indem er im engen Austausch mit Statistischem Bundesamt und dem zuständigen Staatssekretärsausschuss versuchte, offene Fragen und metho­ dische Unstimmigkeiten zu klären.281 Das Statistische Bundesamt aktualisiert zwar noch regelmäßig den Bestand an Bürokratiekosten, doch handelte es sich bei der ursprünglichen Bestandsmessung im Unterschied zur Ex-ante-Messung vor allem um ein einmaliges Übergangs­ phänomen, das außerhalb der Gesetzesfolgenabschätzung durchgeführt wurde282. Eine entsprechende Bestandsmessung des gesamten Erfüllungsaufwands ist bislang nicht vorgesehen, da sie mit einem immensen Arbeitsaufwand verbunden wäre.283 Das Statistische Bundesamt misst den Bestand des Erfüllungsaufwands lediglich hinsichtlich bestimmter Regelungsmaterien im Rahmen von Projekten.284 Aus diesem Grund gewinnt der Prüfungsgegenstand des bestehenden Bundesrechts für den Normenkontrollrat an Bedeutung, da bezüglich zahlreicher Rechtsvorschriften unklar ist, welchen Erfüllungsaufwand sie für Bürger, Wirtschaft und öffent 278

Dieses war vor allem für das von der Bundesregierung im Kabinettsbeschluss vom 28. Februar 2007 ausgegebene Ziel, die Bürokratiekosten bis Ende 2011 um 25 % zu senken, von Bedeutung. 279 Dietze / Färber, VM 2007, 283 (285); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 254. 280 Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 254. 281 Dietze / Färber, VM 2007, 283 (286); NKR, Jahresbericht 2007, S. 29 f. 282 Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 253 f. 283 Böllhoff, in: Döhler u. a., FS Jann, S. 251 (263); Färber, Gesetzesfolgenabschätzung unter der Genderperspektive, S. 13. 284 Vgl. z. B. Bundesregierung / Statistisches Bundesamt, Erfüllungsaufwand im Bereich Planungs- und Baurecht von Infrastrukturvorhaben.

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liche Verwaltung verursachen. Diesen ermittelt und prüft der Normenkontrollrat jedoch nicht flächendeckend, sondern in Bezug auf bestimmte Gesetze anlassbezogen im Rahmen von Projekten mit unterschiedlichen Kooperationspartnern, zu denen wiederum häufig das Statistische Bundesamt zählt.285 Trotz der Befugnis des Normenkontrollrates, auch bestehende Bundesgesetze zu überprüfen, liegt der praktische Schwerpunkt seiner Tätigkeit vorrangig im bereits beschriebenen „Ex-ante-Verfahren“. 2. Prüfungsumfang Die Gesichtspunkte, unter denen der Normenkontrollrat die beschriebenen Prüfungsgegenstände untersuchen darf, sind durch die Vorgaben des NKRG beschränkt. Insbesondere eine Kontrolle im Hinblick auf Ziele und Zwecke eines Regelungsvorhabens schließt § 1 Abs. 4 NKRG ausdrücklich aus. Nach der Einsetzung des Normenkontrollrates im Jahr 2006 war dessen Mandat zunächst auf die Überprüfung der durch Rechtsvorschriften hervorgerufenen Bürokratiekosten, die auf Informationspflichten beruhen, begrenzt. Mit der im Jahr 2011 in Kraft getretenen Reform des NKRG hat der Gesetzgeber die Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates um den mit der Befolgung einer Rechtsvorschrift verbundenen Erfüllungsaufwand, die sonstigen Kosten für die Wirtschaft sowie die in § 4 Abs. 2 NKRG genannten Aspekte erweitert. Der gesetzlich geregelte Prüfungsumfang des Normenkontrollrates korrespondiert mit einer entsprechenden, in der GGO niedergelegten Darstellungspflicht der Bundesministerien. Zu den Gesetzesfolgen, die die Ressorts laut § 43 Abs. 1 Nr. 5 GGO in der Gesetzesbegründung aufführen müssen, gehören gemäß § 44 Abs. 4 GGO der Erfüllungsaufwand (einschließlich der Bürokratiekosten i. S. v. § 2 NKRG) und nach § 44 Abs. 5 Nr. 1 GGO die sonstigen Kosten für die Wirtschaft. Die Ermittlung dieser unterschiedlichen Kosten durch die Bundesministerien im Rahmen der Erarbeitung eines Regelungsentwurfs stellt einen Teil der Gesetzesfolgenabschätzung dar. Indem der Normenkontrollrat in die Überprüfung dieser Kostendarstellungen eingebunden ist, agiert er im Rahmen seiner Funktion gemäß § 1 Abs. 3 NKRG im Bereich eines begrenzten Ausschnitts der Gesetzesfolgenabschätzung. a) Bürokratiekosten Bürokratiekosten sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 S. 2 NKRG solche, die natürlichen oder juristischen Personen durch Informationspflichten entstehen. Informationspflichten sind gemäß § 2 Abs. 2 S. 3 NKRG auf Grund von Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift bestehende Verpflichtun 285

Dazu unter Kap. 1, A. III. 5.

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gen, Daten und sonstige Informationen für Behörden oder Dritte zu beschaffen, verfügbar zu halten oder zu übermitteln. Die Merkmale einer Informationspflicht können dahingehend zusammengefasst werden, dass sie staatlich veranlasst ist, auf einer generell-abstrakten Regelung beruht und die Übermittlung oder Bereithaltung von Daten oder Informationen in schriftlicher, elektronischer oder sonstiger Form zum Gegenstand hat. Als Informationspflichten gelten somit alle Anträge, Formulare, Statistiken sowie Nachweis- und Dokumentationspflichten für Wirtschaft, Bürger und die Verwaltung. Es sind insbesondere solche Informationspflichten erfasst, denen sich Bürger, Wirtschaft und Verwaltung nicht entziehen können, ohne gegen Rechtsvorschriften zu verstoßen oder Ansprüche auf staatliche Leistungen zu verlieren.286 Damit sind als Bürokratiekosten beispielsweise solche Belastungen zu qualifizieren, die den Normadressaten durch Meldepflichten gegenüber Finanzbehörden oder durch die Beantragung einer Baugenehmigung entstehen.287 Die Schätzung der Bürokratiekosten erfolgt entsprechend § 2 Abs. 3 NKRG durch das Standardkosten-Modell.288 b) Erfüllungsaufwand Gemäß § 2 Abs. 1 NKRG umfasst der Erfüllungsaufwand den gesamten messbaren Zeitaufwand und die Kosten, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorschrift bei Bürgern, Wirtschaft sowie der öffentlichen Verwaltung entstehen. Erfüllungsaufwand meint folglich den Zeit- oder Kostenaufwand, der daraus resultiert, dass eine bundesrechtliche Regelung den jeweiligen Normadressaten dazu veranlasst, bestimmte Ziele oder Anordnungen zu erfüllen oder auch bestimmte Handlungen zu unterlassen. Die zum Beispiel für das Stilllegen und Ersetzen veralteter Technik, die aufgrund neuer Grenzwerte die gesetzlichen Vorgaben nicht mehr erfüllt, aufzubringende Zeit und Kosten gelten als Erfüllungsaufwand.289 Der Erfüllungsaufwand umfasst mithin deutlich mehr als die Bürokratiekosten, jedoch stellt § 2 Abs. 2 S. 1 NKRG klar, dass auch die Bürokratiekosten Teil des Erfüllungsaufwands sind.290 Um nach der Erreichung des 25 %-Abbauziels in Bezug auf die Bürokratiekosten diese weiterhin im Blick zu haben, sind die Bürokratiekosten für die Wirtschaft separat neben dem Erfüllungsaufwand auszuweisen.291 286

Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Einführung des Standardkosten-Modells, S. 8 f. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Einführung des Standardkosten-Modells, S. 9 f. 288 Näher zum Standardkosten-Modell unter Kap. 1, A. I. 6. a). 289 Bundesregierung / NKR / Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands, S. 8. 290 Dazu kritisch Peifer, GewArch 2010, 479 (482), der dafür plädiert, auf den Begriff der Bürokratiekosten u. a. wegen dessen sprachlicher Ungenauigkeit zu verzichten und den Prüfungsumfang des Normenkontrollrates sprachlich auf den Erfüllungsaufwand zu beschränken. 291 Bundesregierung / NKR / Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands, S. 19; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 21. 287

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Für die Schätzung des Erfüllungsaufwands, die dem für die jeweilige Gesetzesvorlage zuständigen Bundesministerium obliegt, hat das Statistische Bundesamt im Auftrag der Bundesregierung und des Normenkontrollrates im Jahr 2011 eine erste Fassung eines umfangreichen Leitfadens veröffentlicht. Diesem Leitfaden ist seinem Inhalt nach zu entnehmen, dass sich das Verfahren zur Schätzung des Erfüllungsaufwands wesentlich an der bislang für Bürokratiekosten verwendeten Methodik des Standardkosten-Modells orientiert.292 Im Hinblick auf den Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft überprüft der Normenkontrollrat seit 2015 auch die Einhaltung der als „Bürokratiebremse“ titulierten „one in, one out“-Regelung.293 In seinen Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen der Bundesregierung beurteilt er zunächst, ob der jeweilige Entwurf zu einem Anstieg („in“) oder einem Rückgang („out“) des jährlichen Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft führt. Wenn der jährliche Erfüllungsaufwand infolge des Vorhabens steigt, untersucht der Rat, ob die Bundesregierung bereits entsprechende Kompensationspläne vorgelegt hat. Obgleich die „one in, one out“-Regelung eng mit dem Erfüllungsaufwand verknüpft ist, geht sie über dessen Darstellung im Gesetzentwurf hinaus. Sie verbindet den Erfüllungsaufwand eines Vorhabens mittelbar mit den Folgekosten eines anderen Vorhabens, obwohl zwischen diesen inhaltlich kein Zusammenhang besteht. Aus dem NKRG ergibt sich bislang nicht explizit, dass der Normenkontrollrat die „one in, one out“-Regelung in seine Prüfung einbeziehen darf. Indem er sie im Rahmen seiner Stellungnahmen trotzdem berücksichtigt, überschreitet er bezogen auf den Prüfungsumfang insofern sein gesetzliches Mandat. c) Sonstige Kosten Seit der Novelle des NKRG im Jahr 2011 haben auch die sonstigen Kosten der Wirtschaft durch § 1 Abs. 3 NKRG Eingang in den Prüfungskatalog des Rates gefunden. Darunter fallen zum einen direkte finanzielle Zuwendungen an den Staat wie Gebühren und Umlagen.294 Zum anderen sollen auch Auswirkungen des jeweiligen Gesetzes auf die Einzelpreise und das Preisniveau, vor allem auf das Verbraucherpreisniveau, als sonstige Kosten eingestuft werden.295 Diese Folgekosten finden nach der bisherigen Methodik der Bundesregierung im Rahmen des Erfüllungsaufwands keine Berücksichtigung.296 292

Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (266); Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (89); Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 20; siehe dazu auch unter Kap. 1, A. I. 6. e). 293 Dazu einführend unter Kap. 1, A. I. 2. e); kritisch dazu unter Kap. 3, C. I. 3. b). 294 NKR, Jahresbericht 2012, S. 34; ders., Jahresbericht 2013, S. 23. 295 BT-Drs. 17/1954, S. 6; Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (254 f.); so auch die Klarstellung bei der Erwähnung der „sonstigen Kosten für die Wirtschaft“ als von den Bundesministerien darzustellende Gesetzesfolgen gemäß § 44 Abs. 5 Nr. 1 GGO. 296 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (255); Bundesregierung / NKR / Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands, S. 40.

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Ausweislich der gesetzlichen Anordnung in § 1 Abs. 3 NKRG soll der Normenkontrollrat die sonstigen Kosten insbesondere im Hinblick auf mittelständische Unternehmen überprüfen. Der gemeinsam von Bundesregierung, Normenkontrollrat und Statistischem Bundesamt im Jahr 2015 entwickelte „KMU-Test“-Leitfaden gibt Aufschluss darüber, welche durch ein Regelungsvorhaben veranlassten Folgen „sonstige Kosten“ für ein mittelständisches Unternehmen darstellen können.297 Dazu gehören vor allem negative Auswirkungen auf Marktanteile und Umsätze oder auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Weiterhin sollen KMU „sonstigen Kosten“ ausgesetzt sein, wenn ein Regelungsentwurf die Fähigkeit beeinträchtigt, Forschung und Entwicklung zu betreiben, die Gewinnung von Fachkräften oder den Zugang zu Produktionsfaktoren erschwert. Obwohl § 1 Abs. 3 NKRG die sonstigen Kosten in Bezug zur Wirtschaft setzt, erfasst der Begriff nach der herrschenden Gesetzgebungspraxis offenbar auch solche Kosten, die Bürger belasten. So haben die Bundesregierung und der Normenkontrollrat hinsichtlich des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes298, das eine Anhebung der Gerichtskosten sowie der Gebühren für Notare und Rechtsanwälte vorsah, die damit einhergehenden geschätzten Mehrkosten für die Rechtssuchenden durch die Inanspruchnahme von Gerichten, Notaren und anwaltlichen Dienstleistungen in Höhe von jährlich 183 Mio. Euro als sonstige Kosten qualifiziert.299 Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Ersten Gesetz zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes300 ordneten die Bundesregierung und der Normenkontrollrat die Belastungen für Kfz-Halter mit hohem Schadstoffausstoß durch die Preisänderungen bei Kurzzeitvignetten ebenfalls als sonstige Kosten ein.301 Im Gegensatz zu den Bürokratiekosten und dem Erfüllungsaufwand, die in § 2 NKRG jeweils eine gesetzliche Definition erfahren, regelt das NKRG Umfang und Inhalt der sonstigen Kosten nicht näher. Angesichts der unklaren Definition und der Offenheit des Begriffs liegt die Vermutung nahe, dass den sonstigen Kosten gemäß § 1 Abs. 3 NKRG eine Auffangfunktion zukommt. Durch ihre Einbeziehung in das Mandat wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der Normenkontrollrat zu allen Kostengesichtspunkten eines Regelungsentwurfs Stellung beziehen kann, wenngleich diese methodisch weder von den Bürokratiekosten noch vom Erfüllungsaufwand erfasst sind.

297

Siehe dazu Bundesregierung / NKR / Statistisches Bundesamt, Leitfaden zur Berücksichtigung der Belange mittelständischer Unternehmen, S. 6 f. 298 Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586). 299 NKR, Jahresbericht 2013, S. 26; siehe auch BT-Drs. 17/11471, S. 4, in der allerdings die genaue Bezifferung der Höhe der Kosten ausblieb. 300 Erstes Gesetz zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes vom 18. Mai 2017 (BGBl. I S. 1218). 301 Siehe BT-Drs. 18/11237, S. 3, 15.

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d) Prüfungsaspekte nach § 4 Abs. 2 NKRG Über den Erfüllungsaufwand und die sonstigen Kosten hinaus sind die in § 4 Abs. 2 NKRG normierten Aspekte, die ebenfalls erst im Jahr 2011 Eingang in das NKRG gefunden haben, vom Prüfungsmandat des Normenkontrollrates erfasst. Diese Aspekte entsprechen den in § 43 Abs. 1 Nr. 1, 3, 5 (i. V. m. § 44 Abs. 7 GGO), 6, 7, 9 GGO für die Begründung von Gesetzen dargestellten Anforderungen. Durch die Aufnahme dieser Aspekte hat sich die Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates um zusätzliche Einzelfragen der Gesetzesfolgenabschätzung erweitert. Der Normenkontrollrat kann frei darüber entscheiden, ob er alle in § 4 Abs. 2 NKRG genannten Aspekte prüft oder sich auf eine Auswahl beschränkt.302 Es liegt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch in seinem Ermessen, ob er überhaupt von dieser Prüfkompetenz Gebrauch macht. Vorgaben gibt es insoweit nicht.303 Die Prüfkompetenz bezieht sich gemäß § 4 Abs. 2 NKRG sowohl auf die methoden­ gerechte Durchführung als auch die nachvollziehbare Darstellung dieser Aspekte. Damit will der Gesetzgeber über die Regelung in § 1 Abs. 4 NKRG hinaus zum Ausdruck bringen, dass das Mandat des Normenkontrollrates auf eine Methoden- und Plausibilitätskontrolle begrenzt ist und ihm keine politische Wertungs- oder Mitentscheidungsbefugnis zusteht.304 Diese Klarstellung im Gesetz dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Prüfungsaspekte in § 4 Abs. 2 NKRG teilweise auch inhaltliche Fragen eines Gesetzentwurfs betreffen305. Offenbar um seine „unpolitischen“ Befugnisse nicht zu überschreiten, überprüft der Normenkontrollrat die Gesichtspunkte nach § 4 Abs. 2 NKRG nicht in der gleichen Intensität und Häufigkeit wie den Erfüllungsaufwand. aa) Ziel und Notwendigkeit der Regelung Jeder von den Bundesministerien ausgehende Regelungsentwurf muss gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 GGO Ausführungen zum Ziel und zur Notwendigkeit enthalten. Hinsichtlich der Zielbeschreibung ist zu beachten, dass diese nicht nur das vordergründige Ziel des Regelungsvorhabens umfasst, sondern auch die angestrebten Verhaltensänderungen der Normadressaten sowie die damit einhergehenden beabsichtigten Wirkungen darstellen sollte.306 Darüber hinaus sind die gewollten weiterführenden Auswirkungen auf Wirtschaft, Soziales und Umwelt zu beschreiben. Das zuständige Ressort sollte die Zielvorgabe so formulieren, dass sie messbar 302

BT-Drs. 17/1954, S. 7. Vgl. Schubmann-Wagner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)177, S. 2, der aber dafür plädiert, die Entscheidung über die Ausübung der Prüfkompetenz von einem Mehrheitsvotum des Normenkontrollrates abhängig zu machen. 304 BT-Drs. 17/1954, S. 7; Peifer, GewArch 2010, 479 (481). 305 Dazu näher unter Kap. 1, B. IV. 2. 306 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Arbeitshilfe zur GFA, S. 7; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 219. 303

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ist, damit es im weiteren Prozess der Folgenabschätzung Aussagen zum Zielerreichungsgrad unterschiedlicher Regelungsalternativen treffen kann. Während das vor allem bei eindeutigen Zielvorgaben wie beispielsweise einem zahlenmäßig angegebenen Abbauziel unproblematisch ist, bestehen bei unspezifischen („weichen“) Zielvorgaben Toleranzen in der Zielerreichung, die das Ressort in der Zielbeschreibung konkretisieren sollte.307 Eine klare Zielformulierung ist darüber hinaus unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung einer nachfolgenden Gesetzesevaluation.308 Dem Normenkontrollrat obliegt es vor diesem Hintergrund gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 NKRG zu prüfen, ob die Darstellung des Ziels der Regelung nachvollziehbar ist und ob die im Regelungsentwurf dargestellten Maßnahmen grundsätzlich geeignet erscheinen, um das Ziel zu erreichen.309 Anlass zu Kritik gäben insbesondere fehlende, widersprüchliche oder unbestimmte Zielsetzungen des zuständigen Bundesministeriums. Zur Notwendigkeit einer Regelung kann sich der Normenkontrollrat nur insofern äußern, als er beispielsweise überprüft, ob das zuständige Ressort erläutert hat, warum das Sachproblem nur durch den Erlass eines Gesetzes zu lösen ist. bb) Alternative Lösungsmöglichkeiten Die Entwicklung und Abwägung alternativer Lösungsmöglichkeiten i. S. v. §§ 43 Abs. 1 Nr. 3 GGO, 4 Abs. 2 Nr. 2 NKRG stellt in jeder Folgenabschätzung einen Schwerpunkt dar. Im ersten Schritt sind zunächst verschiedene Regelungsmöglichkeiten herauszuarbeiten, wobei eine Alternative als sog. „Null-Option“ auf die Beibehaltung des Status quo gerichtet sein sollte.310 Es wird eine Systematisierung der Alternativen in materieller, vollzugsbezogener, organisatorischer und normhierarchischer Hinsicht empfohlen.311 Ziel ist es, zu jedem bedeutsamen Aspekt des Regelungsvorhabens voneinander abgrenzbare Regelungsalternativen zu formulieren. Jede Alternative sollte in sich konsistent sein und einer Grundidee folgen.312 Im zweiten Schritt sind die entwickelten Regelungsalternativen hinsichtlich der zu erwartenden Folgen einer Prüfung zu unterziehen. Die Prüfung sollte sich insbesondere auf folgende Kriterien beziehen: Auswirkungen und Risiken in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales, Nachhaltigkeit im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, Umsetzbarkeit, Effizienz und Effektivität. 307

Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Arbeitshilfe zur GFA, S. 7. Sicko, ZfRSoz 2011, 27 (32); Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 142. 309 NKR, Jahresbericht 2012, S. 34. 310 Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 14; Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Arbeitshilfe zur GFA, S. 8. 311 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Arbeitshilfe zur GFA, S. 10; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 219. 312 Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 14 308

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Auf der Grundlage dieser Prüfergebnisse ist es ratsam, ein Konsultationsverfahren durchzuführen, in dessen Rahmen das zuständige Ressort die Regelungsalterna­ tiven mit externen Experten und Normadressaten erörtert.313 Abschließend hat das Ressort unter Zugrundelegung der gewonnenen Erkenntnisse eine Bewertung der unterschiedlichen Regelungsalternativen vorzunehmen. Aufgabe des Normenkontrollrates ist es im Rahmen von § 4 Abs. 2 Nr. 2 NKRG zu überprüfen, ob das zuständige Fachressort alternative Regelungsmöglich­keiten in Erwägung gezogen hat und ob die Entscheidung für die favorisierte Regelungsoption anhand der Gesetzesbegründung nachvollziehbar ist. In diesem Zusammenhang nimmt der Normenkontrollrat auch das Recht für sich in Anspruch, zu untersuchen, ob für das Regelungsproblem grundsätzlich belastungsärmere Lösungsmöglichkeiten beständen, auf die das zuständige Ministerium nicht eingegangen ist.314 cc) Zeitpunkt des Inkrafttretens, Befristung und Evaluierung Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 1 GGO müssen Gesetzentwürfe Erwägungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung enthalten. Bezüglich der Festlegung des Inkrafttretens sind gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 6 GGO Ausführungen zum Vollzug in organisatorischer, technischer und haushaltsmäßiger Hinsicht denkbar. In diesem Zusammenhang könnte der Normenkontrollrat im Rahmen von § 4 Abs. 2 Nr. 3, Var. 1 NKRG bei den Bundesministerien z. B. auf einheitliche Daten für das Inkrafttreten neuer Regelungen hinwirken, da häufige Gesetzesänderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit Belastungen insbesondere für die Normadressaten in der Wirtschaft verbunden sind.315 Im Rahmen der „besseren“ Rechtsetzung wenden sowohl die niederländische als auch die britische Regierung bereits diese sog. common commencement dates an.316 Nach § 43 Abs. 1 Nr. 6, Alt. 2 GGO wird von den Bundesministerien verlangt, dass sie eine Befristung der in Rede stehenden Regelungen in Betracht ziehen.317 313

Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Arbeitshilfe zur GFA, S. 11 ff. NKR, Jahresbericht 2012, S. 34; bewerten darf er die Alternativen jedoch nur, wenn sie in der Begründung zum Gesetzentwurf erwähnt wurden, so Calliess, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 275 (290). 315 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 24. 316 In Großbritannien treten Gesetzesänderungen, die die Wirtschaft betreffen, in der Regel nur noch zum 06. April und 01. Oktober eines jeden Jahres in Kraft, vgl. Department for Business, Innovation and Skills, Better Regulation Framework Manual, S. 49 f.; die niederländische Regierung hat bereits 2009 beschlossen, dass alle Neuregelungen und Regelungsänderungen, die sich auf Unternehmen auswirken, nur noch zum 01. Januar oder 01. Juli eines Jahres in Kraft treten, vgl. Regulatory Reform Group / Ministry of Economic Affairs / Ministry of Finance, Progress Report Regulatory Burdens on Businesses, S. 12 f. 317 Die Befristung von Gesetzen wird auch als Sunset-Gesetzgebung in Anlehnung an die im US-amerikanischen Recht der Bundesstaaten weit verbreiteten „sunset clauses“ bezeichnet, vgl. Funke, Bürokratieabbau, S. 43 f.; Steinhaus, Gesetze mit Verfallsdatum, S. 68 ff. 314

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Eine Befristung bietet sich insbesondere bei Gesetzentwürfen an, die einen zeitlich begrenzten Sachverhalt regeln.318 Durch die Befristung soll dem Gesetzgeber zudem die Möglichkeit gegeben werden, einmal gefasste Entscheidungen zu revidieren, wenn sie sich zu einem späteren Zeitpunkt als nicht mehr zielgerichtet, unverständlich oder überflüssig erweisen.319 Während das Instrument der Befristung von Gesetzen auf Bundesebene bislang nur selten zur Anwendung gekommen ist, haben unter den Bundesländern vor allem Hessen und Nordrhein-Westfalen Befristungskonzepte eingeführt, die einen Großteil des jeweiligen Landesrechts erfassen.320 Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3, Var. 2 NKRG kann der Normenkontrollrat untersuchen, ob das zuständige Ressort verständliche Erwägungen zu einer möglichen Befristung des Regelungsentwurfs vorgenommen hat. Häufig erweist es sich als sinnvoll, eine Befristung mit einer Evaluierung zu verknüpfen, um feststellen zu können, ob die Regelung zur angestrebten Zielerreichung weiterhin notwendig ist. Zudem ist bei Erlass einer Regelung auf Bundesebene in vielen Fällen noch nicht absehbar, wie sie durch Länder und Kommunen vollzogen wird, so dass es erforderlich ist, nach einer bestimmten Zeit zu überprüfen, ob sich diese Regelung in der Praxis bewährt hat.321 § 44 Abs. 7 GGO enthält die Anforderung, dass das federführende Ressort in der Gesetzesbegründung angeben muss, ob und wann eine Evaluierung des Gesetzes geplant ist. Die Evaluierung soll darauf gerichtet sein, ob die beabsichtigten Wirkungen erreicht worden sind, die entstandenen Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Ergebnissen stehen und welche Nebenwirkungen eingetreten sind. Damit erfahren die Vorgaben bezüglich der Ex-post-Evaluation bereits eine wesentliche Konkretisierung. Der Normenkontrollrat prüft gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3, Var. 3 NKRG nur, ob der Gesetzentwurf nachvollziehbare Erwägungen zu einer später geplanten Evaluierung enthält. Bei Bedarf regt er im Rahmen seiner Stellungnahme eine spätere Evaluierung des Regelungsvorhabens an.322 dd) Rechts- und Verwaltungsvereinfachung Aus § 43 Abs. 1 Nr. 7 GGO ergibt sich, dass in der Gesetzesbegründung darzustellen ist, ob der Gesetzentwurf eine Rechts- oder Verwaltungsvereinfachung vorsieht, insbesondere ob er geltende Vorschriften vereinfacht oder entbehrlich macht. Die Aufgabe des Normenkontrollrates besteht nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 NKRG darin, zu überprüfen, ob die Regelungsvorlage entsprechende Ausführungen enthält.323 318

NKR, Jahresbericht 2012, S. 34 f. Steinhaus, Gesetze mit Verfallsdatum, S. 14. 320 Veit, Bessere Gesetze, S. 176; vgl. Becker, NVwZ 2010, 1071 f. zur Befristungsgesetzgebung in Nordrhein-Westfalen und Bouffier, ZRP 2012, 55 ff. zum Befristungskonzept in Hessen. 321 NKR, Jahresbericht 2011, S. 74. 322 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 25; NKR, Jahresbericht 2012, S. 35. 323 NKR, Jahresbericht 2012, S. 35. 319

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

ee) „gold plating“ Unter „gold plating“ wird die Umsetzung von Unionsrecht in nationales Recht verstanden, bei der die Mitgliedstaaten über die zwingenden europäischen Vorgaben hinaus Regelungen erlassen, ohne dass sie durch das Unionsrecht dazu veranlasst wären.324 Der jeweilige Mitgliedstaat legt den Adressaten einer nationalen Norm in der Regel anlässlich der Umsetzung einer EU-Richtlinie somit Pflichten auf, die in der Richtlinie nicht vorgesehen sind.325 Auf das „gold plating“ nimmt der Gesetzgeber Bezug, wenn er in § 4 Abs. 2 Nr. 5 NKRG die Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates um den Aspekt erweitert, inwiefern im Falle der Umsetzung einer Richtlinie oder sonstiger Rechtsakte der Europäischen Union über deren Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen werden. Diese Formulierung korrespondiert mit der Regelung in § 43 Abs. 1 Nr. 9 GGO. Die aus § 43 Abs. 1 Nr. 9 GGO resultierende Vorgabe, dass die Ressorts über das „gold plating“ aufklären sollen, und die entsprechende Überprüfungsmöglichkeit des Normenkontrollrates dienen dazu, Transparenz in Fällen zu erzeugen, in denen die Umsetzung einer Richtlinie zum Anlass genommen wird, zusätzliche oder strengere Anforderungen zu implementieren.326 Dies geschieht häufig unbemerkt für den Normadressaten, da dieser davon ausgeht, dass die Regelung allein auf Unionsrecht zurückzuführen ist. Aus Sicht des Normenkontrollrates erfordert eine sachgerechte Schilderung, die darüber aufklären soll, ob ein Fall des „gold plating“ gegeben ist, den detaillierten Abgleich der einzelnen unionsrechtlichen Vorgaben mit den beabsichtigten nationalen Umsetzungsvorschriften. Eine rein floskelhafte Feststellung in der Gesetzesbegründung, dass eine 1:1 Umsetzung von EU-Recht vorliege, genügt dem Normenkontrollrat hingegen nicht.327 Wenn tatsächlich ein Fall des „gold plating“ einschlägig ist, prüft der Normenkontrollrat, ob das Ressort im Gesetzentwurf die Erforderlichkeit für eine über die unionsrechtliche Vorgabe hinausgehende Regelung nachvollziehbar dargestellt hat.328

324

Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (445); Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 53; Seckelmann, ZRP 2010, 213 (215). 325 Dazu und zur rechtlichen Zulässigkeit des „gold plating“ Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (449 ff.); Wieland, in: Sander / Vetter (Hrsg.), Regelungswut in der EU, S. 9 (20 f.) sieht in dem nationalen „Draufsatteln“ gar ein Problem für die Akzeptanz der EU; ebenfalls kritisch v. Danwitz, JZ 2006, 1 (7 f.). 326 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 27. 327 NKR, Jahresbericht 2011, S. 75 f. 328 NKR, Jahresbericht 2012, S. 35.

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3. Prüfungsverfahren In welchem Umfang der Normenkontrollrat in ein Gesetzgebungsverfahren eingebunden ist, hängt davon ab, welcher der in Art. 76 Abs. 1 GG genannten Initiativberechtigten den Gesetzentwurf in den Bundestag einbringt. Bis zur Erweiterung seines Mandats im Jahr 2011 war der Normenkontrollrat darauf beschränkt, die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zu prüfen. Bei Gesetzentwürfen aus der Mitte des Bundestages und des Bundesrates spielte er im Wesentlichen keine Rolle.329 In rechtlicher Hinsicht hat sich dies mit der Novelle des NKRG geändert, die grundsätzlich die Überprüfungsmöglichkeit von Gesetzentwürfen des Bundesrates und aus der Mitte des Bundestages schuf. In der Praxis nehmen der Bundestag und Bundesrat die Option, ihre Gesetzentwürfe dem Normenkontrollrat zuzuleiten, jedoch bislang kaum wahr. Am wichtigsten bleibt daher die Prüfungskompetenz in Bezug auf die Gesetzentwürfe der Bundesregierung, auch weil diese obligatorisch dem Normenkontrollrat vorzulegen sind und bereits rein quantitativ den größten Anteil aller Gesetzesinitiativen ausmachen330. a) Gesetzesinitiativen der Bundesregierung Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für den Ablauf des Prüfungsverfahrens bei Gesetzesinitiativen der Bundesregierung ist § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG. Dieser besagt, dass der Normenkontrollrat die Regelungsentwürfe der Bundesministerien vor deren Vorlage an das Bundeskabinett überprüft.331 Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus der GGO, die das regierungsinterne Gesetzgebungsverfahren regelt. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GGO hat das federführende Bundesministerium die von dem Gesetzentwurf betroffenen Bundesministerien und den Normenkontrollrat im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit frühzeitig bei den Vorarbeiten und der Ausarbeitung einzubeziehen. Diese Verpflichtung bildet die Grundlage für das Prüfungsrecht des Normenkontrollrates. Ein von der Vorlagepflicht der Ressorts unabhängiges Initiativrecht zur Prüfung von Gesetzesvorhaben der Bundesregierung

329

Hier ist allerdings zu erwähnen, dass der Normenkontrollrat in Einzelfällen von Ausschüssen des Deutschen Bundestages gebeten wurde, zu den Bürokratiekosten auch hinsichtlich der Gesetzentwürfe, die nicht von der Bundesregierung stammten, Stellung zu nehmen und er dieser Bitte auch nachgekommen ist, siehe NKR, Jahresbericht 2007, S. 10, 28; ders., Jahresbericht 2010, S. 20 f.; dazu mehr unter Kap. 1, A. III. 4. b). 330 Fliedner, Rechtsetzung, S. 100; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 179. 331 In § 4 Abs. 2 NKRG a. F., der bis 2011 galt, war die Rede davon, dass der Normenkontrollrat die „Gesetzentwürfe“ der Bundesministerien vor deren Vorlage an das Bundeskabinett prüft. Unklar war demnach, wie das Prüfungsverfahren bei untergesetzlichen Regelungsentwürfen aussehen sollte, siehe dazu kritisch Schröder, DÖV 2007, 45 (48 f.). Durch die Neufassung des jetzigen § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass der Zeitpunkt, zu dem der Normenkontrollrat in das Normsetzungsverfahren bei Gesetzentwürfen und untergesetzlichen Regelungsentwürfen einbezogen wird, identisch ist.

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steht dem Normenkontrollrat nicht zu.332 Die obligatorische Beteiligung erfolgt spätestens im Rahmen der Ressortabstimmung durch Übersendung des jeweiligen Entwurfs.333 Damit wird der Normenkontrollrat in die Beratung und Abstimmung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung formal wie ein Fachressort eingebunden.334 Zum Zeitpunkt der Ressortabstimmung hat das federführende Bundesministerium nach § 44 Abs. 4 GGO bereits den Erfüllungsaufwand i. S. v. § 2 NKRG für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung ermittelt und diesen gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 5 GGO in der Gesetzesbegründung und auf dem Gesetzesvorblatt (Anlage 3 zur GGO) dargestellt. Die Überprüfung dieser Darstellungen durch den Normenkontrollrat erfolgt in der Regel in enger Abstimmung mit dem zuständigen Referenten des federführenden Ressorts, um Unstimmigkeiten hinsichtlich der Ermittlung des Erfüllungsaufwands auf informellem Wege klären zu können. Wenn eine Ressortanhörung i. S. v. § 47 Abs. 5 GGO durchgeführt wird, in deren Rahmen sich Fachverbände, kommunale Spitzenverbände und Fachkreise mündlich zum Gesetzentwurf äußern können, haben auch Vertreter des Normenkontrollrates die Möglichkeit, daran teilzunehmen.335 Nachdem der Normenkontrollrat seine Prüfung abgeschlossen hat, gleicht er das Ergebnis mit etwaigen Einschätzungen Dritter wie Ländern oder Verbänden ab, die gemäß § 47 GGO ebenfalls frühzeitig beteiligt worden sind.336 In einigen Fällen greift er auch auf den Sachverstand des Statistischen Bundesamtes zurück, das es dem Normenkontrollrat durch methodische und technische Unterstützung erleichtert, die im Gesetzentwurf enthaltenen Aussagen zu den Kostenfolgen zu validieren.337 Daraufhin diskutiert er die Ergebnisse seiner Prüfung mit dem federführenden Ressort. In diesem Verfahrensschritt können die Beteiligten oftmals zahlreiche offene Fragen klären mit der Folge, dass der Normenkontrollrat diese nicht mehr in seiner Stellungnahme erwähnen muss.338 Um eine negative und kritische Stellungnahme des Normenkontrollrates zu verhindern, sind die Ressorts folglich in vielen Fällen auch bereit, Anregungen und Verbesserungsvorschläge

332

So auch Peifer, GewArch 2010, 479 (481). Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 30; Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (63); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (156); Kroll, ZG 2009, 259 (262). 334 Beus, ZSE 2007, 68 (73); Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (92); Dietze / Kranen, Wirtschaftsdienst 2009, 473 (475); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (155); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (115); Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418 f.). 335 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 31. 336 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 31; NKR, Jahresbericht 2012, S. 35. 337 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 31; Wittmann, GewArch 2010, 137 (139). 338 NKR, Jahresbericht 2008, S. 31, ders., Jahresbericht 2012, S. 36; Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (116). 333

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zu übernehmen und die Darstellungen des Erfüllungsaufwands in der Gesetzes­ begründung entsprechend zu überarbeiten.339 Für die Stellungnahme verbleiben dann vor allem die Kernaussagen zum Erfüllungsaufwand sowie die Gesichtspunkte, über die der Normenkontrollrat und das federführende Ressort keine Einigung erzielen konnten.340 Der Normenkontrollrat gibt die Stellungnahme gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 NKRG nach interner Beschlussfassung nicht öffentlich ab, indem er sie nur dem federführenden Bundesministerium übermittelt. Dieses prüft daraufhin nach § 45 Abs. 2 GGO, ob eine Stellungnahme der Bundesregierung als sog. Gegenäußerung dazu veranlasst ist.341 Das Bundeskabinett muss die Gegenäußerung verabschieden, die zusammen mit der Stellungnahme des Normenkontrollrates gemäß § 42 Abs. 1 S. 2 GGO einen Bestandteil des Gesetzentwurfs bildet.342 Die Beteiligung des Normenkontrollrates vor der Zuleitung des Regelungsentwurfs an das Bundeskabinett wird als zwingend verstanden; ansonsten fehlt dem Gesetzentwurf die „Kabinettreife“.343 Keine zwangsläufige Voraussetzung für die Behandlung eines Gesetzentwurfs im Kabinett stellt aber die Abgabe einer Stellungnahme durch den Normenkontrollrat dar.344 Nur ein solches Verständnis ist mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass es im Ermessen des Normenkontrollrates liegt, welche Regelungsentwürfe er überprüft, und er folglich nicht zu allen eine Stellungnahme vorlegen muss345. Wenn der Normenkontrollrat nicht zu allen Regelungsentwürfen eine Stellungnahme abgeben muss, kann diese im Umkehrschluss nicht obligatorische Bedingung für die „Kabinettreife“ eines Entwurfs sein. Da die Bundesregierung im Fall der Abgabe einer Stellungnahme inhaltlich nicht an diese gebunden ist, geht die Überprüfungskompetenz des Normenkontrollrates im Übrigen nicht mit einem formellen Vetorecht einher.346 339 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 32; Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (63); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (156); Kroll, ZG 2009, 259 (270 f.). 340 NKR, Jahresbericht 2012, S. 36. 341 Zu einer Gegenäußerung der Bundesregierung kommt es vor allem bei kritischen Stellungnahmen des Normenkontrollrates, vgl. BT-Drs. 16/7918, S. 49 ff. (Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts); BT-Drs. 18/5295, S. 8 ff. (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten); BT-Drs. 18/12727, S. 14 (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken). 342 Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (157). 343 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 34; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (157, Fn. 37); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 256. 344 Insofern missverständlich die Formulierung bei Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 34; sogar ausdrücklich anders Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (157, Fn. 37). 345 Dazu näher unter Kap. 1, A. II. 346 Calliess, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 275 (290); Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 34; Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 196; Schröder, DÖV 2007, 45 (48).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Wenn das zuständige Ressort den Regelungsentwurf nach Abgabe der Stellungnahme des Normenkontrollrates aber vor der Kabinettsbefassung noch einmal verändert, entsteht eine erneute Beteiligungspflicht des Normenkontrollrates. Dieses Vorgehen ist notwendig, damit sich die Stellungnahme des Normenkontrollrates auf die Fassung des Regelungsentwurfs bezieht, die das jeweilige Ressort dem Kabinett tatsächlich zur Entscheidung vorlegt.347 So wird zum einen verhindert, dass das federführende Ressort noch kostenrelevante Änderungen am Entwurf vornimmt, zu denen sich der Normenkontrollrat nicht mehr äußern kann. Zum anderen erhält das Ministerium dadurch nochmal die Gelegenheit, den Gesetzentwurf entsprechend anzupassen, um die Veröffentlichung einer kritischen Stellungnahme des Normenkontrollrates zu verhindern und ein positives Votum zu erhalten.348 Wenn das federführende Ministerium die kritisierte Gesetzesbegründung nachbessert oder den beanstandeten Regelungsentwurf zurückzieht, bleibt die bisherige, negative Stellungnahme gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 NKRG nicht öffentlich.349 Im Fall der Nachbesserung fertigt der Normenkontrollrat eine neue Stellungnahme an, die sich auf den überarbeiteten Regelungsentwurf samt Begründung bezieht. Nach der Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Bundeskabinett wird dieser gemäß Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG, § 6 Abs. 1 S. 2 NKRG zusammen mit der aktuellen Stellungnahme des Normenkontrollrates und einer etwaigen Gegenäußerung der Bundesregierung dem Bundesrat zugeleitet.350 b) Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages Die Tatsache, dass es dem Normenkontrollrat vor der Novelle des NKRG im Jahr 2011 verwehrt war, parlamentarische Gesetzesinitiativen auf Bürokratiekosten zu überprüfen, stieß von verschiedenen Seiten auf Kritik.351 Aus § 4 Abs. 3 S. 3 NKRG ergibt sich nunmehr, dass der Normenkontrollrat auch Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages prüfen kann, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die einbringende Fraktion oder die einbringenden Abgeordneten dieses beantragen. Dadurch wird vor allem zur Sicherung der Mandatsfreiheit aus Art. 38

347

Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 33. 348 Veit, Bessere Gesetze, S. 277. 349 Linke, JZ 2016, 1081 (1082). 350 Bis 2011 enthielt das NKRG keine Aussage dazu, ob die Stellungnahme des Normenkontrollrates als Bestandteil des Gesetzentwurfs auch dem Bundesrat zuzuleiten ist, vgl. dazu Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (157 ff.). 351 Dietze / Kranen, Wirtschaftsdienst 2009, 473 (479); Karpen, FAZ Nr. 158 v. 11.07.2006, S. 7; Peifer, GewArch 2010, 479 (481); Schröder, DÖV 2007, 45 (47); siehe auch den Entwurf eines Änderungsgesetzes (BT-Drs. 16/7855) und den Antrag (BT-Drs. 16/12470, S. 6) der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, die frühzeitig ein im NKRG geregeltes Anrufungsrecht für Parlamentsfraktionen in Bezug auf Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages gefordert hat, um diese Entwürfe vom Normenkontrollrat überprüfen zu lassen.

A. Entstehung und Tätigkeit

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Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet, dass Gesetzesinitiativen des Bundestages nur dann der Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates unterliegen, wenn es von den Verfassern der Gesetzesvorlage gewollt ist.352 Hinter der sprachlichen Differenzierung des Gesetzes, das in § 4 Abs. 3 S. 3 NKRG von Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages, aber in § 4 Abs. 3 S. 2 NKRG von Regelungsvorlagen des Bundesrates spricht, verbirgt sich keine inhaltliche Unterscheidung zwischen den Entwürfen, die dem Normenkontrollrat einerseits vom Bundesrat und andererseits aus der Mitte des Bundestages vorgelegt werden können. Es wäre insofern aus Konsistenzgründen ratsam gewesen, wenn der Gesetzgeber den Begriff „Gesetzesvorlagen“ einheitlich verwendet hätte.353 Weder das NKRG noch die GOBT enthalten weitere Regelungen zum Ablauf des Prüfverfahrens bei Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages. Aus der Begründung des Änderungsgesetzes zum NKRG lässt sich entnehmen, dass die einbringende Fraktion oder die einbringenden Abgeordneten den Antrag auf Prüfung erst stellen können, wenn sie den Gesetzentwurf bereits in den Bundestag eingebracht haben.354 Zwar steht diese Begründung noch in Zusammenhang mit der ersten Fassung des Änderungsgesetzentwurfs, wonach Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages auf Antrag jeder Fraktion vom Normenkontrollrat überprüft werden sollten. Jedoch ergeben sich aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 NKRG keine gegenteiligen Anhaltspunkte dahingehend, dass der Normenkontrollrat die Gesetzesvorlagen auf Antrag der die Initiative tragenden Fraktion oder Abgeordneten schon vor der Einbringung in den Bundestag prüfen kann. Die Einbringung setzt die Übergabe der Gesetzesvorlage an den Bundestag vertreten durch den Bundestagspräsidenten voraus.355 Für die vorherige Ausarbeitung der Gesetzesvorlage aus der Mitte des Bundestages gibt es keine einzuhaltenden verfassungsrechtlichen Verfahrensvorgaben356, die darauf schließen lassen, wann eine solche Gesetzesvorlage gegeben ist. Zwar besagt das Geschäftsordnungsrecht in §§ 75 Abs. 1 a), 76 Abs. 1 GOBT, dass Gesetzentwürfe von Mitgliedern des Bundestages von einer Fraktion oder von 5 % der Bundestagsabgeordneten unterzeichnet sein müssen. Aber allein aus einer entsprechenden Unterstützung der Vorlage kann noch nicht gefolgert werden, dass sie tatsächlich eingebracht wird. Erst wenn die Gesetzesvorlage dem Bundestagspräsidenten vorliegt, ist das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet und eine Gesetzesvorlage aus der Mitte des Bundestages förmlich gege-

352

Zur Entstehung dieser Regelung näher unter Kap. 1, A. I. 7. d). Siehe hierzu Gebert, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)179, S. 3. 354 BT-Drs. 17/1954, S. 7. 355 Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 57; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 72; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 76 Rn. 14. 356 Boehl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 15 Rn. 14; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 96; Dietlein, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 76 Rn. 17; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 76 Rn. 5; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 111. 353

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

ben. Aus diesem Grund kann das Prüfverfahren des Normenkontrollrates nicht vor diesem Zeitpunkt ansetzen. Im Übrigen gewährleistet nur diese Auslegung, dass der Normenkontrollrat die Fassung des Gesetzentwurfs prüft, die tatsächlich ihren Weg in die parlamentarischen Beratungen findet. Die Begründung des Entwurfs zur Änderung des NKRG im Jahr 2011 hat hervorgehoben, dass der Prüfung durch den Normenkontrollrat ein rein beratender Charakter zukommt und Beginn sowie Abschluss der parlamentarischen Beratungen von Bundestagsinitiativen nicht davon abhängig sind, ob das Prüfergebnis des Normenkontrollrates bereits vorliegt.357 Diese Erläuterungen zielen darauf ab, den Eindruck zu vermeiden, dass das Gesetzesvorschlagsrecht der Abgeordneten und Fraktionen des Bundestages unter die Kontrolle eines Gremiums gestellt wird, das zwar formal unabhängig, aber zugleich der Exekutive angegliedert ist. Der Prüfungsumfang des Normenkontrollrates richtet sich nach § 1 Abs. 3, 4 Abs. 2 NKRG und ist mithin derselbe wie bei Regelungsvorhaben der Bundesregierung. Da der Normenkontrollrat keine eigenen Abschätzungen des Erfüllungsaufwands vornimmt, sondern lediglich die Nachvollziehbarkeit und Methoden­ gerechtigkeit der Darstellung prüft, obliegt es der einbringenden Fraktion bzw. den einbringenden Abgeordneten selbst, den Erfüllungsaufwand zu ermitteln. Aufgrund der Tatsache, dass ihnen und dem Bundestag die hierfür erforderliche Methodenkompetenz in der Regel fehlen dürfte, ist es sachgerecht, dass der Bundestag dafür gemäß § 8 S. 1 NKRG auf die Unterstützung des Statistischen Bundesamtes zurückgreifen kann.358 Da die Ermittlung des Erfüllungsaufwands eines Gesetzentwurfs sowie dessen anschließende Überprüfung durch den Normenkontrollrat Zeit in Anspruch nehmen, nutzen die Bundestagsfraktionen diese Möglichkeit bislang kaum.359 Hinzu kommt, dass die Fraktionen den Normenkontrollrat als Teil der Bundesregierung wahrnehmen.360 Als politisch erwägenswert könnte sich diese Überprüfungsmöglichkeit jedoch erweisen, wenn den Oppositionsfraktionen im Bundestag daran gelegen ist, durch einen Gesetzesvorschlag, der mit Entlastungen für Unternehmen oder Bürger einhergeht, die Regierung unter Druck zu setzen. Sie könnten auf diese Weise die Regierung und deren parlamentarische Mehrheit unter Hinweis auf die

357

BT-Drs. 17/1954, S. 7. Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 41. 359 Von dieser Möglichkeit machte im Mai 2013 erstmals die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Gebrauch, als sie den Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen dem Normenkontrollrat zur Überprüfung vorlegte, siehe NKR, Jahresbericht 2013, S. 40; offenbar handelte es sich dabei aber bislang um den einzigen Fall, in dem eine Bundestagsfraktion den Normenkontrollrat um eine Überprüfung gebeten hat, so Färber / Zeitz, dms 2015, 337 (345). 360 So ausdrücklich bei Hentsch, ZG 2012, 196 (199); nach Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121) werde der Normenkontrollrat von vielen Akteuren als Teil der Regierungsorganisation wahrgenommen. 358

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positive Stellungnahme des Normenkontrollrates dazu bewegen, den Gesetzesvorschlag zu unterstützen.361 Um den Normenkontrollrat im Fall zahlreicher Prüfungsanträge aus Bundesrat und Bundestag vor einer Arbeitsüberlastung zu schützen, steht es gemäß § 4 Abs. 3 S. 4 NKRG in seinem Ermessen, in welcher Reihenfolge er die Gesetzesvorlagen prüft. Somit kann er zunächst Gesetzentwürfe der Bundesregierung kontrollieren, bevor er solche aus der Mitte des Bundestages überprüft. Diese Regelung trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die aus der Mitte des Bundestages stammenden Gesetzesvorlagen nicht selten von den Oppositionsfraktionen eingebracht werden und aus diesem Grund wenig Aussicht auf Erfolg haben362. c) Gesetzesinitiativen des Bundesrates Neben den Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages kann der Normen­ kontrollrat seit 2011 auch die Regelungsentwürfe des Bundesrates auf die Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit der Darstellung des Erfüllungsaufwands überprüfen. Vorlagen des Bundesrates unterliegen gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 NKRG jedoch nur dann der Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates, wenn der Bundesrat es wünscht und dementsprechend beschließt, dem Normenkontrollrat die Regelungsvorlage zuzuleiten.363 Da der Bundesrat lediglich als Kollegialorgan initiativberechtigt ist, bedarf sowohl der Erlass einer Gesetzesvorlage als auch die Entscheidung, diese dem Normenkontrollrat vorzulegen, gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG einer Stimmenmehrheit im Bundesrat.364 Eine Regelungsvorlage des Bundesrates i. S. v. § 4 Abs. 3 S. 2 NKRG liegt somit nur dann vor, wenn der Bundesrat diese mehrheitlich beschlossen hat.365 Das hat zur Folge, dass die Prüfung durch den Normenkontrollrat erst zu einem Zeitpunkt einsetzen kann, in dem der interne Willensbildungsprozess im Bundesrat bereits abgeschlossen und die Regelungsvorlage gemäß Art. 76 Abs. 3 GG auf den Weg gebracht worden ist.366 Anders als bei der Überprüfung der Gesetzesvorlagen aus den Bundesministerien verbleiben dem Normenkontrollrat in diesem Verfahren faktisch keine Möglichkeiten mehr, auf die Darstellung des 361 So auch Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 69; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 38. 362 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 39; vgl. auch Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (65). 363 Siehe zur Entstehung dieser Regelung unter Kap. 1, A. I. 7. d). 364 Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 61; Hebeler, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 60; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 50; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 49. 365 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 42. 366 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 72; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 42.

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Erfüllungsaufwands in einer Regelungsvorlage einzuwirken.367 Die Stellungnahme des Normenkontrollrates kann lediglich dafür sorgen, dass in den anschließenden Beratungen im Bundestag Klarheit darüber herrscht, ob der Gesetzentwurf eine methodengerechte Darstellung der Kostenfolgen enthält. Wohl aus diesen Gründen hat der Bundesrat die Vorlagemöglichkeit an den Normenkontrollrat bislang nicht wahrgenommen.368 Als politisch sinnvoll könnte sich die Vorlage jedoch erweisen, wenn sich der Bundesrat eine positive Stellungnahme erhofft, um mittels dieser seinem Entwurf mehr Überzeugungskraft zu verleihen.369 Ebenso wie bei Regelungsvorlagen aus der Mitte des Bundestages ist es dem Bundesrat selbst überlassen, den durch ein Regelungsvorhaben verursachten Erfüllungsaufwand zu ermitteln, wenn er gewillt ist, dem Normenkontrollrat dieses vorzulegen. Zu diesem Zweck steht auch dem Bundesrat gemäß § 8 S. 1 NKRG die Unterstützung des Statistischen Bundesamtes zu.

III. Arbeitsweise Damit der Normenkontrollrat die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfüllen kann, enthält das NKRG bestimmte organisationsrechtliche und prozedurale Voraussetzungen. Abgesehen von diesen gesetzlichen Vorgaben oblag es dem Normenkontrollrat in den Jahren seit seiner Einberufung aber selbst, darüber zu entscheiden, wie er seine Rolle im Gesetzgebungsverfahren definiert und die konkrete Zusammenarbeit mit den Gesetzgebungsorganen ausgestaltet. 1. Zusammensetzung Der Normenkontrollrat bestand ursprünglich aus acht Mitgliedern370 und wurde 2011 im Zuge des Ausbaus seiner Kompetenzen um zwei Mitglieder371 auf zehn erweitert.372 Zu Beginn der zweiten Amtsperiode erfolgte im September 2011 eine 367

Dieses Problem hat der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Technologie erkannt und daraufhin die Möglichkeit geschaffen, dass der Normenkontrollrat gemäß § 6 Abs. 3 NKRG auch den Ausschüssen des Bundesrates beratend zur Seite steht, um bereits bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs hinzugezogen werden zu können, siehe BT-Drs. 17/4241, S. 8; dazu auch Kap. 1, A. III. 4. b). 368 NKR, Jahresbericht 2013, S. 40. 369 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 72; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 42. 370 Mitglieder von 2006 bis 2011: Johannes Ludewig (Vorsitzender), Wolf-Michael Catenhusen, Hermann Bachmaier, Hans D. Barbier (wurde am 24. März 2010 durch Rainer Funke ersetzt), Gisela Färber, Henning Kreibohm, Franz Schoser, Johann Wittmann. 371 Am 30. März 2011 entschied die Bundesregierung, Andrea Versteyl und Sebastian Lechner als Neumitglieder für den Normenkontrollrat vorzuschlagen. 372 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (256); Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (90).

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erstmalige Neubesetzung des Gremiums.373 Bis auf den Vorsitzenden Johannes Lude­wig sowie den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden Wolf-Michael Catenhusen berief die Bundesregierung ausschließlich neue Mitglieder in das Gremium. Im September 2016 begann die dritte Amtsperiode des Normenkontrollrates, die mit lediglich zwei Neubesetzungen einherging. In dieser aktuellen bis 2021 laufenden Amtsperiode fungiert weiterhin Johannes Ludewig, der zuvor nicht nur Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, sondern auch Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium war, als Vorsitzender des Rates. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universität Potsdam Sabine Kuhlmann bekleidet das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden. Bereits seit 2006 gehört der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär a. D. im Bundesministerium für Bildung und Forschung Wolf-Michael Catenhusen dem Normenkontrollrat an. Die promovierte Diplom-Volkswirtin Thea Dückert, die seit 2011 Mitglied im Rat ist, saß zuvor von 1998 bis 2009 für Bündnis 90/Die Grünen als Abgeordnete im Bundestag. Weitere Mitglieder des Normenkontrollrates sind die ehemalige CSUOberbürgermeisterin der Stadt Schweinfurt Gudrun Grieser, der Rechtsanwalt und langjährige Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks Hanns-Eberhard Schleyer, die Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Dorothea Störr-Ritter sowie die Rechtsanwältin und Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof Andrea Versteyl. Zu den im Jahr 2016 neu berufenen Mitgliedern zählen die ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU Conny Mayer-Bonde, die Betriebswirtschaftslehre an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg lehrt, sowie der Volljurist und Staatssekretär a. D. im Innenministerium Sachsen-Anhalts ­Rainer Holtschneider. a) Mitgliederauswahl Der Auswahlprozess der Mitglieder richtet sich nach dem Berufungsverfahren für die Mitglieder des 1963 durch Gesetz eingerichteten Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage („Fünf Wirtschaftsweisen“).374 Dementsprechend werden die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Normenkon­ trollrates gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 NKRG vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit 373 Mitglieder von 2011 bis 2016: Johannes Ludewig (Vorsitzender), Wolf-Michael Catenhu­­ sen, Thea Dückert, Rainer Funke, Gudrun Grieser, Sabine Kuhlmann, Sebastian Lechner (wurde am 15. März 2013 durch Johann Hahlen ersetzt), Hanns-Eberhard-Schleyer, Dorothea Störr-Ritter, Andrea Versteyl. 374 BT-Drs. 16/1406, S. 5; siehe § 7 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963 (SachvRatG), in der im BGBl. III, 700–2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 249 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474).

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den anderen Mitgliedern der Bundesregierung dem Bundespräsidenten vorgeschlagen. Der Bundespräsident ernennt die Vorgeschlagenen für eine Amtszeit von fünf Jahren, wobei eine mehrmalige Berufung zulässig ist. Der Vorsitzende des Normenkontrollrates wird nach § 3 Abs. 4 NKRG durch den Bundeskanzler bestimmt. Die Mitglieder des Normenkontrollrates sollen gemäß § 3 Abs. 2 NKRG Erfahrungen in legislativen Angelegenheiten innerhalb staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen gesammelt haben und über Kenntnisse in wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügen. b) Inkompatibilitäten Die Inkompatibilität der Mitgliedschaft im Normenkontrollrat mit einer Tätigkeit für gesetzgebende Körperschaften oder einer Beschäftigung in Bundes- oder Landesbehörden ergibt sich aus § 3 Abs. 3 NKRG. Für ehemalige Mitglieder von entsprechenden Institutionen sieht § 3 Abs. 3 S. 3 NKRG eine Karenzzeit von einem Jahr zwischen Ausscheiden aus dem Amt bzw. Dienst und der Berufung zum Mitglied des Normenkontrollrates vor. Diese gesetzlich verankerte Unvereinbarkeitsregelung beruht auf dem Gedanken, eine gewisse Distanz und Unbefangenheit der Mitglieder gegenüber der laufenden Gesetzgebung sicherzustellen.375 Die Tätigkeit in einer kommunalen Behörde wird von der Inkompatibilitätsregelung hingegen nicht erfasst. Es ist folglich möglich, aktive Kommunalbeamte in den Normenkontrollrat zu berufen, da der Gesetzgeber bei ihnen annimmt, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar an Gesetzgebungsvorhaben des Bundes beteiligt sind.376 2. Organisation Um zu gewährleisten, dass der Normenkontrollrat die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfüllen kann, bedarf es organisationsrechtlicher sowie finanzieller Grundlagen. Sie legen die Grenzen und den Umfang fest, in deren Rahmen der Normenkontrollrat seine Tätigkeit ausüben kann.

375 BT-Drs. 16/1406, S. 5. Praktische Auswirkungen hatte die Unvereinbarkeitsregelung das erste Mal als der CDU-Politiker Sebastian Lechner Anfang 2013 sein Mandat im Normenkontrollrat niederlegte, nachdem er am 20. Januar 2013 in den niedersächsischen Landtag gewählt worden war. 376 BT-Drs. 16/1406, S. 5; das gilt auch für Hochschullehrer, bei denen aber aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur mittelbaren Landesverwaltung mit § 3 Abs. 3 S. 2 NKRG die erforderliche gesetzliche Ausnahmeregelung geschaffen wurde, siehe auch Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (91).

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a) Anbindung an das Bundeskanzleramt Der Normenkontrollrat ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 NKRG beim Bundeskanzleramt in Berlin angesiedelt. Der Gesetzgeber hat als Begründung für diese organisatorische Zuordnung angeführt, dass dadurch die besondere politische Relevanz der Aufgabenstellung des Normenkontrollrates hervorgehoben werde.377 Da der Normenkontrollrat mit dem Standardkosten-Modell eine neue Methodik in den politischen Prozess eingeführt hat, sollte die Anbindung an das Bundeskanzleramt die politische Unterstützung von höchster Stelle signalisieren, um diesen neuen Ansatz zu etablieren.378 Darüber hinaus soll die Ansiedlung beim Bundeskanzleramt verdeutlichen, dass der Bürokratiekostenabbau ein politisches Anliegen der gesamten Regierung und nicht nur eines einzelnen Ressorts darstelle.379 Diese Zuordnung entspricht der in § 1 Abs. 2 NKRG niedergelegten Idee des Normenkontrollrates als Beratungsorgan der gesamten Bundesregierung.380 Trotz dieser formalen Anbindung an die Exekutive soll es sich beim Normenkontrollrat seiner gesetzlichen Grundlage nach um ein unabhängiges Gremium handeln.381 Folglich unterliegt er zwar keiner Fachaufsicht382, jedoch sieht § 3 Abs. 8 NKRG die Ausübung der Rechtsaufsicht durch den Chef des Bundeskanzleramts vor. b) Sekretariat Unterstützung erfährt der Normenkontrollrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben durch ein ebenfalls beim Bundeskanzleramt angesiedeltes Sekretariat mit derzeit 15 hauptamtlichen Mitarbeitern. Die Einrichtung des Sekretariats ist durch § 3 Abs. 9 NKRG rechtlich abgesichert. Die organisatorische Führung des Sekretariats obliegt dessen Leiter, der mit beratender Stimme an den Sitzungen des Normenkontrollrates teilnimmt. Die Stellenbesetzungen im Sekretariat erfolgen in Abstimmung mit den Mitgliedern des Normenkontrollrates.383 Bei dem Großteil der Stellen handelt es sich um solche des höheren Dienstes. Vor dem Hintergrund, dass die Mitglieder des Rates ihr Mandat ehrenamtlich wahrnehmen, trägt das Sekretariat die Hauptlast der beim Normenkontrollrat anfallenden Arbeit. Es bereitet insbesondere die Entwürfe für Stellungnahmen zu Gesetzesvorlagen vor, begleitet Projekte und erarbeitet die Jahresberichte.384 377

BT-Drs. 16/1406, S. 5. Jann, Berliner Republik 1/2007, 46 (57); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (67). 379 BT-Drs. 16/1406, S. 5; Schröder, DÖV 2007, 45 (49). 380 Schröder, DÖV 2007, 45 (49); siehe auch die Bezeichnung als „Hilfsorgan der Bundesregierung“ bei v. Lewinski, Gesetzesverfasser, S. 58. 381 Dazu näher unter Kap. 1, B. VI. 382 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (115); Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418). 383 BT-Drs. 16/1406, S. 6. 384 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (254). 378

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c) Finanzierung Gemäß § 3 Abs. 10 S. 1 NKRG haben die Mitglieder des Normenkontrollrates Anspruch auf eine pauschale Aufwandsentschädigung und Ersatz ihrer Reisekosten. Die Antwort auf die Frage, wer für diese und weitere Kosten des Normenkontrollrates aufkommt, ergibt sich aus § 3 Abs. 12 S. 1 NKRG. Der Bund trägt demnach alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Normenkontrollrates entstehen. Angesichts der Anbindung an das Bundeskanzleramt sind die Ausgaben im Einzelplan 04 (Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt) des Bundeshaushaltsplans ausgewiesen. Im Jahr 2008 wurden im Haushaltsplan für den Normenkontrollrat 276.000 Euro angesetzt, im Haushaltsplan 2015 waren es bereits 470.000 Euro. Diese setzten sich für das Jahr 2015 zum einen aus Mitteln in Höhe von 320.000 Euro (340.000 Euro im Bundeshaushalt 2017) zusammen, die für vom Normenkontrollrat beauftragte Sachverständige (als Gutachter oder für Anhörungen) sowie insbesondere für die Aufwandsentschädigungen der Ratsmitglieder aufgebracht werden mussten. Die pauschale Aufwandsentschädigung pro Mitglied im Jahr beträgt derzeit 25.000 Euro385 und 30.000 Euro für den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter. Zum anderen wurden im Bundeshaushalt 2015 Reise­ kosten von 130.000 Euro sowie Kosten für Konferenzen und Tagungen in Höhe von 20.000 Euro eingeplant. Seit 2016 listet die Bundesregierung die Reisekosten des Normenkontrollrates nicht mehr separat im Bundeshaushaltsplan auf. Darüber hinaus fallen Personalkosten für die derzeit 15 Mitarbeiter des Sekretariats an, die im Haushaltsplan nicht gesondert ausgewiesen sind, sondern unter die allgemeinen Personalausgaben des Bundeskanzleramts fallen. 3. Internes Arbeits- und Prüfungsverfahren Der Normenkontrollrat arbeitet mit einem Berichterstattersystem, in dessen Rahmen jedes Mitglied für Regelungsentwürfe eines oder mehrerer bestimmter Ressorts zuständig ist.386 Das bedeutet, dass sich jedes Mitglied in erster Linie mit Gesetzentwürfen und Sachfragen auseinandersetzt, die aus dem ihm zugewiesenen Bundesministerium stammen. Die Mitarbeiter des Sekretariats sind ebenfalls intern den Angelegenheiten bestimmter Ressorts zugeordnet. Auf diese Weise wird es den Mitgliedern des Normenkontrollrates und ihren Mitarbeitern erleichtert, institutionelle Kommunikationskanäle zu bestimmten Ministerien aufzubauen und fachliches Spezialwissen zu entwickeln und dieses zu nutzen.387 385

BT-Drs. 17/1954, S. 2. Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 52; Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (299); dazu NKR, Jahresbericht 2007, S. 20. 387 Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (91); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (294); siehe auch NKR, Jahresbericht 2012, Anlage S. 88. 386

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Zu den Regelungsvorhaben der Ressorts, die diese später dem Bundeskabinett zuleiten, erarbeitet der Normenkontrollrat Stellungnahmen nach § 6 Abs. 1 S. 1 NKRG, die der sachlich zuständige Berichterstatter und das Sekretariat vorbereiten.388 Abstimmungsgespräche mit dem federführenden Ressort, die sich im Rahmen der Erarbeitung der Stellungnahme als notwendig erweisen, führen in aller Regel die Sekretariatsmitarbeiter.389 Die Verabschiedung der Stellungnahmen kann in Eilfällen oder bei Regelungsvorhaben, die in Bezug auf den Erfüllungsaufwand keine größeren Schwierigkeiten bereiten, im elektronischen Umlaufverfahren erfolgen. Stellungnahmen zu komplexen und hinsichtlich des Erfüllungsaufwands umfangreichen Vorlagen erörtert und verabschiedet der Normenkontrollrat auf seinen Sitzungen, die in der Regel vierzehntägig im Bundeskanzleramt stattfinden.390 Die Abstimmung über die Stellungnahmen richtet sich formal nach dem Mehrheitsprinzip, wobei gemäß § 3 Abs. 6 S. 1 NKRG die gesetzliche Mitgliederzahl des Normenkontrollrates entscheidend ist. Bei Stimmengleichheit wird der geprüfte Gesetzentwurf nicht beanstandet. Die gerade Mitgliederzahl dient in diesem Kontext dazu, den Einigungsdruck innerhalb des Normenkontrollrates zu erhöhen.391 In der Praxis fällt der Rat seine Entscheidungen jedoch in aller Regel einstimmig.392 Sondervoten betrachtet das NKRG als unzulässig. Die weitere Ausgestaltung der Entscheidungsverfahren im Normenkontrollrat obliegt gemäß § 3 Abs. 7 NKRG einer Geschäftsordnung, die jedoch nicht veröffentlicht wurde. 4. Beratungstätigkeit Der Normenkontrollrat ist nicht nur als ein Kontrollgremium, sondern auch als Beratungsorgan konzipiert.393 Diese beratende Funktion wird zum einen in § 1 Abs. 2 NKRG sowie zum anderen in § 6 Abs. 3 NKRG angedeutet. Insbesondere der Normenkontrollrat selbst legt Wert darauf, in der Öffentlichkeit auch als Beratungsorgan wahrgenommen zu werden.394 a) Beratung der Bundesregierung Gemäß § 1 Abs. 2 NKRG kommt dem Normenkontrollrat die Aufgabe zu, die Bundesregierung bei der Umsetzung von Maßnahmen auf den Gebieten des Büro­ kratieabbaus und der besseren Rechtsetzung zu unterstützen. Angesichts dieser 388

Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 33. Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (156, Fn. 32). 390 Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (91 f.). 391 BT-Drs. 16/1406, S. 5. 392 Große-Sender / Schönenbroicher, ZG 2014, 367 (368); Veit, Bessere Gesetze, S. 277. 393 BT-Drs. 16/1474, S. 1; Kroll, ZG 2009, 259 (264); Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 193. 394 Vgl. Ludewig, Berliner Republik 2/2007, 89 (89 f.); NKR, Jahresbericht 2008, S. 11; ders., Jahresbericht 2011, S. 14; Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (116). 389

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Formulierung gilt der Normenkontrollrat in erster Linie als Beratungsorgan nur der Bundesregierung.395 Er erfüllt diese Aufgabe dadurch, dass er die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerien generell bei der Identifizierung von Reduzierungspotenzialen in Bezug auf gesetzliche Folgekosten berät.396 Unabhängig von der Überprüfung eines konkreten Gesetzentwurfs bezweckt diese Beratungsfunktion, der Bundesregierung auf dem Gebiet der „besseren“ Rechtsetzung Optimierungsmöglichkeiten und neue methodische Ansätze aufzuzeigen. Verschiedene Regelungen innerhalb des NKRG erteilen dem Normenkontrollrat Befugnisse, um eine fachlich brauchbare und regelmäßige Beratung der Bundesregierung leisten zu können. Dazu zählt zunächst die Stellungnahme des Normenkontrollrates, die er gemäß § 4 Abs. 4 NKRG zum jährlichen Bericht der Bundesregierung nach § 7 NKRG abzugeben hat. Darin kommentiert er die Fortschritte, welche die Bundesregierung auf den Gebieten des Bürokratieabbaus, der besseren Rechtsetzung sowie der Entwicklung des Erfüllungsaufwands für sich reklamiert, und zeigt auf, in welchen Bereichen nach seiner Auffassung noch Handlungs­ bedarf bestehe. Weiterhin kann der Normenkontrollrat seinem Jahresbericht an den Bundeskanzler gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 NKRG Empfehlungen beifügen, die darauf abzielen, die Bundesregierung bei ihren Zielen zur „Verbesserung“ des gesetzgeberischen Handelns zu unterstützen. Um den Inhalt der Beratungsleistungen auf eine wissenschaftlich und empirisch fundierte Basis zu stellen, enthält § 5 Abs. 1 NKRG Instrumente, um den dafür notwendigen Sachverstand einzuholen. Der Normenkontrollrat kann auf dieser Grundlage eigene Anhörungen durchführen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 NKRG) sowie externe Gutachten in Auftrag geben (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 NKRG). Wenn er der Bundesregierung zu einem bestimmten Themenkomplex rund um bessere Rechtsetzung Informationen in amtlicher Form zukommen lassen möchte, eröffnet ihm § 5 Abs. 1 Nr. 4 NKRG die Möglichkeit, ihr einen Sonderbericht vorzulegen. Außerdem kooperiert der Normenkontrollrat im Rahmen der konkreten Gesetzeserarbeitung eng mit den Bundesministerien. Obwohl § 4 Abs. 3 NKRG die Beteiligung des Normenkontrollrates erst im Zuge der formalen Ressortabstimmung verlangt, kontaktieren ihn die Ressorts informell oftmals schon zu einem Zeitpunkt, in dem sich der Referentenentwurf noch in der Bearbeitung befindet.397 In § 45 Abs. 1 GGO ist diese frühzeitige Beteiligung im Stadium der Vorarbeiten und der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs angedeutet. Sie umfasst nur eine Beratung. Eine Kontrollbefugnis z. B. in Form einer Beanstandung des Entwurfs ist hingegen in diesem frühen Stadium der Gesetzeserarbeitung nicht vorgesehen. 395

Dietze / Färber, VM 2007, 283 (288); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 76 Rn. 2; Schröder, DÖV 2007, 45 (49); von einer „Hilfsinstitution der Bundesregierung“ spricht Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 18 Rn. 248. 396 NKR, Jahresbericht 2008, S. 16. 397 Catenhusen, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 111 (113); Dietze /  Färber, VM 2007, 283 (286); Kroll, ZG 2009, 259 (270); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (117 f.); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (294).

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Gegenstand der Beratung zu diesem Zeitpunkt sind häufig methodische Fragen zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands. Gerade bei komplizierten Regelungsvorhaben, die mit einem hohen Erfüllungsaufwand verbunden sind, greifen die Ressorts auf die methodischen Kompetenzen der Mitarbeiter des Sekretariats zurück.398 Die Ressorts versuchen auf diese Weise Schwierigkeiten sowie Unklarheiten bei der Ermittlung des Erfüllungsaufwands frühzeitig zu beseitigen. Indem die Ressorts eine mit dem Normenkontrollrat abgestimmte Kostendarstellung in die Gesetzesbegründung aufnehmen, können sie eine spätere, kritische Stellungnahme des Gremiums verhindern. Auch der Normenkontrollrat lässt sich auf die frühzeitige Beteiligung ein, da er durch die Beratungsgespräche Kenntnis von den Erwägungsgründen für die Regelungen eines Gesetzentwurfs erhält. Das vereinfacht ihm die spätere Prüfung.399 Zudem ist es in dieser frühen Phase für ihn noch möglich, kostengünstigere Alternativen zur vorgesehenen Regelung zu diskutieren und mehr Einfluss auf die Folgendarstellung zu nehmen.400 b) Beratung von Bundestag und Bundesrat Über die fakultative Prüfung der Gesetzesvorlagen aus Bundestag und Bundesrat hinaus steht der Normenkontrollrat gemäß § 6 Abs. 3 NKRG den federführenden und mitberatenden ständigen Ausschüssen des Bundestages und des Bundesrates beratend zur Verfügung. Seit Inkrafttreten des NKRG im Jahr 2006 galt diese Regelung bereits für die ständigen Ausschüsse des Bundestages und wurde 2011 auf die Ausschüsse des Bundesrates ausgedehnt. Dadurch können Bundestag und Bundesrat bei Gesetzesvorlagen aus ihrer Mitte auf die Sachkunde des Normenkontrollrates zurückgreifen, ohne das formelle und zeitaufwendigere Prüfungsverfahren nach § 4 Abs. 3 NKRG in Anspruch nehmen zu müssen. Vor allem für Gesetz­entwürfe, die aus dem Bundesrat stammen, kann sich diese Beratungsmöglichkeit als sinnvoll erweisen. Während die formelle Überprüfung einer Bundesratsinitiative voraussetzt, dass diese zuvor mehrheitlich vom Bundesrat beschlossen wurde, kann der Normenkontrollrat infolge seiner Beratungsfunktion dem zuständigen Bundesratsausschuss bereits frühzeitig bei der Diskussion über die potenziellen Auswirkungen eines Gesetzentwurfs zur Seite stehen.401 Davon abgesehen können die Ausschüsse den Normenkontrollrat auch zu Rate ziehen, wenn sie Gesetzentwürfe der Bundesregierung beraten. Dem steht nicht entgegen, dass der Normenkontrollrat diese Entwürfe bereits vor deren Beschlussfassung im Bundeskabinett geprüft hat. So ist es zum einen denkbar, dass der federführende Parlamentsausschuss bei einem Gesetzentwurf mit hohem Erfüllungs 398

Böll, DER SPIEGEL 39/2013, S. 42 (43); Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (299); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (117 f.). 399 Dietze / Färber, VM 2007, 283 (286); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (156). 400 Catenhusen, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 111 (113). 401 Dazu BT-Drs. 17/4241, S. 8.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

aufwand die diesbezügliche Stellungnahme vom Normenkontrollrat näher erläutert haben möchte.402 Zum anderen könnte der Ausschuss den Normenkontrollrat dahingehend befragen, wie sich eventuelle Änderungen am Regierungsentwurf, die sich aus den parlamentarischen Beratungen ergeben, auf den Erfüllungsaufwand auswirken würden.403 Ein automatisches Zutrittsrecht zu den Ausschusssitzungen ist mit dieser Beratungsfunktion für die Mitglieder des Normenkontrollrates jedoch nicht verbunden. Sie gehören nicht zum Kreis der Zutrittsberechtigten i. S. v. Art. 43 Abs. 2 GG, es sei denn, sie werden von der Bundesregierung als Beauftragte benannt404. Eine Teilnahme an den Ausschusssitzungen setzt im Regelfall vielmehr eine Einladung durch den jeweiligen Ausschuss voraus, die wiederum einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss erfordert. Auf diese Weise kann einer missbräuchlichen Ladung mit Verschleppungsabsicht durch eine Ausschussminderheit vorgebeugt werden.405 5. Projekte Im Jahr 2009 hat der Normenkontrollrat begonnen, in Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Institutionen Projekte zum „Bürokratieabbau“ zu initiieren.406 Genereller Zweck dieser Projekte ist es, in spezifischen Bereichen überflüssige „administrative Belastungen“ zu ermitteln und Vorschläge zu entwickeln, wie die damit einhergehenden Kosten für die Normadressaten gesenkt werden können. a) „Einfacher-zu“-Projekte Die „Einfacher-zu“-Projekte waren die ersten Pilotprojekte in größerem Umfang, die der Normenkontrollrat 2009 und 2010 in Zusammenarbeit mit öffent­ lichen Institutionen außerhalb der Bundesregierung angestoßen hat. Die Projektreihe bestand aus den drei Einzeluntersuchungen „Einfacher zum Wohngeld“, 402

So z. B. bei dem Entwurf eines Unternehmenssteuerreformgesetzes (BT-Drs. 16/5377, S. 8; siehe NKR, Jahresbericht 2007, S. 28) und der 23. BAföG-Novelle (siehe BT-Drs. 17/2196, S. 12; NKR, Jahresbericht 2010, S. 21); Hadamek, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 17 Rn. 138 sieht daher den Normenkontrollrat als geeigneten Ansprechpartner, um den Ausschüssen eine kritische Kontrolle im Hinblick auf die Einhaltung der Voraussetzungen der GGO zu ermöglichen. 403 So beim Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (BT-Drs. 16/7918), siehe NKR, Jahresbericht 2010, S. 19. 404 BT-Drs. 16/1406, S. 6; zur Begrifflichkeit der „Beauftragten“ siehe Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43 Rn. 126 f. 405 So Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 71; Hofmann /  Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 40. 406 Hierzu insgesamt Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (94 ff.).

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„Einfacher zum Elterngeld“ und „Einfacher zum Studierenden-BAföG“. Gegenstand der Untersuchungen waren jeweils die „Bürokratiebelastungen“ der Bürger, die durch Informationspflichten bei der Beantragung von Wohn- und Elterngeld sowie Studierenden-BAföG entstehen. Neben den Belastungen für Private wurde auch der mit der Antragsbearbeitung verbundene Aufwand für die öffentliche Verwaltung ermittelt.407 Die Untersuchungen entstanden ebenenübergreifend in freiwilliger Zusammenarbeit mit jeweils unterschiedlichen Bundesländern und Kommunen. Die methodische Arbeit lag in den Händen des Statistischen Bundesamtes, das mithilfe des Standardkosten-Modells den Zeitaufwand bei Antragsstellern und Behörden quantifizierte.408 Den untersuchten Antragsverfahren ist gemeinsam, dass die auf ihrer Grundlage gewährten Geldleistungen auf bundesrechtlichen Regelungen basieren. Der Vollzug dieser Regelungen lässt sich als Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 GG einordnen, da der Bund nach Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG sowohl beim Wohn- und Elterngeld als auch beim Studierenden-BAföG mindestens die Hälfte der Ausgaben trägt409. Die Länder haben die Aufgaben teilweise wiederum den Kommunen übertragen. Trotz der Einwirkungsmöglichkeiten, die dem Bund im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung zukommen, deuten die Ergebnisse der Projekte darauf hin, dass es zwischen den verschiedenen Ländern und Kommunen u. a. aufgrund zusätzlicher landesrechtlicher Vorgaben zum Teil erhebliche Vollzugsunterschiede gibt.410 Notwendig für die Durchführung der Projekte war es, dass der Normenkontrollrat auf die Daten von Ländern und Kommunalverwaltungen zurückgreifen konnte, um die Informationskosten für Private und Behörden bei der Beantragung der ausgewählten staatlichen Leistungen abzuschätzen. Zwar waren diese Projekte nicht als Organisations- oder Leistungsvergleiche angelegt411, sie werden aber dennoch vereinzelt als erstes Beispiel für die Anwendung von Leistungsmessungen („Performance Measurements“) in der Gesetzgebungspraxis gesehen.412 Insbesondere gibt es Stimmen, die diese ebenenübergreifenden Projekte unter Einbeziehung unterschiedlicher Länder und Kommunen als Vorläufer möglicher Leistungsvergleiche preisen, die seit 2009 durch Art. 91 d GG von der Verfassung vorgesehen sind.413

407

Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (94); Pfisterer, DÖV 2009, 1130 (1133); Zeitz, Bewertung der Einfacher-zu-Projekte, S. 6. 408 Bundeskanzleramt / NKR, Einfacher zum Elterngeld, S. 7; dies., Einfacher zum Wohngeld, S. 8; dies., Einfacher zum Studierenden-BAföG, S. 15. 409 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Bund / Länder-Finanzbeziehungen, S. 13; näher dazu Zeitz, Bewertung der Einfacher-zu-Projekte, S. 13 f. 410 Zeitz, Bewertung der Einfacher-zu-Projekte, S. 39 f. 411 Bundeskanzleramt / NKR, Einfacher zum Elterngeld, S. 7; Dietze, AWV-Informationen 5/2010, 12 (14). 412 Seckelmann, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 571 (578). 413 So Dietze, AWV-Informationen 5/2010, 12 (12); Seckelmann, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 571 (578).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

b) Weitere Projekttätigkeit Neben den „Einfacher-zu“-Projekten hat der Normenkontrollrat einige weitere Projekte von größerem Umfang initiiert sowie federführend begleitet. Dazu gehörte vor allem das Projekt „Mehr Zeit für Behandlung – Vereinfachung von Verfahren und Prozessen in Arzt- und Zahnarztpraxen“, das am 25. März 2013 in Kooperation mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Kassenzahnärzt­ lichen Bundesvereinigung (KZBV), der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) begann. Anlass für das Projekt waren die Berichte von Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten, dass die „Bürokratie“ in ihren Praxen immer mehr zunähme.414 Das Statistische Bundesamt ermittelte im Zuge des Projekts in ausgewählten Praxen mithilfe des Standardkosten-Modells und durch Befragung der Normadressaten den Aufwand, der notwendig ist, um bestimmte, vorab ausgewählte Informationspflichten zu erfüllen. Es errechnete einen Aufwand aus Informationspflichten von jährlich insgesamt 4,33 Mrd. Euro, wobei der Großteil des Aufwands mit 3,33 Mrd. Euro aus Regelungen der gemeinsamen Selbstverwaltung resultierte. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass von der gemeinsamen Selbstverwaltung ausgehende Informationspflichten häufig auf bundesgesetzliche Vorgaben zurückzuführen seien.415 Der Normenkontrollrat fungierte nach Ende des Projekts als Moderationsinstanz, um die Umsetzung der im Abschlussbericht vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Praxisarten zu begleiten.416 Ein anderes Projekt stand unter dem Titel „Schwachstellenanalyse der Registrierungspflichten durch die europäische Chemikalienverordnung REACH“. Dieses führte der Normenkontrollrat von 2010 bis 2012 als Gemeinschaftsprojekt mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, dem Umweltbundesamt sowie dem Verband der Chemischen Industrie durch. Mit diesem Projekt sollte untersucht werden, welche „bürokratischen Belastungen“ deutschen Unternehmen durch die REACH-Verordnung entstehen und wie diesen mittels besserer Unterstützungsleistungen durch nationale Behörden und Verbände sowie durch Vereinfachungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene entgegengewirkt werden kann.417 Der Normenkontrollrat beschrieb es selbst „als das erste Projekt in Deutschland, das sich mit bürokratischen Lasten von EU-Verordnungen auf nationaler Ebene befasst.“418 In den Jahren 2015 und 2016 ermittelte der Normenkontrollrat in Kooperation mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie mithilfe des Statistischen Bundesamtes, welcher „bürokratische Aufwand“ 414

Statistisches Bundesamt / NKR (Hrsg.), Mehr Zeit für Behandlung, S. 20. Statistisches Bundesamt / NKR (Hrsg.), Mehr Zeit für Behandlung, S. 42. 416 NKR, Jahresbericht 2015, S. 35 f.; Statistisches Bundesamt / NKR (Hrsg.), Mehr Zeit für Behandlung, S. 20. 417 NKR, Schwachstellenanalyse der Registrierungspflichten, S. 13. 418 NKR, Schwachstellenanalyse der Registrierungspflichten, S. 9. 415

A. Entstehung und Tätigkeit

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für Unternehmen damit verbunden ist, dass sie seit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2006 die Sozialversicherungsbeiträge für ihre Beschäftigten gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV bereits bis zum drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats abführen müssen. Zuvor reichte es aus, die Beiträge bis zur Mitte des Folgemonats abzuführen. Das Statistische Bundesamt ermittelte im ersten Schritt einen jährlichen Erfüllungsaufwand für alle von der bestehenden gesetzlichen Regelung betroffenen Unternehmen von insgesamt 1,46 Mrd. Euro.419 In einem zweiten Schritt untersuchte das Bundesamt vier alternative Fälligkeitsregelungen hinsichtlich ihres Aufwandes und ihrer Praktikabilität. Eine diese Alternativen, das sog. erleichterte Beitragsberechnungsverfahren, das es allen Arbeitgebern ermöglicht, die Sozialversicherungsbeiträge für den laufenden Monat vorerst in der Höhe des Vormonats zu zahlen, so dass eine aufwendige Schätzung unterbleiben kann, hat die Bundesregierung mit dem Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz rückwirkend zum 01. Januar 2017 umgesetzt420. Überdies begleitet der Normenkontrollrat einige andere Projekte, die aber nicht in erster Linie von ihm ausgehen und für die er nicht die federführende Verantwortlichkeit trägt. Dazu zählt u. a. das vor allem vom Bundesverkehrsministerium betreute Projekt „i-Kfz“, mit dem seit 2013 an der schrittweisen Einführung einer vollständig internetbasierten Kfz-Zulassung gearbeitet wird und das der Normenkontrollrat durch seine Mitarbeit in der dafür zuständigen Lenkungsgruppe unterstützt.421 In einem weiteren Projekt hat der Normenkontrollrat in Zusammenarbeit mit der diesbezüglich hauptverantwortlichen Anwaltskanzlei RACK exemplarisch den jährlichen Erfüllungsaufwand eines mittelständischen Unternehmens der Automobilzulieferindustrie ermittelt. Im Ergebnis belief sich die Zahl der von dem Unternehmen zu erfüllenden rechtlichen Pflichten auf über 2.000, was einem jährlichen Erfüllungsaufwand von 3,6 % des Unternehmensumsatzes entsprach.422 c) Zielrichtung der Projekte Nach eigener Aussage zielt der Normenkontrollrat mit seinen Projekten darauf ab, den Austausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie Verbänden, Bürgern und Unternehmen anzuregen, um Diskussionen über und Lösungsmöglichkeiten für „unnötige Bürokratie“ zu entwickeln. Dabei schreibt er sich selbst eine Moderationsfunktion zu.423 Als Ausdruck seiner Beratungsfunktion im wei 419

Statistisches Bundesamt / NKR (Hrsg.), Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen, S. 96. Siehe Art. 7 und 9 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz) vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2143). 421 NKR, Jahresbericht 2013, S. 61; ders., Jahresbericht 2014, S. 42. 422 NKR, Jahresbericht 2016, S. 54. 423 NKR, Bilanzbroschüre 10 Jahre Nationaler Normenkontrollrat, S. 22. 420

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

teren Sinne bieten die Projektergebnisse dem Normenkontrollrat die Möglichkeit, der Bundesregierung Potenzial für den Abbau gesetzlicher Kostenbelastungen für Bürger, Verwaltung und Unternehmen aufzuzeigen, Handlungsbedarf zu signalisieren und ggf. die verantwortlichen politischen Akteure unter Zugzwang zu setzen. Zwar ist es dem Normenkontrollrat mit den „Einfacher zu“-Projekten gelungen, den Aufwand für Bürger bei der Beantragung ausgewählter staatlicher Leistungen in den Vordergrund zu rücken. Im Rahmen des Großteils der Projekte agiert der Normenkontrollrat jedoch als Unterstützer privatwirtschaftlicher Unternehmungen, indem er deren Erfüllungsaufwand für die Einhaltung bestimmter, gesetzlicher Pflichten ausweist. Er gibt ihnen damit eine genaue Größenangabe der „Bürokratiebelastung“ als Argumentationswerkzeug für ihre eigene politische Interessenvertretung an die Hand. Da diese Gruppen aber ohnehin bereits häufig über starke Interessenvertretungen verfügen, sind Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Projekte berechtigt.424 6. Jahresberichte und weitere Veröffentlichungen Gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 NKRG berichtet der Normenkontrollrat jährlich dem Bundeskanzler. Auf dieser Grundlage verfasst und veröffentlicht der Normenkontrollrat in jedem Jahr, meist im Sommer oder Herbst, seinen Jahresbericht. Dieser steht jeweils unter einer anderen thematischen Überschrift und wird im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung an den Bundeskanzler übergeben. Zu diesem Anlass sind der Normenkontrollrat, seine Tätigkeit und die erzielten bzw. verpassten Fortschritte beim „Bürokratieabbau“ regelmäßig Gegenstand medialer Berichterstattung.425 Die Jahresberichte dienen einerseits dazu, dass der Normenkontrollrat über seine Arbeit und die Erfüllung der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben Rechenschaft ablegt.426 Die gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung der Berichte, die in § 6 Abs. 2 S. 1 NKRG niedergelegt ist, untermauert diese Funktion. Andererseits bindet der Normenkontrollrat die Jahresberichte in seine Kommunikationsstrategie ein. Das bedeutet, dass die Jahresberichte zum Teil auch den Zweck verfolgen, seine Tätigkeit in ein positives Licht zu rücken und sein Handeln zu rechtfertigen. So betonte der Normenkontrollrat vor allem in den ersten Jahresberichten seine methodischen und fachlichen Kompetenzen. Er verwies darauf, dass sich durch die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ und das „inzwischen eingespielte Verfahren“ mit den Ressorts „die Gesetzgebungskultur“ in diesen „spürbar verbessert“ 424

Zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Projekttätigkeit siehe unter Kap. 1, B. VII. 1. Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (260); Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (300); siehe beispielhaft FAZ Nr. 232 v. 07.10.2014, S. 15; FAZ Nr. 161 v. 14.07.2017, S. 19; Öchsner, SZ Nr. 218 v. 21.09.2011, S. 19. 426 Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (93). 425

A. Entstehung und Tätigkeit

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habe. So seien in „zahlreichen Fällen bereits vor Abschluss der Ressortabstimmung kostengünstigere Alternativen gefunden und damit unnötige Bürokratiekosten vermieden“ worden.427 Weiterhin informiert der Normenkontrollrat in seinen Jahresberichten über die Fort- und Rückschritte beim „Bürokratieabbau“, indem er aufzeigt, wie sich die Höhe der Bürokratiekosten bzw. des Erfüllungsaufwands im abgelaufenen Jahr entwickelt hat und welche neuen Gesetze in besonderem Maße zu einer Absenkung oder Steigerung dieser Kosten beigetragen haben. Zusätzlich hebt er relevante Regelungsentwürfe aus dem jeweiligen Berichtszeitraum hervor, bei denen er darauf hingewirkt habe, dass der damit verbundene Erfüllungsaufwand für die parlamentarischen Entscheidungsträger transparent gemacht worden sei.428 Regelmäßig findet der Normenkontrollrat dabei auch kritische Worte. Das ist vor allem der Fall, wenn ein Gesetzentwurf keine ausreichenden bzw. wenig nachvollziehbare Abschätzungen zur Höhe der Folgekosten enthielt429 oder der Zeitraum zwischen Zusendung des Regelungsentwurfs und Kabinettsbeschlussfassung für die Prüfung des Entwurfs sowie die Erarbeitung einer stichhaltigen Stellungnahme zu kurz bemessen war430. Auch die generelle Gesetzgebungstätigkeit der Bundesregierung erfährt Kritik, wenn der Normenkontrollrat z. B. darauf hinweist, dass „das erste Halbjahr 2014 die bisher größte Herausforderung“ für seine Arbeit gewesen sei, „denn bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben wurden die im NKR-Gesetz festgelegten Regeln zur Herstellung der Folgekosten-Transparenz nicht durchgehend respektiert.“431 Überdies gibt er entsprechend § 6 Abs. 2 S. 2 NKRG Anregungen und Empfehlungen ab, durch welche politischen Maßnahmen die Bundesregierung „unnötige Bürokratie“ vermeiden könne.432 In diesem Kontext stellt er auch konkrete Forderungen an die handelnden politischen Akteure in der Bundesregierung, um die Kostenfolgenabschätzungen bei neuen gesetzlichen Regelungen vor allem in methodischer Hinsicht zu verbessern.433 427

NKR, Jahresbericht 2008, S. 28; ders., Jahresbericht 2009, S. 18. Beim Entwurf des Markttransparenzstellengesetzes für den Großhandel mit Strom und Gas (BT-Drs. 17/10060, S. 36 f.) hat der Normenkontrollrat nach eigenen Angaben z. B. darauf hingewirkt, dass für die Beratung im Bundestag eine Abschätzung des Erfüllungsaufwands nachgereicht wurde, siehe NKR, Jahresbericht 2013, S. 37 f. 429 So z. B. beim Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns (BT-Drs. 18/1558, S. 58 ff.), siehe NKR, Jahresbericht 2014, S. 27 f.; ebenso beim Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen (BT-Drs. 18/3990, S. 41), siehe NKR, Jahresbericht 2015, S. 26. 430 So beim Entwurf des Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (BT-Drs. 18/1772, S. 33 f.), siehe NKR, Jahresbericht 2014, S. 32 f. 431 NKR, Jahresbericht 2014, S. 5. 432 Vgl. die wiederkehrenden Forderungen des Normenkontrollrates nach einer intensiveren Nutzung des E-Governments, dazu NKR, Jahresbericht 2015, S. 49 ff.; ders., Jahresbericht 2016, S. 67 ff.; ders., Jahresbericht 2017, S. 35 ff. 433 NKR, Jahresbericht 2011, S. 74 zur Forderung nach einer regelmäßigen Alternativenprüfung in der GFA. 428

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Über die Jahresberichte hinaus veröffentlicht der Normenkontrollrat eine Reihe weiterer, von ihm ausgearbeiteter Dokumente, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein. Dazu zählen neben den bereits erwähnten Projektberichten zunächst ein auf der Internetseite des Normenkontrollrates bestellbarer Newsletter sowie Pressemitteilungen anlässlich aktueller Entscheidungen, die von den Gesetzgebungsorganen getroffen wurden und einen Bezug zum Aufgabenfeld des Rates aufweisen434. Zur generellen Information über seine Tätigkeit gibt der Normenkontrollrat in unregelmäßigen Abständen Broschüren heraus, die den Leser u. a. über den gesetzlichen Auftrag, die Schwerpunktsetzungen und die Erfolge des Sachverständigengremiums unterrichten sollen.435 Insbesondere die Bilanzbroschüre zu seinem 10-jährigen Bestehen hat der Normenkontrollrat dazu genutzt, um mithilfe eines plakativen Vorher-Nachher-Vergleichs unter Bezugnahme auf verschiedene Beispiele zu verdeutlichen, welche Veränderungen er nach seiner Auffassung in der Rechtsetzungskultur der Bundesministerialverwaltung bewirkt habe („Gesetze haben ein ‚Preisschild‘ erhalten“, „Unnötige Bürokratie wird gezielt abgebaut“, „Unnötige Kosten werden vermieden“).436 Trotz der zum Teil debattenähnlichen sowie kritischen Anmerkungen entspricht der Stil der Publikationen dem der öffentlichen Kommunikation der Bundesministerien.437 Zugleich vermitteln die Veröffentlichungen dem Leser nicht selten den Eindruck, als werde der Normenkontrollrat an vielen Stellen des Gesetzgebungsverfahrens dringend benötigt, um gesetzliche Folgekosten zu begrenzen und eine „bessere Rechtsetzung“ zu implementieren. Die Öffentlichkeitsstrategie dient folglich dazu, die Themen rund um „Bürokratieabbau“ und gesetzliche Folgekosten im Sinne einer Erinnerungsfunktion auf die politische Agenda zu bringen und in diesem Kontext die besondere Rolle sowie Expertise des Normenkontrollrates zu betonen. 7. Verhältnis zur Bundesministerialverwaltung Das Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen dem Normenkontrollrat und der Bundesministerialverwaltung sind von besonderem Interesse, da es nahezu ausschließlich Regelungsentwürfe aus den Bundesministerien sind, die der Normenkontrollrat überprüft. In der ersten Zeit nach seiner Einsetzung war der Rat vor allem darum bemüht, von den Ressorts akzeptiert und nicht als „Gegenspieler“

434 Siehe NKR, Pressemitteilung vom 17. Mai 2017, Digitalisierung der Verwaltung; ders., Pressemitteilung vom 25. März 2015, Kampf gegen gesetzliche Kostenflut; siehe zur rechtlichen Zulässigkeit derartiger Veröffentlichungen unter Kap. 1, B. VII. 2. 435 NKR, Infobroschüre Auftrag und Organisation; ders., Bilanzbroschüre 10 Jahre Nationaler Normenkontrollrat; ders., Broschüre Nationaler Normenkontrollrat. 436 NKR, Bilanzbroschüre 10 Jahre Nationaler Normenkontrollrat, S. 8 ff. 437 Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (295).

A. Entstehung und Tätigkeit

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wahrgenommen zu werden.438 Dieses Bemühen kann zum einen damit begründet werden, dass die Schaffung des Normenkontrollrates und seiner gesetz­lichen Grundlage nicht nur ohne Beteiligung der Bundesministerialverwaltung, sondern zum Teil gegen erheblichen Widerstand der Ressorts vollzogen wurde439. Zum anderen erachtete der Normenkontrollrat eine fehlende Anerkennung durch die Bundesministerien als ein wesentliches Hindernis für eine effektive Kontrollausübung.440 Vor diesem Hintergrund handelte er vor allem zu Beginn seiner Tätigkeit gegenüber den Ressorts zurückhaltend und setzte Kritik nur sehr dosiert ein. Das lässt sich nicht zuletzt an konkreten Zahlen ablesen, die Sylvia Veit und Kai Wegrich im Rahmen eines Forschungsprojekts ermittelt haben. Laut dieser Untersuchung enthielten lediglich 14,4 % von 429 Regelungsentwürfen, die das Bundeskabinett zwischen März 2007 und Mai 2009 beschloss und die mit Informationspflichten für die Wirtschaft verbunden waren, eine Stellungnahme des Normenkontrollrates mit kritischen Anmerkungen an der Nachvollziehbarkeit der Bürokratiekostenabschätzung.441 Gleichzeitig ergab die Untersuchung, dass die Gesetzesbegründungen in 48 % der Fälle die Anzahl der betroffenen Unternehmen, die Periodizität in 55 % der Fälle, den Zeitaufwand zum einmaligen Erfüllen einer Informationspflicht in 57 % der Fälle und den Tarif in 59 % der Fälle nicht auswiesen. Die untersuchten Gesetzentwürfe enthielten zudem in 84 % der Fälle keine Angaben zu Datenquellen und lediglich in 9 % der Fälle wurden Datenquellen und Erhebungsmethoden im Detail transparent gemacht.442 Obwohl somit in mehr als der Hälfte der Gesetzentwürfe zum Teil eklatante Mängel bei der Anwendung der Methodik des Standardkosten-Modells durch die Ressorts zu beobachten waren, hat der Normenkontrollrat nur in wenigen Fällen daran offen Kritik geübt. Daran ist zu erkennen, dass der Normenkontrollrat in den ersten Jahren seines Bestehens nachsichtig mit dem mangelhaften methodischen Vorgehen der Ressorts umgegangen ist, um eine öffentlich zu Tage tretende Konfrontation zu vermeiden. Überdies beabsichtigte er damit, sein einziges Sanktionsmittel gegenüber den Ministerien, das in der Veröffentlichung einer negativen Stellungnahme zur Kostenabschätzung besteht, nicht durch inflationären Gebrauch abzuschwächen.443

438

Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (306); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (116 f.). 439 Catenhusen, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 111 (112); Heintzen, ZRP 2006, 235 (235); Kluge, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 21 (26 f.); Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 400; Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (292); dazu auch näher unter Kap. 1, A. I. 7. b). 440 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (117, 121). 441 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121, Fn. 10); vgl. auch Veit, Bessere Gesetze, S. 180; Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (294), der sogar nur in 5 % der Fälle eine kritische Stellungnahme des Normenkontrollrates sieht. 442 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121); vgl. auch Veit, Bessere Gesetze, S. 178, die jedoch wegen der Zugrundelegung einer anderen Grundgesamtheit leicht abweichende Zahlen präsentiert. 443 Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (294).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Diese Grundtendenz im Arbeitsverhältnis zwischen Normenkontrollrat und Ressorts hat sich auch ab 2011 nach der Erweiterung des Kontrollmandats um den Erfüllungsaufwand im Wesentlichen nicht verändert. Zwar gestaltet sich die Abschätzung des Erfüllungsaufwands eines Regelungsentwurfs für die Ressorts deutlich aufwendiger und komplizierter als die Bürokratiekostenabschätzung444, jedoch nahm der Normenkontrollrat dies nicht zum Anlass, einen strengeren Prüfungsmaßstab anzulegen. Von allen 273 Regelungsentwürfen, die die Bundesregierung im Jahr 2012 verabschiedete, hat der Normenkontrollrat zu 17,6 % der Entwürfe, die eine Abschätzung des Erfüllungsaufwands enthielten, eine kritische Stellungnahme abgegeben.445 Die Kritik bezog sich in der Regel auf die fehlende Quantifizierung des Erfüllungsaufwands sowie auf die nicht ausreichende Prüfung möglicher Regelungsalternativen. In neun Fällen gab es Gegenäußerungen der Bundesregierung zur Stellungnahme des Rates. Diese waren im Ton moderat und gingen zumeist konstruktiv auf die Anmerkungen des Normenkontrollrates ein.446 Obwohl die Abschätzung des Erfüllungsaufwands somit auf einer unsichereren Methodik als die Bürokratiekostenabschätzung fußte und die Ressorts damit vor größere Schwierigkeiten stellte, nutzte der Rat das Sanktionsmittel einer kritischen Stellungnahme zu Beginn der Mandatserweiterung ungefähr in dem gleichen Umfang, wie er es zuvor bei der reinen Bürokratiekostenabschätzung getan hatte. Als von ebenso wichtiger Bedeutung für das Arbeitsverhältnis zu den Ressorts kann das Bemühen des Rates angesehen werden, nicht ausschließlich als Kon­ trollorgan aufzutreten, sondern den Ressorts als eine Art „Service-Einheit“ bei der Gesetzeserarbeitung zur Verfügung zu stehen.447 Diese Einstellung spiegelt sich insbesondere darin wider, dass der Normenkontrollrat den Ministerien bereits bei der Erstellung eines Gesetzentwurfs im Bedarfsfall Hilfe zu methodischen Fragen leistet, wenn es um die Darstellung der zu erwartenden Bürokratiekosten und des Erfüllungsaufwands geht. Das hat zur Folge, dass die Beteiligten Streitpunkte gelegentlich schon im Vorfeld ausräumen können, ohne dass es einer kritischen Stellungnahme des Rates bedarf.448 Mit der Einführung der Verpflichtung, auch den Erfüllungsaufwand einer Regelung im Entwurf auszuweisen, hat sich aufgrund der damit einhergehenden methodischen Schwierigkeiten der frühzeitige Austausch zwischen Ressorts und Normenkontrollrat intensiviert.449 Obwohl die Institutionalisierung einer Kontrollinstanz in der Folgenabschätzung grundlegend neu in der bundesdeutschen Gesetzgebungskultur ist, spiegelt sich die 444

Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 277; Bogumil / Kuhlmann, dms 2015, 237 (246); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (120). 445 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121); dieser Prozentsatz kritischer Stellungnahmen ist auch in den Folgejahren nahezu unverändert geblieben, vgl. NKR, Jahresbericht 2018, S. 23. 446 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121). 447 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (118). 448 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (258); Catenhusen, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 111 (113); Veit, Bessere Gesetze, S. 180. 449 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (258); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (118).

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ser Umstand im Verhältnis des Normenkontrollrates zu den Ressorts nicht wider. Vielmehr korrespondiert sein Vorgehen mit den etablierten Verfahrensabläufen der Gesetzeserarbeitung innerhalb der Ministerialverwaltung.450 Auf diese Weise ist es dem Normenkontrollrat gelungen, innerhalb kurzer Zeit von den Ministerien als anerkannter Akteur des inneren Gesetzgebungsverfahrens wahrgenommen zu werden.451 8. Tätigkeitspensum Obwohl das Prüfungspensum im Ermessen des Normenkontrollrates liegt, unterzieht er grundsätzlich alle Regelungsentwürfe, die von der Bundesregierung stammen, einer Überprüfung und gibt eine Stellungnahme dazu ab. In der Zeit vom 01. Dezember 2006 bis Oktober 2012 waren dies ca. 2.000 Regelungsvorhaben.452 Insgesamt hat der Normenkontrollrat seit seiner Einsetzung über 3.900 Regelungsentwürfe der Bundesregierung geprüft.453 In jedem Jahresbericht gibt der Normenkontrollrat an, wie viele Regelungsvorhaben er im vergangenen Berichtszeitraum überprüft hat und wie viele davon Auswirkungen auf den jährlichen Erfüllungsaufwand hatten. Die Zahl der geprüften Vorhaben liegt pro Jahr in der Regel zwischen 300 und 400.454 Mit der Erweiterung des Mandats um die Überprüfung des Erfüllungsaufwands im Jahr 2011 hat sich die Zahl derjenigen Regelungsvorhaben, die relevante Auswirkungen auf die vom Normenkontrollrat zu berücksichtigenden Kostenfolgen mit sich bringen, im Vergleich zum vorherigen Mandat, das auf die Bürokratiekosten beschränkt war, nahezu verdreifacht.455 Insgesamt hat aber die Mehrheit der Regelungsentwürfe, welche die Bundesregierung dem Normenkon­ trollrat vorlegt, keine oder allenfalls geringe Auswirkungen auf den jährlichen Erfüllungsaufwand.456 Die Anzahl der jährlichen Sitzungen des Normenkontrollrates schwankt abhängig vom Arbeitsanfall zwischen 17 und knapp über 30.

450

OECD, Better Regulation in Europe: Germany, S. 16; Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (306); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (118). 451 Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (300); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121 f.). 452 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 56. 453 Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2016, S. 9 (Stand: Mai 2017). 454 Vgl. NKR, Jahresbericht 2015, S. 13; ders., Jahresbericht 2013, S. 22. 455 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (255); NKR, Jahresbericht 2013, S. 23. 456 So hatten etwa in der 18. Legislaturperiode (2013–2017) 59 % der Regelungsentwürfe der Bundesregierung keine oder marginale Auswirkungen auf den jährlichen Erfüllungsaufwand, siehe NKR, Jahresbericht 2017, S. 18.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

9. Praktische und methodische Defizite In seiner Arbeit ist der Normenkontrollrat mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Es soll an dieser Stelle jedoch nicht um die Schwierigkeiten der alltäglichen praktischen Arbeit – insofern hat die Abhandlung nicht den Anspruch, abschließend zu sein –, sondern um grundlegende Defizite seines Mandats gehen, die den Normenkontrollrat in aller Regelmäßigkeit beschäftigen. a) Prüffristen Als problematisch erweist sich für den Normenkontrollrat in praktischer Hinsicht zunächst die Tatsache, dass er häufig zu wenig Zeit für die Prüfung der ihm vorgelegten Gesetzentwürfe bekommt. Das NKRG enthält keine Regelung dazu, wie viel Zeit dem Rat für die Überprüfung eines Regelungsentwurfs einzuräumen ist. Aus § 50 S. 1 GGO ergibt sich jedoch, dass die Frist zur abschließenden Prüfung eines Gesetzentwurfs durch die nach den §§ 44 ff. GGO Beteiligten, wozu gemäß § 45 Abs. 1 GGO auch der Normenkontrollrat zählt, in der Regel vier Wochen beträgt. Bei Zustimmung aller Beteiligten ist eine Verkürzung möglich. In der Praxis halten die Ressorts diese vierwöchige Prüffrist jedoch regelmäßig nicht ein, ohne dass die Beteiligten dem zugestimmt hätten.457 Das ist u. a. darauf zuzuführen, dass die Ministerien und die Bundesregierung sich bemüßigt fühlen, in immer kürzeren Zeitabschnitten mit neuen Regelungsentwürfen auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Aus diesem Grund kann der Normenkontrollrat seine Prüfungskompetenz nach § 1 Abs. 3 NKRG nicht selten nur in zeitlich eingeschränktem Maße wahrnehmen.458 b) Änderungen des Gesetzentwurfs im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren Oftmals erfahren Gesetzesinitiativen der Bundesregierung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen, die sich auch auf die Höhe des Erfüllungsaufwands auswirken. Die Folgen dieser Änderungen für den Erfüllungsaufwand werden jedoch nicht mehr abgeschätzt, sobald die Bundesregierung den Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet hat. Ebenso endet das Mandat des Normenkontrollrates mit der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf im Kabinett. Somit kann der Normenkontrollrat in der Regel die Entwicklung eines Gesetzentwurfs im Hinblick auf die Folgekosten nicht über den Kabinettsbeschluss hinaus 457

Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 63; NKR, Jahresbericht 2014, S. 38. 458 Vgl. BT-Drs. 18/1772, S. 35 (Stellungnahme des Normenkontrollrates zum Entwurf des Lebensversicherungsreformgesetzes); NKR, Jahresbericht 2014, S. 38.

A. Entstehung und Tätigkeit

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begleiten. Es bleibt deshalb unklar, mit welchen Kostenfolgen die Änderungen eines Gesetzentwurfs, die sich aus dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren ergeben, verbunden sind.459 Es besteht lediglich die Möglichkeit, dass ein Ausschuss des Bundestages oder des Bundesrates den Normenkontrollrat gemäß § 6 Abs. 3 NKRG um eine Stellungnahme zu den jeweiligen Änderungen am Gesetzentwurf bittet.460 In der Praxis machen die Ausschüsse jedoch nur sehr selten von dieser Möglichkeit Gebrauch. c) Umgehung durch Einbringung aus der Mitte des Bundestages Wenn der Bundesregierung daran gelegen ist, einen Gesetzentwurf möglichst schnell im parlamentarischen Verfahren zu verabschieden, lässt sie ihn durch die sie tragenden Mehrheitsfraktionen gemäß Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG in den Bundestag einbringen.461 In erster Linie bezweckt diese Einbringung aus der Mitte des Bundestages, das Stellungnahmerecht des Bundesrates nach Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG zu umgehen. Als Nebeneffekt kann die Bundesregierung auf diese Weise das Prüfungsrecht des Normenkontrollrates aushebeln, da eine obligatorische Überprüfung der Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages durch das NKRG nicht vorgesehen ist.462 Die Regierungsfraktionen sehen in diesem Fall davon ab, den Antrag gemäß § 4 Abs. 3 S. 3 NKRG zu stellen und den Gesetzentwurf dem Normen­kontrollrat freiwillig vorzulegen. In der 16. Wahlperiode (2005–2009) des Bundestages, der ersten, in welcher der Normenkontrollrat aktiv war, mündeten 89 der aus der Mitte des Bundestages vorgeschlagenen Gesetzentwürfe in ein verabschiedetes Gesetz. Davon stammten 70 Gesetzentwürfe aus der Feder der damaligen Regierungsfraktionen aus CDU / CSU und SPD.463 In der 17. Wahlperiode (2009–2013) kamen 71 der 88 erfolgreichen, aus der Mitte des Bundestages eingebrachten Gesetzesinitiativen von den dama­ ligen Regierungsfraktionen aus CDU / CSU und FDP.464 Diese Zahlen belegen, dass 459

Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 9; Dietze / Kranen, Wirtschaftsdienst 2009, 473 (478); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (66). 460 So beim Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (BT-Drs. 16/7918), vgl. NKR, Jahresbericht 2010, S. 19; dazu auch unter Kap. 1, A. III. 4. b). 461 Diese Gesetzentwürfe werden als „verkappte“ Regierungsvorlagen bezeichnet, siehe Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 58; Brüning, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 127; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 113; Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, S. 286. 462 Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (170); Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 67; Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (92); Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 37; Schröder, DÖV 2007, 45 (47). 463 Feldkamp, Datenhandbuch des Deutschen Bundestages 1990 bis 2010, S. 1154. 464 Datenhandbuch des Bundestages im Internet, Kap.10.1, S. 5 (Stand 26.09.2014), abrufbar unter https://www.bundestag.de/blob/196202/3aa6ee34b546e9ee58d0759a0cd71338/ kapitel_10_01_statistik_zur_gesetzgebung-data.pdf (letzter Zugriff: 18.01.2018).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

ein Großteil der erfolgreichen Gesetzesinitiativen, die ihren Ursprung im Bundestag haben, von den jeweiligen Regierungsfraktionen eingebracht worden sind. Die Zahlen sagen aber nichts darüber aus, ob diese von den Regierungsfraktionen eingebrachten Gesetzentwürfe tatsächlich ausschließlich aus den Bundesministerien stammten und ihre Einbringung über den Bundestag das Ziel verfolgte, den Normenkontrollrat zu umgehen oder ob es sich möglicherweise um eine sog. Paralleleinreichung handelte. Sollte Letzteres der Fall sein, hat die Bundesregierung aus Zeitgründen den Gesetzentwurf sowohl als Regierungsvorlage als auch über ihre Regierungsfraktionen in den Bundestag eingebracht.465 Da es sich hierbei in einem Verfahrensgang auch um eine Regierungsvorlage handelte, fand jedenfalls eine Prüfung des Entwurfs durch den Normenkontrollrat nach § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG vor der Kabinettbefassung statt. Die mit der Einbringung einer Regierungsvorlage aus der Mitte des Bundestages einhergehende Umgehung des Bundesrates wird verfassungsrechtlich unterschiedlich bewertet.466 Die entsprechende Umgehung des Normenkontrollrates mag zwar dessen Prüfungsanspruch widersprechen und dem Ziel einer möglichst umfassenden Kontrolle der Kostenfolgenabschätzungen abträglich sein. Justiziabel ist sie jedoch nicht. Es entspricht der legalen Ausübung des Gesetzesinitiativrechts, wenn sich Fraktionen oder Abgeordnete des Bundestages eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung zu Eigen machen. d) Quantifizierung des Nutzens einer Regelung Die in den Gesetzentwürfen enthaltene Darstellung des erwarteten Erfüllungsaufwands umfasst den Zeitaufwand und die Kosten, die Bürgern, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung durch die Befolgung des Gesetzes voraussichtlich entstehen. Der Normenkontrollrat prüft somit ausschließlich etwaige negative Kostenfolgen eines Gesetzentwurfs und nimmt dazu kritisch Stellung, wenn das zuständige Bundesministerium kostengünstigere Regelungsalternativen nicht in Erwägung gezogen oder den Erfüllungsaufwand nur unzureichend abgeschätzt hat. Ausgeblendet wird im Rahmen dieser Kontrolle aber der Nutzen, der mit einer gesetzlichen Neuregelung einhergeht.467 Dieser kann sich in vielerlei Hinsicht aus-

465 Boehl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 15 Rn. 21 f.; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Bd. II, Art. 76 Rn. 39; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 76 Rn. 47. 466 Siehe ausführlich zum Streitstand Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 59; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 113; Mann, in: Sachs, GG, Art. 76 Rn. 24 ff.; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 106 f.; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Bd. II, Art. 76 Rn. 38 f. 467 Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 11; Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (98); Färber / Zeitz, dms 2015, 337 (346 f.); Umweltbundesamt (Hrsg.), Analyse des Erfüllungsaufwands, S. 17 ff.; Windoffer, Verfahren der Folgen­ abschätzung, S. 256; siehe näher dazu unter Kap. 1, B. IV. 3. und Kap. 3, C. I. 3.

A. Entstehung und Tätigkeit

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prägen, beispielsweise dadurch, dass eine Regelung Umweltschäden vermeidet oder sozialpolitische Standards im Gesundheitsbereich anhebt. Es ist jedoch sowohl politisch als auch methodisch umstritten, wie die Bundesministerien insbesondere den unmittelbaren Nutzen rechtlicher Regelungsinhalte monetarisieren sollen.468 Bislang wurde eine qualitative Beschreibung des Nutzens für ausreichend gehalten.469 Gleichwohl erscheint eine umfassende und sinnvolle Diskussion über das richtige Maß gesetzlicher Folgekosten nur möglich, wenn den politischen Entscheidungsträgern neben den Kosten auch der Nutzen einer Regelung in quantifizierter Form bekannt ist. Diese methodische Schwäche des Standardkosten-Modells ist in der anfänglichen Begeisterung größtenteils untergegangen. Der Normenkontrollrat hat diese Problematik mittlerweile erkannt.470 Eine umfassende methodische Lösung ist bislang jedoch nicht in Sicht.471 e) Vollzugskosten von Ländern und Kommunen Der Erfüllungsaufwand umfasst gemäß § 2 Abs. 1 NKRG den Zeitaufwand und die Kosten, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorschrift bei Bürgern, Wirtschaft sowie der öffentlichen Verwaltung entstehen. Hinsichtlich des Erfüllungsaufwands, den die öffentliche Verwaltung durch die Umsetzung einer bundesrechtlichen Vorschrift zu tragen hat, spricht man von Vollzugskosten. Um den Erfüllungsaufwand eines Regelungsentwurfs nach § 44 Abs. 4 GGO vollständig abschätzen und darstellen zu können, muss der Bundesgesetzgeber folglich die damit einhergehenden Vollzugskosten für Länder und Kommunen kennen. Jedoch weiß der Bund in der Regel wenig über die Vollzugskosten, die seine Rechtsetzung bei den Verwaltungen der Länder und Kommunen auslöst.472 Dieses Wissensdefizit schlägt sich auch auf die Arbeit des Normenkontrollrates nieder, da es ihm oftmals nicht möglich ist, zu beurteilen, ob die Bundesministerien die Vollzugskosten als Bestandteil des Erfüllungsaufwands umfassend und nachvollziehbar ermittelt haben. 468

Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 77; Schwarting, PersV 2017, 13 (19); Schwintowski, Politik und Gesetzgebung, S. 99 f.; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 57 f. 469 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 46; Rösener / Precht /  Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 77. 470 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 77; vgl. auch NKR, Jahresbericht 2012, S. 47; ders., Jahresbericht 2013, S. 68; ders., Jahresbericht 2016, S. 14 f.; ders., Jahresbericht 2017, S. 28 f. 471 Erste methodische Versuche zur Einbeziehung des Nutzens wurden aber unternommen, vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Leitfaden zur Nutzen-Kosten-Abschätzung umweltrelevanter Effekte; Wittberg / Kluge / Ley / Wolf-Hegerbekermeier / Dietsche / Schäfer, Nationaler Nachhaltigkeitskompass, Standardnutzen-Modell, S. 45 ff. 472 Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (100); dies. / Zeitz, dms 2015, 337 (347 f.).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Der Normenkontrollrat hat dieses Problem erkannt und drängt darauf, dass mittels eines intensiveren Informationsaustausches zwischen den staatlichen Gliederungsebenen die Länder und Kommunen aktiv an der Folgekostenabschätzung beteiligt werden.473 In diesem Zusammenhang hat der Normenkontrollrat auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 3 NKRG ein Gutachten unter dem Titel „Vollzugsorientierte Gesetzgebung“ beim Potsdam eGovernment Competence Center (ifG.CC) in Auftrag gegeben, das im April 2015 veröffentlicht wurde. Das Potsdam eGovernment Competence Center ist ein von Tino Schuppan und Manfred J. Suhr geleitetes Forschungsinstitut an der Universität Postdam, dessen Ziel darin besteht, öffentliche Verwaltungen beim Einsatz neuer e-Government-Technologien zu beraten. Die Ergebnisse des eingeholten Gutachtens deuten darauf hin, dass eine verstärkte institutionelle Zusammenarbeit zwischen den Bundesministerien auf der einen und den Ländern und Kommunen als Vollzugsträgern auf der anderen Seite notwendig ist, um den Informationsaustausch über den Vollzugsaufwand zu verbessern.474

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung Nach der überwiegend empirischen Auseinandersetzung mit der praktischen Mandatsausübung des Normenkontrollrates geht es im folgenden Abschnitt um den Versuch, den Normenkontrollrat als Sachverständigengremium in die politische Struktur der Bundesrepublik Deutschland einzuordnen. Dabei spielen sowohl politische als auch rechtliche Gesichtspunkte eine Rolle. Ausgehend von einer kritischen Würdigung des Namens und einem Blick auf die Selbstbeschreibung des Normenkontrollrates wird unter Beachtung der wesentlichen inhaltlichen Zuschreibungen untersucht, welche Stellung der Normenkontrollrat im verfassungspolitischen Gefüge Deutschlands einnimmt.

I. Namenskritik am „Nationalen Normenkontrollrat“ Es lassen sich keine Nachweise dafür finden, wer auf die Idee gekommen ist, dem hier untersuchten Sachverständigengremium den Namen „Nationaler Normenkontrollrat“ zu geben. Auch die Gesetzesbegründung schweigt dazu. Doch die Implikationen, die mit dieser Namenswahl verbunden sind, weisen in missverständliche Richtungen. Bereits das vorstehende Adjektiv „Nationaler“ wirkt überhöht. Es steht zu vermuten, dass das Adjektiv gewählt wurde, um darauf hinzudeuten, dass dem Rat bezogen auf die Bundesebene eine bedeutungsvolle Aufgabe zukommt. So wichtig „Bürokratieabbau“ sein mag, die Namensgebung steht nicht im Verhältnis zu den doch eher beschränkten Kompetenzen des Normenkontrollrates. Vorzugswürdig wäre es daher gewesen, wie auch bei anderen Organen und 473 474

NKR, Jahresbericht 2015, S. 4; ders., Jahresbericht 2013, S. 41 ff. The Potsdam Institute for eGovernment, Vollzugsorientierte Gesetzgebung, S. 100 f.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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Gremien auf die Vorsilbe „Bund“ zurückzugreifen, um zu betonen, dass es sich um ein auf Bundesebene tätiges Gremium handelt. Der Hauptbestandteil des Namens „Normenkontrollrat“ beinhaltet ebenfalls missverständliche Assoziationen. Der Begriff der Normenkontrolle geht auf die Rechtslehre zurück. Er bedeutet, dass eine Norm am Maßstab einer höherrangigen Norm auf ihre Rechtsgültigkeit überprüft wird.475 Es ist somit bei genauer Betrachtung keine Normenkontrolle, die der Rat vornimmt, sondern eine Folgenabschätzungskontrolle neuer gesetzlicher Regelungen. Das Recht zur Normenkontrolle steht auf Bundesebene auch keinem der Exekutive angegliederten Sachverständigengremium zu. Es ist vielmehr eine Aufgabe des BVerfG, die es im Rahmen sowohl der abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG als auch der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG wahrnimmt. Ebenso unpassend wirken die gedanklichen Verknüpfungen, die mit dem Begriff „Kontrollrat“ einhergehen. Unweigerlich denkt man in diesem Zusammenhang an den von den Siegermächten gegründeten Alliierten Kontrollrat, der in den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs als oberste Besatzungsbehörde die Regierungsgewalt über Deutschland ausübte. Regierungsgewalt übt der Normenkontrollrat jedoch nicht aus. Seine Funktion besteht lediglich darin, insbesondere Gesetzentwürfe der Bundesregierung darauf zu überprüfen, ob sie eine nachvollziehbare Darstellung der von ihnen ausgehenden Folgekosten enthalten. Eine weniger apodiktische Bezeichnung für den „Normenkontrollrat“, die seiner tatsächlichen Bedeutung und dem von ihm zu erfüllenden komplexen Auftrag gerecht würde, wäre aus diesen Gründen empfehlenswerter gewesen. Anbieten würde sich insofern etwa der Name „Rat zur Kontrolle von Folgekostenabschätzungen“.

II. Selbstbeschreibung des Normenkontrollrates Obwohl der Normenkontrollrat nicht selbst über die ihm zugewiesenen Aufgaben beschließen kann, lässt seine Selbstbeschreibung Rückschlüsse darauf zu, wie er seine Aufgaben interpretiert und diese wahrnimmt. Als Erkenntnisquellen dienen diesbezüglich seine zahlreichen Veröffentlichungen, zu denen insbesondere die Jahresberichte zählen. Im Rahmen seiner Selbstbeschreibung verweist der Normenkontrollrat regelmäßig auf die ihm gesetzlich zugesprochene Unabhängigkeit, um unter Beweis zu stellen, dass er seine Aufgaben objektiv, weisungsfrei und mit Abstand sowohl zum Gesetzgeber als auch zum Normadressaten wahrnehme.476 Während die gesetzliche Grundlage und der Name des Gremiums vor allem die Kontroll- und Prüffunktion betonen, ist auffällig, dass der Normenkontrollrat sich selbst als „Beratungs- und 475

Maurer, Staatsrecht, § 20 Rn. 66; Mückl, in: Ehlers / Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz, § 15 Rn. 1; Rozek, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 76 Rn. 1. 476 NKR, Jahresbericht 2011, S. 14; ders., Infobroschüre Auftrag und Organisation, S. 4.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Kontrollorgan“ beschreibt477. Er bezeichnet sich als kritisch-konstruktiven Begleiter und Berater der Bundesregierung.478 Dadurch bringt er zum Ausdruck, dass die Beratungsfunktion in seinen Augen den wichtigeren Teil seiner Tätigkeit ausmacht. Zum einen mag eine solche Selbstbeschreibung zur Kommunikationsstrategie des Rates gehören, um von der Bundesministerialverwaltung mehr als Partner denn als Gegner wahrgenommen zu werden. Zum anderen zeigt diese Charakterisierung aber auch, dass sich das Gremium bewusst ist, dass mangels einer Vetobefugnis mit kritischen Stellungnahmen zu den Regelungsentwürfen der Bundesregierung allein wenig gewonnen ist. Vielmehr sieht der Normenkontrollrat seine Aufgabe darin, den Ressorts bereits in der Erarbeitungsphase eines Gesetzentwurfs beratend zur Seite zu stehen, um Probleme bei der Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands frühzeitig zu lösen. Seinen Hauptzweck erblickt der Normenkontrollrat darin sicherzustellen, dass diejenigen, die schlussendlich über das Zustandekommen eines Regelungsentwurfs entscheiden, dies auf einer tragfähigen Grundlage tun.479 Damit reklamiert der Rat das Ziel der „Kostentransparenz“ für sich. Es gelingt ihm auf diese Weise, sich politisch schwer angreifbar zu machen, da das Wissen über die Folgekosten eines Gesetzes auf den ersten Blick ausschließlich positiv erscheint. Zugleich blendet er damit aber bewusst aus, dass er bislang den Nutzen eines Regelungsvorhabens nicht berücksichtigt und angesichts dieses begrenzten Mandats die Gefahr besteht, dass er in gewisser Weise einen einseitigen, „politischen“ Auftrag verfolgt.

III. Der Normenkontrollrat als politikberatendes Gremium Die Ausprägungen wissenschaftlicher Politikberatung in der bundesdeutschen Regierungslandschaft sind vielgestaltig. Sie reichen von temporären Expertenkommissionen über externe Mitarbeiter in der Bundesverwaltung bis hin zu permanenten Beiräten und Sachverständigenräten.480 Im weitesten Sinne meint Politikberatung das Einbringen von Sachverstand in den politischen Prozess.481 Dieses Ziel verfolgt im weitesten Sinne auch der Normenkontrollrat, wenn er entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag und seinem Selbstbild die Abschätzung der Folgekosten neuer gesetzlicher Regelungen mithilfe des Standardkosten-Modells überprüft. Auf diese Weise vermittelt er der Regierung Sachverstand im Hinblick auf eine evi 477

NKR, Jahresbericht 2007, S. 10; ders., Jahresbericht 2008, S. 11; ders., Jahresbericht 2009, S. 9. 478 NKR, Infobroschüre Auftrag und Organisation, S. 4. 479 NKR, Jahresbericht 2007, S. 10; ders., Jahresbericht 2010, S. 9; ders., Jahresbericht 2012, S. 26. 480 Siehe dazu Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 184 f.; Graf Kielmansegg, in: Dreier / Willoweit (Hrsg.), Wissenschaft, S. 219 (226 ff.); Hustedt / Veit / Fleischer, in: PSCA, Heft 2 (2013), 15 (15 ff.). 481 Lompe, in: Falk u. a. (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, S. 25 (25); Schulte, Politik gestalten, S. 37.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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denzbasierte Gesetzesvorbereitung.482 Insbesondere vor dem Hintergrund sozialwissenschaftlicher Einordnungsversuche liegt es daher nahe zu fragen, ob und inwiefern der Normenkontrollrat als ein Gremium klassischer Politikberatung agiert. 1. Modelle wissenschaftlicher Politikberatung Politikberatung findet in unterschiedlichen Formen statt. Grob ist zwischen wissenschaftlicher sowie kommerzieller Politikberatung und Lobbyismus durch Interessengruppen zu unterscheiden. Da sich der Normenkontrollrat zur Erfüllung seiner Aufgaben gemäß § 2 Abs. 3 NKRG des Standardkosten-Modells als einer wissenschaftlichen Methodik im weitesten Sinne bedient, wird im Folgenden die Auseinandersetzung auf die wissenschaftliche Politikberatung begrenzt. Für diese Beschränkung spricht auch, dass zwar nicht mehrheitlich, aber doch vereinzelt Wissenschaftler im Normenkontrollrat sitzen. In den Sozialwissenschaften werden nach Jürgen Habermas traditionell drei verschiedene Modelle wissenschaftlicher Politikberatung diskutiert. Das dezisionistische Modell sieht eine strikte Trennung zwischen der Funktion des Sachverständigen und der des Politikers vor. Basierend auf den theoretischen Ansätzen Max Webers, der die Werturteilsfreiheit der Wissenschaft betonte, geht das Modell davon aus, dass die Wissenschaft der Politik das Wissen lediglich als wertfreie Information liefere. Der Politiker treffe auf dieser Grundlage werturteilsbezogen die Entscheidung. Im dezisionistischen Modell stehe die Wissenschaft in einem Auftragsverhältnis zur Politik, in dessen Rahmen die Politik kraft ihrer Fähigkeit zum Werturteil der Wissenschaft übergeordnet sei.483 Die Politik habe folglich die Entscheidungsgewalt darüber, ob Expertenwissen zur Anwendung gelange, da politisches Handeln im Gegensatz zu wissenschaftlichem Handeln nicht rational begründet werden könne. Politisches Handeln sei vielmehr von wissenschaftlich nicht begründbaren Wertvorstellungen und Ideologien geprägt.484 Das insbesondere von Helmut Schelsky begründete technokratische Modell ist hingegen von einer Überordnung der Wissenschaft und Technik gegenüber der Politik gekennzeichnet. Es geht von der Annahme aus, dass an die Stelle des ursprünglichen Naturzwangs in der künstlich geschaffenen Umwelt des Menschen neue Sachgesetzlichkeiten getreten seien.485 Diese Sachgesetzlichkeiten würden politische Normen und Werte ersetzen, da langfristig alle gesellschaftlichen Probleme einem wissenschaftlichen Sachzwang unterlägen. Die Politik verfüge letztlich nur noch über eine fiktive Entscheidungsgewalt, da die Ergebnisse wissenschaft­ 482

König, Operative Regierung, S. 344 f. Böcher, in: Krott / Suda (Hrsg.), Macht Wissenschaft Politik?, S. 14 (16); Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 185; Lompe, in: Falk u. a. (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, S. 25 (28). 484 Böcher, in: Krott / Suda (Hrsg.), Macht Wissenschaft Politik?, S. 14 (16). 485 Schelsky, Suche nach Wirklichkeit, S. 453.

483

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

licher Forschung und technischer Entwicklung den politischen Entscheidungsspielraum stark einschränkten.486 Sowohl dem dezisionistischen als auch dem technokratischen Modell wurde vorgeworfen, dass sie mit der ihnen innewohnenden Trennung von Wissenschaft und Politik der Komplexität politischer Prozesse nicht gerecht würden. Das facettenreiche Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik werde von diesen beiden linearen Modellen nur unzureichend abgebildet.487 Nicht zuletzt angesichts dieser Kritikpunkte an den bisherigen Modellen wissenschaftlicher Politikberatung stellte Jürgen Habermas sein eigenes pragmatistisches Beratungsmodell auf.488 Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass die Funktionen des Sachverständigen und die des Politikers nicht strikt voneinander getrennt seien, sondern zwischen diesen ein wechselseitiges Kommunikationsverhältnis bestehe. In diesem Verhältnis beraten die wissenschaftlichen Sachverständigen die Politiker, während die Politiker umgekehrt die Sachverständigen gezielt beauftragen.489 Begleitet werden solle die Kommunikation von einer kritikfähigen Öffentlichkeit, die bewertend in den Prozess eingreift. In der Praxis ist es kaum möglich, diese theoretisch unterschiedlich begründeten Modelle jeweils vollständig zu realisieren. In der Regel bleibt es daher bei Beratungsprozessen, die Ansätze aus den verschiedenen Modellen miteinander kombinieren.490 Diese Erkenntnis gilt ebenso für die Einordnung des Normenkontrollrates, weil Annahmen sowohl des dezisionistischen als auch des pragmatistischen Modells auf seine gesetzliche Konzeption zutreffen. Das technokratische Modell beschreibt hingegen eine Entwicklung, die jedenfalls den gesetzlichen Befugnissen des Normenkontrollrates nicht entspricht. Da dem Normenkontrollrat weder ein Vetorecht noch inhaltliche Mitsprache­ befugnisse zustehen, soll die inhaltliche Ausgestaltung eines Gesetzentwurfs weiterhin allein vom politischen Willen der Regierung abhängen. Das politische Primat inhaltlicher Zielvorgaben bleibt folglich unangetastet. Insofern entspricht die Rolle des Normenkontrollrates im Prozess der Politikformulierung dem dezisionistischen Modell, weil dieses eine Hinterfragung politischer und gesellschaftlicher Ziele durch die Wissenschaft nicht vorsieht. Demgegenüber spricht aber zum einen der Gesichtspunkt, dass der Normenkontrollrat gemäß § 45 Abs. 1 GGO wie ein Ministerium an der Ressortabstimmung partizipiert, dagegen, allein das dezisionistische Modell als sozialwissenschaft­

486

Schelsky, Suche nach Wirklichkeit, S. 458. Böcher, in: Krott / Suda (Hrsg.), Macht Wissenschaft Politik?, S. 14 (18); Lompe, in: Falk u. a. (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, S. 25 (29 f.); Weingart, Wissenschaftssoziologie, S. 94. 488 Habermas, Technik und Wissenschaft, S. 126 f. 489 Habermas, Technik und Wissenschaft, S. 127. 490 Dietzel, Wissenschaft, S. 243 f.; Lompe, in: Falk u. a. (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, S. 25 (27). 487

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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lichen Beschreibungsansatz heranzuziehen.491 Dass ein Beratungsgremium obligatorisch in den regierungsinternen Prozess der Gesetzeserarbeitung eingebunden wird, stellt insofern etwas grundlegend Neues dar.492 Im Gegensatz zu anderen Beratungsgremien erscheint der Normenkontrollrat dadurch in erster Linie als ein Teil der Regierungsorganisation. Für eine strikte Trennung zwischen sachverständigem Berater und Politiker bleibt daher wenig Raum. Zum anderen lässt sich das dezisionistische Modell kaum damit in Einklang bringen, dass der Normenkontrollrat beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Diese organisatorische Anbindung deutet auf eine enge Verflechtung zwischen Beratungsgremium sowie Politik hin und begründet zugleich ein Alleinstellungsmerkmal des Normenkontrollrates. Expertengremien sind in aller Regel entweder dem Geschäftsbereich eines bestimmten Bundesministeriums zugeordnet493 oder seltener allgemein als Beratungsgremium der Regierung vorgesehen, ohne dass sie einem bestimmten Regierungsorgan unmittelbar unterstellt wären494. Das gesetzliche Mandat des Normenkontrollrates schafft folglich die Rahmenbedingungen für ein Verhältnis, das trotz der Unabhängigkeit des Rates mehr von Zusammenarbeit als von Distanz geprägt ist. So arbeiten der Normenkontrollrat und die Bundesministerialverwaltung im Gesetzgebungsalltag teilweise eng zusammen. Ihre Kooperation entspricht somit eher den Vorstellungen des pragmatistischen Modells, das eine wechselseitige Kommunikationsbeziehung zwischen Beratern und Politik voraussetzt. 2. Funktionen wissenschaftlicher Politikberatung Wissenschaftliche Politikberatung kann neben der reinen Wissensvermittlung abhängig von ihrer Ausgestaltung verschiedenen weiteren Funktionen dienen. Ein generelles Ziel wissenschaftlicher Politikberatung besteht darin, durch den Rückgriff auf externe Wissensressourcen staatliche Entscheidungen zu legitimieren. Moderne Staaten erfahren Legitimation zum einen durch die Delegation der Herrschaftsgewalt infolge demokratischer Wahlen. Zum anderen erlangen sie Legitimation durch die Rationalität ihrer politischen Entscheidungen, die sie durch

491

Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (112). Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (112). 493 Vgl. Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz), Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (beim Bundesministerium für Gesundheit), Sachverständigenrat für Umweltfragen (beim Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit), Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen. 494 So etwa beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und dem Rat für Nachhaltige Entwicklung; eine direkte Anbindung an die Regierung bietet sich nur bei besonders hoher politischer Bedeutung des Regelungsbereichs an, so Mayntz, in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Politikberatung in Deutschland, S. 115 (117). 492

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

die Bezugnahme auf wissenschaftlich gesichertes Wissen erreichen.495 Das zuletzt angedeutete Verständnis demokratischer Legitimation ist vor allem in den Sozialwissenschaften beheimatet, die demokratische Legitimation im Gegensatz zu den Rechtswissenschaften flexibler und weniger formal auffassen.496 Zwar gibt es auch in den Rechtswissenschaften Beiträge, die dazu tendieren, die vom BVerfG geprägte Legitimationslehre zu erweitern.497 Doch wird die Rationalitätspflicht des modernen Verfassungsstaates in erster Linie aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet.498 Aus diesem Grund wird Legitimation in diesem Kontext weniger als normatives Konzept, sondern vielmehr als sozialwissenschaftlich ausgerichteter tatsächlicher Zugriff genutzt, der sich Output-orientierter Legitimationsansätze bedient. Die staatlichen Organe sollen sich demnach bei ihren Entscheidungen von nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und vernünftigen Überlegungen leiten lassen. Denn die Akzeptanz staatlicher Entscheidungen hängt nicht nur von der demokratischen Legitimation der politisch Handelnden ab, sondern auch vom Inhalt und der Vernünftigkeit ihrer Entscheidungen. Das Rationalitätsversprechen des modernen Staates korrespondiert mit dem dahingehenden Anspruch der Bürger, dass der Staat die Umstände und Folgen seines Handelns kennt, wenn er komplexe technische und gesellschaftliche Materien regelt.499 Die jeweils amtierenden Regierungen sehen sich deshalb dazu gezwungen, auf wissenschaftliche Beratung zurückzugreifen, um eine größtmögliche Wissensbasis für ihre Entscheidungen zu haben.500 Durch die Überprüfung der von der Bundesregierung ausgehenden Gesetzentwürfe soll der Normenkontrollrat vermeidbare gesetzliche Folgekosten aufdecken und im besten Fall, wenn es mit dem politischen Willen vereinbar ist, zu einer Änderung des Entwurfs beitragen. Wenn Gesetze für die Normadressaten mit geringeren Folgekosten einhergehen, soll – so die Annahme – ihnen eine höhere Akzeptanz bei der Bevölkerung zukommen. Damit trägt die Einsetzung des Normenkontrollrates im weitesten Sinne auch dem Rationalitätsversprechen des modernen Verfassungsstaates Rechnung und soll jedenfalls nach sozialwissenschaftlichen Ansätzen eine gewisse Legitimationsfunktion erfüllen. Über die Legitimationswirkung hinaus kann Politikberatung abhängig von der jeweiligen Beratungssituation sowohl explizite als auch verdeckte Funktionen er 495 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (112); Weingart, in: Falk u. a. (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, S. 35 (36); ders., in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Politikberatung in Deutschland, S. 73 (75). 496 Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 211 (212 f.). 497 Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 211 (217 f.); Trute, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, § 6 Rn. 42 ff. 498 Grzeszick, VVDStRL 71 (2012), 49 (51 f.); Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 2 Rn. 75 ff.; Thiele, Regeln und Verfahren der Entscheidungsfindung, S. 90; Trute, in: HStR IV, § 88 Rn. 35; Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 1; Wollenschläger, Wissensgenerierung, S. 210 f. 499 Fleischer, dms 2015, 315 (316); Voßkuhle, in: Schuppert / Voßkuhle (Hrsg.), Governance, S. 13 (16). 500 Voßkuhle, in: Schuppert / ders. (Hrsg.), Governance, S. 13 (20 f.).

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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füllen.501 Die sog. expliziten Funktionen sind in der öffentlichen Wahrnehmung allgemein anerkannt. Dazu zählt insbesondere die Konsensbildungs- und Schlichtungsfunktion, in deren Rahmen die Beratung dazu beitragen soll, dass die politischen Akteure in umstrittenen Fragen Kompromisse erzielen.502 Weiterhin kann wissenschaftliche Politikberatung im Zuge einer Frühwarn- und Initialfunktion dafür Sorge tragen, dass die politischen Entscheidungsträger sich anbahnende Probleme und die daraus resultierende Notwendigkeit staatlichen Handelns rechtzeitig erkennen.503 Darüber hinaus ist es als eine weitere Funktion von Politikberatung akzeptiert, dass ein Sachverständigengremium eine bestimmte politische oder administrative Praxis vorübergehend oder dauerhaft kontrolliert.504 Die zuletzt genannte Funktion beansprucht vor allem für den Normenkontrollrat Geltung. Er überprüft gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG im Rahmen des inneren Gesetzgebungsverfahrens, ob die Bundesministerien die mit einem Gesetzentwurf verbundenen Folgekosten nachvollziehbar ermittelt und dargestellt haben. Damit weist ihm sein Mandat eine Kontrollfunktion zu, die sich auf die politische Praxis der Gesetzesfolgenabschätzung innerhalb der Bundesregierung bezieht. Da die sog. verdeckten Funktionen dazu dienen, Sachverständige politisch zu instrumentalisieren, werden sie im Regelfall nicht offen formuliert. Als verdeckte Funktion wissenschaftlicher Politikberatung gilt zunächst die Aufschiebungsfunktion, die zum Tragen kommt, wenn die politisch Verantwortlichen eine Entscheidung verzögern oder vertagen, indem sie eine Expertengruppe ins Leben rufen. Auf die Abwälzungsfunktion von Politikberatung greifen Regierungen dann zurück, wenn sie die politische Verantwortung für ein Themenfeld bzw. eine Entscheidung auf ein externes Sachverständigengremium übertragen.505 In diesen Fällen handelt es sich bei der Einrichtung eines Expertengremiums in der Regel um Symbolpolitik, die ein aktives politisches Handeln ersetzen soll.506 Von einer Alibifunktion ist hingegen die Rede, wenn die Regierung eine bereits getroffene strategische Entscheidung durch wissenschaftlichen Sachverstand nachträglich gegen politische Kritik zu legitimieren versucht.507

501

Unterscheidung nach Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 25 f. Graf Kielmansegg, in: Dreier / Willoweit (Hrsg.), Wissenschaft, S. 219 (231); Hustedt /  Veit / Fleischer, in: PSCA, Heft 2 (2013), 15 (17, 19); Mayntz, in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Politikberatung in Deutschland, S. 115 (115 f.); Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 29. 503 Mayntz, in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Politikberatung in Deutschland, S. 115 (122); Voßkuhle, in: Botzem u. a. (Hrsg.), Governance als Prozess, S. 547 (556); Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 29. 504 Brohm, in: HStR II, 1. Aufl., § 36 Rn. 20; Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 25. 505 Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 25; ders., in: Botzem u. a. (Hrsg.), Governance als Prozess, S. 547 (556). 506 Mayntz, in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Politikberatung in Deutschland, S. 115 (116); Schulte, Politik gestalten, S. 107; Siefken, ZParl 2003, 483 (500 f.). 507 Glaab / Metz, in: Falk u. a. (Hrsg.), Handbuch Politikberatung, S. 161 (168); Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 26; ders., in: Botzem u. a. (Hrsg.), Governance als Prozess, S. 547 (556). 502

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Der Normenkontrollrat erfüllt mit seiner Arbeit zum Teil die Abwälzungsfunktion wissenschaftlicher Politikberatung. So ist „Bürokratieabbau“ bereits seit Jahrzehnten ein populäres und zugleich beliebiges politisches Ziel, das die jeweils amtierenden Regierungen mit immer neuen und nicht selten erfolglosen Maßnahmen angehen. Indem die damalige Koalitionsregierung aus CDU / CSU und SPD den Normenkontrollrat im Jahr 2006 als ein Sondergremium im Kampf gegen „überbordende Bürokratie“ einsetzte, übertrug sie die Aufgabe des Bürokratieabbaus zugleich in Teilen auf diesen. Damit entlastete sie sich von der Verantwortung, weitere wirksame Maßnahmen zum „Bürokratieabbau“ tätigen zu müssen, und konnte doch signalisieren, dass sie ein innovatives Instrument im Versuch, Folgekosten zu begrenzen, eingesetzt habe. Nicht zuletzt angesichts der zu Beginn eher begrenzten Befugnisse des Normenkontrollrates handelte es sich bei dessen Einsetzung folglich auch ein Stück weit um Symbolpolitik.508

IV. „Unpolitischer“ Charakter der Prüftätigkeit Gemäß § 1 Abs. 4 NKRG sind die angestrebten Ziele und Zwecke von Regelungen nicht Gegenstand der Prüfungen des Normenkontrollrates. Dieser Satz statuiert den vermeintlich unpolitischen Auftrag des Rates und verdeutlicht zugleich, dass sich sein Prüfungsrecht auf eine Plausibilitäts- und Methodenkontrolle beschränkt. Es erscheint jedoch fraglich, ob eine trennscharfe Abgrenzung zwischen der Überprüfung von Folgekostenabschätzungen und der politischen Bewertung dieser Kosten in der Praxis immer möglich ist. Zweifel am „unpolitischen“ Mandat des Normenkontrollrates bestehen insbesondere angesichts des Eindrucks, dass Folgekostenabschätzungen zu neuen Gesetzentwürfen und deren Überprüfung häufig ein politisches Element innewohnt. 1. „Unpolitischer“ Auftrag des Normenkontrollrates Das Prüfmandat des Normenkontrollrates ist nach § 1 Abs. 4 NKRG scheinbar unpolitisch ausgestaltet. Eingang in das NKRG fand diese Klarstellung erst 2011 im Zuge der Erweiterung des Prüfungsumfangs auf den Erfüllungsaufwand. Der Gesetzgeber sah sich offenbar veranlasst, aufgrund der Ausdehnung der Befugnisse des Normenkontrollrates zu betonen, dass damit politische Mitspracherechte in Bezug auf Ziele und Zwecke von Regelungsentwürfen nicht verbunden seien.509 Der „depolitisierte“ Ansatz besaß jedoch bereits seit der Einsetzung des Normenkontrollrates im Jahr 2006 Gültigkeit und wurde insbesondere dem Kon 508

So auch Czerwick, Ökonomisierung des öffentlichen Dienstes, S. 228. BT-Drs. 17/1954, S. 2; König, Operative Regierung, S. 346 sieht darin einen Beleg, dass Wirkungskontrollen durch die „machtpolitische Komponente der Sachpolitik“ notwendig begrenzt sind. 509

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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zept der „standardisierten Bürokratiekostenmessung auf der Grundlage des Standardkosten-Modells“ gemäß § 1 Abs. 2 NKRG a. F. entnommen. Die damalige Begründung zum Gesetzentwurf stellte klar, dass im Rahmen dieses Konzepts eine Auseinandersetzung mit den politischen Zielsetzungen eines Gesetzes ausgeschlossen sei.510 Für die Tätigkeit des Normenkontrollrates gilt der „unpolitische“ Auftrag bislang als Erfolgsfaktor.511 Denn mit dem „depolitisierten“ Ansatz verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, das Prüfmandat des Normenkontrollrates so zu gestalten, dass es auf den ersten Blick verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Das „unpolitische“ Mandat solle gewährleisten, dass die Beantwortung der Frage, welche Kosten zur Erreichung eines bestimmten Ziels notwendig und angemessen seien, allein den demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorganen vorbehalten bleibe.512 Politische Wertungs- und Mitentscheidungsbefugnisse stünden dem Normenkontrollrat schließlich nicht zu, seine Befugnisse seien vielmehr lediglich beratender Natur.513 Er verfüge daher nicht über ein eigenes politisches Mandat.514 Gleichzeitig soll der „unpolitische“ Auftrag die Unabhängigkeit des Normenkontrollrates schützen. Denn er würde unweigerlich als politisches Machtinstrument gelten, wenn er politische Ziele offenkundig auf die damit einhergehenden Kosten überprüfen dürfte.515 Mit dem gesetzgeberischen Konzept, das dem Normenkontrollrat die Rolle eines „neutralen“ Methodenwächters im Gesetzgebungsverfahren zuschreibt, wäre eine solche Politisierung unvereinbar. 2. Durchbrechung durch Erweiterung des Prüfmandats Spätestens seit der Erweiterung der Befugnisse des Normenkontrollrates im Jahr 2011 wachsen jedoch die Zweifel an seinem „unpolitischen“ Mandat. Während der Schätzung der durch Informationspflichten verursachten Bürokratiekosten mit dem Standardkosten-Modell noch ein halbwegs ausgearbeitetes und überschaubares Konzept zugrunde lag, geht die Ermittlung des Erfüllungsaufwands mit deutlich größeren Schwierigkeiten einher. Zu jedem Regelungsentwurf, der irgendeinen Aufwand für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung verursacht, müssen die Bundesministerien Kostenermittlungen vornehmen. Das führt nicht nur zu mehr Aufwand, sondern vergrößert auch die methodischen Unsicherheiten, da es sich bei den zu-

510

BT-Drs. 16/1406, S. 5. BT-Drs. 17/1954, S. 2; Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 283; Wegrich, in: Kropp /  Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (293 f.). 512 BT-Drs. 17/1954, S. 2; Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 55; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 17. 513 BT-Drs. 17/1954, S. 7. 514 Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (417 f.). 515 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 55; Peifer, GewArch 2010, 479 (481). 511

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

grundeliegenden Zahlenangaben meist nur um grobe Schätzungen handelt.516 Während sich das Standardkosten-Modell auf die nachvollziehbare Definition von Standardvorgängen für bestimmte administrative Vorgänge stützen konnte, variiert die Umsetzung inhaltlicher gesetzlicher Anforderungen, die vom Erfüllungsaufwand erfasst sind, stärker zwischen verschiedenen Unternehmen. Da der Erfüllungsaufwand auch Pflichten wie die Beschaffung von Schutzkleidungen in Unternehmen oder das Umrüsten von Filteranlagen umfasst, ist er im Vergleich zum Ansatz der Bürokratiekosten, die sich nur auf Informationspflichten beziehen, sowohl komplexer zu ermitteln als auch umfassender und inhaltlicher. Für den Normenkontrollrat bedeutet die Einbeziehung des Erfüllungsaufwands in den Prüfauftrag, dass er sich auch mit den Inhalten, Zielen und dem Zweck der Regelungsvorhaben befassen muss, um die Darstellung der Folgekosten adäquat überprüfen zu können.517 Als ebenso schwierig erweist sich der Umgang mit den generalklauselartigen sonstigen Kosten gemäß § 1 Abs. 3 NKRG, die insbesondere in Bezug auf mittelständische Unternehmen von Bedeutung sein sollen. Da es an einer gesetzlichen Definition der sonstigen Kosten fehlt, kann ihre Aufnahme in den Prüfungsumfang vor allem dazu führen, dass sich der Normenkontrollrat mit der Darstellung finanzieller Folgen von nachteiligen Regelungen für die Wirtschaft und KMU generell auseinandersetzt.518 Vor dem Hintergrund, dass entsprechende regulative Eingriffe in die Wirtschaft, die diese kostenmäßig belasten, immer Gegenstand politischer Debatten sind, erschwert es eine auch die sonstigen Kosten umfassende Prüfungskompetenz, das „unpolitische“ Mandat aufrechtzuerhalten. Aber nicht nur die Erweiterung des Prüfmandats um den Erfüllungsaufwand und die sonstigen Kosten leistet der Politisierung des Normenkontrollrates Vorschub, sondern auch die 2011 neu eingeführte Prüfkompetenz nach § 4 Abs. 2 NKRG. So bestimmt zunächst § 4 Abs. 2 Nr. 1 NKRG, dass der Normenkontrollrat die verständliche Darstellung des Ziels eines Regelungsvorhabens überprüfen kann. Es dürfte sich aber vor allem bei politisch umstrittenen Vorhaben als schwieriges Unterfangen erweisen, einerseits Kritik an der Darstellung der Zielsetzung zu formulieren, ohne dass diese andererseits in eine Kritik an der Zielsetzung selbst umschlägt.519 Nicht weniger diffizil ist die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2 NKRG, der die Darstellung von Erwägungen zu anderen Lösungsmöglichkeiten in einem Regelungsentwurf als Prüfungsaspekt festlegt. Zu alternativen Lösungsmöglichkeiten kann sich der Normenkontrollrat jedoch nur sinnvoll äußern, wenn er sich auch inhaltlich mit dem Regelungsentwurf und seinen Zielen befasst hat. Der gesetzlich bestimmte Umstand, dass gemäß § 1 Abs. 4 NKRG die Ziele eines 516 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (120); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (298 f.). 517 So Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (256). 518 Vgl. Bundesregierung / NKR / Statistisches Bundesamt, Leitfaden zur Berücksichtigung der Belange mittelständischer Unternehmen, S. 6 f.; siehe zum Inhalt der „sonstigen Kosten“ unter Kap. 1, A. II. 2. c). 519 Linke, JZ 2016, 1081 (1087).

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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Gesetzes nicht vom Normenkontrollrat überprüft werden dürfen, er aber gleichwohl die Mittel zur Zielerreichung in Form kostenärmerer Alternativmaßnahmen kontrollieren kann520, stellt einen unauflöslichen Widerspruch dar. Die politischen Wertentscheidungen spiegeln sich nämlich nicht nur in den Zielen wider, sondern auch in den zur Zielerreichung gewählten Mitteln und in der Art und Weise des Vollzugs.521 Mit ihrer Bezugnahme auf Ziel und Notwendigkeit einer Regelung sowie der Beachtung alternativer Lösungsmöglichkeiten weist die Prüfungskompetenz nach § 4 Abs. 2 NKRG zudem einen unmittelbaren Zusammenhang zum Prüfungsprogramm der Verhältnismäßigkeit auf, die sich auf die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Gesetzes bezieht.522 Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips stellt jedoch eine materiell-rechtliche Frage dar, die über eine reine Methodenkontrolle hinausgeht. Es bleibt folglich bei der Prüfung der Gesetzesvorhaben durch den Normenkontrollrat unberücksichtigt, wie weit der politische Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers reicht. Die Gefahr einer Politisierung ergibt sich des Weiteren aus dem Prüfungsaspekt des „gold plating“ nach § 4 Abs. 2 Nr. 5 NKRG, der die Darstellung erfasst, inwieweit der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie über deren Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen hat. Wenn die Bundesregierung sich dazu entschließt, im Zuge der Umsetzung einer EU-Richtlinie im Umweltrecht oder in sozialrechtlichen Angelegenheiten weitergehende Schutzstandards, als vom EU-Recht verlangt, zu implementieren, dann handelt es sich dabei um eine ausschließlich politische Entscheidung. Da es das „gold plating“ unter Regulierungskostengesichtspunkten aber zu vermeiden gilt, könnte eine solche Entscheidung der Bundesregierung auf Kritik des Normenkontrollrates stoßen. Eine entsprechende negative Stellungnahme des Rates würde allerdings in diesem Fall in den Bereich des Politischen hineinragen. Angesichts dieser erweiterten Prüfkompetenzen droht die Rolle des Normenkontrollrates unweigerlich politischer zu werden und es besteht die Gefahr, dass er seine bislang gewonnene Reputation als „neutraler“ und „unabhängiger“ Methodenwächter verlieren könnte.523 Begegnen kann der Normenkontrollrat dieser Gefahr nur, indem er von seinem Prüfungsrecht zurückhaltend Gebrauch macht. Dem Gesetzgeber dürfte die mit der Erweiterung des Prüfmandats verbundene Gefahr einer Politisierung des Rates bewusst gewesen sein. Vermutlich gerade aus 520

BT-Drs. 17/1954, S. 2. Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (119). 522 Steinbach, Der Staat 2015, 267 (285); ders., Rationale Gesetzgebung, S. 142. 523 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (256); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (299); auf die Gefahr des „politisch motivierten Missbrauchs von Normprüfungen“ verweist in diesem Kontext Calliess, in: ders. u. a. (Hrsg.), FS Teubner, S. 465 (474 f.); vor diesem Hintergrund betont auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass der NKR „keine politischen Stellungnahmen“ abgeben dürfe (BT-Drs. 18/4693, S. 2). 521

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

diesem Grund hat er sich dafür entschieden, mittels § 1 Abs. 4 NKRG zu verdeutlichen, dass der Normenkontrollrat die Ziele und Zwecke einer Regelung nicht überprüfen dürfe. Auch die Formulierung in § 4 Abs. 2 NKRG, wonach sich die Prüfung nur auf die methodengerechte Durchführung und nachvollziehbare Darstellung der dort genannten Aspekte erstreckt, soll die vermeintlich unpolitische Aufgabenstellung des Normenkontrollrates betonen. Vor dem Hintergrund der damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten wirkt die Formulierung allerdings wie ein gesetzgeberischer „Kunstgriff, um eine verkappte Inhaltskontrolle zu verschleiern“524. Da sich zwischen methodischer Kritik einerseits und inhaltlich-politischer Kritik andererseits nicht trennscharf differenzieren lässt, weisen die gesetzlichen Versuche zur Sicherung des „unpolitischen“ Mandats letztlich Symbolcharakter auf. Gleichwohl beharrt der Gesetzgeber auf dem „unpolitischen“ Mandat des Normenkontrollrates, da es sich zum einen in der Öffentlichkeit gut kommunizieren lässt und zum anderen dazu dienen soll, verfassungsrechtliche Bedenken zu zerstreuen. 3. Politische Dimension von Folgekostenabschätzungen Über die speziellen Auswirkungen der Erweiterung des Prüfmandats hinaus stellt sich die Frage, ob der Abschätzung der Kosten, die mit einem Gesetz verbunden sind, und deren Überprüfung nicht generell eine politische Dimension zukommt. Das Standardkosten-Modell wird vor allem aufgrund seiner Methodik gepriesen, da sie bezüglich der Bürokratiekostenschätzung „objektive“ Zahlen liefere.525 Auf dieser Grundlage propagieren die Anhänger des Standardkosten-Modells, dass „Bürokratieabbau“ nun ohne politische Interessenkonflikte vorangetrieben werden könne und die notwendigen Diskussionen versachlicht würden.526 Aber letzten Endes unterliegen sie damit einer technokratischen Illusion, die sie vermutlich bewusst genährt haben, um das Standardkosten-Modell besser in Politik und Öffentlichkeit durchsetzen zu können.527 Wenn ein Gesetz mit vielen Informationspflichten für Unternehmen einhergeht, zieht es automatisch hohe Bürokratiekosten nach sich. Hohe Bürokratiekosten gelten als negativ und sind nach der allgemeinen Abbaurhetorik zu vermeiden. Wenn es der Bundesregierung aber gerade darum geht, bestimmte Unternehmen stärker 524

Linke, JZ 2016, 1081 (1087). Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 261; Färber, in: GfP (Hrsg.), Better Regulation, S. 9 (20); Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (33 f.). 526 Ernst / Brinkmann / Frick, VM 2006, 239 (240); Frick / Brinkmann / Ernst, ZG 2006, 28 (33); Funke, Bürokratieabbau, S. 72; Gröhe / Naundorf, ZG 2009, 367 (372); Maurer, ZG 2006, 377 (378 f.); Statistisches Bundesamt, Bestandsmessung der Bürokratiekosten, S. 10; Wittmann, GewArch 2010, 137 (140). 527 So auch Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 228; Jann, Berliner Republik 1/2007, 46 (57); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (61); Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (296); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 90; Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (119). 525

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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zu regulieren und sie ihnen in diesem Kontext höhere Informationspflichten aufbürdet, kann im Ergebnis der Folgekostenabschätzung, die hohe Bürokratiekosten erwarten lässt, zugleich eine mittelbare politische Wertung dieses Vorhabens liegen. Gerade bei Vorhaben, die hohe Folgekosten mit sich bringen, ist davon auszugehen, dass der Normenkontrollrat genauer prüft, ob die Ermittlung und Darstellung dieser Kosten sachgerecht, vollständig und nachvollziehbar erfolgte. Damit stehen Regelungsvorhaben, die hohe Bürokratiekosten ausweisen, unter dem Generalverdacht, unnötig und belastend für die Normadressaten zu sein. Gesetzlich vorgeschriebene Informationspflichten dienen überdies oftmals dazu, die Umsetzung politischer Regelungsziele zu kontrollieren. Aus Melde- und Dokumentationspflichten erhalten staatliche Behörden beispielsweise Auskünfte darüber, ob und wie die Privatwirtschaft bestimmte gesetzliche Regelungen umsetzt. Informationspflichten weisen auch in diesem Zusammenhang einen inhaltlich-politischen Bezug auf.528 Es ist daher wenig sinnvoll, die Ziele eines Regelungsvorhabens und die damit verbundenen Kosten für die Normadressaten isoliert voneinander zu betrachten. Ebenso wenig ist es im politischen Betrieb möglich, Informationspflichten und Erfüllungsaufwand rein technisch und neutral zu beurteilen.529 Die durch Gesetze verursachten Kosten haben stets auch eine politische Dimension. Dazu gesellt sich die bereits erwähnte Schwäche des Standardkosten-Modells, die daran liegt, dass es zwar die Kosten, nicht aber den Nutzen, der mit einer gesetzlichen Regelung einhergeht, berücksichtigt.530 Durch eine Kosten-Nutzen-Betrachtung würde sich ein umfassenderes und objektiveres Bild ergeben, in dem auch die Möglichkeit Beachtung findet, dass gesetzliche Regelungen mit hohen Bürokratiekosten durch den Nutzen, den sie stiften, gerechtfertigt sein können. Weder der unmittelbare noch der mittelbare Nutzen, also mittel- bis längerfristige positive Wirkungen einer Regelung, sind Gegenstand der Messungen nach dem Standardkosten-Modell. Wenn der Gesetzgeber bestimmte Unternehmensbranchen mit besonderen Informationspflichten belastet, kann das beispielsweise darin begründet liegen, dass diese Unternehmen in umweltsensiblen Bereichen tätig sind. Die durch Informationspflichten hervorgerufenen Bürokratiekosten dienen in diesem Fall dem Umweltschutz und verfolgen damit einen gesellschaftlichen Nutzen. Es müsste demnach zusätzlich zur Bürokratiekostenmessung jeweils untersucht 528

Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 90. Jann, Berliner Republik 1/2007, 46 (56 f.); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (67); Jann / Wegrich / Jantz / Veit, Bürokratieabbau für Bürger, S. 15; Schröter / v. Maravic / Röber, VM 2008, 235 (235 f.); der DGB sieht aus diesem Grund beim NKRG die Gefahr, dass „politische Entscheidungen über ökonomische Kennzahlen“ gesteuert würden (BT-Drs. 17/4241, S. 4). 530 Chlumsky / Schmidt / Vorgrimler / Waldeck, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik 10/2006, S. 993 (994); Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (98); Holthusen, Anwendung des Standardkosten-Modells, S. 15; Röse­ ner / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 89; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Einführung des Standardkosten-Modells, S. 5; Steinhaus, Gesetze mit Verfallsdatum, S. 120; siehe dazu bereits unter Kap. 1, A. III. 9. d); Folgekostenansätze zeigen daher immer ein unvollständiges Bild, so auch Deckert, ZG 1995, 240 (249). 529

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

werden, ob die Informationen, auf die sich die Verpflichtungen beziehen, gesellschaftlich notwendig sind.531 Dasselbe gilt für den mithilfe einer Erweiterung des Standardkosten-Modells zu ermittelnden Erfüllungsaufwand, der weder den z. B. durch eine Umweltverbesserung entstehenden gesellschaftlichen noch den gesamtwirtschaftlichen Nutzen einer Regelung in quantitativer Hinsicht erfasst.532 Durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung vom 18. November 2013533 hat sich beispielsweise der jährliche Erfüllungsaufwand für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung, den die Bundesregierung gemäß §§ 62 Abs. 2 S. 1, 42 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Anlage 3 GGO auf dem Vorblatt des entsprechenden Verordnungsentwurfs dargestellt hat534, letztlich um über zwei Mrd. Euro erhöht.535 Diese immensen Kosten waren auf strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden insbesondere durch die Notwendigkeit von Dämmungsmaßnahmen zurückzuführen. Da sich die Folgenanalyse nur auf den Erfüllungsaufwand konzentrierte, fand der quantifizierbare Nutzen keine nennenswerte Berücksichtigung. Damit blieb aber unbeachtet, dass die Änderungen der Energieeinsparverordnung zur Senkung des Energieverbrauchs und damit zu geringeren Aufwendungen für Energie führen sollten.536 Weniger Energieverbrauch bewirkt gleichzeitig, dass Treibhausgase und Luftschadstoffe zurückgehen. Aber nicht nur der gesellschaftliche Nutzen durch die Umweltverbesserung wurde ausgeblendet, sondern auch der gesamtwirtschaftliche Nutzen, den die Energieeinsparverordnung herbeiführte, indem sie die Nachfrage nach Dämmprodukten und ihrer Verbauung steigen ließ. Diese wachsende Nachfrage konnte wiederum höhere Einnahmen im Bausektor und in den Vorleistungsbranchen nach sich ziehen, die im Rahmen des Erfüllungsaufwands jedoch außer Betracht blieben. Allein der Umstand, dass das Standardkosten-Modell insbesondere soziale und ökologische Auswirkungen eines Regelungsvorhabens ausklammert, bedeutet nicht, dass es diese Auswirkungen nicht gibt. Da ökonomische, soziale und ökologische Folgen häufig in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, kann der Abbau von ökonomischen Bürokratiekosten dazu führen, dass Kosten an

531 Weidemann, VR 2007, 7 (9); ähnlich Bull, Die Verwaltung 2005, 285 (291); Funke, Bürokratieabbau, S. 31; König, Moderne öffentliche Verwaltung, S. 720; zur Unterscheidung zwischen notwendiger und entbehrlicher „Bürokratieüberwälzung“ vom Staat auf den privaten Bereich Dickertmann, in: ders. / König / Wittkämper (Hrsg.), Bürokratieüberwälzung, S. 153 (164 f.). 532 Umweltbundesamt (Hrsg.), Analyse des Erfüllungsaufwands, S. 17; siehe dazu auch unter Kap. 3, C. I. 3. 533 Zweite Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung vom 18. November 2013 (BGBl. I S. 3951). 534 BR-Drs. 113/13, S. 2 f. 535 Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2013, S. 13 ff.; NKR, Jahresbericht 2014, S. 29. 536 Insgesamt zum möglichen Nutzen der Energieeinsparverordnung Umweltbundesamt (Hrsg.), Analyse des Erfüllungsaufwands, S. 23 ff.

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anderer Stelle steigen.537 Sinken die Kosten für Unternehmen infolge reduzierter Informationspflichten, können sich dadurch beim Staat die Kosten zur Informationsbeschaffung oder bei anderen Privaten die Transaktionskosten zur Durchsetzung von Ansprüchen erhöhen. Angesichts seiner Begrenztheit kann das Standardkosten-Modell entgegen anderslautender Versprechen nicht für sich beanspruchen, dass es politische Interessenkonflikte beim „Bürokratieabbau“ überflüssig macht. Indem sich das Modell auf ökonomische Interessen konzentriert, blendet es lediglich andere Auswirkungen und Kosten aus, um diesen in der politischen Diskussion weniger Raum zu geben. Anschaulich lässt sich die Begrenztheit und Untauglichkeit der Methodik auch am Beispiel der Einführung des Mindestlohns darstellen. Den Entwurf zum entsprechenden Tarifautonomiestärkungsgesetz hat der Normenkontrollrat in seiner Stellungnahme im Jahr 2014 unter Hinweis auf die Nichteinhaltung der Anforderungen des NKRG deutlich kritisiert, da das Bundesarbeitsministerium weder die Kostenfolgen insbesondere für die Wirtschaft noch Alternativen (z. B. in Form eines zunächst geringeren Mindestlohns) ausreichend dargelegt habe.538 Zur Untermauerung seiner Kritik verwies der Normenkontrollrat auf Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, wonach die Bruttolohnsumme durch den Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro vermutlich um 16 Mrd. Euro ansteigen werde. Diesen geschätzten Anstieg wertete der Normenkontrollrat zugleich als erhebliche Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft. Das mag rechnerisch zutreffend sein, die dahinter stehende Sichtweise ist allerdings erkennbar einseitig. Der Erfüllungsaufwand berücksichtigt nämlich lediglich die Bürokratiekosten, die den Unternehmen durch zusätzliche Erfassungspflichten entstehen, sowie die zusätzlichen Lohnkosten, die durch steigende Löhne für bislang geringer bezahlte Mitarbeiter zu leisten sind. Insofern ist bereits fraglich, ob Lohnkosten überhaupt als Aufwand zu werten seien, da die Unternehmen in Form der menschlichen Arbeitsleistung eine konkrete Gegenleistung erhalten. Eine volkswirtschaftliche Betrachtung i. S. einer Kosten-Nutzen-Analyse würde aber jedenfalls auch die positiven Folgen für das Steuer- und Beitragsaufkommen, die Sozialausgaben und das Wirtschaftswachstum beachten, die mit der Einführung eines Mindestlohns einhergehen.539 Eine Methode, die nur die Kosten eines Regelungsvorhabens zahlenmäßig erfasst, kann nicht für sich beanspruchen, ein „objektives“ Instrument zu sein. Das Standardkosten-Modell dient vielmehr dazu, im politischen Prozess 537 Brenski / Liebig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsmodernisierung 2004/2005, S. 522; Schorn, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 99 (101); dementsprechend betont Schuppert, Governance und Rechtsetzung, S. 96, dass das Standardkosten-Modell so „punktuell“ wirke, dass es von den eigentlichen Problemen des Bürokratieabbaus und der Verbesserung von Gesetzgebung eher ablenke. 538 Siehe dazu und zum Folgenden BT-Drs. 18/1558, S. 58–60. 539 Siehe Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 11; eingehend zu den Problemen der einseitigen Fokussierung auf die Kostenseite am Beispiel des Mindestlohngesetzes Färber / Zeitz, dms 2015, 337 (350 ff.); ebenfalls kritisch dazu die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag „Bürokratie gezielt abbauen statt Stillstand manifestieren“, BT-Drs. 18/4693, S. 4.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

ausgewählten und besonders durchsetzungsstarken Interessengruppen (i. d. R. aus der Wirtschaft) sowie Gegnern von bestimmten Regelungsvorschlägen, die mit ökonomischen Kosten verbunden sind, Argumente an die Hand zu geben.540 In diesem Sinne wird dem Standardkosten-Modell in den Politikwissenschaften die Bedeutung beigemessen, dass es im Gesetzgebungsprozess die „Generalisten“ und „Regulierungsskeptiker“ gegenüber den „Spezialisten“ und „Regulierungsbefürwortern“ stärke.541 Denn anstatt sich über den unsicheren Nutzen einer Regulierung zu streiten, erfolgt die Auseinandersetzung anhand der „administrativen Lasten“ und führt zu einer Abwägung zwischen politischer Notwendigkeit der Regulierung und den damit einhergehenden kostenmäßigen Belastungen. Das Standardkosten-Modell und die Einsetzung des Normenkontrollrates sind allein aus diesen Gründen nicht insgesamt negativ zu bewerten. Sie bewirken eine gewisse Transparenz über bestimmte, mit Gesetzen verbundene Kosten. Doch der vor allem zu Beginn bewusst kommunizierte „depolitisierte Ansatz“ ist vor dem Hintergrund, dass eine einseitige Kostenfixierung bestimmte politische Schlussfolgerungen auslöst, mehr als fragwürdig und schürte Erwartungen, die nicht zu erfüllen sind.

V. Bedeutung für „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ Bis heute gilt der Normenkontrollrat als wichtiger Bestandteil des 2006 von der Großen Koalition verkündeten Regierungsprogramms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“. Da es mit dem Normenkontrollrat erstmals nicht nur Instrumente zur Verbesserung der Rechtsetzung und zum „Bürokratieabbau“ auf dem Papier, sondern einen Kontrollmechanismus innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens gab, waren die Erwartungen an seine Arbeit im Vorfeld immens. Nicht weniger als einen Wandel in der Gesetzgebungskultur im Sinne eines stärkeren Kostenbewusstseins sollte die Einrichtung des Normenkontrollrates herbeiführen.542 1. „Methodenwächter“ Der Nationale Normenkontrollrat wurde als „Methodenwächter“ im Hinblick auf die Darstellung des Erfüllungsaufwands konzipiert, die in der Begründung neuer Regelungsentwürfe zu erfolgen hat.543 Mit seiner Einsetzung war die Hoff 540

Ebenso Nagel, in: ders. / Böllmann (Hrsg.), Staatliches Handeln, S. 95 (109 f.). Näher dazu und zum Folgenden Jann, Berliner Republik 1/2007, 46 (56 f.); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (66 f.); Jann / Wegrich, dms 2008, 49 (67 ff.); Kroll, ZG 2009, 259 (271 f.). 542 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 44; Dietze / Färber, VM 2007, 283 (284); Kreibohm / Schön, Eildienst LKT NRW 2008, 61 (65); Ludewig, Berliner Republik 2/2007, 89 (89 f.); ähnlich Wittmann, GewArch 2010, 137 (140). 543 BT-Drs. 16/1406, S. 5; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (217); Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 133; dies., ZRP 2010, 213 (214). 541

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nung verbunden, die Folgekosten neuer Gesetzesvorhaben transparent und nachvollziehbar zu machen. An jedem neuen Gesetz hänge durch die Abschätzung des Erfüllungsaufwands und der Bürokratiekosten ein „Preisschild“544, dessen Richtigkeit der Normenkontrollrat überprüfe. Erreicht hat der Normenkontrollrat, dass die früher regelmäßig unter Gesetzentwürfen zu findende Bemerkung „Kosten: keine“ in dieser Pauschalität der Vergangenheit angehört. Indem er die sachgerechte Anwendung des Standardkosten-Modells und seiner Erweiterungen kontrollierte, entwickelte sich diese Methode zu einem gängigen Instrument in der ministeriellen Gesetzesvorbereitung. Darüber hinaus hat sich im Gesetzgebungsalltag der Bundesministerien jedoch wenig geändert. Die Bundesregierung setzt politisch bedeutsame Vorhaben wie z. B. die PKW-Maut, den Mindestlohn oder die Mietpreisbremse trotz hoher Folgekosten durch und versucht, allzu kritische Stellungnahmen des Rates durch nachvollziehbare Darstellungen des erwarteten Erfüllungsaufwands zu vermeiden. Der Bundesregierung ist es zwar gelungen, die Bürokratiekosten  – wenngleich mit Verzögerung – bis Mitte 2013 um 25 % zu reduzieren, danach sind sie jedoch kaum noch gesunken, während der jährliche Erfüllungsaufwand zwischen 2011 und 2018 sogar um 7,8 Mrd. Euro angestiegen ist545. Der Normenkontrollrat übt die Rolle des Methodenwächters, die sich auf einen Teilbereich der Gesetzesfolgenabschätzung bezieht, sachgerecht und unter Ausschöpfung der ihm gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen aus. Die formell unabhängig praktizierte Kontrolle, die Zusammensetzung aus regierungsexternen Fachleuten sowie der personell umfassende Verwaltungsunterbau rechtfertigen die Charakterisierung des Normenkontrollrates als „watchdog“.546 Davon abgesehen weisen die in den Normenkontrollrat gesetzten hohen Erwartungen aber in die falsche Richtung. Angesichts seiner beschränkten Befugnisse kann er der wirkmächtigen Bundesministerialverwaltung wenig entgegensetzen. Entbürokratisierung gelingt nur, wenn sie von politischer Seite gewollt ist. Wo dieser Wille fehlt, kommt dem Normenkontrollrat nur noch eine symbolische Bedeutung zu, um zu zeigen, dass die Regierung den „Bürokratieabbau“ nicht vergessen hat.547

544

Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 15; NKR, Bilanzbroschüre 10 Jahre Nationaler Normenkontrollrat, S. 8; Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (288). 545 NKR, Jahresbericht 2018, S. 12. 546 Vgl. Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 90; Kreibohm / Schön, Eildienst LKT NRW 2008, 61 (62); Kroll, ZG 2009, 259 (262); Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 196; zur Definition eines „watchdogs“ siehe unter Kap. 2, B. II. 1. 547 Vgl. Czerwick, Ökonomisierung des öffentlichen Dienstes, S. 228.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

2. Institutionalisierung der Kontrolle von Teilen der Gesetzesfolgenabschätzung Unter einer Institutionalisierung ist die Schaffung und Verfestigung von verlässlichen sowie durchsetzbaren Handlungsabläufen und Strukturen zu verstehen.548 Der Institutionalisierung wird in Bezug auf die Gesetzesfolgenabschätzung die Wirkung zugesprochen, dass sie den dauerhaften und wirksamen Einsatz der Folgenabschätzung im Gesetzgebungsalltag sichern kann.549 In diesem Sinne gilt der aus der Verwaltungswissenschaft stammende Satz: „Nur was institutionalisiert ist, existiert wirklich!“550 Nachteilig könnte sich allerdings der damit einhergehende Verlust an Flexibilität des Gesetzgebungsverfahrens auswirken. Verbindliche Verfahrensvorgaben und methodische Maßgaben erleichtern zwar die Implementierung von Gesetzesfolgenabschätzungen, können aber zugleich erheblichen zeitlichen und personellen Mehraufwand bedeuten. Es wird zwischen rechtlicher (bzw. prozeduraler) und organisatorischer Institutionalisierung unterschieden.551 Die Institutionalisierung in rechtlicher Hinsicht bedeutet eine regelungsmäßige Verankerung der Gesetzesfolgenabschätzung in einer Norm auf Verfassungs-, Gesetzes-, Geschäftsordnungs- oder Organisationsrichtlinienebene. Die organisatorische Institutionalisierung umfasst die Einrichtung zuständiger Stellen zur Leitung, Durchführung oder Kontrolle der Gesetzesfolgenabschätzung. Bürokratiekosten machen nur einen kleinen Teil der von Gesetzen ausgehenden Kostenfolgen aus. Kostenfolgen wiederum stellen nur eine von mehreren möglichen Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung dar. Aus diesem Grund war der zunächst vom Normenkontrollrat überprüfte Bereich der Gesetzesfolgenabschätzung sehr eng.552 Erst durch die Erweiterung des Mandats um den Erfüllungsauf 548

Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 72; Unkelbach, Institutionalisierung der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 7. 549 Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 317; Brocker, in: Hof / Lübbe-Wolff (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I, S. 35 (39); ders., in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 133 (140); Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (228); Schuppert, Governance und Rechtsetzung, S. 87; Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (37 f.); ebenso Veit, in: Ziekow (Hrsg.), Bewerten, S. 37 (55), die darauf hinweist, dass Folgenaspekte, für deren Prüfung niemand zuständig sei, weder formal noch tatsächlich erfüllt würden; insgesamt kritisch hingegen Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 57 f. 550 Böhret, in: Letzgus u. a. (Hrsg.), FS Helmrich, S. 487 (496); Brocker, in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 133 (139); Grimm / ders., ZG 1999, 58 (64). 551 Böhret / Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, S. 318; Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 73 ff.; Fricke, Modelle zur Institutionalisierung einer Gesetzeskontrolle, S. 31; Jantz, dms 2015, 385 (396 f.); Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (228 f.); Schuppert, ZG 2003 Sonderheft, 1 (26 f.); Sicko, in: Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht, S. 199 (220); Strempel, in: Hof / Lübbe-Wolff (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I, S. 627 (632). 552 Vgl. Baer, in: Mahlmann (Hrsg.), FS Rottleuthner, S. 245 (250 f.); Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (293); Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (217 f.); Scholz, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), FS Herzog, S. 473 (476).

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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wand sowie die Einbeziehung der in § 4 Abs. 2 NKRG aufgezählten Aspekte in seine Prüftätigkeit hat sich der Normenkontrollrat zur zentralen Kontrollinstanz für weitere Teilbereiche der Gesetzesfolgenabschätzung fortentwickelt.553 Damit ging zugleich eine stärkere organisatorische Institutionalisierung der Gesetzesfolgenabschätzung einher.554 Da der Normenkontrollrat die Kostenfolgen aber nicht selbst ermittelt, bezieht sich die durch ihn herbeigeführte organisatorische Institutionalisierung nicht auf die Leitung oder Durchführung, sondern ausschließlich auf die Kontrolle von Elementen der Gesetzesfolgenabschätzung. Die Existenz des Normenkontrollrates als institutionalisierte Kontrolleinheit hat dazu beigetragen, dass die Bundesministerien den von ihnen verfassten Normentwürfen in nahezu allen Fällen eine Darstellung der Bürokratiekosten bzw. des Erfüllungsaufwands, den die Regelung voraussichtlich bewirkt, beifügen.555 Obgleich sowohl die allgemeine Gesetzesfolgenabschätzung (§ 44 Abs. 1 GGO) als auch die Ermittlung des Erfüllungsaufwands (§ 44 Abs. 4 GGO) auf derselben Ebene rechtlich institutionalisiert sind, finden sich Erläuterungen zum Erfüllungsaufwand in nahezu allen Regelungsentwürfen der Bundesregierung, während andere Elemente der Gesetzesfolgenabschätzung dort nur selten zu entdecken sind.556 Insofern hat die organisatorische Institutionalisierung der Kontrolle von Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand durch den Normenkontrollrat eine nachweisbare Änderung in der praktischen Gesetzgebungstätigkeit der Bundesministerien herbeigeführt. Gegenüber anderen nicht vom Mandat des Normenkontrollrates erfassten Elementen der Gesetzesfolgenabschätzung erfahren Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand deutlich öfter und umfangreicher Berücksichtigung in den Regelungsentwürfen der Bundesregierung. 3. Personalbedarf und Budgetmaximierung Im Regierungsentwurf zur Einrichtung des Normenkontrollrates war zunächst die Rede davon, dass Stellenvermehrungen nicht notwendig seien, da ein großer Teil des benötigten Personals aus dem Kreis der Bundesbeamten gewonnen wer 553

Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 20; Peifer, GewArch 2010, 479 (480); Seckelmann, ZRP 2010, 213 (216 f.); anders Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (159), der betont, dass sich das Mandat des Normenkontrollrates weiterhin nur auf Kosten bezieht. 554 Vgl. Meßerschmidt, ZJS 2008, 224 (224) und Smeddinck, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 3 Rn. 46, die im Normenkontrollrat ebenfalls eine ansatzweise Institutionalisierung der Gesetzesfolgenabschätzung sehen. 555 Dietze / Kranen, Wirtschaftsdienst 2009, 473 (477); Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (298); Veit, Bessere Gesetze, S. 177; Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (38). 556 Sicko, in: Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht, S. 199 (220 f.); Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 142 f.; mit einem ähnlichen Befund auch im Vergleich zur Nachhaltigkeitsprüfung Krings, ZG 2009, 237 (241).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

den könne.557 Bei einer Gesamtzahl von anfangs sieben Sekretariatsmitarbeitern558 konnte das möglicherweise zum Teil noch gelingen. Im Haushaltsjahr 2017 waren jedoch bereits 15 Planstellen für das Sekretariat vorgesehen, wovon 13 dem höheren Dienst zugeordnet sind. Diese Personalaufstockung ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass 2011 die Kompetenzen des Rates erheblich erweitert worden sind und infolgedessen der Prüfungsaufwand stieg. Das darf aber nicht davon ablenken, dass der Normenkontrollrat mit mittlerweile zehn Mitgliedern und 15 Mitarbeitern als staatliche Institution zusehend gewachsen ist und daher einen steigenden Finanzbedarf in Anspruch genommen hat. Diese Entwicklung ist damit beispielhaft für die Budgetmaximierung von Organisationen nach der ökonomischen Theorie der Bürokratie. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Tendenz öffentlicher Verwal­ tungen zum Anwachsen, obwohl ihnen keine neuen Aufgaben zugewiesen werden, wurde von Cyril Northcote Parkinson in besonders überspitzter Form erläutert, als er dieses Phänomen 1957 am Beispiel der Entwicklung der britischen Marine beschrieb.559 Darauf aufbauend hat William A. Niskanen im Jahr 1971 den Grundsatz der Budgetmaximierung erarbeitet.560 Dieser besagt, dass „Bürokraten“ in jedem Haushaltsjahr versuchen, gegenüber Regierung und Parlament die Anzahl der ihnen unterstellten Mitarbeiter und das ihnen zur Verfügung stehende Budget aus eigennützigen Gründen zu erhöhen. Den „Bürokraten“ gelingt dieses in der Regel, da aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung und eingeschränkter Kontrollmöglichkeiten der Politik das Ausgabenniveau des letzten Jahres nicht mehr in Frage gestellt und als Ausgangspunkt für neue Verhandlungen benutzt wird.561 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Normenkontrollrat, der als ein Gremium zum „Bürokratieabbau“ geschaffen wurde, als Nachweis für die Richtigkeit von Theorien über bürokratische Organisationen dient. Es hat anfangs und auch später immer wieder Stimmen gegeben, die darauf hinwiesen, der Normenkontrollrat schaffe selbst neue „Bürokratie“ und Kosten.562 Von einer „Bürokratisierung der Entbürokratisierung“ war angesichts von Regelgebundenheit, festen Zuständigkeiten und schriftlichen Berichtspflichten die Rede.563 In der Außen­ 557

BT-Drs. 16/1406, S. 6. Dose, dms 2008, 99 (106); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (55); NKR, Jahresbericht 2007, S. 19. 559 Parkinson, Parkinson’s law and other studies in Administration, S. 5 ff. 560 Niskanen, Bureaucracy and representative government, S. 41 f., 45 ff.; kritisch dazu Derlien / Böhme / Heindl, Bürokratietheorie, S. 147 f. 561 Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 150; Rodi, Ökonomische Analyse des Öffentlichen Rechts, S. 138. 562 So bezeichnete der DGB den Normenkontrollrat in der Ausschussanhörung zum NKRGReformgesetz (BT-Drs. 17/4241, S. 4) als „bürokratisches Monster“; ebenfalls kritisch Böll, DER SPIEGEL 39/2013, S. 42 (42); Czerwick, Ökonomisierung des öffentlichen Dienstes, S. 228 f.; Göbel, FAZ Nr. 124 v. 30.05.2006, S. 11; Knospe, ZRP 2010, 43 (44); Reiermann, DER SPIEGEL 9/2006, S. 107; Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 90. 563 Derlien / Böhme / Heindl, Bürokratietheorie, S. 235; in Bezug auf die Idee einer zentralen Normprüfung auf Bundesebene sprach König, in: Grimm / Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungs 558

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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darstellung gibt die geschilderte Entwicklung Anlass zu Kritik, da sie belegt, dass die geäußerten Sorgen in Bezug auf die Organisationsexpansion des Normenkon­ trollrates nicht unbegründet gewesen sind. Verstärkt wird die Kritik durch die vom Normenkontrollrat formulierte Abbaurhetorik, die an Glaubhaftigkeit verliert, wenn der Äußernde selbst dazu neigt, in seinen eigenen Reihen neue bürokratische Strukturen aufzubauen. Allerdings beschränkt sich der Verwaltungs- und Personalaufbau nicht nur auf die Verwaltungsorganisation des Normenkontrollrates, sondern findet in allen Institutionen statt, die in das Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ eingebunden sind. Dazu gehört vor allem die 2006 gegründete „Geschäftsstelle Bürokratieabbau“ im Bundeskanzleramt (Referat 133), deren Aufgabe darin besteht, die Umsetzung des Programms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ zu koordinieren und zu überwachen. Sie beschäftigt zu diesem Zweck zwölf Mitarbeiter.564 Ebenfalls eine bedeutsame Rolle in dem Regierungsprogramm nimmt das Statistische Bundesamt ein. Es leistet gemäß § 8 NKRG der Bundes­regierung, dem Bundestag sowie dem Bundesrat technische und methodische Hilfe­stellung, indem es den Erfüllungsaufwand neuer Regelungsvorhaben misst. Im Jahr 2015 hat die Bundesministerialverwaltung bei einem Drittel der ins Bundeskabinett eingebrachten Regelungsentwürfe diese Hilfe in Anspruch genommen.565 Nachdem das Statistische Bundesamt zu Beginn des Regierungsprogramms die Bestandsmessung der Bürokratiekosten vorgenommen hat, errichtete und pflegt es mittlerweile die webbasierte Bürokratiekosten-Datenbank „WebSKM“ und ermittelt den 2012 eingeführten Bürokratiekostenindex der Wirtschaft quartalsweise neu. Um diesen korrekt abzubilden, misst das Bundesamt zwei Jahre nach Inkrafttreten eines Gesetzes den dadurch tatsächlich verursachten „Bürokratieaufwand“ nach. Die Erfüllung dieser Aufgaben rund um den „Bürokratiekostenabbau“ bindet im Statistischen Bundesamt die Ressourcen von über 90 Mitarbeitern.566 Zur Vornahme der Bestandsmessung der Bürokratiekosten zwischen 2006 und 2008 wurden im Statistischen Bundesamt 120 Planstellen bereitgestellt, wofür im Haushaltsjahr 2007 Mehrausgaben in Höhe von 8,4 Mio. Euro anfielen.567

theorie, S. 171 (182) bereits 1988 von einer „Bürokratie zur Entbürokratisierung“; vor „Bürokratieabbau durch eine neue Bürokratie“ warnt allgemein Bull, Die Verwaltung 2005, 285 (310). 564 BT-Drs. 16/6152, S. 3 (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE); Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (52); OECD, Better Regulation in Europe: Germany, S. 66; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 74; zum Normenkontrollrat und der „Geschäftsstelle Bürokratieabbau“ als Grund für die Aufgaben- und Personalzuwächse des Bundeskanzleramts Bannas, FAZ Nr. 246 v. 23.10.2014, S. 8. 565 Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2015, S. 50. 566 Böll, DER SPIEGEL 39/2013, S. 42 (42); OECD, Better Regulation in Europe: Germany, S. 66. 567 Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (301 f.); siehe zu den Mehrkosten die Antwort der Bundesregierung auf die Frage des Abg. Volker Wissing (FDP) in BT-Drs. 16/2350, S. 7.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Obwohl der Normenkontrollrat und das Regierungsprogramm „Bürokratie­abbau und bessere Rechtsetzung“ darauf abzielten, staatlich veranlasste Kosten vor allem in der Privatwirtschaft zu senken, haben sie im staatlichen Bereich zu einem „Bürokratieaufwuchs“ geführt. Dieser schlug sich vor allem in einer Personalaufstockung und der damit verbundenen Erhöhung der Personalkosten nieder. Zwar stellt es sich als zwangsläufig dar, dass die grundsätzlich neue Aufgabe, die der Normenkontrollrat erfüllt, mehr Personal benötigt und damit auch mehr Kosten zur Folge hat. Ob diesen Kosten jedoch ein entsprechender Nutzen gegenübersteht, den der Normenkontrollrat und andere Institutionen im Rahmen des Regierungsprogramms generieren, ist fraglich. So werden etwa „schlechte Gesetze“ und ein diffuses „Zuviel an Bürokratie“ von verschiedenen Seiten weiterhin beklagt. Es sind daher wohl eher kleine Änderungen im regierungsinternen Verfahren der Gesetzeserarbeitung, die durch den Normenkontrollrat und die Inhalte des Regierungsprogramms bewirkt worden sind.

VI. Unabhängigkeit als zentrales Element Für den Begriff der Unabhängigkeit gibt es keine einheitliche Definition, sondern er umfasst unterschiedliche Dimensionen, die sich teilweise überschneiden.568 Grob unterschieden werden kann insbesondere zwischen personeller, funktionaler, sachlicher und organisatorisch-institutioneller Unabhängigkeit.569 Einen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt für das Verständnis des Begriffs bietet die in Art. 97 Abs. 1 und 2 GG verankerte richterliche Unabhängigkeit, die einen sachlichen und persönlichen Bezug aufweist. Im Kern geht es bei der Unabhängigkeit immer darum, dass Institutionen der Einflussnahme anderer auf ihr operatives Handeln entzogen sind.570 Das Maß der Unabhängigkeit bestimmt sich danach, wie stark das jeweilige Organ rechtlichen sowie politischen Steuerungs- und Kontrollverfahren unterliegt. Die in § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG verankerte Unabhängigkeit des Normenkontrollrates ist ein zentrales Element im Konzept des Bürokratiekostenabbaus in Deutschland. Diese Unabhängigkeit wird einerseits durch bestimmte Regelungen im NKRG abgesichert, andererseits erfährt sie durch die Einflussrechte des Bundeskanzlers und der Bundesregierung in Bezug auf Mitgliederauswahl und Aufsicht erhebliche Einschränkungen.

568

Bredt, Legitimation, S. 37; Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 87. Siehe dazu Bredt, Legitimation, S. 29 ff.; Tschentscher, Demokratische Legitimation, S. 101 ff. 570 Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 87; Beispiele für andere unabhängige Sachverständigengremien sind: Deutscher Ethikrat (§ 3 EthRG), Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (§ 3 Abs. 1 SachvRatG), Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (§ 4 Abs. 3 S. 1 GenTG). 569

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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1. Unabhängiger Status des Normenkontrollrates Der Normenkontrollrat ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG in seiner Tätigkeit unabhängig und nur an den durch das NKRG begründeten Auftrag gebunden. Die gewählten Mitglieder des Normenkontrollrates unterliegen somit keinen fachlichen Weisungen der Bundesregierung oder sonstiger staatlicher Stellen.571 Das gilt gemäß § 3 Abs. 9 S. 3 und 4 NKRG auch für den Leiter und die Mitarbeiter des Sekretariats, die nur den Weisungen der Mitglieder des Normenkontrollrates Folge zu leisten haben. Zweck der Unabhängigkeit ist es, die Neutralität der Sachentscheidungen des Rates sicherzustellen.572 Die Unabhängigkeit soll gegenüber allen Bundesorganen der Exekutive und Legislative gelten, da der Normenkontrollrat nur auf diese Weise seine Kontrollfunktion im Gesetzgebungsverfahren neutral wahrnehmen könne. Gestärkt wird die Unabhängigkeit überdies durch die Tatsache, dass der Normenkontrollrat auf der Grundlage eines Bundesgesetzes eingesetzt wurde. Für seine Abschaffung ist daher eine Entscheidung der Bundesregierung nicht ausreichend, sondern es bedarf eines entsprechenden Mehrheitsbeschlusses des Parlaments.573 In personeller Hinsicht schützen Inkompatibilitätsregelungen und statusrechtliche Vorgaben die Unabhängigkeit des Normenkontrollrates. Die Inkompatibilität der Mitgliedschaft im Normenkontrollrat erstreckt sich gemäß § 3 Abs. 3 NKRG auf Tätigkeiten für gesetzgebende Körperschaften sowie für Bundes- und Landesbehörden. Sie wird untermauert durch eine Karenzzeit von einem Jahr zwischen Ausscheiden aus einer entsprechenden Stellung und der Berufung zum Mitglied des Rates. Für die Mitglieder des Normenkontrollrates gilt mit ihrer Berufung eine Amtszeit von fünf Jahren. Sie sind gemäß § 3 Abs. 1 S. 5 NKRG berechtigt, ihr Amt vor Ablauf dieses Zeitraums niederzulegen. Eine Abberufung ist hingegen weder gesetzlich vorgesehen, noch wäre sie mit dem unabhängigen Status des Rates vereinbar. Aus diesem Grund ist die Amtszeit der Mitglieder nicht an den Bestand der jeweiligen Bundesregierung gekoppelt. Einen weiteren Teilaspekt der personellen Unabhängigkeit stellt es dar, dass die Mitglieder ihr Mandat im Normenkontrollrat gemäß § 3 Abs. 5 NKRG ehrenamtlich ausüben. Zwar erhalten sie eine entsprechende Entschädigung, doch soll die Ausgestaltung als Ehrenamt nicht nur verhindern, dass die Mitglieder in wirtschaftlicher Hinsicht auf die Tätigkeit im Normenkontrollrat angewiesen sind, sondern auch, dass die Mitwirkung in Beratungsgremien gewerbsmäßige Ausmaße annimmt574. Um die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit des Normenkontrollrates insgesamt zu garantieren, erstreckt sie sich ebenfalls auf dessen wissenschaftlich-orga 571 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (115); Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418). 572 Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418). 573 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (115). 574 Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 276 (281).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

nisatorischen Unterbau.575 Aus diesem Grund sind die Sekretariatsmitarbeiter, die die Hauptlast der in dem Gremium anfallenden Arbeit tragen, Adressat einiger personalrechtlicher Sonderbestimmungen. So dürfen sie gemäß § 3 Abs. 9 S. 5 NKRG weder haupt- noch nebenamtlich gleichzeitig innerhalb der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung des Bundes oder der Länder tätig sein. Die Mitarbeiter können zudem nach § 3 Abs. 12 S. 5 NKRG nur im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Normenkontrollrates versetzt, abgeordnet oder umgesetzt werden, falls sie mit der beabsichtigten Maßnahme nicht einverstanden sind. 2. Einschränkung durch Rechtsaufsicht Der Normenkontrollrat ist nach § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG an den durch das NKRG begründeten Auftrag rechtlich gebunden. Mit dieser Rechtsbindung korrespondiert die von § 3 Abs. 8 NKRG angeordnete Rechtsaufsicht. Unter Rechtsaufsicht ist generell die Befugnis der Aufsichtsinstanz zu verstehen, das beaufsichtigte Organ zur Einhaltung seiner Zuständigkeitsgrenzen und zum aufgabengemäßen Handeln anzuweisen, ohne dass die Art und Weise der Kompetenzausübung gerügt werden könnte. Geführt wird die Rechtsaufsicht über den Normenkontrollrat vom Chef des Bundeskanzleramts. Die Gesetzesbegründung betont unter Hinweis auf nicht näher genannte „Beispiele aus der Vergangenheit“, dass trotz Unabhängigkeit nicht auf eine ausdrückliche Rechtskontrolle verzichtet werden solle.576 Mit den Beispielen aus der Vergangenheit nimmt der Gesetzgeber vermutlich Bezug auf den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und die Deutsche Bundes­bank. Beide Institutionen waren und sind aus Teilen der Rechtswissenschaft dem Vorwurf ausgesetzt, die mit ihrer Unabhängigkeit einhergehende Weisungsfreiheit verstoße gegen die Verfassung.577 Anknüpfungspunkt für die Kritik ist das aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Verbot des sog. „ministerialfreien Raums“, das insbesondere in den 1960-er und 70-er Jahren einen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Diskussionsgegenstand darstellte.578 Es besagt, 575 BT-Drs. 16/1406, S. 6; BT-Drs. 17/1954, S. 6 f.; Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 40; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 2; Seckelmann, ZRP 2010, 213 (215); laut Schultze, DÖV 2007, 401 (410) sei die Weisungsfreiheit des Sekretariats für die Wirksamkeit der Stellungnahmen des Normenkontrollrates von erheblicher Bedeutung. 576 BT-Drs. 16/1406, S. 6. 577 Zum Sachverständigenrat: Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 257 ff.; Heinze, Der Staat 1967, 433 (437); Klein, Verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 71, 215; zur Deutschen Bundesbank: Battis / Gusy, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 25–27; v. Bonin, Zentralbanken, S. 166 ff.; Klein, Verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 127 ff., 215. 578 Vgl. dazu ausführlich Fichtmüller, AöR 91 (1966), S. 297 ff.; Klein, Verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes; Müller, JuS 1985, 497 ff.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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dass mit staatlichen Aufgaben betraute Stellen, die aufgrund ihrer Unabhängigkeit nicht ministerieller Aufsicht unterliegen und infolgedessen dem Parlament gegenüber keine Verantwortung tragen, mit Art. 20 Abs. 2 GG grundsätzlich unvereinbar seien.579 Bei entsprechenden von den Weisungen der Regierung unabhängigen Verwaltungseinheiten reduziere sich mangels parlamentarischer Rückbindung im Vergleich zum Grundkonzept der hierarchischen Ministerialverwaltung die Effektivität der demokratischen Legitimation.580 Ausnahmen vom Prinzip ministerieller Verantwortlichkeit erforderten daher eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung, die sich etwa aus dem besonderen Sachverstand der handelnden Stelle oder aus speziellen Verfassungsnormen ergeben könne. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist davon auszugehen, dass das Verbot des ministerialfreien Raums nur für solche Aufgaben gilt, die aufgrund ihrer politischen Tragweite nicht der Regierungsverantwortung entzogen werden dürfen.581 Um der oben genannten Argumentation des Gesetzgebers, dass eine Rechtsaufsicht erforderlich sei, folgen zu können, müsste der Normenkontrollrat im Fall des Verzichts auf eine Rechtsaufsicht als „ministerialfrei“ gelten. Daran ist unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zu zweifeln, da der Normenkontrollrat keine nach außen wirkenden Entscheidungsbefugnisse hat, sondern sich sein Einfluss auf ein unverbindliches Stellungnahmerecht bezüglich der Regierungsvorlagen im inneren Gesetzgebungsverfahren beschränkt. Sein Handeln schlägt sich nicht in der Erfüllung typischer Amtsaufträge der Verwaltung nieder. Es hat vielmehr lediglich Empfehlungscharakter im Verfahren der Entscheidungsfindung.582 Entscheidend ist zudem die Frage, ob sich die Regierung durch die spätere Veröffentlichung der Stellungnahmen zu einem Handeln, das in der Änderung des Gesetzentwurfs besteht, gezwungen sieht.583 Ein entsprechendes Tätigwerden würde hier jedoch nicht aus rechtlichem Zwang resultieren, sondern aus informellen Handlungszwängen, die der Qualität der Argumentation des Rates in seiner Stellungnahme Rechnung tragen. Aus diesem Grund spricht einiges dafür, dass die Einrichtung des Normenkontrollrates als unabhängiges Gremium kein typisches Beispiel für einen „ministerialfreien Raum“ darstellt. Die Normierung der Rechtsaufsicht über den Normenkontrollrat in § 3 Abs. 8 NKRG war infolgedessen jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich. Eine andere Bewertung vermag auch der Hinweis des Gesetzgebers, dass mehrere unabhängige Bundesbeauftragte einer gesetzlich vorgesehenen Rechtsaufsicht 579

v. Bonin, Zentralbanken, S. 167 f.; Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (299 f.); Kämper, Sachverständigenrat, S. 74; Loening, DVBl. 1954, 173 (175 ff.); Schmidt, Demokratische Legitimationsfunktion, S. 176. 580 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 198; ähnlich zu dieser Problematik Böcken­ förde, Organisationsgewalt, S. 96 f. 581 BVerfGE 9, 268 (282 f.); 22, 106 (113). 582 Siehe näher dazu unter Kap. 1, C. IV. 1. 583 Vgl. entsprechend zum Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bei Dietzel, Wissenschaft, S. 219 f.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

unterlägen584, nicht zu rechtfertigen. Mit dem Hinweis spielte der Gesetzgeber auf Institutionen wie den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (§ 35 Abs. 5 StUG) oder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (§ 22 Abs. 4 BDSG a. F.) an, die gemäß der jeweiligen gesetzlichen Regelung in der Ausübung ihres Amtes unabhängig sind, aber zugleich der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterstehen. Für den Bundesdatenschutzbeauftragten gilt die Rechtsaufsicht durch die Bundesregierung seit dem 01. Januar 2016 und einer entsprechenden Änderung des damaligen § 22 Abs. 4 BDSG jedoch nicht mehr. Der Gesetzgeber sah sich aufgrund der Rechtsprechung des EuGH verpflichtet, die Unabhängigkeit des Bundesdatenschutzbeauftragten durch eine Gesetzesnovelle zu stärken.585 Den Hintergrund bildeten zwei Urteile des EuGH, in denen das Gericht im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und Österreich entschieden hatte, dass die Formulierung „in völliger Unabhängigkeit“ nach Art. 28 Abs. 1 UAbs. 2 der RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie) eine Auslegung gebiete, die es den Kontrollstellen ermögliche, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme auszuüben.586 Es sei jede Anordnung und jede sonstige äußere Einflussnahme, ob unmittelbar oder mittelbar, ausgeschlossen, durch die in Frage gestellt werden könnte, dass die Kontrollstellen ihre Aufgabe erfüllen.587 Der EuGH ging sogar noch einen Schritt weiter und urteilte, dass selbst eine funktionelle Unabhängigkeit nicht ausreichend sein könne, um eine Kontrollstelle vor jeder äußeren Einflussnahme zu schützen. Die erforderliche Unabhängigkeit solle nicht nur die unmittelbare Einflussnahme in Form von Weisungen ausschließen, sondern auch jede Form der mittelbaren Einflussnahme, die zur Steuerung der Entscheidungen der Kontrollstelle geeignet wäre.588 Im Zuge der Anpassung des BDSG an das neue europäische Datenschutzrecht im Mai 2018 hat die Rechtsprechung des EuGH zur „völligen Unabhängigkeit“ des Bundesdatenschutzbeauftragten unmittelbar Eingang in § 10 Abs. 1 BDSG n. F. gefunden. Zwar gibt es für den Grad der Unabhängigkeit des Normenkontrollrates keine europarechtlichen Vorgaben, aber die Urteile zeigen, dass es Auslegungsmöglichkeiten vom Begriff der Unabhängigkeit einer Kontrollstelle gibt, die nicht mit Aufsichtsbefugnissen anderer staatlicher Stellen vereinbar sind. Von größerer Bedeutung ist jedoch die aus den Urteilen zu ziehende Schlussfolgerung, dass der schlichte Verweis des Gesetzgebers auf andere Regelungsbeispiele, in denen Unabhängigkeit und Rechtsaufsicht nebeneinander stehen, sich

584

BT-Drs. 16/1406, S. 6. BT-Drs. 18/2848, S. 11. 586 EuGH, Rs. C-518/07 (Kommission / Deutschland), Slg. 2010, I-1885 Rn. 30; Rs. C-614/10 (Kommission / Österreich), ECLI:EU:C:2012:631 Rn.  41. 587 EuGH, Rs. C-518/07 (Kommission / Deutschland), Slg. 2010, I-1885 Rn. 30; kritisch zu diesem Urteil Bull, EuZW 2010, 488 (489 ff.). 588 EuGH, Rs. C-614/10 (Kommission / Österreich), ECLI:EU:C:2012:631 Rn. 42 f. 585

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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in Bezug auf den Bundesdatenschutzbeauftragten im Nachhinein als untauglich herausgestellt hat. Nach dem vorzugswürdigen Verständnis ist Rechtsaufsicht entgegen der von Wittmann in Bezug auf den Normenkontrollrat geäußerten Auffassung gerade kein „Korrelat der Unabhängigkeit“589, sondern eine Einschränkung derselbigen. Das notwendige Korrelat der Unabhängigkeit besteht ebenso wie bei der richterlichen Unabhängigkeit ausschließlich in der Gesetzesbindung590, die in § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG ihren hinreichenden Ausdruck findet. Insbesondere wenn die Rechtsaufsicht so verstanden wird, dass sie auch darauf gerichtet sein soll, ob der Normenkontrollrat seine Aufgaben vollständig und zeitgerecht wahrnimmt591, bleibt für die Unabhängigkeit nur wenig Raum. Zwar mag es sinnvoll erscheinen, Aufsichtsmechanismen bereitzuhalten, um einer Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens durch zu lange Bearbeitungszeiten des Normenkontrollrates entgegenwirken zu können. Zwingend erforderlich ist die Rechtsaufsicht gleichwohl auch aus diesem Grund nicht. Voraussetzung für die Befassung des Bundeskabinetts mit einem Regelungsentwurf ist nicht zwangsläufig das Vorliegen einer dazugehörigen Stellungnahme des Normenkontrollrates, sondern nur die Zuleitung des Entwurfs an selbigen, um ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.592 Die Bundesregierung bedarf somit nicht unbedingt des Instruments der Rechtsaufsicht, um den Normenkontrollrat anzuhalten, fristgerecht seine Stellungnahmen zu erstellen, sondern kann bei entsprechender Fristüberschreitung den Gesetzentwurf im Kabinett auch ohne dessen Stellungnahme beraten. Wenn der Gesetzgeber jedoch eine Rechtsaufsicht für geboten hält, ist diese eng auszulegen und darauf zu beschränken, ob der Rat die Grenzen seiner gesetzlich vorgegebenen Befugnisse einhält. Aber selbst eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle erzeugt ein Konfliktpotenzial bezüglich des unabhängigen Kontrollund Beratungsauftrages des Rates. Neben der organisatorisch-institutionellen Un­abhängigkeit ist insbesondere die funktionale bzw. sachliche Unabhängigkeit eines Gremiums von Bedeutung. Funktionale bzw. sachliche Unabhängigkeit verlangt, dass das Kontrollgremium seine Aufgabe unabhängig von Einflüssen der zu kontrollierenden Stelle wahrnehmen kann.593 Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang, dass der Chef des Bundeskanzleramts und damit ein Vertreter der Bundesregierung die Rechtsaufsicht ausübt, obwohl der Normenkontrollrat gerade als Kontroll- und Beratungsorgan der Bundesregierung konzipiert ist.

589

Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418). Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 22; Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97 Rn. 25; Schoch, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR III, § 50 Rn. 56. 591 So Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418). 592 Siehe dazu unter Kap. 1, A. II. 3. a). 593 Vgl. Bull, EuZW 2010, 488 (488); Dittmann, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 203 (213) misst der Weisungsfreiheit von Beratungsinstitutionen in der GFA einen hohen Stellenwert zu. 590

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Basie­rend auf dieser Interessenkollision existiert die Gefahr, dass das Bundeskanzleramt über die „Hintertür der Rechtsaufsicht“ sachspezifische Einzelweisungen erteilen könnte.594 Derartige Einflussmöglichkeiten durch eine Amtsperson, die politisch der Bundesregierung und damit der zu kontrollierenden Stelle angehört, sind potenziell geeignet, die funktionale Unabhängigkeit des Normenkontrollrates zu beeinträchtigen. 3. Anbindung an das Bundeskanzleramt Der Normenkontrollrat ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 NKRG beim Bundeskanzleramt angesiedelt. Im Gesetzentwurf zum NKRG heißt es, dass die Unabhängigkeit des Normenkontrollrates durch die Zuordnung zum Bundeskanzleramt nicht berührt werde.595 Daran bestehen berechtigte Zweifel, da die Anbindung an das Bundeskanzleramt nicht in Einklang zu bringen ist mit einer etwaigen organisatorischinstitutionellen Unabhängigkeit des Normenkontrollrates. Organisatorisch-institu­ tionelle Unabhängigkeit setzt voraus, dass ein Gremium nicht in den hierarchischen Staatsaufbau integriert ist, sondern völlig selbstständig über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung entscheiden kann.596 Zwar unterliegt der Normenkontrollrat nicht einem fachlichen Weisungsrecht des Bundeskanzlers, gleichwohl schlägt sich die Anbindung an das Bundeskanzleramt in der gesamten Konzeption des Normenkontrollrates nieder. Zunächst spiegelt sich die Anbindung an das Bundes­ kanzleramt in haushaltsrechtlicher Hinsicht wider. Die Finanzmittel des Normenkontrollrates sind im Einzelplan 04, der die Ausgaben von Bundeskanzler und Bundeskanzleramt regelt, des Bundeshaushaltsplans angesetzt. Ein eigener Einzelplan, über den beispielsweise unabhängige oberste Bundesbehörden wie der Bundesrechnungshof oder der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit verfügen, steht dem Normenkontrollrat hingegen nicht zu. Obwohl der Normenkontrollrat nahezu ausschließlich die Kostenabschätzungen in den Gesetzentwürfen der Bundesregierung überprüft, ist es gerade die Bundesregierung, der weitgehende Einflussrechte in Bezug auf seine Tätigkeitsausübung zustehen. Aus diesem Grund ist die organisatorische Selbstständigkeit des Normenkontrollrates gering.597 Zu den Einflussrechten zählt zunächst die bereits erwähnte Rechtsaufsicht über den Normenkontrollrat nach § 3 Abs. 8 NKRG, die der Chef des Bundeskanzleramts ausübt. Weiterhin ist es nicht der Normenkontrollrat selbst, der aus seiner Mitte einen Vorsitzenden wählt, sondern dieses Auswahlrecht 594 Siehe allgemein zu dieser Problematik bei unabhängigen Gremien Ahlswede, Der Nationale und der Deutsche Ethikrat, S. 88; Kämper, Sachverständigenrat, S. 85. 595 BT-Drs. 16/1406, S. 5; dieser Auffassung folgend Weidemann, VR 2007, 7 (8). 596 Bull, EuZW 2010, 488 (488); Tschentscher, Demokratische Legitimation, S. 103. 597 So auch Schröder, DÖV 2007, 45 (49), der darin aber kein grundsätzliches Problem sieht; demgegenüber ist Meßerschmidt, ZJS 2008, 224 (224) sogar der Ansicht, dass diese Anbindung den Einfluss des Bundeskanzlers auf die Gesetzgebung stärkt.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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steht gemäß § 3 Abs. 4 NKRG allein dem Bundeskanzler zu. Da der Vorsitzende die Leitungsposition innerhalb des Normenkontrollrates bekleidet und besonderen Einfluss auf die inhaltliche Schwerpunktsetzung nehmen kann, vermag der Bundeskanzler diese mit seiner Auswahlentscheidung mittelbar zu steuern. Als ein weiterer bedeutsamer Bestandteil organisatorischer Unabhängigkeit gilt das Recht eines Gremiums zur Selbstorganisation. Dieses findet seinen Ausdruck in der Geschäftsordnungsautonomie, die es einem Gremium ermöglicht, die innere Organisation und den förmlichen Geschäftsgang selbst zu regeln. Eine derartige Geschäftsordnungsautonomie kann der Normenkontrollrat jedoch nicht für sich beanspruchen. Die Geschäftsordnung, die über die Regelungen im NKRG hinaus die Verfahrensvorgänge innerhalb des Normenkontrollrates bestimmt, unterliegt gemäß § 3 Abs. 7 NKRG dem Vorbehalt, dass der Bundeskanzler sie im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung billigt. Damit steht der Bundesregierung die Möglichkeit offen, auf die internen Verfahrensweisen des Normenkontrollrates Einfluss zu nehmen und bei unliebsamen Regelungen auf Änderungen hinzuwirken. 4. Auswahl der Mitglieder durch die Bundesregierung Die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit verhindert es, dass der Normenkon­ trollrat Adressat fachlicher Weisungen wird. Große Bedeutung erlangt aus diesem Grund das personelle Besetzungsverfahren, da es durch die Auswahl der Mitglieder möglich ist, im Vorfeld zumindest mittelbar auf die Entscheidungen des zu besetzenden Gremiums Einfluss zu nehmen.598 Zwar entscheiden die Mitglieder in der Sachfrage unabhängig, jedoch ergibt sich aus ihrem fachlichen Hintergrund und ihrer Gruppenzugehörigkeit in der Regel eine bestimmte inhaltliche Einstellung599. Ausgehend von der Frage, ob dem Auswahlrecht der Bundesregierung im Besetzungsverfahren effektive Grenzen gesetzt sind, ist zu klären, in welchem Umfang auch dadurch die funktionale Unabhängigkeit des Normenkontrollrates beeinträchtigt sein könnte. Das Vorschlagsrecht für die Mitglieder des Normenkontrollrates liegt gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 NKRG beim Bundeskanzler. Er muss es im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung ausüben. In § 3 Abs. 2 NKRG hat der Gesetzgeber bestimmte Kriterien verankert, welche die zukünftigen Mitglieder des Normenkontrollrates erfüllen sollen. Es entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, dass der Gesetzgeber wesentliche Fragen der Zusammensetzung eines 598 Bryde, Wirtschaftspolitische Beratungsgremien, S. 114; Groß, in: Sommermann (Hrsg.), Gremienwesen, S. 17 (29); in diesem Kontext sprechen Hustedt / Veit / Fleischer, in: PSCA, Heft 2 (2013), 15 (16 f.) von „kontrollierter Unabhängigkeit“ derartiger Sachverständigenräte. 599 Vgl. Groß, in: Sommermann (Hrsg.), Gremienwesen, S. 17 (29); ähnlich Voßkuhle, in: Botzem u. a. (Hrsg.), Governance als Prozess, S. 547 (559).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Experten­gremiums näher zu bestimmen hat.600 Das NKRG verlangt, dass die Mitglieder Erfahrungen in legislativen Angelegenheiten innerhalb staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen gesammelt haben und über Kenntnisse in wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügen. Diese gesetzlich normierten Erfordernisse an die Qualifikation geben grob das Umfeld vor, aus dem die Mitglieder zu rekrutieren sind. Dementsprechend handelt es sich mehrheitlich um ehemalige Politiker und / oder Staatssekretäre sowie vereinzelt um Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter, die im Normenkontrollrat sitzen.601 Bislang vergeblich war die Suche nach Vertretern der Sozial- und Umweltverbände sowie der Gewerkschaften im Normenkontrollrat. Das lässt nicht nur Rückschlüsse auf den Grad der Unabhängigkeit zu, der politisch gewünscht ist, sondern offenbart auch, dass der Blickwinkel des Gremiums unweigerlich beschränkt ist. Die Nichtbeachtung bestimmter Interessengruppen korrespondiert mit dem begrenzten Ansatz der Bürokratiekostenmessung, der sich auf ökonomische Kosten politischer Vorhaben bezieht, ohne soziale und ökologische Auswirkungen zu berücksichtigen. Die erläuterten Anforderungen an Sachverstand und Unbefangenheit der Mitglieder ziehen dem Auswahlrecht der Bundesregierung hinsichtlich der Zusammensetzung des Normenkontrollrates Grenzen. Gleiches gilt für die Voraussetzung, dass die Mitglieder gemäß § 3 Abs. 1 S. 3 NKRG vom Bundespräsidenten berufen werden müssen.602 Erörterungsbedürftig erscheint vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Bundesregierung die insbesondere an den Sachverstand der potenziellen Ratsmitglieder gestellten, rechtlichen Vorgaben tatsächlich beachtet. Die bisherige Auswahlpraxis lässt teilweise daran zweifeln und war von Beginn an nicht unbestritten. Bereits bei der Berufung der ersten Mitglieder im Jahr 2006 übten Wirtschaftsvertreter dahingehend Kritik, dass die Wirtschaft nicht in ausreichendem Maße vertreten sei und betriebswirtschaftliche Kenntnisse bei den meisten Mitglieder fehlten.603 Als die Bundesregierung nach der Erweiterung des Normenkontrollrates im März 2011 zwei neue Mitglieder auswählte, monierte die damals in der Opposition sitzende SPD insbesondere die Berufung des zu diesem Zeitpunkt 30-jährigen Sebastian Lechners, der zugleich Vorsitzender der Jungen Union in Niedersachsen war. Sie begründete ihre Kritik damit, dass Lechner weder über die vom Gesetz verlangten Erfahrungen in legislativen Angelegenheiten verfüge noch die erforderlichen wirtschaftlichen Kenntnisse mitbringe.604 Offenkundig ist, dass bei der Auswahl der Mitglieder der sich in der Zusammensetzung der Bundesregierung widerspiegelnde Parteienproporz eine wesentliche 600 BVerfGE 83, 130 (153) zur Zusammensetzung der Bundesprüfstelle, die im Gegensatz zum Normenkontrollrat aber auch grundrechtsrelevante Entscheidungen trifft. 601 Siehe zur aktuellen Zusammensetzung näher unter Kap. 1, A. III. 1. 602 Schröder, DÖV 2007, 45 (49). 603 Dazu Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (64); Dose, dms 2008, 99 (106) bezweifelt, ob die Sachkenntnis der Mitglieder ausreichend sei, um die Notwendigkeit einer Regelung abschätzen zu können. 604 Dazu FAZ Nr. 88 v. 14.04.2011, S. 4.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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Rolle spielt.605 CDU / CSU und SPD, die im Zeitpunkt der Einsetzung des Normen­ kontrollrates die Bundesregierung stellten, beriefen 2006 jeweils vier Mitglieder in das neue Gremium.606 Ein Grund für die Anhebung der Mitgliederzahl des Normenkontrollrates im Jahr 2011 bestand auch darin, das vertretene Parteienspektrum erweitern zu können607, um der mittlerweile in der Bundesregierung sitzenden FDP einen Posten in dem Gremium zu sichern. Bei der Neubesetzung im September 2016 einigte sich die Große Koalition für die zwei vakanten Posten mit Conny Mayer-Bonde und Rainer Holtschneider auf Kandidaten, die bereits nach ihrem Lebenslauf erkennbar jeweils einer der beiden Regierungsparteien politisch nahestehen. Vor diesem Hintergrund ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass das Besetzungsverfahren in ein politisches „Postengeschacher“ mündet. Um dieses abzuwenden und die Anforderungen an Sachverstand und Unbefangenheit zu gewährleisten, hat Meinhard Schröder vorgeschlagen, dem Bundespräsidenten ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Beachtung dieser Vorgaben einzuräumen.608 In rechtlicher Hinsicht steht dem Bundespräsidenten angesichts der Gesetzesbindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ein Prüfungsrecht dahingehend zu, ob die Bundesregierung die zwingenden gesetzlichen Vorgaben bei der Mitgliederauswahl eingehalten hat.609 Die Inkompatibilitätsvorschrift des § 3 Abs. 3 NKRG verbietet die gleichzeitige Ausübung bestimmter Tätigkeiten neben der Mitgliedschaft im Normenkontrollrat und sieht eine obligatorische Karenzzeit von einem Jahr bei entsprechenden Tätigkeiten vor. Diese Regelung ist nach ihrem Wortlaut zwingend und gestattet nur die von ihr selbst vorgesehenen Ausnahmen. Die Berufung eines Mitglieds, das die Bundesregierung unter Missachtung von § 3 Abs. 3 NKRG vorschlägt, kann der Bundespräsident folglich verweigern. Anders gelagert ist die Problematik bezüglich des erforderlichen Sachverstandes der vorgeschlagenen Mitglieder. Die diesbezügliche Regelung in § 3 Abs. 2 NKRG ist als „Soll“-­Vorschrift formuliert und gilt somit unter der Voraussetzung als rechtlich nicht zwingend, dass Umstände vorliegen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen610. Als praktisch schwierig dürfte es sich erweisen, den Bundespräsidenten die Lebensläufe der vorgeschlagenen Mitglieder daraufhin überprüfen zu lassen, ob sie die notwendige Qualifikation mitbringen. Auch die Einschlägigkeit eines atypischen Falls, der die Bundesregierung ermächtigt, anders zu verfahren als von § 3 Abs. 2 NKRG vorgesehen, entzieht sich einer praktisch sinnvollen Überprüfung. Vor allem die Frage, welche Anforderungen die Voraussetzung „Kenntnisse in wirtschaftlichen 605

Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (62 Fn. 20). Bach / Jantz / Veit, in: Egle / Zohlnhöfer (Hrsg.), Zweite Große Koalition, S. 463 (469); Heiser, SZ Nr. 217 v. 20.09.2006, S. 22. 607 Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (257). 608 Schröder, DÖV 2007, 45 (49). 609 Vgl. zur ähnlich gelagerten Frage des Weigerungsrechts des Bundespräsidenten bei der Ernennung der Bundesminister nach Art. 64 GG Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 64 Rn. 27; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. 12 ff. 610 BVerwGE 78, 101 (105); 90, 275 (278); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 321; Sachs, in: Stelkens u. a., VwVfG, § 40 Rn. 26. 606

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Angelegenheiten“ verlangt, ist aus sich heraus nicht eindeutig zu beantworten. Die Kombination aus „Soll“-Vorschrift sowie unbestimmten Voraussetzungen schließt zwar grundsätzlich ein rechtliches Prüfungsrecht des Bundespräsidenten nicht aus, macht es aber praktisch kaum handhabbar. Erwägenswert könnte es aus diesem Grund sein, ein Weigerungsrecht des Bundespräsidenten nur dann anzunehmen, wenn eine von der Bundesregierung vorgeschlagene Person offensichtlich nicht über den nach § 3 Abs. 2 NKRG erforderlichen Sachverstand verfügt. Damit bestünde eine Grenze, die das rechtliche Prüfungsrecht auf die seltenen Fälle beschränkt, in denen die Bundesregierung Mitglieder vorschlägt, die aufgrund ihrer Kenntnisse evident ungeeignet sind. Ein darüber hinausreichendes politisches Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bei der Mitgliederauswahl für den Normenkontrollrat ist weder im Wortlaut des Gesetzes („Dieser beruft…“) angelegt noch mit der in erster Linie repräsentativen Stellung des Bundespräsidenten vereinbar, die ihm das Grundgesetz zuerkennt. Es gibt somit gesetzliche Vorgaben für das Besetzungsverfahren des Normenkontrollrates und mit dem Bundespräsidenten eine Instanz, die die Einhaltung dieser Vorgaben in Teilen kontrollieren könnte. Nicht verhindert werden kann dadurch jedoch, dass die Bundesregierung Mitglieder vorschlägt, die ihr politisch nahestehen und die Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus diesem Grund unkritisch wahrnehmen. Durch die Tatsache, dass das Vorschlagsrecht nach den gesetzlichen Regelungen allein bei der Bundesregierung liegt, hat diese es in der Hand, durch eine ihr gegenüber loyale Besetzung die Kontrollfunktion des Normenkontrollrates faktisch aufzuheben. In Zusammenschau mit den bereits dargestellten Einwirkungsrechten verdeutlicht sich, dass die Bundesregierung als die zu kontrollierende Organisationseinheit potenziell über bedeutsame unmittelbare wie mittelbare Steuerungsmöglichkeiten in Bezug auf die Tätigkeit des Normenkontrollrates verfügt. Aus diesem Grund ist neben der organisatorischen auch die funktionale Unabhängigkeit des Normenkontrollrates nicht in dem Maße gewährleistet, wie es für ein Kontrollgremium in zweckmäßiger Hinsicht erforderlich wäre. Rechtlich gesehen stößt der gesetzlich bestimmte Umfang der Unabhängigkeit jedoch auf keine Bedenken, sondern steht im Ermessen des Gesetzgebers. Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten wäre eine weitergehende Unabhängigkeit hingegen zu begrüßen. Obwohl dem Normenkontrollrat nur eine methodische Prüfungsbefugnis zusteht, ist deren unvoreingenommene Ausübung ausschlaggebend für die Akzeptanz und Überzeugungskraft seiner Stellungnahmen im weiteren Gesetzgebungsverfahren.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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VII. Rechtliche Grenzen des Mandats Neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die sich in Bezug auf die Tätigkeit des Normenkontrollrates ergeben und die Gegenstand des nächsten Abschnitts sind, gilt es die rechtlichen Grenzen zu beachten, die das NKRG abgesehen von Prüfungsgegenständen und Prüfungsumfang der Arbeit des Gremiums setzt. 1. Fehlende normative Grundlage für Projekttätigkeit Es stellt sich insbesondere die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage der Normenkontrollrat die bereits unter Kap. 1, A. III. 5. beschriebenen Projekte angestoßen und durchgeführt hat. Ziel der Projekte war und ist es, die von spezifischen Bundesregelungen ausgehenden Kostenbelastungen für Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung zu identifizieren. Gegenstand der Projekte sind folglich bestehende Bundesgesetze, die gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 NKRG grundsätzlich vom Prüfmandat des Normenkontrollrates erfasst sind. Allerdings erschöpft sich die Projekttätigkeit nicht darin, den Erfüllungsaufwand bestehender Bundesgesetze zu ermitteln und zu überprüfen, sondern der Normenkontrollrat und seine Kooperationspartner nutzen die gewonnenen Daten, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und den gesetzgebenden Körperschaften Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Allgemeine Anregungen zu gesetzgeberischen Änderungen vermag der Normenkontrollrat jedoch nicht auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Nr. 6 NKRG zu geben. Die Durchführung der Projekte könnte aber den in § 5 Abs. 1 NKRG abschließend aufgeführten Befugnissen des Normenkontrollrates zugeordnet werden. Zu den Befugnissen gehört, dass der Normenkontrollrat berechtigt ist, eigene Anhörungen durchzuführen, Gutachten in Auftrag zu geben und der Bundesregierung Sonderberichte vorzulegen. Von „Projekten“ ist in diesem Kontext allerdings nicht die Rede. Sie lassen sich nach dem Wortlaut auch nicht ohne weiteres unter eine dieser Befugnisse subsumieren. Zwar vollzieht der Normenkontrollrat die Projekte nicht allein, sondern jeweils in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Körperschaften. Jedoch initiierte er die meisten der Projekte, nutzt sie zur Außendarstellung und tritt neben den jeweiligen Projektpartnern als Herausgeber der Abschlussberichte auf. Aus diesem Grund liegt weder eine externe Gutachtenvergabe noch eine Anhörung vor. Ebenso scheidet eine Einordnung der Projektberichte als Sonderberichte i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 4 NKRG aus. Der Normenkontrollrat deklariert die Projektberichte weder als Sonderberichte noch adressiert er sie an die Bundesregierung. Selbst wenn die Projektberichte als Sonderberichte nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 NKRG angesehen werden würden, wäre damit aber noch nicht die Durchführung der Projekte an sich legitimiert. Die einzig denkbare Grundlage für die Durchführung der Projekte könnte in der Funktion des Normenkontrollrates als Beratungsorgan der Bundesregierung

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

gemäß § 1 Abs. 2 NKRG liegen. Die Projekte verfolgen schließlich den Zweck, Abbaupotenziale im Hinblick auf Kostenbelastungen zu identifizieren, damit diese Eingang in die Gesetzgebungsarbeit der Regierung finden können. Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese weit gefasste Norm, die generell die Beratungsfunktion des Normenkontrollrates beschreibt, als konkrete Rechtsgrundlage für die Projekttätigkeit dienen kann. Zwar gilt für das Handeln des Normenkontrollrates kein genereller Gesetzesvorbehalt, da sich seine informatorische Beratungstätigkeit nicht als grundrechtsrelevant darstellt. Jedoch zählt das NKRG explizit die Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten des Normenkontrollrates auf und gibt somit den recht­ lichen Rahmen vor, innerhalb dessen sich das öffentliche Gremium zu bewegen hat. Wenn die Beratungsfunktion die Initiierung und Durchführung von Projekten umfasst, könnte der Normenkontrollrat viele Aktivitäten aufnehmen, die nur bedingt in Verbindung zu seinen gesetzlich festgelegten Kernaufgaben stehen. Es spricht folglich einiges dafür, dass der Normenkontrollrat mit den von ihm durchgeführten Projekten über seinen gesetzlichen Auftrag hinausschießt. Die Tatsache, dass bislang niemand dieses Problem angesprochen hat, liegt wohl darin begründet, dass die Projekte auf freiwilliger Basis stattfinden und nicht auf Leistungsvergleiche abzielen, sondern dazu dienen, Verbesserungspotenziale aufzuzeigen, ohne dass damit zwingende Folgen verbunden wären. 2. Begrenzter Öffentlichkeitsbezug Die Öffentlichkeitskomponente des Normenkontrollrates ist im Gesetz nur schwach ausgeprägt. Lediglich in § 6 Abs. 1 S. 1 NKRG findet sich der negative Hinweis, dass der Normenkontrollrat seine Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen nicht öffentlich abgibt. Ein beschränkter Öffentlichkeitseffekt folgt gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 NKRG aus der Vorgabe, dass die Stellungnahmen dem Gesetzentwurf bei dessen Einbringung in den Bundestag angehängt werden.611 § 42 Abs. 1 S. 2 GGO stellt klar, dass die Stellungnahmen des Normenkontrollrates Bestandteil der Gesetzesvorlage der Bundesregierung sind. Folglich enthalten die Gesetzentwürfe, sofern sie vom Normenkontrollrat überprüft worden sind, dessen Stellungnahme, so dass es jedermann über die Bereitstellung der Bundestagsdrucksachen im Internet möglich ist, davon Kenntnis zu erlangen. Abgesehen davon ist der Normenkontrollrat gemäß seiner gesetzlichen Grundlage erkennbar als Gremium angelegt, das im Hintergrund agieren soll. Er nutzt gleichwohl die sich ihm bietenden Möglichkeiten, um eine gewisse Öffentlichkeit über seine Tätigkeit und die von ihm verfolgten Ziele herzustellen.612 Zu diesem Zweck überreichen die Mitglieder des Rates jährlich dem Bundeskanzler im Rahmen einer medienöffentlichen Veranstaltung den gemäß § 6 Abs. 2 NKRG zu entwer 611 612

Schröder, DÖV 2007, 45 (48). Zur Veröffentlichungspraxis des Normenkontrollrates siehe unter Kap. 1, A. III. 6.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

163

fenden Jahresbericht. Aus der gesetzlichen Formulierung des § 6 Abs. 2 S. 1 NKRG ergibt sich allerdings nicht die Befugnis des Normenkontrollrates, den Jahresbericht selbst zu veröffentlichen.613 Dennoch hat sich in der Vergangenheit die Praxis eingespielt, dass der Rat die Berichte kurz nach der Übergabe an den Bundeskanzler im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Darüber hinaus gibt der Normenkontrollrat seit 2012 jährlich ein Gutachten zu aktuellen Themen bezüglich „besserer“ Rechtsetzung in Auftrag. Die entsprechende Befugnis dazu ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 NKRG. Die Veröffentlichung der Gutachten nutzt der Normenkontrollrat, um zumindest im Rahmen einer Pressemitteilung die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens vorzustellen. Ebenfalls durch eine Pressemitteilung verweist der Normenkontrollrat auf seine Stellungnahme zum jährlichen Bericht der Bundesregierung nach § 7 NKRG. Darin hat er gemäß § 4 Abs. 4 NKRG zur Frage, inwieweit die Bundesregierung ihre Ziele zu „Bürokratieabbau und besserer Rechtsetzung“ erreichen konnte, Stellung zu beziehen. Sofern die Öffentlichkeitsarbeit diesen Rahmen nicht verlässt, steht sie in Einklang mit dem gesetzlichen Auftrag des Normenkontrollrates. Einer kritischen Beurteilung bedürfen hingegen die öffentlichen Äußerungen des Normenkontrollrates, die sich nicht unmittelbar aus seinen Befugnissen ergeben und keinen konkreten Bezug zu seinen gesetzlichen Aufgaben aufweisen. Dazu gehören Stellungnahmen zu von der Bundesregierung verkündeten politischen Maßnahmen wie der Einführung der „one in, one out“-Regelung614, die der Normenkontrollrat mit den Worten „Ein guter Tag im Kampf gegen Bürokratie und gesetzliche Kostenflut“ kommentiert hat.615 Ein weiteres Beispiel stellt die Pressemitteilung zum Evaluierungsbericht zur Umsetzung des Regierungsprogramms „Digitale Verwaltung 2020“ dar, in welcher der Normenkontrollrat dem Regierungsprogramm attestierte, dass es deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibe.616 Entsprechende Meinungskundgaben können nur schwerlich unter die in § 1 Abs. 2 NKRG normierte Beratungsfunktion subsumiert werden. Da sachverständige Beratung das Ziel verfolgt, im positiven Sinne auf den Inhalt politischer Entscheidungen Einfluss zu nehmen, muss sie im Vorfeld oder im Rahmen eines laufenden Entscheidungsprozesses stattfinden und nicht erst, wenn der Beratene bereits eine getroffene Entscheidung verkündet hat. Noch bedenklicher ist der Fall, wenn sich der Normenkontrollrat zu Entscheidungen des Bundestages oder Bundesrates negativ äußert. So hat er den Beschluss des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 12. Dezember 2012 zum Jahressteuergesetz 2013, in dem auf eine zunächst vorgesehene Verkürzung der Aufbewahrungsfristen nach Handels- und Steuerrecht verzichtet wurde,

613

Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 276 (283). Dazu unter Kap. 1, A. I. 2. e). 615 NKR, Pressemitteilung vom 25. März 2015, Kampf gegen gesetzliche Kostenflut. 616 NKR, Pressemitteilung vom 17. Mai 2017, Digitalisierung der Verwaltung. 614

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

mit der Überschrift „Große Chance zum Bürokratieabbau vertan“ kommentiert.617 Das Instrument des Normenkontrollrates, um sich zur Darstellung der Kostenfolgen eines Gesetzentwurfs zu äußern, bilden ausschließlich die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nach §§ 6 Abs. 1, 4 Abs. 3 NKRG abzugebenden Stellungnahmen. Darüber hinausgehende öffentliche Einschätzungen zu politischen Entscheidungen der Legislative im Gesetzgebungsprozess sind dem Normenkontrollrat nicht gestattet. Politisch mag es gewollt gewesen sein, dass der Normenkontrollrat dem Thema Bürokratieabbau „öffentliche Aufmerksamkeit und Resonanz“ verschafft.618 Dem politischen Willen muss jedoch eine entsprechende Ausgestaltung der rechtlichen Voraussetzungen folgen. Da dieses im NKRG hinsichtlich der beschriebenen Sachverhalte nicht der Fall ist, liegt ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Rates außerhalb des gesetzlich zugelassenen Rahmens. Die Möglichkeit, dem Normenkontrollrat diesen Teil seiner Öffentlichkeitsarbeit zu untersagen, stünde dem Chef des Bundeskanzleramts zu, der gemäß § 3 Abs. 8 NKRG die Rechtsaufsicht über das Gremium führt. Solange es jedoch von der Gubernative politisch gewünscht ist, dass der Normenkontrollrat als kritischer Begleiter der Bundesregierung bzw. des Parlaments fungiert, hat er keine Sanktionierung dieser außerhalb seines Mandats liegenden öffentlichen Äußerungen zu befürchten. 3. Methodik Gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 NKRG ist für die Durchführung der Bürokratiekostenmessung das Standardkosten-Modell gesetzlich festgeschrieben. Für die Ermittlung des Erfüllungsaufwands greifen die Bundesministerien auf eine fortentwickelte Variante des Standardkosten-Modells zurück. Es handelt sich bei § 2 Abs. 3 S. 1 und 2 NKRG um den Verweis auf eine entwicklungsoffene sozialwissenschaftlich-ökonomische Methode, nicht jedoch um eine bedenkliche dynamische Normverweisung.619 Aus diesem Grund ist der Normenkontrollrat im Rahmen seiner Prüftätigkeit an die Beachtung des Standardkosten-Modells gebunden. Abweichungen von einzelnen Regelungen der Methodik sind gemäß § 2 Abs. 3 S. 3 NKRG zulässig, wenn sich eine Mehrheit der Mitglieder des Normenkontrollrates dafür ausspricht und die Bundesregierung zustimmt. Die vollständige Ersetzung des Modells durch eine andere Methodik kann auf dieser Grundlage jedoch nicht herbeigeführt werden.620 Es war eine Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers, den Normenkontrollrat auf die Anwendung des Standardkosten-Modells zu verpflichten, um sein Mandat zu begrenzen. Der Rückgriff auf ein anderes Modell kann folglich nur durch eine Gesetzesänderung erreicht werden. 617 NKR, Pressemitteilung vom 14. Dezember 2012, Große Chance zum Bürokratieabbau vertan. 618 So Jann, Berliner Republik 1/2007, 46 (57). 619 Vgl. Heintzen in BT-Drs. 16/1665, S. 6; Schröder, DÖV 2007, 45 (47). 620 Vgl. Schröder, DÖV 2007, 45 (48).

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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C. Verfassungsrechtliche Würdigung Der Normenkontrollrat ist entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag gemäß § 4 Abs. 3 NKRG in das Gesetzgebungsverfahren des Bundes eingebunden. Das Gesetzgebungsverfahren erfährt auf verfassungsrechtlicher Ebene durch Art. 76 ff. GG eine nähere Regelung. Die Beteiligung eines unabhängigen Sachverständigengremiums sieht das Grundgesetz jedoch nicht vor. Diese Feststellung impliziert die Frage, ob die Einsetzung des Normenkontrollrates generell mit der Verfassung vereinbar ist.

I. Organisationsgewalt der Bundesregierung Dem Grundsatz der Gewaltenteilung als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips wird eine gewisse Eigenständigkeit der Regierung gegenüber den anderen Gewalten entnommen. Insbesondere darf der gesetzgeberische Zugriff die Organisationsgewalt der Regierung nicht grenzenlos beeinträchtigen.621 Die Regierung ist demnach befugt, über ihre interne Organisation und die Verfahren ihrer Entscheidungsfindung eigenständig zu bestimmen. Die Grenze zur parlamentarischen Zuständigkeit verläuft dort, wo kraft eines Gesetzesvorbehalts das Zugriffsrecht des Bundestages einschlägig ist. Als Inhaber der Befugnis zur Ausübung der Organisationsgewalt insbesondere im Hinblick auf Anzahl und Zuschnitt der Ministerien gilt der Bundeskanzler.622 Für einen übertragenen, sachlich abgegrenzten Geschäftsbereich liegt gemäß Art. 65 S. 2 GG ein Teil der Organisationsgewalt bei den Bundes­ ministern.623 Die Organisationsgewalt umfasst nicht nur die klassische Strukturierung der Ressorts, sondern auch die Frage, ob und in welcher Form die Regierung in den verschiedenen Politikfeldern die notwendige Expertise einholt.624 Den Großteil wissenschaftlicher Politikberatung verschafft sich die Bundesregierung auf der Grundlage ihrer Organisationsgewalt.625 621 Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 106 f.; Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 57; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 R Rn. 73. 622 Busse, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 64 Rn. 4; Detterbeck, in: HStR III, § 66 Rn. 14; Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 64 Rn. 8 ff.; Oldiges /  Brinktrine, in: Sachs, GG, Art. 65 Rn. 11; Uhle / Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 64 Rn. 7. 623 Epping, in: ders. / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 65 Rn. 6 f.; Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 65 Rn. 28; Linke, JZ 2016, 1081 (1088); Uhle / Müller-Franken, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 65 Rn. 24, 27; Weckerling-Wilhelm, in: Umbach / Clemens, GG, Bd. II, Art. 65 Rn. 19. 624 Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 211 (225). 625 Brohm, in: HStR II, 1. Aufl., § 36 Rn. 42, 44; siehe die zahlreichen Ressortforschungseinrichtungen, Beiräte und Sachverständigenkommissionen, die durch die Bundesregierung und die Bundesministerien eingesetzt wurden, vgl. dazu Graf Kielmansegg, in: Dreier / Willoweit (Hrsg.), Wissenschaft, S. 219 (226 ff., 238); Siefken, ZParl 2003, 483 (484 f.) nach dessen Schätzung es im Jahr 2001 innerhalb der Bundesregierung und der Bundesministerialverwaltung 125 Expertengremien gab.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

1. Beeinträchtigung des Kernbereichs Der aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG hergeleitete Grundsatz der Gewaltenteilung bildet das rechtliche Fundament für die Anerkennung eines Kernbereichs der Regierung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt.626 Dieser Kernbereich dient in erster Linie der Abwehr kompetenzrechtlicher Übergriffe des Parlaments auf die Regierung. Seinen Ursprung hat der Begriff des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung in den Diskussionen um Informationsrechte des Parlaments gegenüber der Regierung.627 Das BVerfG definiert den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung als einen vom Parlament grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung. Dieser umfasst „die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressort­ entscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht“.628 Regelt der Bundestag die Art und Weise zulässiger wissenschaftlicher Politikberatung durch Gesetz, muss er den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wahren und darf ihn nicht aushöhlen. Von einer Aushöhlung des Kernbereichs wäre im Allgemeinen auszugehen, wenn Politikberatung für wichtige Materien beim Parlament monopolisiert und die Regierung gezwungen würde, auf diese Form der Beratung zurückzugreifen.629 So weit ist der Bundestag bei der Einsetzung des Normenkontrollrates jedoch nicht gegangen. Zwar handelt es sich bei dem NKRG rein formal betrachtet um eine Art parlamentarisch verordneter „Zwangsberatung“ der Regierung630. Diese findet aber nicht im Bundestag statt, sondern gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 NKRG im Einflussbereich der Spitze der Bundesregierung. Dennoch stellt das vom Parlament verabschiedete NKRG, mit dem ein Kontrollund Beratungsgremium geschaffen wurde, dessen Befugnisse im regierungsinternen Bereich ansetzen, den spezifischen Anknüpfungspunkt für eine mögliche Beschränkung des exekutiven Kernbereichs dar. Der Normenkontrollrat übt gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG seine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Regelungsentwürfe der Bundesministerien aus, bevor sich das Bundeskabinett mit ihnen befasst. Auf diese Weise hat das Parlament durch Gesetz ein regierungsexternes Gremium in 626 Busse, DÖV 1989, 45 (46, 54); Cancik, ZParl 2014, 885 (892); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 R Rn. 73. 627 Vgl. BVerfGE 67, 100 (139); Cancik, ZParl 2014, 885 (893 ff.); von einem zugriffsfesten Kernbereich der Exekutivkompetenzen spricht aber bereits Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 107. 628 BVerfGE 67, 100 (139); 110, 199 (214); 124, 78 (120). 629 Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 211 (225); ebenso für den Fall, dass die Legislative einen generellen Gesetzesvorbehalt für die Schaffung von Beratungsgremien bei den Ministerien schaffen würde, Unkelbach, Plural zusammen­ gesetzte Gremien, S. 71. 630 So wörtlich Linke, JZ 2016, 1081 (1086).

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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den formalen Prozess der Ressortabstimmung integriert. Ein Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wäre damit aber nur verbunden, wenn die Beteiligungsrechte des Normenkontrollrates die Funktions- und Entscheidungsfähigkeit der Regierung, die der Kernbereich zu schützen versucht, beeinträchtigen. Die Funktionsfähigkeit einer Regierung hängt in besonderem Maße davon ab, ob es ihr gelingt, Lösungen für gesellschaftlich bedeutsame Probleme zu erarbeiten und diese mittels parlamentarischer Mehrheiten umzusetzen.631 Als Instrument steht ihr dafür insbesondere das in Art. 76 Abs. 1 GG verankerte Gesetzesinitiativrecht zur Verfügung. Bei der Ausübung dieses Initiativrechts unterliegt die Bundesregierung keinen inhaltlichen Bindungen, die sich aus der Kontrollmöglichkeit des Normenkontrollrates ergeben.632 Die Bundesregierung kann frei darüber entscheiden, ob sie Gesetzentwürfe erarbeitet und wie sie diese politisch-inhaltlich ausgestaltet. Daran ändern weder die obligatorische Zuleitung der Regierungsvorlagen an den Normenkontrollrat noch dessen Stellungnahmerecht etwas. Die Stellungnahme muss vom Bundeskabinett bzw. dem zuständigen Ressort zur Kenntnis genommen und ggf. mit einer Gegenäußerung beantwortet werden. Eine Verpflichtung, den Gesetzentwurf entsprechend zu ändern oder anzupassen, geht damit aber nicht einher. Die Beschränkungen, die die Regierungsarbeit durch das Mandat des Normenkontrollrates erfährt, tangieren folglich nicht den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. 2. Beeinträchtigung des Randbereichs Neben dem absolut geschützten exekutiven Kernbereich existieren Randbereiche der Ressort- und Organisationsgewalt, die dem parlamentarischen Zugriffsrecht nicht komplett entzogen sind. In diese Randbereiche fällt die gesetzlich normierte Einsetzung des Normenkontrollrates. Während die Einrichtung des Großteils aller politikberatenden Gremien auf einer autonomen Regierungsentscheidung basiert, folgte die Einsetzung des Normenkontrollrates dem Gegenmodell, wonach das Parlament durch Gesetz ein politikberatendes Gremium schafft.633 Nur aus diesem Grund ist die gubernative Organisationsgewalt im Hinblick auf den Normenkontrollrat Gegenstand verfassungsrechtlicher Bedenken. Wäre er durch Verfassungsänderung oder einen alleinigen Beschluss der Bundesregierung eingesetzt worden, käme eine Verletzung der Organisationsgewalt der Regierung weder im Kernbereich noch in Randbereichen in Betracht.634 Da es aber ein Parlamentsgesetz war, das den Normenkontrollrat schuf und in die internen Verfahrens 631

Busse, DÖV 1989, 45 (49). Schröder, DÖV 2007, 45 (49); so auch Brenner und Heintzen in BT-Drs. 16/1665, S. 5 f.; dazu genauer unter Kap. 1, C. II. 633 So auch beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1963) und beim Deutschen Ethikrat (2007). 634 Heintzen, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)133, S. 5; ähnlich Linke, JZ 2016, 1081 (1089). 632

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

abläufe der Regierung integrierte, drängt sich die Möglichkeit auf, dass damit ein Eingriff in die Organisationsgewalt der Regierung einhergehen könnte.635 Denn durch das NKRG sind die jeweiligen Bundesregierungen über den zeitlichen Rahmen einer Legislaturperiode hinaus verpflichtet, den Normenkontrollrat im inneren Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Zudem ist die personelle Zusammensetzung des Normenkontrollrates nicht an den Bestand einer bestimmten Regierung gekoppelt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für einen inhaltlichen Eingriff in die Organisationsgewalt ist, dass sich die Bundesministerien angesichts des NKRG der Verpflichtung ausgesetzt sehen, mittels des Standardkosten-Modells den Erfüllungsaufwand der Regierungsvorhaben zu messen und darzustellen. Diese Verpflichtung bedeutet für die Ressorts nicht nur einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand, sondern verlangt von ihnen auch, dass sie die Folgekosten der Regierungsvorhaben offenlegen. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass das Parlament der Bundesregierung nicht nur das „Ob“ der Folgekostenmessung, sondern gemäß § 2 Abs. 3 NKRG mit dem Standardkosten-Modell auch das „Wie“ diktiert hat. Ebenso ergibt sich ein Eingriff in die Organisationsgewalt daraus, dass das NKRG der Bundesregierung die Einsetzung des Normenkontrollrates in ihrem Kompetenzbereich verbindlich auferlegt hat und die Bundesministerien verpflichtet sind, ihre Regelungsentwürfe dem Normenkontrollrat zu übermitteln. Die vorherige Beteiligung des Normenkontrollrates ist Voraussetzung für die Kabinettreife eines Gesetzentwurfs. Dass jedes Ressort unter der Leitung und Sachzuständigkeit des jeweiligen Bundesministers seine Gesetzentwürfe zunächst dem Normenkontrollrat obligatorisch vorlegen muss, ist zudem geeignet, die Ressortkompetenz als Ausprägung der ministeriellen Organisationsgewalt nach Art. 65 S. 2 GG einzuschränken. Bei einer kritischen Stellungnahme des Normenkontrollrates, der die Regierung nicht nachkommen will, wird sich das zuständige Bundesministerium überdies im Regelfall zu einer Gegenstellungnahme i. S. v. § 6 Abs. 1 S. 2 NKRG, § 45 Abs. 2 GGO veranlasst sehen. Deren Ausarbeitung bindet wiederum zeitliche und personelle Ressourcen. Damit wirkt sich die Parlamentsentscheidung, die die Einsetzung des Normenkontrollrates zum Inhalt hatte, auf die Organisation und die Verfahrensabläufe innerhalb der Bundesregierung aus. Unterstrichen wird das durch den Umstand, dass die Bundesregierung die obligatorische Beteiligung des Normenkontrollrates in §§ 44 f. GGO aufgenommen hat und somit die internen Organisationsprozesse der Bundesministerien entsprechend anpassen musste.

635

Dieser Ansicht folgend Heintzen, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)133, S. 5; Schröder, DÖV 2007, 45 (48 f.); ablehnend Brenner in BT-Drs. 16/1665, S. 5; nach Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 294 muss es grundsätzlich der Regierung selbst zukommen, darüber zu entscheiden, wer ihr beim Regieren zu raten hat und in welcher Weise dies geschehen soll.

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Eingriff in die Randbereiche regierungsinterner Organisationsgewalt zieht nicht automatisch einen Verfassungsverstoß nach sich. Umfang und Grenzen der Organisationsgewalt ergeben sich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Während der exekutive Kernbereich im engeren Sinne absolut geschützt ist, können parlamentarische Eingriffe in den Randbereich zulässig sein. Die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Organisationsgewalt sind unklar, da die Grenzen des legislativen Zugriffsrechts auf die Regierungsorganisation umstritten sind. Ein allgemeiner organisationsrechtlicher Gesetzesvorbehalt lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen.636 Unter demokratischen Gesichtspunkten ist er auch nicht erforderlich, da das Parlament über die Verabschiedung des Bundeshaushalts an allen ausgabenwirksamen Organisationsentscheidungen der Bundesregierung beteiligt ist. Unabhängig von der Frage nach einem Gesetzesvorbehalt gibt es Stimmen, die annehmen, dass der Gesetzgeber über Zugriffsrechte verfüge, die ihn dazu berechtigen, die Grobstruktur der Bundesregierung zu regeln.637 Die Grenze der zulässigen gesetzgeberischen Einwirkung auf die Organisationsgewalt ist jedoch dort erreicht, wo die Organisationsgewalt eine substantielle Minimierung erfährt.638 Generelle Vorgaben zu Zahl und Zuschnitt der Ministerien sowie zur Grobstruktur der Regierung berühren die vom Bundeskanzler ausgeübte Organisationsgewalt in ihrer Substanz und sollten daher von einer gesetzlichen Regelung ausgeschlossen bleiben. Zulässige parlamentarische Akte sind hingegen einzelne Kompetenzzuweisungen an bestimmte Ressorts und sowie punktuelle Organisationsregelungen innerhalb der Regierung.639 Dementsprechend gelten z. B. das Bundesministergesetz, das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre und das Berlin / Bonn-Gesetz als mit der Organisationsgewalt vereinbare Zugriffe des Bundestages. Da die Organisationsgewalt der Regierung keine Rechtsposition darstellt, die dem eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts entspricht, ist nicht zu ver 636 Epping, in: ders. / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 64 Rn. 4; Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 64 Rn. 19 f.; Oldiges / Brinktrine, in: Sachs, GG, Art. 64 Rn. 24a; Uhle /  Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 64 Rn. 9; anders die umstrittene Entscheidung des nordrhein-westfälischen VerfGH (VerfGH NRW, NJW 1999, 1243), nach der ein Gesetzesvorbehalt für wesentliche Organisationsentscheidungen in Bezug auf die Landesregierung so lange gelten solle, wie der Kernbereich der regierungseigenen Organisationsgewalt noch nicht berührt sei. Abzugrenzen ist diese Diskussion vom Gesetzesvorbehalt in Art. 86 S. 2 GG, der sich allein auf die Errichtung von Bundesbehörden bezieht, nicht jedoch auf die gouvernementale Organisationsgewalt. 637 Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 64 Rn. 23; Meyer, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, § 4 Rn. 57; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 64 Rn. 3. 638 Uhle / Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 64 Rn. 10. 639 Oldiges / Brinktrine, in: Sachs, GG, Art. 64 Rn. 29; Schenke, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 64 Rn. 83; Schröder, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 64 Rn. 23; Uhle / Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 64 Rn. 10.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

langen, dass für die Rechtfertigung auf kollidierendes Verfassungsrecht abgestellt werden muss.640 Es ist daher möglich, die Beeinträchtigung der Organisations­ gewalt zu rechtfertigen, sofern nachvollziehbare rechtliche Gründe für die Beeinträchtigung sprechen und die Organisationsgewalt in der konkreten Ausgestaltung in ihrer Substanz gewahrt bleibt. Die Frage, ob in diesem Kontext ein Rückgriff auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz möglich ist, trifft auf unterschiedliche Beurteilungen. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch im Verhältnis zwischen Staatsorganen anwendbar, wenn ein Eingriff in autonome Rechts- oder Kompetenzsphären im Raum stehe.641 Teilweise wird für den Rückgriff auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass bei dem betroffenen Staatsorgan ein Eingriff in ein subjektives Recht vorliegen müsse.642 Nach der vom BVerfG und Teilen der Lehre vertretenen Auffassung ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zwischen Staatsorganen hingegen grundsätzlich nicht anwendbar.643 Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz komme eine die individuelle Rechts- und Freiheitssphäre verteidigende Funktion zu. Das damit in Zusammenhang stehende Denken in den Kategorien von Freiheit und Eingriff könne nicht auf Kompetenzabgrenzungen übertragen werden.644 Letztlich überzeugt die vom BVerfG aufgestellte Argumentation, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seinen Anwendungsbereich in erster Linie im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern findet. Während Fälle von Grundrechtseingriffen mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot sinnvoll bewältigt werden können, stellt sich seine Anwendung aufgrund der jeweils unterschiedlichen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Staatsorganen als schwierig heraus. Gegen seine Anwendbarkeit spricht überdies, dass innerhalb des Schrifttums bereits Uneinigkeit darüber herrscht, wie das Recht, in das eingegriffen wird, beschaffen sein muss, um den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz heranziehen zu können. Ein subjektives Recht der Bundesregierung in Bezug auf ihre Organisationsgewalt ist nicht ohne weiteres herleitbar. Aus diesen Gründen findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs in die Organisationsgewalt keine Berücksichtigung.645 Die Verpflichtung zur Abschätzung und Darstellung des Erfüllungsaufwands dient in erster Linie dem Zweck, Transparenz über die mit Regierungsentwürfen einhergehenden Kosten zu schaffen. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, den Parlamentsabgeordneten diese Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie

640

Heintzen, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)133, S. 7 Fn. 11. Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 147; Sommermann, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 20 Rn. 318. 642 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 109; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 115; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 R Rn. 188. 643 BVerfGE 81, 310 (338); Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 431. 644 BVerfGE 81, 310 (338). 645 Anders Heintzen, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)133, S. 5 ff. 641

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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wissen, welche Folgekosten die Regelungen haben, die sie beschließen. Indem der Normenkontrollrat die Kostenabschätzungen überprüft, soll gewährleistet werden, dass sie nachvollziehbar sind und den methodischen Anforderungen entsprechen. Auf diese Weise kann die Kostendarstellung die Sachkenntnis des Parlaments im Hinblick auf die Beratungen und den Beschluss des Gesetzes stärken und die diesbezügliche Entscheidungsgrundlage der Abgeordneten verbreitern. Die Regelung, dass die Verpflichtung zur Kostenabschätzung ausschließlich die Bundesministerien trifft, liegt darin begründet, dass sie es sind, die über die Bundesregierung die Mehrheit aller Gesetzentwürfe ausarbeiten und in das Parlament einbringen646. Die Pflicht, bei der Kostenabschätzung das Standardkosten-Modell gemäß § 2 Abs. 3 NKRG zu nutzen, findet ihre Begründung darin, dass das Modell eine Methode darstellt, die wissenschaftlich sowie international anerkannt ist und bereits in anderen Staaten eine Erprobung erfuhr647. Ihre Anwendung ermöglicht es, einen einheitlichen Maßstab für die Messung der Bürokratiekosten von Regelungsvorhaben zu etablieren. Da die Ergebnisse der Kostenabschätzung Eingang in die öffentlich zugänglichen Gesetzesmaterialien finden, steht auch den Bürgern die Möglichkeit zu, diese einzusehen und davon Kenntnis zu nehmen. Die Kostenabschätzung von Gesetzentwürfen der Bundesregierung verwirklicht aus diesem Grund das demokratische Öffentlichkeitsprinzip. Dieses Prinzip fußt auf der Annahme, dass Demokratie eine freie und offene Willensbildung auf Seiten der Bürger voraussetzt, die wiederum die Öffentlichkeit und Transparenz staatlichen Handelns erfordert.648 Damit spricht mit dem Öffentlichkeitsgebot als Ausfluss des Demokratieprinzips nach Art. 20 Abs. 1 GG ein verfassungsrechtlicher Belang für die Abschätzung und Darstellung der mit Gesetzen verbundenen Folgekosten. Die Stärkung der demokratischen Öffentlichkeit, die aus der Offenlegung gesetzlicher Folgekosten resultiert, vermag bereits den darin liegenden Eingriff in die Organisationsgewalt der Regierung zu rechtfertigen. Der Eingriff in die Organisationsgewalt resultiert gerade aus dem Umstand, dass der Normenkontrollrat durch Gesetz eingerichtet wurde. Irrelevant ist es in diesem Kontext zunächst, dass die damals amtierende Regierungskoalition durch ihren Entwurf für das NKRG selbst die Ursache für die Beeinträchtigung der Organisationsgewalt geschaffen hat. Denn Eingriffe in verfassungsrechtlich verankerte Zuständigkeiten sind einer Einwilligung nicht zugänglich.649 Die Wahl der Geset-

646 Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 51; Kersten, in: Maunz /  Dürig, GG, Art. 76 Rn. 54; Masing, in: v. Mangoldt u. a., GG, 6. Aufl., Art. 76 Rn. 17; Schöne, Alltag im Parlament, S. 256; Schulze-Fielitz, in: Dreier / Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität, S. 71 (79 f.). 647 Heintzen, ZRP 2006, 235 (235); Röttgen, ZRP 2006, 47 (48 f.). 648 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 21; Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 36 ff. 649 Heintzen, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)133, S. 5; Linke, JZ 2016, 1081 (1087).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

zesform unterliegt auch darüber hinaus keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar ist die Einsetzung des Normenkontrollrates durch Gesetz nicht zwingend, da diesbezüglich weder ein grundrechtlicher noch ein institutioneller Gesetzesvorbehalt besteht. Aber sie ist Ausfluss eines gesetzgeberischen Ermessens, das sich im Rahmen der Verfassung bewegt. Neben dem Anliegen, die Beratungsaufgabe des Normenkontrollrates politisch hervorzuheben, spricht vor allem das Bedürfnis, die Stellen „staatlicher Wissensgenerierung und Wissenskommunikation mit einer normativen Ordnung zu versehen“, für die Gesetzesform.650 Dank ihr können Status, Verfahren und der Umgang mit den Stellungnahmen des Normenkontrollrates einer transparenten und dauerhaften Regelung zugeführt werden. Die gesetzlich verankerte Beteiligungspflicht des Normenkontrollrates an der regierungsinternen Entwurfsvorbereitung ist darüber hinaus nicht isoliert zu betrachten. Sie muss vielmehr im Kontext der Einflussmöglichkeiten der Bundesregierung, die dieser kraft Gesetzes auf den Normenkontrollrat zustehen, beurteilt werden. Dazu zählen das Vorschlagsrecht des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit den Bundesministern für die Mitglieder des Normenkontrollrates (§ 3 Abs. 1 S. 2 NKRG), das Auswahlrecht des Bundeskanzlers hinsichtlich des Vorsitzenden (§ 3 Abs. 4 NKRG), die Genehmigungspflicht für die Geschäftsordnung des Rates durch die Bundesregierung (§ 3 Abs. 7 NKRG) sowie die Rechtsaufsicht durch den Chef des Bundeskanzleramts (§ 3 Abs. 8 NKRG). Diese Rechte beschränken sowohl in politischer wie rechtlicher Hinsicht die Unabhängigkeit des Rates651, bewirken aber im Kontext des Eingriffs in die Organisationsgewalt der Regierung, dass dieser nicht besonders schwer wiegt.652 Der Normenkontrollrat stellt infolge dieser Einwirkungsmöglichkeiten kein völlig selbstständiges und externes Gebilde dar, dem der Gesetzgeber Kompetenzen im Bereich der regierungsinternen Organisationsgewalt zugeteilt hat, sondern er wird teilweise in das Organisationsgefüge der Bundesregierung eingebunden. Die Bundesregierung kann daher in begrenztem Maße die Arbeit des Normenkontrollrates beeinflussen und steuern. Das NKRG ordnet nicht nur dem Bundeskanzler, sondern zum Teil auch der Bundesregierung als Kollegialorgan unter Einschluss der Bundesminister die Einflussmöglichkeiten auf die Zusammensetzung und interne Organisation des Normenkontrollrates 650 Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 276 (277); ebenso Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 66 jedenfalls in Bezug auf Konstellationen, „in denen ein nicht unerheblicher faktischer Einfluß auf die staatliche Entscheidungsfindung zu gewärtigen ist“; ähnlich Bryde, Wirtschaftspolitische Beratungsgremien, S. 141, der darin eine begrüßenswerte Stärkung der Stellung des Parlaments sieht; a. A. Linke, JZ 2016, 1081 (1089); auf bundesgesetzlicher Grundlage eingesetzt wurden auch 1963 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SachvRatG) und zuletzt 2007 der Deutsche Ethikrat (EthRG). 651 Dazu unter Kap. 1, B. VI. 652 Ebenso Schröder, DÖV 2007, 45 (49); daran anschließend Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (171), der den Eingriff in die Organisationsgewalt angesichts dieser Einflussmöglichkeiten der Regierung auf den Normenkontrollrat als „verfassungsrechtlich kompensiert“ ansieht.

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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zu. Aus diesem Grund erweist sich auch die aus der Beteiligungspflicht des Rates resultierende Einschränkung der ministeriellen Organisationsgewalt, die sich aus der Ressortkompetenz nach Art. 65 S. 2 GG ergibt, als noch verfassungskonform. Insbesondere diese Einflussmöglichkeiten lässt Tobias Linke außer Acht, wenn er argumentiert, dass die „Zwangsbeteiligung“ des Normenkontrollrates die Autonomie des Kabinetts und der Minister aus Art. 65 S. 1, 2 und 4 GG verletze.653 Zudem deutet es auf eine nur unwesentliche Beschränkung der Organisationsgewalt hin, dass zum Schutz der regierungsinternen Willensbildung der Normenkontrollrat gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 NKRG seine Stellungnahmen zunächst nicht öffentlich abgibt. Das Bundeskabinett und die Bundesminister haben es folglich in der Hand, durch eine Änderung oder Rücknahme des Entwurfs zu verhindern, dass eine kritische Stellungnahme an die Öffentlichkeit gelangt. Im Übrigen geht von den Stellungnahmen des Normenkontrollrates zur jeweiligen Kostenabschätzung keine Bindungswirkung für die Bundesregierung aus.654 Ihr steht es offen, die Anmerkungen des Normenkontrollrates inhaltlich zu ignorieren. Die Einsetzung des Normenkontrollrates betrifft daher die Organisationsgewalt der Regierung nicht in ihrer Substanz. Sie berührt weder den Zuschnitt der ministeriellen Geschäftsbereiche noch die wesentlichen Organisationsstrukturen der Regierung. Vielmehr stellt sie lediglich eine einzelne Organisationsregelung in Bezug auf den regierungsinternen Abstimmungsprozess über Regelungsentwürfe dar. Im Ergebnis resultiert deshalb aus der Einsetzung des Normenkontrollrates keine Verletzung der regierungseigenen Organisationsgewalt.

II. Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung Der Bundesregierung steht als Kollegialorgan das Gesetzesinitiativrecht gemäß Art. 76 Abs. 1 GG zu. Dieses Recht wird rein formal verstanden und berechtigt die Bundesregierung, neben dem Bundesrat und der Mitte des Bundestages durch eine Vorlage das Gesetzgebungsverfahren in Gang zu setzen.655 Die Regelung in § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG stellt mit der obligatorischen Einbindung des Normen­ kontrollrates formale Anforderungen an den Ablauf der regierungsinternen Phase der Gesetzeserarbeitung. Eine Beeinträchtigung des gouvernementalen Initiativ-

653 Siehe Linke, JZ 2016, 1081 (1089), dessen Differenzierung, dass für die Reichweite der Organisationsgewalt bzw. Autonomie der Bundesregierung unterschiedliche Maßstäbe abhängig davon gelten sollen, ob es um die Rolle als Staatsleitungsorgan oder als Spitze der Bundesverwaltung geht, ebenfalls fragwürdig ist. 654 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (156). 655 Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 26; Hebeler, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 23, 48; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 28; zum zurückhaltenden Regelungsgehalt des Art. 76 GG insgesamt Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 7.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

rechts impliziert diese einfachgesetzliche Bestimmung jedoch nicht656, da der Normenkontrollrat lediglich vor der Ausübung des Initiativrechts eingebunden wird657. Das Verfassungsrecht enthält keine Vorgaben für die Ausarbeitung der Gesetzentwürfe durch die Bundesregierung.658 Art. 76 Abs. 1 GG gewährleistet lediglich die freie Wahrnehmung des Initiativrechts, so dass die Verfassung das Gesetzgebungsverfahren erst mit Ausübung des Vorschlagsrechts erfasst. Bis zu diesem Zeitpunkt obliegt es der Bundesregierung, durch Regelungen in den Geschäftsordnungen das interne Verfahren festzulegen.659 Gegen eine durch ein Parlamentsgesetz festgelegte Vorgabe für das regierungsinterne Verfahren ergeben sich aus Art. 76 GG ebenfalls keine Bedenken, solange diese die formelle Berechtigung, eine Gesetzesvorlage einzubringen, nicht beeinträchtigt. Dieses rein formale Verständnis führt unweigerlich dazu, dass das Initiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG die faktischen und politischen Bindungswirkungen, die durchaus durch negative Stellungnahmen des Normenkontrollrates entstehen können und vom Gesetzgeber auch beabsichtigt waren, nicht erfassen kann. Eine andere Auffassung vertritt hingegen Tobias Linke, der auf die vernachlässigte materielle Seite des Initiativrechts verweist, die angesichts des intendierten Rechtfertigungsdrucks der Stellungnahmen des Normenkontrollrates eine Verletzung erfahre.660 Die materielle Dimension umfasse demnach infolge der regierungseigenen Staatsleitungsfunktion die „gesamte Vorbereitungsarbeit innerhalb der Bundesregierung“, die nicht von fremder Seite beeinflusst werden dürfe.661 Jedoch ergibt sich aus Art. 76 Abs. 1 GG kein Anknüpfungspunkt für ein solches Verständnis. Die Verfassung hat es offensichtlich bewusst den Gesetzesinitianten überlassen, wie sie ihre Gesetzentwürfe erarbeiten und auf welche internen Handlungsabläufe sie dafür zurückgreifen. Für eine derartige materielle Auffassung des Initiativrechts bleibt somit kein Raum, zumal da diese auf eine Beeinträchtigung der Flexibilität der Initiativberechtigten hinausliefe. Den Handlungsspielraum der Initiativberechtigten bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs einzuschränken, 656 Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 264; Karpen, FAZ Nr. 158 v. 11.07.2006, S. 7; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (155 f.); Röttgen, ZRP 2006, 47 (48); Weidemann, VR 2007, 7 (8). 657 Hebeler, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 24; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (155). 658 Brüning, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 122; Dietlein, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 76 Rn. 6.2; Ennuschat, DVBl. 2004, 986 (991); Fliedner, Rechtsetzung, S. 91; Gusy, ZRP 1985, 291 (292); Hebeler, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 22; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 28; Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), 63 (89 f.); König, Moderne öffentliche Verwaltung, S. 417; v. Lewinski, Gesetzesverfasser, S. 47; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 34; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Bd. II, Art. 76 Rn. 12. 659 Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 25; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (155 f.); Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 34 f. 660 Linke, JZ 2016, 1081 (1087). 661 Linke, JZ 2016, 1081 (1085); Mann, in: Sachs, GG, Art. 76 Rn. 3 ist der Auffassung, dass Art. 76 Abs. 1 GG ein materielles Gesetzesvorschlagsrecht stillschweigend voraussetze.

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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riefe aber angesichts des bewusst begrenzten Aussagegehalts von Art. 76 Abs. 1 GG selbst verfassungsrechtliche Bedenken hervor. So müsste die heute vorherrschende Praxis der Bundesministerialverwaltung, über § 47 GGO hinaus Verbände, Interessengruppen und private Akteure bei der Erarbeitung eines Gesetzes frühzeitig einzubeziehen, als Verfassungsverstoß gewertet werden.662 Denn im Unterschied zum Normenkontrollrat versuchen Verbände und Interessengruppen nicht nur die Bundesregierung zu beraten, sondern bewusst und unmittelbar Einfluss auf den Inhalt eines Gesetzentwurfs zu nehmen. Anders als in einem Urteil des BVerfG aus dem Jahr 1952 stellt die Vorgabe, die Kostenfolgen eines Gesetzentwurfs darzustellen und den Normenkontrollrat zu beteiligen, auch keine sachliche Beschränkung des Initiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG dar.663 Die damalige Entscheidung bezog sich auf eine Regelung in der GOBT, die einen mit Kosten verbundenen Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestages von parlamentarischer Beratung ausschloss, sofern er keinen Deckungsvorschlag für diese Kosten enthielt. Das BVerfG sah darin einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 GG, weil diese Bestimmung dem Initiativberechtigten vorschreibe, welchen Inhalt sein Gesetzentwurf haben muss.664 Wenn bezogen auf die heutige Rechtslage die Bundesregierung in einer Gesetzesvorlage den Erfüllungsaufwand nicht auswiese, würde das zwar zu einer negativen Stellungnahme des Normenkontrollrates führen. Es würde aber die Beschlussfassung über den Entwurf weder im Kabinett noch anschließend im Bundestag blockieren können. Die Pflicht, einen Regelungsentwurf vor der Befassung im Bundeskabinett dem Normenkontrollrat zuzuleiten, hindert die Bundesregierung folglich nicht daran, ihr Gesetzesinitiativrecht formell und sachlich uneingeschränkt auszuüben. Dasselbe gilt auch für die Stellungnahmen des Normenkontrollrates, da sie für die Ressorts keine Bindungswirkung entfalten und daher nicht mit einem Vetorecht einhergehen.665 Der Verwaltungswissenschaftler Alexander Kroll spricht in diesem 662 Tatsächlich wird aber sogar das noch weitergehende Gesetzgebungsoutsourcing als mit Art. 76 Abs. 1 GG vereinbar angesehen, siehe Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 46 f.; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 220; v. Lewinski, Gesetzesverfasser, S. 47; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 9; Risse, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, S. 109 (113 f.); Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing, S. 122. 663 Siehe zu dieser Passage des Urteils BVerfGE 1, 144 (158 ff.); dieselbe Schlussfolgerung daraus in Bezug auf die Beteiligung des Normenkontrollrates zieht auch Heintzen, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)133, S. 4. 664 BVerfGE 1, 144 (159). 665 Calliess, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 275 (290); Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 65; Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 34; ein Vetorecht des Normenkontrollrates hinsichtlich solcher Gesetzentwürfe, die den Vorgaben der Bürokratiekostenmessung nicht entsprechen, könnte nur mittels Verfassungsänderung herbeigeführt werden, da anderenfalls sowohl die Ausübung der Ressortverantwortlichkeit gemäß Art. 65 S. 2 GG als auch das Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung aus Art. 76 Abs. 1 GG an die inhaltliche Mitwirkung eines im Grundgesetz nicht vorgesehenen Gremiums gekoppelt wären, so Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (156); Röttgen, ZRP 2006, 47 (48); Schröder, DÖV 2007, 45 (48).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Zusammenhang hingegen von einem „indirekt-suspensiven Vetorecht“, da es in der Hand des Normenkontrollrates liege, durch eine kritische Stellungnahme den Gesetzgebungsprozess und die Arbeit der Bundesregierung auf informelle Weise zu verlangsamen.666 Es bedeute insbesondere zeitlichen Mehraufwand für die Ressorts, wenn sie eine Gegenstellungnahme zu einer negativen Stellungnahme des Normenkontrollrates verfassen müssten. Rein tatsächlich mag das zutreffend sein. Zu beachten gilt es aber, dass die Erarbeitung einer Gegenstellungnahme, um auf die Kritik des Normenkontrollrates an der Darstellung des Erfüllungsaufwands zu reagieren, zwar politisch klug sein könnte, aus rechtlicher Sicht jedoch nicht zwingend ist. Weder aus § 6 Abs. 1 S. 2 NKRG noch aus § 45 Abs. 2 GGO ergibt sich die Pflicht zur Abgabe einer Gegenstellungnahme. Die genannten Normen stellen es vielmehr in das Ermessen des federführenden Bundesministeriums, ob eine Gegenstellungnahme der Bundesregierung angezeigt ist. Die Bundesregierung ist daher auch im Fall einer negativen Stellungnahme nicht gezwungen, Änderungen am Gesetzentwurf vorzunehmen oder eine Gegenstellungnahme zu entwerfen. Eine kritische Stellungnahme des Normenkontrollrates verhindert damit weder die Beratung des Gesetzentwurfs in seiner ursprünglichen Fassung im Bundeskabinett noch seine Einbringung in das Parlament. Da der Normenkontrollrat seine Stellungnahme gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 NKRG zunächst nicht öffentlich abgibt, kann auch kein öffentlicher Druck auf die Bundesregierung dahingehend entstehen, einen unter Folgekostengesichtspunkten fragwürdigen Gesetzentwurf nachzubessern, bevor sie ihn nach Art. 76 Abs. 1 GG in den Bundestag einbringt. Vor diesem Hintergrund ist der Aussage von Pieper, der Normenkontrollrat könne mittelbar durch den Inhalt seiner Stellungnahme den Erlass eines Gesetzes verhindern,667 zu widersprechen. Der Normenkontrollrat kann durch gezielt eingesetzte Kritik Änderungen an einem Regierungsentwurf und den dazugehörigen Darstellungen der Folgekosten herbeiführen, das Zustandekommen eines Gesetzes kann er gleichwohl nicht vereiteln. Wie die bisherige Gesetzgebungspraxis gezeigt hat, reicht seine Machtposition gegenüber der Bundesministerialverwaltung dafür mangels politischer Mitspracherechte nicht aus. Mit der Zuleitung eines Gesetzentwurfs an den Bundestag erhalten die Abgeordneten die dazugehörige Stellungnahme des Normenkontrollrates. Ab diesem Zeitpunkt könnte durch eine kritische Stellungnahme zu einem kostenintensiven Gesetzesvorhaben eine Rechtfertigungslast entstehen, der vor allem das federführend zuständige Ressort im Zuge der Beratungen seines Gesetzentwurfs im Bundestag ausgesetzt ist. Dass eine entsprechende Wirkung ausdrücklich erwünscht ist, hat die schwarz-gelbe Regierungsfraktion in ihrem Entwurf zur Änderung des NKRG im Jahr 2010 offenbart, als sie betonte, dass „die Bewusstmachung des gesamten mit einer Regelung verbundenen Aufwandes (…) schon aus Rechtfertigungsgrün-

666 667

Kroll, ZG 2009, 259 (270). Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 196.

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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den die Suche nach dem kostengünstigsten Weg“ ermögliche.668 Alexander Kroll verweist darauf, dass die Veröffentlichung einer negativen Stellungnahme des Normenkontrollrates zu Nachfragen von Opposition, Interessengruppen und Journalisten führen und damit eine erneute Diskussion über das Gesetzesvorhaben in Gang setzen könne.669 Ein entsprechender Rechtfertigungsdruck ist denkbar und offenbar auch gesetzgeberisch bezweckt, berührt aber nicht das Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung, weil sie dieses zu diesem Zeitpunkt bereits sachgemäß ausgeübt hat.670 Entsprechende kritische Nachfragen der Opposition, warum die Stellungnahme des Normenkontrollrates im abschließenden Entwurf keine Berücksichtigung gefunden habe, weisen keine verfassungsrechtliche Relevanz auf, sondern bewegen sich im Rahmen dessen, was im politischen Betrieb üblich ist. Im Übrigen zeigte sich der Normenkontrollrat selbst überrascht davon, wie überschaubar das Interesse der Abgeordneten an der Bezifferung der Folgekosten von Gesetzesvorhaben und seinen dazugehörigen Stellungnahmen bislang geblieben sei.671 Für das Verhältnis der in Art. 76 Abs. 1 GG genannten Initiativberechtigungen gilt der Grundsatz der Gleichwertigkeit.672 Dieses Gleichwertigkeitsgebot richtet sich an den Normgeber, der einfachgesetzlich oder geschäftsordnungsrechtlich Anforderungen an Gesetzesinitiativen formuliert. Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages, des Bundesrates und von der Bundesregierung sind demnach gleich zu behandeln. In Bezug auf die Beteiligung des Normenkontrollrates wird jedoch danach unterschieden, von welchem Initiant der Gesetzentwurf stammt. Die obligatorische Prüfungsbefugnis des Normenkontrollrates erfasst lediglich die Gesetzentwürfe der Bundesregierung, während Gesetzesinitiativen von Bundesrat und aus der Mitte des Bundestages einer fakultativen Prüfung unterliegen. Allerdings differenziert bezüglich des einzuhaltenden Verfahrens bereits die Verfassung selbst in Art. 76 Abs. 2 und 3 GG zwischen den Gesetzentwürfen der verschiedenen Organe. Auch innerhalb der initiativberechtigten Bundesorgane durchlaufen die eigenen Entwürfe jeweils unterschiedliche Phasen und Prozesse. Nicht auf das Gesetzesinitiativrecht, sondern allein auf das regierungsinterne Vorbereitungsverfahren zielt daher die Vorgabe in § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG ab, nach der die Bundesministerien ihre Gesetzentwürfe vor der Zuleitung an das Bundeskabinett dem Normenkontrollrat vorlegen müssen. Aus diesem Grund führt die Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates nicht zu einer Schlechterstellung von Gesetzentwürfen der Regierung in Bezug auf ihre Wirkung im Parlament, was im Hinblick auf die Gleichwertigkeit allein maßgeblich ist.673 Die Stellungnahme des Normenkontrollrates reicht 668

BT-Drs. 17/1954, S. 2. Kroll, ZG 2009, 259 (270). 670 Vgl. Brenner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)139, S. 6. 671 NKR, Jahresbericht 2016, S. 6. 672 BVerfGE 1, 144 (161 f.); Brüning, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 114; Hebeler, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 47; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  76 Rn.  52. 673 So im Ergebnis auch Heintzen, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 16(9)133, S. 4. 669

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

in ihrer Bedeutung nicht so weit, dass sie die Erfolgsaussichten einer Gesetzesvorlage wesentlich schmälern würde. Wenn man in der obligatorischen Einbeziehung des Rates dennoch eine relevante Ungleichbehandlung erblickt, ließe sich als sachlich rechtfertigender Grund dafür anführen, dass die Bundesregierung die weitaus meisten erfolgreichen Gesetzentwürfe in das Parlament einbringt. Daher ist es sachgerecht und mit Art. 76 Abs. 1 GG vereinbar, dass der Normenkontrollrat ausschließlich diese Entwürfe daraufhin überprüft, ob sie eine nachvollziehbare Darstellung der mit der Regelung verbundenen Kosten enthalten.

III. Gesetzgebungsrechte des Bundestages und Bundesrates Seit der Novelle des NKRG im Jahr 2011 unterliegen auch Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages und aus dem Bundesrat dem Prüfungsmandat des Normenkontrollrates. Das gilt aber nur unter der Bedingung, dass die Initiativberechtigten gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 NKRG eine Begutachtung durch den Normenkontrollrat wünschen. Sowohl der Bundesrat als auch die hinter einem Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestages stehenden Abgeordneten oder Fraktionen können eigenständig und auf freiwilliger Basis entscheiden, ob sie dem Normenkontrollrat einen Gesetzentwurf zur Prüfung vorlegen. Da die Inanspruchnahme dieser externen Beratung somit dem freien Willen der Initiativberechtigten unterliegt, ruft die entsprechende Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Ausübung des Gesetzesinitiativrechts nach Art. 76 Abs. 1 GG hervor. Auch weitere durch die Verfassung garantierte Rechte, die die Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren schützen, erfahren durch die fakultative Beteiligung des Normenkontrollrates keine Beeinträchtigung. Wenn sich die einbringenden Abgeordneten oder Fraktionen bzw. der Bundesrat dazu entschlossen haben, dem Normenkontrollrat einen Gesetzentwurf zur Prüfung vorzulegen, geht das Ergebnis der Überprüfung nicht mit einem Vetorecht des Normenkontrollrates einher, sondern stellt einen rechtlich folgenlosen Beratungsakt dar. Das Nichtvorliegen des Prüfungsergebnisses soll ausdrücklich keinen Einfluss auf Beginn und Abschluss der parlamentarischen Beratungen haben.674 Der Bundestag kann einen aus seiner Mitte sowie einen vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf folglich beraten und verabschieden, auch wenn der Normenkontrollrat die Überprüfung des Entwurfs noch nicht abgeschlossen hat. Dieser Umstand gewährleistet, dass das Gesetzgebungsrecht des Bundestages gemäß Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG weder verzögert noch beeinträchtigt wird. Der ggf. noch andauernde Prüfungsvorgang des Normenkontrollrates dürfte auch die anschließende Behandlung des Gesetzentwurfs im Bundesrat nach Art. 77 Abs. 2a und 3 GG nicht behindern, um

674

BT-Drs. 17/1954, S. 7.

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die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat gemäß Art. 50 GG nicht zu verzögern oder einzuschränken.

IV. Demokratieprinzip Das Demokratieprinzip findet seine grundlegende verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 20 Abs. 1 GG. Eine wesentliche Ausprägung ist in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG niedergelegt, der den Grundsatz enthält, dass alle Staatsgewalt vom Volk auszugehen hat. Dahinter verbirgt sich die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, dass sich die Tätigkeit aller Träger hoheitlicher Gewalt zumindest mittelbar auf den Willen des Volkes zurückführen lassen muss.675 Diese Zurechnung erfolgt gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG insbesondere durch Wahlen, mittels derer der Bundestag eine unmittelbare demokratische Legitimation erhält. Daraus resultiert zugleich die zentrale Stellung des Bundestages im verfassungsrechtlichen Gefüge. Versuche, die darauf hinauslaufen, unmittelbar oder faktisch Kompetenzen und Entscheidungsrechte des Bundestages zu tangieren, sind daher in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich immer auch am Demokratieprinzip zu messen. 1. Demokratische Legitimation des Normenkontrollrates Die Tätigkeit des Normenkontrollrates bedürfte im Grundsatz nur dann einer demokratischen Legitimation, wenn es sich um die Ausübung von Staatsgewalt i. S. v. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG handeln würde. Als Ausübung von Staatsgewalt gilt jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter.676 Dazu zählen auch Entscheidungen, die nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Amtsaufgaben sowie für die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen einschließlich der Ausübung von Vorschlagsrechten schaffen.677 Keiner demokratischen Legitimation bedürfen hingegen bloß vorbereitende und rein konsultative Tätigkeiten. Die Arbeit von Expertengremien, die nur beratende Aufgaben im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung wahrnehmen, ohne Mitentscheidungsbefugnisse zu haben, muss daher nicht i. S. v. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG auf den Willen des Volkes zurückgeführt werden können.678 Die Tätigkeit des Normenkontrollrates beschränkt sich in rechtlicher Hinsicht auf eine Beratungs- und Überprüfungsfunktion, die nicht über unverbindliche Stel 675 BVerfGE 93, 37 (66); 107, 59 (87); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 107; Huster / Rux, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 20 Rn. 62. 676 BVerfGE 83, 60 (73); 93, 37 (68). 677 BVerfGE 107, 59 (87); Trute, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, § 6 Rn. 6. 678 BVerfGE 47, 253 (273); 83, 60 (74); Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 13; Hahn, Umwelt- und zukunftsverträgliche Entscheidungsfindung, S. 435; Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 211 (215).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

lungnahmen hinausreicht. Nach außen wirkende Mitentscheidungsbefugnisse im Verfahren der Gesetzeserarbeitung stehen ihm nicht zu. In faktischer Hinsicht ergibt sich ebenfalls keine andere Wertung. Der Normenkontrollrat befindet sich im Rahmen der Erarbeitung von Gesetzentwürfen in regelmäßigem Austausch mit der Ministerialverwaltung. Dabei stehen Fragen zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands im Vordergrund. Unmittelbaren politischen Einfluss auf den Inhalt eines Gesetzes übt der Normenkontrollrat aber nicht aus. Wenn der politische Wille vorhanden ist, ein bestimmtes Regelungsvorhaben trotz damit verbundener hoher Folgekosten umzusetzen, finden Bedenken und Kritik des Normenkontrollrates in der Regel kaum Berücksichtigung.679 Sie führen allenfalls dazu, dass die Bundesregierung die Darstellung der Folgekosten des Vorhabens nochmals überarbeitet oder eine vollständigere Abschätzung nachreicht. Eine kritische Stellungnahme des Normenkontrollrates genießt im politischen Betrieb bislang auch keinen derart hohen Stellenwert, dass ein mit diesem Makel behafteter Regierungsentwurf im Parlament um seine Mehrheitsfähigkeit bangen müsste. Der Rechtfertigungsdruck, der durch eine negative Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf auf demjenigen, der den Entwurf in das Bundestag eingebracht hat, lastet, übersteigt im Rahmen der parlamentarischen Beratungen nicht das im politischen Alltag gewöhnliche Maß an Kritik. Mangels Entscheidungscharakter seiner Stellungnahmen bedarf der Normenkontrollrat daher keiner demokratischen Legitimation. Aus diesem Grund kommt das bereits diskutierte Problem der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des ministerialfreien Raums ebenfalls nicht zum Tragen.680 Ministerialfreie Räume sind solche Bereiche der staatlichen Verwaltung, die von fachlichen Weisungen der jeweiligen Regierung freigestellt sind und in denen daher nach zum Teil vertretener Auffassung die demokratische Legitimation sinkt. Der Normenkontrollrat stellt ein unabhängiges Beratungsgremium dar, das infolge seiner Fachweisungsfreiheit vom Grundmodell des hierarchisch-bürokratischen Aufbaus der Ministerialverwaltung abweicht. Die fehlende Fachweisungsbefugnis des Bundeskanzleramts als der übergeordneten Organisationseinheit führt dazu, dass im Vergleich zum Prinzip der Ressortverantwortlichkeit gemäß Art. 65 S. 2 GG die parlamentarische Lenkungs- und Kontrollfunktion über den Normenkontrollrat und damit einhergehend die Effektivität der demokratischen Legitimation beschränkt sind. Ministerialfreie Entscheidungsräume sind einer funktionellen Rechtfertigung zugänglich, wenn die gesetzlich übertragene Aufgabe nach ihrer spezifischen Eigenart eine solche Weisungsfreiheit erfordert.681 In diesem Kontext bestimmt sich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des ministerialfreien Raums danach, ob der Bereich der Weisungseinschränkung lediglich unverbindliche Stellungnahmen im 679

Vgl. Böll, DER SPIEGEL 39/2013, S. 42 (43); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (118). Dazu unter Kap. 1, B. VI. 2.; ebenso Dittmann, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 203 (209) in Bezug auf unabhängige Beratungsinstitutionen in der GFA. 681 Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 24; Müller, JuS 1985, 497 (508); ausführlich Schmidt, Demokratische Legitimationsfunktion, S. 276 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 20 Rn. 178 f. 680

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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Verfahren der Entscheidungsfindung oder rechtlich verbindliche Entscheidungen erfasst.682 Da das rechtliche Wirken des Normenkontrollrates auf Stellungnahmen ohne Bindungswirkung für andere Organe limitiert ist, stellt sich sowohl die in § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG normierte Unabhängigkeit als auch die Fachweisungsfreiheit als verfassungsrechtlich unbedenklich dar. Im Übrigen spräche die dem Rat durch § 1 Abs. 3 NKRG zugewiesene regierungsinterne Kontrollaufgabe dafür, dass der Verzicht auf ein Fachweisungsrecht des Bundeskanzleramts gerechtfertigt ist. Die wirksame Ausübung einer entsprechenden Kontrollfunktion setzt schließlich eine gewisse Ferne und Unabhängigkeit von der Regierung voraus. Selbst wenn man sich hypothetisch der Annahme anschließt, dass die politischen Akteure den Empfehlungen des Normenkontrollrates regelmäßig Folge leisten und er deshalb faktische Mitentscheidungsbefugnisse im Verfahren der Gesetzeserarbeitung wahrnimmt683, könnten verschiedene demokratische Legitimationsressourcen für seine Tätigkeit fruchtbar gemacht werden. Um die Effektivität des Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt zu gewährleisten, bedarf es eines ausreichenden Legitimationsniveaus, das hinsichtlich verschiedener Formen der Staatstätigkeit unterschiedlich ausgestaltet sein kann.684 Wenn sich die Bedeutung und Tragweite der staatlichen Tätigkeit für das Gemeinwesen als gering herausstellt, sinkt das notwendige Legitimationsniveau. Da der Normenkontrollrat ein Beratungsgremium ohne förmliche Veto- und Mitentscheidungsbefugnisse darstellt, würde für seine Prüfungstätigkeit ein im Vergleich zur Ministerialverwaltung geringeres Legitimationsniveau genügen. Die Grundformen demokratischer Legitimation reichen von der personell-organisatorischen über die sachlich-inhaltliche bis zur funktionell-institutionellen Legitimation.685 Letztere verweist lediglich darauf, dass die grundlegenden staatlichen Funktionen durch den Verfassungsgeber selbst legitimiert sein müssen, kann aber keine konkrete Legitimation vermitteln.686 Nach Auffassung des BVerfG bedürfen alle Organe, die Staatsgewalt ausüben, einer personellen Legitimation, die sich über eine ununterbrochene Legitimationskette zumindest mittelbar auf das Staatsvolk zurückführen lässt.687 Die personell-organisatorische Legitimation des Normenkontrollrates resultiert aus dem Berufungsverfahren, in dessen Zuge der Bundespräsident gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 und 3 NKRG die Mitglieder auf Vorschlag der Bundesregierung ernennt. Die Mit 682 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 200; im Ergebnis ebenso Loening, DVBl. 1954, 173 (180). 683 In diese Richtung Kroll, ZG 2009, 259 (270 f.); Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 196. 684 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (67); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 126; Sommermann, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 20 Rn. 185; Trute, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, § 6 Rn. 14. 685 Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 14; Dreier, in: ders., GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 D Rn. 109; Huster / Rux, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 20 Rn. 93. 686 Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 15; Dreier, in: ders., GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 D Rn. 110. 687 BVerfGE 77, 1 (40); 83, 60 (72 f.).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

glieder des Normenkontrollrates können dank des individuellen Berufungsakts, den der Bundespräsident als mittelbar demokratisch legitimiertes Staatsorgan vollzieht, eine mehrstufige, aber ununterbrochene und auf das Volk rückführbare Legitimationskette aufweisen. Dass die Regierung über keine Abberufungsmöglichkeiten verfügt und die Amtszeit der Mitglieder des Normenkontrollrates nicht an den Regierungsbestand gekoppelt ist, steht der Legitimation nicht entgegen.688 Der Verzicht auf entsprechende Regelungen dient der verfassungsrechtlich zulässigen Unabhängigkeit des Rates, die für die Akzeptanz seiner Aufgabenwahrnehmung unabdingbar ist. Die sachlich-inhaltliche Legitimation setzt voraus, dass das Volk auf den Inhalt der Ausübung der Staatsgewalt hinreichenden Einfluss hat. Das kann zum einen durch das vom Parlament als der Vertretungskörperschaft des Volkes beschlossene Gesetz erfolgen, dessen Bindungskraft gemäß Art. 20 Abs. 3 GG es dem Bundestag ermöglicht, die Tätigkeit anderer staatlicher Instanzen inhaltlich zu steuern. Zum anderen unterliegt die Regierung sowohl hinsichtlich ihres eigenen Verhaltens als auch für das Verhalten nachgeordneter Organe und Behörden parlamentarischer Kontrolle.689 Das vom Parlament beschlossene NKRG vermittelt dem Normenkontrollrat die demokratische Legitimation in sachlich-inhaltlicher Hinsicht. Angesichts der gesetzlichen Grundlage, auf die der Normenkontrollrat sein Handeln stützt, sind es parlamentarische Vorgaben, die den Umfang seines Mandats bestimmen. Die Ratsmitglieder sind trotz ihrer fachlichen Weisungsfreiheit an das NKRG gebunden. Durch die gesetzgeberischen Handlungsmöglichkeiten steht es dem Parlament offen, das Mandat des Normenkontrollrates enger zu fassen, die Regelungen über die Berufung der Mitglieder zu ändern oder den Rat insgesamt aufzulösen. Die methodischen Instrumente des Normenkontrollrates gemäß § 2 Abs. 3 NKRG unterliegen ebenfalls dem gesetzlichen Zugriffsrecht des Parlaments. Weiterhin verfügt die Regierung mit der Rechtsaufsicht durch den Chef des Bundeskanzleramts nach § 3 Abs. 8 NKRG sowie dem Zustimmungsvorbehalt in Bezug auf die Geschäftsordnung gemäß § 3 Abs. 7 NKRG über gewisse Einflussrechte auf den Normenkontrollrat. Deren Ausübung ist aufgrund der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung wiederum mittelbar an das Volk rückangebunden. 2. Tendenz zur Entparlamentarisierung Vor allem die Gesetzesbegründung zum NKRG betonte, dass die Errichtung des Normenkontrollrates auf gesetzlicher Grundlage der „Entparlamentarisierung des Regierungsstils“ entgegenwirke690. Diese Annahme bezog sich zwar auf den Um 688

Diesbezüglich aber zweifelnd Linke, JZ 2016, 1081 (1087 Fn. 102). Dreier, in: ders., GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 D Rn. 112; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 122; Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 67; Sommermann, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 20 Rn. 168. 690 BT-Drs. 16/1406, S. 5; Röttgen, ZRP 2006, 47 (48); Schröder, DÖV 2007, 45 (48). 689

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stand, dass die Bundesregierung Sachverständigengremien häufig lediglich durch regierungsinterne Organisationsverfügungen einsetzt691, jedoch gab sie zugleich auch Anlass für Fehlinterpretationen. So erweckte sie den Eindruck, als diene die Schaffung des Normenkontrollrates insgesamt dazu, einer weiteren Entparlamentarisierung vorzubeugen. Allerdings deutet die strukturelle Gestaltung des Normenkontrollrates eher auf das Gegenteil hin. a) Die Rolle des Bundestages im politischen Entscheidungsprozess Die politische Idealvorstellung von der Rolle des Parlaments geht davon aus, dass es als ein Markt der Meinungen fungiere und in differenzierten Diskussionen die Entscheidungen treffe, die die Regierung dann auszuführen habe. Obwohl zweifel­haft ist, ob diese Vorstellung unter der Geltung des Grundgesetzes und anderswo jemals der Realität entsprach, wird in Wissenschaft und Praxis wiederkehrend der zunehmende Bedeutungsverlust des Bundestages beklagt. Entsprechend vielfältig sind die Debattenbeiträge und Wortmeldungen rund um das Thema Entparlamentarisierung.692 Ausgangspunkt ist die rechtliche Annahme, dass der Bundestag als einziges unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ im Mittelpunkt des politischen Entscheidungsprozesses zu stehen habe.693 Auf dieser Grundlage gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte, die darauf hindeuten, dass eine Entmachtung des Bundestages und eine damit einhergehende Einbuße an demokratischer Legitimation staatlichen Handelns erfolgen. Die Liste der Tatbestände, die als Beispiele für die zunehmende Entparlamentarisierung dienen, ist umfangreich. Globalisierung und Supranationalisierung führten zu einer Stärkung der Exekutive, da Entscheidungen von großer Tragweite auf internationaler Ebene getroffen würden, ohne dass eine angemessene parlamen­ tarische Beteiligung stattfinde.694 Gleichzeitig könne dieses Legitimationsdefizit nicht durch den Aufbau demokratischer Strukturen auf internationaler Ebene ausgeglichen werden. Die zunehmende Komplexität der Regelungsmaterien schwäche 691 Die Entscheidung, den Normenkontrollrat durch Gesetz einzurichten, könnte eine Reak­ tion auf die verfassungsrechtliche Kritik darstellen, die daran geäußert wurde, dass die Bundesregierung den Nationalen Ethikrat im Jahr 2001 lediglich durch Kabinettsbeschluss eingesetzt hat, vgl. dazu Ahlswede, Der Nationale und der Deutsche Ethikrat, S. 111 ff.; Boos, ZRP 2006, 66 (66 f.); Ruffert, DVBl. 2002, 1145 (1147); Schröder, NJW 2001, 2144 (2146); zur Dominanz der Exekutive beim Zugriff auf wissenschaftliche Expertise Graf Kielmansegg, in: Dreier / Willoweit (Hrsg.), Wissenschaft, S. 219 (238). 692 Hier daher nur eine kurze Auswahl: Herdegen, VVDStRL 62 (2003), 7 (9 ff.); Kirchhof, NJW 2001, 1332 ff.; Klein, Gesetzgebung ohne Parlament?, S. 8 ff.; Morlok, VVDStRL 62 (2003), 37 (44 ff.); Papier, in: Oberreuter (Hrsg.), Macht und Ohnmacht, S. 79 ff.; Puhl, in: HStR III, § 48; Ruffert, DVBl. 2002, 1145 ff. 693 Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1332); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 57; anders v. Bogdandy, AöR 130 (2005), 445 (456 f.). 694 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 528 f.; Puhl, in: HStR III, § 48 Rn. 3 ff.; ähnlich Ruffert, DVBl. 2002, 1145 (1149).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

das Parlament, da sie eine Machtverschiebung in Richtung Regierung, Ministerial­ verwaltung und ihrer Experten nach sich ziehe.695 Der ebenfalls mit der steigenden Komplexität der zu regelnden Sachverhalte verbundene Rückgriff auf externen Sachverstand beeinträchtige die materiellen Entscheidungskompetenzen des Bundestages.696 Die Prägung des Bundestages durch die politischen Parteien führe zu einer Verlagerung parlamentarischer Funktionen auf Parteigremien und Koalitionsrunden.697 Da die aufgezählten Sachverhalte erhebliche Unterschiede aufweisen, bedarf es einer eingehenden Untersuchung im Einzelfall, ob der Vorwurf einer Entmachtung des Parlaments jeweils zutrifft. Das kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Generell gilt aber, dass die Schlussfolgerung von den geschilderten Tatbeständen auf eine Entparlamentarisierung nicht in jedem Fall zutrifft, sondern teilweise auf einem falschen Verständnis des geltenden Verfassungsrechts und des parlamentarischen Regierungssystems beruht.698 b) Entparlamentarisierung durch Sachverständigengremien Da mit dem Normenkontrollrat Gegenstand dieser Arbeit im weitesten Sinne ein Sachverständigengremium ist, soll im Folgenden der Blick auf die Entparlamentarisierung durch unabhängige Beratungsgremien gelenkt werden. Die sachverständige Beratung bei der Erarbeitung politischer Konzepte unterliegt keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken.699 Die Problematik der in diesem Kontext beklagten Entparlamentarisierung besteht häufig darin, dass sie in verfassungsrechtlicher Hinsicht normativ kaum greifbar ist. Ihre Herleitung hängt oftmals von Deutungen ab, die sich auf den politischen Prozess beziehen, aber keine Grundlage im Verfassungstext haben.700 Verfassungsrechtliche Relevanz weisen nur eindeutige Fälle auf.

695

Dietzel, Wissenschaft, S. 343; Morlok, VVDStRL 62 (2003), 37 (44). Boos, ZRP 2006, 66 (66); Kirchhof, in: Kaiser / Zittel (Hrsg.), FS Kielmansegg, S. 359 (365 f.); ähnlich Papier, in: Oberreuter (Hrsg.), Macht und Ohnmacht, S. 79 (83 f.). 697 Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1333); Ruffert, DVBl. 2002, 1145 (1146); Schuett-Wetschky, ZParl 2005, 489 (493 ff.). 698 v. Bogdandy, AöR 130 (2005), 445 (456 ff.); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 58; Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 523 f.; ders., ZJS 2008, 224 (226); auch Müller, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 38 Rn. 39 sieht keinen grundlegenden Funktionsverlust. 699 Brohm, in: HStR II, 1. Aufl., § 36 Rn. 41; Klein, Gesetzgebung ohne Parlament?, S. 25; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 62; Morlok, VVDStRL 62 (2003), 37 (74 f.); Schenke, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 65 Rn. 76; Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen – Beraten – Entscheiden, S. 211 (225); Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (865 f.); Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 52. 700 v. Bogdandy, AöR 130 (2005), 445 (459); Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 424 f.; Schmidt-Aßmann, in: Weingart / Lentsch, Wissen  – Beraten  – Entscheiden, S. 211 (225). 696

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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Solange die politische Bewertung des eingeholten Sachverstandes dem Parlament obliegt, ist kein offensichtlicher Verfassungsverstoß erkennbar. Die vorbereitende Ausarbeitung politischer Grundsatzentscheidungen in Gesetzesform war bereits seit Inkrafttreten des Grundgesetzes in erster Linie eine Aufgabe der Regierung und ihrer Ministerialbürokratie, die sich dafür auch der Beratung durch externe Fachleute bedienen konnten. Ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG oder Art. 38 GG kann darin nicht erblickt werden. Insofern ist das Parlament vielmehr ein Ort der Kontrolle.701 Kritisch wird es hingegen, wenn eine unabhängige und überparteiliche Kommission mit besonderer Ausstrahlungswirkung damit beauftragt wird, eine bestimmte politische Leitlinie zu entwerfen. Infolgedessen verlagert sich die politische Kompromissfindung auf außerparlamentarische Foren, die dem Bundestag gegenüber nicht verantwortlich sind.702 Darunter leidet nicht nur die parlamentarische Gestaltungskraft, sondern es wird dem Bundestag auch schwerfallen, die Entscheidung einer überparteilichen Kommission mit namhaften Experten grundlegend in Frage zu stellen. Nicht entscheidend wirkt sich in diesem Zusammenhang die Frage aus, ob die Einsetzung des jeweiligen Sachverständigengremiums auf die Bundesregierung oder den Bundestag selbst zurückzuführen ist. Wenn es – wie im Fall des Normenkontrollrates – der Bundestag war, der mittels Gesetz ein Expertengremium geschaffen hat, ist die daraus resultierende Entscheidungsverlagerung Folge einer Selbstentmachtung des Parlaments. Da sich der Bundestag seiner Kompetenzen nicht entledigen darf, sind die Wirkungen, die ein außerparlamentarisches, aber auf einem formellen Gesetz beruhendes Gremium hervorruft, einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung auch im Hinblick auf die Rechte des Parlaments uneingeschränkt zugänglich. c) Beeinträchtigung des politischen Bewertungsmonopols des Parlaments Der Einsetzung des Normenkontrollrates verbunden mit der methodischen Grundlage des Standardkosten-Modells liegt der Ansatz zugrunde, die Diskussionen um „Bürokratieabbau“ sowie gesetzliche Kostenfolgen auf eine sachliche Grundlage zu stellen. Insbesondere das Standardkosten-Modell soll im Rahmen der Bürokratiekostenmessung zur „Entpolitisierung“ von Deregulierungsdiskussio-

701

Schulze-Fielitz, in: Dreier / Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität, S. 71 (76); ders., JZ 2004, 862 (865 f.); Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 425; Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 52; ähnlich Bryde, Wirtschaftspolitische Beratungsgremien, S. 140; Hugo, Vernehmlassung, S. 338. 702 Herdegen, VVDStRL 62 (2003), 7 (13 f.); Voßkuhle, in: HStR III, § 43 Rn. 52; dazu ebenfalls kritisch in Bezug auf die politische Steuerungsfunktion des Parlaments Klein, in: HStR III, § 50 Rn. 10; König, in: Sommermann (Hrsg.), Sachverständige Politikberatung, S. 43 (48) sieht die Gefahr einer „Ersatzvornahme“ dessen, was Aufgaben von Regierung und Parlament sind; anderer Auffassung Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (865 f.).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

nen im Gesetzgebungsverfahren beitragen.703 In diesem Sinne verleiht § 1 Abs. 4 NKRG dem Normenkontrollrat ein vermeintlich unpolitisches Mandat, das ihn in die Lage versetzen soll, Kostenfolgenabschätzungen neuer Gesetzentwürfe unabhängig von inhaltlichen und politischen Argumenten zu bewerten. Dieser Versuch, Elemente der materiellen Gesetzgebung einer politischen Diskussion zu entziehen, muss auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen. Er zielt darauf ab, den Anschein zu erwecken, als dürfte die Entscheidung über das Ob eines Gesetzes allein von sachrationalen Erwägungen abhängen, zu denen etwa die messbaren Kostenfolgen zählen. Gleichzeitig schwingt in dem Ansatz der Vorwurf mit, politische Diskussionen seien ungeeignet, rationale Entscheidungen hervorzubringen. Dieser Vorwurf weist jedoch in die falsche Richtung, da sich gezeigt hat, dass das „unpolitische“ Mandat des Normenkontrollrates in der Praxis selbst an erhebliche Grenzen stößt und Gesetzesfolgenabschätzungen sowie Bürokratiekostenmessungen nur einen Bruchteil der Auswirkungen einer Regelung abbilden und daher mitunter Scheinrationalitäten produzieren.704 Vor allem aber läuft die Vorstellung, die Frage nach den Wirkungen eines Gesetzes zu entpolitisieren, dem demokratischen Willensbildungsprozess, wie ihn die Verfassung voraussetzt, zuwider. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG geht davon aus, dass die Willensbildung des Volkes notwendig eine politische ist und die Parteien in diesem Prozess eine besondere Rolle einnehmen. Politischen Parteien kommt eine Schlüsselfunktion für die Verknüpfung der Willensbildung des Volkes mit derjenigen des Staates zu.705 Sie strukturieren den politischen Willensbildungsprozess vor Wahlen, indem sie die Masse der im Volk vertretenen Meinungen und Interessen bündeln und Personen, die für diese Inhalte stehen, als Kandidaten aufstellen.706 Damit schaffen sie die Voraussetzungen, damit das Volk die von Art. 20 Abs. 2 GG verlangte Legitimationsfunktion durch Wahlen nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG ausüben kann. Da die im Bundestag vertretenen Abgeordneten unabhängig von ihrer Weisungsfreiheit gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG im Regelfall jeweils einer Parteizugehörigkeit unterliegen, ist die sich dort vollziehende staatliche Willensbildung ebenfalls in erheblichem Maße durch parteipolitische Erwägungen beeinflusst.707 Eine der wichtigsten Formen, in der sich die staatliche Willensbildung und zugleich 703

Vgl. Jann / Wegrich / Jantz / Veit, Bürokratieabbau für Bürger, S. 9 f.; Konzendorf, in: Widmer u. a. (Hrsg.), Evaluation, S. 27 (38); Veit, ZG 2008, 68 (69); Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (39); siehe dazu auch unter Kap. 1, B. IV. 3.; „Deregulierung“ wird hier im materiellen Sinne verstanden, womit der Rückzug des Staates und die Abschaffung staatlicher Interventionen gemeint sind, dazu Pürgy, in: Lienbacher / ders. (Hrsg.), Verwaltungsreform und Deregulierung, S. 3 (13). 704 Dazu näher unter Kap. 1, B. IV. 3. 705 BVerfGE 73, 40 (85); 85, 264 (284 f.). 706 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 21 Rn. 159; Streinz, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 21 Rn. 17. 707 Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 21 Rn. 196, der darauf hinweist, dass das politische Ämtersystem dem „Zugriff der Parteien von Verfassungs wegen“ offen steht; ähnlich Kluth, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 21 Rn. 87.

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die Herrschaftsausübung im Parlament äußern, ist der Erlass von Gesetzen, die den der Staatsgewalt Unterworfenen Rechte gewähren und Pflichten auferlegen. Die beschriebene verfassungsrechtliche Konzeption läuft zwangsläufig darauf hinaus, dass die Gesetzgebung als Ausprägung staatlicher, demokratischer Willensbildung eine politische Gestaltung erfährt und von politischen Mehrheitsentscheidungen abhängt. „Die Gesetzgebung als Ausfluß parlamentarischer Souveränität ist im Kern ein politischer Vorgang.“708 Parlamentarische Rechtsetzung findet damit im Rahmen politischer Diskurse statt, die eigenen Regeln und Rationalitäten folgen.709 Sie ist zum einen von der Mehrheitsregel sowie der Suche nach einem politischen Kompromiss geprägt. Zum anderen unterliegt sie dem Wettbewerb um Zustimmung. In letzter Instanz geht es den politischen Akteuren darum, dass ihr gesetzgeberisches Handeln auf den Zuspruch der Wahlberechtigten trifft. Die knappe Fassung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG bringt durch den Verzicht auf inhaltliche Vorgaben die Vorherrschaft des Politischen zum Ausdruck. Auf diese Weise gewährleistet das Grundgesetz, dass die Entscheidung, ob die Kosten eines Gesetzes im Hinblick auf das Regelungsziel angemessen sind, in eine politische Beurteilung mündet, die allein dem durch Wahlen unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament obliegt. Dem widerspricht die hinter der Einführung des Normenkontrollrates stehende Idee, die Diskussionen über Kostenaspekte im Gesetzgebungsprozess dem politischen Diskurs zu entziehen. Ein politikberatendes und vermeintlich unabhängiges Sachverständigengremium ist nicht dazu berufen, zu entscheiden, welche Kostenfolgen eines Gesetzes notwendig und welche überflüssig sind. Entpolitisierung in diesem Sinne kann kein Element demokratischer Gesetzgebung sein. Da diese Idee und das Mandat des Normenkontrollrates aber bislang nicht so weit reichen, dass dem Parlament das politische Bewertungsmonopol tatsächlich entzogen wird, geht ein Verfassungsverstoß damit noch nicht einher. Aber die Ausführungen belegen, dass der fachlichen Rationalisierung der Gesetzgebung eindeutige verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind. Normenkontrollrat, Bürokratiekostenmessung und Gesetzesfolgenabschätzung können als Hilfsmittel den Gesetzgebungsprozess beratend unterstützen, politische Entscheidungen dürfen sie jedoch nicht ersetzen.

708

Wimmer, in: Schäffer / Triffterer (Hrsg.), Rationalisierung der Gesetzgebung, S. 225 (229); daran anknüpfend Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 809; Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 205. 709 Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 431; Cornils, DVBl. 2011, 1053 (1059); Grzeszick, VVDStRL 71 (2012), 49 (63); Gusy, ZRP 1985, 291 (298); Hebeler, DÖV 2010, 754 (762); Hoffmann-Riem, Innovation, S. 163 f.; Hugo, Vernehmlassung, S. 145 f.; Lienbacher, VVDStRL 71 (2012), 7 (16); Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 171; Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 528; ausführlich zum politischen Prozess als Grenze für rationale Gesetzgebung Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, S. 393 ff.; am Beispiel des Neuen Steuerungsmodells zur Erkenntnis, dass betriebswirtschaftliche Methoden nicht eins zu eins auf politische Prozesse angewandt werden können Bogumil, in: Brüning / Schliesky (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 13 (30); ähnlich Bull, in: Ziekow (Hrsg.), Verwaltungspolitik, S. 151 (157 f.).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

d) Schwächung der parlamentarischen Kontrollfunktion Die Absicht des Gesetzgebers, ein Gremium zur Überprüfung der von Regelungsvorhaben ausgehenden Kostenfolgen zu etablieren, unterliegt bezüglich der Rolle des Parlaments zunächst keiner negativen Bewertung. Es erscheint sogar begrüßenswert, wenn die Abgeordneten über die mit einem Regelungsentwurf verbundenen Kostenfolgen umfassend informiert sind. Die maßgebliche Frage ist aber, warum der Gesetzgeber entschieden hat, das Gremium beim Bundeskanzleramt und damit der Exekutive anzusiedeln. Aus dem Gesetzentwurf ergibt sich als Begründung für diese Angliederung lediglich, dass damit der Bedeutung der Aufgabe des Bürokratieabbaus Rechnung getragen werde.710 Zum Aspekt, warum auf eine Anbindung an das Parlament verzichtet wurde, schweigt sich der Gesetzentwurf hingegen aus. Es ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit dieser Entscheidung einem internationalen, vor allem von der OECD unterstützten Trend folgte, nach dem „Bürokratieabbau“ am besten gelinge, wenn er auf hoher politischer Ebene in der Exekutive durch ein Kontrollorgan institutionalisiert werde.711 Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Frage der Anbindung des Normenkontrollrates unter Berücksichtigung seiner Funktion jedoch nicht so unbedenklich, wie sie auf den ersten Blick erscheint. „Das parlamentarische Regierungssystem wird grundlegend auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt.“712 Diese Aussage des BVerfG verdeutlicht, dass das politische Kontrollrecht über das Handeln der Regierung genuin beim Bundestag liegt. Verfassungsrechtlich findet die parlamentarische Kontrollfunktion nur beiläufig in Art. 13 Abs. 6 S. 2, Art. 45b S. 1 und Art. 45d Abs. 1 GG eine ausdrückliche Erwähnung. Sie ist aber zum einen notwendige Grundvoraussetzung und Gelingensbedingung für die staatliche Gewaltenteilung, um insbesondere das strukturelle Übergewicht der Regierung und ihres Behördenapparates zu begrenzen.713 Zum anderen bedingt die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung die Ausübung einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle, damit der von Art. 20 Abs. 2 GG geforderte Zurechnungszusammenhang zwischen dem Handeln der Staatsorgane und den Bürgern als Legitimationssubjekt aufrechterhalten bleibt.714 Die parlamentarische Kontrollfunktion vermittelt auf diese Weise eine sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation des Regierungshandelns. Als

710

BT-Drs. 16/1406, S. 5. Jantz / Veit, in: Florack / Grunden (Hrsg.), Regierungszentralen, S. 285 (291 ff.); dazu auch unter Kap. 3, A. II. 712 BVerfGE 67, 100 (130). 713 BVerfGE 67, 100 (130); Memminger, DÖV 1986, 15 (17); Meyer, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, § 4 Rn. 68; Warg, NVwZ 2014, 1263 (1264). 714 Gusy, DVBl. 1998, 917 (922); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 20 Rn. 54; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 38 Rn. 43; Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 67; Schmidt, Demokratische Legitimationsfunktion, S. 121. 711

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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Grundlage jeglicher parlamentarischer Kontrolle dienen Informationen.715 Aus diesem Grund bilden Informationsgewinnung, Informationsverarbeitung, Informationsbewertung und die abschließende Entscheidung die wesentlichen Phasen des parlamentarischen Kontrollprozesses.716 Die Kontrolle vollzieht sich jedoch nicht nur durch die nachträgliche Prüfung, Bewertung und Korrektur von Handlungen der Regierung, sondern sie kann auch vorausgreifend, begleitend, mitwirkend oder steuernd erfolgen.717 Da sich die Kontrollfunktion in nahezu allen parlamentarischen Entscheidungsprozessen wiederfindet, stellt auch die gesetzgeberische Tätigkeit des Bundestages vor allem im Hinblick auf Gesetzentwürfe von der Bundesregierung einen Teil parlamentarischer Kontrolle dar.718 Wenn vor diesem Hintergrund ein bei der Bundesregierung angesiedeltes Gremium den Namen „Normenkontrollrat“ trägt, gibt das bereits Anlass zu Irritationen.719 Diese Bezeichnung erweckt den Anschein, als nehme das Gremium trotz seiner regierungsinternen Anbindung in erster Linie eine parlamentarische Aufgabe wahr. Aber nicht nur die Bezeichnung, sondern auch die dem Normenkon­trollrat gemäß § 1 Abs. 3 NKRG zugewiesene materielle Aufgabe der Überprüfung von Folgekostenabschätzungen der Ministerialverwaltung stellt vor allem eine parlamentarische Angelegenheit dar, weil diese Prüfung auf die Verarbeitung und Bewertung von Informationen aus der Sphäre der Regierung hinausläuft. Die Abschätzung des Erfüllungsaufwands eines Regierungsentwurfs enthält Informationen, die vom Parlament aufbereitet werden und von diesem sachlich wie politisch zu beurteilen sind. Die Überprüfung der aus den Ressorts stammenden Annahmen, die das Parlament einem Gesetzesbeschluss zugrunde legt, ist wichtiger Bestandteil sowohl seiner Gesetzgebungs- als auch seiner Kontrollfunktion. Nicht ohne Grund gilt die Gesetzesfolgenabschätzung im Bereich der Legislative generell als

715 Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, S. 192; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 159; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 38 Rn. 44; Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 72; Steffani, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 49 Rn. 21. 716 Steffani, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 49 Rn. 12 ff.; diese Phasen aufgreifend Brocker, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 34 Rn. 42; Schöne, Alltag im Parlament, S. 267. 717 Klein, in: HStR III, § 50 Rn. 33; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 38 Rn. 46; Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 67; Schöne, Alltag im Parlament, S. 271 f. 718 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 411 ff.; Hadamek, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 17 Rn. 2; Klein, in: HStR III, § 50 Rn. 33; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 127 f.; Memminger, DÖV 1986, 15 (19); v. Oertzen, Expertenparlament, S. 280; Schulze-Fielitz, Parlamentarische Gesetzgebung, S. 295 ff.; ders., in: Dreier / Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität, S. 71 (100 f.); Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 519; Zeh, in: Hartwich (Hrsg.), Gesellschaftliche Probleme, S. 275 (279); ders., in: Schneider / ders. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 39 Rn. 12; differenzierend Schmidt, Demokratische Legitimationsfunktion, S. 81 f.; ablehnend Meyer, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 4 Rn. 70. 719 Näher zur Namenskritik unter Kap. 1, B. I.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

ein Instrument wirksamer parlamentarischer Kontrolle.720 Das fällt insbesondere vor dem Hintergrund ins Gewicht, dass die Tatsachenbasis der Folgekostenabschätzungen interessen- und bewertungsabhängig ist, so dass sich das Parlament nicht ausschließlich auf die Informationen der Regierung verlassen kann.721 Oftmals dürfte die politische Regierungsspitze wenig Interesse daran haben, der parlamentarischen Opposition Ergebnisse einer Folgenabschätzung an die Hand zu geben, die das Regierungsvorhaben in Frage stellen. Es obliegt daher dem Parlament zu entscheiden, ob die Darstellung der Folgekosten im Gesetzentwurf umfassend sowie sachlich nachvollziehbar ist und ob aus politischer Sicht diese vermuteten Kosten in einem angemessenen Verhältnis zur Zielsetzung der Regelung stehen. Auf der Basis der daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen trifft der Bundestag die Entscheidung über das Zustandekommen des Gesetzes. Dem Argument, dass der Normenkontrollrat nur eine methodische Kontrolle übernehme, wurde spätestens durch die Erweiterung seines Mandats im Jahr 2011 der Boden entzogen. Die Ausdehnung auf den Erfüllungsaufwand sowie die Zielund Alternativendarstellung hat die Überprüfung der Gesetzentwürfe durch den Normenkontrollrat zwangsläufig inhaltlicher werden lassen.722 Sie hat sich damit der politischen Kontrollfunktion des Parlaments angenähert. Durch die Einsetzung des Normenkontrollrates fand somit zum Teil eine Verlagerung dieser ureigenen parlamentarischen Aufgabe auf ein der Regierung angebundenes Gremium statt. Weiterhin verfestigt die Anknüpfung des Normenkontrollrates an die Regierung die Vorstellung, dass eine parlamentarische Kontrolle der aus den Ressorts stammenden Folgenanalysen nicht mehr notwendig sei. Diese Zuständigkeitsverlagerung vermittelt den Abgeordneten den Eindruck, sie müssten sich mit der kritischen Überprüfung der Wirkungen gesetzgeberischer Vorhaben nicht auseinandersetzen, da diese Aufgabe vom Normenkontrollrat wahrgenommen werde und Doppel­ kontrollen unnötig seien. Infolge der zum Teil beklagten Überlastung der Abgeordneten wird ihnen diese Aufgabenverteilung nicht ungelegen kommen. Neben dem Einwand, dass sich der Normenkontrollrat häufig nur auf ökonomische Kosten­ aspekte konzentriert, stellt sich diese Annahme aber aus einem weiteren Grund als kontraproduktiv heraus. Bei den im Rahmen einer Gesetzesfolgenabschätzung gewonnenen Erkenntnissen handelt es sich um entscheidungsrelevante Informationen 720 Brocker, DRiZ 2002, 462 (466); ders., in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 133 (136); Grimm, ZRP 2000, 87 (89); Hofmann, ZG 1999, 44 (56 f.); Kretschmer, in: Hellstern / Wollmann (Hrsg.), Handbuch Evaluierungsforschung, S. 405 (407); zur Gesetzesevaluation als Mittel parlamentarischer Kontrolle Krüper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 38 Rn. 38; ähnlich Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (156). 721 Gusy, DVBl. 1998, 917 (922); Hoffmann-Riem, Innovation, S. 160; die Befangenheit der Ministerialbürokratie in Bezug auf eigene Gesetzesevaluationen konstatierend Schulze-Fielitz, in: Dreier / Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität, S. 71 (117); Veit, dms 2008, 73 (86 f.) weist darauf hin, dass die Ministerialverwaltung wenig politischen Anreiz hat, umfassende und ausgewogene Folgenabschätzungen durchzuführen; ebenso Hellstern / Wollmann, ZParl 1980, 547 (553); Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (161). 722 Dazu ausführlich unter Kap. 1, B. IV. 2.

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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für den Gesetzgeber. Wenn die Bundesministerialverwaltung die Folgenabschätzung betreibt, was in aller Regel der Fall ist, erfolgt die Informationsbeschaffung durch die Regierung. Die Aus- und Bewertung dieser Regierungsinformationen stellt dann jedoch  – wie bereits dargelegt  – als Ausfluss der parlamentarischen Kontrollfunktion eine Aufgabe des Bundestages dar.723 Um diese Aufgabe erfüllen und die von der Regierung eingebrachten Gesetzentwürfe einschließlich der Begründung effektiv und fundiert beurteilen zu können, bedarf der Bundestag eigener Kompetenzen und Ressourcen nicht nur zur Kontrolle, sondern auch zur Durchführung ergänzender regierungsunabhängiger Folgenabschätzungen.724 Auf diese Weise könnte das Parlament der oftmals beklagten informationellen Übermacht der Regierung entgegenwirken. Über die dafür notwendigen Ressourcen verfügt der Bundestag bislang aber nicht.725 Die Entscheidung, den Normenkontrollrat der Regierung anzugliedern, verstärkt dieses Defizit anstatt es zu vermindern. Der daraus resultierende Mangel an Kapazitäten und methodischen Fähigkeiten, die von der Regierung vorgelegten Folgenanalysen bewerten zu können, beeinträchtigt die Wirkungskraft der parlamentarischen Kontrolle. Der Normenkontrollrat schränkt die Ausübung der Kontrollfunktion durch den Bundestag zwar nicht unmittelbar ein, aber seine Existenz und gewissenhafte sowie umfassende Aufgabenerfüllung kann dazu führen, dass die Parlamentarier eigene regierungsunabhängige Kontrollen der Gesetzesfolgenabschätzungen für nicht erforderlich halten und dadurch ihrer verfassungsrechtlich verankerten Kontrollfunktion nicht in hinreichendem Maße nachkommen. Die Entscheidung, die Kontrolltätigkeit in Bezug auf gesetzliche Folgekosten auf ein der Exekutive angebundenes Gremium auszulagern, berührt mithin eine der Kernkompetenzen des Parlaments. Sie überschreitet aber noch nicht die Grenze zur Verfassungswidrigkeit, da sie die abschließende Kontrolle durch den Bundestag, die sich auch in der Beschlussfassung über das Gesetz realisiert, nicht ausschließt. Darüber hinaus rufen die Vorgaben des NKRG angesichts der Möglichkeit, dass der Normenkontrollrat auch Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages auf die Darstellung des Erfüllungsaufwands überprüfen kann, mindestens rechtspolitische Bedenken hervor. Obwohl diese Kontrolle fakultativ und vom Willen der einbringenden Abgeordneten abhängig ist, stellt sie im Moment ihrer Durchführung einen „Gegenpol zur parlamentarischen Demokratie“ dar726. Wenn der Normenkontroll 723 Ebenfalls in diese Richtung argumentierend Karpen, in: Hof / Schulte (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht III, S. 329 (332); Zeh, in: Grimm / Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie, S. 194 (206); ähnlich bei Pilz, DÖV 2016, 385 (387) zur Frage, ob die Einrichtung eines Normenkontrollrates in Thüringen sinnvoll wäre. 724 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 270; Karpen, ZRP 2002, 443 (446); ders., Gesetzgebungslehre, S. 44; parlamentseigene Ressourcen zur Informationsüberprüfung verlangen auch v. Oertzen, Expertenparlament, S. 283; Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 364. 725 Eingehend dazu unter Kap. 3, C. II. 1. und 3. 726 So Kirchhof, Allgemeinheit des Gesetzes, S. 293; ebenso Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 37; ablehnend Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 197.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

rat, dessen Mitglieder die Bundesregierung auswählt und der unter der Rechtsaufsicht der Regierungsspitze steht, Vorhaben des Bundestages überprüft und dazu eine Stellungnahme in Bezug auf die Darstellung der Folgekosten abgibt, liegt darin eine Kompetenzverschiebung zulasten des Parlaments.727 Infolge seiner unmittelbaren demokratischen Legitimation hat der Bundestag die aus seiner Mitte vorgelegten Gesetzentwürfe keinem Organ der Exekutive vor der endgültigen Beschlussfassung zuzuleiten. Insofern ist bereits die freiwillige Überprüfungsmöglichkeit durch den Normenkontrollrat nach § 4 Abs. 3 S. 3 NKRG ein Fremdkörper im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. Verfassungsrechtlich unzulässig ist es dennoch nicht, wenn eine Bundestagsfraktion auf fakultativer Grundlage den Sachverstand des Normenkontrollrates einholt. Denn rechtserhebliche Bindungen gehen mit dieser Beratung für den Bundestag nicht einher. e) Vernachlässigung parlamentarischer Folgenabschätzungsverantwortung Obwohl er bei der Exekutive angesiedelt ist, soll die Aufgabe des Normenkontrollrates „im Qualitätsmanagement legislatorischen Handelns durch Verbesserung formaler Rahmenbedingungen der Rechtsetzung“ bestehen728. Das erweckt den Eindruck, als liege es allein im Verantwortungsbereich der Regierung, Gesetzesfolgenabschätzungen durchzuführen und insgesamt für eine „bessere“ Rechtsetzung zu sorgen. Zwar mag das in der politischen Realität der Fall sein, da die Bundesregierung mit ihrer Ministerialbürokratie über den Sachverstand und die dafür notwendigen Ressourcen verfügt. Es entspricht aber nicht dem verfassungsrechtlichen Verständnis einer parlamentarischen Demokratie. Der Bundestag ist gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 38 Abs. 1 und Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG aufgrund seiner unmittel­baren demokratischen Legitimation das zentrale Gesetzgebungsorgan in der Bundes­ republik.729 Da der Bundestag als Gesetzgebungsorgan mit der Verabschiedung einer Regelung verfassungsrechtlich die Verantwortung für den Inhalt und die Auswirkungen der Norm übernimmt, müsste das erste Zugriffsrecht auf die Materie der Gesetzesfolgenabschätzung bei ihm liegen.730 Indem die Kostenabschätzung und

727

Ebenso Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 68; Seckelmann, ZRP 2010, 213 (215). 728 So Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418). 729 BVerfGE 125, 104 (123); Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 202; Hadamek, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 17 Rn. 3; Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 51; Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 525; Müller, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 38 Rn. 22; Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 45; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 186; Trute, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. I, Art. 38 Rn. 10. 730 In diese Richtung Brocker, in: Hof / Lübbe-Wolff (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I, S. 35 (40 f.); Edinger, ZG 2004, 149 (159); Grimm / Brocker, ZG 1999, 58 (61 ff.); Gusy, DVBl. 1998, 917 (922); Hoffmann-Riem, Innovation, S. 160 f.; Nagel, SächsVbl. 2010, 105 (107); Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 51; Smeddinck, Integrierte Gesetzes­

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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deren Kontrolle als Elemente der Gesetzesfolgenabschätzung im Einflussbereich der Regierung stattfinden, bleibt das Parlament jedoch in einer passiven Rolle, die sich darauf beschränkt, die Ergebnisse der Prozesse zur Kenntnis zu nehmen. Vor allem unter der verfassungsrechtlichen Annahme, dass sich der Gesetzgeber und damit insbesondere das Parlament mit den Folgen ihres Handelns eigenständig auseinandersetzen müssen, weckt die Anbindung des Normenkontrollrates an die Exekutive Bedenken. Ob dem Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich begründete Pflicht zur Durchführung einer Gesetzesfolgenabschätzung oder anderer methodischer Instrumente zur „Verbesserung“ der Rechtsetzung obliegt, ist bis heute Gegenstand einer intensiven Debatte731. Während insbesondere Schlaich betonte, der „Gesetzgeber schuldet gar nichts anderes als das Gesetz“732, ging Schwerdtfeger von der „optimale[n] Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht“ aus733. Da die Art. 76 ff. GG nur das formelle Verfahren der Rechtsetzung regeln, ergibt sich aus ihnen keine Verpflichtung des Gesetzgebers, Rationalitätsanforderungen im parlamentarischen Verfahren zu beachten. Allerdings bedeutet dieser Befund nicht, dass der Gesetzgeber keinerlei Vorgaben hinsichtlich des inneren Gesetzgebungsverfahrens unterliegt. Insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG folgende Grundrechtsbindung gilt gemäß Art. 1 Abs. 3  GG auch für den Gesetzgeber. Sie verlangt von ihm, dass er alle tatsächlichen Belange, die den von einem Grundrecht erfassten Regelungsbereich berühren, im Rahmen der Gesetzgebung in das Verfahren und seine Abwägung einbezieht.734 Um das vom Demokratieprinzip gewährleistete politische Bewertungsmonopol vor einer Verrechtlichung und einer Pflicht zur Rationalität zu schützen, sollten diese materiellen Erfordernisse zwar nicht mit prozeduralen Sorgfaltspflichten des Gesetzgebers produktion, S. 399 f.; Wagner, in: Jann u. a. (Hrsg.), FS Böhret, S. 411 (428); ders., ZRP 1999, 480 (486); zur verfassungsrechtlichen „Vermutung der Autorschaft und Verantwortlichkeit der Abgeordneten für eine parlamentarische Entscheidung“ Morlok, VVDStRL 62 (2003), 37 (70 f.). 731 Eine derartige Pflicht des Gesetzgebers bejahend Burghart, Pflicht zum guten Gesetz, S. 61 ff.; Lücke, ZG 2001, 1 (26 ff.); Mengel, ZG 1990, 193 (195); Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 220 ff.; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 172 ff.; für eine Rechtspflicht zum Nachdenken Hoffmann, ZG 1990, 97 (116); vorsichtiger Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), 63 (89), der von einer „behutsam zu umreißende[n] Pflicht zu einer von wesentlichen Fehlern freien Gesetzesmethodik“ spricht; ablehnend Badura, ZG 1987, 300 (309 f.); Ennuschat, DVBl. 2004, 986 (994); Gusy, ZRP 1985, 291 (298); Hölscheidt / Menzenbach, DÖV 2008, 139 (145); Hugo, Vernehmlassung, S. 142; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 6; Merten, DÖV 2015, 349 (359 f.); Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 874 f.; Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 160; Risse, in: Kloepfer (Hrsg.), Gesetzgebungsoutsourcing, S. 109 (115 f.). 732 Schlaich, VVDStRL 39 (1981), 99 (109); früher bereits Geiger, in: Berberich u. a. (Hrsg.), Neue Entwicklungen im öffentlichen Recht, S. 131 (141). 733 Schwerdtfeger, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, S. 173 (173). 734 Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 418 f.; Hölscheidt / Menzenbach, DÖV 2008, 139 (140); Schwerdtfeger, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, S. 173 (177 f.); Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 216; ders., in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 3 Rn. 35; Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 395 f.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

gleichgesetzt werden. Die aus der Grundrechtsbindung resultierenden materiellen Pflichten der Gesetzgebung laufen aber nach verbreiteter Auffassung richtiger­ weise zumindest auf die Obliegenheit zur ansatzweisen Folgenabschätzung hinaus.735 Obliegenheit bedeutet in diesem Kontext, dass eine Nichteinhaltung der Postulate rationaler Gesetzgebung allein noch keinen Verfassungsverstoß hervorruft. Nicht unabhängig von seinem Inhalt kann das „schlecht“ beratende Gesetz verfassungswidrig sein. Aber die Verletzung der Obliegenheit hätte zur Folge, dass der Gesetzgeber seine Einschätzungsprärogative verwirkt. Das BVerfG könnte somit bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung des betroffenen Gesetzes im Sinne einer vollständigen Ergebniskontrolle auch Aspekte überprüfen, die ansonsten allein der Bewertung des Gesetzgebers unterliegen.736 Adressat der Obliegenheit, Vorgaben des inneren Gesetzgebungsverfahrens einzuhalten, ist nicht nur die Bundesregierung als Gesetzesinitiator, sondern in noch größerem Maße der Bundestag als parlamentarischer Gesetzgeber.737 Das gilt auch für den Fall, dass ein Gesetzentwurf von der Bundesregierung stammt und die Ministerialverwaltung bereits entsprechende Vorarbeit geleistet hat.738 Als letztverantwortliche Entscheidungsträger im Gesetzgebungsverfahren sind der Bundestag und seine Untergliederungen nicht auf eine bloße Plausibilitätskontrolle der vorgelegten Initiative beschränkt. Sie haben vielmehr die Gesichtspunkte gesetz­ geberischer Methodik Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Es ist etwa zu prüfen, ob der Gesetzentwurf auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage sowie Prognose beruht und die gewählten Regelungsinstrumente demnach gerechtfertigt erscheinen. Vollständige eigene Analysen sind vom Bundestag anzustellen, wenn diese vom Entwurfsverfasser unterlassen wurden.

735

Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 434 ff.; Brandner, NVwZ 2009, 211 (215); Hofmann, Abwägung im Recht, S. 440; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (214); Kretschmer, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 15 (18 Fn. 8); Merten, DÖV 2015, 349 (359 f.); Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 875; Schuppert, Governance und Rechtsetzung, S. 32; Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 96 ff. 736 So Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 876 f.; zustimmend Waldhoff, in: Depenheuer (Hrsg.), FS Isensee, S. 325 (342); ungeklärt bleibt die Folge einer Obliegenheitsverletzung hingegen bei Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 438. 737 Vgl. Gusy, ZRP 1985, 291 (296); Hoffmann, ZG 1990, 97 (113 f.); König, Operative Regierung, S. 322; Schwerdtfeger, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, S. 173 (183); eine weitere Auffassung vertritt Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 360 f., der alle am Gesetzgebungsprozess Beteiligten einschließlich der vorbereitenden Ministerien als erfasst ansieht; ähnlich Burghart, Pflicht zum guten Gesetz, S. 131 f.; Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (31); demgegenüber weist Schuppert, Governance und Rechtsetzung, S. 44 f. darauf hin, dass es sich beim Gesetzgeber nicht um eine „monolithische Entscheidungsinstanz“ handele, sondern viele Akteure an der Gesetzgebung beteiligt seien. 738 Dazu und zum Folgenden ebenso Burghart, Pflicht zum guten Gesetz, S. 136 f.; Gusy, ZRP 1985, 291 (296); es ließe sich dann allenfalls annehmen, dass der Bundestag selbst keine Daten mehr zusammentragen und zu Lösungsmöglichkeiten aufbereiten müsse, sondern die Ergebnisse der Ministerialverwaltung – kritisch – übernehmen könne, ebenso Hoffmann, ZG 1990, 97 (104 f.); Schwerdtfeger, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, S. 173 (183).

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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Auch nach der Rechtsprechung des BVerfG muss der Gesetzgeber trotz seiner Einschätzungsprärogative „die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben, um die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können“739. In Bezug auf die aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG resultierende Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums konkretisierte das BVerfG in seinem Hartz IV-Urteil die Anforderungen an den Gesetzgeber wie folgt: „Zur Ermittlung des Anspruchsumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht und sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.“740 Dahinter verbirgt sich die Verpflichtung, die Risiken einer im Gesetzgebungsverfahren zu erlassenden Regelung für grundrechtssensible Bereiche durch Bezugnahme auf eine fundierte Tatsachengrundlage zu senken. Auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellung trifft den Gesetzgeber eine Prognosepflicht hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung unter der neuen Rechtslage.741 Den verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt für nachvollziehbare Tatsachen- und Prognoseentscheidungen markiert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der im Rahmen seiner Prüfstationen der Geeignetheit und Erforderlichkeit sorgfältige Sachverhaltsermittlungen verlangt.742 Daneben unterliegt der Gesetzgeber vor dem Hintergrund seiner grundrechtlichen Schutzpflichten einer Beobachtungspflicht bezüglich der Entwicklung der Problemlage743 und ggf. einer Nachbesserungspflicht, um die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zu verhindern744. Zwar hat das BVerfG hinsichtlich der Ermittlung des Existenzminimums betont, dass das Grundgesetz dem Gesetzgeber keine bestimmte Methode vorschreibe, sondern er diese im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen dürfe.745 Dennoch laufen die vom BVerfG postulierten Anforderungen zumindest in bestimmten Sachbereichen auf nichts weniger als eine teilweise Gesetzesfolgenabschätzung und Gesetzesevaluation hinaus746. Denn klassischerweise ist es die prospektive und retrospektive Gesetzesfolgenabschätzung, die eine Vergewisserungsfunktion im 739

BVerfGE 50, 290 (334); 57, 139 (160). BVerfGE 125, 175 (175, Leitsatz 3). 741 Vgl. BVerfGE 88, 203 (263); so auch Führ, in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 91 (107); Kretschmer, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 15 (18); Wagner, ZRP 1999, 480 (482). 742 Vgl. BVerfGE 65, 1 (54 ff.); Steinbach, Der Staat 2015, 267 (272); Führ, in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 91 (107). 743 BVerfGE 49, 89 (132); 88, 203 (310). 744 BVerfGE 25, 1 (13); 50, 290 (335); 88, 203 (309 f.). 745 BVerfGE 125, 175 (225); 132, 134 (163). 746 So auch Sicko, in: Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht, S. 199 (200); dies., ZfRSoz 2011, 27 (34); Wagner, in: Jann u. a. (Hrsg.), FS Böhret, S. 411 (417); ders., ZRP 1999, 480 (482); in Bezug auf Evaluationen im Risikorecht Trute, in: HStR IV, § 88 Rn. 38; jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung des BVerfG zu prozeduralen Pflichten des Gesetzgebers insgesamt bislang uneinheitlich geblieben ist, dazu Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 14 f.; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 239. 740

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Hinblick auf verfassungsrechtliche Mindestvoraussetzungen wie der Verhältnismäßigkeit erfüllt.747 Adressat dieser Anforderungen ist der Gesetzgeber, mithin vor allem der Bundestag, da dieser im parlamentarischen Regierungssystem die Gesetze schlussendlich verabschiedet. Angesichts der Rechtsprechungslinie des BVerfG ist der Bundestag gehalten, sich ein eigenes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen zu verschaffen und sich nicht lediglich auf Fremdinformationen von interessierter Seite zu stützen748. Sowohl die Vorgaben des BVerfG als auch die prozeduralen, auf das innere Gesetzgebungsverfahren bezogenen Obliegenheiten der Legislative sprechen dafür, dass es im Verantwortungsbereich des Parlaments liegt, die Folgenabschätzungen der Regierung einer Überprüfung im Hinblick auf methodische Richtigkeit, Nachvollziehbarkeit und innere Kohärenz zu unterziehen. Nur dadurch kann sich das Parlament in die Lage versetzen, die seiner Legislativfunktion zugrundeliegenden Tatsachen- und Prognoseentscheidungen unabhängig beurteilen zu können. Da diese Überprüfung in Bezug auf Kostengesichtspunkte nunmehr vom Normenkontrollrat ausgeübt wird, nimmt dieser der Sache nach eine im Kern parlamentarische Funktion wahr. Das wiegt umso schwerer, als der Normenkontrollrat kein parlamentarisches Gremium darstellt, sondern im Einflussbereich der Exekutive agiert und seine aus § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG resultierende Unabhängigkeit erheblichen Einschränkungen unterworfen ist. Loyalitäten zur Bundesregierung in seiner Tätigkeitswahrnehmung sind aus diesem Grund nicht ausgeschlossen. Sowohl die Folgenabschätzungen der Regierung als auch die Stellungnahmen des Normenkontrollrates stellen daher für den Bundestag Fremdinformationen dar. Die Einsetzung des Normenkontrollrates verschärft somit die Abhängigkeit des Parlaments von Informationen und Wirkungsanalysen aus dem Regierungsbereich. Zugleich erschwert sie die Erfüllung der dargestellten Anforderungen, die das Grundgesetz und das BVerfG auch dem Bundestag auferlegt haben. Aus diesem Grund wäre es zielführender gewesen, den Normenkontrollrat als parlamentarisches Hilfsorgan zu etablieren. Dass es Möglichkeiten parlamentarischer Folgenabschätzungen gibt, belegt etwa die Schweiz, in der es nach Art. 170 der Bundesverfassung dem Parlament obliegt, die Wirkungen u. a. der gesetzgeberischen Maßnahmen des Bundes zu überprüfen.749 Aber sogar der Bundestag beweist zumindest partiell durch das Büro für Technikfolgenabschätzung und den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung750, dass es durchführbar ist, entsprechenden Sachverstand in Fragen von Wirkungsanalysen und -kontrollen beim Parlament zu bündeln. Trotz dieser An-

747

Steinbach, Der Staat 2015, 267 (287); ders., Rationale Gesetzgebung, S. 139, 146; ähnlich Schulz, DÖV 2009, 1113 (1114). 748 Vgl. BVerfGE 86, 90 (112). 749 Mader, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 245 (252 f.); Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 134, 181; dies., ZRP 2010, 213 (215). 750 Dazu näher unter Kap. 3, C. II. 1. c) und d).

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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sätze und der in eine andere Richtung weisenden Vorgaben aus der Rechtsprechung des BVerfG sowie der Verfassung findet die Gesetzesfolgenabschätzung, von der die Folgekostenabschätzung einen Ausschnitt darstellt, bislang nahezu ausschließlich in der Regierung statt751. Das Parlament nimmt dagegen nur eine untergeordnete Rolle ein.752 Der Bundestag selbst hat diese Entwicklung fortgesetzt, indem er den Normenkontrollrat als Prüfinstanz für die Folgekostenabschätzung bei der Regierung angesiedelt hat. Zugleich hat er damit die Chance verpasst, deutlich zu machen, dass die Gesetzesfolgenabschätzung in erster Linie eine Angelegenheit der Legislative ist. Ob die Entscheidung, den Normenkontrollrat bei der Bundesregierung anzusiedeln, aus den genannten Gründen mit einem Verfassungsverstoß einhergeht, ist gleichwohl fraglich. Die durch sie bedingte Auslagerung eines Teils der Folgenabschätzungskontrolle auf ein dem Einfluss der Exekutive unterstehendes Gremium ist zweckwidrig und vor dem Hintergrund der damit zementierten Entparlamentarisierung verfassungspolitisch bedenklich. Zweifellos verfassungswidrig ist sie jedoch nicht. Die Überprüfung der von der Bundesregierung initiierten Gesetzesvorlagen durch den Normenkontrollrat auf Folgekosten hindert den Bundestag theoretisch nicht daran, eine eigene Prüfung der Folgekostenabschätzung vorzunehmen, so wie es ihm vor der Einsetzung des Rates möglich war. Dem Prüfungsergebnis des Normenkontrollrates, das der Bundestag mit Einbringung des Gesetzentwurfs erhält, kommt keine Bindungswirkung zu, sondern es beschränkt sich auf eine Beratung des Gesetzgebers.753 Es obliegt somit der politischen Einschätzung des Bundestages, wie er damit umgeht. Da das Gesetzgebungsrecht des Bundestages inhaltlich nicht beschnitten wird, kann hinsichtlich der parlamentarischen Gesetzgebungsfunktion kein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 77 Abs. 1 S. 1 sowie Art. 38 Abs. 1 GG festgestellt werden. Folglich bewegt sich die mit der Einsetzung des Normenkontrollrates verbundene Entmachtung des Parlaments mehr im verfassungspolitischen denn im verfassungsrechtlichen Kontext.

751

Brocker, in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 133 (134); Edinger, ZG 2004, 149 (151 f.); Grimm, ZRP 2000, 87 (88); Gusy / Kapitza, in: Gusy (Hrsg.), Evaluation, S. 9 (18); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 214. 752 Brocker, DRiZ 2002, 462 (465 f.); Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 3; Karpen, ZRP 2002, 443 (446); Gusy, DVBl. 1998, 917 (922); Windoffer, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 217 (227); nach Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 421 erweise es sich als fundamentale „Weichenstellung, ob die GFA beim Parlament angesiedelt oder […] womöglich der Ministerialbürokratie“ zugeordnet wird. 753 Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 17; Kleemann /  Gebert, ZG 2009, 151 (156); Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 193; Schröder, DÖV 2007, 45 (48).

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

V. Unzulässigkeit eines Selbstbefassungsrechts des Normenkontrollrates Noch vor der Einsetzung des Normenkontrollrates gab es die Forderung, dass dessen Mandat um die obligatorische Überprüfung der vom Bundesrat und aus der Mitte des Bundestages ausgehenden Gesetzentwürfe erweitert werden solle.754 Die wissenschaftliche Literatur hat diese Forderung teilweise aufgegriffen.755 Meinhard Schröder bezeichnete die anfängliche Ausblendung der Entwürfe aus dem Parlament gar als „Geburtsfehler der Idee des Normenkontrollrates“, die nicht problemlos heilbar sei.756 Als Argument führen die Befürworter einer obligatorischen Überprüfung aller Gesetzentwürfe regelmäßig ins Feld, dass es für den Norm­adressaten keine Rolle spiele, ob die ihn belastende Maßnahme auf eine Initiative der Bundesregierung, des Bundestages oder des Bundesrates zurückgehe.757 Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, indem er 2011 zumindest eine fakultative Beteiligung des Normenkontrollrates bei Gesetzesvorlagen des Bundesrates und aus der Mitte des Bundestages schuf. Da sowohl die Abgeordneten und Fraktionen des Bundestages als auch der Bundesrat diese Möglichkeit bislang aber kaum wahrnehmen, bleiben ihre Gesetzentwürfe in der Prüfungstätigkeit des Normenkontrollrates weiterhin außer Betracht. Folglich können Kritiker diesen Gesichtspunkt weiterhin ins Spiel bringen758, obgleich fraglich ist, ob eine obligatorische Beteiligung des Normenkontrollrates bei Gesetzentwürfen von Bundesrat und aus der Mitte des Bundestages mit der Verfassung in Einklang zu bringen wäre. Im Ergebnis liefe eine Beteiligungspflicht auf ein rechtlich zweifelhaftes Auswahlrecht des Normenkontrollrates hinsichtlich aller Gesetzesinitiativen hinaus. Seine Prüfungskompetenz würde in diesem Fall die Regelungsentwürfe aller Initiativberechtigten nach Art. 76 Abs. 1 GG umfassen und es stünde in seinem Ermessen, welche Gesetzentwürfe er einer Kontrolle unterzieht.

754 Vgl. die Kritik mehrerer Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am 29. Mai 2006, BT-Drs. 16/1665, S. 5 ff.; ebenso der Bundesrat in seiner Entschließung vom 07. Juli 2006, BR-Drs. 411/06 (B); vgl. auch den Antrag der FDP-Fraktion vom 25.01.2006, BT-Drs. 16/472, S. 2. 755 Bauer / Knill / Ziegler, ZSE 2006, 549 (560); Dietze / Kranen, Wirtschaftsdienst 2009, 473 (479); Karpen, FAZ Nr. 158 v. 11.07.2006, S. 7; ders., ZRP 2008, 97 (99); ders., Gesetz­ gebungslehre, S. 102. 756 Schröder, DÖV 2007, 45 (47). 757 Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (172); Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 8 f.; Peifer, GewArch 2010, 479 (481). 758 So etwa Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 8 f.; Mihm, FAZ Nr. 6 v. 08.01.2011, S. 11.

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1. Obligatorische Überprüfung von Bundestagsinitiativen Während Bundesregierung und Bundesrat sich ihre Gesetzentwürfe gemäß Art. 76 Abs. 2 und 3 GG zunächst gegenseitig zuleiten müssen, existiert keine entsprechende Regelung für Gesetzesvorlagen, die Abgeordnete oder Fraktionen in den Bundestag einbringen. Grund dafür ist der demokratische Legitimationsvorsprung, über den Bundestagsabgeordnete als unmittelbar gewählte Volksvertreter gegenüber Bundesregierung und Bundesrat verfügen.759 Daher sollen sie ihre Gesetzentwürfe vor der Einbringung nicht der Bundesregierung oder den im Bundesrat vertretenen Landesregierungen, die jeweils der Exekutive angehören, vorlegen müssen. Lediglich eine Ausnahme bildet insofern die Vorschrift des § 96 Abs. 3 S. 2 GOBT, nach der der Bundestagspräsident Vorlagen aus der Mitte des Bundestages, die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen des Bundes oder der Länder haben, der Bundesregierung zur Stellungnahme vorlegt. Die Zulässigkeit dieser Sonderregelung ergibt sich erst mit Blick auf Art. 113 Abs. 1 S. 1 und 2 GG, der festlegt, dass Gesetze, die zu einer Ausgabenerhöhung oder Einnahmenminderung des Bundes führen, der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen. Daher ist § 96 Abs. 3 S. 2 GOBT nicht verallgemeinerungsfähig, sondern dient allein dem Zweck, sich frühzeitig mit der Bundesregierung abzustimmen, um einer späteren Ablehnung des Gesetzes durch sie vorzubeugen.760 Im Übrigen ist eine Vorschrift der GOBT bereits deshalb anders als etwaige gesetzliche Vorlagepflichten zu bewerten, da das Geschäftsordnungsrecht vom Parlament allein geändert werden kann. Folglich modifiziert diese Regelung nicht den Grundsatz, dass es Bundestags­ abgeordneten möglich sein soll, Gesetzesvorschläge unmittelbar, kurzfristig und ohne Information anderer am Verfassungsleben beteiligter Organe in das Parlament einzubringen.761 Wenn eine obligatorische Beteiligung des Normenkontrollrates auch bei Gesetzesvorhaben aus der Mitte des Bundestages auf einfachgesetzlicher Grundlage eingeführt werden würde, wären die einbringenden Abgeordneten aber gerade dazu verpflichtet, ihre Gesetzentwürfe einem der Exekutive angegliederten, nicht in der Verfassung vorgesehenen Gremium vorzulegen, an dessen Unabhängigkeit man zweifeln muss. Das könnte zu faktischen Verzögerungen des Gesetzgebungsverfahrens führen. Denn anders als bei den Initiativen der Bundesregierung würde die Einschaltung des Normenkontrollrates in diesem Fall mangels interner Verfahrensvorgaben nicht bereits im inneren Gesetzgebungsverfahren erfolgen, 759

Brüning, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 131; Dietlein, in: Epping / Hill­gruber, BeckOK GG, Art. 76 Rn. 17; Hebeler, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 71; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 112; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (163); Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 104; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Bd. II, Art. 76 Rn. 40. 760 So auch Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (162). 761 Brüning, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 131; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (163); Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 104.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

sondern sinnvollerweise erst, wenn die initiativberechtigte Fraktion gewillt wäre, ihren fertigen Entwurf unmittelbar in den Bundestag einzubringen. Unabhängig von diesen möglichen Verzögerungen entspräche eine zwingende Vorlagepflicht nicht der Bedeutung, die die Verfassung gemäß Art. 76 GG den Gesetzentwürfen des Bundestages als unmittelbar demokratisch legitimierten Organ beimisst. Daher läge für den Bundestag in der verpflichtenden Beteiligung des Normenkontrollrates eine unzulässige Beeinträchtigung seines Initiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG.762 Ebenso wenig könnte die Beteiligungspflicht des Normenkontrollrates bei Bundestagsinitiativen mit dem freien Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vereinbart werden.763 Der Abgeordnetenstatus aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet, dass zumindest eine Mehrzahl von Abgeordneten zusammen das Recht hat, zur Erwirkung von Entscheidungen Gesetzesinitiativen einzubringen.764 Aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ergibt sich zudem, dass Bundestagsabgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind. Dieser Grundsatz gewährleistet den Schutz des einzelnen Abgeordneten gegen Regelungen, die seine auf Bestand und Ausübung des Mandats bezogene Selbstständigkeit und Unabhängigkeit in Zweifel ziehen. Die Verpflichtung von Bundestagsabgeordneten, einen von ihnen vorgeschlagenen Gesetzentwurf vor der Einbringung in den Bundestag dem Normenkontrollrat zur Überprüfung vorzulegen, berührt deren Weisungsunabhängigkeit. Die Mandatsfreiheit zielt darauf ab, rechtliche Fremdeinwirkungen jeglicher Art mit dem Ziel, den Abgeordneten zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen, zu verhindern.765 Bei der Verpflichtung, die Gesetzentwürfe dem Normenkontrollrat vor der Einbringung in das Parlament vorzulegen, würde es sich um eine solche von staatlicher Seite ausgehende Fremdeinwirkung handeln. In einer Fraktion zusammengeschlossene Abgeordnete könnten das sich aus dem freien Mandat ergebende Recht, Gesetzentwürfe in das Parlament einzubringen, nicht mehr unbeeinflusst von Bewertungen Dritter wahrnehmen.766

762

Ebenso Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (174); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (163); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 76 Rn. 39, der „erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel“ sieht, wenn der Normenkontrollrat Gesetzentwürfe des Bundestages prüfen dürfte. 763 Ebenso Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (174). 764 Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 115; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 38 Rn. 90 f.; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 38 Rn. 157; Schreiber, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 38 Rn. 208; Trute, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. I, Art. 38 Rn. 92. 765 Badura, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 38 Rn. 86; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 38 Rn. 72; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 38 Rn. 153; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 38 Rn. 48; Schreiber, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 38 Rn. 171 f. 766 Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (174); so auch zum ursprünglichen Entwurf des Änderungsgesetzes zum NKRG Brenner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)178, S. 2 ff.; ablehnend Peifer, GewArch 2010, 479 (481).

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Freilich sind Abgeordnete bei der Wahrnehmung ihres Mandats einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt, die von internen Parteiabsprachen über die Fraktionsdisziplin bis hin zu Lobbyismus reichen. Daraus resultierende Vereinbarungen sind jedoch nur dann verfassungswidrig, wenn sie den Abgeordneten zu einer bestimmten Meinung oder Entscheidung rechtlich verpflichten.767 Eine rechtliche Bindungswirkung kommt auch den Stellungnahmen des Normenkontrollrates bislang nicht zu. Der wesentliche Unterschied zu den genannten Einflüssen liegt bei der Beurteilung durch den Rat aber darin, dass er ein rein staatliches Gremium darstellt, das trotz seiner vermeintlichen Unabhängigkeit in den Staatsaufbau integriert und beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Zwar stellen etwa auch Fraktionen „notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens“ dar768, sie sind jedoch gemäß § 46 Abs. 3 AbgG anders als der Normenkontrollrat kein Teil der öffentlichen Verwaltung und üben keine öffentliche Gewalt aus. Die beratende Einflussnahme durch den Normenkontrollrat vollzöge sich daher in einem normativ geregelten, streng formalen Verfahren, während andere Einflüsse lediglich informell erfolgen und daher einen geringeren rechtlichen Bedeutungsgrad aufweisen. Für die Abgeordneten bestünde bei der Vorlagepflicht an den Normenkontrollrat die Gefahr, dass sie in Abhängigkeit eines Votums gerieten, das von einem von der Exekutive besetzten und für deren Zwecke eingerichteten staatlichen Gremium stammt. Insbesondere müssten sie befürchten, dass durch eine negative Stellungnahme des Normenkontrollrates dem Gesetzentwurf ein Makel anhaftet, der seine Chancen auf parlamentarische Umsetzung ggf. reduzieren könnte. Es wäre verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn eine Oppositionsfraktion zunächst die Beurteilung eines Sachverständigengremiums, dessen Mitglieder ggf. von der amtierenden Bundesregierung berufen worden sind, einholen müsste, bevor sie einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen kann. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eigene Gesetzesvorlagen ein wichtiges Instrument der Opposition darstellen, um eine Alternative zur Politik der Regierung und ihrer parlamentarischen Mehrheit aufzuzeigen. Abgeordnete unterliegen in ihrer Mandatsausübung nur gesetzlich normierten Pflichten, die aufgrund verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte wie beispielsweise der Funktionsfähigkeit des Parlaments erforderlich sind.769 Für die vorherige Überprüfung von aus der Mitte des Bundestages stammenden Gesetzentwürfen durch den Normenkontrollrat spricht keine derartige verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Bundestagsinitiativen im Unterschied zu Regierungsvorlagen seltener sind und, sofern sie von den Oppositionsfraktionen stammen, weitaus geringere Erfolgschancen 767 Siehe dazu Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 98; Müller, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 38 Rn. 68; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 38 Rn. 48; Trute, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. I, Art. 38 Rn. 87; konkret in Bezug auf Beeinflussungen durch Lobbyismus Krüper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 38 Rn. 61. 768 BVerfGE 10, 4 (14); 43, 142 (147); 84, 304 (324). 769 BVerfGE 99, 19 (32); Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 121 f.; Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 38 Rn. 161.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

haben. Daher wäre mit einem Selbstbefassungsrecht des Normenkontrollrates, das sich auch auf Vorlagen aus der Mitte des Bundestages erstreckt, eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Mandatsfreiheit aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verbunden. Wenn der Normenkontrollrat als von der Bundesregierung zusammengestelltes Gremium Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages im Hinblick auf Folgekosten uneingeschränkt überprüfen und mit einer bewertenden Stellungnahme versehen an die einbringende Fraktion zurückgeben dürfte, wäre darin eine Machtverlagerung zu Lasten des Parlaments zu sehen.770 Das gilt selbst dann, wenn das Prüfmandat des Rates wie bisher nicht mit einem Vetorecht einherginge. Die damit implizierte Entparlamentarisierung liegt auf der Hand. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG bestünde gleichwohl nicht.771 Die Gewaltenteilung verlangt, dass die Funktionen der Gesetzgebung und der vollziehenden Gewalt im Schwerpunkt unterschiedlichen Bereichen der Staatsorganisation zugewiesen sind.772 Während die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung schwerpunktmäßig dem Parlament obliegt, umfasst die Exekutive die Regierung und Verwaltung, deren Aufgabe insbesondere im Vollzug der Gesetze liegt. Verschiebungen der Funktionsordnung sind zulässig, solange der Kernbereich der Funktionen gewahrt bleibt.773 Die obligatorische Beteiligung des Normen­kontrollrates bei Gesetzesvorhaben aus der Mitte des Bundestages würde nichts daran ändern, dass die Letztverantwortlichkeit des Parlaments für die Aufgabe der Normsetzung gewährleistet bliebe. Eine andere rechtliche Beurteilung mit Blick auf Art. 76 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ergäbe sich nicht bereits dann, wenn die Berufung der Mitglieder des Rates oder die Regelung zur Rechtsaufsicht in § 3 Abs. 8 NKRG geändert würden. Nur wenn der Gesetzgeber zusätzlich beschließen würde, den Normenkontrollrat nicht mehr organisatorisch und institutionell der Bundesregierung zuzuordnen, sondern stattdessen eine Anbindung an den Bundestag und seine Verwaltung in Betracht zöge, könnte es rechtlich denkbar sein, dass der Rat aus eigenem Ermessen Initiativen von Abgeordneten und Fraktionen überprüft. Denn in diesem Fall läge nicht mehr die Gefahr vor, dass die Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages unter der Einwirkung eines personell und organisatorisch der Exekutive unterstellten Sachverständigengremiums stünden. Solange der Normenkontrollrat aber im Ein 770 Vgl. Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 68; Seckelmann, ZRP 2010, 213 (215). 771 Anders Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (175), der darin eine Verletzung des Kernbereichs verfassungsrechtlich gewährleisteter Eigenständigkeit sieht, weil der Bundestag nicht mehr frei und unbefangen an einen Gesetzentwurf herangehen und diesen beurteilen könne. 772 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 146; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 R Rn. 71. 773 BVerfGE 95, 1 (15 f.); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 V Rn. 50; Puhl, in: HStR III, § 48 Rn. 52; Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 55 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 R Rn. 71.

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flussbereich der Regierung agiert, sind der Ausweitung seiner Kompetenzen verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Sowohl ein durch Gesetz als auch durch Geschäftsordnung eingeführtes Prüfungsrecht des Normenkontrollrates bezogen auf Bundestagsinitiativen wäre im Hinblick auf Art. 76 Abs. 1 GG und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verfassungswidrig. Eine derartige Befugnis könnte dem Normenkontrollrat nur durch eine Verfassungsänderung nach Art. 79 GG eingeräumt werden. 2. Obligatorische Überprüfung von Bundesratsinitiativen Eine gesetzlich bestimmte Pflicht des Bundesrates, seine Gesetzentwürfe unmittelbar dem Normenkontrollrat vorzulegen, stieße ebenfalls auf verfassungsrechtliche Bedenken. Als eigenständiges oberstes Bundesorgan mit legislativen Befugnissen steht es dem Bundesrat zu, gemäß Art. 76 Abs. 1 Var. 3 GG Gesetzesinitiativen in den Bundestag einzubringen. Dieses Recht erführe eine wesentliche Beeinträchtigung, wenn der Bundesrat seine Gesetzesvorlagen vor bzw. zeitgleich mit der Ausübung seines Initiativrechts einem nicht in der Verfassung vorgesehenen Gremium zur Überprüfung vorlegen müsste.774 Es würde insbesondere zu zeitlichen Verzögerungen führen, wenn der Bundesrat noch vor und zusätzlich zur Beteiligung der Bundesregierung gemäß Art. 76 Abs. 3 S. 1 GG den Normen­ kontrollrat einschalten müsste. Verstärkend kommt hinzu, dass der Bundesrat anders als der Bundestag auf den Status und die Befugnisse des Normenkontrollrates institutionell kaum Einfluss nehmen kann, da es sich beim NKRG nicht um ein zustimmungspflichtiges Gesetz i. S. v. Art. 77 Abs. 2a GG handelt. Im Gegensatz zur Bundesregierung verfügt der Bundesrat in Bezug auf den Normenkontrollrat auch weder über Aufsichtsbefugnisse noch über Mitspracherechte bei dessen Zusammensetzung. Als ebenso bedeutsam erweist sich in diesem Kontext die grundgesetzlich garantierte Autonomie des Bundesrates, die sich vor allem in der Geschäftsordnungskompetenz aus Art. 52 Abs. 3 S. 2 GG niederschlägt. Diese dient dem Bundesrat u. a. dazu, seine internen Verfahrensweisen zu regeln. In diese Autonomie darf der Bundestag durch Gesetz nur eingreifen, wenn er dazu verfassungsrechtlich besonders ermächtigt ist.775 Bezogen auf den Fall, dass der Bundestag dem Bundesrat eine verpflichtende Beteiligung des Normenkontrollrates per Gesetz auferlegen will, ist eine in diese Richtung weisende Ermächtigung nicht ersichtlich. Aus diesem Grund würde eine vom Bundestag beschlossene Änderung des NKRG, durch die der Bundesrat verpflichtet wäre, seine Gesetzentwürfe unmittelbar dem

774 Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (164); ebenfalls mehrere verfassungsrechtliche Bedenken anmeldend Brenner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)178, S. 4 f. 775 Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 52 Rn. 20; Dörr, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 52 Rn. 15; Korioth, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 52 Rn. 15; Reuter, Praxishandbuch Bundesrat, Art. 52 Rn. 33.

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

Normenkontrollrat vorzulegen, sowohl das Gesetzesinitiativrecht als auch die Autonomie des Bundesrates in Zweifel ziehen. Im Unterschied zu Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages ergäbe sich bei denjenigen des Bundesrates aber dennoch eine verfassungsrechtlich zulässige Regelungsmöglichkeit, sie flächendeckend vom Normenkontrollrat auf die Darstellung der Folgekosten überprüfen zu lassen. Den Ansatzpunkt dafür bietet Art. 76 Abs. 3 S. 1 GG, nach dessen Regelung der Bundesrat seine Gesetzesvorlagen zunächst der Bundesregierung zuzuleiten hat, die diese im Anschluss im Sinne einer Botenfunktion an den Bundestag übermittelt. Im Rahmen dieses Vorverfahrens ist die Bundesregierung grundsätzlich verpflichtet, innerhalb von sechs Wochen ihre Auffassung zu der Bundesratsinitiative in Form einer Stellungnahme darzulegen. Der Bundesregierung könnte überdies gesetzlich die Pflicht auferlegt werden, innerhalb dieser Frist auch den Normenkontrollrat zu beteiligen. Dieser wäre dann dazu berufen, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf die Darstellung der Folgekosten zu überprüfen und das Ergebnis in einer Stellungnahme zusammenzufassen, die als Anlage der Stellungnahme der Bundesregierung nach Art. 76 Abs. 3 S. 2 GG beigefügt würde.776 Der Bundesrat wäre dadurch nicht in seinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt, da er zu diesem Zeitpunkt sein Gesetzesinitiativrecht bereits formell ausgeübt hätte, ohne dass ihm noch ein inhaltliches Änderungsrecht an seinem Entwurf zustände. Indem die Verfassung vorschreibt, dass der Bundesrat seine Initiativen zuvor der Bundesregierung zuleiten und diese dazu eine unverbindliche Stellungnahme abgeben muss, erreichen Bundesratsentwürfe das Parlament nur in Verbindung mit einem Votum der Gubernative. Auch eine Stellungnahme des Normenkontrollrates könnte angesichts seiner Anbindung im weitesten Sinne der Bundesregierung zugerechnet werden. Diese weitere Stellungnahme würde sich insofern in die verfassungsrechtlichen Vorgaben für Bundesratsinitiativen einfügen. Adressat der Beratung durch den Normenkontrollrat wäre auch nicht der Bundesrat selbst, sondern in erster Linie die Bundesregierung und daran anschließend die Abgeordneten des Bundestages. Aus diesem Grund entspräche die Beteiligung des Normenkontrollrates in dieser Phase seiner gesetzlichen Funktion, die ihn gemäß § 1 Abs. 2 NKRG als Beratungsorgan der Bundesregierung sieht. Der Bundesrat selbst könnte erst, nachdem der Bundestag den Gesetzentwurf angenommen hat, im Rahmen seiner Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren nach Art. 77 GG die Stellungnahme des Normenkontrollrates berücksichtigen. Da der Normen­kontrollrat nicht selbst den Erfüllungsaufwand von Gesetzentwürfen misst, wäre aber zu klären, wer diese Aufgabe übernimmt. In Betracht kämen neben dem Bundesrat selbst auch die Bundesregierung sowie das Statistische Bundesamt, 776

Ebenso Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (165); Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen zum NKRG-Entwurf, BT-Drs. 16/1665, S. 9, Ziff. 4; Schubmann-Wagner, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)177, S. 3; eine derartige Einbeziehung des Normenkontrollrates hält wohl auch der Bundesrat selbst für möglich, siehe BR-Drs. 411/06, S. 1, Ziff. 3.

C. Verfassungsrechtliche Würdigung

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das hinsichtlich der Ermittlung gesetzlicher Folgekosten bereits viele Erfahrungen gesammelt hat.

VI. Abschnittsergebnis Als politikberatendes Gremium beim Bundeskanzleramt hat der Nationale Normenkontrollrat dafür Sorge zu tragen, dass die Regelungsentwürfe der Regierung nachvollziehbare Ausführungen insbesondere zu den von ihnen ausgehenden Kostenfolgen enthalten. Obwohl das Parlament den Normenkontrollrat durch ein formelles Gesetz eingesetzt hat, führt seine obligatorische Beteiligung im regierungsinternen Abstimmungsverfahren im Ergebnis nicht dazu, dass verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte der Bundesregierung verletzt werden. Da die Stellungnahmen des Normenkontrollrates für die Bundesregierung nicht bindend sind, kann er weder den Inhalt eines Gesetzentwurfs noch die dazugehörigen Kostenabschätzungen unmittelbar ändern. Dass er mithilfe seiner Voten mittelbar auf die Gesetzgebungspraxis einzuwirken versucht und sich für „kosten- sowie bürokratieärmere“ Regelungen einsetzt, ist zwar ebenfalls Teil seines Mandats. Dieses Vorgehen berührt aber nicht das Initiativrecht der Regierung aus Art. 76 Abs. 1 GG, weil dieses die Entwurfserarbeitung im Vorfeld der förmlichen Initiative nicht erfasst. Ein Verfassungsverstoß ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund des Ressortprinzips und der Organisationsgewalt der Regierung. Das Parlament hat zwar in diese Organisationsgewalt eingegriffen, indem es die Einbeziehung des Normenkontrollrates in die regierungsinternen Strukturen mittels Gesetz angeordnet hat. Jedoch ist dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da sich zum einen die „Zwangsbeteiligung“ des Normenkontrollrates ausschließlich auf einen kleinen Ausschnitt der Organisationshoheit beschränkt, der nur im Rahmen der Gesetzesvorbereitung zum Tragen kommt. Zum anderen dient die Beteiligungspflicht der Gesetzesfolgentransparenz und fördert damit das Prinzip der demokratischen Öffentlichkeit. Im Übrigen gibt das NKRG allein der Bundesregierung die Möglichkeit, vor allem durch die Mitgliederauswahl und die Rechtsaufsicht auf den Normenkontrollrat und seine Arbeit Einfluss auszuüben. Auch verfassungsrechtlich abgesicherte Rechte des Bundestages beschneidet das derzeitige Mandat des Normenkontrollrates nicht. Dennoch wirft die organisatorische Konzeption des Normenkontrollrates im Hinblick auf das Demokratieprinzip Fragen auf, die vor allem sein Verhältnis zu parlamentarischen Funktionen betreffen. Seit seiner Einsetzung nimmt der im Einflussbereich der Regierung agierende Normenkontrollrat Aufgaben wahr, die grundsätzlich als Kompetenzen des Bundestages gelten. Dazu zählt zunächst die Kontrollfunktion, die darauf gerichtet ist, von der Regierung stammende Informationen in Form von Gesetzesfolgenabschätzungen kritisch zu hinterfragen, um sie als Grundlage für die parlamentarische Entscheidung über den Gesetzentwurf aufzubereiten. Der Bundestag führt in der Regel weder eigene umfassende Gesetzesfolgenabschätzungen durch,

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1. Kap.: Der Nationale Normenkontrollrat

noch überprüft er diejenigen der Regierung in ausreichendem Maße, obwohl er als zentrales Gesetzgebungsorgan die Verantwortung für die Folgen der von ihm erlassenen Regelungen trägt. Dieses Defizit hat das Parlament durch die Einsetzung des Normenkontrollrates bei der Regierung verstärkt. Zudem können die Stellungnahmen des Normenkontrollrates trotz seines vermeintlich neutralen Mandats mittelbar politische Bewertungen umfassen, wenn er etwa die Darstellung bestimmter Kosten, Zielsetzungen oder Alternativmaßnahmen kritisiert. Die politische Beurteilung von Regierungsvorlagen stellt aber eine parlamentarische Kernaufgabe dar, die von unmittelbar demokratisch gewählten Abgeordneten und nicht von einem Sachverständigengremium, dessen Mitglieder die Bundesregierung bestellt, wahrzunehmen ist. In diesem Sinne erscheint es gerechtfertigt, davon zu sprechen, dass das Mandat und Konzept des Normenkontrollrates eine entparlamentarisierende Wirkung aufweisen. Verfassungsdogmatisch lässt sich diese Wirkung allerdings nicht abschließend erfassen, da die durch das Grundgesetz vorgegebenen Verfahren und Formen unangetastet bleiben. Das Verdikt der Verfassungswidrigkeit wäre jedoch dann auszusprechen, wenn auch Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages verpflichtend dem Normenkontrollrat zugeleitet werden müssten. Weder mit der Mandatsfreiheit der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG noch mit deren Recht, gemäß Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG Gesetzesinitiativen einzubringen, wäre es vereinbar, wenn Abgeordnete und Fraktionen ihre Gesetzentwürfe vor deren Diskussion im Bundestag einem der Regierung angegliederten Sachverständigengremium zur Überprüfung vorlegen müssten. Ebenfalls verfassungsrechtlich zweifelhaft wäre es, wenn der Bundesrat einfachgesetzlich verpflichtet würde, seine Gesetzentwürfe unmittelbar dem Normenkontrollrat zu übermitteln. Kostenabschätzungen zu Bundesratsinitiativen könnte der Normenkontrollrat nur dann in verfassungsrechtlich zulässiger Weise beurteilen, wenn die Überprüfung im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens nach Art. 76 Abs. 3 GG erfolgen würde.

2. Kapitel

Der Ausschuss für Regulierungskontrolle Als europäisches Pendant zum deutschen Normenkontrollrat oder vergleichbarer nationaler „Räte“ gilt der seit Juli 2015 bestehende Ausschuss für Regulierungskontrolle (engl.: Regulatory Scrutiny Board, RSB; frz.: Comité indépendant d’examen de la réglementation). Der siebenköpfige Ausschuss ist beim Generalsekretariat der Europäischen Kommission angesiedelt und wurde von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingesetzt. Das Gremium gibt Stellungnahmen und Empfehlungen zu sämtlichen, aus den Kommissionsdienststellen stammenden Entwürfen für Folgenabschätzungen sowie zu wichtigen Evaluierungen und „Fitness checks“ bestehender Rechtsvorschriften ab.

A. Entstehung und Tätigkeit Den politischen Hintergrund, auf den die Einrichtung des Ausschusses für Regulierungskontrolle zurückzuführen ist, bilden langjährige Bemühungen der Europäischen Kommission um eine wirksame „Better Regulation“-Strategie. In diesem Sinne besteht die Hauptaufgabe des Ausschusses darin, legislativbezogene Ex-ante- und Ex-post-Wirkungsanalysen der Kommission einer neutralen Überprüfung zu unterziehen.

I. Rahmenbedingungen und Vorläufer Dem Ziel „besserer“ Rechtsetzung hat sich die Union bereits seit längerer Zeit verschrieben.1 Es ist insbesondere die Europäische Kommission, die regelmäßig neue Konzepte vorstellt, um diesem Ziel näher zu kommen. Die Ansätze reichen in semantischer Hinsicht von „Smart Regulation“ bis zu „Regulatory Fitness“.2 In dieser Vielzahl unterschiedlicher Konzepte stellt der Ausschuss für Regulierungskontrolle als kommissionsintern agierende Überprüfungsinstanz für Folgenabschätzungen und Evaluationen einen neuen Vorstoß dar. Wie er sich in die langfristigen Konzepte der Kommission einfügt und ob er Erfolg haben kann, ist 1

v. Danwitz, JZ 2006, 1 (3); Kirchhof, Allgemeinheit des Gesetzes, S. 44 f.; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 103 ff. 2 Siehe Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg.; dies., Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

nicht zu ermitteln, ohne den bisherigen Bemühungen der Europäischen Union um eine Verbesserung der Rechtsetzung Beachtung zu schenken. In diesem Zuge wird insbesondere festzustellen sein, dass die Idee eines Kontrollgremiums, das in den Folgenabschätzungsprozess der Kommission eingebunden ist, nichts grundlegend Neues darstellt, sondern in dem seit 2006 bestehenden Ausschuss für Folgenabschätzung ihren Ausgangspunkt findet. 1. „Better Regulation“ in der Europäischen Union Hinter dem „Better-Regulation“-Konzept verbirgt sich eine Vielzahl von Forderungen. Sie reichen von einer Verbesserung redaktioneller Gesichtspunkte in Rechtsakten über ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis bis hin zu sozialer Ausgewogenheit von Rechtsnormen.3 Damit beschränken sie sich nicht allein auf rechtstechnische Aspekte, sondern umfassen auch politische Inhalte. Als Instrumente, um die Einhaltung dieser unterschiedlichen Kriterien zu gewährleisten, gelten gemeinhin Rechtsvereinfachung, Folgenabschätzung, Senkung von Verwaltungslasten, Konsultation der Normadressaten und Evaluationen. Da es keine hierarchische Ordnung zwischen den verschiedenen Instrumenten „besserer“ Rechtsetzung gibt, werden diese abhängig von dem jeweiligen Regelungsvorhaben in unterschiedlicher Dosis angewendet.4 Im Kern geht es auf EU-Ebene jeweils um die Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit sowie der Notwendigkeit, Effizienz und Effektivität des Sekundärrechts. a) Begriffsverständnis Was in den deutschen Sprachfassungen der Unionsdokumente unter den Begriff „Bessere Rechtsetzung“ fällt, wird in der englischen Version als „Better Regulation“ bezeichnet. Als Regulierung gilt in diesem Sinne die Gesamtheit staatlicher Steuerung. „Better Regulation“ umfasst demnach sowohl im anglo-amerikanischen Raum als auch auf EU-Ebene und in der OECD alle Maßnahmen, die die Qualität, Wirksamkeit und Akzeptanz staatlicher Politikformulierung verbessern sollen.5 Dagegen reduziert sich der deutsche Sprachgebrauch „besserer Rechtsetzung“ allein

3

Siehe näher dazu Grüner, Quantität und Qualität, S. 21 ff.; Schroeder, ZÖR 2013, 225 (228); Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (863); es geht bei Better Regulation z. B. im Rahmen von Kosten-Nutzen-Analysen auch um klassische ökonomische Fragestellungen, dazu Rodi, Ökonomische Analyse des Öffentlichen Rechts, S. 147 f. 4 Schroeder, ZG 2016, 193 (195); Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (863). 5 Brüggemeier / Lenk, in: dies. (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 11 (15, 17 f.); Lenk, in: Brüggemeier / ders. (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 41 (42 f.); Pürgy, in: Lienbacher / ders. (Hrsg.), Verwaltungsreform und Deregulierung, S. 3 (29 f.); Schroeder, ZG 2016, 193 (199); Veit, Bessere Gesetze, S. 18.

A. Entstehung und Tätigkeit

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auf die Steuerung durch Recht und den Prozess der Gesetzgebung.6 „Bessere Rechtsetzung“ bildet damit einen Bestandteil von „Better Regulation“. Gemeinsam ist ihnen, dass sie als neues Leitbild fungieren, obwohl sie inhaltlich unspezifisch bleiben und dadurch zugleich gegensätzliche politische Konzepte wie einerseits Bürokratieabbau und Deregulierung sowie andererseits effektive Regulierung und Steuerung abdecken können. Sprachlich verschaffen sie den genannten Themen ein positives Erscheinungsbild, gegen das kaum jemand etwas einwenden kann.7 Der Wirkungsmechanismus des „Better Regulation“-Leitbildes ist darauf ausgerichtet, nicht unmittelbar die Gesellschaft oder die Wirtschaft, sondern politikfeldübergreifend die staatlichen Behörden und Ministerien durch die Institutionalisierung bestimmter Verfahren und Instrumente zu regulieren.8 „Better Regulation“ legt somit Vorgaben für den Rechtsetzungs- und Regulierungsprozess fest. b) Wesentliche Entwicklungsschritte Die zielgerichteten Bestrebungen hin zu einer verbesserten Rechtsetzung in der Europäischen Gemeinschaft nahmen ihren Anfang in den 1990-er Jahren. Erste Schritte tätigte der Europäische Rat im Dezember 1992 auf dem Gipfel von Edinburgh, als er sich für eine klarere und einfachere Gestaltung des Gemeinschaftsrechts einsetzte, indem er vorschlug, anhand von Leitlinien die „Qualität“ der Rechtsvorschriften zu überprüfen.9 Im Jahr danach verabschiedete der Ministerrat eine Entschließung über die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, in der er sich u. a. für eine systematische Kodifizierung des Gemeinschaftsrechts sowie eine klare und einfache Gestaltung von Rechtsnormen aussprach.10 Seit 1993 veröffentlicht die Europäische Kommission nach Maßgabe des Subsidiaritätsprotokolls jährlich Berichte, die zwischenzeitlich unter dem Titel „Bessere Rechtsetzung“ standen.11 Sie thematisieren neben Gesichtspunkten, die sich auf die Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes und der Verhältnismäßigkeit beziehen, auch die „Qualität der europäischen Rechtsetzung“ insgesamt. Von Bedeutung war darüber hinaus der 1995 vorgelegte sog. Molitor-Bericht, der auf die von der Kommission eingesetzte „Gruppe unabhängiger Experten für 6 Lenk, in: Brüggemeier / ders. (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 41 (44); Veit, Bessere Gesetze, S. 18; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 12. 7 Cancik, Der Staat 2017, 1 (35); Jantz, dms 2015, 385 (395); ders. / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 126 (133); Pachl, EJRR 3/2015, 375 (375); Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 13; ders., EJRR 3/2015, 369 (371). 8 Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 16 f. 9 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates in Edinburgh vom 11./12. Dezember 1992, Teil A, Anlage 3; dazu Timmermans, CML Rev. 1997, 1229 (1229, 1241). 10 Entschließung des Rates vom 8. Juni 1993 über die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, ABl. Nr. C 166 vom 17.06.1993, 1. 11 Erstmalig Europäische Kommission, Subsidiaritätsprinzip, KOM(93) 545 endg.; aktuell für 2016 siehe Europäische Kommission, Jahresbericht 2016, COM(2017) 600 final.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

die Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ zurückging.12 Der nach dem Vorsitzenden der Gruppe, dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler und ehemaligen Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium Bernhard Molitor, benannte Molitor-Bericht enthielt neben einer Reihe von Vereinfachungsvorschlägen für gemeinschaftliche Rechtsvorschriften auch Empfehlungen für eine umfassende Kodifikationsarbeit und mehr Transparenz im Gesetzgebungsverfahren.13 Trotz dieser unterschiedlichen Ansätze blieben die Erfolge beim Versuch, die Rechtsetzung nachhaltig zu verbessern, in den 1990-er Jahren überschaubar. Einen entscheidenden Wendepunkt bildete erst die 2000 ins Leben gerufene Lissabon-Strategie.14 Auf der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon im März 2000 setzte sich die Europäische Gemeinschaft das Ziel, innerhalb von zehn Jahren zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden.15 Einen wichtigen Baustein sah die Gemeinschaft dabei in der Befreiung der Unternehmen von mit Gesetzen verbundenen Kosten und unnötigem „bürokratischem“ Aufwand, um Wachstum und Beschäftigung zu erhöhen. Zahlreiche in den Folgejahren angestoßene Initiativen verfolgten den Zweck, durch eine strukturiertere Rechtsetzung die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung der Lissabon-Strategie zu schaffen. In diese Reihe fällt zunächst das im Juli 2001 von der Kommission unter Romano Prodi vorgelegte Weißbuch „Europäisches Regieren“, das sich mit verschiedenen Aspekten „besserer“ Rechtsetzung befasste.16 Darin deutete die Kommission an, dass ihre komplexe Regelungstätigkeit mitursächlich für den Vertrauensverlust der EG bei den Bürgern sei. Um diesem entgegenzuwirken, machte sie es sich in dem Weißbuch zur Aufgabe, die Qualität und Effizienz ihrer Regulierungsmaßnahmen zu verbessern und diese einfach und verständlich abzufassen.17 Dazu sollten u. a. umfassende Konsultationen, zielgerich­tete Folgenabschätzungen sowie eine „Evaluierungs- und Feedback-Kultur“ beitragen.

12

Europäische Kommission, Bericht, KOM(95) 288 endg. Grüner, Quantität und Qualität, S. 263 f.; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 233; Wägenbaur, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 167 (169); der Bericht sah auch Einzelfragen der Folgenabschätzung als Teil einer allgemeinen Rechtsvereinfachung an, siehe Europäische Kommission, Bericht, KOM(95) 288 endg., S. 5 f. 14 Grüner, Quantität und Qualität, S. 271; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 104; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 235; siehe zum Zusammenhang zwischen dem Politikfeld „Better Regulation“ und der Lissabon-Strategie Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (386); Böllhoff, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 123 (125). 15 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Lissabon vom 23./24. März 2000, SN 100/00, Ziff. 5. 16 Europäische Kommission, Europäisches Regieren, KOM(2001) 428 endg.; auch veröffentlicht in ABl. Nr. C 287 vom 12.10.2001, 1; dazu Böllhoff, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 123 (125); Grüner, Quantität und Qualität, S. 271 f.; kritisch zum Weißbuch als Versuch, eine „supranationale Technokratie“ aufzubauen Kohler-Koch, in: Kaiser / Zittel (Hrsg.), FS Kielmansegg, S. 423 (438). 17 Europäische Kommission, Europäisches Regieren, KOM(2001) 428 endg., S. 26. 13

A. Entstehung und Tätigkeit

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Grundlegend für die weiteren Entwicklungsschritte hin zu einer „besseren“ Rechtsetzung war sowohl auf europäischer als auch teilweise auf nationalstaatlicher Ebene der 2001 veröffentlichte sog. Mandelkern-Bericht.18 Erarbeitet wurde er von einer 16-köpfigen Expertengruppe aus Vertretern der Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission unter Vorsitz des französischen Politikers ­Dieudonné Mandelkern. Die Mandelkern-Gruppe entwarf einen strategischen und umfassenden Gesamtansatz zur Verbesserung der Rechtsetzung, der im Kern sieben Maßnahmen beinhaltete. Dazu gehörten die Berücksichtigung von Alternativen bei der Regelungsentwicklung, die Durchführung von Folgenabschätzungen, Konsultationen mit den späteren Regelungsadressaten, die Vereinfachung des Regelungsbestandes, der erleichterte Zugang zu Rechtsvorschriften, Einführung neuer Strukturen im Normsetzungsprozess sowie erhöhte Aufmerksamkeit für Fragen der nationalen Umsetzung europäischer Rechtsnormen.19 Wesentliche Maßnahmen wie der Aktionsplan „Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds“, die die Kommission ab 2002 vor allem in den Bereichen Folgenabschätzung und Rechtsvereinfachung ergriffen hat, sind auf die Empfehlungen des Mandelkern-Berichts zurückzuführen.20 Nachdem es sich abzeichnete, dass die ambitionierten Ziele der Lissabon-Strategie nicht erreicht werden konnten, sah sich die neue Europäische Kommission unter der Leitung von José Manuel Barroso im Jahr 2005 dazu veranlasst, die Strategie neu auszurichten und auf weniger Teilziele zu begrenzen. Im Fokus standen nunmehr die Politikbereiche Wachstum und Beschäftigung.21 Die Kommission betonte diesbezüglich die Bedeutung der „besseren“ Rechtsetzung für Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Produktivität.22 Zur Erreichung dieser Ziele setzte sie auf eine konsequente Folgenabschätzung sowie auf die Vereinfachung bestehender Gemeinschaftsrechtsvorschriften.23 Zu Letzterem verfasste sie eine „Strategie zur Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds“, die u. a. bereits bekannte Vereinfachungstechniken wie Aufhebung, Kodifizierung oder Neufassung bestehender Rechtsnormen und die Änderung der Umsetzungsmethoden vorsah.24 18

Deutsche Fassung des Mandelkern-Berichts: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Mandelkern-Bericht; dazu Böllhoff, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 123 (124 f.); Lange, ZG 2001, 268 (273 f.); Wägenbaur, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 167 (171). 19 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Mandelkern-Bericht, S. 10 f. 20 Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (385); Hüper, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung, S. 41 (48); Knauff, ZG 2009, 354 (355 f.). 21 Europäische Kommission, Neubeginn Strategie von Lissabon, KOM(2005), 24 endg., S. 5. 22 Europäische Kommission, Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 3 f.; dazu Allio, in: Kirkpatrick / Parker (Hrsg.), Regulatory Impact Assessment, S. 72 (83). 23 Europäische Kommission, Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 5 ff. 24 Europäische Kommission, Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds, KOM(2005) 535 endg., S. 6 ff.; unter „Kodifizierung“ versteht die Kommission die Zusammenfassung mehrerer Rechtsakte zu einem einheitlichen neuen Rechtsakt unter Verzicht auf inhaltliche Änderungen, während sie die Kombination von Kodifizierung mit inhaltlichen Änderungen als „Neufassung“ bezeichnet, so Grüner, Quantität und Qualität, S. 292; Meßerschmidt, ZJS 2008, 111 (117).

212

2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Von 2006 bis 2009 gab die Kommission drei Fassungen der „Strategischen Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ heraus.25 Sie enthielten neben einer Bestandsaufnahme über das bislang auf dem Gebiet der „besseren“ Rechtsetzung Erreichte jeweils einen Ausblick auf mehr oder weniger konkrete, zukünftige Maßnahmen in der Folgenabschätzung, zur Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts und zur Verringerung der Verwaltungslasten.26 In den „Dritten Strategischen Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ von 2009 zog die Kommission bereits ein durchweg positives Fazit zu den Fortschritten ihrer Agenda für „bessere“ Rechtsetzung.27 Als Nachfolgeprogramm für die Lissabon-Strategie rief die EU im Jahr 2010 das Programm „Europa 2020“ aus, dessen Ziel „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ war.28 Damit einhergehend und infolge des Umstands, dass die Aspekte „besserer“ Rechtsetzung wichtige Bestandteile der Politikgestaltung in der EU geworden waren, sah die Kommission die Notwendigkeit, das Konzept „besserer“ Rechtsetzung zur „intelligenten“ Rechtsetzung (smart regulation) weiterzuentwickeln.29 Der neue Oberbegriff änderte jedoch wenig an den Methoden und Strukturen, mit denen die Kommission die „Qualität“ der europäischen Rechtsetzung zu gewährleisten versuchte. Der Schwerpunkt lag weiterhin auf der qualitativen Verbesserung von Konsultations- und Folgenabschätzungsverfahren, der Verringerung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen sowie der Vereinfachung des Unionsrechts.30 Im Dezember 2012 leitete die Europäische Kommission das REFIT-Programm (Regulatory Fitness and Performance Programme) ein.31 Dessen Schwerpunkt liegt bis heute vorrangig in der Überprüfung des bestehenden Sekundärrechts­bestandes, um dessen Wirksamkeit und Effizienz zu untersuchen. Der nächste bedeutsame Entwicklungsschritt war unter der neuen, von Jean-Claude Juncker geführten Kommission zu verzeichnen. Sie verkündete im Mai 2015 eine neue Agenda unter dem Titel „Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung“32, die im Verantwortungsbereich des ersten Kommissionsvizepräsidenten Frans Timmermans lag. Im Vordergrund standen die Instrumente der Folgenabschätzung sowie der Konsultation von Interessenvertretern. Gleichzeitig forcierte die Kommission aber auch den Ausbau des REFIT-Programms zur Vereinfachung des EU-Rechts. Den Anlass für 25 Europäische Kommission, Strategische Überlegungen, KOM(2006) 689 endg.; dies., Zweite Strategische Überlegungen, KOM(2008) 32 endg.; dies., Dritte Strategische Überlegungen, KOM(2009) 15 endg. 26 Knauff, ZG 2009, 354 (357); Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 111 ff. 27 Europäische Kommission, Dritte Strategische Überlegungen, KOM(2009) 15 endg., S. 2 ff. 28 Europäische Kommission, EUROPA 2020, KOM(2010), 2020 endg., S. 12. 29 Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 2. 30 Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 114. 31 Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final; dazu näher unter Kap. 2, A. I. 1. d). 32 Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final.

A. Entstehung und Tätigkeit

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diesen neuen Ansatz bildete die von der Juncker-Kommission betonte Vorgabe, sich in erster Linie den größeren Problemen zu widmen, um das Vertrauen in die EU zu stärken.33 Ziel war es, gut konzipierte und faktenbasierte Rechtsetzungsmaßnahmen zu kreieren, die Bürgern, Wirtschaft sowie der Gesellschaft konkreten und nachhaltigen Nutzen bringen. Zu diesem Zweck schuf die Kommission neue umfassende Leitlinien für bessere Rechtsetzung bestehend aus den Better Regulation Guidelines und einer dazugehörigen 414-seitigen Toolbox, die sich an die Kommissionsbediensteten richteten.34 Sie stellten einen Handlungsleitfaden dar, der u. a. Informationen über die Durchführung von Folgenabschätzungen, Ex-post-Evaluierungen und Konsultationen bereithielt. Im Jahr 2017 hat die Kommission sowohl die Better Regulation Guidelines als auch die Toolbox (nunmehr 540-seitig) aktualisiert und u. a. um detaillierte Quantifizierungsvorgaben für die Kommissionsdienststellen ergänzt.35 Dahinter verbirgt sich das Ziel, soweit wie möglich die Folgen von Rechtsetzungsvorschlägen zahlenmäßig zu erfassen. c) Verringerung der Verwaltungslasten Ein weiterer Baustein im unionalen Konzept besserer Rechtsetzung stellt die Verringerung der „Verwaltungslasten“ (Administrative Burden Reduction, ABR) dar. Dieses Ziel wird häufig gleichbedeutend mit dem Begriff des „Bürokratieabbaus“ beschrieben.36 Die Europäische Kommission betonte jedoch im Rahmen der Einführung des EU-Standardkosten-Modells zur Messung der Verwaltungskosten, dass administrative Pflichten teilweise sinnvoll und notwendig seien, um fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Aus diesem Grund empfahl sie in diesem Kontext nicht von „Bürokratie“ zu sprechen, da dieser Begriff unnötig zeitaufwendige, überkomplizierte und nutzlose Verfahren bezeichne.37 Entsprechend dieser Argumentation spricht die Kommission im Gegensatz zum Sprachgebrauch der deutschen Regierung (§ 2 Abs. 2 NKRG) bewusst nicht von Bürokratiekosten, sondern von Verwaltungskosten bzw. von Verwaltungslasten (engl.: administrative burdens, frz.: charges administratives).38 Die Verringerung der „Verwaltungslasten“ war einer der Kernpunkte der „Joint Initiative on Regulatory Reform“, die im Januar 2004 durch Irland, die Niederlande, Luxemburg und das Vereinigte Königreich angestoßen wurde. Während ihrer Ratspräsidentschaften in den Jahren 2004 und 2005 wollten sie erreichen, dass auf 33

Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 2. Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final. 35 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 140 f., 484 ff. 36 Vgl. Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (395); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 260. 37 Europäische Kommission, Einheitliche EU-Methode, KOM(2005) 518 endg., S. 2. 38 Funke, Bürokratieabbau, S. 31; Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 55. 34

214

2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

der Ebene der Europäischen Gemeinschaft eine Methode zur Messung der „Verwaltungslasten“ entsteht. Nachdem die Europäische Kommission entsprechende Bereitschaft signalisierte, begrüßte der Europäische Rat auf seiner Frühjahrstagung im März 2004 die Ausarbeitung einer Methode zur Messung des Verwaltungsaufwands von Unternehmen.39 Auf dieser Grundlage und in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erarbeitete die Kommission das EU-Nettoverwaltungskostenmodell (EU Net Administrative Cost Model), das sie im März 2005 als Entwurf vorstellte.40 Es orientierte sich am niederländischen Standardkosten-Modell, jedoch war die Kommission darum bemüht, kritische Aspekte des niederländischen Modells zu vermeiden, um eine europaweit einheitliche Methode zu entwickeln.41 Nach einer Pilotphase von April bis September 2005 und einigen Überarbeitungen firmierte die Methode ab Ende 2005 als EU-Standardkosten-Modell (EU-SKM). Im März 2006 wurde eine Anleitung zur Anwendung des Modells in den Anhang des damaligen Leitfadens zur Folgenabschätzung aufgenommen.42 Das EU-SKM versteht unter Verwaltungskosten diejenigen Kosten, die Unternehmen, gemeinnützigen Organisationen, Behörden und Bürgern dadurch entstehen, dass sie rechtlich verpflichtet sind, Behörden oder Privatpersonen Informationen über ihre Tätigkeiten oder ihre Produktion zu liefern. Abzugrenzen davon sind die „Verwaltungslasten“, die eine Teilmenge der Verwaltungskosten bilden und diejenigen Informationen bezeichnen, die ohne gesetzliche Verpflichtung nicht erhoben würden.43 Ziel der Kommission ist es, die Höhe der Verwaltungskosten zu ermitteln und die unnötigen Verwaltungslasten zu verringern. Das EU-SKM entspricht methodisch im Wesentlichen der auch in Deutschland angewandten Fassung des Standardkosten-Modells. Ein Unterschied liegt jedoch darin, dass das EU-SKM, wenn es für Ex-ante-Folgenabschätzungen genutzt wird, einen Nettokostenansatz verfolgt, so dass von den Kosten, die durch die vorgeschlagene Maßnahme verursacht werden, diejenigen Kosten abgezogen werden, die die Maßnahme voraussichtlich einspart.44

39 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Brüssel vom 25./26. März 2004, ST 9048 2004 INIT, Ziff. 23. 40 Europäische Kommission, Minimising administrative costs imposed by legislation, SEC (2005) 175. 41 Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 54. 42 Europäische Kommission, Berechnung der Verwaltungskosten, KOM(2006) 691 endg., S. 8; das EU-SKM findet bis heute als gängiges Analyseinstrument in den Kommissionsleitlinien für Folgenabschätzungen Erwähnung, siehe Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 488 ff. 43 Europäische Kommission, Berechnung der Verwaltungskosten, KOM(2006) 691 endg., S. 4; siehe auch Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 260. 44 Europäische Kommission, Berechnung der Verwaltungskosten, KOM(2006) 691 endg., S. 9; siehe für einen umfassenden Vergleich zwischen dem traditionellen aus den Niederlanden stammenden Standardkosten-Modell und dem EU-SKM Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 81 ff.; zum deutschen SKM unter Kap. 1, A. I. 6. a).

A. Entstehung und Tätigkeit

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Das EU-SKM bildete die methodische Grundlage für das am 24. Januar 2007 von der Europäischen Kommission auf den Weg gebrachte „Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten“. Dieses visierte einen Abbau von 25 % der durch bestehende Gemeinschaftsrechtsvorschriften verursachten Verwaltungslasten bis 2012 an.45 Der Europäische Rat bestätigte dieses Abbauziel in seiner Tagung am 08. und 09. März 2007 und rief die Mitgliedstaaten dazu auf, sich „im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bis 2008 ähnlich ehrgeizige nationale Ziele zu setzen“.46 Das Aktionsprogramm sowie das Abbauziel fokussierten sich allein darauf, etwaige „Verwaltungslasten“ für Unternehmen zu reduzieren, während die Belastungen von Bürgern, gemeinnützigen Organisationen und Behörden keine Rolle spielten. Der Aktionsplan sah 13 prioritäre Bereiche (z. B. Gesellschaftsrecht, Arzneimittelrecht und Landwirtschaft einschließlich Agrarsubventionen), in denen erfahrungsgemäß die meisten Verwaltungskosten anfallen, zur Berechnung und Verringerung der Verwaltungslasten für Unternehmen vor. Eine umfassende Messung des gesamten Rechtsbestandes der Gemeinschaft sollte auf diese Weise vermieden werden.47 Die Kommission beauftragte externe Beratungsunternehmen mit der Basisberechnung von insgesamt 72 Rechtsakten in den ausgewählten 13 Bereichen. Die Berechnungen bezogen sich auf Lasten aufgrund von Gemeinschaftsrechtsvorschriften sowie den nationalen Maßnahmen zu ihrer Durchführung oder Umsetzung und ergaben für die gemessenen 72 Rechtsakte in den prioritären Bereichen Verwaltungslasten in Höhe von jährlich 123,8 Mrd. Euro.48 Auf dieser Grundlage leitete die Kommission zahlreiche Legislativ- und einige Sofortmaßnahmen ein, um die ermittelten Verwaltungslasten zu verringern. Im Zuge des Programms zur „intelligenten“ Rechtsetzung verknüpfte die Europäische Kommission die Bemühungen zur Verringerung der Verwaltungslasten im Jahr 2010 mit denen zur Vereinfachung der Rechtsetzung. Diese Entscheidung entsprang der Erkenntnis, dass Unternehmen die allein aus der Reduzierung von „Verwaltungslasten“ resultierenden Vorteile häufig nicht wahrnehmen könnten.49 Im Jahr 2012 verkündete die Kommission, das Abbauziel von 25 % der bestehenden „Verwaltungslasten“ planmäßig erreicht zu haben. Von Europäischem Parlament und Rat seien bislang Maßnahmen in dieser Größenordnung verabschiedet worden, während die Kommission sogar Vorschläge vorgelegt habe, mit denen eine Verringerung um 30 % möglich gewesen wäre.50 Als Nachfolgeprogramm

45 Europäische Kommission, Verringerung der Verwaltungslasten, KOM(2007) 23 endg., S. 2; daran anknüpfend kritisch zur Wirksamkeit von zahlenmäßig festgelegten Regulierungszielen im Allgemeinen Streinz, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 248 (264). 46 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Brüssel vom 8./9. März 2007, ST 7224 2007 INIT, Ziff. 24. 47 Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (395). 48 Europäische Kommission, Pläne zur Verringerung der Verwaltungslasten, KOM(2009) 544 endg., S. 4. 49 Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 4. 50 Europäische Kommission, Reducing Administrative Burdens, SWD(2012), 423 final, S. 3.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

legte die Kommission am 12. Dezember 2012 „ABR plus“ als Komponente des EU-REFIT-Programms auf.51 Bei „ABR plus“ ging es um die Frage, wie die Mitgliedstaaten ausgewählte Maßnahmen des „Aktionsprogramms zur Verringerung der Verwaltungslasten“ in nationales Recht umgesetzt haben. Hintergrund dessen ist die Wahrnehmung, dass Vorteile, die durch den Abbau „administrativer Lasten“ auf EU-Ebene entstehen, für die Normadressaten erst zum Tragen kommen, wenn die Mitgliedstaaten diese sachgerecht umgesetzt haben. Im Jahr 2017 erklärte die Europäische Kommission, dass der Abbau „unnötiger Verwaltungslasten“ weiterhin zu ihren politischen Prioritäten gehöre. Mittels Evaluierungen bestehender Rechtsvorschriften will sie im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Anliegen von Interessengruppen beurteilen, welche Gesichtspunkte einer Regelung vereinfacht oder gestrichen werden könnten.52 Gleichzeitig brachte sie zum Ausdruck, dass sie kein neues, allgemeines Reduktionsziel für den Abbau von Verwaltungslasten anstrebe. Insbesondere fürchtet die Kommission, dass ein vorab prozentual festgelegtes Abbauziel den „Deregulierungsdruck“ erhöhen und die Erreichung politischer Ziele gefährden könne. Mit denselben Überlegungen lehnt sie auch die Einführung eines „one in, one out“-Systems ab, in dem Kosten, die durch eine neue Rechtsvorschrift entstehen, mittels Änderung oder Aufhebung einer bestehenden Rechtsnorm ausgeglichen werden müssen. d) EU-REFIT-Programm Im Dezember 2012 präsentierte die Europäische Kommission das bereits erwähnte Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT = Regulatory Fitness and Performance Programme), mit dessen Hilfe Belastungen, Widersprüche, Lücken und ineffiziente Maßnahmen im EU-Sekundärrechtsbestand aufgedeckt werden sollen. Die Barroso-Kommission definierte das neue Programm als Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise und gab das Ziel aus, die politischen Vorgaben mit minimalen Kosten erreichen zu wollen und zu diesem Zweck, alle unnötigen Rechtsvorschriften zu beseitigen.53 Unterstützung für das REFIT-Programm erhielt die Kommission vom Europäischen Rat, der sie im Oktober 2013 aufforderte, das Programm zügig durchzuführen und weitere substanzielle Vorschläge in diesem Bereich zu unterbreiten.54 Der REFIT-Prozess ist als laufendes Programm darauf angelegt, bestehende Regelungsbereiche einer Evaluierung oder Eignungsprüfung („Fitness check“) zu unterziehen, um Anhaltspunkte für eine Verringerung der Regulierungskosten und eine 51

Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 5. Hierzu und zum Folgenden Europäische Kommission, Vollendung der Agenda, COM(2017) 651 final, S. 12. 53 Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 2 f. 54 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates in Brüssel vom 24./25. Oktober 2013, ST 169 2013 INIT, Ziff. 30 f. 52

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Vereinfachung der Unionsvorschriften zu erhalten. Als REFIT-Maßnahme kommt neben der Änderung und Aufhebung bestehender Rechtsakte auch die Rücknahme von Legislativvorschlägen in Betracht, wenn deren ermittelte Auswirkungen nicht mehr den aktuellen politischen Zielvorgaben entsprechen. Langfristig erhofft sich die Kommission auf diese Weise, einen einfachen, klaren, stabilen und vorhersehbaren Rechtsrahmen für Unternehmen, Arbeitnehmer und Bürger zu schaffen.55 In jährlichen Abständen informiert die Europäische Kommission im Rahmen eines REFIT-Anzeigers (REFIT Scoreboard)  über die REFIT-Initiativen sowie deren Fortschritte und gibt einen Ausblick auf künftige Maßnahmen.56 Im Rahmen der im Mai 2015 vorgestellten neuen Agenda „Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung“ erweiterte die Kommission den REFIT-Prozess um eine REFIT-Plattform.57 Diese setzt sich aus zwei Gruppen zusammen. Der Gruppe der Regierungsvertreter gehört ein Experte aus jedem EU-Mitgliedstaat an. In der Gruppe der Interessenträger sitzen 20 Vertreter der Wirtschaft und Zivilgesellschaft einschließlich jeweils eines Vertreters des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen. Grundlegendes Ins­ trument der REFIT-Plattform ist das ebenfalls 2015 neu eingeführte Online-Portal „Lighten the load – Have your say!“, auf dem Verbände, Unternehmen und Bürger ihre Vorschläge zur Verbesserung des Unionsrechts abgeben können.58 Die Aufgabe der REFIT-Plattform besteht darin, neben eigenen Beiträgen die über das Portal eingereichten Anregungen zur Verringerung des Regelungs- und Verwaltungsaufwands des Unionsrechts zu sammeln und auszuwerten. Die beiden Gruppen der Plattform bewerten diese Anregungen unabhängig voneinander und versuchen sie in praktisch realisierbare Vorschläge für die Europäische Kommission umzuwandeln. Wenn eine Gruppe entsprechende Vorschläge an die Kommission übermittelt, leitet sie diese auch an die andere Gruppe weiter. Die Kommission hat zugesagt, die von der Plattform erarbeiteten Vorschläge zu berücksichtigen.59 Wenn Vorschläge einer Gruppe einen Mitgliedstaat betreffen, ist ausschließlich die Gruppe der Regierungsvertreter für die Weiterleitung an diesen zuständig.60 Mit der dauerhaften Plattform verfolgt die Kommission einen inklusiven Ansatz, indem sie die Interessenträger und Mitgliedstaaten fortlaufend in die Ex-post-Evaluierung bestehender EU-Rechtsakte einbindet. Kritik ruft die REFIT-Plattform vor allem deshalb her-

55

Europäische Kommission, REFIT: Bestandsaufnahme und Ausblick COM(2014) 368 final, S. 2. 56 Europäische Kommission, REFIT: Ergebnisse und Ausblick, COM(2013) 685 final; dies., REFIT: Bestandsaufnahme und Ausblick, COM(2014) 368 final; dies., REFIT: State of Play and Outlook, SWD(2015) 110 final. 57 Europäische Kommission, REFIT-Plattform, C(2015) 3261 final; dies., REFIT-Plattform, Struktur und Arbeitsweise, C(2015) 3260 final. 58 Schroeder, ZG 2016, 193 (208). 59 Europäische Kommission, REFIT-Plattform, Struktur und Arbeitsweise, C(2015) 3260 final, S. 3; Schroeder, ZG 2016, 193 (208). 60 Europäische Kommission, REFIT-Plattform, C(2015) 3261 final, Art. 5 Nr. 8.

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vor, weil sie die Mitspracherechte der organisierten und in der Plattform vertretenen Wirtschaftsinteressen zu Lasten des Initiativrechts der Kommission stärke.61 2. Folgenabschätzung in der Europäischen Union Als nahezu wichtigster Bestandteil der Bemühungen um „Better Regulation“ gilt die Folgenabschätzung in Bezug auf neue Rechtsetzungsvorschläge. Sie dient dazu, die Entscheidungen über Rechtsakte zur Erreichung politischer Ziele auf der Grundlage nachvollziehbarer, transparenter und möglichst umfassender Analysen unterschiedlicher Handlungsoptionen zu treffen.62 Daneben verfolgt ihre Anwendung den Zweck, „Bürokratie“ abzubauen, die „Qualität“ der Normsetzung zu erhöhen und Interessengruppen über Konsultationen am Gesetzgebungsprozess zu beteiligen. Auf europäischer Ebene erfordert eine Folgenabschätzung nicht selten eine vorherige Konsultation der Interessenträger, Unternehmen und Bürger, um die Kommission mit den erforderlichen Informationen über mögliche Auswirkungen einer geplanten Regelung zu versorgen. Denn anders als nationale Regierungen ist die Kommission im Regelfall nicht über alle Politikbereiche in den einzelnen Mitgliedstaaten informiert.63 Indem Folgenabschätzungen u. a. auf Studien, Prognosen und Aussagen der Normadressaten basieren, integrieren sie eine empirische Komponente in den Rechtsetzungsprozess. Was in Deutschland üblicherweise unter den Begriff der Gesetzesfolgenabschätzung fällt, wird auf europäischer Ebene als „Impact Assessment“ bezeichnet. a) Entwicklung der Folgenabschätzung Das System der Folgenschätzung innerhalb der EG entstammte der europäischen Unternehmens- und Mittelstandspolitik. Mitte der 1980-er Jahre ergriff die Kommission die ersten Maßnahmen, um die Folgen europäischer Rechtsvorschriften für die Wirtschaft abzuschätzen.64 Im Mittelpunkt standen bei dem 1986 eingeführten Konzept des „Business Impact Assessment“, das einzelne Generaldirektionen der Kommission anwendeten, ausschließlich die Auswirkungen auf Unternehmen.65 Wenn die Kommissionsvorschläge die Tätigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) betrafen, fügten die jeweiligen Dienststellen der Begründung ihrer Vorschläge als kommissionsinternes Arbeitsdokument einen gesonderten Fol 61

So Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (351). Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 52. 63 Herten-Koch, Rechtsetzung, S. 135 f.; Hugo, Vernehmlassung, S. 372. 64 Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (390); Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 17 Rn. 30; Wagner, in: Jann u. a. (Hrsg.), FS Böhret, S. 411 (420). 65 Grüner, Quantität und Qualität, S. 336; Hanisch, Institutionenökonomische Ansätze, S. 19; Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (400); Lange, ZG 2001, 268 (272); Renda, Impact Assessment in the EU, S. 45 f. 62

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genabschätzungsbogen (fiche d’impact) bei.66 Damit sollte speziell den Interessen der KMU Rechnung getragen werden. Bereits nach den ersten praktischen Erfahrungen beschloss die Kommission, die Folgenabschätzungsbögen zu ihren Legislativvorschlägen auch dem Rat als dem eigentlichen Gesetzgeber zuzuleiten. Um ihre Dienststellen nicht zu überlasten und um zu verhindern, dass das Ausfüllen der Bögen zur routinemäßigen „Pflichtübung“ abgleitet, wählte die Kommission ab 1989 für jedes Kalenderjahr aus ihrem Arbeitsprogramm nur bestimmte Rechtsetzungsvorschläge aus, für die ein Folgenabschätzungsbogen zu erstellen war.67 Später dehnte die Kommission dieses System auf alle Rechtsetzungsvorschläge aus, die sich auf Formen wirtschaftlicher Betätigung bezogen. Der Folgenabschätzungsbogen enthielt abhängig von der Art des vorgeschlagenen Regelungsentwurfs folgende Rubriken: Vorgeschlagener Rechtsakt (Notwendigkeit und Ziele des Rechtsakts), Auswirkungen auf Unternehmen (Betroffene, Verpflichtungen, wirtschaftliche Folgen, Bestimmungen, die der besonderen Lage kleiner und mittlerer Unternehmen Rechnung tragen), Konsultation (Ergebnisse der Anhörung von Verbrauchern, Verbänden etc.).68 Die Kommission war in den Folgejahren darum bemüht, die Methodik der Folgenabschätzungsbögen auch unter Rückgriff auf die Erfahrungen der Mitgliedstaaten zu verbessern. Fanden Folgenabschätzungen zunächst nur sektoral und beschränkt auf einzelne Fragestellungen statt, ging ab der Jahrtausendwende in Verbindung mit dem übergreifenden Konzept „Better Regulation“ eine wesentliche Stärkung des Impact Assessment einher.69 Von erheblicher Bedeutung war in diesem Zusammenhang der bereits angesprochene Mandelkern-Bericht von November 2001, der sowohl den Mitgliedstaaten als auch der Europäischen Gemeinschaft u. a. die Anwendung von Folgenabschätzungen empfahl.70 Für die inhaltliche Durchführung einer Folgenabschätzung verwies die Mandelkern-Gruppe auf die OECD Referenz-Checkliste für die Entscheidungsfindung auf dem Gebiet der Rechtsetzung aus dem Jahr 1995. In dem 2002 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Aktionsplan „Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds“ stellte die Folgen­ abschätzung für wichtige politische Initiativen eine von 16 aufgezählten Aktionen dar, um die Unionsrechtsetzung zu optimieren.71 Zeitgleich mit dem Aktionsplan legte die Kommission eine Mitteilung über eine neue integrierte Methode der Fol 66

Grün / Morsey, Prospektive Gesetzesfolgenabschätzung, S. 4; Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 17 Rn. 30; Hofmann, ZG 1999, 44 (50); Wägenbaur, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 167 (173); umfassend dazu v. Moltke, ZG 1993, 212 (213 ff.). 67 v. Moltke, ZG 1993, 212 (218 f.). 68 Karpen, AöR 124 (1999), 400 (421 f.); v. Moltke, ZG 1993, 212 (221); Wägenbaur, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 169 (173 f.). 69 Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (401); Renda, Impact Assessment in the EU, S. 43 f. 70 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Mandelkern-Bericht, S. 28–36; dazu Grüner, Quantität und Qualität, S. 338. 71 Europäische Kommission, Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds, KOM (2002) 278 endg., S. 7 f.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

genabschätzung vor, mit der die bisherigen zersplitterten Mechanismen der Folgenabschätzung für Kommissionsinitiativen zusammengefasst und ersetzt wurden.72 Neu an diesem Ansatz war vor allem, dass die Kommission sich das Ziel setzte, nicht mehr vorwiegend und ausschließlich die wirtschaftlichen Folgen ihrer Rechtsetzungsvorschläge zu ermitteln, sondern in gleichem Maße auch die sozialen und ökologischen Auswirkungen zu berücksichtigen. Dieses integrierte und umfassende Konzept, das ab 2005 standardmäßig zur Anwendung gelangte, diente vor allem dazu festzustellen, ob die Auswirkungen wichtiger Initiativen in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht nachhaltig sind und mit den Grundsätzen der Verbesserung des Regelungsumfelds übereinstimmen. Vorge­sehen war eine Folgenabschätzung jedoch nur für Legislativvorschläge sowie sonstige Vorschläge mit wirtschaftlichen, sozialen und umweltrelevanten Auswirkungen, sofern die Kommission diese zuvor in die jährliche Strategieplanung oder ihr Arbeitsprogramm aufgenommen hatte.73 In der zwischen Europäischer Kommission, Europäischem Parlament und Ministerrat im Jahr 2003 geschlossenen Interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ waren sich die drei Organe über den positiven Beitrag, den Folgenabschätzungen für die „Qualität“ der gemeinsamen Rechtsvorschriften leisten, einig.74 Aus diesem Grund vereinbarten sie, dass die Ergebnisse der kommissionsinternen Folgenabschätzungen Europäischem Parlament und Rat sowie der Öffentlichkeit umfassend und frei zugänglich gemacht werden sollten. Europäischem Parlament und Rat wurde überdies das Recht zugestanden, im Fall einer wesentlichen Abänderung eines Kommissionsvorschlags eigene Folgenabschätzungen vornehmen zu lassen.75 Die drei Organe verstärkten im Jahr 2005 ihre diesbezügliche Zusammenarbeit durch den Erlass eines „Gemeinsamen Interinstitutionellen Konzepts für die Folgenabschätzung“. Darin sicherten Europäisches Parlament und Rat zu, bei der Prüfung der Kommissionsinitiativen die Folgenabschätzungen der Kommission in vollem Umfang zu berücksichtigen.76 Weiterhin verpflichteten sie sich dazu, vor der Annahme einer wesentlichen Änderung zu einem Kommissionsvorschlag eine Folgenabschätzung durchzuführen, wenn sie es als angemessen und notwendig erachten würden. Als Grundlage für weitere 72 Europäische Kommission, Mitteilung über Folgenabschätzung, KOM(2002), 276 endg., S. 3; dazu Allio, in: Kirkpatrick / Parker (Hrsg.), Regulatory Impact Assessment, S. 72 (86); Böllhoff, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 123 (129 f.); Renda, in: Dunlop / Radaelli (Hrsg.), Regulatory Impact Assessement, S. 304 (304 f.); Wägenbaur, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 167 (177); Wolf-Hegerbekermeier, ZG 2013, 357 (363). 73 Europäische Kommission, Mitteilung über Folgenabschätzung, KOM(2002), 276 endg., S. 6. 74 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ (2003/C 321/01), ABl. Nr. C 321 vom 31.12.2003, 1, Ziff. 28. 75 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ (2003/C 321/01), ABl. Nr. C 321 vom 31.12.2003, 1, Ziff. 30. 76 Gemeinsames Interinstitutionelles Konzept für die Folgenabschätzung, Ratsdokument 14901/05 vom 24. November 2005, Anlage, Ziff. 13.

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Analysen sollte jeweils die Folgenabschätzung der Kommission dienen, um die Vergleichbarkeit der Abschätzungsmaßnahmen der verschiedenen Organe zu gewährleisten.77 Im Kontext der Überarbeitung der Lissabon-Strategie veröffentlichte die Kommission im Jahr 2005 eine Mitteilung zur besseren Rechtsetzung für Wachstum und Arbeitsplätze in der EU. In dieser brachte sie zum Ausdruck, dass die Beurteilung wirtschaftlicher Auswirkungen bei der Anwendung der Folgenabschätzung intensiviert werden müsse, um die Ziele der neu ausgerichteten LissabonStrategie zu erreichen.78 Dazu legte sie neue interne Leitlinien vor, um die Wirksamkeit der Folgenabschätzungen zu optimieren.79 Durch die Veröffentlichung sog. Roadmaps sollten die Kommissionsdienststellen frühzeitig erste Anhaltspunkte über die zu beurteilenden Hauptfragen und über den Ablauf der anschließenden Analyse bereitstellen.80 Mit diesen „Fahrplänen für Folgenabschätzungen“ versuchte die Kommission, Transparenz und eine Grundlage für die frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit sowie der Normadressaten in die Wirkungsanalysen zu schaffen.81 Weiterhin entschied die Europäische Kommission, das bisherige Folgenabschätzungssystem von externen Sachverständigen umfassend und unabhängig evaluieren zu lassen. Die Sachverständigen kamen Anfang 2007 zu dem Ergebnis, dass die Qualität der bislang erstellten Folgenabschätzungen sehr unterschiedlich ausfalle.82 Der große Aufwand, den die Kommission für die Durchführung der Abschätzungen betreibe, stehe oftmals außer Verhältnis zu dem Nutzen für die Rechtsetzung. Statt objektiv die verschiedenen Regelungsoptionen zu prüfen, würden viele Folgenabschätzungen den Eindruck erwecken, als dienten sie der Rechtfertigung eines vorgegebenen Ergebnisses.83 Mit Blick auf die Kritik aus der Evaluation überarbeitete die Kommission im Jahr 2008 die Leitlinien zur Folgenabschätzung grundlegend.84 Die neuen Leitlinien erschienen Anfang 2009 und enthielten zahlreiche Änderungen.85 So beschloss die Kommission, die Folgenabschätzungen zu einem früheren Zeitpunkt des politischen Prozesses durchzuführen, um alternative 77 Gemeinsames Interinstitutionelles Konzept für die Folgenabschätzung, Ratsdokument 14901/05 vom 24. November 2005, Anlage, Ziff. 15. 78 Europäische Kommission, Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 5. 79 Europäische Kommission, Impact Assessment Guidelines, SEC(2005) 791. 80 Europäische Kommission, Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 6; siehe auch Grüner, Quantität und Qualität, S. 340. 81 Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 109. 82 The Evaluation Partnership (TEP), Evaluation of the Commission’s Impact Assessment System, S. 4 f. 83 The Evaluation Partnership (TEP), Evaluation of the Commission’s Impact Assessment System, S. 6; dazu auch Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (392); Grüner, Quantität und Qualität, S. 356 f.; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 112. 84 Hanisch, Institutionenökonomische Ansätze, S. 29; Knauff, ZG 2009, 354 (360); Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 119. 85 Europäische Kommission, Leitlinien zur Folgenabschätzung, SEK(2009), 92.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Handlungsoptionen gründlicher prüfen zu können. Sie erweiterte den Gegenstand der Folgenabschätzungen dahingehend, dass diese nunmehr bei allen legislativen Vorschlägen des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission (Commission Legislative and Work Programme, CLWP) und bei allen legislativen Vorschlägen, die nicht Teil des CLWP waren, jedoch eindeutig identifizierbare wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkungen hatten, sowie bei nichtlegislativen Maßnahmen (Weißbücher, Aktionspläne, Ausgabenprogramme, Verhandlungsricht­ linien für internationale Abkommen), die der Definition zukünftiger Maßnahmen dienten, notwendig wurden.86 Darüber hinaus sollten die Kommissionsdienststellen die Auswirkungen auf bestimmte Bereiche wie z. B. Verbraucher und KMU eingehender berücksichtigen. Neben dem Engagement der Europäischen Kommission im Bereich der Folgenabschätzungen erhöhte sich mit der Zeit auch das Interesse des Europäischen Parlaments an dieser Materie. In mehreren Berichten sowie in seiner Entschließung vom 08. Juni 2011 zur Gewährleistung unabhängiger Folgenabschätzungen unterstrich es die Notwendigkeit von Folgenabschätzungen als Voraussetzung für die „Qualität“ der Rechtsetzungsmaßnahmen und schrieb ihnen eine Schlüsselrolle im Prozess der Politikgestaltung zu.87 Das Europäische Parlament konstatierte im Hinblick auf die geringe Einbeziehung der Mitgliedstaaten und kommissionsexterner Experten nicht nur Verbesserungsbedarf im Folgenabschätzungsprozess der Kommission, sondern forderte im Sinne einer Selbstverpflichtung auch die stärkere Nutzung parlamentarischer Folgenabschätzungsinstrumente.88 Mit der im Mai 2015 präsentierten Agenda „Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung“ vereinfachte und erweiterte die Kommission nochmals den Anwendungsbereich der Folgenabschätzungen, indem sie festlegte, dass grundsätzlich alle Initiativen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Folgenabschätzung zu unterziehen sind. Dazu zählten nicht mehr nur Gesetzgebungsinitiativen und Initiativen ohne Gesetzgebungscharakter, sondern auch delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV) und Durchführungsmaßnahmen (Art. 291 AEUV).89 Die Erarbeitung der Folgenabschätzungen richtete sich nun nach den Vorgaben aus den Better Regulation Guidelines sowie der dazugehörigen Toolbox, die als Arbeitspapiere der Kommission („Commission staff working document“) die Leitlinien zur Folgenabschät 86

Europäische Kommission, Leitlinien zur Folgenabschätzung, SEK(2009), 92, S. 6. Europäisches Parlament, Entschließung vom 08. Juni 2011 zu der Gewährleistung unabhängiger Folgenabschätzungen, ABl. Nr. C 380 E vom 11.12.2012, 31, Ziff. 2 f.; näher dazu Petermann / Poetzsch, Akteure am Rande, S. 127 f. 88 Europäisches Parlament, Entschließung vom 08. Juni 2011 zu der Gewährleistung unabhängiger Folgenabschätzungen, ABl. Nr. C 380 E vom 11.12.2012, 31, Ziff. 44 ff.; dazu auch Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 115; näher dazu unter Kap. 3, C. II. 2. 89 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 17; Renda, in: Dunlop / Radaelli (Hrsg.), Regulatory Impact Assessement, S. 304 (314); Schroeder, wbl 2016, 361 (363). 87

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zung von 2009 ersetzten.90 Im Jahr 2017 hat die Kommission die Better Regulation Guidelines sowie die Toolbox aktualisiert und insbesondere um Quantifizierungsvorgaben für die Folgen von Legislativvorschlägen ergänzt. Ebenfalls größere Beachtung erfuhren seit 2015 die Belange der KMU. Nachdem die Kommission bereits 2008 im „Small Business Act“ einen „KMU-Test“ ankündigte, der die Auswirkungen geplanter Rechtsvorschriften und Verwaltungsmaßnahmen für KMU „genauestens“ bewerten sollte91, ist dieser Test nun verpflichtender Bestandteil jeder Folgenabschätzung.92 Nach dem Prinzip „Vorfahrt für KMU“ kann seine Anwendung dazu führen, dass Unternehmen, die unter einer bestimmten Größe liegen, teilweise oder komplett von einer Regelung ausgenommen werden. Im Zusammenhang mit der neuen Agenda „Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung“ schlug die Europäische Kommission im Mai 2015 auch den Abschluss einer neuen „Interinstitutionellen Vereinbarung“ zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament vor. Der Kommissionsentwurf für die Vereinbarung enthielt zunächst die Verpflichtung, dass Parlament und Rat in jedem Stadium des Gesetzgebungsprozesses alle wesentlichen Änderungen an einem Kommissionsentwurf vor ihrer Annahme einer Folgenabschätzung unterziehen müssten.93 Jedes der drei Organe sollte zudem die Gelegenheit erhalten, nach einer wesentlichen Abänderung eines Kommissionsentwurfs ein unabhängiges Gremium damit zu beauftragen, die Folgen der geänderten Aspekte zu überprüfen. Dieses Prüfgremium sollte aus je einem von Kommission, Rat und Parlament ernannten Mitglied bestehen.94 Durch diese Regelung wäre es der Kommission möglich gewesen, die Änderungen an ihren Legislativvorschlägen durch Parlament und Rat nochmals in Bezug auf die damit verbundenen Auswirkungen überprüfen zu lassen. Das hätte ihre Mitwirkungsrechte im laufenden Gesetzgebungsverfahren erheblich erweitert.95 Diese weitgehenden Vorstellungen der Kommission konnten sich in den Verhandlungen jedoch nicht durchsetzen. Insbesondere das Europäische Parlament widersetzte sich diesen Vorschlägen. Im Ergebnis blieb es daher bei der bisherigen Regelung, dass Europäisches Parlament und Rat Folgenabschätzungen in Bezug auf die von ihnen erwogenen wesentlichen Änderungen am Kommissionsvorschlag nur dann durchführen, wenn sie es für zweckmäßig und erforderlich halten. Es 90 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 16 ff. der Guidelines und S. 27 ff. der Toolbox. 91 Europäische Kommission, Vorfahrt für KMU, KOM(2008) 394 endg., S. 9. 92 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 128 ff. 93 Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung, COM(2015) 216 final, Ziff. 10. 94 Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung, COM(2015) 216 final, Ziff. 12.; kritisch zur „Unabhängigkeit“ des vorgeschlagenen Gremiums Sohn / Dauner, cepInput 17/2015, S. 12 f.; ebenfalls skeptisch Sarpi, EJRR 3/2015, 372 (372). 95 Sehr kritisch dazu Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (354); ebenso Pachl, EJRR 3/2015, 375 (375 f.); dem Kommissionvorschlag gegenüber insgesamt aufgeschlossener Radaelli / Schrefler, EJRR 3/2015, 357 (357 f.).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

obliegt dabei jedem der Organe, seine Folgenabschätzungen und deren „Qualitätskontrolle“ selbst zu gestalten. Stärker betont wird nun allerdings die Möglichkeit der Kommission, ihre Folgenabschätzungen während des Gesetzgebungsprozesses auf eigene Initiative oder auf Aufforderung des Europäischen Parlaments oder des Rates zu ergänzen oder weitere Analysen durchzuführen.96 Mit diesem Inhalt und auf der Grundlage des Art. 295 S. 2 AEUV einigten sich die drei Organe im März 2016 auf die „Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“, die die bisherige Vereinbarung von 2003 sowie das „Gemeinsame Interinstitutionelle Konzept für die Folgenabschätzung“ von 2005 ersetzte. b) Verfahren der Folgenabschätzung in der Europäischen Kommission Das Verfahren der Folgenabschätzung, wie es die Dienststellen der Europäischen Kommission durchführen, hat sich seit 2002 schrittweise herausgebildet und unterliegt regelmäßigen Aktualisierungen und Anpassungen. Im Folgenden werden daher lediglich die grundlegenden Strukturen und Abschnitte dargestellt, die eine Kommissionsinitiative im Zuge einer Folgenabschätzung durchläuft. Zunächst hat die für eine Kommissionsinitiative federführend verantwortliche Generaldirektion zu ermitteln, ob für die Rechtsetzungsmaßnahme eine Folgenabschätzung durchzuführen ist. Das ist grundsätzlich immer dann der Fall, wenn die Initiative voraussichtlich mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen einhergeht. Wenn sich die Notwendigkeit einer Folgenabschätzung herausgestellt hat, stellt die zuständige Generaldirektion zunächst einen zeitlichen Ablaufplan (Roadmap) auf, der die wesentlichen Verfahrensschritte der Folgenabschätzung und ggf. weiterer Maßnahmen (Konsultation, Evaluierung) enthält. Bereits diese Roadmaps werden von der Kommission im Internet veröffentlicht, um Bürger und Interessengruppen zu informieren und ihnen die Möglichkeit eines „Feedback“ zu geben. Die Erarbeitung der Folgenabschätzung erfolgt dezentral und obliegt derjenigen Kommissionsdienststelle, die für die Erstellung des Rechtsetzungsentwurfs zuständig ist. Begleitet wird der Prozess von einer dienststellenübergreifenden Lenkungsgruppe (Interservice Group, ISG), die sich als ad hoc gebildetes Gremium für jede Folgenabschätzung aus Mitgliedern verschiedener Generaldirektionen neu zusammensetzt.97 Im Fall von Legislativvorschlägen, die im vorab veröffentlichten jährlichen Arbeitsprogramm der Kommission enthalten oder sonst als wichtig deklariert sind, leitet das Generalsekretariat der Kommission die ISG. Der Zweck der ISG besteht darin, sämtliche Generaldirektionen am Folgenabschätzungsprozess zu beteiligen, deren Kompetenzbereiche durch 96

Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 16. 97 Lund, VR 2011, 87 (88); Schroeder, ZG 2016, 193 (202); siehe auch Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 90.

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den anvisierten Rechtsakt berührt werden. Bedenken und Anregungen anderer Generaldirektionen können auf diese Weise frühzeitig Berücksichtigung finden, um kommissionsinterne Streitigkeiten in fortgeschrittenen Phasen der Rechtsetzungsinitiative zu vermeiden.98 Der konkrete Folgenabschätzungsprozess beginnt mit der Abfassung einer Folgenabschätzung in der Anfangsphase (Inception Impact Assessment). Diese enthält eine erste Beschreibung des zu regelnden Problems, der Regelungsziele, der politischen Optionen sowie der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen dieser Optionen.99 Die Kommission veröffentlicht diese Folgenabschätzung in der Anfangsphase auf ihrer Internetseite und gibt Interessenvertretern die Möglichkeit, sich innerhalb von vier Wochen dazu zu äußern.100 Auf der Grundlage des durch die Konsultation gewonnenen Fachwissens sowie weiterer gesammelter Informationen und Daten findet eine Folgenabschätzungsanalyse statt. Sie mündet in einen in der Regel 30–40 seitigen Folgenabschätzungsbericht, der die Ergebnisse der durchgeführten Folgenabschätzung zusammenfasst. Der Bericht erklärt zunächst das zu regelnde Problem, warum es auf EU-Ebene zu lösen ist und welche Ziele mit dem Rechtsakt erreicht werden sollen. Danach schildert er die verschiedenen Regelungsoptionen zur Lösung des Problems unter Einschluss eines Basisszenarios, das ausgehend vom bisherigen Zustand beschreibt, wie sich das Problem ohne Eingreifen der EU zukünftig voraussichtlich entwickeln würde101. Anschließend stellt der Bericht die zu erwartenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen unter Bezugnahme auf die unterschiedlichen Normadressaten dar.102 Vor allem an dieser Stelle sind die Ergebnisse der anfänglichen sowie ggf. weiterer öffentlicher Konsultationen zu bestimmten Aspekten des Regelungsentwurfs einzubeziehen. Der Bericht schließt mit einem Vergleich der Regelungsoptionen sowie einer Erläuterung der vorgesehenen Evaluierungsmaßnahmen. Technische Bestandteile der Analyse sind in den Anhang des Berichts aufzunehmen. Der Entwurf des Folgenabschätzungsberichts muss im nächsten Schritt dem Ausschuss für Regulierungskontrolle (bis Juni 2015: dem Ausschuss für Folgenabschätzung) vorgelegt werden.103 Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Ausschusses erarbeitet die Kommissionsdienststelle anschließend den endgültigen Folgenabschätzungsbericht. Dieser dient der Dienststelle wiederum als Hilfestel 98

Lund, VR 2011, 87 (88 f.). Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 90; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 7. 100 Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 4; dazu Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (348); Smulders / Paquet, in: Garben / Govaere (Hrsg.), Better Regulation Agenda, S. 79 (89). 101 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 23; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 21. 102 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 31; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 25. 103 Zur ausführlichen Darstellung des Prüfungsvorgangs durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle siehe unter Kap. 2, A. II. 3. 99

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

lung, um den Vorschlag für den Rechtsakt fertigzustellen. Im Zuge der daran anschließenden dienststellenübergreifenden Konsultation (Interservice Consultation, ISC)104 besteht für alle Generaldirektionen die Gelegenheit, sich mit dem Legislativvorschlag und dem dazugehörigen Folgenabschätzungsbericht einschließlich der Stellungnahme des Ausschusses für Regulierungskontrolle auseinanderzusetzen.105 Nach Verabschiedung durch das Kommissionskollegium wird der Legislativvorschlag zusammen mit dem Folgenabschätzungsbericht an das Europäische Parlament und den Ministerrat weitergeleitet. Gleichzeitig mit der Zuleitung veröffentlicht die Kommission den Rechtsetzungsentwurf sowie den dazugehörigen Folgenabschätzungsbericht auf ihrer Internetseite und bietet Bürgern sowie Interessenvertretern innerhalb von acht Wochen nochmals die Möglichkeit, ihre Meinung dazu abzugeben. Die Ergebnisse dieser Konsultation übermittelt die Kommission anschließend in einer Zusammenfassung den Gesetzgebungsorganen. c) Methodische Ansätze Neben dem bereits beschriebenen EU-Standardkosten-Modell steht den Kommissionsdienststellen eine nahezu unüberschaubare Vielzahl weiterer methodischer Instrumente zur Verfügung, um die Auswirkungen eines Legislativvorschlags zu analysieren. Die maßgeblichen Leitlinien und Arbeitsdokumente der Kommission geben für die verschiedenen Analyseschritte nicht den Einsatz einer bestimmten Methodik vor, sondern überlassen es der zuständigen Dienststelle, die abhängig von der jeweiligen Problematik geeigneten Instrumente auszuwählen und anzuwenden.106 Als Hilfestellung zählen die Better Regulation Guidelines sowie die Toolbox die jeweils am besten geeigneten Analysemethoden auf, um die sektorenspezifischen Auswirkungen einer Regelung etwa auf den Binnenmarkt, Forschung und Innovation oder die Gesundheit zu ermitteln. Die Folgen eines Regelungsvorhabens für die menschliche Gesundheit lassen sich beispielsweise durch monetäre und nicht-monetäre Ansätze beleuchten.107 Zu den nicht-monetären Ansätzen für diesen Bereich gehören nach den kommissionsinternen Leitlinien die Methoden „Quality Adjusted Life Years“ (QALY), „Disability Adjusted Life Years“ (DALY) und „Healthy Life Years“ (HLY). Bezüglich der monetären Ansätze erwähnen die Leitlinien die Instrumente des „Value of Statistical Life“ (VOSL) und „Value of Statistical Life Year“ (VOLY).

104

Gemäß Art. 23 Abs. 3 Kommission-GO (ABl. Nr. L 55 vom 05.03.2010, 61). Lund, VR 2011, 87 (89); Schroeder, ZG 2016, 193 (203). 106 Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth (Hrsg.), Comparative Administrative Law, S. 309 (331); siehe Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 27; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 26. 107 Hierzu und zum Folgenden Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 198 ff.; dies., Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 241 ff. 105

A. Entstehung und Tätigkeit

227

Vorrangig sollen die Kommissionsdienststellen versuchen, alle Auswirkungen eines Initiativvorschlags zu quantifizieren. Wenn sich das als unverhältnismäßig oder unmöglich herausstellt, sind sie angehalten, alternativ die Auswirkungen qualitativ zu beschreiben und im Folgenabschätzungsbericht anzugeben, warum sie keine Quantifizierung vorgenommen haben. Sowohl zur Bewertung der Auswirkungen eines Regelungsvorschlags als auch zum Vergleich der Auswirkungen verschiedener Regelungsoptionen verweisen die Leitlinien u. a. auf die Kosten-Nutzen-Analyse, die Kosten-Wirksamkeitsanalyse sowie auf die Mehrkriterien-Analyse.108 Zur Abschätzung langfristiger Effekte einer Initiative, bei der Kosten und Nutzen nicht zum gleichen Zeitpunkt eintreten, enthalten die Leitlinien Anmerkungen zu den Diskontierungsgrundsätzen. Mit deren Hilfe kann der aktuelle Wert zukünftig eintretender Effekte berechnet werden.109 Um zu berücksichtigen, welche Folgen das Eintreten bestimmter, unsicherer Umstände auf die Auswirkungen des Regelungsvorschlags hätte, können die Kommissionsdienststellen darüber hinaus auf Sensitivitätsanalysen zurückgreifen.110 Diese vorwiegend in den Wirtschaftswissenschaften genutzte Berechnungsmethode ermöglicht es, zu untersuchen, inwieweit Verhaltensänderungen der Normadressaten oder andere externe Faktoren die Auswirkungen einer Rechtsetzungsmaßnahme beeinflussen. 3. Internationale Einflüsse Die „Better Regulation“-Konzepte der EU sind nicht unbeeinflusst von internationalen wie nationalen Entwicklungen. Die Regulatory Impact Assessments, die bereits in den 1980-er Jahren in den USA und Großbritannien vereinzelt zum Einsatz kamen111, haben bis heute für die Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission Vorbildwirkung. Insbesondere unter methodischen Gesichtspunkten boten die formalen Verfahren aus dem angloamerikanischen Raum frühzeitig Orientierung, wie voraussichtliche Effekte einer Regelung quantifiziert und monetarisiert werden können. Ausgehend von den im Jahr 1995 veröffentlichten „Recommendation of the Council of the OECD on improving the Quality of Government Regulation“ schlugen sich die Empfehlungen der OECD auch in unionsinternen Diskussionen, die Fragen der Rechtsetzung zum Gegenstand hatten, nieder. Sowohl die OECD als auch die Europäische Kommission gehen von der Grundannahme aus, dass eine wirksame und evidenzbasierte Rechtsetzung eine Voraussetzung darstellt, um die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln und gesellschaftliches Wohlergehen sicherzustel 108 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 380 ff.; näher zu diesen Analysemethoden und deren Schwächen unter Kap. 2, B. II. 3. 109 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 375 f. 110 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 384; dies., Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 455 f. 111 Siehe dazu unter Kap. 1, A. I. 5. b) und c).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

len.112 Sie verstehen unverständliche, komplizierte sowie wirkungslose Gesetzgebung in erster Linie als Investitionshemmnis für Unternehmen. Die Auswirkungen der Rechtsetzung auf den einzelnen Bürger nehmen demgegenüber nur eine mittelbare und damit untergeordnete Rolle ein. Die regelmäßigen Veröffentlichungen der OECD, die wiederholt auf den Zustand der Rechtsetzung in der Union Bezug nehmen, erregen daher vor allem die Aufmerksamkeit der Europäischen Kommission.113 Nicht selten preist die OECD darin die umfassende „Better Regulation“-Strategie der EU und stellt diese als mustergültig dar.114 Aber auch vor Kritik und Verbesserungsvorschlägen scheut sie im Einzelfall nicht zurück.115 Um ihre europaweite Vorreiterrolle auf diesem Gebiet nicht zu verlieren, bemüht sich die Kommission den Anregungen der OECD zur Verbesserung der Rechtsetzung Rechnung zu tragen. Angesichts des gemeinsamen Ziels, ihre Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, Maßnahmen zu ergreifen, um die „Qualität“ ihrer Rechtsetzung zu verbessern, haben sich OECD und Kommission im Jahr 2008 zum Projekt EU 15 zusammengeschlossen. Darin wurden die Maßnahmen von 15 EU-Mitgliedstaaten, die diese im Bereich „Better Regulation“ ergriffen haben, untersucht und gegenübergestellt. Im Rahmen des Projekts hat die OECD eruiert, dass die untersuchten Staaten dem Themenkomplex „Better Regulation“ insgesamt mehr Aufmerksamkeit widmen, die Wirksamkeit der gewählten Maßnahmen aber von der praktischen Umsetzung und der politischen Unterstützung im Einzelfall abhängt. 4. High Level Group unter Edmund Stoiber Um das am 24. Januar 2007 beschlossene „Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“ zu unterstützen, setzte die Europäische Kommission mit Beschluss vom 31. August 2007 eine Expertengruppe bestehend aus 15 hochrangigen Mitgliedern unter dem offiziellen Namen „High Level Group of Independent Stakeholders on Administrative Burdens“ ein.116 Die Kommission wählte die Mitglieder der Gruppe gemäß Art. 4 Abs. 2 des Einsetzungsbeschlusses 2007/623/EG aufgrund ihrer Sachkenntnis im Bereich der besseren Rechtsetzung und / oder der unter das Aktionsprogramm fallenden Politikfelder aus. Neben dem Vorsitzenden des Nationalen Normenkontrollrates Johan 112 Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 2; OECD, Regulatory Policy Outlook 2015, S. 15; siehe zur Tätigkeit der OECD näher unter Kap. 1, A. I. 5. d). 113 Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 3; dies., Bessere Rechtsetzung, COM(2016) 615 final, S. 9 f.; dies., Vollendung der Agenda, COM(2017) 651 final, S. 2 f. 114 OECD, Economic Surveys: European Union, S. 84. 115 OECD, Regulatory Policy Outlook 2015, S. 158. 116 Europäische Kommission, Beschluss vom 31. August 2007 zur Einsetzung der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten (2007/623/EG), ABl. Nr. L 253 vom 28.09.2007, 40.

A. Entstehung und Tätigkeit

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nes Ludewig waren die Leiter des niederländischen ACTAL sowie des britischen Regulatory Policy Committee ebenfalls als Mitglieder in diesem Gremium aktiv. Die Beratungsleistungen des Expertengremiums sollten unabhängig von externen Weisungen erfolgen. Unter dem Vorsitz des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber beriet die Expertengruppe die Europäische Kommission bei Maßnahmen zum Abbau von „Verwaltungslasten“ für Unternehmen. Hintergrund war das im Rahmen des Aktionsprogramms beschlossene Ziel, die für Unternehmen entstehenden Verwaltungslasten von EU-Rechtsvorschriften bis 2012 um 25 % zu verringern. Das Mandat der nach ihrem Vorsitzenden als „Stoiber-Gruppe“ betitelten Expertenrunde war eng beschränkt und gab der Gruppe nur die Befugnis, nach einer Aufforderung der Kommission beratend tätig zu werden.117 Wenn es die „Stoiber-Gruppe“ für erforderlich hielt, zu einer bestimmten Frage konsultiert zu werden, konnte sie die Europäische Kommission darauf hinweisen. Ein Äußerungsrecht setzte in diesem Fall gemäß Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Einsetzungsbeschlusses 2007/623/EG eine explizite schriftliche Aufforderung durch die Kommission voraus. Eine umfassende Beratungsfunktion stand der High Level Group mithin nicht zu, sondern Umfang und Inhalt ihrer Beratungsleistungen waren vom Willen der Kommission abhängig. Die Europäische Kommission verlängerte und erweiterte das zunächst auf drei Jahre befristete Mandat der Expertengruppe zweimal, bis es im Oktober 2014 endete. In insgesamt mehr als 45 Stellungnahmen und Berichten unterbreitete die Gruppe der Kommission zahlreiche Vorschläge, wie das bestehende Unionsrecht vereinfacht und auf welche Weise die Unionsrechtsvorschriften von den Mitgliedstaaten „unbürokratisch“ umgesetzt werden können. Nachdem zu Beginn der Tätigkeit die Beratung der Kommission in Fragen der Maßnahmen zur Verringerung der „Verwaltungslasten“ im Fokus stand, verschob sich mit der am 17. August 2010 beschlossenen Verlängerung des Mandats118 der Schwerpunkt auf die Betrachtung, wie Mitgliedstaaten EU-Rechtsakte auf möglichst effektive Weise umsetzen können, ohne neue Kostenbelastungen für die Normadressaten zu schaffen. Dazu legte die „Stoiber-Gruppe“ am 15. November 2011 den Bericht „Was Europa besser kann“ vor, der 74 Beispiele für bewährte Praktiken für eine möglichst „unbürokratische“ Umsetzung des EU-Rechts in den Mitgliedstaaten aufzählte. Beispielsweise empfahl der Bericht den Mitgliedstaaten, einen institutionellen Aufbau eines systematischen Folgenabschätzungskonzepts zu etablieren, in dem neben einer zentralen Regierungsstelle für „bessere“ Rechtsetzung auch ein unabhängiges Überwachungsgremium existiert, das nationale Folgenabschätzungen kontrolliert.119 Mit

117

Färber, in: GfP (Hrsg.), Better Regulation, S. 9 (26 f.). Europäische Kommission, Beschluss vom 17. August 2010 zur Änderung des Beschlusses 2007/623/EG zur Einrichtung der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, ABl. Nr. C 223 vom 18.08.2010, 6. 119 Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, Was Europa besser machen kann, S. 29–32. 118

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

der nochmaligen Verlängerung des Mandats am 05. Dezember 2012 verkürzte die Kommission den offiziellen Namen der Gruppe auf „High Level Group on Administrative Burdens“. Zugleich erweiterte sie deren Aufgabenspektrum um die Beratungsfunktion zu der Frage, wie die Verwaltungstätigkeit in den Mitgliedstaaten effizienter gestaltet werden kann, um insbesondere den Bedürfnissen von kleineren und mittleren Unternehmen bei der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften besser entsprechen zu können.120 Dementsprechend analysierte die Gruppe ab 2013 in Form von Fallstudien acht ausgewählte Vereinfachungsmaßnahmen von Unionsrechtsvorschriften aus dem Aktionsprogramm zur „Verringerung der Verwaltungslasten“ auf deren Umsetzung in den Mitgliedstaaten. In ihrem Abschlussbericht vom 24. Juli 2014 empfahl die „Stoiber-Gruppe“ in Anlehnung an entsprechende Gremien in den Niederlanden, Deutschland, Schweden, Tschechien und dem Vereinigten Königreich den Unionsorganen, eine gemeinsame, unabhängige Stelle einzurichten, die die Folgenabschätzungen neuer Legislativvorschläge der Kommission überprüft.121 Weiterhin legte sie der Kommission u. a. nahe, eine einheitliche EU-Methodik zur Ermittlung des KostenNutzen-Verhältnisses regulatorischer Maßnahmen zu entwickeln.122 Nach Ablauf des Mandats der High Level Group ernannte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 18. Dezember 2014 Edmund Stoiber zum „Sonderberater für bessere Rechtsetzung“.123 5. Ausschuss für Folgenabschätzung als Vorläufer des Ausschusses für Regulierungskontrolle Als unmittelbarer Vorgänger des Ausschusses für Regulierungskontrolle gilt der am 14. November 2006 von Kommissionspräsident Barroso auf der Grundlage der Geschäftsordnung der Kommission eingesetzte Ausschuss für Folgenabschätzung (Impact Assessment Board, IAB)124. Der IAB bildete einen Bestandteil der ersten „Strategischen Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung“.125 Den unmittelbaren Anstoß für seine Einrichtung dürfte das Europäische Parlament gegeben haben, indem es im Mai 2006 in einer Entschließung die schwankende „Qualität“ der Folgenabschätzungen der Kommission bemängelte und androhte, dass es sich nur mit Vorschlägen befassen werde, wenn diese mit einer Folgenabschätzung

120

Europäische Kommission, Beschluss vom 5. Dezember 2012 zur Änderung des Beschlusses 2007/623/EG zur Einrichtung der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, ABl. Nr. C 382 vom 12.12.2012, 9. 121 High Level Group on Administrative Burdens, Cutting Red Tape, S. 55 f. 122 High Level Group on Administrative Burdens, Cutting Red Tape, S. 53 f. 123 Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 18. Dezember 2014, IP/14/2761. 124 Europäische Kommission, Informationsvermerk des Kommissionspräsidenten  – Ausschuss für Folgenabschätzung, SEK(2006) 1457/3. 125 Europäische Kommission, Strategische Überlegungen, KOM(2006) 689 endg., S. 9 f.

A. Entstehung und Tätigkeit

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einhergingen, die zuvor von einer unabhängigen Stelle geprüft worden sei.126 Entsprechend seiner Ansiedlung im Generalsekretariat der Kommission war der IAB unmittelbar dem Kommissionspräsidenten unterstellt.127 a) Zusammensetzung Neben dem stellvertretenden Generalsekretär des Generalsekretariats der Europäischen Kommission als Vorsitzender saßen in dem Ausschuss zunächst je ein hochrangiger Kommissionsbeamter aus den Generaldirektionen Umwelt (ENV), Wirtschaft und Finanzen (ECFIN), Beschäftigung, Soziales und Integration (EMPL) sowie Unternehmen und Industrie (ENTR). Im November 2011 erhöhte die Kommission die Anzahl der auf zwei Jahre ernannten Mitglieder des IAB von fünf auf neun und erweiterte das Spektrum der Generaldirektionen, aus denen Ausschussmitglieder ernannt werden konnten. Da mit diesen Änderungen insbesondere die Zahl der Fälle und Sitzungen für die einzelnen Ausschussmitglieder verringert werden sollte, nahmen gemäß Art. 5 Abs. 4 der Geschäftsordnung des IAB an den Ausschusssitzungen weiterhin nur der Vorsitzende sowie vier turnusmäßig wechselnde Mitglieder teil.128 Neben der Tätigkeit im IAB waren die Mitglieder weiterhin in ihren Generaldirektionen aktiv.129 Entsprechend Art. 3 der Geschäftsordnung übten die Mitglieder ihr Mandat im Ausschuss unabhängig aus, ohne dass sie den Weisungen der Generaldirektionen unterlagen.130 Die Auswahl der Mitglieder oblag dem Generalsekretär der Kommission im Einvernehmen mit dem Kommissionspräsidenten. Aufgrund seiner Zusammensetzung aus aktiven Kommissionsbediensteten handelte es sich bei dem IAB um ein rein verwaltungs- und kommissionsinternes Kontrollgremium.131

126 Europäisches Parlament, Entschließung vom 16. Mai 2006 zur besseren Rechtsetzung 2004: Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität – 12. Jahresbericht, ABl. Nr. C 297 E vom 07.12.2006, 128, Ziff. 11. 127 Grüner, Quantität und Qualität, S. 341; Hanisch, Institutionenökonomische Ansätze, S. 22; Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (408); Meuwese, Impact Assessment, S. 72 f.; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 139 f.; Schroeder, ZÖR 2013, 225 (242); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 226. 128 Vgl. Impact Assessment Board, Report for 2011, SEC(2012) 101 final, S. 8 f. 129 Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (18). 130 Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (18); Meuwese, Impact Assessment, S. 72; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 141; Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth (Hrsg.), Comparative Administrative Law, S. 309 (324). 131 Führ / Bizer / Hensel, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 323 (327); Lund, VR 2011, 87 (89); Meuwese, Impact Assessment, S. 73; The Potsdam Institute for eGovernment, Vollzugsorientierte Gesetzgebung, S. 15.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

b) Tätigkeitsbereich Die Kommission und der Europäische Rat betrachteten den IAB als entscheidendes Instrument, um die qualitativen Mängel im System der Folgenabschätzungen zu beseitigen.132 Die Kernaufgabe des Ausschusses bestand demnach in der „Qualitätssicherung“ der kommissionseigenen Folgenabschätzungen.133 Zu diesem Zweck prüfte er alle Folgenabschätzungen der Kommission darauf, ob die zuständigen Dienststellen die entsprechenden Standards und Leitlinien eingehalten hatten. Seine Überprüfungskompetenz erstreckte sich auf alle in einer Folgenabschätzung behandelten Aspekte. Im Zuge der Prüfung erfolgte eine mündliche oder schriftliche Erörterung mit der Dienststelle, welche die Folgenabschätzung verfasst hatte. Das Ergebnis der Prüfung hielt der Ausschuss in einer Stellungnahme fest, die insbesondere Verbesserungsvorschläge enthielt. Wenn die geprüfte Folgenabschätzung erhebliche Mängel aufwies, konnte der Ausschuss die Vorlage einer entsprechend überarbeiteten Fassung verlangen. Da den Stellungnahmen nach dem Mandat des IAB keine Bindungswirkung zukam, konnte er einen mangelhaften Folgenabschätzungsbericht einer Kommissionsdienststelle und den dazugehörigen Legislativvorschlag nicht stoppen.134 Im Jahr 2010 stärkte die Kommission allerdings die Rolle des IAB, indem sie betonte, dass es grundsätzlich einer positiven Stellungnahme seinerseits zu einer Folgenabschätzung bedürfe, bevor der entsprechende Regelungsentwurf für einen Kommissionsbeschluss vorgelegt werden könne.135 Die Stellungnahmen des IAB waren dem Folgenabschätzungsbericht sowie dem dazugehörigen Legislativvorschlag im weiteren Rechtsetzungsverfahren beigefügt, so dass auch der Ministerrat und das Europäische Parlament nach Übermittlung des Vorschlags davon Kenntnis nehmen konnten. Im Jahr 2012 prüfte der IAB 97 neue Folgenabschätzungen und gab 144 Stellungnahmen ab, wovon 47 auf Wiedervorlagen entfielen. In 47 % der Fälle (2011: 36 %) forderte er die Dienststellen in seinen Stellungnahmen zur Wiedervorlage einer überarbeiteten Folgenabschätzung auf.136 In seinem letzten vollen Tätigkeitsjahr 2014 untersuchte er 25 Folgenabschätzungen und gab 35 Stellungnahmen ab, 132

Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (392); Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 112; siehe auch Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Brüssel vom 8./9. März 2007, ST 7224 2007 INIT, Ziff. 23. 133 Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (408); Lund, VR 2011, 87 (89); Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 140; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 79; Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth (Hrsg.), Comparative Administrative Law, S. 309 (315). 134 Alemanno, European Public Law 17 (2011), 485 (491); Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (18); Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 3/2010, Rn. 55; Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (410); Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 140; so auch selbst Impact Assessment Board, Report for 2011, SEC(2012) 101 final, S. 10. 135 Europäische Kommission, Arbeitsmethoden 2010–2014, K(2010) 1100, S. 10. 136 Impact Assessment Board, Report for 2012, S. 12 f.

A. Entstehung und Tätigkeit

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von denen sich zehn auf erneut vorgelegte Folgenabschätzungsberichte bezogen. Bei 40 % der Folgenabschätzungen verlangte er eine Wiedervorlage.137 Diese Zahlen belegen, dass zahlreiche Wirkungsanalysen nach Auffassung des IAB nicht den Anforderungen der kommissionsinternen Leitlinien entsprachen. Neben der „Qualitätskontrolle“ erfüllte der IAB Beratungsfunktionen, indem er den Kommissionsdienststellen beispielsweise für Fragen zur Methodik hinsichtlich der Folgenabschätzungen zur Verfügung stand.138 c) Bewertung Die Mitglieder des IAB waren dazu angehalten, ihre Tätigkeit eigenverantwortlich und unabhängig von ihren Dienststellen auszuüben. Da es sich bei ihnen jedoch zeitgleich um finanziell abhängige Beamte der Europäischen Kommission handelte, zogen verschiedene Autoren die Eignung des IAB zur Gewährleistung der Standards „guter“ Rechtsetzung in Zweifel.139 Allgemein fiel die Bewertung der Rolle des IAB sehr unterschiedlich aus. Alemanno kritisierte das fehlende Vetorecht und bescheinigte dem Ausschuss lediglich mittelbare Einflussmöglichkeiten auf den Folgenabschätzungsprozess.140 Andere Stimmen beurteilten die Rolle des IAB hingegen deutlich positiver.141 Aufgrund seiner regelmäßig kritischen Stellungnahmen sei es ihm gelungen, die Generaldirektionen zu Anstrengungen zu bewegen, um die Aussagekraft der Folgenabschätzungen zu verbessern.142 Insbesondere Knauff bezeichnete den IAB als „Institutionalisierung einer unabhängigen Kontrollinstanz“ und sah in ihm ein Modell für die Rechtsetzung auf nationaler Ebene.143 Bestärkt durch die positiven Beurteilungen blieb die Europäische Kommission dem Modell des IAB in der Folgezeit treu und nahm die bestehenden Strukturen als Vorbild für die Entwicklung des Ausschusses für Regulierungskontrolle.

137 Impact Assessment Board, 2014 activity statistics, S. 1; im Jahr 2013 lag die Wieder­ vorlagequote in Bezug auf die Folgenabschätzungen bei 41 %. 138 Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (408); siehe auch Europäische Kommission, Leitlinien zur Folgenabschätzung, SEK(2009) 92, S. 11. 139 Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 141; ähnlich Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (19); Schroeder, ZÖR 2013, 225 (242); Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth (Hrsg.), Comparative Administrative Law, S. 309 (332). 140 Alemanno, ELJ 2009, 382 (390); ders., European Public Law 17 (2011), 485 (491), der jedoch zugleich daran zweifelt, ob ein Vetorecht mit dem Kollegialprinzip innerhalb der EU-Kommission vereinbar gewesen wäre. 141 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 3/2010, Rn. 52 f.; Jacob / Veit / Hertin, Gestaltung einer Nachhaltigkeitsprüfung, S. 26; Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloep­ fer, S. 399 (408). 142 Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 81. 143 Knauff, ZG 2009, 354 (361).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

6. Konkreter Entstehungsprozess des Ausschusses für Regulierungskontrolle Als Hauptkritikpunkt wurde gegenüber dem Ausschuss für Folgenabschätzung immer wieder angeführt, er verfüge als kommissionsinternes Gremium nicht über die notwendige Unabhängigkeit, um die von den Kommissionsdienststellen verfassten Folgenabschätzungen neutral beurteilen zu können.144 Aus diesem Grund forderte das Europäische Parlament bereits im September 2007 die Bildung einer unabhängigen Sachverständigengruppe, die stichprobenhaft die Qualität der vom Ausschuss für Folgenabschätzung abgegebenen Stellungnahmen überwacht.145 Die deutsche Bundesregierung war hingegen während ihrer EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 bemüht, die Idee eines Normenkontrollrates auf europäischer Ebene zu etablieren.146 Da allerdings noch keine ausreichenden Erfahrungen mit dem IAB vorlagen, mündete dieser Versuch in eine Absichtserklärung des Europäischen Rates auf seiner Frühjahrstagung 2007, die besagte, dass die Erforderlichkeit der Einsetzung einer unabhängigen Expertenrunde, die die Unionsorgane bei ihren Bemühungen um eine bessere Rechtsetzung berät, als eine von weiteren Maßnahmen im nächsten Jahr geprüft werde.147 Zwar setzte die Europäische Kommission im August 2007 die „Stoiber-Gruppe“ ein, die als unabhängige Sachverständigenrunde fungierte. Jedoch bestand deren Mandat nicht in der Überprüfung der kommissionseigenen Folgenabschätzungen, so dass damit jedenfalls den Einwänden des Europäischen Parlaments nicht entsprochen wurde. Die Europäische Kommission hielt in der Folgezeit den Forderungen nach einem externen Gremium anstelle des Ausschusses für Folgenabschätzung sowohl ein empirisch untermauertes als auch ein rechtliches Argument entgegen. Sie verwies zunächst auf die Beobachtung, dass der IAB in seinen Stellungnahmen Kritik offen äußere und nicht davor zurückschrecke, die Kommissionsdienststellen um eine Neuanfertigung ihrer Analysen zu bitten.148 In rechtlicher Hinsicht betonte sie, dass ein externes Gremium weder mit dem Initiativrecht der Kommission noch mit den Kompetenzen von Parlament und Rat vereinbar sei, denen die Überprüfung, Änderung und letztendliche Annahme der Kommissionsvorschläge obliege. Da Folgenabschätzungen Teil der internen Entscheidungsprozesse der Kommission

144 Siehe Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (19); Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 74; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 141. 145 Europäisches Parlament, Entschließung vom 04. September 2007 zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union, ABl. Nr. C 187 E vom 24.07.2008, 60, Ziff. 6. 146 Ahrens / Leier, ZG 2007, 383 (398); dazu auch BT-Drs. 16/3255, S. 1, 3 f. sowie BT-Drs. 16/3988, S. 5. 147 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Brüssel vom 8./9. März 2007, ST 7224 2007 INIT, Ziff. 23. 148 Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 7.

A. Entstehung und Tätigkeit

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seien, wäre es unangemessen, externen Sachverständigen oder bestimmten Interessengruppen hierzu einen bevorrechtigten Zugang zu gewähren.149 Obwohl sich die Kommission damit eindeutig festgelegt hatte, verhallten die Forderungen nach einem externen und mit mehr Unabhängigkeit ausgestatteten Gremium zur Kontrolle der Folgenabschätzungen nicht. Insbesondere das Europäische Parlament wies 2011 darauf hin, dass es sich angesichts der Weisungsgebundenheit der Mitglieder des IAB gegenüber dem Kommissionspräsidenten nicht um ein völlig unabhängiges Gremium handele. Daher verlangte es, dass die Mitglieder des IAB vor ihrer Benennung durch Parlament und Rat überprüft würden und die Weisungsgebundenheit aufgehoben werde.150 Überdies sollten kommissionsexterne und weisungsunabhängige Experten in die Tätigkeit des IAB einbezogen werden.151 Auch aus Deutschland kamen entsprechende Forderungen. Der Bundesrat brachte im Februar 2013 in einer Stellungnahme zum neuen EU-REFIT Programm seine Zweifel darüber zum Ausdruck, ob der IAB als kommissionsinterne Prüfungsinstanz im Einzelfall die nötige Unabhängigkeit gegenüber der Kommission aufbringen könne. Um Interessen- und Loyalitätskonflikte zu vermeiden, würde ein externes Gremium zur Überwachung der Folgenabschätzungen ein geeigneteres Instrument darstellen.152 Im Jahr 2014 setzte dann ein Umdenken in der neuen Europäischen Kommission unter Präsident Juncker ein. Eine stärkere externe Beurteilung der verschiedenen Anstrengungen zur „Verbesserung“ der Rechtsetzung erschien sinnvoll. Schließlich war es der Europäischen Kommission auf diese Weise möglich, sich als offen für Kontrollen zu präsentieren. Aus diesem Grund und um den Forderungen aus dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten entgegenzukommen, kündigte der für bessere Rechtsetzung zuständige Vizepräsident Frans Timmermans am 18. Dezember 2014 die Umwandlung des Ausschusses für Folgenabschätzung in einen Ausschuss für Regulierungskontrolle (Regulatory Scrutiny Board, RSB) an, dem auch externe Mitglieder angehören würden.153 Umgesetzt wurde diese Ankündigung mit der am 19. Mai 2015 vorgestellten Agenda „Bessere Ergebnisse

149

Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 7; ähnlich Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 7; siehe hierzu auch Lund, VR 2011, 87 (89 f.); näher zu den entsprechenden Beweggründen der Kommission Smulders / Paquet, in: Garben / Govaere (Hrsg.), Better Regulation Agenda, S. 79 (95). 150 Europäisches Parlament, Entschließung vom 08. Juni 2011 zu der Gewährleistung un­ abhängiger Folgenabschätzungen, ABl. Nr. C 380 E vom 11.12.2012, 31, Ziff. 29. 151 Europäisches Parlament, Entschließung vom 08. Juni 2011 zu der Gewährleistung unabhängiger Folgenabschätzungen, ABl. Nr. C 380 E vom 11.12.2012, 31, Ziff. 30; daran anschließend Europäisches Parlament, Entschließung vom 27. November 2014 zu der Überarbeitung der Leitlinien der Kommission zur Folgenabschätzung und der Rolle des KMU-Tests, ABl. Nr. C 289 vom 09.08.2016, 53, Ziff. 12. 152 Beschluss des Bundesrates vom 01. Februar 2013, Ziff. 1, BR-Drs. 771/12; ähnlich Beschluss des Bundesrates vom 10. Oktober 2014, Ziff. 7, BR-Drs. 272/14. 153 Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 18. Dezember 2014, IP/14/2761.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

durch bessere Rechtsetzung“.154 Zusammen mit dieser Agenda veröffentlichte die Kommission einen Beschluss ihres Präsidenten, der die wesentlichen Regelungen über Aufgaben, Zusammensetzung, Status und Arbeitsweise des neuen Ausschusses enthielt.155 7. Zusammenfassende Analyse der Entstehungsgeschichte Die bisherigen Versuche der EU, ihre Rechtsetzung zu optimieren, stellten oftmals Reaktionen vor allem auf wirtschaftliche, aber zum Teil auch auf gesellschaftliche Gegebenheiten und Entwicklungen dar. Vor dem historischen Hintergrund der EU als Wirtschaftsgemeinschaft überrascht es daher wenig, dass vor allem negative Auswirkungen für Unternehmen wiederholt einen Anlass dafür bildeten, den Zustand der Unionsrechtsetzung kritisch zu hinterfragen. Bis heute sind die Bemühungen der Europäischen Kommission zum „Bürokratieabbau“ oder zur „besseren“ Rechtsetzung überwiegend von dem Anreiz gekennzeichnet, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts zu stärken.156 Aus diesem Kontext folgt, dass die von der Kommission im Laufe der Zeit für diesen Bereich entworfenen Programme und Konzepte unterschiedliche Namen tragen, aber stets ähnliche Zielsetzungen verfolgen. Strukturelle Ansätze wie das „Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten“ oder „REFIT“ legen den Fokus darauf, die Kostenbelastungen von Rechtsetzungsmaßnahmen insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen zu reduzieren. In diesen Programmen nahm und nimmt die Bürgerperspektive hingegen nur eine untergeordnete Rolle ein. Die Europäische Kommission nutzt Folgenabschätzungen als zentrales Element, um sowohl die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen als auch zum Teil die gesellschaftlichen und sozialen Bedürfnisse der Bürger zu berücksichtigen. Waren diese Folgenprognosen in den 1980-er und 1990-er Jahren zunächst sektoral auf Auswirkungen für die Wirtschaft begrenzt, erweiterte sich ab 2002 deren Anwendungsbereich. Seitdem greift die Europäische Kommission auf einen integrierten Ansatz zurück, der, anstatt sich auf ein bestimmtes Folgenspektrum zu konzentrieren, den Anspruch verfolgt, die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Rechtsetzungsentwurfs zu ermitteln. Obwohl die Kommission damit ein breites und mehrere Wirkungsdimensionen umfassendes Konzept gewählt hat, stehen jedoch auch hier nicht selten die Wettbewerbsfähigkeit der Union und die damit verknüpften Folgen eines Rechtsakts für KMU im Vordergrund.

154

Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 7. Europäische Kommission, Beschluss, C(2015) 3263 final. 156 Europäische Kommission, Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 2; dies., Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 2; so im Ergebnis ebenfalls Böllhoff, in: Bohne (Hrsg.), Bürokratieabbau, S. 123 (125); Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (206 f.); Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 19. 155

A. Entstehung und Tätigkeit

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Daneben zielen die Bestrebungen der Union, neue Strategien und Instrumente im Rechtsetzungsprozess zu nutzen, immer wieder darauf ab, der EU-Verdrossenheit vieler Bürger, die sich insbesondere an der angeblichen „Regelungsflut“ aus Brüssel entzündet157, zu begegnen. Es geht den Unionsorganen folglich nicht zuletzt darum, die Akzeptanz europäischer Rechtsetzung zu erhalten. Was in der Zielsetzung sinnvoll erscheint, droht aber bereits an der Unübersichtlichkeit und dem Umfang der Kommissionsdokumente, die sich mit den Methoden zur Verbesserung der Unionsrechtsetzung beschäftigen, zu scheitern. Angesichts einer Vielzahl parallel laufender Programme sowie komplexer interner Leitlinien und Arbeitsdokumente dazu erscheint es fraglich, ob die Kommission diesbezüglich den eigenen Ansprüchen an ihre „Better Regulation“-Doktrin gerecht wird.158 Dass nicht nur die Europäische Kommission die Bedeutung von Folgenabschätzungen für den Gesetzgebungsprozess erkannt hat, wird an den zwischen Kommission, Parlament und Rat abgeschlossenen „Interinstitutionellen Vereinbarungen“ zur besseren Rechtsetzung deutlich. Darin bringen die Unionsorgane jeweils zum Ausdruck, dass Folgenabschätzungen ein wichtiges Instrument darstellen, um die „Qualität“ der Unionsvorschriften zu verbessern.159 Trotz dieses gemeinsamen Ansatzes unterstreichen die Vereinbarungen, dass Folgenabschätzungen institutionell in erster Linie von der Europäischen Kommission ausgehen. Während Folgenabschätzungen dazu dienen, vor Erlass eines Rechtsaktes dessen wahrscheinliche Auswirkungen zu ermitteln, sollen Evaluationen – insbesondere im Rahmen des REFIT-Programms – helfen, bestehendes Unionsrecht auf seine Wirksamkeit und Folgen zu untersuchen. Umfassende Folgenabschätzungen und Evaluationen können nur dann dazu beitragen, die Unionsrechtsetzung evidenzbasierter, effektiver und verständlicher zu machen, wenn sie inhaltlich und methodisch den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden. Daran knüpft die Funktion des Ausschusses für Regulierungskontrolle an. Er ist aus dem Ausschuss für Folgenabschätzung hervorgegangen, der bereits seit 2006 die kommissionseigenen Folgenabschätzungen überprüfte. Im Sinne einer Pfadabhängigkeit hat Kommissionspräsident Juncker auch den neuen Ausschuss lediglich durch Beschluss eingesetzt und überwiegend als kommissionsinternes Gremium strukturiert, ohne das Europäische Parlament und den Ministerrat daran personell oder institutionell zu beteiligen. Es ist jedoch immerhin als Zugeständnis an die Forderungen des Europäischen Parlaments zu werten, dass im Ausschuss nun auch drei nicht der Kommission angehörige Fachleute sitzen.

157 Siehe dazu Herten-Koch, Rechtsetzung, S. 12 f.; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 16; Wieland, in: Sander / Vetter (Hrsg.), Regelungswut in der EU, S. 9 (23 f.). 158 Ebenso Schroeder, ZG 2016, 193 (200); ders., wbl 2016, 361 (362). 159 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“, ABl. Nr. C 321 vom 31.12.2003, 1, Ziff. 28; dies., Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 12.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

II. Aufgaben Die dem Ausschuss für Regulierungskontrolle zugewiesenen Aufgaben stellen sich umfangreicher als die seines Vorgängers dar. Normiert sind sie in Art. 2 Abs. 1 des im Mai 2015 veröffentlichten Einrichtungsbeschlusses des Kommissionspräsidenten.160 Neben der Überprüfung der kommissionseigenen Folgenabschätzungen obliegt es dem Ausschuss, Eignungsprüfungen und wichtige Evaluierungen zu bewerten. Darüber hinaus kommt ihm eine Beratungsfunktion für die Kommissionsdienststellen zu. Dieses erweiterte Aufgabenspektrum findet sprachlich seinen Niederschlag darin, dass die Europäische Kommission die Bezeichnung Ausschuss für „Folgenabschätzung“ nicht fortgeführt, sondern stattdessen den Namen Ausschuss für „Regulierungskontrolle“ gewählt hat. 1. Bewertungsgegenstände Der Ausschuss darf gemäß Art. 2 Abs. 1 des Einrichtungsbeschlusses die Berichtsentwürfe zu Folgenabschätzungen, wichtigen Evaluierungen und Eignungsprüfungen einer Bewertung unterziehen. Es ist in dieser Norm zwar nicht explizit genannt, aus dem Kontext ergibt sich aber, dass diese Gegenstände nur dann der Prüfungskompetenz des Ausschusses unterliegen, wenn sie von der Europäischen Kommission, ihren Generaldirektionen oder Dienststellen stammen. Gestützt wird dieses Verständnis durch den dritten Erwägungsgrund des Einrichtungsbeschlusses, der insofern klarstellt, dass die Aufgabe des Ausschusses ausschließlich in der Beratung der politischen Ebene der Kommission besteht. Die Bewertung entsprechender Berichte aus dem EU-Ministerrat oder dem Europäischen Parlament ist daher vom Mandat des Ausschusses nicht umfasst. a) Folgenabschätzungen Primäre Aufgabe des Ausschusses für Regulierungskontrolle ist es, die Berichtsentwürfe zu Folgenabschätzungen der Kommissionsdienststellen zu bewerten. Da sich Folgenabschätzungen stets auf neue Initiativen der Kommission beziehen, nimmt der Ausschuss in diesem Verfahren eine „Ex-ante“-Bewertung vor. Ob eine Folgenabschätzung durchgeführt wird, obliegt grundsätzlich der Einschätzung der zuständigen Generaldirektion. Anhaltspunkte dafür liefern die kommissionsinternen Better Regulation Guidelines, die eine Folgenabschätzung bei Gesetzgebungsinitiativen und Initiativen ohne Gesetzgebungscharakter, delegierten Rechtsakten und Durchführungsmaßnahmen verlangen, sofern bei ihnen jeweils mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist.161 160

Europäische Kommission, Beschluss, C(2015) 3263 final. Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 17; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 15. 161

A. Entstehung und Tätigkeit

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Fraglich ist allerdings, ob die fachlich zuständige Generaldirektion rechtlich verpflichtet ist, in den genannten Fällen eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Von Bedeutung ist diese Frage für das Tätigwerden des Ausschusses. Gegenstand seiner Überprüfungskompetenz ist nämlich nicht der Legislativvorschlag der Kommission an sich, sondern ausschließlich der dazugehörige Folgenabschätzungsbericht.162 Unterbleibt bei einem Legislativvorschlag die Folgenabschätzung, greift die Prüfungskompetenz des Ausschusses nicht ein. Bei den eben herangezogenen Leitlinien handelt es sich um Binnenrecht der Kommission, das grundsätzlich keine Außenwirkung entfaltet und angesichts seiner Einordnung als „soft law“ keine unmittelbare Verpflichtung der Kommission begründen kann.163 Eine entsprechende Aufzählung der Regelungsinitiativen, zu denen die Kommission Folgenabschätzungen verfasst, enthält jedoch auch die „Interinstitutionelle Vereinbarung“ zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission vom 13. April 2016.164 Gemäß Art. 295 S. 2 AEUV kann dieser Vereinbarung rechtliche Bindungswirkung zukommen, was im Einzelfall im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.165 In Anbetracht des Wortlauts der „Interinstitutionellen Vereinbarung“ ist jedoch nicht anzunehmen, dass die Kommission damit eine sanktionsfähige Verpflichtung zur Folgenabschätzung eingehen wollte.166 Vielmehr handelt es sich bei der Vereinbarung um eine politische Absichtserklärung zwischen den am Rechtsetzungsprozess beteiligten Unionsorganen. Vor allem deutet die Vereinbarung nicht darauf hin, dass die Kommission rechtlich verpflichtet sein soll, bei den genannten Initiativen stets eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Die Voraussetzung, dass die Regelungsinitiative „erhebliche wirtschaftliche, ökologische oder soziale Auswirkungen“ haben muss, bietet ihr vielmehr einen Auslegungsspielraum, bei entsprechender Verneinung dieser Bedingung auf eine Folgenabschätzung zu verzichten. Was die Begriffswendung „erhebliche Auswirkungen“ bedeutet, ist durch die Vereinbarung nicht vorgegeben und unterliegt damit der 162

Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 3; siehe auch Sohn / Dauner, cepInput 17/2015, S. 7. 163 Vgl. Alemanno, ELJ 2009, 382 (391); ders., European Public Law 17 (2011), 485 (493); Lund, VR 2011, 87 (88); Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (207); Schroeder, ZG 2016, 193 (196); Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 116. 164 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 13. 165 Gellermann, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 295 AEUV Rn. 6; Kotzur, in: Geiger u. a., EUV / AEUV, Art.  295 AEUV Rn.  4; Krajewski / Rösslein, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 295 AEUV Rn. 21; Schoo / Görlitz, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 295 AEUV Rn. 19; Voet van Vormizeele, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 295 AEUV Rn. 6; siehe ausführlich zur Bindungswirkung interinstitutioneller Vereinbarungen v. Alemann, Handlungsform, S. 242 ff.; zur Diskussion über deren Rechtsnatur Hummer, in: Kietz u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, S. 51 (91 ff.). 166 Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (405); ebenfalls gegen die Annahme einer konkreten Rechtspflicht der Kommission zur Durchführung einer Folgenabschätzung Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV Rn. 58; näher zu etwaigen Folgenabschätzungspflichten der Unionsorgane unter Kap. 2, C. V.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

selbstständigen Einschätzung der Kommission. Im Fall eines Tätigwerdens ohne Folgenabschätzung hat die Kommission jedoch angekündigt, dass sie die diesbezüglichen Gründe öffentlich darlegt.167 b) Wichtige Evaluierungen Als weiteren Bewertungsgegenstand nennt Art. 2 Abs. 1 des Einrichtungsbeschlus­ ses Berichtsentwürfe zu wichtigen Evaluierungen. Im Gegensatz zu Folgenabschätzungen erfolgen Evaluierungen nicht bei neuen Legislativvorschlägen der Kommission, sondern „ex-post“ in Bezug auf bestehende Unionsrechtsvorschriften. Anders als bei seinem Vorläufer, dem Ausschuss für Folgenabschätzung, erstreckt sich die Tätigkeit des Ausschusses für Regulierungskontrolle damit auch auf die Überprüfung bereits in Kraft getretener Rechtsnormen. Eine Evaluierung stellt eine auf Daten gestützte Untersuchung geltender Rechtsnormen oder Politikmaßnahmen bezogen auf ihre Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und ihren Mehrwert für die EU dar.168 Die Kommissionsdienststellen müssen eine Evaluierung vornehmen, wenn die Rechtsgrundlage der Maßnahme es beispielsweise aufgrund einer Evaluierungsklausel vorsieht oder die EU-Finanzregelungen dies bestimmen.169 Teilweise ergeben sich Evaluationspflichten auch aus dem Primärrecht.170 Betrachtungsgegenstand für den Ausschuss ist auch hier allein der Evaluierungsbericht, nicht jedoch der evaluierte Rechtsakt oder die evaluierte Maßnahme an sich. Das Bewertungsrecht des Ausschusses kommt nach dem Wortlaut seines Mandats nur dann zum Tragen, wenn es sich um eine wichtige Evaluierung handelt. Es existiert keine allgemeine Definition, wann eine Evaluation als wichtig einzustufen ist. Einen Hinweis liefern jedoch die kommissionsinternen Leitlinien, nach denen sowohl die Evaluierungen im Rahmen des REFIT-Programms als auch Evaluierungen, die hinsichtlich der Programme des mehrjährigen EU-Finanzrahmens verfasst werden, als wichtig gelten. Zudem müssen die Evaluierungen zuvor in den Evaluationsplänen (Rolling Evaluation Plan) der Generaldirektionen angekündigt worden sein.171 Die Kommission hat die Beschränkung auf wichtige Evaluierungen vermutlich bewusst gewählt, um einerseits ihre Vorlagepflicht an den Ausschuss in gewissen Grenzen steuern zu können. Mit der Begründung, es handele sich nicht um eine wichtige Evaluierung, könnte sie eine Beteiligung des Ausschusses umgehen. Anderseits wird die Einschränkung dazu dienen, den Ausschuss nicht durch 167

Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 7; dies., Vollendung der Agenda, COM(2017) 651 final, S. 5. 168 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 49; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 52. 169 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 51 f.; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 54. 170 Siehe z. B. Art. 70 S. 1 AEUV, Art. 318 Abs. 2 AEUV. 171 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 53, Fn. 65.

A. Entstehung und Tätigkeit

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die Prüfung einer Fülle von Evaluierungen zu überlasten, damit er seiner Kernaufgabe, die in der Bewertung von Folgenabschätzungen besteht, nachkommen kann. Bei der Überprüfung von Evaluierungen hat sich bislang die Praxis bewährt, dass der Ausschuss zu Beginn jeden Jahres bestimmte von der Europäischen Kommission geplante, wichtige Evaluierungen aussucht, die er einer Kontrolle zu unterziehen beabsichtigt.172 Nicht ausgewählte Evaluierungen beurteilt er im Regelfall nicht mehr. Als Grundlage für diese Auswahlentscheidung dient die mehrjährige Evaluationsplanung der Kommission. Der Ausschuss wählt für eine Überprüfung vor allem Evaluationen zu denjenigen Legislativmaßnahmen aus, die Querschnittsthemen betreffen, mit erheblichen Kosten verbunden oder von hoher politischer Brisanz sind. c) Eignungsprüfungen Auch von der Europäischen Kommission angefertigte Berichtsentwürfe zu Eignungsprüfungen („Fitness checks“) unterliegen der Bewertungskompetenz des Ausschusses. Eignungsprüfungen stellen ebenfalls eine Form der Evaluierung dar. Die Besonderheit besteht allerdings darin, dass sie nicht nur einzelne Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit untersuchen, sondern ein Maßnahmenbündel betrachten. Es geht darum, die Rechtsvorschriften, Strategien und Programme innerhalb eines Politikfeldes daraufhin zu analysieren, wie sie sich gegenseitig beeinflussen, welche Unstimmigkeiten und Synergien dabei auftreten und welche Wirkung sie gemeinsam entfalten.173 Ziel ist es, zu überprüfen, ob der ordnungspolitische Rahmen eines Politikbereichs zweckmäßig ist. Dafür ist ein vollständigeres Bild notwendig, als es die Evaluation einer einzelnen Maßnahme oder Rechtsvorschrift bieten kann. Das Konzept der Eignungsprüfungen wurde 2010 eingeführt und seitdem in verschiedenen Politikbereichen der EU angewandt.174 Einen nochmaligen Bedeutungszuwachs haben die Eignungsprüfungen 2012 durch die Einleitung des REFIT-Prozesses erfahren.175 Da es die Ressourcen der Kommission übersteigt, beauftragt sie regelmäßig externe Beratungsfirmen mit der Durchführung der Eignungsprüfungen.176 Über die Frage, ob und wann eine Eignungsprüfung vorgenommen wird, entscheidet die Kommission selbstständig. Wenn sie eine Eignungsprüfung durchführt bzw. durchführen lässt, muss sie diese im Anschluss aber dem Ausschuss zur Kontrolle vorlegen, wenn dieser den „Fitness check“ zur Überprüfung ausgewählt 172 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 12; hierzu und zum Folgenden Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 16; ders., Annual Report 2017, S. 27. 173 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 50; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 53. 174 Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 5. 175 Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 4. 176 Vgl. Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 61; Schroeder, ZG 2016, 193 (209).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

hat. Bewerten darf der Ausschuss in diesem Kontext nur den Berichtsentwurf zur durchgeführten Eignungsprüfung, jedoch nicht die der Prüfung zugrundeliegenden Maßnahmen und Programme. 2. Bewertungsumfang Aufgabe des Ausschusses ist es, die „Qualität“ der dargestellten Folgenabschätzungen, wichtigen Evaluierungen und Eignungsprüfungen zu bewerten. Dahinter verbirgt sich eine umfassende Überprüfung der Maßnahmen, die die Europäische Kommission im Einzelfall zur „Verbesserung“ der Unionsrechtsakte ergreift. Maßstab für die Bewertung ist gemäß Art. 5 Abs. 1 des Einrichtungsbeschlusses die Kommissionsstrategie zur besseren Rechtsetzung, wie sie im Einzelnen in den als Arbeitsdokument veröffentlichten Leitlinien zum Ausdruck kommt177. Häufig vom Ausschuss geprüfte und beanstandete Aspekte eines Folgenabschätzungsberichts sind die Definition des zu regelnden Problems, unklare politische Zielsetzungen sowie die Herausarbeitung verschiedener Regelungsalternativen.178 Des Weiteren untersucht er in den Folgenabschätzungsberichten u. a. die Darstellung von Subsidiaritätsaspekten, die Erarbeitung des Basisszenarios, den Vergleich der Regelungsalternativen, den Rückgriff auf beleggestützte Daten, die Durchführung von Konsultationen der Interessenvertreter sowie die Leserfreundlichkeit und allgemeine Präsentation der Ergebnisse. Einen weiteren wichtigen Aspekt der Überprüfung bildet die Frage, ob die Folgenabschätzung alle wesentlichen Auswirkungen in ökonomischer, sozialer, ökologischer Hinsicht sowie in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Verwaltungsbelastung, KMU, Grundrechte, Mitgliedstaaten sowie Drittländer thematisiert und analysiert hat. Die Bewertung verfolgt nicht den Anspruch festzustellen, ob die Folgenabschätzung der Kommission jeder Anforderung der Better Regulation Guidelines Rechnung trägt, sondern ob sie die Mindestvoraussetzungen erfüllt, um als objektive Hilfestellung der politischen Entscheidungsfindung zu dienen. Daher nimmt der Ausschuss Rücksicht darauf, wenn infolge von zeitlichen Beschränkungen bei der Erarbeitung des Legislativvorschlags umfassende Datengrundlagen fehlten oder Interessenvertreter nicht angehört werden konnten.179 Bei der Bewertung von Evaluierungen und Eignungsprüfungen achtet der Ausschuss insbesondere darauf, ob sich die diesbezüglichen Berichte an den methodischen Vorgaben der Kommission orientieren.180 Im Jahr 2017 bemängelte er mehrmals, dass die Kommissionsdienststellen nur unzureichend Daten und Informationen gesammelt hätten, um die maßgeblichen Evaluierungsfragen zu be 177

Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final. Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 13; ders., Annual Report 2017, S. 20. 179 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 12. 180 Hierzu und zum Folgenden Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 29 f. 178

A. Entstehung und Tätigkeit

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antworten. Weiterhin habe es häufig an einem Bezugspunkt gefehlt, um z. B. die Effektivität und Effizienz einer Regelungsmaßnahme zu beurteilen. Zudem seien die aus den Evaluierungen gezogenen Schlussfolgerungen in einigen Fällen einseitig und erkennbar von dem Willen geprägt, nichts an den bestehenden Regelungen zu ändern. Beschränkungen der Kontrolle auf nur methodische Aspekte enthält der Einrichtungsbeschluss nicht. Demzufolge umfasst das Mandat des Ausschusses auch eine inhaltliche Kontrolle.181 Er kann somit die Folgenabschätzungs- und Evaluierungsberichte nicht nur daraufhin kontrollieren, ob das Verfahren und die notwendigen Prüfungsschritte eingehalten worden sind, sondern auch die daraus gezogenen inhaltlichen Schlüsse hinterfragen. Da die Folgenabschätzungsberichte in der Regel Ausführungen zu den Zielen, die die Kommission mit dem Regelungsvorschlag verfolgt, sowie zu den in Frage kommenden Handlungsoptionen enthalten, kann sich der Ausschuss inhaltlich damit auseinandersetzen und eine Beurteilung der Schlüssigkeit vornehmen. Dementsprechend berücksichtigt er im Rahmen seiner Bewertung, ob eine Regelungsinitiative in das größere sektorale Regelungsumfeld passt und in welchem Umfang sie der politischen Ausrichtung entspricht, die die relevanten Unionsorgane verfolgen.182 Ausgeschlossen ist lediglich die unmittelbare Bewertung von Rechtsetzungs- und Politikvorschlägen. Das Ergebnis der Bewertung mündet in eine Stellungnahme, die nach Art. 2 Abs. 1 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses bei Bedarf Empfehlungen beinhalten kann, wie die Kommissionsdienststellen die jeweiligen Folgenabschätzungen, Evaluierungen und Eignungsprüfungen verbessern sollten. 3. Ablauf des Bewertungsverfahrens Bereits mindestens drei Monate im Vorfeld soll die für einen Folgenabschätzungs- bzw. Evaluationsbericht verantwortliche Kommissionsdienststelle den Ausschuss für Regulierungskontrolle über den voraussichtlichen Zeitpunkt seiner Beteiligung informieren. Wenn die Vorarbeiten zu einer Folgenabschätzung, wichtigen Evaluierung oder Eignungsprüfung dann abgeschlossen sind, übermittelt die zuständige Kommissionsdienststelle den jeweiligen Berichtsentwurf als Arbeitsdokument an den Ausschuss.183 Das muss gemäß Art. 6 Abs. 3 S. 1 GO RSB spätestens vier Wochen vor der Sitzung des Ausschusses geschehen, auf der der Bericht Diskussionsgegenstand sein soll. Zusätzlich sollte das Protokoll der letzten 181 Wegrich, EJRR 3/2015, 369 (370); so bereits für den Ausschuss für Folgenabschätzung Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 61; eine inhaltliche Kontrolle einfordernd Europäische Kommission, Vollendung der Agenda, COM(2017) 651 final, S. 5 („unabhängige Kontrolle der politischen Optionen“). 182 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 12. 183 Siehe zum vollständigen Folgenabschätzungsverfahren innerhalb der Europäischen Kommission unter Kap. 2, A. I. 2. b).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Sitzung der ISG, welche die Ausarbeitung der Berichte begleitet und koordiniert hat, beigefügt werden. Spätestens drei Tage vor der Sitzung erhält die abfassende Kommissionsdienststelle vom Ausschuss eine Qualitätsprüfliste, die seine vorläufige Sicht auf die Stärken und Schwächen des Berichtsentwurfs schildert. Zusätzlich legt die Prüfliste bereits die Schwerpunktthemen und wesentlichen Fragen fest, die Gegenstand der Diskussion in der Sitzung sein werden. Während der Sitzung findet eine mündliche Erörterung des Berichtsentwurfs mit maximal fünf Vertretern der zuständigen Kommissionsdienststelle statt. In Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, dass der Ausschuss den Berichtsentwurf im schriftlichen Verfahren behandelt. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Folgenabschätzung wenig Mängel und ein geringes Komplexitätsniveau aufweist. Die Entscheidung, ob das schriftliche Verfahren Anwendung findet, trifft der Ausschuss einzelfallabhängig, wenn ihm der zu beurteilende Folgenabschätzungsbericht vorliegt. Wenn das schriftliche Verfahren zur Anwendung gelangt, muss die abfassende Dienststelle zu den in der Qualitätsprüfliste angesprochenen Aspekten in schriftlicher Form Stellung nehmen.184 Das Ergebnis der Bewertung fasst der Ausschuss jeweils in einer in der Regel dreiseitigen Stellungnahme zusammen. Jede Stellungnahme des Ausschusses zu einem Folgenabschätzungsbericht beginnt mit einem zusammenfassenden Gesamturteil, das entweder „positiv“ oder „negativ“ ausfällt. Nach den Arbeitsmethoden der Europäischen Kommission 2014–2019 ist grundsätzlich für jede Initiative, für die eine Folgenabschätzung durchgeführt wird, eine positive Stellungnahme des Ausschusses zum dazugehörigen Folgenabschätzungsbericht erforderlich, damit die dienststellenübergreifende Konsultation zu dem Legislativvorschlag eingeleitet werden kann.185 Der Ausschuss unterscheidet seit Ende 2016 zwischen zwei Formen positiver Stellungnahmen.186 Zum einen kann er eine positive Beurteilung abgeben, die lediglich Verbesserungsvorschläge enthält. Daraufhin ist die verantwortliche Kommissionsdienststelle angehalten, diese Empfehlungen zu berücksichtigen und ggf. Anpassungen am Folgenabschätzungsbericht vorzunehmen. Zum anderen kann der Ausschuss eine positive Stellungnahme mit Vorbehalt abgeben. In deren Rahmen konstatiert der Ausschuss im Regelfall noch notwendigen Änderungsbedarf am Berichtsentwurf, um dessen bestehende Mängel zu beseitigen. In diesem Fall ist die abfassende Dienststelle grundsätzlich dazu verpflichtet, den Folgenabschätzungsbericht zu überarbeiten, um den Empfehlungen des Ausschusses Rechnung zu 184 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 11; dies., Toolbox, SWD (2017) 350 final, S. 15. 185 Europäische Kommission, Arbeitsmethoden 2014–2019, C(2014) 9004, S. 8 (noch bezogen auf den Ausschuss für Folgenabschätzung); dies., Better Regulation Guidelines, SWD (2015) 111 final, S. 9; dies., Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 3; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 7 f., 9. 186 Hierzu und zum Folgenden Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 16; Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 12.

A. Entstehung und Tätigkeit

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tragen. Wenn es zu derartigen Änderungen am Entwurf kommt, sollte die ISG die Gelegenheit bekommen, die überarbeitete und endgültige Version zu prüfen, bevor die Abstimmung innerhalb der Kommission beginnt. Die Stellungnahme des Ausschusses geht mit einer negativen Bewertung einher, wenn er zu dem Schluss kommt, dass die Folgenabschätzung erhebliche Mängel aufweist und substanzielle Verbesserungen in Bezug auf mehrere wesentliche Aspekte notwendig sind. Die verantwortliche Dienststelle muss in diesem Fall die Folgenabschätzung grundlegend verbessern und dem Ausschuss eine überarbeitete Version des Berichtsentwurfs vorlegen. Falls ernsthafte Bedenken an der „Qualität“ des Berichtsentwurfs fortbestehen, kann die zweite Stellungnahme abermals negativ ausfallen und der Ausschuss ggf. eine zweite Wiedervorlage fordern. In seltenen Fällen ist eine dritte negative Stellungnahme des Ausschusses möglich.187 In der Regel belässt es der Ausschuss aber bei einer zweiten negativen Beurteilung und stellt es in das politische Ermessen der Kommission, ob sie den Legislativvorschlag in dieser Art weiterverfolgen will.188 Nach Abschluss des Bewertungsvorgangs werden die Stellungnahmen zusammen mit dem endgültigen Folgen­ abschätzungsbericht und dem Initiativvorschlag den Generaldirektionen im Zuge der dienststellenübergreifenden Konsultation übermittelt. Bei Eignungsprüfungen und wichtigen Evaluierungen der Europäischen Kommission gibt der Ausschuss für Regulierungskontrolle eine Stellungnahme über deren „Qualität“ ab und empfiehlt ggf. notwendige Verbesserungen. Eine Unterscheidung zwischen Stellungnahmen mit einem positiven und solchen mit einem negativen Votum existierte in diesen Bewertungsverfahren zunächst nicht. Seit 2017 macht der Ausschuss jedoch auch in Bezug auf Evaluierungen von positiven und negativen Beurteilungen Gebrauch.189 Negative Stellungnahmen zu Eignungsprüfungen und Evaluierungen hindern die Kommissionsdienststellen aber nicht daran, den Ex-post-Bewertungsprozess ungehindert fortzusetzen. Es wird lediglich erwartet, dass die zuständige Dienststelle den Berichtsentwurf unter Beachtung der Empfehlungen des Ausschusses überarbeitet. Eine nochmalige Vorlage des verbesserten Berichts an den Ausschuss ist möglich, aber anders als bei Folgenabschätzungen nicht verpflichtend. Im Jahr 2017 haben die Kommissionsdienststellen vier 187

Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 12. Siehe Art. 6 Abs. 4 S. 2 GO RSB; Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 10; ders., Annual Report 2017, S. 21; so beim Legislativvorschlag der Europäischen Kommission, Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, COM(2016) 767 final, S. 15; ebenso beim Vorschlag der Europäischen Kommission, Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht personenbezogener Daten in der Europäischen Union, COM(2017) 495 final, S. 9; beachte in diesem Kontext die Studie des Impact Assessment Institute, A year and a half of the Better Regulation Agenda, S. 36 f., die empfiehlt, dass die Kommission die Gründe zu erläutern haben sollte, warum sie trotz einer negativen Stellungnahme des Ausschusses zu einem Folgenabschätzungsbericht den dazugehörigen Rechtsetzungsvorschlag weiterverfolgt. 189 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 12; so auch die überarbeiteten internen Vorgaben der Europäischen Kommission, Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 15. 188

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

der sieben Evaluierungen, die zunächst eine negative Stellungnahme erhielten, dem Ausschuss nochmals in einer überarbeiteten Fassung vorgelegt.190 Generell hat die Beteiligung des Ausschusses vor der dienststellenübergreifenden Konsultation der Evaluierungsberichte zu erfolgen. Dem Generalsekretariat der Kommission obliegt im Anschluss die abschließende Überprüfung der Berichte. 4. Beratung der Kommissionsdienststellen Neben den geschilderten Kontrollaufgaben schreibt Art. 2 Abs. 2 des Einrichtungsbeschlusses dem Ausschuss darüber hinaus eine Beratungsfunktion zu. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle kann demnach die Kommissionsdienststellen bei der Anwendung bzw. Auslegung der aktuellen Kommissionsleitlinien für eine bessere Rechtsetzung (Better Regulation Guidelines) bezüglich besonders schwieriger Folgenabschätzungen und Evaluierungen sowie im Hinblick auf methodische Fragen beraten. Dieser Beratungsgegenstand ist zwar eng umgrenzt, gibt dem Ausschuss aber die Möglichkeit durch seine Ratschläge die praktische Anwendung der kommissionsinternen Leitlinien in den Dienststellen zu beeinflussen. Im Gegensatz zur Überprüfungsfunktion setzt die Beratung zu einem früheren Zeitpunkt ein, in dem die Folgenabschätzung oder Evaluierung nicht abgeschlossen ist, sondern sich noch im Bearbeitungsmodus befindet. Durch die frühzeitige Einbindung kann der Ausschuss dazu beitragen, u. a. die Nachvollziehbarkeit und Konsistenz der Folgenabschätzungen und Evaluierungen zu erhöhen, indem er die Kommissionsdienststellen bei komplexen methodischen Erwägungen unterstützt. Im Jahr 2017 gab es insgesamt 28 Beratungstreffen, auf denen Ausschussmitglieder den Kommissionsdienststellen Ratschläge für bestimmte Evaluierungen und Folgenabschätzungen erteilten.191 Darüber hinaus ist der Ausschuss gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses befugt, in Querschnittsfragen zu beraten, die sich generell auf die Kommissionspolitik im Bereich der besseren Rechtsetzung beziehen. Da dieser Beratungsgegenstand deutlich weiter und zugleich allgemeiner gefasst ist, liegt für den Ausschuss darin das Potenzial, sich zu einem anerkannten Beratungsgremium im Themenbereich „Better Regulation“ innerhalb der Europäischen Kommission zu entwickeln.

190 Der Ausschuss hat alle vier wieder vorgelegten Evaluierungen positiv bewertet, dazu Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 12. 191 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 16.

A. Entstehung und Tätigkeit

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III. Arbeitsweise Hinsichtlich der in Art. 2 des Einrichtungsbeschlusses formulierten Kontrollund Beratungsaufgaben stellt sich die Frage, wie der Ausschuss diese in praktischer Hinsicht wahrnimmt und welchen organisatorischen Vorgaben er in diesem Zusammenhang unterliegt. Antworten darauf ergeben sich sowohl aus dem Einrichtungsbeschluss selbst als auch aus der Geschäftsordnung des Ausschusses (GO RSB)192. Überdies bedarf es im Einzelfall einer empirischen Betrachtungsweise, um abseits von rechtlichen Vorgaben die tatsächlichen Handlungsabläufe und Schwerpunktsetzungen des Ausschusses nachzuvollziehen. 1. Zusammensetzung Der Ausschuss setzt sich gemäß Art. 3 Abs. 1 des Einrichtungsbeschlusses aus einem Vorsitzenden, drei Kommissionsbeamten sowie drei externen Bediensteten auf Zeit zusammen und besteht damit insgesamt aus sieben Mitgliedern. Die vollständige erstmalige Besetzung des Ausschusses hat sich in die Länge gezogen, so dass erst ab April 2017 mit der Ernennung des externen Mitglieds Andreas Kopp die Aufnahme der Arbeit in der endgültigen Zusammensetzung erfolgen konnte.193 Das Fachwissen der Mitglieder soll sich allgemein auf die Bereiche Makroökonomie, Mikroökonomie sowie Sozial- und Umweltpolitik erstrecken.194 Die Auswahl der kommissionsangehörigen auf der einen sowie der externen Mitglieder auf der anderen Seite verläuft unterschiedlich. Die externen Mitgliederstellen werden öffentlich ausgeschrieben. Ihre Besetzung erfolgt durch ein strenges und objektives Auswahlverfahren auf der Grundlage der wissenschaftlichen Sachkenntnis der Bewerber in den Bereichen Folgenabschätzung, Ex-post-Bewertung und Regulierungspolitik im Allgemeinen.195 Die für den Ausschuss tätigen Kommissionsbeamten werden hingegen intern durch ein transparentes Verfahren auf der Basis ihres Fachwissens ausgewählt.196 Im Rahmen des Auswahlprozesses liegt das Vorschlagsrecht für alle Mitglieder jeweils beim Kommissionspräsidenten. Die Europäische Kommission als Kollegialorgan ernennt anschließend gemäß Art. 3 Abs. 5 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses die Mitglieder im Einvernehmen mit dem ersten Vizepräsidenten sowie dem Vizepräsidenten für Haushalt und Personal. 192

Europäische Kommission, Rules of Procedure of the Regulatory Scrutiny Board, Ref. Ares(2016)5764766 vom 05. Oktober 2016. 193 Kritisch zu dieser langen Konstituierungsphase Impact Assessment Institute, A year and a half of the Better Regulation Agenda, S. 12; Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth / Emerson (Hrsg.), Comparative Administrative Law, 2. Aufl., S. 333 (347). 194 Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 3. 195 Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 7; siehe dazu Meuwese, EJRR 3/2015, 359 (359). 196 Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 3 f.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Für den Posten des Ausschussvorsitzenden existiert kein entsprechendes Auswahlverfahren. Dem Kommissionspräsidenten kommt nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses die Aufgabe zu, nach Anhörung des ersten Vizepräsidenten und des Vizepräsidenten für Haushalt und Personal eine Person für den Vorsitz vorzuschlagen. Ernannt wird der Vorsitzende, der den Rang eines Generaldirektors innehat, anschließend von der Kommission als Kollegialorgan. Nicht ausdrücklich geregelt ist, welchen fachlichen Hintergrund der Vorsitzende des Ausschusses vorzuweisen haben sollte. Aus einer systematischen Betrachtung ergibt sich lediglich, dass es sich um einen leitenden Kommissionsbeamten handeln muss197. Dafür spricht insbesondere die Vertretungsregelung in Art. 3 Abs. 4 des Einrichtungsbeschlusses, die besagt, dass für den Fall der Verhinderung des Vorsitzenden ein anderer leitender Kommissionsbeamter diese Funktion übernimmt. Auch angesichts der Vorrechte des Vorsitzenden gegenüber den anderen Ausschussmitgliedern spricht einiges dafür, dass eine Person, die in der Kommission bereits Führungsverantwortung getragen hat, diese Position bekleidet. Schließlich stellt die Besetzung des Ausschussvorsitzes mit einem Kommissionsbeamten sicher, dass die kommissionsangehörigen Mitglieder über eine Mehrheit im Ausschuss verfügen. Nach der Einsetzung im Juli 2015 arbeiteten zunächst die Mitglieder des bisherigen Ausschusses für Folgenabschätzung weiter für den Ausschuss für Regulierungskontrolle, um den Zeitraum bis zur Auswahl der neuen Mitglieder zu überbrücken. Neben der Tätigkeit für den Ausschuss dürfen die Mitglieder nach Art. 3 Abs. 6 des Einrichtungsbeschlusses keiner anderen Beschäftigung außerhalb der Europäischen Kommission nachgehen. Alle Mitgliederposten sind zudem als Vollzeitstellen ausgestaltet. Die Amtszeit im Ausschuss für Regulierungskontrolle beträgt drei Jahre und ist nicht verlängerbar. Weder vor noch nach Ausübung ihrer Tätigkeit unterliegen die Mitglieder einer Karenzzeit. Insbesondere die kommissionsinternen Mitglieder wechseln daher unmittelbar aus einer Kommissionsdienststelle zum Ausschuss und können nach Ablauf ihrer Amtszeit ohne Unterbrechung in ihre ursprüngliche Generaldirektion zurückkehren.198 In der aktuellen ersten Amtsperiode, die bis 2019 läuft, bekleidet die Französin Anne Bucher den Vorsitz des Ausschusses. Die Wirtschaftswissenschaftlerin hat seit 1983 zahlreiche Tätigkeiten mit Bezug zu wirtschafts- und finanzpolitischen Themenbereichen in unterschiedlichen Generaldirektionen der Europäischen Kommission ausgeübt. Zu den weiteren kommissionsangehörigen Mitgliedern gehören die Belgier Bernard Nauts, der zuvor in den Generaldirektionen Bildung und Kultur sowie Wirtschaft und Finanzen beschäftigt war, und Didier Herbert, der vor seiner Berufung in der für Binnenmarkt, Industrie und Unternehmen zuständigen Generaldirektion arbeitete. Ebenfalls als Kommissionsbeamter ist der griechische 197

So auch Schroeder, ZG 2016, 193 (204); Sohn / Dauner, cepInput 17/2015, S. 13; Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth / Emerson (Hrsg.), Comparative Administrative Law, 2. Aufl., S. 333 (337). 198 Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 4.

A. Entstehung und Tätigkeit

249

Staatsangehörige Vassili Lelakis, der langjährig Spitzenpositionen in der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen bekleidete, im Ausschuss vertreten. Der Finne Nils Bjoerksten sitzt als externes Mitglied im Ausschuss und war zuvor als Ökonom u. a. für die OECD, den Internationalen Währungsfonds und den amerikanischen Congressional Research Service tätig. Neben ihm ist die französische Arbeitsrechtlerin Isabelle Schömann, die von 2005 bis 2016 zu Fragen des Europäischen Sozialdialogs und des Arbeitsrechts beim European Trade Union Institute forschte, externes Mitglied in dem Gremium. Erst im April 2017 stieß der promovierte deutsche Ökonom Andreas Kopp, der zuvor 10 Jahre bei der Weltbank insbesondere für die Bereiche Transportwesen und Wasserversorgung zuständig war, als drittes externes Mitglied hinzu. 2. Organisation Der Ausschuss für Regulierungskontrolle ist gemäß Art. 1 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses verwaltungstechnisch dem Generalsekretariat der Europäischen Kommission zugeordnet. Das Generalsekretariat steht im Rang einer Generaldirektion gleich und ist unmittelbar dem Kommissionspräsidenten unterstellt. Es bündelt alle Verwaltungsaufgaben der Kommission, koordiniert die Arbeit der Dienststellen und fungiert als Schnittstelle zu anderen Unionsorganen und den nationalen Parlamenten.199 Trotz dieser formellen Einbindung in die Verwaltungsorganisation der Kommission soll der Ausschuss nach Art. 4 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses über ein unabhängiges Mandat verfügen, das ihn von Weisungen jeglicher Art freistellt. Fachliche Unterstützung erfährt der Ausschuss in seiner Kontroll- und Beratungstätigkeit durch bis zu drei (zurzeit zwei) Assistenten, die der Vorsitzende auswählt. Nicht zurückgreifen kann der Ausschuss hingegen auf einen eigenen Verwaltungsunterbau, der allein seinen Weisungen unterliegt. Die anfallenden Verwaltungsgeschäfte erledigt gemäß Art. 5 Abs. 5 des Einrichtungsbeschlusses das Generalsekretariat der Kommission. Zu diesem Zweck hat es innerhalb seiner Organisationsstrukturen eine kleine Facheinheit geschaffen, die als Sekretariat des Ausschusses fungiert und diesem vor allem für administrative Aufgaben zur Verfügung steht200. Dazu gehören die Planung und Vorbereitung der Ausschusssitzungen sowie die Kommunikation mit den Kommissionsdienststellen. Der Leiter („Secretary“) dieser Einheit wird gemäß Art. 1 Abs. 3 GO RSB vom Ausschussvorsitzenden in Absprache mit dem Generalsekretär der Kommission benannt. Die Auswahl der weiteren Mitarbeiter der Facheinheit vermag der Ausschuss nicht zu beeinflussen.

199

Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 6, Kap. 5 Rn. 1275 f.; Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 5 Rn. 109. 200 Siehe Art. 1 Abs. 2 GO RSB; Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 12; Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 8.

250

2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

3. Internes Arbeitsverfahren In der Regel trifft sich der Ausschuss zwei- bis dreimal im Monat, um die ihm vorgelegten Berichtsentwürfe von Folgenabschätzungen, wichtigen Evaluierungen und Eignungsprüfungen zu diskutieren.201 Die Beschlussfähigkeit setzt voraus, dass mindestens vier Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden anwesend sind. Gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses sollen sich die Mitglieder darum bemühen, möglichst viele Entscheidungen einstimmig zu treffen. Wenn kein Einvernehmen erzielt werden kann, entscheidet der Ausschuss mit einfacher Mehrheit der bei der Sitzung anwesenden Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden. Enthaltungen werden als nicht abgegebene Stimmen gewertet. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. In dringlichen Situationen besteht die Möglichkeit, dass der Ausschuss Entscheidungen im schriftlichen Verfahren trifft. Ausschließlich der Ausschussvorsitzende kann nach Art. 8 Abs. 1 GO RSB die Einleitung des schriftlichen Verfahrens beschließen. Die interne Organisation unterliegt der näheren Regelung in der bereits zitierten Geschäftsordnung des Ausschusses, die im Jahr 2016 beschlossen wurde. Sie bildet neben dem Einrichtungsbeschluss des Kommissionspräsidenten den rechtlichen Ausgangspunkt für die Kontroll- und Beratungstätigkeit des Ausschusses. Die Geschäftsordnung wird nach Art. 5 Abs. 3 des Einrichtungsbeschlusses vom Vorsitzenden im Einvernehmen mit dem Kommissionspräsidenten nach Anhörung des ersten Vizepräsidenten festgelegt. Sie präzisiert die Regelungen des Einrichtungsbeschlusses und enthält insbesondere detaillierte Vorgaben für die Sitzungen, die internen Verfahrens- und Entscheidungsabläufe sowie die Kommunikation mit Dritten. Dem Vorsitzenden obliegt gemäß Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses die Aufgabe, die Funktionsfähigkeit des Ausschusses zu gewährleisten und den Kontrollprozess in Bezug auf Folgenabschätzungen und Evaluierungen zu leiten. Ihm kommt gegenüber den anderen Mitgliedern eine herausgehobene Stellung zu. Das spiegelt sich in mehreren, zum Teil bereits erwähnten Rechten wider, die ausschließlich ihm durch den Einsetzungsbeschluss sowie die Geschäftsordnung zugewiesen worden sind. Dazu zählt u. a. die Entscheidungskompetenz über mögliche Interessenkonflikte, die ihm andere Ausschussmitglieder zur Kenntnis bringen. Weiterhin besitzt er etwa die Befugnis, die Geschäftsordnung des Ausschusses auszuarbeiten, sowie das Recht, die den Ausschuss fachlich unterstützenden Assistenten auszuwählen.

201 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 11; Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 10.

A. Entstehung und Tätigkeit

251

4. Öffentlichkeitsbezug Die Öffentlichkeitskomponente in der Tätigkeit des Ausschusses erweist sich als unterschiedlich stark ausgebildet. Einerseits sind die Namen der Ausschussmitglieder sowie deren ausführliche Lebensläufe auf den Internetseiten der Kommission einsehbar. Festgelegt ist darüber hinaus in Art. 6 Abs. 2 des Einrichtungsbeschlusses, dass die Stellungnahmen des Ausschusses zusammen mit dem bewerteten Bericht auf der Internetseite der Kommission veröffentlicht werden. Bei den Stellungnahmen zu Folgenabschätzungsberichten erfolgt die Veröffentlichung, sobald die Kommission den dazugehörigen Legislativvorschlag angenommen hat. Neben der endgültigen Stellungnahme zu einer Folgenabschätzung veröffentlicht die Kommission auch diejenigen Stellungnahmen des Ausschusses, die ein negatives Endurteil enthalten und aus diesem Grund eine nochmalige Vorlage eines überarbeiteten Folgenabschätzungsberichts erforderlich gemacht haben. Überdies veranstaltet der Ausschuss eine jährliche Konferenz, auf der er unterschiedliche Interessengruppen über seine Funktion im Better-Regulation-Prozess informiert und über die „Qualität“ sowie den Nutzen von Folgenabschätzungen und Evaluierungen diskutiert. Andererseits tagt der Ausschuss gemäß Art. 5 Abs. 4 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Beratungen des Ausschusses unterliegen überdies der Vertraulichkeit. Die wichtigsten Daten und Zahlen bezüglich geprüfter Folgenabschätzungen sowie Evaluierungen veröffentlicht der Ausschuss aber in seinem Jahresbericht.202 Mit diesem legt er gemäß Art. 10 Abs. 5 GO RSB einen Tätigkeitsnachweis ab und verweist in diesem Kontext auf aktuelle Entwicklungen in der „Better Regulation Policy“ der Europäischen Kommission, die sein Aufgabenfeld betreffen. Um eine weitergehende Außendarstellung und Erläuterung seiner Arbeit und deren Bedeutung für den Rechtsetzungsprozess bemüht sich der Ausschuss jedoch kaum. Dieser Befund dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Ausschuss trotz dreier externer Mitglieder ein tief in die internen Strukturen und Arbeitsabläufe der Kommission eingebundenes Gremium darstellt. Aus diesem Grund sehen seine Mitglieder offenbar keine Notwendigkeit, sich durch eine gezielte Öffentlichkeitsstrategie vom Behördenapparat der Kommission abzusetzen. 5. Tätigkeitspensum Im Jahr 2017 hat der Ausschuss insgesamt 53 (im Jahr 2016: 60) Folgenabschätzungsberichte der Kommissionsdienststellen überprüft. Von diesen haben 23 (2016: 25) Berichte zunächst eine negative Stellungnahme erhalten, so dass die zuständigen Kommissionsdienststellen in diesen Fällen den jeweiligen Bericht 202

Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 12; ders., Annual Report 2017, S. 11.

252

2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

überarbeiten und ihn dem Ausschuss erneut vorlegen mussten. Das entspricht einer Wiedervorlagequote von 43 % (2016: 42 %).203 Nach der darauffolgenden nochmaligen Überprüfung hat der Ausschuss mit zwei Ausnahmen (2016: eine Ausnahme) allen Folgenabschätzungen ein positives Votum ausgestellt. Jedoch erhielten zwölf dieser nochmals vorgelegten Folgenabschätzungen nur eine positive Stellungnahme mit Vorbehalt. Hinsichtlich der Ex-post-Bewertungsgegenstände kontrollierte der Ausschuss im Jahr 2017 vier Eignungsprüfungen und 13 Evaluierungen. In sieben Fällen gab er eine negative Stellungnahme ab. Im Jahr zuvor beurteilte er lediglich zwei Eignungsprüfungen sowie fünf Evaluierungen und fasste die Ergebnisse in Stellungnahmen zusammen, ohne dass diese Bewertungen mit einem positiven oder negativen Votum einhergingen. Von 18 weiteren Evaluierungen hat der Ausschuss im Jahr 2017 inhaltlich Kenntnis genommen, da sie verschiedenen Folgen­ abschätzungsberichten angehängt waren.204 Diese zuletzt genannten Evaluierungen sind nach dem „Evaluate First“-Prinzip einer Folgenabschätzung zu einer neuen Initiative vorangegangen, um die Auswirkungen vorheriger Rechtsakte in diesem Regelungsbereich zu ermitteln.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung Mit der Umwandlung des Ausschusses für Folgenabschätzung in den Ausschuss für Regulierungskontrolle änderte sich nicht nur der Name des Gremiums, sondern auch seine Zusammensetzung, das Maß seiner Unabhängigkeit sowie der Umfang seiner Befugnisse. In institutioneller Hinsicht orientierte sich die Europäische Kommission bei der Einsetzung des neuen Beratungsgremiums jedoch maßgeblich am Vorgängerausschuss. Fraglich ist aus diesem Grund, ob mit dem neuen Ausschuss tatsächlich ein Entwicklungsschritt verbunden ist, der der Kommission unter politischen, ökonomischen und rechtlichen Gesichtspunkten ein wirksames Instrument im Rahmen ihrer „Better Regulation“-Strategie an die Hand gibt.

I. Selbstbeschreibung des Ausschusses für Regulierungskontrolle Da sich der Ausschuss mit Veröffentlichungen zu seiner Arbeitsweise und den von ihm gelegten inhaltlichen Schwerpunkten zurückhält, ergeben sich Hinweise auf sein Selbstverständnis in erster Linie aus seinen Jahresberichten. Darin bezeichnet er sich als ein wichtiges Element im Rahmen der „Better Regulation“-Strategie der Europäischen Kommission. Sein zentraler Beitrag zu dieser Strategie besteht nach eigener Aussage in der Bereitstellung einer „internen Qualitätskontrolle“ für 203 204

Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 11. Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 27.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

253

die politische Ebene der Kommission. Diese „Qualitätskontrolle“ soll gewährleisten, dass die Entscheidungsträger auf alle verfügbaren Daten und die Ansichten der verschiedenen Interessengruppen zurückgreifen können, bevor sie über das Ob und Wie einer Legislativmaßnahme beschließen.205 Trotz seiner vermeintlichen Unabhängigkeit stellt sich der Ausschuss nicht als ein externes Gremium mit eigenen Ambitionen, sondern als interner Unterstützer der Kommission dar. Dementsprechend erscheint es nicht als Ziel seiner Arbeit, öffentlichkeitswirksam Versäumnisse der Kommission in ihrer Initiativtätigkeit aufzuzeigen. Zwar weist der Ausschuss sowohl auf wiederkehrende Schwachstellen in den kommissionseigenen Folgenabschätzungen als auch auf die fehlende Repräsentativität der Konsultationen von Interessengruppen und die Schwierigkeiten, Kosten und Nutzen einer Legislativmaßnahme zu quantifizieren, hin. Aber statt sich eigener möglicher Erfolge und kritischer Stellungnahmen zu rühmen, hebt der Ausschuss in seinem Jahresbericht Beispiele hervor, in denen es den zuständigen Kommissionsdienststellen im Rahmen einer Folgenabschätzung jeweils vorbildhaft gelungen sei, eine Konsultation von Interessengruppen bzw. eine Quantifizierung der Auswirkungen einer Initiative vorzunehmen.206 Diese Herangehensweise offenbart, dass dem Ausschuss nicht an einer kritischen Oppositionshaltung gegenüber der Kommission gelegen ist, sondern er eine unterstützend-begleitende Wahrnehmung seiner Funktion anstrebt. Maßgeblich dürfte dafür vor allem sein, dass sich der Ausschuss mehrheitlich aus Kommissionsbeamten zusammensetzt, bei denen eine gewisse Loyalität gegenüber der Kommissionspolitik nicht auszuschließen ist. Die zurückhaltenden Regelungen im Einsetzungsbeschluss erfordern aber auch kein anderes Rollenverständnis des Ausschusses.

II. Instrument zur Verbesserung der „Qualität“ der Unionsrechtsetzung Seit längerer Zeit steht zur Diskussion, ob die Europäische Union eines allgemeinen „unabhängigen Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes“ bedarf, der gewährleistet, dass die Produkte des Gesetzgebungsverfahrens den Standards „guter Rechtsetzung“ entsprechen.207 Als entscheidendes Kriterium eines entsprechenden 205

Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 9; ders., Annual Report 2017, S. 8. Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 20 und 23; ders., Annual Report 2017, S. 25. 207 So v. Danwitz, JZ 2006, 1 (3); Grüner, Quantität und Qualität, S. 411 f.; Gündisch / Mathij­ sen, Rechtsetzung und Interessenvertretung, S. 213; Hahn / Litan, JIEL 2/2005, 473 (503 ff.); Herten-Koch, Rechtsetzung, S. 217 ff.; Müller-Graff, EuZW 1998, 325 (330); Sandström, CML Rev. 2003, 1307 (1311 ff.); zurückhaltender, aber dennoch die Einbindung unabhängiger Experten in den Rechtsetzungsprozess fordernd, die die Einhaltung legislativer Checklisten überprüfen Koopmans, in: Due u. a. (Hrsg.), FS Everling, S. 691 (698 f.); kritisch dazu Krajewski / Rösslein, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 289 AEUV Rn. 40; Timmermans, CML Rev. 1997, 1229 (1248). 206

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Gremiums formulierte v. Danwitz, dass es in allen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens als weisungsfreie und verwaltungsorganisatorisch unabhängige Stelle agieren könne. Auf dieser Basis müsse es seine Aufgabe sein sicherzustellen, dass die Rechtsakte u. a. den Anforderungen der Rechtsförmlichkeit, der inneren Widerspruchsfreiheit sowie der systematischen Stimmigkeit genügten.208 Diese Funktion vermag der Ausschuss für Regulierungskontrolle mit Sicherheit nicht wahrzunehmen, da er zum einen lediglich die Europäische Kommission im Initiativstadium berät und sich sein inhaltlicher wie methodischer Fokus zum anderen allein auf Wirkungsanalysen richtet. Nichtsdestotrotz erhofft sich die Kommission vom Ausschuss, dass seine Kontrolle die Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit sowie Konsistenz ihrer Folgenabschätzungen verbessert und dadurch mittelbar auch die „Qualität“ und daran anschließend die Akzeptanz ihrer Rechtsetzungsvorschläge steigert. 1. Qualifizierung als „watchdog“ im Folgenabschätzungssystem der Europäischen Kommission Dem Folgenabschätzungssystem der Europäischen Union wurde wiederholt attestiert, dass es ihm an einer unabhängigen Kontrollinstanz, einem „watchdog“, fehle.209 Für den Begriff des „watchdogs“ existiert keine einheitliche Definition. Die im Rahmen der Konzepte zur Messung „administrativer Lasten“ eingerichteten Kontrollinstanzen in den Niederlanden, Großbritannien, Schweden und Deutschland gelten allgemeinhin als „watchdogs“210, obgleich sich ihre Kompetenzen von Land zu Land unterscheiden. Im Kern findet der Begriff Anwendung, um mehr oder weniger unabhängige Kontrollgremien zu beschreiben, welche die Einhaltung verschiedener Elemente „besserer“ Rechtsetzung auf Regierungsebene überprüfen. Es ist zu klären, ob der Ausschuss diese Rolle auf Unionsebene erfüllen kann. Für eine Einordnung als „watchdog“ spricht zunächst, dass die Europäische Kommission den Ausschuss mit der Zuordnung zu ihrem Generalsekretariat als Kontrollgremium für die „Qualität“ der Folgenabschätzungen an zentraler politischer Stelle positioniert hat. Durch ihre interne Vorgabe, dass grundsätzlich alle Folgenabschätzungsberichte einer positiven Stellungnahme des Ausschusses bedürfen, damit der dazugehörige Legislativvorschlag weiterverfolgt werden kann, hat die Kommission dem Ausschuss eine gewisse Machtposition eingeräumt. Allerdings geht diese Machtposition nicht mit einem formellen Vetorecht einher. Ein solches ist angesichts der damit verbundenen rechtlichen Schwierigkeiten jedoch keine unbedingte Voraussetzung eines „watchdogs“, dessen Wirkungsweise stärker auf 208

v. Danwitz, JZ 2006, 1 (3). Hahn / Litan, JIEL 2/2005, 473 (503); Renda, Impact Assessment in the EU, S. 124 ff. 210 Vgl. OECD, Better Regulation in Europe: Germany, S. 56; Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 78; auch Kontrolleinheiten, die insgesamt Folgenabschätzungen überprüfen, werden als „watchdogs“ bezeichnet, siehe Jacobs, in: Kirkpatrick / Parker (Hrsg.), Regulatory Impact Assessment, S. 17 (21); siehe in Bezug auf den Normenkontrollrat unter Kap. 1, B. V. 1. 209

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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Mechanismen wie der Veröffentlichung von ggf. kritischen Stellungnahmen als Verhaltenssteuerung basiert. Vetorechte einer Kontrollinstanz provozieren demgegenüber häufig lediglich Widerstand und Ausweichstrategien.211 Die Zweifel an einer Einordnung als „watchdog“ liegen vielmehr darin begründet, dass es sich bei dem Ausschuss letzten Endes um eine „inhouse-Veranstaltung“ handelt212. Der organinterne Charakter des Gremiums kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass abgesehen vom Einsetzungsbeschluss wesentliche Vorgaben zu „Auftrag, Aufgaben und Personal“ des Ausschusses in einer „Mitteilung an die Kommission“ enthalten sind.213 Diese Bezeichnung ist selten und deutet darauf hin, dass es sich um kommissionsinterne Verwaltungsvorschriften handelt. Diese sind als Selbstverpflichtung der Kommission grundsätzlich rechtlich unverbindlich. Unterstrichen wird der kommissionsinterne Charakter durch die personelle Zusammensetzung des Gremiums. Mit einer Mehrheit von Kommissionsbeamten, die nach drei Jahren wieder in ihre ursprünglichen Dienststellen zurückkehren, darf vom Ausschuss dauerhaft keine allzu kritische Kontrolltätigkeit erwartet werden. Trotz dreier externer Experten, deren Auswahl wiederum auch der Kommission obliegt, darf die institutionelle Verankerung der kommissionsangehörigen Mitglieder nicht übersehen werden. Die Einbeziehung der externen Mitglieder bedeutet nicht mehr als eine teilweise Auslagerung der Kontrollfunktion, um die Glaubwürdigkeit der Stellungnahmen des Ausschusses zu stärken.214 Ein weiterer Schwachpunkt im Mandat des Ausschusses besteht darin, dass seine Überprüfungskompetenz lediglich dann eingreift, wenn die Europäische Kommission eine Folgenabschätzung vornimmt. Das ist weiterhin nicht immer der Fall215, sondern nur dann, wenn es sich um Vorhaben mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen handelt. Die Folgen anderer Regelungsentwürfe bleiben unberücksichtigt und dürfen daher vom Ausschuss weder ermittelt noch überprüft werden. Hinsichtlich der Frage, ob eine Initiative mit erheblichen Auswirkungen vorliegt, kommt der Kommission ein breiter Ermessensspielraum zu. Diese Abhängigkeit des Kontrollrechts vom Vorliegen einer kommissionseigenen Wirkungsanalyse unterminiert die Stellung des Ausschusses und macht die Grenzen seiner Befugnisse offensichtlich. Unabhängig davon bedarf es zudem einer ausreichenden Personalausstattung, um die Kontrolltätigkeit umfassend und sachlich richtig ausüben zu können. Zwar sind die Mitgliederposten als Vollzeitstellen konzipiert, jedoch ist der fachlich-unterstützende sowie administrative Unterbau dünn besetzt. Es fehlt nicht nur an einem selbstständigen Sekretariat, sondern 211

Siehe dazu Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 80 f. So Meuwese, EJRR 3/2015, 359 (359); Schroeder, ZG 2016, 193 (204). 213 Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final; zur ähnlichen Formulierung bei den Rahmenregelungen der Kommission für Expertengruppen aus dem Jahr 2010 Pilniok, EuR 2014, 62 (65 f.). 214 Sarpi, EJRR 3/2015, 372 (372 f.). 215 Schroeder, ZÖR 2013, 225 (236); ders., ZG 2016, 193 (201); ebenso Impact Assessment Institute, A year and a half of the Better Regulation Agenda, S. 34 f. 212

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

auch die Zahl von zurzeit zwei fachlich zuarbeitenden Assistenten ist knapp bemessen. Ebenso darf bezweifelt werden, ob die nicht verlängerbare Amtszeit von drei Jahren ausreicht, damit die Mitglieder sich in ihre Materie einarbeiten und eine kritisch-unabhängige Distanz zur Kommission aufbauen können. Die institutionelle und rechtliche Konzeption genügt daher im Ergebnis nicht den Anforderungen, um dem Ausschuss die Stellung eines wirklichen „watchdogs“ zuzuerkennen.216 2. Institutionalisierung der Kontrolle von kommissionseigenen Folgenabschätzungen und Evaluierungen Der Begriff der Institutionalisierung beschreibt die Verfestigung von wiederkehrenden Handlungsabläufen und Strukturen.217 Da mit dem Ausschuss für Regulierungskontrolle eine dauerhafte und formalen Regeln unterliegende Einrichtung geschaffen wurde, stellt er eine Form organisatorischer Institutionalisierung dar. Diese Institutionalisierung ist zentral ausgerichtet. Nicht jede Generaldirektion der Europäischen Kommission unterhält ein eigenes Kontrollreferat, das die jeweiligen Wirkungsanalysen überprüft, sondern diese Kontrollfunktion ist allein beim Ausschuss gebündelt. Die Institutionalisierung bezieht sich sowohl auf Folgenabschätzungen als auch auf Evaluierungen der Kommission. Sie erfasst nicht die Durchführung der Ex-ante- und Ex-post-Wirkungsanalysen, sondern ausschließlich deren „Qualitätskontrolle“. Wirkungsanalysen anderer Unionsorgane sind nicht in diese institutionalisierte Kontrolle eingebunden. Das Wissen um die Institutionalisierung der Kontrolle führt bei den die Wirkungsanalysen durchführenden Dienststellen dazu, dass sie um ein Mindestmaß an methodischer Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit ihrer Analysen bemüht sind. Allerdings ist diese Motivation von der Tiefe und Gründlichkeit der Kontrollausübung abhängig. Im Jahr 2017 erhielten 43 % der Folgenabschätzungsberichte der Kommission eine negative erste Bewertung des Ausschusses, so dass in diesen Fällen eine Wiedervorlage des bemängelten Berichts erforderlich wurde.218 Obwohl die Überprüfungen streckenweise oberflächlich ausfallen und letzten Endes alle bis auf zwei Folgenabschätzungen im Jahr 2017 positiv beurteilt worden sind, zeigt die Anzahl der negativen Bewertungen im ersten Durchgang, dass der Ausschuss durchaus gewillt ist, als kritisches Kontrollgremium aufzutreten. Nach eigener Aussage des Ausschusses bewirkten seine negativen Stellungnahmen, dass die Kommissionsdienststellen wesentliche Aspekte der kritisierten Folgenabschätzungen nachbesserten.219 Die Wirkungsweise des Ausschusses beruht somit darauf, dass er mangelhafte Folgenabschätzungen durch die Veröffentlichung einer negativen 216

Ebenfalls zweifelnd Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (213); Schroeder, ZG 2016, 193 (204). 217 Siehe dazu bereits unter Kap. 1, B. V. 2. 218 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 11. 219 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 20 f.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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Stellungnahme sanktionieren kann. Daraufhin ist die zuständige Kommissionsdienststelle dazu verpflichtet, einen überarbeiteten Analysebericht vorzulegen, dessen Ausfertigung für die Kommissionsbeamten mit Mehrarbeit und Zeitverzögerungen einhergeht. Auch eine zum zweiten Mal vorgelegte Folgenabschätzung kann der Ausschuss negativ bewerten. Das lässt den Schluss zu, dass er durchaus als institutionalisiertes Instrument zur „Qualitätsverbesserung“ des Folgenabschätzungssystems der Kommission fungieren kann. 3. Methodische Grenzen Das mit der Einsetzung des Ausschusses verfolgte Ziel, die Ergebnisse des unionalen Rechtsetzungsprozesses mittels einer „unabhängigen Qualitätskontrolle“ zu „verbessern“, stößt insbesondere an methodische Grenzen. Zunächst stehen den Generaldirektionen für die verschiedenen Verfahrensschritte, die notwendig sind, um die von ihren Regelungsinitiativen ausgehenden Folgen ansatzweise abschätzen zu können, eine Vielzahl methodischer Instrumente zur Verfügung.220 Die Festlegung, welches dieser Instrumente die zuständige Generaldirektion nutzt, obliegt dieser grundsätzlich selbst. Sie ist aber angehalten, die für die Ermittlung und Quantifizierung der Auswirkungen einer Initiative jeweils am besten geeignete Methode zu verwenden und diese Entscheidung im Folgenabschätzungsbericht zu begründen.221 Selten kann die am besten geeignete Methodik jedoch eindeutig bestimmt werden, so dass die verantwortliche Kommissionsdienststelle bei der Auswahl und Anwendung über einen nicht unerheblichen Ermessensspielraum verfügt222. Da die Ergebnisse einer Folgenabschätzung abhängig von den genutzten Analysemodellen variieren können, stellt die Wahl des methodischen Instrumentariums gleichsam eine politisch motivierte Entscheidung dar. Die handelnde Kommissionsdienststelle wird häufig das Analyseinstrument einsetzen, das am ehesten das gewünschte Resultat herbeiführt und die Vorteile des Legislativvorschlags betont. Die methodische Vielfalt an Instrumenten, die sich generell für eine Folgenabschätzung eignen, hat auch bereits zu erheblichen Spannungen innerhalb der Europäischen Kommission geführt. Während das Generalsekretariat darauf beharrt, dass die Better Regulation Guidelines den einzigen Referenzpunkt für die Anfertigung von Folgenabschätzungen bilden, greifen mehrere Generaldirektionen auch auf sachspezifischere, alternative Analysemethoden zurück, um die potenziellen Auswirkungen einer Maßnahme in bestimmten Politikfeldern besser ermitteln zu können.223 220 Vgl. Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 343 ff.; Hanisch, Institutionenökonomische Ansätze, S. 26. 221 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 27; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 26. 222 Vgl. Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (46); Hanisch, Institutionenökonomische Ansätze, S. 33; Meuwese, Impact Assessment, S. 63. 223 Renda, in: Dunlop / Radaelli (Hrsg.), Regulatory Impact Assessement, S. 304 (309).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Vor diesem Hintergrund steht der Ausschuss vor der Schwierigkeit, die Auswahl und Anwendung der genutzten methodischen Instrumente umfassend zu bewerten. Zwar kann er darauf hinweisen, dass eine andere als die genutzte Methodik besser für die Wirkungsanalyse im Hinblick auf das konkrete Sachproblem geeignet gewesen wäre. Die Ermessensentscheidung der Dienststellen grundsätzlich in Frage stellen kann er jedoch nicht. Ebenso erschwert das Nebeneinander unterschiedlicher Analysemodelle die Möglichkeit, die Auswirkungen verschiedener Regelungsoptionen für ein Sachproblem miteinander zu vergleichen. In der Folge fällt es dem Ausschuss schwer, den in jeder Folgenabschätzung dargestellten Vergleich der möglichen Regelungsoptionen tiefgreifend zu überprüfen. Als problematisch für die Beurteilung der Folgenabschätzungen erweist sich auch der im Kern sinnvolle Grundsatz der verhältnismäßigen Analyse. Er zielt darauf ab, dass eine Folgenabschätzung in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren in Umfang und Tiefe angemessen ausfallen sollte.224 Zu den für den Umfang einer Folgenanalyse maßgeblichen Faktoren gehören die politische Bedeutung der Initiative, die Komplexität des zu regelnden Problems, die Signifikanz der erwarteten Auswirkungen sowie das Risiko unerwarteter negativer Folgen.225 Angesichts dieser Kriterien handelt es sich bei der Festlegung, welchen Umfang eine Folgenabschätzung haben sollte, um eine komplexe Entscheidung, die für die inhaltliche Schwerpunktsetzung und das Ergebnis von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Vom Ausschuss kann diese Ermessensentscheidung im Nachhinein jedoch nur sehr eingeschränkt kritisiert werden. Eine weitere Schwierigkeit für die Kontrolltätigkeit des Ausschusses resultiert aus den inhaltlichen Schwächen der dem Folgenabschätzungssystem zugrundeliegenden Analysemethoden. Die im Zuge einer Folgenabschätzung regelmäßig zum Vergleich verschiedener Regelungsoptionen angewendete Kosten-Nutzen-Analyse nährt die Vorstellung, dass sich durch quantifizierte Kosten-Nutzen-Vergleiche gesetzgeberische Entscheidungen versachlichen lassen.226 Sie spiegelt damit aber Scheinrationalitäten und eine Genauigkeit vor, die im Regelfall weder dem empirischen Material, auf das sich die Prognose bezieht, noch der diffizilen Realität gerecht wird. Vor allem in Fällen, in denen wie beispielsweise bei der Bewertung eines Menschenlebens oder von sozialen und ökologischen Standards ein unmittelbarer Marktpreis nicht gegeben ist, stößt der monetäre Abgleich von Kosten und Nutzen eines Regelungsvorhabens an seine Grenzen. Die Kommission verweist diesbezüglich auf Verfahren, die mithilfe von Zahlungsbereitschaftsbefragungen („Stated Preferences“) oder über indirekte Methoden („Revealed Preferences“)

224 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 54; Meuwese, Impact Assessment, S. 58 f.; Renda, Impact Assessment in the EU, S. 92 f.; Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth / Emerson (Hrsg.), Comparative Administrative Law, 2. Aufl., S. 333 (346); Wolf-Hegerbekermeier, ZG 2013, 357 (363). 225 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 54 f. 226 Köck, VerwArch 93 (2002), 1 (10).

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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Aussagen über die Bewertung nicht am Markt gehandelter Güter ermöglichen.227 Nachteilig an diesen Verfahren ist nicht nur, dass sie mit erheblichem Aufwand verbunden sind, sondern auch, dass sie allenfalls den gegenwärtigen Nutzen eines Gutes, nicht aber seine zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten abbilden können.228 Eine alternative und einfachere Lösung soll die Kosten-Wirksamkeits-Analyse bereithalten, die den Nutzen einer Initiative nicht monetär beurteilt, sondern Punkte für die Wirksamkeit eines Vorhabens vergibt, in denen sich das Maß der Zielerreichung ausdrückt.229 Diese Methode hat aber den Nachteil, dass sie sich nur dafür eignet, verschiedene Regelungsoptionen im Hinblick auf ein vorgegebenes Ziel miteinander zu vergleichen, und die darüber hinausgehende Vorteilhaftigkeit eines Vorhabens außer Acht lässt.230 Einen weiteren Ansatz, auf welchen die Kommissionsdienststellen zurückgreifen können, stellt die Mehrkriterien-Analyse dar.231 Gegenüber der Kosten-Nutzen-Analyse hat sie den Vorteil, dass sie eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien bei der Gegenüberstellung von Regelungsoptionen berücksichtigt. Dadurch trägt sie der Multidimensionalität der Wirklichkeit in größerem Umfang Rechnung. Als Schwachpunkt der Mehrkriterien-Analyse gilt jedoch, dass die Auswahl und Gewichtung der Kriterien subjektiven Präferenzen unterliegt, die das Ergebnis der Analyse in erheblichem Umfang beeinflussen können.232 Die beschriebenen Schwächen der Analysemethoden können nicht nur die Ergebnisse der Folgenabschätzungen in Frage stellen, sondern zeigen auch die methodischen Grenzen auf, denen der Ausschuss im Rahmen seiner Bewertungstätigkeit unterliegt. Da die kommissionsinternen Better Regulation Guidelines den maßgeblichen Bewertungsmaßstab des Ausschusses darstellen, hat er die darin geschilderten Methoden zu berücksichtigen. Er muss die ihm vorgelegten Wirkungsanalysen vor allem daraufhin kontrollieren, ob die Dienststellen die Methoden und Instrumente aus den Kommissionsleitlinien richtig angewandt haben. Damit wirken sich die Unzulänglichkeiten der Analyseinstrumente mittelbar und nachteilig auf die Aussagekraft sowie die inhaltliche Verlässlichkeit der Stellungnahmen des Ausschusses aus.

227 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 353 ff.; dies., Toolbox, SWD(2017) 350 final, S. 241 ff. 228 Hofmann, Abwägung im Recht, S. 55 f.; zur Kritik an diesen Methoden Bürger / Pahle / Wordelmann, VM 2009, 83 (84). 229 Franz, Verwaltungswissenschaft, S. 367; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 58. 230 Jacobs, in: Kirkpatrick / Parker (Hrsg.), Regulatory Impact Assessment, S. 17 (30); Hofmann, Abwägung im Recht, S. 58; Meuwese, Impact Assessment, S. 64. 231 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 395. 232 Vgl. Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (44); Meuwese, Impact Assessment, S. 64; ebenfalls kritisch Schwintowski, Politik und Gesetzgebung, S. 99.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

III. Unabhängigkeit als wesentliche Eigenschaft Von erheblicher Bedeutung für die Tätigkeit von Kontrollgremien jeder Art ist das Maß der Unabhängigkeit, mit dem sie von der einsetzenden Stelle ausgestattet wurden.233 Es entscheidet darüber, wie unbefangen sie ihrer Kontrollaufgabe nachkommen können und welcher Stellenwert den von ihnen verfassten Bewertungen in inhaltlicher Hinsicht beizumessen ist. Vor dem Hintergrund, dass die Kommission wiederholt ihr Folgenabschätzungssystem als besonders vorbildhaft tituliert hat234, stellt es in gewisser Weise eine Frage der Glaubwürdigkeit dar, inwiefern sie sich bereit erklärt, ihre Folgenabschätzungen einer tatsächlich unabhängigen Kontrolle zu unterziehen. Unabhängigkeit bedeutet in diesem Kontext zwar nicht, dass ein Gremium völlig frei von jeglichen äußeren Einflüssen agieren können muss. Jedoch liegt es bei einem beratend tätigen Gremium, das im Unterschied zu unabhängigen Verwaltungseinheiten auf Unionsebene über keine unmittelbaren Entscheidungsbefugnisse verfügt, näher, auf weitgehende Steuerungs- und Kontrollmechanismen verzichten zu können. 1. Auftrag zur unabhängigen Tätigkeit Aus Art. 4 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses ergibt sich, dass sowohl die Ausschussmitglieder als auch die sie unterstützenden Bediensteten ihre Aufgaben unabhängig ausüben. Sie dürfen weder um Weisungen ersuchen noch solche entgegennehmen. Damit besteht die Weisungsfreiheit nicht nur in fachlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht. Das Fehlen eines Weisungsrechts vermittelt dem Ausschuss die für eine objektive Überprüfung erforderliche sachliche und funktionale Unabhängigkeit. Unabhängigkeit wird dabei in erster Linie in Relation zur Europäischen Kommission verstanden, gilt aber auch im Hinblick auf andere Unionsorgane, die Mitgliedstaaten und Interessen Dritter. Die Gefahr potenzieller Interessenkonflikte, die daraus resultieren, dass die als Mitglieder tätigen Kommissionsbeamten vor ihrer Berufung in den Ausschuss mit Initiativen befasst waren, deren Folgenabschätzung oder Evaluierung sie nun zu bewerten haben, liegt jedoch auf der Hand. Um diesen zu begegnen, sollen die Mitglieder gemäß Art. 4 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses entsprechende Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einem bestimmten Bericht dem Vorsitzenden anzeigen. Dieser kann nach Anhörung des ersten Vizepräsidenten der Kommission geeignete Maßnahmen treffen und insbesondere beschließen, dass das betreffende Mitglied nicht an der Prüfung des Berichts teilnimmt. Wenn der Vorsitzende mit einem eigenen Interessenkonflikt konfrontiert ist, soll er diesen Umstand dem 233

Näher zum Maßstab und zu den Kriterien für Unabhängigkeit bereits unter Kap. 1, B. VI. Siehe etwa Europäische Kommission, Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 6 f.; dies., Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 6 f.; dies., Bessere Rechtsetzung, COM(2016) 615 final, S. 9 f. 234

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

261

Kommissionspräsidenten mitteilen, der nach Anhörung des ersten Vizepräsidenten dieselben Maßnahmen zu treffen befugt ist. Um die personelle Unabhängigkeit des Ausschusses zu stärken, legte der Kommissionspräsident in seinem Einsetzungsbeschluss (Art. 3 Abs. 6) fest, dass die Mitglieder ausschließlich solche Aufgaben wahrnehmen dürfen, die sich aus ihrer Tätigkeit für den Ausschuss ergeben oder mit denen sie von der Kommission betraut werden. Folgerichtig ist die Mitgliedschaft im Ausschuss als Vollzeitstelle angelegt und geht mit einer entsprechenden Vergütung als Direktor, Hauptberater oder Berater einher. Im Vergleich zum (Vorgänger-)Ausschuss für Folgenabschätzung, dessen Mitglieder neben ihrer Arbeit als Kommissionsbeamte in einer Generaldirektion für den Ausschuss tätig waren und folglich nur einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Aufgabenwahrnehmung im IAB aufwenden konnten, liegt darin eine bedeutsame Fortentwicklung.235 Das dadurch erreichte höhere Maß an Unabhängigkeit ist geeignet, die Akzeptanz der Stellungnahmen des Ausschusses sowohl innerhalb der Kommission als auch bei Ministerrat und Europäischem Parlament zu stärken. Des Weiteren dient die Neuregelung der Besetzung dazu, Interessenkonflikte zu vermeiden, die aus der zeitgleichen Ausübung unterschiedlicher Ämter resultieren. Der Umstand, dass die Amtszeit der Mitglieder auf drei Jahre befristet ist, ohne dass eine Verlängerungsoption besteht, stärkt ebenfalls deren Unabhängigkeit. So müssen die Mitglieder bei ihrer Bewertungstätigkeit keine Rücksicht darauf nehmen, dass sie durch zu kritische Stellungnahmen die Chance auf eine erneute Berufung in den Ausschuss verlieren könnten. 2. Differenzierung zwischen externen und kommissionsangehörigen Mitgliedern Unbestritten ist, dass die Einbeziehung dreier externer Mitglieder in die Prüfungstätigkeit des Ausschusses dessen Unabhängigkeit im Vergleich zum (Vorgänger-)Ausschuss für Folgenabschätzung intensiviert hat.236 Zweifelhaft bleibt jedoch, ob der dadurch erzielte Grad an Unabhängigkeit als ausreichend erachtet werden kann, um tatsächlich von einer unvoreingenommenen Bewertung der Folgenabschätzungen, Evaluierungen und Eignungsprüfungen auszugehen. Anknüpfungspunkt für diese Zweifel ist die Tatsache, dass einschließlich des Vorsitzenden eine Mehrheit von vier Kommissionsbeamten gegenüber drei externen Mitgliedern im Ausschuss herrscht. Die derzeitige Mischung aus kommissionsangehörigen sowie externen Mitgliedern stellt indes auch einen Entwicklungsschritt dar. Der 235

Meuwese / Gomtsian, MJ 4/2015, 483 (486); Schroeder, ZG 2016, 193 (204). Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (350); Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (213); Meuwese, EJRR 3/2015, 359 (359); Renda, in: Dunlop / Radaelli (Hrsg.), Regulatory Impact Assessement, S. 304 (315); Smulders / Paquet, in: Garben / Govaere (Hrsg.), Better Regulation Agenda, S. 79 (96); ähnlich Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth / Emerson (Hrsg.), Comparative Administrative Law, 2. Aufl., S. 333 (339). 236

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

ausschließlich kommissionsinterne Ansatz des Ausschusses für Folgenabschätzung beruhte auf der praktischen Idee, dass die Kommissionsbeamten aus den Dienststellen den Stellungnahmen der für den Ausschuss ausgewählten Spitzenbeamten folgen, da diese früher oder später einmal als Generaldirektor deren Vorgesetzte werden könnten. Ausgehend von diesem „peer review“ verschob sich der Ansatz hin zu einem Modell, das mehr Wert auf Abgrenzung vom politischen Prozess legt.237 Allerdings wurde dieser Weg nur halbherzig beschritten, weil es doch bei einer Mehrheit der Kommissionsbeamten im Ausschuss blieb. Den kommissionsangehörigen Mitgliedern soll nicht die Fähigkeit abgesprochen werden, die Berichte der Kommissionsdienststellen unbefangen prüfen zu können. Gleichwohl muss man bei ihnen von einer gewissen Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber ausgehen, da sie im Regelfall auf eine jahrelange Karriere in der Kommission zurückblicken. Als finanziell abhängig Beschäftigte der Europäischen Kommission kehren sie zudem nach Ablauf ihrer dreijährigen Amtszeit im Ausschuss wieder in ihre ursprüngliche Generaldirektion zurück.238 Die notwendige kritische Distanz gegenüber den Berichtsentwürfen der Kommissionsdienststellen, um diese einer vollumfänglichen, unparteiischen Kontrolle zu unterziehen, könnte daher im Einzelfall fehlen.239 Die Ausschussmehrheit verfügt daher nur über eine geringe personelle Unabhängigkeit von der Kommission. Ebenfalls von Bedeutung für die Unabhängigkeit wird sein, wie sich das Verhältnis zwischen kommissionsangehörigen und externen Mitgliedern im Ausschuss entwickelt. Die Arbeitsdynamik könnte dazu beitragen, dass die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen verschwimmen und sie als eine Einheit agieren. Im Fall von Unstimmigkeiten ist es allerdings wahrscheinlich, dass ein Lagerdenken einsetzt und sich die kommissionsangehörigen Mitglieder ihrer Mehrheit besinnen, um im Sinne der Kommission zu votieren.240 Der Vorsitz, der stets von einem Kommissionsbeamten bekleidet wird, gibt bei Stimmengleichheit mit seiner Entscheidung schließlich den Ausschlag. 3. Auswahl der Mitglieder Die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens kann ein Indiz für das Maß der Unabhängigkeit eines Gremiums sein. Das Vorschlagsrecht sowohl für die externen als auch für die kommissionsangehörigen Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden liegt beim Kommissionspräsidenten. Die Ernennung der Mitglieder erfolgt jeweils durch die Kommission als Kollegialorgan im Einvernehmen mit dem ersten 237

Meuwese, EJRR 3/2015, 359 (359). Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 4. 239 Ähnlich Radaelli / Schrefler, EJRR 3/2015, 357 (358); Schroeder, ZG 2016, 193 (204); Sohn / Dauner, cepInput 17/2015, S. 13; optimistischer hingegen Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV Rn. 58. 240 Ebenfalls in diese Richtung Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (350 f.). 238

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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Vizepräsidenten sowie dem Vizepräsidenten für Haushalt und Personal. Obwohl der Ausschuss die Arbeit der Kommission und ihrer Dienststellen unabhängig bewerten soll, sind am Auswahlprozess seiner Mitglieder ausschließlich Vertreter der Europäischen Kommission als der zu kontrollierenden Stelle beteiligt. Daran lässt sich erkennen, dass der Ausschuss weiterhin als kommissionsinternes Gremium angelegt ist, bei dessen Zusammensetzung die Kommission alle Einflussmöglichkeiten in ihren Händen hält. Ein gewisser Grad an Unabhängigkeit kann jedoch dadurch erzielt werden, dass die Kommission im Rahmen des Auswahlprozesses bestimmte Anforderungen an die potenziellen Mitglieder stellt und sich bei der Auswahlentscheidung daran orientiert. Entsprechende Anforderungen ergeben sich nicht aus dem Beschluss zur Einrichtung des Ausschusses, sondern aus einer gleichzeitig veröffentlichten Mitteilung zu „Auftrag, Aufgaben und Personal“ des Ausschusses. Darin ist festgelegt, dass die Kommission die externen Mitglieder nach ihrer wissenschaft­lichen Sachkenntnis in den Bereichen Folgenabschätzung, Ex-post-Bewertung und Regulierungspolitik im Allgemeinen aussucht. Für die kommissionsangehörigen Mitglieder gilt demgegenüber als Auswahlgrundlage lediglich ihr Fachwissen.241 Ob die Kommissionsspitze diese Kriterien tatsächlich einhält, unterliegt allerdings keiner weiteren Prüfung. Jedoch ist anzunehmen, dass die Kommission zumindest in Bezug auf die externen Mitglieder darum bemüht ist, Experten mit einschlägigem Fachwissen auszuwählen, um eine gewisse Ausstrahlungswirkung des Gremiums zu erreichen. Die bisherige Auswahlpraxis in Bezug auf die drei externen Mitglieder, die aus fachlich unterschiedlichen Bereichen stammen, scheint das zu bestätigen. Gleichwohl könnte es sich als schwierig herausstellen, die Unabhängigkeit der externen Mitglieder nach außen hin unter Beweis zu stellen242. 4. Anbindung an das Generalsekretariat der Europäischen Kommission Gemäß Art. 1 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses ist der Ausschuss verwaltungstechnisch ein Teil des Generalsekretariats der Europäischen Kommission. Diese Anknüpfung wirft die Frage nach der organisatorisch-institutionellen Unabhängigkeit des Ausschusses auf. Die Angliederung an eine Verwaltungseinheit der Kommission schlägt sich zwar nicht in einem Weisungsrecht nieder, sie zeigt sich aber bereits daran, dass allein die Kommission über die Zusammensetzung des Gremiums entscheidet. Organisatorisch-institutionelle Unabhängigkeit setzt voraus, dass eine eigenständige Aufgabenerfüllung ohne Einflussnahme durch Dritte möglich ist. Ein mit Kontroll- und Beratungsfunktionen ausgestattetes Gremium 241

Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 3 f. Sarpi, EJRR 3/2015, 372 (373); Pachl, EJRR 3/2015, 375 (376) betont, dass der fachliche Hintergrund der externen Mitglieder entscheidend dafür sei, wie ausgewogen und glaubhaft der Ausschuss die Folgenabschätzungskontrolle wahrnehmen könne. 242

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

bedarf dafür in aller Regel fachlicher sowie administrativer Unterstützung. Die fachliche Unterstützung erfährt der Ausschuss gemäß Art. 3 Abs. 7 des Einrichtungsbeschlusses durch bis zu drei Assistenten, die der Vorsitzende auswählen darf. Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit erstrecken sich gemäß Art. 4 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses auf die den Ausschuss unterstützenden Bediensteten, so dass auch die Assistenten davon eingeschlossen sind. Über ein eigenes und selbstständiges Sekretariat zur administrativen Unterstützung verfügt der Ausschuss hingegen nicht. Entsprechende Verwaltungsgeschäfte des Ausschusses übernimmt das Generalsekretariat der Kommission. Dessen Mitarbeiter sind generell in die hierarchische Verwaltungsstruktur ihrer Dienststelle eingebunden. Ob sich die Weisungsfreiheit nach Art. 4 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses auf die Mitarbeiter des Generalsekretariats erstreckt, wenn sie Verwaltungstätigkeiten für den Ausschuss wahrnehmen, lässt sich weder dem Einrichtungsbeschluss noch anderen Dokumenten der Kommission eindeutig entnehmen. Aus Zweckmäßigkeitsgründen wäre es jedoch anzuraten, da anderenfalls die Gefahr bestünde, dass die Kommission den Mitarbeitern im Generalsekretariat Einzelweisungen erteilt, die den vom Ausschuss formulierten Vorgaben für seine Verwaltungsgeschäfte zuwiderlaufen. Generell bedeutungsvoll für die organisatorisch-institutionelle Unabhängigkeit ist überdies der Aspekt, ob sich die jeweilige Institution auf eine Geschäftsordnungsautonomie berufen kann. Eine Geschäftsordnung dient der inneren Organisation und ermöglicht es der Institution, ihre Arbeitsabläufe und Entscheidungsstrukturen selbstständig zu regeln.243 Beim Ausschuss legt dessen Vorsitzender gemäß Art. 5 Abs. 3 des Einrichtungsbeschlusses im Einvernehmen mit dem Kommissionspräsidenten sowie nach Anhörung des ersten Vizepräsidenten die Geschäftsordnung fest. Faktisch unterliegt die Geschäftsordnung demnach einem Genehmigungsvorbehalt der Kommissionsspitze. Erwähnenswert ist weiterhin, dass es Mitspracherechte der übrigen, insbesondere der externen Mitglieder bei der Ausarbeitung der Geschäftsordnung nicht zu geben scheint. Da der Vorsitz von einem leitenden Kommissionsbeamten bekleidet wird, steht zu befürchten, dass die Regelungsinhalte der Geschäftsordnung im Zweifel den Interessen der Kommission entsprechen. Aus diesen Gründen fehlt dem Ausschuss eine tatsächliche Geschäftsordnungsautonomie. Zur institutionellen Unabhängigkeit gehört auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Institution durch das Organ, das sie eingesetzt hat, verändert oder abgeschafft werden kann.244 Die Abschaffung des Ausschusses unterliegt in rechtlicher Hinsicht keinen großen Hürden. Rechtliche Grundlage seiner Tätigkeit ist der Einrichtungsbeschluss des Kommissionspräsidenten, den dieser gemäß Art. 22 Kommission-GO245 und kraft seiner Organisationsgewalt aus Art. 17 Abs. 6 b) EUV 243

Vgl. Bergel, Rechnungshöfe, S. 157; Thiele, Regeln und Verfahren der Entscheidungsfindung, S. 562. 244 Bredt, Legitimation, S. 30. 245 Siehe ABl. Nr. L 55 vom 05.03.2010, 61.

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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erlassen hat. Ändert der Kommissionspräsident diesen Beschluss oder hebt er ihn auf, kann er damit das Mandat des Ausschusses beschränken oder ihn komplett auflösen. Weder eine Beteiligung der Kommission als Kollegialorgan noch anderer Unionsorgane wäre diesbezüglich erforderlich. Folglich kann dem Ausschuss lediglich eine sehr geringe institutionelle Unabhängigkeit attestiert werden. Da es sich bei dem Ausschuss überwiegend um ein kommissionsinternes Gremium handelt, dessen Befugnisse andere Organe nicht unmittelbar betreffen, obliegt die Entscheidung über den Umfang seiner Unabhängigkeit allein der Kommission. Diese Entscheidung ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht unmittelbar angreifbar, da der Kommissionspräsident gemäß Art. 17 Abs. 6 b) EUV selbst über die Binnenorganisation seiner Behörde entscheiden darf. Rechtspolitisch könnte es sich jedoch als vorzugswürdig erweisen, die Unabhängigkeit insbesondere durch die Einbeziehung weiterer externer Fachleute auszuweiten. Dieses könnte die Überzeugungskraft und Objektivität der Stellungnahmen stärken und dem Eindruck entgegenwirken, als fürchte sich die Europäische Kommission vor einer externen Begutachtung ihrer Folgenabschätzungen.246

IV. Relevanz im Rahmen der Deregulierungspolitik der Europäischen Kommission Die Agenda der Kommission „Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung“ ist politisch dem Vorwurf ausgesetzt, sie verfolge in erster Linie eine Entlastung der Wirtschaft und gefährde dadurch die Einhaltung der sozial-, verbraucher-, gesundheits- und umweltpolitischen Ziele der Union. Insbesondere besteht die Sorge, dass soziale und ökologische Schutzstandards infolge von Kostenargumenten herabgesenkt werden könnten.247 Als Instrument einer solchen materiellen Deregulierungspolitik beurteilen Kritiker auch den Ausschuss für Regulierungskontrolle. Formiert hat sich der Widerstand in dem Zusammenschluss „Better Regulation Watchdog“, dem über 60 zivilgesellschaftliche Organisation angehören.248 Die Durchführung von Folgenabschätzungen und die Konsultation von Interessenvertretern erwecken in der Öffentlichkeit den Anschein, als verfolge die Kommission eine faktenbasierte Rechtsetzung. Ausgeblendet wird dadurch jedoch der Umstand, dass in Folgenabschätzungen die kostenspezifischen wirtschaftlichen Auswirkungen regelmäßig mehr Raum als der mit der Regelung verbundene soziale oder ökologische Nutzen einnehmen, da ökonomische Folgen besser quantifizierbar sind. Während über 90 % der kommissionseigenen Folgenabschätzungen 246

In diesem Sinne auch Schroeder, ZG 2016, 193 (203 f.). Dawson, CML Rev. 2016, 1209 (1224 f.); Pachl, EJRR 3/2015, 375 (375); Wegrich, EJRR 3/2015, 369 (371). 248 http://www.betterregwatch.eu/ (letzter Zugriff: 14.12.2017); dazu Pachl, EJRR 3/2015, 375 (377). 247

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Aussagen zu ökonomischen Auswirkungen enthalten, stellen die Dienststellen in positiver wie in negativer Hinsicht soziale Auswirkungen in 60 % und ökologische Auswirkungen nur in 40 % der Folgenabschätzungen dar.249 Vor allem Regelungen zum Schutz der Umwelt oder der Gesundheit sind oftmals für die Wirtschaft mit hohen, methodisch ermittelbaren Kosten verbunden, während ihr Nutzen nicht ohne Weiteres objektiv messbar ist und damit zum Streitgegenstand wird.250 In die Folgenabschätzungen fließen im Übrigen die Erkenntnisse aus den Konsultationen mit den Interessenvertretern ein. Solche Konsultationen werden der Kommission durch Art. 11 Abs. 3 EUV abverlangt. Mittlerweile richtet die Europäische Kommission im Rahmen eines Folgenabschätzungsprozesses an bis zu drei Zeitpunkten öffentliche Konsultationen aus. Im Jahr 2017 wurden 92 % der Folgenschätzungen von einer öffentlichen Konsultation begleitet.251 Zu 89 % der Folgenabschätzungen führte die Kommission zusätzliche, zielgerichtete Konsultationen durch. Davon profitieren vor allem Vertreter von Wirtschaft und Industrie, die mithilfe der Konsultationen ihre Argumente in das Rechtsetzungsverfahren einbringen können. Es sind im Regelfall gut vernetzte Wirtschaftsverbände, die dank ausreichender finanzieller Kapazitäten organisierte Interessenvertretung betreiben können, um nachteilige Regelungen für Unternehmen abzumildern oder zu verhindern. Bürgern und Vertretern öffentlicher Interessen fehlen hingegen oftmals die Ressourcen, um diese Beteiligungsmöglichkeiten umfassend wahrzunehmen. Die Belange nicht vertretener Gruppen, öffentlicher Interessen oder von Bürgern könnten daher an dieser Stelle zu kurz kommen und unberücksichtigt bleiben.252 Die Kommission betont zwar stets, dass Folgenabschätzungen nur eine Hilfe und kein Ersatz für politische Entscheidungen seien.253 Die Einrichtung des Ausschusses weist aber in eine andere Richtung und erhöht die Bedeutung der Folgenabschätzungen, indem sie einer vermeintlich unabhängigen „Qualitätskontrolle“ unterworfen werden. Die „Qualitätskontrolle“ durch den Ausschuss ist nicht nur auf methodische Fragen begrenzt, sondern darf sich auch inhaltlich mit den Erwägungen in den Folgenabschätzungsberichten auseinandersetzen. Darin liegt eine Einbruchstelle für politische Kritik, die sich auf bestimmte Folgen eines Rechtsetzungsvorschlags bezieht. Weiterhin sind Folgenabschätzungen für Regelungsvorhaben, die einen Kostenaufwand für die Wirtschaft nach sich ziehen, stets kom 249

Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 19. Siehe Dawson, CML Rev. 2016, 1209 (1224); Wegrich, Leitbild „Better Regulation“, S. 53. 251 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 22. 252 Marxsen, ELJ 2015, 257 (273) mit dem empirisch ermittelten Befund, dass die Kommission im Rahmen von Konsultationen generell Wirtschaftsunternehmen in viel stärkerem Maße beteiligt als Bürger und Non-Profit-Organisationen; ähnlich Pachl, EJRR 3/2015, 375 (376 f.); Sarpi, EJRR 3/2015, 372 (374); weniger kritisch zur Konsultationspraxis der Kommission Hugo, Vernehmlassung, S. 414 f. 253 Europäische Kommission, Mitteilung über Folgenabschätzung, KOM(2002) 276 endg., S. 3; dies., Leitlinien zur Folgenabschätzung, SEK(2009) 92, S. 4; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 17; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 15. 250

B. Rechtspolitische Stellung und Einordnung

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plexer und anspruchsvoller durchzuführen als solche für Initiativen, die materielle Deregulierungsmaßnahmen zum Gegenstand haben. Es ist daher zu erwarten, dass Kommissionsinitiativen, die Kostenbelastungen abbauen, vom Ausschuss in der Regel mit einer positiven Stellungnahme zum dazugehörigen Folgenabschätzungsbericht bedacht werden. Demgegenüber könnten es Folgenabschätzungen zu Rechtsetzungsvorschlägen, die der Wirtschaft zum Schutz von Menschen und Umwelt Auflagen erteilen, aufgrund der damit verbundenen Kosten- und Verwaltungsbelastungen für Unternehmen schwerer haben, eine positive Einschätzung des Ausschusses zu erhalten. Rechtlich sind die Unionsorgane durch die Verträge an die Einhaltung hoher Schutzstandards in der Umweltpolitik (Art. 11, 191 Abs. 2 AEUV), im Gesundheitsbereich (Art. 9, 168 Abs. 1 AEUV) und im Verbraucherschutz (Art. 12, 169 Abs. 1 AEUV) gebunden. Bei der Entscheidung, welchen Schutzstandard sie aufgrund der ermittelten Faktenlage für angemessen halten, verfügen die Kommission und die Unionsgesetzgeber aber über einen Ermessensspielraum254. Die im Rahmen der Folgenabschätzung gewonnenen Informationen sowie die Stellungnahme des Ausschusses beeinflussen diese Ermessensentscheidungen. Denn die Kommission erarbeitet die abschließende Fassung des Legislativvorschlags regelmäßig erst, wenn der Folgenabschätzungsbericht fertig ist. Zudem hat sie sich selbst die Vorgabe auferlegt, dass sie eine Initiative nur dann in die dienststellenübergreifende Abstimmung gibt, wenn eine positive Stellungnahme des Ausschusses vorliegt. In Einzelfällen steht zu befürchten, dass bestimmte Rechtsetzungsvorhaben, die mit besonders hohen Kosten vor allem für KMU einhergehen, von der Kommission gar nicht mehr in Angriff genommen werden, da die Folgenabschätzung diese Kosten offenbaren würde und es dadurch einen erhöhten Begründungszwang bzw. Mehraufwand nach einer negativen Stellungnahme des Ausschusses gäbe. Die Unionsgesetzgeber haben sich in der „Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ dazu verpflichtet, die Folgenabschätzungen der Kommission zu berücksichtigen.255 Ihnen liegt bei der Prüfung der Legislativvorschläge der Kommission zusätzlich die Stellungnahme des Ausschusses zur Folgenabschätzung vor. Die Beurteilung des Ausschusses könnte somit auch die Entscheidungsträger im Ministerrat und Europäischen Parlament beeinflussen. In ihrer politischen Entscheidung über den Rechtsetzungsakt sind Ministerrat und Parlament jedoch vollkommen frei. Ein generelles Absinken des Schutzniveaus ist daher nicht zu erwarten. Mit den Maßnahmen zur besseren Rechtsetzung verfolgt die Kommission vordergründig auch kein zielgerichtetes Deregulierungskonzept, sondern sie hat das Ziel, unter Wahrung der genannten Schutzstandards und Werte der Union 254

EuGH, Rs. C-343/09 (Afton Chemical), Slg. 2010, I-7027 Rn. 56; Schroeder, ZG 2016, 193 (213); siehe etwa zum Umweltschutz Kotzur, in: Geiger u. a., EUV / AEUV, Art. 11 AEUV Rn. 7. 255 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 14.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

die Kosten für die Wirtschaft zu senken.256 In Einzelfällen besteht aber die Gefahr, dass der von der Kommission politisch gelegte Schwerpunkt auf Kostenreduktion für kleinere und mittlere Unternehmen dazu führt, dass Umwelt- und Gesundheitsinteressen im Rahmen der Abwägung zur Ermessensausübung hinter diesem Belang zurückstehen müssen.257 Da diese Interessen in diesem Fall zwar prozedural, nicht aber materiell in die Abwägung einbezogen würden, steht zu befürchten, dass die Kommission kraft ihrer Initiativfunktion die Sicherung von Schutzstandards nicht in dem Umfang vorantreibt, wie es aus umwelt- und gesundheitspolitischen Gründen erforderlich wäre.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung Den Maßstab für die rechtliche Würdigung der Einsetzung des Ausschusses für Regulierungskontrolle bildet das EU-Verfassungsrecht. Dieses umfasst das in den Verträgen niedergelegte Primärrecht der Union einschließlich der ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist auf der einen Seite zu klären, ob die Befugnisse des Ausschusses geeignet sind, das Initiativmonopol sowie das Kollegialprinzip der Kommission, die jeweils auf einer primärrechtlichen Regelung beruhen, zu beeinträchtigen. Auf der anderen Seite richtet sich der Blick darauf, welche Konsequenzen die Arbeit des Ausschusses im Hinblick auf das institutionelle Gleichgewicht und das Demokratieprinzip der Union hat. In diesem Kontext spielen vor allem die Kompetenzverteilung und das Verhältnis zwischen Kommission, Europäischem Parlament und Ministerrat im Gesetzgebungsverfahren eine Rolle.

I. Initiativmonopol der Europäischen Kommission Gemäß Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV und Art. 294 Abs. 2 AEUV darf ein Gesetzgebungsakt der Union grundsätzlich nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden. Das darin zum Ausdruck kommende Initiativmonopol der Kommission beruht auf dem Gedanken, dass die Kommission als eine unabhängige, auf die Interessen der Union verpflichtete Institution am besten geeignet sei, einen ausgeglichenen Vorschlag vorzulegen, der auch die Belange kleinerer Mitgliedstaaten oder schlecht

256 So auch Schroeder, ZG 2016, 193 (213); ders., wbl 2016, 361 (365); dazu Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 3. 257 Ähnlich Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art.  11 AEUV Rn.  14; Dawson, CML Rev. 2016, 1209 (1224 f.); Garben, in: dies. / Govaere (Hrsg.), Better Regulation Agenda, S. 217 (239 f.); Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 3 Rn. 181; ders., in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (206 f.); dazu auch unter Kap. 3, C. I. 3.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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repräsentierter gesellschaftlicher Gruppen berücksichtige.258 War es zunächst nur in den speziellen Vorschriften zu den Rechtsetzungsverfahren niedergelegt, hat das Vorschlagsmonopol erst mit dem Vertrag von Lissabon eine ausdrückliche Verankerung im institutionellen Abschnitt des EUV erfahren. Dem Ausschuss für Regulierungskontrolle ist es angesichts seines Stellungnahmerechts gestattet, am kommissionsinternen Prozess der Ausarbeitung einer Initiative zu partizipieren. Diese Mitwirkungsbefugnis kommt als Ansatzpunkt für eine Beeinträchtigung des Initiativrechts in Betracht. In diesem Kontext verdient es besondere Beachtung, dass der Ausschuss formell unabhängig agieren kann und u. a. mit drei Sachverständigen besetzt ist, die nicht zugleich der Kommission angehören. Durch das Stellungnahmerecht zu den Folgenabschätzungsberichten kann der Ausschuss die Schwächen einer Wirkungsanalyse bemängeln und auf diese Weise die Erstellung des dazugehörigen Legislativakts zumindest verzögern. Ein Vetorecht, mit dem er den Folgenabschätzungsbericht und damit auch den Legislativvorschlag stoppen könnte, steht dem Ausschuss nach seinem Mandat allerdings nicht zu. Die Kommission hat sich in ihren Arbeitsmethoden zwar dazu bekannt, die dienststellenübergreifende Konsultation zu einem Legislativvorschlag grundsätzlich erst dann einzuleiten, wenn der dazugehörige Folgenabschätzungsbericht vom Ausschuss eine positive Beurteilung erhalten hat.259 Mehr als eine Selbstverpflichtung ohne verbindliche Außenwirkung ist darin jedoch nicht zu sehen. Das Initiativmonopol bezweckt im Übrigen nicht den Schutz der Kommission vor selbst gewählter sachverständiger Kontrolle und Beratung, sondern vor einer zu starken Einflussnahme durch Ministerrat und Europäisches Parlament. Vor allem große Mitgliedstaaten sollen über den Rat nicht die Möglichkeit bekommen, ihre nationalen Interessen in Gesetzgebungsvorschläge der Union umzuwandeln.260 Eine Gefahr der entsprechenden Einflussnahme liegt beim Ausschuss nicht vor, da die Auswahl sowohl der kommissionsangehörigen als auch der externen Mitglieder vollständig in den Händen der Kommission liegt. Darüber hinaus sitzt im Ausschuss einschließlich des stimmberechtigten Vorsitzenden eine Mehrheit von Kommissionsbeamten. Die Kontrolle der Folgenabschätzungsberichte erfolgt somit im Einflussbereich der Kommission. In seiner derzeitigen Ausgestaltung ist der Ausschuss daher mit dem Initiativmonopol der Kommission vereinbar261.

258

Herten-Koch, Rechtsetzung, S. 41; Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV Rn. 51; Meuwese, in: Weatherill (Hrsg.), Better Regulation, S. 287 (291); Schmidt / Schmitt v. Sydow, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 17 EUV Rn. 75; Temple Lang, CML Rev. 2002, 315 (318). 259 Europäische Kommission, Arbeitsmethoden, C(2014) 9004, S. 8 (noch bezogen auf den Ausschuss für Folgenabschätzung). 260 v. Buttlar, Initiativrecht, S. 295 f.; Schmidt / Schmitt v. Sydow, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 17 EUV Rn. 91. 261 So auch ausdrücklich Europäische Kommission, Beschluss, C(2015) 3263 final, Erwägungsgrund (2).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

II. Kollegialprinzip der Europäischen Kommission Das in Art. 250 Abs. 1 AEUV verankerte Kollegialprinzip verlangt, dass die Europäische Kommission Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer Mitglieder fasst. Als Beschlüsse im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht nur solche gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV, sondern beispielsweise auch Entscheidungen, die Maßnahmen der internen Eigenverwaltung zum Gegenstand haben.262 Die Anforderungen, die sich im Einzelfall aus dem Kollegialprinzip ergeben, hängen von Art und Auswirkungen des Beschlusses ab.263 Das Kollegialprinzip gewährleistet trotz der mittlerweile herausgehobenen Stellung des Kommissionspräsidenten die Gleichberechtigung der Kommissionsmitglieder im Rahmen der Entscheidungsfindung. Es setzt voraus, dass die Beratung von Entscheidungen gemeinsam erfolgt und alle Kommissionsmitglieder für sämtliche Beschlüsse gemeinsam politisch verantwortlich sind.264 Das Kollegialprinzip begrenzt daher die Möglichkeit, Entscheidungsbefugnisse der Kommission auf andere Gremien zu verlagern. Bereits ein Vetorecht des Ausschusses für Regulierungskontrolle, mit dem ihm die Befugnis eingeräumt würde, einen Folgenabschätzungsbericht als Dokument der Kommission endgültig ab­ zulehnen, wäre mit dem Kollegialprinzip nicht in Einklang zu bringen.265 Das gilt erst recht, wenn der Ausschuss durch eine negative Stellungnahme zu einem Folgenabschätzungsbericht das Zustandekommen und die Annahme des dazugehörigen Legislativakts dauerhaft verhindern könnte. Die Entscheidungsgewalt über die Frage, ob ein Folgenabschätzungsbericht ausreicht, um als Grundlage für einen Legislativakt zu dienen, muss letztendlich der Kommission als Kollegialorgan vorbehalten bleiben. Denn sowohl die endgültige Ablehnung eines Folgenabschätzungsberichts als auch die Entscheidung der Kommission, ob sie nach Durchführung der dienststellenübergreifenden Konsultation von ihrem Initiativrecht Gebrauch macht und einen Rechtsetzungsentwurf dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat vorlegt, stellen Beschlüsse i. S. v. Art. 250 Abs. 1 AEUV dar266. Die Vorschriften in der Geschäftsordnung der Kommission (Art. 13 und 14) zur Übertragung von Entscheidungsbefugnissen ermöglichen es zwar, Maßnahmen der Geschäftsführung und Verwaltung auf einzelne Kommissionsmitglieder oder Generaldirektoren 262

Kugelmann, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 250 AEUV Rn. 1. EuGH, Rs. C-191/95 (Kommission / Deutschland), Slg. 1998, I-5449 Rn. 41; Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 250 AEUV Rn. 11; Ruffert, in: Calliess / ders., EUV / AEUV, Art. 250 AEUV Rn. 1. 264 EuGH, Rs. 5/85 (AKZO Chemie / Kommission), Slg. 1986, 2585 Rn. 30; Rs. C-137/92 P (Kommission / BASF), Slg. 1994, I-2555 Rn. 62 f.; Rs. C-191/95 (Kommission / Deutschland), Slg. 1998, I-5449 Rn. 39; Alemanno, ELJ 2009, 382 (390); Epping, in: Vedder / Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 250 AEUV Rn. 1; Haratsch, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 17 EUV Rn. 36; Kotzur, in: Geiger u. a., EUV / AEUV, Art. 250 AEUV Rn. 1; Ruffert, in: Knauff / Oppelland (Hrsg.), Europäische Kommission, S. 39 (44 f.). 265 Vgl. Alemanno, European Public Law 17 (2011), 485 (491); Meuwese, Impact Assessment, S. 73. 266 Vgl. Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 250 AEUV Rn. 13. 263

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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und Dienststellenleiter zu delegieren. Sie lassen es aber nicht zu, eine solche Entscheidung auf ein Gremium zu übertragen, das zum Teil mit kommissionsexternen Fachleuten besetzt ist. Als klärungsbedürftig erweist sich insofern sowohl die Möglichkeit des Ausschusses, negative Stellungnahmen zu einem Folgenabschätzungsbericht abzugeben, als auch die Vorgabe, die dienststellenübergreifende Konsultation erst nach einer positiven Beurteilung des Ausschusses einzuleiten. Diese Befugnisse finden allerdings keine Erwähnung im Beschluss zur Einrichtung des Ausschusses. Aus diesem Grund ergeben sie sich nicht unmittelbar aus seinem rechtlich geregelten Mandat. Auch die Geschäftsordnung des Ausschusses spricht in Art. 6 Abs. 4 lediglich davon, dass dieser eine Überarbeitung und Wiedervorlage eines Folgenabschätzungsberichts verlangen kann. Es sind vielmehr die kommissionsinternen Arbeitspapiere und Leitlinien zur besseren Rechtsetzung sowie die Arbeitsmethoden der Kommission, die die Durchführung der dienststellenübergreifenden Konsultation zu einem Legislativvorschlag von einer positiven Stellungnahme des Ausschusses abhängig machen.267 Ein ausdrückliches Vetorecht teilen diese Vorschriften dem Ausschuss aber ebenfalls nicht zu. Stattdessen dienen sie dazu, kommissionsinterne Verfahrensvorgaben zu fixieren, von denen die Dienststellen jedoch im Einzelfall sanktionslos abweichen können. In der Praxis hat sich dementsprechend gezeigt, dass auch eine wiederholte negative Stellungnahme zu einem Folgenabschätzungsbericht nicht die Annahme der dazugehörigen Rechtsetzungsinitiative durch die Kommission verhindern kann. Politisch verbindliche Entscheidungen, die nach dem Kollegialprinzip allein von der Kommission zu treffen sind, fasst der Ausschuss daher nicht. Das Kollegialprinzip der Kommission bleibt somit unangetastet.

III. Institutionelles Gleichgewicht Der klassische Gewaltenteilungsgrundsatz, wie er in den westlich geprägten Nationalstaaten vorherrscht, existiert in der Europäischen Union aufgrund ihres supranationalen Charakters nicht. Jedoch gibt es eine Funktionenordnung, die die hoheitlichen Befugnisse der EU auf unterschiedliche Organe verteilt. Um Abweichungen von dieser horizontalen Kompetenzverteilung rechtlich beurteilen zu können, findet sich auf Unionsebene das vom EuGH entwickelte „institutionelle Gleichgewicht“.

267 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 12; dies., C(2014) 9004, S. 8 (noch bezogen auf den Ausschuss für Folgenabschätzung).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

1. Herleitung und Inhalt Der Grundsatz der Gewaltenteilung hat sich seit Ende des 18. Jahrhunderts zu einem wesentlichen Strukturelement rechtsstaatlicher Verfassungen entwickelt. Er besagt, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse zum Zweck der Machtbegrenzung und der Sicherung bürgerlicher Freiheiten auf verschiedene Institutionen verteilt werden sollte. Infolge seiner nationalstaatlichen Prägung ist er nicht eins zu eins auf die europäische Ebene übertragbar.268 Um ein rechtliches Prinzip mit ähnlicher Ausrichtung zu schaffen, hat der EuGH für die horizontale Kompetenzverteilung in ständiger Rechtsprechung den Begriff „institutionelles Gleichgewicht“ geprägt. Den Ausgangspunkt für diese Rechtsprechung stellte die Entscheidung „Meroni“ aus dem Jahr 1958 dar, in welcher der Gerichtshof zunächst von einem „Gleichgewicht der Gewalten“ sprach, das charakteristisch für den organisatorischen Aufbau der Gemeinschaft sei.269 Später entwickelte der EuGH die Terminologie des „institutionellen Gleichgewichts“ und bezog sich ab 1970 in seinen Entscheidungen regelmäßig auf dieses Prinzip, um die Kompetenzen und Funktionen der verschiedenen Unionsorgane auszutarieren.270 In den Verträgen findet der Begriff des „institutionellen Gleichgewichts“ hingegen keine ausdrückliche Erwähnung. Inhaltlich kommt Art. 13 Abs. 2 S. 1 EUV seinem Regelungsgehalt am nächsten. Seit dem Vertrag von Amsterdam im Jahr 1997 nannte das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit explizit das institutionelle Gleichgewicht.271 Mit der Änderung des Protokolls im Zuge des Vertrags von Lissabon ist der Begriff jedoch wieder entfallen272, ohne dass dies die Geltung des Prinzips aufgehoben hat. Während der traditionelle Gewaltenteilungsgrundsatz das Ziel einer Machtbegrenzung zum Schutz bürgerlicher Freiheiten verfolgt, bezweckt das institutionelle Gleichgewicht, die Funktionen der verschiedenen Unionsorgane auszutarieren. Inhaltlich dient dem Gerichtshof das institutionelle Gleichgewicht als „normatives, justitiables Gestaltungsprinzip“ dazu, Kompetenzverschiebungen zwischen den Organen zu beurteilen.273 Als Kernelement enthält das institutionelle Gleichgewicht die Vorstellung, dass eine Balance zwischen den Unionsorganen erforderlich sei, damit sie die ihnen zugewiesenen Befugnisse ordnungsgemäß wahrnehmen kön 268

Dederer, in: Hofmann / Naumann (Hrsg.), Europäische Demokratie, S. 89 (100); Kirchhof, Allgemeinheit des Gesetzes, S. 466; Siegel, DÖV 2010, 1 (2). 269 EuGH, Rs. 9/56 (Meroni), Slg. 1958, 11 (44). 270 EuGH, Rs. 25/70 (Köster), Slg. 1970, 1161 Rn. 9; EuGH, Rs. 138/79 (Roquette), Slg. 1980, 3333 Rn. 33; EuGH, Rs. C-21/94 (Parlament / Rat), Slg. 1995, I-1827 Rn. 17. 271 Ziff. 2 des Protokolls (Nr. 30) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (1997), ABl. Nr. C 321 vom 29.12.2006, 308. 272 Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 153; Nettesheim, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 13 EUV Rn. 31; Streinz, in: ders., EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 23. 273 Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 10 f.; Streinz, in: ders., EUV /  AEUV, Art. 13 EUV Rn. 23 f.; ablehnend Hummer, in: Miehsler u.a (Hrsg.), FS Verdross, S. 459 (485).

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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nen.274 Es setzt folglich die von den Verträgen vorgenommene Kompetenz- und Organisationsverteilung zwischen den Unionsorganen voraus und unterliegt deren Änderungen.275 Darin liegt wiederum ein Unterschied zum Gewaltenteilungsgrundsatz, der die einzelnen staatlichen Gewalten dergestalt voneinander trennt, dass sie auch durch Verfassungsänderung nicht untereinander verschoben werden können.276 Obgleich das institutionelle Gleichgewicht nicht ausdrücklich im Primärrecht verankert ist, spricht wenig dagegen, es als verfassungsrechtliches Konzept zu verstehen, mit dessen Hilfe geprüft werden kann, ob die Unionsorgane die geltende Kompetenzverteilung einhalten.277 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gebiete es die Wahrung des institutionellen Gleichgewichts, dass „jedes Organ seine Befugnisse unter Beachtung der Befugnisse der anderen Organe ausübt“.278 Insbesondere kommt der Grundsatz zur Anwendung, um Beteiligungsrechte des Europäischen Parlaments zu gewährleisten.279 So hat der Gerichtshof etwa entschieden, dass die in den Vertragsbestimmungen vorgesehene Anhörung des Parlaments (jetzt z. B. noch in Art. 89 S. 2, Art. 115 AEUV) eine wesentliche Verfahrensvorschrift darstelle, deren Nichteinhaltung zur Nichtigkeit der betroffenen Handlung führe.280 Einer weiteren Anhörung des Parlaments bedürfe es, wenn nach der ersten Anhörung wesentliche Änderungen am Rechtsakt vorgenommen worden seien. Diesbezüglich unterstrich der EuGH: „Die wirksame Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft gemäß den im Vertrag vorgesehenen Verfahren stellt (…) ein wesentliches Element des vom Vertrag gewollten institutionellen Gleichgewichts dar. Diese Befugnis ist Ausdruck eines grundlegenden demokratischen Prinzips (…)“.281 Mit der Sicherung der Rechte des Parlaments umfasst das institutionelle Gleichgewicht nicht nur eine rechtsstaatlich notwendige, machtbegrenzende Funktion,

274

v. Alemann, Handlungsform, S. 408; Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 155; Möllers, Gewaltengliederung, S. 259; Siegel, DÖV 2010, 1 (2). 275 Dederer, in: Hofmann / Naumann (Hrsg.), Europäische Demokratie, S. 89 (101 f.); Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 6, Kap. 1, Rn. 377 ff.; Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 13 EUV Rn. 33; Hummer, in: Miehsler u.a (Hrsg.), FS Verdross, S. 459 (484); Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 5 Rn. 20; daraus folgernd, dass es sich bei dem Prinzip lediglich um eine „Leerformel“ handele, Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung, S. 178 f.; v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 130; Hummer, in: Busek / ders. (Hrsg.), Weg zu einer europäischen Verfassung, S. 471 (500). 276 Hummer, in: Busek / ders. (Hrsg.), Weg zu einer europäischen Verfassung, S. 471 (498 f.). 277 Ähnlich Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 16; Streinz, in: ders., EUV / AEUV, Art.  13 EUV Rn.  23 f.; v. Alemann, Handlungsform, S. 417; zurückhaltender Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 155; kritisch Hummer, in: Miehsler u.a (Hrsg.), FS Verdross, S. 459 (483 ff.). 278 EuGH, Rs. C-70/88 (Parlament / Rat), Slg. 1990, I-2041 Rn. 22. 279 EuGH, Rs. 138/79 (Roquette), Slg. 1980, 3333 Rn. 33. 280 Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 11; Möllers, Gewaltengliederung, S. 260. 281 EuGH, Rs. C-21/94 (Parlament / Rat), Slg. 1995, I-1827 Rn. 17.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

sondern weist auch eine demokratietheoretische Komponente auf.282 Diese verdeutlicht sich darin, dass die Mitwirkungsrechte des Parlaments besonderen Schutz verdienen, weil das Parlament als einziges Unionsorgan über eine unmittelbare demokratische Legitimation durch die Unionsbürger verfügt. 2. Ungleichgewicht durch das Folgenabschätzungssystem der Europäischen Kommission Ein Verstoß gegen das institutionelle Gleichgewicht könnte darin liegen, dass die Kommission über ihre Folgenabschätzungen und den Ausschuss für Regulierungskontrolle einen zu starken Einfluss auf den Rechtsetzungsprozess ausübt. Wesentliche Regelungen über Folgenabschätzungen enthält die zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission abgeschlossene „Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ von 2016. Die Inhalte institutioneller Vereinbarungen haben sich insbesondere am Prinzip des institutionellen Gleichgewichts zu orientieren, das diesbezüglich als zwingende Kompetenzverschiebungsschranke im Verhältnis der Organe untereinander fungiert.283 In der angesprochenen „Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ haben das Europäische Parlament und der Rat als Unionsgesetzgeber zugesagt, dass sie während des Gesetzgebungsverfahrens im Fall einer wesentlichen Abänderung eines Kommissionsvorschlags eine Folgenabschätzung zu diesen Änderungen vornehmen, wenn sie es „für zweckmäßig und erforderlich halten“. Dabei bestimmt jedes Organ selbst, was es als wesentliche Abänderung betrachtet. Damit sind Parlament und Rat zwar keine verbindliche Verpflichtung zur Durchführung einer Folgenabschätzung eingegangen, aber sie haben zugestimmt, dass sie „in der Regel die Folgenabschätzung der Kommission als Ausgangspunkt für ihre weiteren Arbeiten zugrundelegen“.284 In methodischer Hinsicht fand dadurch eine Anpassung an die Vorgehensweise der Kommission statt. Zugleich haben sich die Unionsgesetzgeber verpflichtet, die Folgenabschätzungen der Kommission im Rahmen ihrer gesetzgeberischen Tätigkeit in vollem Umfang zu berücksichtigen. Die Folgenabschätzungen der Kommission stellen nicht nur die möglichen Auswirkungen der beabsichtigten Maßnahme dar, sondern dienen auch dazu, den Le 282

Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 18; Dederer, in: Hofmann / Naumann (Hrsg.), Europäische Demokratie, S. 89 (102); Görisch, Demokratische Verwaltung, S. 345 f.; Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 3 Rn. 26. 283 So ausdrücklich Schoo / Görlitz, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 295 AEUV Rn. 15; im Ergebnis ebenso Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 26; Geiger, in: ders. u. a., EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 16; Hummer, in: Kietz u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, S. 51 (88 f.); Streinz, in: ders., EUV / AEUV, Art. 13 EUV Rn. 26. 284 Dazu und zum Folgenden Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 15; in diesem Sinne auch Europäisches Parlament, Impact Assessment Handbook, 2017, Ziff. 7.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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gislativvorschlag zu rechtfertigen und Belegmaterial für dessen Untermauerung zu sammeln.285 Die Folgenabschätzungen enthalten u. a. Informationen, die aus den vielfach mit Bürgern und Interessengruppen durchgeführten Konsultationen stammen. Mithilfe dieser Informationen kann die Kommission in einer Folgenabschätzung den Eindruck vermitteln, dass die von ihr favorisierte Regelungsoption den Bedenken und Anliegen der Bürger am besten Rechnung trage. Über die Schilderung möglicher Folgen einer Initiative in einer Wirkungsanalyse kann die Kommission überdies mittelbar Einfluss auf das „Ob“ dieser Maßnahme nehmen.286 Durch die Gegenüberstellung verschiedener Regelungsoptionen und die Entscheidung für die Variante mit den geringsten negativen Auswirkungen liegt der Folgenabschätzung zugleich die Wertung zugrunde, dass die für den Legislativakt gewählte Regelungsoption unter den gegebenen Umständen die beste sei. Verstärkt wird diese Tendenz durch die vom Ausschuss durchgeführte Kontrolle der Wirkungsanalysen, weil diese nach einer positiven Stellungnahme eines jedenfalls formell unabhängigen Gremiums politisch schwieriger angreifbar sind. Gleiches gilt für den Legislativvorschlag an sich, da die Kommission ihre Initiativen auf der Basis der Folgenabschätzungen ausarbeitet. Der Kommission gelingt es auf diese Weise, ihre Legislativvorschläge gegenüber Änderungswünschen der Unionsgesetzgeber widerstandsfähiger zu machen.287 Wenn Europäisches Parlament und Rat einen Vorschlag der Kommission wesentlich abändern wollen, wächst der Druck auf sie, ebenfalls eine Folgenabschätzung durchzuführen, um zu belegen, dass die Änderung keine nachteiligen Folgen beispielsweise für die Wirtschaft mit sich bringt. Die Durchführung einer Folgenabschätzung ist aber stets mit viel Aufwand verbunden, der von Parlament und Rat vor allem unter Zeitdruck kaum leistbar ist. Die Unionsgesetzgeber haben sich in der „Interinstitutionellen Vereinbarung“ überdies bereit erklärt, dass sie den von der Kommission getätigten Ergänzungen zu den Folgenabschätzungen sowie weiteren von ihr ausgehenden Analysetätigkeiten auch dann noch Rechnung tragen, wenn die Kommission ihr Initiativrecht bereits ausgeübt und den Legislativvorschlag an die Unionsgesetzgeber übermittelt hat.288 Dieses Zugeständnis korrespondiert mit der Möglichkeit der Kommis 285

Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 3/2010, Rn. 25; Meuwese, in: Weatherill (Hrsg.), Better Regulation, S. 287 (299); Schroeder, ZÖR 2013, 225 (241); ebenso Europäisches Parlament, Entschließung vom 08. Juni 2011 zu der Gewährleistung unabhängiger Folgen­ abschätzungen, ABl. Nr. C 380 E vom 11.12.2012, 31, Ziff. 40; die Gefahr, dass die Folgen­ abschätzungen der Kommission nicht politisch neutral bleiben, sieht auch Priebe, EuZW 2015, 697 (701 f.). 286 Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (412); in diesem Kontext zum „politischen Charakter“ der Folgenabschätzung Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (208). 287 Wegrich, EJRR 3/2015, 369 (371); ebenso Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth / Emerson (Hrsg.), Comparative Administrative Law, 2. Aufl., S. 333 (347), die den Zweck des Ausschusses darin sehen, die politischen Entscheidungen der Kommission zu unterstützen. 288 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 16.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

sion, ihren Initiativvorschlag gemäß Art. 293 Abs. 2 AEUV bis zur endgültigen Beschlussfassung des Rates bzw. bis zum Standpunkt des Rates nach der ersten Lesung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu ergänzen oder abzuändern289. Es ist aber nicht auf diesen Fall begrenzt. Das bedeutet, dass es der Kommission noch im Vermittlungsverfahren nach Art. 294 Abs. 10 AEUV möglich ist, ihre Folgenabschätzung anzupassen, obwohl sich ihre Stellung dort gemäß Art. 294 Abs. 11 AEUV auf eine Vermittlerrolle reduziert und eine Dispositionsbefugnis in Bezug auf ihren Vorschlag damit nicht mehr vereinbar wäre290. Insbesondere ermöglicht es diese Befugnis der Kommission, in der Bewertung der Auswirkungen einer vom Europäischen Parlament oder Ministerrat vorgeschlagenen Änderung des Rechtsetzungsvorschlags eine aktive Rolle zu spielen. Somit kann die Kommission nahezu zeitlich unbegrenzt durch die Anpassung ihrer Folgenabschätzung in den laufenden Gesetzgebungsprozess eingreifen. Nichts anderes gilt für das zur Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses immer häufiger durchgeführte informelle Trilog-Verfahren, in dem die Kommission in gleicher Weise mit den Ergebnissen ihrer Folgenabschätzung Einflussmöglichkeiten gegenüber den Vertretern von Parlament und Rat ausübt. Die ursprünglichen Vorschläge der Kommission für eine neue interinstitutionelle Vereinbarung liefen u. a. sogar darauf hinaus, die Unionsgesetzgeber zu verpflichten, im Fall der wesentlichen Abänderung eines Kommissionsvorschlags diesbezüglich eine eigene Folgenabschätzung durchzuführen.291 Obwohl sich dieser Vorschlag nicht durchgesetzt hat, kann die Kommission durch ihr Folgenabschätzungsregime bereits jetzt den Gesetzgebungsprozess streckenweise steuern. Vor allem wenn man die Folgenabschätzung als eine Grundlage der Gesetzgebung begreift, was sie nach ihrem Zweck sein sollte, ist festzustellen, dass die Kommission über diese Grundlage die Gesetzgebung in erheblichem Maße beeinflussen kann. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle stellt in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument für die Kommission dar, um die Folgenabschätzungen nach einer von ihm positiv abgeschlossenen „Qualitätskontrolle“ mit der Garantie der Richtigkeit zu versehen. Da auch kommissionsexterne Fachleute in dem vermeintlich unabhängigen Gremium sitzen, gewinnt dessen Stellungnahme nach außen hin größeres Gewicht. Obgleich die Kommission betont, dass Folgenabschätzungen nur ein Hilfsinstrument und kein Ersatz für politische Beurteilungen und Entschei-

289

Epping, in: Vedder / Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 293 AEUV Rn. 5 f.; Krajewski / Rösslein, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 293 AEUV Rn. 22 f.; Schoo, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 293 AEUV Rn. 20. 290 Gellermann, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 294 AEUV Rn. 30; Krajewski / Rösslein, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 294 AEUV Rn. 63; abweichend v. Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, S. 197. 291 Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung, COM(2015) 216 final, Ziff. 10; zu den Inhalten des Kommissionsvorschlags kritisch Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (351 ff.); Dawson, CML Rev. 2016, 1209 (1217 f.).

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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dungen seien292, hat sie in der Vergangenheit nicht verschwiegen, dass sie mithilfe der Ergebnisse von Folgenabschätzungen mehr Einfluss auf die Verabschiedung von Legislativmaßnahmen nehmen möchte293. Vor dem Hintergrund des institutionellen Gleichgewichts erweist sich diese Einflussnahme der Kommission auf die Gesetzgebung als nicht unbedenklich.294 Nach den Verträgen liegt die Aufgabe der unionalen Gesetzgebung generell beim Europäischen Parlament (Art. 14 Abs. 1 S. 1 EUV) und dem Rat (Art. 16 Abs. 1 S. 1 EUV) gemeinsam. Im Einzelnen sind die Mitwirkungsrechte davon abhängig, welches Gesetzgebungsverfahren für die jeweilige Materie einschlägig ist. Für den deutlich überwiegenden Anteil aller Legislativakte findet das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 1, Art.  294 AEUV Anwendung, in dem Europäisches Parlament und Ministerrat gleichberechtigt nebeneinander agieren.295 Der Kommission steht derweil gemäß Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV, Art. 294 Abs. 2 S. 1 AEUV das Initiativrecht zu, mit dem die Ingangsetzung des Gesetzgebungsverfahrens an ihre Willensbildung geknüpft wird, das ihr aber kein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Gesetzgebung gewährt. Um der gesteigerten Bedeutung des Parlaments, die es durch den Vertrag von Lissabon erfahren hat, Rechnung zu tragen, muss es in seiner Tätigkeit als Gesetzgebungsorgan ebenso wie der Ministerrat vor einer zu großen Einflussnahme der Kommission geschützt werden. Dem Schutz der Kompetenzordnung der Union dient gerade das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts, das darüber hinaus – wie bereits dargelegt – auch die demokratischen Grundsätze der Union berücksichtigt. Da die Unionsbürger gemäß Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 EUV auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten sind, muss insbesondere das Parlament seine gesetzgeberischen Befugnisse ungehindert ausüben können, ohne von der Kommission mittelbar dirigiert zu werden. Gleiches gilt aber auch für den Ministerrat, der nach Art. 10 Abs. 2 UAbs. 2 EUV eine indirekte Legitimation über die mitgliedstaatlich-parlamentarische Verantwortlichkeit seiner nationalen Vertreter vermittelt.

292 Europäische Kommission, Mitteilung über Folgenabschätzung, KOM(2002) 276 endg., S. 3; dies., Leitlinien zur Folgenabschätzung, SEK(2009) 92, S. 4; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 17. 293 Europäische Kommission, Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds, KOM (2002) 278 endg., S. 9; siehe auch Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (412). 294 Ähnlich Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (346).; wohl ablehnend Schroeder, ZG 2016, 193 (211 f.); Kommission und Europäisches Parlament sahen sich nach der Annahme der neuen „Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ in einer gemeinsamen Erklärung veranlasst zu betonen, dass die Vereinbarung das „Gleichgewicht zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission gemäß den Verträgen sowie ihren dort festgelegten jeweiligen Zuständigkeiten widerspiegelt“, ABl. Nr. L 124 vom 13.05.2016, 1. 295 Dederer, in: Hofmann / Naumann (Hrsg.), Europäische Demokratie, S. 89 (102 f.); Huber, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 14 EUV Rn. 13; Kotzur, in: Geiger u. a., EUV / AEUV, Art. 294 AEUV Rn. 2 f.; Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 11 Rn. 51.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Trotz der geschilderten Bedenken ist es richtig, dass weder mit der „Institutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ noch mit anderen Vorschriften eine Bindung der Unionsgesetzgeber an die Ergebnisse der kommissionseigenen Folgenabschätzungen oder an die Stellungnahmen des Ausschusses einhergeht. Europäisches Parlament und Rat sind frei darin, aus der Folgenabschätzung und der Stellungnahme des Ausschusses eigene Schlüsse für die politische Entscheidung über den Legislativvorschlag der Kommission zu ziehen.296 Solange demnach das politische Entscheidungsmonopol des Parlaments und des Ministerrates nicht berührt wird, bleibt das institutionelle Gleichgewicht gewahrt. Zumal Letzteres lediglich die im Rahmen der Verträge geltende Funktionsordnung, nicht aber eine politisch wünschenswerte Kompetenzverteilung beachtet. Die Grenze des rechtlich Unzulässigen wäre erst dann überschritten, wenn die Unionsgesetzgeber an die Ergebnisse und Beurteilungen der kommissionseigenen Wirkungsanalysen rechtlich gebunden und ausdrücklich verpflichtet wären, eine eigene, bestimmten Vorgaben entsprechende Folgenabschätzung vorzunehmen, wenn sie von einem Kommissionsvorschlag abweichen wollten. Dadurch würde die institutionelle Zuständigkeitsverteilung für Beiträge zur politischen Willensbildung in der Unionsrechtsetzung unterwandert und dem kommissionsgeleiteten Folgenabschätzungsregime unterworfen.

IV. Unionaler Grundsatz der Demokratie Der Demokratiegrundsatz der Europäischen Union ist nicht inhaltsgleich mit dem Verständnis von Demokratie, auf das die Nationalstaaten zurückgreifen. Der Gehalt des Demokratiegrundsatzes ist daher bezogen auf den supranationalen Herrschaftsverband der EU gesondert zu ermitteln.297 Lange Zeit spielte der Demokratiegrundsatz auf europäischer Ebene nur eine untergeordnete Rolle. Erst mit dem Vertrag von Amsterdam und seinem Inkrafttreten im Jahr 1999 fand das europäische Demokratieprinzip ausdrücklich Eingang in das normierte Primärrecht.298

296 EuGH, Rs. C-343/09 (Afton Chemical), Slg. 2010, I-7027 Rn. 30; siehe ebenfalls die Schlussanträge der GA Kokott, Rs. C-343/09 (Afton Chemical), Slg. 2010, I-7027 Rn. 85 f.; Schroeder, ZG 2016, 193 (212); insbesondere dürfte der Ausschuss für Regulierungskontrolle keine verpflichtenden Stellungnahmen abgeben, so die Forderung des Europäischen Parlaments, Entschließung vom 12. April 2016 zu der Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung, P8_TA(2016)0104, Ziff. 29. 297 Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 3 Rn. 13; Ruffert, in: Calliess / ders., EUV / AEUV, Art. 10 EUV Rn. 3. 298 v. Bogdandy, in: ders. / Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (63); Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 3 Rn. 11.

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1. Vermittlung demokratischer Legitimation in der Europäischen Union Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erfährt der unionale Demokratiegrundsatz neben einer Erwähnung in Art. 2 S. 1 EUV eine Konkretisierung durch einen eigenen Titel II im EUV zu den „Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze“. Von grundlegender Bedeutung ist Art. 10 EUV, der die Union nicht nur auf die repräsentative Demokratie verpflichtet (Abs. 1), sondern auch die duale Legitimationsstruktur der EU hervorhebt (Abs. 2). Die EU besitzt einen unionsunmittelbaren Legitimationsstrang über das von den Unionsbürgern gewählte Europäische Parlament sowie eine mitgliedstaatliche Legitimationsquelle über die Rückbindung der Regierungsvertreter im Europäischen Rat und Ministerrat an ihre von den Staatsvölkern gewählten nationalen Parlamente.299 Art. 10 EUV legt das Verhältnis dieser beiden Legitimationsstränge nicht eindeutig fest.300 Seine Struktur und die Einordnung des Mitentscheidungsverfahrens als ordentliches Gesetzgebungsverfahren deuten aber darauf hin, dass sie gleichwertig nebeneinander stehen301. Gleichwohl gehen die Meinungen in Literatur und Rechtsprechung hinsichtlich des Verhältnisses und der Gewichtung der zwei Legitimationsstränge für das legislative Wirken der Union weiterhin auseinander. Nach einer Auffassung besteht zwischen den Legitimationssträngen eine Wechselwirkung, so dass demokratische Defizite auf unionaler Ebene durch die Einbeziehung der mitgliedstaatlichen Ebene kompensiert werden könnten.302 Je höher die Legitimationsvermittlung durch das Europäische Parlament ausfalle, desto geringer könne der mitgliedstaatliche Legitimationsbeitrag sein.303 Eine direkte Aussage über das Gewichtungsverhältnis der beiden Legitimationsstränge ist damit aber nicht getroffen. Das BVerfG und weitere Stimmen aus der Literatur betonen, dass aufgrund des Charakters der Union als Verbund souveräner Staaten der mitgliedstaatliche Legitimationsbeitrag überwiege.304 Aus diesem Grund komme dem Europäischen Parlament legitimatorisch nur eine ergänzende und stützende Funk-

299

Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 125; Haag, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 10 EUV Rn. 9 f.; Huber, in: Hofmann / Naumann (Hrsg.), Europäische Demokratie, S. 33 (43); Nettesheim, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 10 EUV Rn. 65 ff.; Ruffert, in: Calliess / ders., EUV / AEUV, Art.  10 EUV Rn.  5 ff. 300 v. Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, S. 302; Huber, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 10 EUV Rn. 40. 301 Görisch, Demokratische Verwaltung, S. 335; Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 87; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 7 Rn. 39; ähnlich Heselhaus, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 10 EUV Rn. 23. 302 Ruffert, in: Calliess / ders., EUV / AEUV, Art. 10 EUV Rn. 5. 303 Calliess, in: Bröhmer u. a. (Hrsg.), FS Ress, S. 399 (403); Huber, in: Hofmann / Naumann (Hrsg.), Europäische Demokratie, S. 33 (43). 304 BVerfGE 123, 267 (368); v. Bogdandy, in: ders. / Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (65 f.); Huber, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 10 EUV Rn. 41.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

tion zu.305 Demgegenüber geht eine andere Position von einem Legitimationsvorsprung des Europäischen Parlaments aus. Durch die Wahlen erhalte das Parlament eine im Vergleich zum Rat stärkere sachlich-inhaltliche Rückanbindung an die Unionsbürger.306 Unabhängig von dem Gewicht, das die Legitimationsvermittlung über das Europäische Parlament für die Unionsrechtsetzung besitzt, hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Parlamentarismus auch auf Unionsebene „alternativlos“ ist307. 2. Legitimationsniveau des Ausschusses für Regulierungskontrolle Ob die Mitglieder des Ausschusses für Regulierungskontrolle demokratisch legitimiert sein müssen, ist davon abhängig, wie weit ihre Befugnisse reichen. Der Ausschuss agiert lediglich kommissionsintern. Seine Stellungnahmen richten sich in erster Linie allein an die Kommissionsdienststellen, die für die Erarbeitung eines Rechtsetzungsvorschlags und den dazugehörigen Folgenabschätzungsbericht zuständig sind. Mitentscheidungsbefugnisse, die es ihm durch sein Votum ermög­lichen würden, eine Normsetzungsinitiative der Kommission endgültig zu verhindern, kommen ihm kraft seines Mandats nicht zu. Jedoch hat sich die Europäische Kommission die Selbstbindung auferlegt308, einen Legislativvorschlag erst dann in die dienststellenübergreifende Konsultation zu geben, wenn der entsprechende Folgenabschätzungsbericht eine positive Stellungnahme des Ausschusses erhalten hat. Zwar weicht sie im Einzelfall aus politischen Gründen von dieser Selbstverpflichtung ab. Dennoch gewährt diese kommissionsinterne Organisationsvorgabe dem Ausschuss faktisch die Möglichkeit, das Zustandekommen eines Legislativakts zumindest zu verzögern. Darüber hinaus vermittelt ihm die Selbstverpflichtung der Kommission mittelbar Mitspracherechte in Bezug auf den Inhalt des Folgenabschätzungsberichts, weil die zuständige Dienststelle diesen nach einer negativen Stellungnahme des Ausschusses entsprechend anpasst. Da die Kommission auf der Grundlage des endgültigen Folgenabschätzungsberichts den finalen Rechtsetzungsvorschlag erarbeitet, können sich Bedenken und Anregungen des Ausschusses mittelbar auch in diesem niederschlagen. Angesichts dieser indirekten Mitwirkungsbefugnisse bedarf der Ausschuss eines Maßes an demokratischer Legitimation, das dem Niveau der in

305

BVerfGE 89, 155 (185 f.); 123, 267 (364); Lienbacher / Kröll, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EUV Rn. 15. 306 v. Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, S. 455 f.; ähnlich bereits EGMR, Matthews v. United Kingdom, Urteil vom 18.02.1999, Nr. 24833/94, Rn. 52: „(…) the European Parliament represents the principal form of democratic, political accountability in the Community system“. 307 v. Bogdandy, in: ders. / Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (65). 308 So auch Meuwese / Gomtsian, MJ 4/2015, 483 (488).

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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den Generaldirektionen der Kommission beschäftigten Mitarbeiter entspricht, die die Rechtsetzungsvorschläge ausarbeiten und formulieren. Die Frage nach der demokratischen Legitimation der Kommission ist seit Jahrzehnten Gegenstand umfassender Debatten. Verschiedentlich wird der Europäischen Kommission ein Defizit an demokratischer Legitimation attestiert.309 Da die Kommission nach dem klassischen Demokratieverständnis einer dem Parlament dauerhaft verantwortlichen Regierung nur begrenzt entspricht, gilt sie einigen als „Expertokratie transnationalen Typs“310. Allerdings verkennen solche pauschalen Beurteilungen, dass die Kommission durch das Investiturverfahren eine personelle Legitimation erhält. Am Verfahren zur Auswahl des Kommissionspräsidenten und der weiteren Mitglieder nach Art. 17 Abs. 7 EUV sind die nationalen Regierungen, der Europäische Rat sowie das Europäische Parlament beteiligt. Es bedient daher beide Legitimationsstränge der Union.311 Ebenso stärkt es die Legitimation der Kommission, dass sie dem Parlament gegenüber nach Art. 17 Abs. 8 S. 1 AEUV politisch verantwortlich ist. Diese Verantwortlichkeit gewährleistet die Rück­anbindung an die gewählte Vertretung der Unionsbürger. Im Hinblick auf ihre Initiativfunktion kann die Kommission eine funktionale Legitimation für sich beanspruchen. Als Vermittler zwischen verschiedenen Interessen hat sie den Auftrag, eine einseitige politische Dominanz bestimmter Interessengruppen oder Mitgliedstaaten zu unterbinden. Da sie gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 1 EUV dem Interesse der Union als Ganzes verpflichtet ist, bildet sie ein unabhängiges Gegengewicht zu den zahlreichen unterschiedlichen politischen Kräften, die in der Union und ihren Organen wirken.312 Der Ausschuss gliedert sich in personeller Hinsicht in das Legitimationsgefüge der Kommission ein. Er setzt sich mehrheitlich aus hochrangigen Kommissionsbeamten zusammen. Die Berufung sowohl der kommissionsangehörigen als auch der drei externen Mitglieder obliegt der Kommission als Kollegialorgan. Damit leiten die Ausschussmitglieder ihre demokratische Legitimation unmittelbar von der Europäischen Kommission ab. Im Hinblick auf die funktionale Legitimation, der vor allem in der EU eine ergänzende Funktion im Konzept demokratischer Legitimation zukommt, sind die dem Ausschuss übertragenden Aufgaben maßgeblich. Die Auswahlentscheidung insbesondere hinsichtlich der externen Mitglieder bemisst sich an deren wissenschaftlichem Sachverstand in den Bereichen Folgenabschätzung, Ex-post-Be 309

BVerfGE 123, 267 (297); v. Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, S. 467. Bach, Bürokratisierung Europas, S. 34; Höreth, Europäische Union, S. 200. 311 Haratsch, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 17 EUV Rn. 41; zur demokratischen Legitimation durch das neue Investiturverfahren Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 116; Ruffert, in: Knauff / Oppelland (Hrsg.), Europäische Kommission, S. 39 (47 ff.). 312 Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV Rn. 51; Schmidt / Schmitt v. Sydow, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 17 EUV Rn. 75; ähnlich Temple Lang, CML Rev. 2002, 315 (326 f.). 310

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

wertung und Regulierungspolitik im Allgemeinen. Indem die Mitglieder eine bestimmte Expertise vorweisen müssen, die notwendig ist, damit der Ausschuss seine fachlich anspruchsvolle Aufgabe wahrnehmen kann, wird er funktional legitimiert. Diese funktionale Legitimation schlägt sich auch darin nieder, dass der Ausschuss mittels einer unabhängigen sowie sachkundigen Überprüfung von Wirkungsanalysen dazu beitragen soll, dass die Kommission ihre Rechtsetzungsinitiativen auf einer faktengestützten und konsistenten Grundlage erarbeitet. Schließlich kann der Ausschuss ansatzweise auch eine sachlich-inhaltliche Legitimation für sich in Anspruch nehmen. Vor allem durch den festgelegten Aufgabenkreis und die Amtszeit von drei Jahren, die der Kommissionspräsident jeweils im Einsetzungsbeschluss verankert hat, sind dem Mandat des Ausschusses enge Grenzen gesetzt, an die er rechtlich gebunden ist. Die Ausschussmitglieder können sich folglich insgesamt auf ein für ihren Tätigkeitsbereich ausreichendes Legitimationsniveau berufen. 3. Unzureichende Kontrollrechte des Europäischen Parlaments im Hinblick auf das Folgenabschätzungssystem der Europäischen Kommission In Bezug auf die von der Kommission durchgeführten Folgenabschätzungen sehen weder das Primärrecht noch sonstige Rechtsquellen ausdrücklich Kontrollrechte des Europäischen Parlaments oder des EU-Ministerrates vor. Die rechtliche Beurteilung dieses Umstands läuft auf die Frage hinaus, ob es im verfassungsrechtlichen Gefüge der Union ein Aufgabenfeld des Parlaments bzw. des Ministerrates darstellt, Folgenabschätzungen der Kommission zu kontrollieren. Auf den ersten Blick mag diese institutionelle Kompetenzfrage rein politischer Natur sein, jedoch ergeben sich aus dem unionalen Demokratiegrundsatz Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die derzeitige Ausgestaltung des Folgenabschätzungssystems der Kommission auch aus rechtlicher Perspektive fragwürdig ist. a) Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments als Ausfluss des Demokratieprinzips Unter den Hauptorganen der Union hat das Europäische Parlament seit den Gründungsverträgen den größten Bedeutungszuwachs erfahren. Nach den ersten Direktwahlen im Jahr 1979 waren alle Vertragsänderungen mit Kompetenzerweiterungen für das Parlament verbunden.313 Da es als einziges Unionsorgan auf einer unmittelbaren Willensbildung der Unionsbürger beruht und somit über eine unions 313

Huber, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 14 EUV Rn. 4; Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV /  AEUV, Art. 14 EUV Rn. 4; zum Machtzuwachs des Europäischen Parlaments auch v. Bogdandy, AöR 130 (2005), 445 (454 f.).

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eigene Legitimation verfügt, bedeutete dieser Kompetenzzuwachs gleichzeitig jeweils eine Stärkung des supranationalen Strangs demokratischer Legitimation. Exemplarisch zeigt sich dies an der Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments gegenüber der Kommission. Neben der Gesetzgebungs- dient vor allem die parlamentarische Kontrollfunktion dazu, sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation im Hinblick auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt zu vermitteln314, da durch diese Kontrollfunktion die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung operationalisiert wird.315 Im Verfassungsgefüge der Union unterliegt damit insbesondere die Kommission aufgrund ihrer exekutiven Entscheidungskompetenzen gemäß Art. 17 Abs. 8 S. 1 AEUV der parlamentarischen Kontrolle. Die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber dem Rat ist hingegen nur schwach ausgeprägt, da seine Mitglieder allein vom Vertrauen der nationalen Regierungen und Parlamente abhängig sind.316 In den Römischen Verträgen manifestierte sich die parlamentarische Kontrollbefugnis ausschließlich in dem Recht, der Kommission mündliche und schriftliche Fragen zu stellen.317 Das Fragerecht war daher lange Zeit das zentrale Kontrollinstrument des Parlaments.318 Die Befugnis, die Kommission für den Vollzug des Haushaltsplans zu entlasten, stand nach den Römischen Verträgen hingegen allein dem Rat zu. Erst der Vertrag zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften vom 22. April 1970 bestimmte, dass der Rat und das noch als „Versammlung“ titulierte Parlament gemeinsam für die Entlastungserteilung zuständig waren319. Seit dem Vertrag von Brüssel vom 22. Juli 1975 entschied das Parlament allein über die Entlastung der Kommission, während der Rat nur noch eine Empfehlung abgab.320 Dies entspricht auch der heutigen Rechtslage nach Art. 319 Abs. 1 AEUV. Mit den Vertragsveränderungen ab den 1990-er Jahren fanden immer mehr parlamentarische Kontrollrechte den Weg in das Primärrecht. So sorgte der Vertrag von Maas 314 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 122; Kaufmann, Europäische Integration, S. 233; ähnlich Calliess, in: Bröhmer u. a. (Hrsg.), FS Ress, S. 399 (411). 315 Kaufmann, Europäische Integration, S. 233; Schmidt, Demokratische Legitimationsfunktion, S. 63 f. 316 Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 5 Rn. 104; Huber, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 14 EUV Rn. 27; Kaufmann, Europäische Integration, S. 236 f.; Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 5 Rn. 53. 317 Suski, Europäische Parlament, S. 133. 318 Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, S. 335; Dialer / Maurer / Richter, Handbuch Europäisches Parlament, S. 208. 319 Vertrag zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Art. 3, 9, ABl. Nr. L 2 vom 02.01.1971, 1; die Änderung wurde notwendig, da die Gemeinschaft seit 1970 über Eigenmittel verfügte, die nicht mehr der Kontrolle der nationalen Rechnungshöfe und Parlamente unterlagen, siehe dazu Rossi, EuR 2013, 170 (171 f.). 320 Vertrag zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Art. 17, ABl. Nr. L 359 vom 31.12.1977, 1; dazu Rossi, EuR 2013, 170 (172).

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

tricht aus dem Jahr 1992 dafür, dass das Europäische Parlament die zuvor nur in seiner GO erwähnte Möglichkeit erhielt, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.321 Ergänzungen erfuhren zudem die Berichts- und Informationspflichten der Kommission gegenüber dem Parlament, die sich nicht nur auf die Haushaltskontrolle, sondern auch auf die Tätigkeiten in den Bereichen wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt sowie Forschung und technologische Entwicklung erstreckten.322 Der Vertrag von Lissabon hat schließlich in Art. 14 Abs. 1 S. 2 EUV die politische Kontrollfunktion des Parlaments als eine seiner Kernaufgaben normiert. b) Wesentliche Kontrollrechte des Europäischen Parlaments Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle ist der gesamte Zuständigkeits­ bereich der Kommission.323 Hinsichtlich der unterschiedlichen Kontrollrechte des Parlaments gegenüber der Kommission kann zwischen informativen und sanktionierenden Kontrollbefugnissen unterschieden werden. Zu den wichtigsten informativen Kontrollrechten zählt die bereits erwähnte Befugnis des Parlaments, gemäß Art. 226 AEUV nichtständige Untersuchungsausschüsse einzusetzen, um behauptete Verstöße gegen das Unionsrecht und Missstände bei dessen Anwendung zu prüfen. Weiterhin dienen das Fragerecht gemäß Art. 230 Abs. 2 AEUV, die Verpflichtung der Kommission zur Vorlage unterschiedlicher Berichte (z. B. Art. 161, Art. 249 Abs. 2 AEUV) sowie zur Vorlage der Haushaltsrechnung, Vermögens- und Schuldenübersicht (Art. 318 Abs. 1 AEUV) dazu, dem Parlament die für seine Tätigkeit erforderlichen Tatsachenkenntnisse zu verschaffen. In Haushaltsangelegenheiten steht dem Parlament gemäß Art. 319 Abs. 2 S. 1 AEUV die Befugnis zu, insbesondere vor der Entlastungsentscheidung Auskunft über die Vornahme der Ausgaben und die Arbeitsweise der Finanzkontrollsysteme zu fordern. In diesem Fall ist die Kommission nach Art. 319 Abs. 2 S. 2 AEUV verpflichtet, dem Parlament alle notwendigen Informationen vorzulegen. Mittelbar verstärken zudem das Petitionsrecht gemäß Art. 227 AEUV und die Institution des Bürgerbeauftragten nach Art. 228 AEUV die Kontrollfunktion, da das Parlament über diese Einrichtungen zusätzliche Informationen über Missstände in der Unionsverwaltung erhält.324 Als schärfstes der sanktionierenden Kontrollinstrumente gegenüber der Kommission gilt der Misstrauensantrag gemäß Art. 234 AEUV, der nach Art. 119 GO EP von einem Zehntel der Parlamentsabgeordneten gestellt werden kann. Der Er 321

Beckedorf, Untersuchungsrecht, S. 297, 305; Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, S. 352; Suski, Europäische Parlament, S. 180 f. 322 Suski, Europäische Parlament, S. 182. 323 Hölscheidt, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 14 EUV Rn. 35. 324 Beckedorf, Untersuchungsrecht, S. 134 f.; Bieber, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 14 EUV Rn. 40 f.; Hölscheidt, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 14 EUV Rn. 34; zur parlamentarischen Kontrollfunktion des Petitionsrechts Haag, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 227 AEUV Rn. 6; Huber, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 227 AEUV Rn. 5.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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folg des Antrags setzt gemäß Art. 234 Abs. 2 S. 1 AEUV eine doppelt qualifizierte Mehrheit im Parlament voraus und führt dazu, dass alle Kommissionsmitglieder geschlossen ihr Amt niederlegen müssen. Die Möglichkeit des Misstrauensantrags gewährleistet gemäß Art. 17 Abs. 8 AEUV die politische Verantwortlichkeit der Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament.325 Ein weiteres sanktionierendes Kontrollinstrument stellt das Recht dar, der Kommission die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans nach Art. 319 AEUV zu verweigern. Im Unterschied zu zahlreichen nationalen Volksvertretungen kann das Europäische Parlament in seiner Gesamtheit die Kontrollfunktion durch ein größeres Maß an Unabhängigkeit wahrnehmen, da seine Mehrheitsfraktionen die Politik der Kommission nicht mittragen müssen.326 In klassisch parlamentarischen Regierungssystemen, in denen die Parlamentsmehrheit die Regierung stützt, bleibt eine kritische Kontrolltätigkeit hingegen faktisch oftmals den Oppositionsfraktionen vorbehalten. c) Kontrolle durch Überprüfung der Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission Sowohl die Einsetzung des Impact Assessment Board im Jahr 2006 als auch die des Ausschusses als Nachfolgeinstitution sind Versuche der Kommission, ins­ besondere die Nachvollziehbarkeit und Ausgewogenheit ihrer Folgenabschätzungen zu „optimieren“. Die dahinter stehende Absicht der Kommission, durch eine Art „interner Qualitätskontrolle“ einen Beitrag zur „Verbesserung“ der Rechtsetzung auf europäischer Ebene zu leisten, ist nachvollziehbar. Dass sich der Kommissionspräsident entscheidet, einen eigenen, organinternen Ausschuss für diese „Qualitätskontrolle“ einzusetzen, stößt vor dem Hintergrund seiner Organisationskompetenz gemäß Art. 17 Abs. 6 b) EUV i. V. m. Art. 22 Kommission-GO in formell-rechtlicher Hinsicht auf keine Bedenken.327 Allerdings weist er diese Aufgabe einem kommissionsdominierten Ausschuss zu, obwohl sie materiell-rechtlich aufgrund ihrer Zielrichtung besser beim Europäischen Parlament aufgehoben wäre. Bei der nicht zuletzt in der Bezeichnung „Ausschuss für Regulierungskontrolle“ zum Ausdruck kommenden Kontrollfunktion bezüglich der Folgenabschätzungen der Kommission handelt es sich im Kern um eine parlamentarische Aufgabe. Das lässt sich damit begründen, dass das Primär 325

Bieber, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 234 AEUV Rn. 3; Haratsch, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 17 EUV Rn. 49; Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art.  234 AEUV Rn.  1. 326 Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, S. 380 f.; Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV /  AEUV, Art. 14 EUV Rn. 45; Suski, Europäische Parlament, S. 137. 327 Zum Umfang der Organisationsgewalt des EU-Kommissionspräsidenten siehe Haratsch, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 17 EUV Rn. 35 f.; Kugelmann, in: Streinz, EUV / AEUV, Art.  17 EUV Rn.  93; Nemitz, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 17 EUV Rn. 62.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

recht dem Europäischen Parlament sowohl in Art. 14 Abs. 1 S. 2 EUV als auch in weiteren, oben aufgeführten Vorschriften eine eindeutige Kontrollfunktion gegenüber der Kommission zuschreibt. Insbesondere die informativen Kontrollrechte zielen darauf ab, Informationen von der Kommission zu erhalten, diese zu bewerten und als Basis für die parlamentarische Entscheidungsfindung heranzuziehen. Das Instrument der Folgenabschätzung dient einer solchen Informationsgewinnung im Hinblick auf mögliche Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung.328 Es obliegt aber allein den abschließend beschlussfassenden Unionsgesetzgebern, diese Informationen zu bewerten und daraus Schlüsse für die gesetzgeberische Entscheidung zu ziehen. Insofern stellt es sich als kritisch dar, dass das Mandat des Ausschusses nicht allein auf eine methodische Kontrolle der Folgenabschätzungen beschränkt ist, sondern auch deren inhaltlichen Aspekte erfasst. So hat der Ausschuss z. B. im November 2016 in seiner zweiten negativen Stellungnahme zur Folgenabschätzung, die den Kommissionsvorschlag zur Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie329 begleitete, gerügt, dass vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips alternative Optionen auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht hinreichend in Erwägung gezogen worden seien. Es sei anzunehmen, dass eine Mischung aus nationalen und europäischen Maßnahmen wahrscheinlich effizienter und effektiver wäre, insbesondere da der Europäische Rat entschieden habe, auf national verbindliche Zielvorgaben hinsichtlich der Nutzung erneuerbarer Energien verzichten zu wollen.330 Derartige Beurteilungen laufen auf eine politisch-inhaltliche Kontrolle der einem Legislativvorschlag zugrunde gelegten Annahmen und Wertungen hinaus, die nur den Unionsgesetzgebern vorbehalten ist. Zwar vollzieht sich die Kontrolle durch den Ausschuss in einem innerexekutiven Verfahren und bindet insofern das Parlament und den Ministerrat nicht. Sie tritt aber in Konkurrenz vor allem zur parlamentarischen-inhaltlichen Kontrollfunktion, da der Ausschuss mittelbar auch politische Aspekte eines Rechtsetzungsvorschlags beurteilt. Neben der Bewertung in politischer Hinsicht soll das Parlament die erhaltenen Informationen auf sachliche Richtigkeit i. S. einer Tatsachenkontrolle überprüfen.331 Was die Kommission in einen Folgenabschätzungsbericht hineinschreibt, ist nicht selten einseitig sowie abhängig von ihren subjektiven Einschätzungen und 328 Hanisch, Institutionenökonomische Ansätze, S. 18 f.; Hofmann, ZG 1999, 44 (57); Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 2; Meuwese, in: Weatherill (Hrsg.), Better Regulation, S. 287 (298 f.); Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (32). 329 Europäische Kommission, Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, COM(2016) 767 final. 330 Regulatory Scrutiny Board, Opinion, Ref. Ares(2016)6278194 vom 07. November 2016, S. 1. 331 So jedenfalls für die parlamentarische Kontrolle in Deutschland Steffani, in: Schneider /  Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 49 Rn. 70; für eine parlamentarische Kontrolle der Kommissionsfolgenabschätzungen auch Schroeder, ZÖR 2013, 225 (238).

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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dient regelmäßig auch dem Ziel, gerade die vom Kommissionsvorschlag vorgesehene Regelungsoption zu rechtfertigen.332 So neigen einige Folgenabschätzungsberichte der Kommission beispielsweise vor allem im Anfangsteil dazu, bestimmte Annahmen vorauszusetzen und Schlussfolgerungen zu ziehen, ohne dafür Belege oder Analysen vorzubringen.333 Um eine neutrale und faktenbasierte Grundlage für die gesetzgeberische Entscheidung des Parlaments zu gewährleisten, erscheint es daher zumindest aus rechtspolitischer Sicht notwendig, dass das Parlament die im Folgenabschätzungsbericht dargelegten Auswirkungen auch selbst überprüft. Dasselbe gilt in abgeschwächter Form für den EU-Ministerrat, da er als Gesetzgebungsorgan gemäß Art. 16 Abs. 1 S. 1 EUV in vergleichbarer Weise auf die Informationen aus objektiven Wirkungsanalysen angewiesen ist, um sie der Beratung und Beschlussfassung von Rechtsetzungsvorschlägen zugrunde legen zu können.334 Allerdings dient zur Herleitung eines diesbezüglichen Überprüfungserfordernisses nicht eine etwaige politische Kontrollfunktion des Ministerrates gegenüber der Kommission, da eine solche anders als beim Parlament primärrechtlich nicht vorgesehen ist. Politisch verantwortlich ist die Kommission als Kollegialorgan nach Art. 17 Abs. 8 S. 1 EUV allein dem Europäischen Parlament. Die Einsetzung des Ausschusses für Regulierungskontrolle vermittelt darüber hinaus gegenüber Parlament und Ministerrat bewusst den Eindruck, dass eigene Folgenanalysen dieser Organe überflüssig seien, da der Ausschuss auf die Vollstän­ digkeit und Ausgewogenheit der kommissionseigenen Analysen achte. Denn als vermeintlich unabhängiges Gremium bietet er scheinbar die Gewähr, eine neutrale und unparteiische Überprüfung durchzuführen. Diese Neutralität ist angesichts einer Mehrheit von kommissionsangehörigen Mitgliedern im Ausschuss und der Einflussmöglichkeiten der Kommission auf dessen Zusammensetzung jedoch anzuzweifeln.335 Dass der Kommission diese Einflussnahme bewusst und wichtig ist, wird dadurch deutlich, dass sie lange Zeit der Einbeziehung Dritter in die Folgenabschätzungskontrolle ablehnend gegenüberstand336. Schließlich war sie auch bei der Einsetzung des Ausschusses für Regulierungskontrolle darauf bedacht, eine Stimmenmehrheit der kommissionsangehörigen Mitglieder zu gewährleisten. Aus 332

Vgl. Grüner, Quantität und Qualität, S. 357; Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (412); Schroeder, ZG 2016, 193 (203); ders., ZÖR 2013, 225 (241); Wegrich, EJRR 3/2015, 369 (370); bereits früher kritisch zum Inhalt der Folgenabschätzungen Wägenbaur, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 167 (175). 333 Impact Assessment Institute, A year and a half of the Better Regulation Agenda, S. 14 f. 334 Kritisch zu dem insgesamt sehr spärlichen Engagement des EU-Ministerrates im Bereich der Folgenabschätzung Allio, in: Kirkpatrick / Parker (Hrsg.), Regulatory Impact Assessment, S. 72 (91 f.); Meuwese, Impact Assessment, S. 139; Renda, in: Dunlop / Radaelli (Hrsg.), Regulatory Impact Assessement, S. 304 (315). 335 So auch Schroeder, ZG 2016, 193 (204), der davon ausgeht, dass die Stellungnahmen des Ausschusses „das institutionelle Selbstverständnis der Kommission“ widerspiegeln; näher dazu unter Kap. 2, B. III. 2. und 3. 336 Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 7; dies., Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 7.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

diesem Grund kann die von der Kommission gesteuerte Kontrolle ihrer Folgen­ abschätzungen kein gleichwertiger Ersatz für eine Beteiligung des Parlaments und ggf. des Ministerrates am Kontrollprozess sein. Allerdings führt die von der Kommission initiierte Folgenabschätzungskontrolle nicht dazu, dass es für das Parlament oder den Ministerrat unmöglich wird, Wirkungsanalysen zu überprüfen. Vielmehr hat das Europäische Parlament die Problematik, dass es den Folgenabschätzungen der Kommission an Objektivität mangelt, bereits frühzeitig erkannt.337 Im Jahr 2008 hat die Konferenz der Ausschussvorsitze des Parlaments daher ein „Impact Assessment Handbook“ verfasst, das zuletzt 2017 überarbeitet wurde.338 Es regelt, wie die Parlamentsausschüsse mit den Folgenabschätzungen der Kommission umgehen sollen und unter welchen Voraussetzungen sie eigene Abschätzungen zu den parlamentarischen Änderungen an einem Legislativvorschlag durchführen können. Im Januar 2012 richtete das Parlament die „Direktion Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ (Directorate for Impact Assessment and European Added Value) ein, die der Generaldirektion „Wissenschaftlicher Dienst“ des Parlaments untergeordnet ist.339 Die Direktion besteht u. a. aus dem Referat „Ex-ante-Folgenabschätzungen“, dessen Aufgabe darin liegt, für die Ausschüsse des Parlaments eine „erste Bewertung“ zur „Qualität“ jeder Folgenabschätzung der Kommission abzugeben. Auf Ersuchen eines Parlamentsausschusses, das von breiter politischer Unterstützung getragen wird, nimmt das Referat auch eine umfassendere Untersuchung der „Qualität“ und Unabhängigkeit ausgewählter Folgenabschätzungen der Kommission vor.340 Im Zeitraum zwischen Juli 2012 und Dezember 2017 hat das Referat insgesamt 180 „erste Bewertungen“ und fünf umfassende Bewertungen zu Folgenabschätzun­ gen der Kommission abgegeben.341 Die „ersten Bewertungen“ enthalten auf regelmäßig vier bis acht Seiten eine Einführung zum Gegenstand des Legislativvorschlags, eine Zusammenfassung der Folgenabschätzung sowie eine Darstellung deren methodischer Stärken und Schwächen. Den Bewertungsmaßstab bilden die in den Leitlinien der Kommission für bessere Rechtsetzung aufgeführten Kriterien sowie die im „Impact Assessment Handbook“ des Parlaments benannten Erwägungen. 337

Europäisches Parlament, Entschließung vom 08. Juni 2011 zu der Gewährleistung unabhängiger Folgenabschätzungen, ABl. Nr. C 380 E vom 11.12.2012, 31, Erwägungsgrund I; daran anschließend Europäisches Parlament, Entschließung vom 27. November 2014 zu der Überarbeitung der Leitlinien der Kommission zur Folgenabschätzung und der Rolle des KMUTests, ABl. Nr. C 289 vom 09.08.2016, 53, Ziff. 23, in der das Parlament eine „systematische und möglichst frühzeitige Prüfung der Folgenabschätzungen der Kommission“ durch sich selbst fordert. 338 Europäisches Parlament, Impact Assessment Handbook, 2017. 339 Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (213); Renda, in: Dunlop / Radaelli (Hrsg.), Regulatory Impact Assessement, S. 304 (312 f.); siehe näher dazu unter Kap. 3, C. II. 2. c). 340 Dialer / Maurer / Richter, Handbuch Europäisches Parlament, S. 122; Europäisches Parlament, Impact Assessment Handbook, 2017, Ziff. 11. 341 Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 16.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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Im Rahmen der Bewertung geht das Referat auch auf die Stellungnahme des Ausschusses für Regulierungskontrolle ein und überprüft vor allem, ob dessen Empfehlungen von der zuständigen Kommissionsdienststelle in der endgültigen Fassung des Folgenabschätzungsberichts berücksichtigt worden sind. Als schwierig erweist es sich in diesem Zusammenhang für das Referat und das Parlament zu erkennen, wie sich die Stellungnahme des Ausschusses auf den endgültigen Folgenabschätzungsbericht und den dazugehörigen Legislativvorschlag ausgewirkt hat, da Kontrollgegenstand des Ausschusses der ausschließlich kommissionsintern bekannte erste Entwurf des Folgenabschätzungsberichts ist. Veröffentlicht und dem Parlament sowie dem Ministerrat vorgelegt wird im Rechtsetzungsverfahren jedoch nur der endgültige und in der Regel modifizierte Folgenabschätzungsbericht, der zumeist lediglich knappe Aussagen dazu enthält, wie die Kommissionsdienststelle die Kritik und Empfehlungen des Ausschusses aufgegriffen hat. Das Referat schreckt dennoch nicht vor einer kritischen Auseinandersetzung mit der kommissionsinternen Folgenabschätzungskontrolle zurück. Es weist in seinen Bewertungen regelmäßig darauf hin, wenn die Kommission Forderungen und Anmerkungen des Ausschusses in ihrem abschließenden Folgenabschätzungsbericht offensichtlich nicht berücksichtigt hat.342 Einen weiteren Kritikpunkt sieht das Referat darin, dass die Kommission in einigen Fällen trotz eines negativen Votums des Ausschusses zum Folgenabschätzungsbericht an ihrem Legislativentwurf festhielt.343 Indem es eine für Folgenabschätzungen zuständige Direktion eingerichtet hat, belegt das Europäische Parlament, dass es seiner Kontrollfunktion im Hinblick auf die kommissionseigenen Folgenabschätzungen uneingeschränkt nachkommen kann. Aus diesem Grund begründet die Entscheidung der Kommission, ihre Analysen durch einen eigenen Ausschuss überprüfen zu lassen, keinen Verstoß gegen den unionalen Demokratiegrundsatz. Dagegen ist die Frage, wie effektiv und in welchem Umfang das Parlament seine Kontrollbefugnis auszuüben hat, keiner rein verfassungsrechtlichen Beurteilung zugänglich. Weder vom Parlament noch vom Ministerrat kann ein bestimmtes Kontrollniveau hinsichtlich der Folgenabschätzungen eingefordert werden. Aus der verfassungsrechtlich verankerten Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments ergibt sich aber zumindest ein rechtspolitischer Ansatzpunkt dafür, dass das Parlament umfassend überprüfen sollte, ob die Überlegungen, die die Kommission ihren Rechtsetzungsinitiativen zugrunde legt,

342 Vgl. Europäisches Parlament, Kontrolle der Ausfuhr, PE 593.801, S. 9; dass., Audiovisuelle Mediendienste, PE 587.337, S. 9. 343 Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for July 2014-December 2015, PE 558.790, S. 42; im Jahr 2016 erhielten jedoch alle Folgenabschätzungen der Kommission, die das Parlament erreicht haben, eine positive Beurteilung des Ausschusses, dazu Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2016, PE 598.598, S. 18; im Jahr 2017 hat die Kommission dem Parlament in einem Fall einen Legislativvorschlag unterbreitet, dessen Folgenabschätzung zuvor zweimal vom Ausschuss negativ bewertet worden war, siehe Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 20.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

nachvollziehbar sind. In diesem Sinne bieten die von der Parlamentsdirektion angefertigten „ersten Bewertungen“ lediglich einen groben Überblick, ob die Folgenabschätzungen sachlich und methodisch plausibel sind. Angesichts des damit verbundenen Personal- und Zeitaufwands ist es dem Parlament aber nur selten möglich, die Folgenabschätzungen der Kommission umfassend zu überprüfen.344 Erst eine solche Überprüfung würde das Parlament in die Lage versetzen, die Folgen seines legislativen Handelns objektiv abzuschätzen. d) Kontrolle durch Anfertigung parlamentseigener Folgenabschätzungen zu Legislativvorschlägen Angesichts der parlamentarischen Kontrollfunktion wäre es zweckmäßig, dass die europäische Legislative nicht nur die von der Kommission angefertigten Wirkungsanalysen überprüft, sondern dass sie auch eigene Folgenabschätzungskompetenzen aufbaut. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Folgenabschätzungen auf Unionsebene ein grundlegendes Analyseinstrument darstellen, um die Auswirkungen legislativer Entscheidungen im Vorfeld zu prognostizieren. In der Gesetzgebungspraxis der Union führt jedoch in aller Regel ausschließlich die Kommission Folgenabschätzungen durch. Sie erarbeitete im Zeitraum von 2007 bis 2014 über 700 Folgenabschätzungen, während das Europäische Parlament im selben Zeitraum 20 Folgenabschätzungen zu den Auswirkungen seiner Änderungen an Legislativvorschlägen und der Ministerrat keine Folgenabschätzung vornahm.345 Diese Zahlen belegen, dass die Europäische Kommission über ein faktisches Folgenabschätzungsmonopol verfügt. Demgegenüber wird das Europäische Parlament in der Regel nur dann folgenabschätzend tätig, wenn es die Auswirkungen von wesentlichen Änderungen eines Legislativvorschlags, die sich im parlamentarischen Beratungsverfahren ergeben haben, analysieren will. Im Zeitraum zwischen Juli 2012 und Dezember 2017 gab es lediglich acht Folgenabschätzungen zu wesent­ lichen Abänderungen des Parlaments.346 Da nahezu alle Kommissionsvorschläge im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens durch die parlamentarischen Beratungen Änderungen erfahren347, ist diese Zahl als gering einzustufen. Mit der Erarbeitung der Folgenanalysen zu wesentlichen Abänderungen beauftragt

344

Vgl. Schroeder, ZG 2016, 193 (204 f.); ders., ZÖR 2013, 225 (238). Europäische Kommission, Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 8; kritisch zu den wenigen Folgenabschätzungen von Parlament und Rat in Bezug auf ihre Änderungen an den Kommissionsentwürfen Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 3/2010, Rn. 35 f.; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 155 f.; Renda, in: Dunlop / Radaelli (Hrsg.), Regulatory Impact Assessement, S. 304 (312); Schroeder, ZÖR 2013, 225 (253). 346 Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 16. 347 v. Danwitz, JZ 2006, 1 (2); ders., Europäisches Verwaltungsrecht, S. 209; Grüner, Quantität und Qualität, S. 172; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 156. 345

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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das Parlament kein internes Referat, sondern ausschließlich externe Experten, um eine neutrale Untersuchung zu gewährleisten.348 Wenn zu einem Legislativvorschlag eine Folgenabschätzung der Kommission vorliegt, ist diese der Ausgangspunkt für die parlamentarischen Beratungen. Ergänzende parlamentseigene Folgenabschätzungen insbesondere zu Aspekten, die die Kommission in ihrer Analyse nicht thematisiert hat, erarbeitete das zuständige Parlamentsreferat für Ex-ante-Folgenabschätzungen zwischen Juli 2012 und Dezember 2017 nur in drei Fällen.349 Das Folgenabschätzungssystem der Kommission ergänzt um die „Qualitätskontrolle“ durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle wirkt sich folglich im Regelfall bestimmend auf den weiteren Normsetzungsprozess aus, ohne dass dem alternative, andere Schwerpunkte setzende Analysen gegenüberstehen. Es entspräche jedoch mehr dem verfassungspolitischen Verständnis des Parlaments als Kontrollorgan, wenn es zu Legislativvorschlägen der Kommission regelmäßig eine eigene Folgenabschätzung vornehmen würde. Folgenabschätzungen sind zwar kein typisches Kontrollinstrument des Parlaments, aber hinsichtlich Sinn und Zweck dienen sie dazu, die beabsichtigten und nichtbeabsichtigten Auswirkungen eines Kommissionsvorschlags zu ermitteln. Sie zielen genauso wie andere informative Kontrollrechte auf die parlamentarische Beschaffung und Bewertung von Informationen. Solange die Gefahr besteht, dass die kommissionseigenen Folgenabschätzungen unter fehlender Neutralität sowie einseitiger Schwerpunktsetzung leiden, sollten das Parlament und ggf. der Ministerrat darum nach rechtspolitischer Betrachtung bemüht sein, in möglichst vielen Fällen selbst die Auswirkungen der ihnen vorgelegten Regelungsentwürfe zu ermitteln. Auf diese Weise können sie vermeiden, abhängig von den Informationen der Kommission über die prognostizierten Auswirkungen eines Regelungsvorschlags zu sein. Von besonderer Relevanz ist die Frage, ob das Parlament Folgenabschätzungen vornimmt, wenn die Kommission zu einem Legislativvorschlag keine solche durchgeführt hat. Die Anzahl der Folgenabschätzungen, welche die Kommission anfertigt, ist im Verhältnis zur Gesamtanzahl der von der Union erlassenen Rechtsakte weiterhin als gering anzusehen.350 Es gibt folglich zahlreiche Rechtsetzungsvorschläge, die das Parlament ohne eine Folgenabschätzung erreichen. Dennoch 348 Europäisches Parlament, Impact Assessment Handbook, 2017, Ziff. 22; ebenso Euro­ päisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 21. 349 Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 16. 350 Schroeder, ZÖR 2013, 225 (236); ders., ZG 2016, 193 (201); ebenso die Studie des Impact Assessment Institute, A year and a half of the Better Regulation Agenda, S. 34 f.; auch die Kommission selbst räumt ein, dass sie nicht zu allen Initiativen eine Folgenabschätzung vornimmt, siehe Europäische Kommission, Vollendung der Agenda, COM(2017) 651 final, S. 5; dazu auch Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 24 mit dem Hinweis, dass im Jahr 2017 ein Drittel der Legislativvorschläge der Kommission, die zu den Gesetzgebungsprioritäten des Jahres zählten, keine Folgenabschätzung enthielten.

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

gab es im Zeitraum zwischen Juli 2012 und Dezember 2017 lediglich zwei Fälle, in denen das Parlament eine eigene als Ersatz für die fehlende Folgenabschätzung der Kommission erstellen ließ351. Jedoch besteht vor allem in der Situation, wenn die Kommission auf die Durchführung einer Folgenabschätzung verzichtet hat, in rechtspolitischer Hinsicht ein parlamentarisches Kontrollbedürfnis in Bezug auf den Legislativvorschlag, da dessen tatsächlichen Auswirkungen dann nicht bekannt sind. Als Grund, warum die Kommission keine Folgenabschätzung anfertigt, kommt neben dem Fall, dass sie einer Rechtsetzungsmaßnahme keine wesentlichen Auswirkungen zuschreibt, der immense Zeitaufwand, der für die Anfertigung einer Folgenabschätzung benötigt wird352, in Betracht. Wenn die Kommission es bezweckt, einen Rechtsetzungsvorschlag aus politischen Gründen möglichst schnell an Parlament und Rat weiterzuleiten, verbleibt keine Zeit, die Auswirkungen des Vorschlags zu analysieren und das Resultat zunächst dem Ausschuss für Regulierungskontrolle vorzulegen. Trotz des Zeitdrucks, dem das Parlament im Rechtsetzungsverfahren insbesondere im Zuge der zweiten Lesung angesichts der Frist des Art. 294 Abs. 7 AEUV ausgesetzt ist, sollte es zumindest aus rechtspolitischen Gründen in einem solchen Fall seine Aufgabe sein, sich selbst die Sachkenntnis über die Auswirkungen des Legislativvorschlags zu verschaffen, damit es die Folgen seines legislativen Handelns absehen kann.

V. Verantwortung der Unionsgesetzgeber für die „Qualität“ und Folgen der Rechtsetzung Als abschließend beschlussfassende Unionsgesetzgeber tragen das Europäische Parlament und der Ministerrat die gemeinsame Verantwortung für die rechtstechnische Qualität und die Folgen der verabschiedeten Rechtsakte. Diese Verantwortung resultiert daraus, dass das Parlament und der Ministerrat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 1 S. 1, Art. 294 AEUV als Mitgesetzgeber gleichberechtigt nebeneinander stehen. In den besonderen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 2 AEUV gilt diese Verantwortung in gleichem Maße und trifft insbesondere den Ministerrat, der in der Mehrzahl dieser Fälle das entscheidende Organ darstellt353. Das gängige methodische Instrument, um die unterschiedlichen Auswirkungen eines Regelungsvorhabens zu prognostizieren, stellen 351

Die erste „ersetzende“ Folgenabschätzung wurde extern durchgeführt und stammt aus dem Jahr 2013: Europäisches Parlament, Substitute Impact Assessment of EC Directive Amending Council Honey Directive 2001/110/EC, PE 514.066; die zweite „ersetzende“ Folgenabschätzung wurde im Jahr 2017 ebenfalls extern erarbeitet: Europäisches Parlament, New model of governance and accountability of data protection by Union institutions and bodies, Substitute Impact Assessment, PE 610.997. 352 Die Kommission gibt an, dass ihre Folgenabschätzungen zwischen 8 Monaten und bis zu 2 Jahren dauern können, siehe Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 28. 353 Krajewski / Rösslein, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 289 AEUV Rn. 49, 51; Schoo, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 289 EUV Rn. 8 f.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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Folgenabschät­zungen dar. Vor diesem Hintergrund erscheint es unverständlich, dass sowohl die Durchführung von Folgenabschätzungen als auch deren Kontrolle durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle nahezu ausschließlich im Einflussbereich der Kommission stattfinden. Als normativer Anknüpfungspunkt spricht insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dafür, das Europäische Parlament und den Ministerrat stärker als bisher an der Folgenabschätzung zu neuen Unionsrechtsakten zu beteiligen. Die Unionsorgane sind im Rahmen ihrer legislativen Tätigkeit an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden354. Dieser ist nicht nur in Art. 5 Abs. 4 EUV normiert, sondern stellt auch in der ständigen Rechtsprechung des EuGH einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts dar355. Der EuGH betonte mehrfach, dass der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfüge, wenn seine Tätigkeit politische, wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen und Beurteilungen verlange. Von einer Rechtswidrigkeit der erlassenen Maßnahmen könne deshalb nur dann ausgegangen werden, wenn sie zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolge, offensichtlich ungeeignet seien.356 Zugleich schlussfolgerte der EuGH aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aber, dass der Unionsgesetzgeber trotz seines weiten Ermessens verpflichtet sei, seine Entscheidung auf „objektive Kriterien“ zu stützen. Er müsse bei der Beurteilung der mit verschiedenen möglichen Maßnahmen verbundenen Belastungen prüfen, ob die mit der gewählten Maßnahme angestrebten Ziele beträchtliche negative wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen könnten.357 An anderer Stelle forderte der EuGH, dass der Unionsgesetzgeber „alle sachlichen Umstände sowie die zum Zeitpunkt des Erlasses der […] Maßnahme verfügbaren technischen und wissenschaftlichen Daten zu berücksichtigen“ habe.358 Mit diesen Entscheidungen legte der EuGH fest, dass die gesetzgebenden Organe der Union jedenfalls in allgemeiner Hinsicht eine Folgenabschätzung ihrer Maßnahmen durchführen müssen.359 354

Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 5 EUV Rn. 44; Grüner, Quantität und Qualität, S. 418. 355 EuGH, Rs. C-41/79 u. a. (Testa / Bundesanstalt für Arbeit), Slg. 1980, 1979 Rn. 21; Rs. C-331/88 (Fedesa u. a.), Slg. 1990, I-4023 Rn. 13; Rs. C-133/93 (Crispoltoni), Slg. 1994, I-4863 Rn. 41; dazu Kischel, EuR 2000, 380 (382); Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 94. 356 EuGH, Rs. C-189/01 (Jippes u. a.), Slg. 2001, I-5689 Rn. 82 f.; Rs. C-491/01 (British American Tobacco und Imperial Tobacco), Slg. 2002, I-11453 Rn. 123; Rs. C-58/08 (Vodafone u. a.), Slg. 2010, I-4999 Rn. 52. 357 EuGH, Rs. C-58/08 (Vodafone u. a.), Slg. 2010, I-4999 Rn. 53; ähnlich GA Sharpston, Schlussanträge zur Rs. C-310/04 (Spanien / Rat), Slg. 2006, I-7285 Rn. 96; ablehnend zum Erfordernis einer Folgenabschätzung GA Jacobs, Schlussanträge zur Rs. C-342/03 (Spanien / Rat), Slg. 2005, I-1975 Rn. 14. 358 EuGH, Rs. C-127/07 (Arcelor Atlantique und Lorraine u. a.), Slg. 2008, I-9895 Rn. 58. 359 Arndt, Vorsorgeprinzip, S. 281 f.; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art.  5 EUV Rn. 51; jedenfalls als unionsgesetzgeberische Pflicht zur Daten- und Tatsachenerhebung deutet Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 96 die EuGH-Rechtsprechung. Aufgrund des weiten Gestaltungsspielraums der europäischen Rechtsetzungsorgane hat sich der EuGH aber bislang nicht dazu durchringen können, eine fehlende oder unzureichende Folgenabschätzung bezüglich

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Die Urteile deuten zudem darauf hin, dass die Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens von Daten und Umständen abhängt, die häufig erst durch eine Folgenabschätzung ermittelt werden können.360 Folgenabschätzungen stellen damit eine wichtige Informationsressource hinsichtlich der Ermessensausübung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit dar.361 Dementsprechend hat der EuGH in der Rechtssache Vodafone mehrmals auf die Folgenabschätzung der Kommission Bezug genommen362, ohne jedoch eine Pflicht zur Erstellung einer solchen ausdrücklich zu formulieren. Auf den Zusammenhang zwischen prozeduralen Sorgfaltspflichten des Gesetzgebers und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wies auch das EuGH-Urteil in der Rechtssache Spanien / Rat aus dem Jahr 2006 hin. In diesem unterstrich der Gerichtshof, dass die Ermessensausübung beim Erlass eines Rechtsakts voraussetze, dass „alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt worden sind“.363 Da der Rat als Unionsgesetzgeber in diesem Fall weder die für die Begründung erforderlichen Grunddaten ausreichend beachtet noch die potenziellen Auswirkungen des Rechtsakts hinreichend untersucht hat, wurde die Verordnung aus dem Bereich der Landwirtschaftspolitik vom EuGH für unverhältnismäßig und somit für nichtig erklärt. Teile der Literatur leiten aus einer Zusammenschau verschiedener anderer primärrechtlicher Bestimmungen einen „Verfassungsauftrag der Organe zur Folgenabschätzung“ ab, der im Regelfall einer Obliegenheit und zum Teil sogar einer sanktionsfähigen Pflicht gleichkommt.364 Der Anknüpfungspunkt für ein solches eines Unionsrechtsakts ausdrücklich zu sanktionieren. Er sieht eine Folgenabschätzung weder als wesentliche Formvorschrift i. S. v. Art. 263 Abs. 2 AEUV noch als Teil einer nach Art. 296 Abs. 2 AEUV erforderlichen Begründung eines Rechtsakts an, siehe dazu Alemanno, ELJ 2009, 382 (398); Grüner, Quantität und Qualität, S. 427 ff.; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 529; Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (405 f.); Schroeder, ZÖR 2013, 225 (248 f.). 360 Schroeder, ZÖR 2013, 225 (248). 361 Alemanno, European Public Law 17 (2011), 485 (501 f.); Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (405); Lenaerts, Yearbook of European Law 31 (2012) 3 (7 f.); zur Verhältnismäßigkeit als Anknüpfung für die Folgenabschätzung Lange, ZG 2001, 268 (274); Meuwese, in: Weatherill (Hrsg.), Better Regulation, S. 287 (306 f.). 362 EuGH, Rs. C-58/08 (Vodafone u. a.), Slg. 2010, I-4999 Rn. 45, 55, 58, 65; dazu näher Lenaerts, Yearbook of European Law 31 (2012) 3 (8). 363 EuGH, Rs. C-310/04 (Spanien / Rat), Slg. 2006, I-7285 Rn. 122; dazu Alemanno, ELJ 2009, 382 (397 f.). 364 Ausdrücklich Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 17 Rn. 19; von einer Obliegenheit in Bezug auf die Interessenabwägung in der Verhältnismäßigkeit spricht auch Hofmann, Abwägung im Recht, S. 513 f.; ebenso von einem „Verfassungsauftrag zur Folgenabschätzung“ ausgehend Grüner, Quantität und Qualität, S. 424, 432 f., der aber zugleich auf dessen „Durchsetzungsschwäche“ hinweist; ähnlich Schroeder, ZG 2016, 193 (197 f.); etwas zurückhaltender Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV Rn. 58; nach Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (404) geht das „Primärrecht von der Notwendigkeit einer Folgenabschätzung aus, ohne dass sich ihm eine echte Pflicht hierzu entnehmen lässt“; hingegen für die Annahme einer Pflicht zur Folgenabschätzung Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 126 ff., 223; ebenso Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 138, der von einem verbindlichen „Gebotscharakter“ ausgeht.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

295

Verständnis ergibt sich zunächst aus der umweltrechtlichen Integrationsklausel des Art. 11 AEUV. Diese verlangt, dass die Unionsorgane zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung aller Unionspolitiken und Maßnahmen berücksichtigen. Eine Berücksichtigung und Abwägung mit anderen unionsrechtlichen Zielen setzt aber voraus, dass zuvor die voraussichtlichen Auswirkungen eines legislativen Handelns oder Nichthandelns ermittelt und bewertet worden sind. Erst wenn die Unionsorgane wissen, ob und welche Umweltauswirkungen eine Maßnahme hat, können sie diese ökologischen Belange in den Abwägungsprozess einbeziehen. Einige Stimmen entnehmen Art. 11 AEUV daher eine Pflicht zur Folgenabschätzung im Sinne einer „Umweltverträglichkeitsprüfung“.365 Neben Art. 11 AEUV sind die Abwägungsgebote aus Art. 191 Abs. 3 AEUV zu beachten, die im Rahmen der EU-Umweltpolitik eine zentrale Rolle spielen. Sie enthalten jeweils Elemente einer Folgenabschätzung366. Vor allem das in Art. 191 Abs. 3 Spstr. 3 AEUV niedergelegte Gebot, die Vorteile und die Belastung aufgrund des Tätigwerdens bzw. eines Nichttätigwerdens zu bedenken, verlangt eine alle kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen ökologischer, ökonomischer, finanzieller, sozialer und kultureller Art umfassende Gesamtfolgenabschätzung.367 Aber nicht nur in der Umweltpolitik, sondern beispielsweise auch bei der Gestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik besteht gemäß Art. 39 Abs. 2 a) AEUV ein ähnliches Berücksichtigungsgebot. Es verlangt, dass die politischen Maßnahmen im Agrarbereich der besonderen Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die sich aus dem sozialen Aufbau der Landwirtschaft und den strukturellen und naturbedingten Unterschieden der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete ergibt, Rechnung tragen. Im Bereich der Binnenmarktpolitik folgt aus Art. 114 Abs. 3 AEUV, dass der Unionsgesetzgeber „alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen“ zu berücksichtigen hat. Aus dem Gebot der Haushaltsdisziplin nach Art. 310 Abs. 4 AEUV ergibt sich zwar nicht die Pflicht zur einer umfassenden Folgenabschätzung, jedoch das Erfordernis einer genauen Kostenanalyse für Rechtsakte der Union. Dementsprechend setzt die Haushalts 365

Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 11 AEUV Rn. 9, 13; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 71; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 126 f. bezieht diese Pflicht zur Folgenabschätzung auf die Mitgliedstaaten, jedoch gilt sie dann erst recht für die Unionsorgane; zurückhaltend Epiney, in: Vedder / Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 11 AEUV Rn. 8; wohl gegen eine entsprechende Rechtspflicht Nettesheim, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 11 AEUV Rn. 25 f. 366 Grüner, Quantität und Qualität, S. 420; Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 17 Rn. 23; kritisch Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 118, der darauf hinweist, dass Art. 191 Abs. 3 AEUV ungeeignet sei, um allgemeine prozedurale Sorgfaltspflichten der Unionsgesetzgeber zu begründen. 367 Arndt, Vorsorgeprinzip, S. 282; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art.  191 AEUV Rn. 45; Käller, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 191 EUV Rn. 44; Kahl, in: Streinz, EUV /  AEUV, Art. 191 AEUV Rn. 124; Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 3 Rn. 180; Nettes­heim, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 191 AEUV Rn. 144.

296

2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

ordnung368 gemäß Art. 30 Abs. 4 ausdrücklich die Durchführung von Ex-ante- und Ex-post-Bewertungen bei allen Programmen und Tätigkeiten voraus, die mit erheblichen Ausgaben verbunden sind. Schließlich verlangt das Subsidiaritätsprotokoll369, das gemäß Art. 51 EUV Bestandteil der Verträge ist, in seinem Art. 5, dass jeder Entwurf eines Gesetzgebungsakts einen Vermerk mit detaillierten Angaben enthält, die es ermöglichen, zu beurteilen, ob die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingehalten wurden. Dieser Vermerk sollte u. a. Angaben zu den voraussichtlichen finanziellen Angaben enthalten. Die Entwürfe von Gesetzgebungsakten sollen zudem berücksichtigen, dass „die finanzielle Belastung und der Verwaltungsaufwand der Union, der nationalen Regierungen, der regionalen und lokalen Behörden, der Wirtschaftsteilnehmer und der Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müssen“. Elemente einer Folgenabschätzung sind daher in Bezug auf zahlreiche Legislativakte der Union zumindest ansatzweise durchzuführen. Weder dem Primärrecht noch der Rechtsprechung lässt sich aber die Aussage entnehmen, dass der Auftrag zum Nachdenken über die Folgen des gesetzgeberischen Handelns generell allein die Kommission als Initiator des Rechtsetzungsvorschlags trifft. Es handelt sich vielmehr um ein verfassungsrechtliches Gebot, dem alle Legislativorgane der Union nachkommen müssen. Immer wenn von „Unionsgesetzgeber“ die Rede ist, dann sind damit in erster Linie Parlament und Rat gemeint. Sie sind insbesondere in formaler und verfahrensmäßiger Hinsicht die Gesetzgebungsorgane der Union, da sie gerade im Verhältnis zur Kommission die abschließende gesetzgeberische Funktion innehaben.370 Aus diesem Grund erweisen sich weder die Angliederung des Ausschusses für Regulierungskontrolle an die Europäische Kommission noch die ihm in diesem Zusammenhang zugewiesenen Aufgaben als zwingend. Es wirft vielmehr institutionelle Fragen auf, warum ein überwiegend kommissionsinternes Gremium die Folgenabschätzungsberichte überprüft, deren Ausarbeitung ohnehin bereits in den Händen der zuständigen Kommissionsdienststelle liegt. Da sie die letztgültige Entscheidung im Rechtsetzungsverfahren der Union treffen, ist es vor 368

Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates, ABl. Nr. L 298 vom 26.10.2012, 1. 369 Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. Nr. C 115 vom 09.05.2008, 206. 370 So ausdrücklich EuGH, Rs. C-105/04 P (Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied / Kommission), Slg. 2006, I-8725 Rn. 38; Rs. C-113/04 P (Technische Unie / Kommission), Slg. 2006, I-8831 Rn. 43: Maßnahmen der „Kommission in Ausübung der ihr durch den Gemeinschaftsgesetzgeber verliehenen Befugnisse“; so ebenfalls Dederer, in: Hofmann / Naumann (Hrsg.), Europäische Demokratie, S. 89 (90 f.); Epping, in: Vedder / Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 293 AEUV Rn. 5; Görisch, Demokratische Verwaltung, S. 341 f.; Saurer, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 294 AEUV Rn. 2; anders Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 32, der auch die Kommission als Gesetzgeber sieht.

C. Unionsverfassungsrechtliche Würdigung

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allem die Aufgabe des Europäischen Parlaments sowie des Ministerrates, sich mit den in den Folgenabschätzungsberichten der Kommission dargestellten Erwägungen zu befassen und diese einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Erst dadurch können die Unionsgesetzgeber ihrer Verantwortung hinsichtlich der rechtstechnischen Qualität, Rechtmäßigkeit und Folgen der von ihnen verabschiedeten Legislativakte gerecht werden. Es ist demnach auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich, dass sich das Parlament und der Ministerrat stärker als bislang mit den Auswirkungen der von ihnen erlassenen Rechtsakte auseinandersetzen. Unbenommen bleibt es den Unionsgesetzgebern jedoch, sich die Wirkungsanalysen der Kommission im Rahmen der legislativen Entscheidungsfindung zu eigen zu machen. Das hat zwar zur Konsequenz, dass sie oftmals wenig Anlass sehen, selbst intensiv die möglichen Folgen eines Legislativvorschlags zu untersuchen. Falsch wäre es aber, hieraus den Schluss zu ziehen, dass das faktische Folgenabschätzungsmonopol der Kommission unionsverfassungsrechtlich unzulässig ist. Eigene Wirkungsanalysen der Unionsgesetzgeber zu Rechtsetzungsinitiativen bleiben rechtlich möglich und werden durch das Folgenabschätzungssystem der Europäischen Kommission nicht ausgeschlossen.

VI. Abschnittsergebnis Der Ausschuss für Regulierungskontrolle ist ein Instrument der Kommission, um die von ihr in formeller und materieller Hinsicht ausgehende Rechtsetzungsvorbereitung einer „unabhängigen Kontrollinstanz“ zu unterwerfen. Die Kontrolle ist nicht unmittelbar auf die Rechtsetzungsinitiativen der Kommission gerichtet, sondern auf ihre Folgenabschätzungen. Diese stellen oftmals den Ausgangspunkt dar, um neue Legislativvorschläge zu erarbeiten, da sie deren potenziellen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen ermitteln. Indem die Kommission die für einen Rechtsetzungsvorschlag grundlegenden Folgenbeurteilungen einer auf dem Papier unabhängigen Überprüfung unterzieht, die sich aber zugleich im Dunstkreis der Kommission abspielt, bezweckt sie, ihren Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament und Ministerrat auszudehnen. Auch anhand der im Jahr 2016 abgeschlossenen „Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ wird deutlich, dass die kommissionseigenen Folgenabschätzungen das Fundament für die Wirkungsanalysen und -bewertungen im gesamten Gesetzgebungsverfahren legen. Das Europäische Parlament und der Ministerrat sind im Rahmen der „Interinstitutionellen Vereinbarung“ aber keine harten Verbindlichkeiten eingegangen, so dass sie weder an die Folgenabschätzungen noch an die Stellungnahmen des Ausschusses rechtlich gebunden sind. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Unionsverfassungsrecht der Kommission nicht zuletzt angesichts ihres Initiativmonopols eine besondere Stellung im Gesetzgebungsverfahren zuweist, ist das weitreichende

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2. Kap.: Der Ausschuss für Regulierungskontrolle

Folgenabschätzungsregime der Kommission zwar rechtspolitisch kritikwürdig, begründet in der derzeitigen Ausgestaltung aber keinen Verstoß gegen das institutionelle Gleichgewicht. Keine andere rechtliche Wertung ergibt sich im Hinblick auf die parlamentarische Kontrollfunktion. Zwar wurde mit der Einsetzung des Ausschusses neben der Durchführung auch die Kontrolle von Folgenabschätzungen zu einer kommissionsinternen Angelegenheit erklärt. Doch rechtlich unzulässig ist dieser Kompetenzzugriff der Kommission nicht, da er eine gleich gelagerte Überprüfung der Folgenabschätzungen durch das Parlament bzw. ggf. durch den Ministerrat nicht ausschließt. Gleiches gilt im Ergebnis für die Annahme, dass auch das Parlament und der Ministerrat als Unionsgesetzgeber dazu angehalten sind, die Folgen der von ihnen erlassenen Rechtsakte zu ermitteln. Diese an die Unionsgesetzgeber gerichtete Erwartung lässt sich rechtlich begründen, hat aber nicht zur Folge, dass das Engagement der Kommission in diesem Bereich unzulässig ist. Da umfassende Folgenabschätzungen auf Unionsebene kein verpflichtendes Instrument in dem Sinne sind, dass sie gerichtlich einklagbar wären, bewegt sich die Diskussion in einem überwiegend politischen Bereich, der mit den Maßstäben des Unionsverfassungsrechts nur am Rande greifbar ist. Aus diesem Grund bleibt eine stärkere Beteiligung des Parlaments und Ministerrates am Folgenabschätzungsprozess ein Desiderat, das zwar rechtspolitisch, nicht aber verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.

3. Kapitel

Institutionenvergleich zwischen Nationalem Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle Im Rahmen des Institutionenvergleichs werden zunächst die bereits geschilderten Kompetenzen und Funktionsweisen des Normenkontrollrates sowie des Ausschusses unmittelbar gegenübergestellt. Ausgehend davon ergeben sich Übereinstimmungen und Unterschiede, inwiefern die beiden Gremien das jeweilige Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- bzw. Unionsebene beeinflussen können. Diese Erkenntnisse dienen im Anschluss dazu, insbesondere die kompetenzielle Anbindung der Folgenabschätzungskontrolle rechtsvergleichend einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, um darauf aufbauend Alternativvorschläge zu formulieren. Der in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften geprägten Definition des Begriffs „Institution“ als Regelsystem, das im Rahmen der sozialen Ordnung individuelles Handeln formt und beschränkt, soll an dieser Stelle keine Bedeutung zukommen. Vielmehr ist für den folgenden Abschnitt ein Verständnis des Begriffs „Institution“ maßgeblich, das diesen im engen etymologischen Sinne schlicht als Einrichtung auffasst1.

A. Rechtliche Stellung Den Ausgangspunkt des Institutionenvergleichs bildet die Frage, welche Stellung das deutsche und das unionale Recht den untersuchten Sachverständigen­ gremien jeweils zuerkannt haben. Da die Gremien schwerpunktmäßig Folgenabschätzungen zu Legislativakten überprüfen, wirkt sich ihre rechtliche Stellung mittelbar auf den Rechtsetzungsprozess aus und kann daher grundlegende verfassungsrechtliche Aspekte berühren.

1 Siehe dazu jeweils die Beiträge unter „Institut“ bei Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 447; Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch, S. 584 f.

300

3. Kap.: Institutionenvergleich 

I. Rechtsgrundlage der Tätigkeit Die Bedeutung einer staatlichen Institution bemisst sich nicht zuletzt an der Frage, auf welche rechtliche Grundlage sie ihr Handeln stützen kann. Insbesondere die Normebene, auf der die entsprechende Rechtsgrundlage angesiedelt ist, sagt etwas über die Wirkungsmöglichkeiten eines Sachverständigengremiums aus. Als Regelungsstandort für die Tätigkeit exekutiver Folgenabschätzungsinstitutionen kommen neben dem Gesetzes- bzw. Sekundärrecht auch das Verfassungsrecht sowie das Binnenrecht der Exekutive in Betracht. 1. Regelungsebene Alle wesentlichen Regelungen zu Befugnissen, Zusammensetzung und Organisationsaspekten des Normenkontrollrates sind im NKRG (Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates) enthalten. Es war somit der Bundestag, der durch ein formelles Gesetz die rechtliche Basis für die Einrichtung des Normenkontrollrates schuf.2 Ergänzende Regelungen zur Beteiligung des Normenkontrollrates im inneren Gesetzgebungsverfahren finden sich in der GGO und damit in untergesetzlichen Regierungsbestimmungen. Demgegenüber beruht der Ausschuss auf einem Beschluss des Kommissionspräsidenten, an dem weder Europäisches Parlament noch Rat mitgewirkt haben. Fraglich ist, ob es sich bei dieser Handlungsform um einen adressatenlosen Beschluss gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV handelt3. Existierte der (adressatenlose) Beschluss bis zum Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon als Handlungskategorie lediglich in der Praxis4, ist er nun in Art. 288 Abs. 4 AEUV primärrechtlich verankert. Die Unterscheidung zwischen adressatenlosen und adressatenspezifischen Beschlüssen ergibt sich aus Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV. Beide Beschlussformen sind Teil des Sekundärrechts der Union. Einen klassischen Anwendungsbereich adressatenloser Beschlüsse stellt das unionale Organisationsrecht dar, das beispielsweise die Schaffung oder Ausgestaltung von Einrichtungen auf Unionsebene umfasst.5 Die Unionsorgane können somit durch adressatenlose Beschlüsse ihre eigene Organisation rechtlich ausformen. Dieser Hintergrund könnte darauf hin 2 Zum Teil wird gerade vor dem Hintergrund der „Gesetzesflut“ und der Rechtsvereinfachung in Zweifel gezogen, ob es für die Einsetzung des Normenkontrollrates eines Gesetzes bedurft hätte, siehe Linke, JZ 2016, 1081 (1089); Schultze, DÖV 2007, 401 (409). 3 Teilweise findet sich auch die Bezeichnung „adressatenunabhängiger Beschluss“ (so Nettesheim, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 288 AEUV, Rn. 194) oder „Beschluss sui generis“ (so Geismann, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV, Rn. 61). 4 Nettesheim, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 288 AEUV Rn. 195; siehe dazu ausführlich v. Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (99 ff.). 5 Geismann, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV, Rn. 61; Schroeder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 120; ebenso bereits v. Bogdandy /  Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (103); laut Pilniok, EuR 2014, 62 (67) setzt die Kommission

A. Rechtliche Stellung

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deuten, dass der Kommissionspräsident den Ausschuss für Regulierungskontrolle mittels eines adressatenlosen Beschlusses eingesetzt hat. Dagegen spricht jedoch, dass gemäß Art. 297 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV adressatenlose Beschlüsse im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen sind. Der Beschluss zur Einsetzung des Ausschusses für Regulierungskontrolle fand aber keinen Eingang in das Amtsblatt. Weiterhin entfalten adressatenlose Beschlüsse zwar grundsätzlich keine Außenwirkung, binden aber die gesamte Union und ihre Einrichtungen.6 Demgegenüber beansprucht der Beschluss zur Einsetzung des Ausschusses ausschließlich kommissionsinterne Wirkungen, ohne sich an andere Unionsorgane zu richten. Schließlich hat nicht die Europäische Kommission als Kollegium den Beschluss erlassen, sondern der Kommissionpräsident allein. Das dürfte im Ergebnis nicht ausreichen, um den Einsetzungsschluss als einen Sekundärrechtsakt einzuordnen. Vielmehr stellt er lediglich einen ungeregelten, organinternen Erlass dar, den der Kommissionspräsident gemäß Art. 22 Kommission-GO und kraft seiner Organisationsgewalt aus Art. 17 Abs. 6 b) EUV verkündet hat.7 Obgleich sowohl der Ausschuss für Regulierungskontrolle als auch der Normenkontrollrat ihre Tätigkeiten auf geschriebene Rechtsgrundlagen stützen können, unterscheiden sich Letztere in Rang und Bindungswirkung erheblich voneinander. Der Normenkontrollrat beruht auf einem Bundesgesetz, das im Rang unterhalb der Verfassung steht. Der Einsetzungsbeschluss des Ausschusses ist hingegen noch unter der Sekundärrechtsebene anzusiedeln und lediglich als Binnenrecht der Kommission einzuordnen. Unterschiede ergeben sich auch im Hinblick auf die Reichweite der Bindungswirkung. Während der Einsetzungsbeschluss sich in seiner Wirkung auf die Kommission beschränkt und damit einen organinternen Charakter aufweist, stellt die Gesetzesform, die für die Einsetzung des Normenkontrollrates gewählt wurde, eine abstrakt-generelle Regelung mit Außenwirkung dar. 2. Auswirkungen auf die Änderungsbeständigkeit Von Bedeutung ist die Rechtsgrundlage, auf die ein Gremium seine Tätigkeit stützt, nicht zuletzt für seine Relevanz und Sichtbarkeit im politischen Betrieb. Damit hängt auch die Frage zusammen, ob das Gremium dauerhaft tätig sein wird oder von der nächsten Regierung bzw. Kommission wieder grundlegend und ohne nennenswerte verfahrensrechtliche Hürden umgestaltet oder aufgelöst werden als Kollegialorgan formale Expertengruppen durch Beschlüsse ein, während informelle Expertengruppen von den Generaldirektionen nach Bedarf einberufen werden. 6 Nettesheim, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 288 AEUV Rn. 197; Schroeder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 119; ebenso bereits v. Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (102 f.); deutlich weitergehender Gundel, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 288 AEUV Rn. 95 f. 7 Zur Kategorie der unspezifischen Beschlüsse der Unionsorgane Vedder, in: ders. / Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV Rn. 56.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

kann. Die Einsetzung des Normenkontrollrates durch Gesetz sichert ihm mehr Stabilität zu, als es ein regierungsinterner Organisationserlass erreicht hätte. Um den Rat abzuschaffen, bedarf es der Einleitung eines förmlichen Gesetzgebungsverfahrens. Eine neue Regierung wäre somit auf einen Mehrheitsbeschluss im Bundestag gemäß Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG angewiesen, um der beratenden Kontrolle durch den Normenkontrollrat dauerhaft zu entgehen. Eine noch beständigere Stellung hätte der Normenkontrollrat durch eine Einbeziehung in die Verfassung erhalten, da Art. 79 Abs. 2 GG für deren Änderung qualifizierte Mehrheiten verlangt. Eine verfassungsrechtliche Regelung des Normenkontrollrates war aber weder politisch gewollt, noch hätte sie seiner geringen Bedeutung im Staatsgefüge entsprochen. Im Gegensatz dazu hängt die Existenz des Ausschusses vom politischen Willen der Kommissionsspitze ab. Der amtierende Kommissionspräsident könnte den Beschluss zur Einsetzung des Ausschusses jederzeit aufheben. Weder eine Beteiligung des Parlaments oder Ministerrates noch die Einhaltung eines besonderen Verfahrens wären dafür erforderlich. Die Rechtsgrundlage, auf die sich der Normenkontrollrat zur Begründung seiner Tätigkeit stützt, ist folglich änderungsbeständiger als der Rechtsakt, auf dessen Grundlage der Ausschuss seine Aufgaben erfüllt. Da sich die Kontrollfunktion jeweils auf die von der Exekutive vorgelegten Wirkungsanalysen bezieht, hat es die Leitung der Kommission im Gegensatz zur Bundesregierung selbst in der Hand, diese Kontrolle zu beenden. Im Ergebnis hat das zur Folge, dass der Normenkontrollrat in geringerem Maß als der Ausschuss an den Bestand der politischen Spitze der Exekutive gekoppelt ist und damit eine höhere gesamtpolitische Relevanz für sich beanspruchen kann.

II. Organisatorische Anbindung an die Exekutivspitze Deutliche Parallelen offenbaren sich in der Entscheidung, bei welchem Organ die jeweils zuständige Stelle die beiden hier untersuchten Sachverständigen­ gremien organisatorisch angegliedert hat. Die Anbindung erfolgte jeweils bei der Exekutive, jedoch nicht bei einem bestimmten Ressort oder einer bestimmten Generaldirektion, die traditionell in fachlicher Hinsicht für Fragen der Folgenabschätzung zuständig sind, sondern zentral beim Bundeskanzleramt bzw. beim Generalsekretariat der Kommission. Das Bundeskanzleramt unterstützt den Bundeskanzler bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und gilt nicht zuletzt angesichts seiner Scharnierfunktion zwischen den Fachressorts und dem Bundeskanzler als die politische Führungszentrale der Regierung.8 Das Generalsekretariat untersteht unmittelbar dem Kommissionspräsidenten und nimmt Aufgaben der Koordination und Planung wahr. Mit der Stärkung der Rolle des Kommissionspräsidenten ging eine Aufwertung des Generalsekretariats einher, die bereits eine Gleichsetzung mit 8

Epping, in: ders. / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 62 Rn. 20; Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 62 Rn. 17; Stern, Staatsrecht der BRD, Bd. II, S. 280; Uhle / Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 62 Rn. 25.

A. Rechtliche Stellung

303

dem deutschen „Kanzleramt“ rechtfertigen kann9. Damit wurde sowohl in Deutschland als auch auf Unionsebene die politische Spitze der Exekutive als organisatorischer Anknüpfungsort gewählt. Zur Begründung für diese Entscheidung verweist der Gesetzentwurf zum NKRG insbesondere darauf, dass damit die politische Bedeutung der Aufgaben, die der Normenkontrollrat wahrnimmt, betont werde.10 Die Materialien zur Einsetzung des Ausschusses für Regulierungskontrolle nennen keinen Grund für die organisa­ torische Zuordnung zum Generalsekretariat. Ähnliche Motive wie bei der Anglie­ derung des Normenkontrollrates lassen sich jedoch vermuten. Primär zielt die Anbindung in beiden Fällen darauf, den Themen „bessere Rechtsetzung“ und „Bürokratieabbau“ eine höhere politische Priorität einzuräumen. Empfehlungen u. a. der OECD legen es nahe, die Kontrolle „besserer Rechtsetzung“ auf höchster politischer Ebene zu institutionalisieren. Dadurch können die politischen Entscheidungsträger zum einen der Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln, dass sie sich der Herausforderung, die Rechtsetzung nachhaltig zu optimieren, bewusst annehmen. Zum anderen gibt diese Angliederung der Regierungsspitze die Möglichkeit, die entsprechenden politischen Prozesse unmittelbar zu steuern. Indem der Normenkontrollrat und der Ausschuss für Regulierungskontrolle ihre Prüfund Beratungsfunktion bei der Exekutivspitze ausüben, kann diese auf die Tätigkeit der Gremien mühelos einwirken. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass die Geschäftsordnun­gen beider Gremien zur ihrer Wirksamkeit der Billigung durch die Führungsspitze der Exekutive bedürfen. Eine derartige Steuerung würde sich als wesentlich schwieriger herausstellen, wenn die Gremien im Organisationsbereich einer exekutiven Facheinheit oder bei den Parlamenten angesiedelt wären.

III. Unabhängigkeit Ein weiteres gemeinsames Merkmal von Normenkontrollrat und Ausschuss für Regulierungskontrolle stellt ihre Unabhängigkeit dar.11 Für den Normenkontrollrat ergibt sich diese aus § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG. Der Ausschuss kann sich gemäß Art. 4 des Einrichtungsbeschlusses auf eine unabhängige Wahrnehmung seiner Aufgaben berufen. Die sachliche Unabhängigkeit erweist sich als zentral für die Gremien, da sie ihren Stellungnahmen Anerkennung und Akzeptanz auch gegenüber anderen am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organen verschafft. Wenn die Ausübung von Kontrollfunktionen darauf abzielt, eine methodische Überprüfung von Informationsdarstellungen und -auswertungen vorzunehmen, ist eine kritische 9 So Schmidt / Schmitt v. Sydow, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 17 EUV, Rn. 121; ähnlich Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 6, Kap. 5 Rn. 1275. 10 BT-Drs. 16/1406, S. 5; dazu Fleischer, dms 2015, 315 (328), die darauf hinweist, dass die Anbindung des Normenkontrollrates an das Bundeskanzleramt seine ressortübergreifende Beratungsfunktion unterstreicht. 11 Zur Unabhängigkeit siehe jeweils auch unter Kap. 1, B. VI. und Kap. 2, B. III.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

Distanz der kontrollierenden Instanz zum Prüfungsgegenstand und dem Prüfungsadressaten notwendig. Erst ein hohes Maß an rechtlich abgesicherter Unabhängigkeit kann diese Distanz gewährleisten. Beide Gremien sind jedoch seit ihrer Einsetzung mit dem Widerspruch behaftet, dass sie einerseits infolge einer fachlichen Weisungsfreiheit in der Ausübung ihrer Prüfungstätigkeit keinen Bindungen unterliegen, aber andererseits institutionell der Exekutivspitze enger verbunden sind, als es für eine effektive, unabhängige Kontrolle sinnvoll erscheint. 1. Personelle Zusammensetzung Im Detail ergeben sich jedoch bezüglich des Maßes an Unabhängigkeit, mit der die Gremien jeweils ausgestattet sind, erhebliche Unterschiede. Der Normenkontrollrat setzt sich ausschließlich aus regierungsexternen Mitgliedern zusammen. Diese dürfen während ihrer Mandatsausübung sowie ein Jahr zuvor gemäß § 3 Abs. 3 NKRG weder einer gesetzgebenden Körperschaft noch einer Bundes­ behörde oder Landesbehörde angehören, noch zu diesen in einem ständigen Dienstoder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen. Im Gegensatz dazu besteht der Ausschuss unter Berücksichtigung des Vorsitzenden mehrheitlich aus Mitgliedern, die zugleich der Kommission angehören. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Person gegenüber den Vorlagen und Berichten einer Verwaltungseinheit, bei der sie bislang abhängig beschäftigt war und zu der sie nach Ende ihres Ernennungszeitraums wieder zurückkehrt, voreingenommener ist als eine Person, die zuvor in keinem Anstellungsverhältnis zu dieser Einheit stand. Auf die Verankerung einer Karenzzeit, wie sie für die Mitglieder des Normenkontrollrates gilt, hat die Kommission sowohl im Hinblick auf die kommissionsangehörigen als auch bezüglich der externen Mitglieder gänzlich verzichtet. Sie haben lediglich potenzielle Interessenkonflikte im Zusammenhang mit konkret zu prüfenden Berichten dem Ausschussvorsitzenden anzuzeigen. Erstaunlich unbeachtet bleibt im Mandat beider Sachverständigengremien, dass als Quelle unerwünschter Einflussnahme auch private Akteure in Betracht kommen. Sowohl der Einsetzungsbeschluss als auch das NKRG gehen offensichtlich davon aus, dass Interessenkonflikte nur daraus resultieren können, dass ein Mitglied zuvor bereits in hoheitlicher Funktion mit einem Rechtsetzungsvorschlag befasst war. So verfolgt etwa die in § 3 Abs. 3 S. 3 NKRG niedergelegte Karenzzeit lediglich den Zweck, dass die Mitglieder des Normenkontrollrates gegenüber laufenden Gesetzgebungsverfahren unbefangen agieren können. Sie bezieht sich daher nur auf die vorherige Ausübung staatlichen Handelns, nicht aber auf private Interessenvertretung. Jedoch droht auch von privater Seite die Gefahr gezielter Einflussnahme, wenn Vertreter bestimmter Verbände oder Unternehmen im Normenkontrollrat oder im Ausschuss sitzen. Sie könnten darauf hinwirken, dass die Sachverständigengremien insbesondere solche Wirkungsanalysen kritisieren, die mit hohen Kosten und Belastungen für von ihnen vormals oder fortwährend ver-

A. Rechtliche Stellung

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tretene Interessengruppen einhergehen. Um demnach die Willensbildung in den Gremien vor dem Einfluss privater Einzelinteressen zu schützen, spräche einiges dafür, auch diesbezüglich Sicherungsmaßnahmen in Form von Unvereinbarkeitsregelungen und Karenzzeiten festzulegen.12 2. Auswahl und Vergütung der Mitglieder Das Vorschlagsrecht für die Mitglieder liegt in beiden Fällen bei der Person an der Exekutivspitze. In Deutschland muss der Bundeskanzler dieses nach § 3 Abs. 1 S. 2 NKRG im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung ausüben. Auf Unionsebene kann der Kommissionspräsident sein Vorschlagsrecht zur Besetzung des Ausschusses nach Art. 3 Abs. 5 des Einrichtungsbeschlusses hingegen ohne Beteiligung anderer Stellen betätigen. Während die Ernennung der Mitglieder des Normenkontrollrates dem Bundespräsidenten und damit einem anderen Exekutivorgan obliegt, verbleibt diese Befugnis auf Unionsebene bei der Kommission selbst. Sie ernennt als Kollegialorgan im Einvernehmen mit dem ersten Vizepräsidenten und dem Vizepräsidenten für Haushalt und Personal der Kommission die Mitglieder des Ausschusses. Zur Frage, welche Qualifikation diese mitbringen sollen, schweigt der Einsetzungsbeschluss des Kommissionspräsidenten. Nur in einer zeitgleich ergangenen internen „Mitteilung an die Kommission“ formuliert der Kommissionspräsident, dass die Kenntnisse der Ausschussmitglieder sich generell auf die Gebiete Makroökonomie, Mikroökonomie sowie Sozial- und Umweltpolitik erstrecken sollen und die drei Kommissionsbeamten für den Ausschuss „auf der Grundlage ihres Fachwissens“ ausgewählt würden.13 Konkreter ist das Anforderungsprofil für die kommissionsexternen Mitglieder, die wissenschaftliche „Sachkenntnis in den Bereichen Folgenabschätzung, Ex-post-Bewertung und Regulierungspolitik im Allgemeinen“ mitbringen sollen. Unspezifischer sind demgegenüber gemäß § 3 Abs. 2 NKRG die fachlichen Voraussetzungen für die potenziellen Mitglieder des Normenkontrollrates, die allgemein über Erfahrungen in legislativen Angelegenheiten und Kenntnisse in wirtschaftlichen Fragen verfügen sollen14. Da verschiedene Verfassungsorgane am Auswahlprozess beteiligt sind, verfügt das NKRG – jedenfalls auf dem Papier – im Vergleich zur Rechtsgrundlage des Ausschusses über wirksamere Mechanismen, um die personelle Unabhängigkeit der Ratsmitglieder zu sichern. Daran vermag auch die Amtsdauer der Mitglieder, 12

Siehe dazu Beschluss des Bundesrates vom 25. September 2015, Ziff. 17, BR-Drs. 242/15, in dem dieser vorschlägt, eine Karenzzeit von mindestens zwei Jahren, die zwischen der Wahrnehmung einer Interessenvertretung und einer Mitarbeit im Ausschuss für Regulierungs­ kontrolle bestehen sollte, einzuführen; ebenfalls vor der Gefahr des „Drehtür-Effekts“ warnend Meuwese, EJRR 3/2015, 359 (359). 13 Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 3 f. 14 Näher dazu unter Kap. 1, B. VI. 4.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

die beim Normenkontrollrat im Unterschied zum Ausschuss nicht begrenzt ist und dadurch langfristig Abhängigkeiten schaffen könnte, nichts zu ändern. Anders als beim Ausschuss für Regulierungskontrolle hat sich jedoch beim Normenkontrollrat der personelle Auswahlprozess mittlerweile politisiert. Dazu hat beigetragen, dass die vorschlagsberechtigte Bundesregierung jeweils aus Koalitionen verschiedener Parteien besteht, die jeweils ein Interesse daran haben, Vertreter ihrer Positionen in das Gremium zu entsenden. Parteipolitische Präferenzen spielen demnach bei der Besetzung des Normenkontrollrates eine wichtigere Rolle, als dass bislang beim Ausschuss für Regulierungskontrolle der Fall zu sein scheint. Da die Stellen im Ausschuss auf Vollzeitbasis zu besetzen sind, gewährleistet die Europäische Kommission gemäß Art. 3 Abs. 5 des Einrichtungsbeschlusses eine entsprechende Vergütung als Direktor, Hauptberater oder Berater. Die Ausschussmitglieder sind damit während ihrer dreijährigen Amtszeit finanziell vollständig abhängig von dem Organ, dessen Berichte sie überprüfen sollen. Nicht auszuschließen ist, dass aus dieser finanziellen Abhängigkeit faktische Loyalitätspflichten erwachsen. Dergleichen existiert bei der Mitgliedschaft im Normenkontrollrat nicht, da diese lediglich als Ehrenamt ausgeübt und mit einer pauschalen Entschädigung von 25.000 Euro pro Jahr vergütet wird. 3. Aufsicht Während der deutsche Gesetzgeber zumindest eine Rechtsaufsicht über den Normenkontrollrat gemäß § 3 Abs. 8 NKRG für notwendig erachtete, sind Aufsichtsbefugnisse hinsichtlich der Tätigkeit des Ausschusses für Regulierungskontrolle nicht vorgesehen. Dadurch kann die Kommission die Rechtsaufsicht nicht als Mittel missbrauchen, um politisch unliebsamen Entwicklungen in der Kon­ trolltätigkeit des Ausschusses entgegenzuwirken. Dieser Unterschied ist darüber hinaus kennzeichnend für ein generell voneinander abweichendes Verständnis von Unabhängigkeit. Im Exekutivapparat Deutschlands stellen unabhängige, von einer Aufsicht freigestellte Gremien angesichts der verfassungsrechtlichen Problematik des ministerialfreien Raums eine Seltenheit dar. Im Gegensatz dazu sind unabhängige Verwaltungsstellen auf Unionsebene häufig anzutreffen.15 Insbesondere die zahlreichen unabhängigen EU-Agenturen belegen, dass das Verständnis demokratischer Legitimation im Unionsrecht gemäß Art. 10 EUV der Output-Legitimation einen höheren Stellenwert beimisst, als es in Deutschland möglich wäre. Dort herrscht die Ansicht vor, dass es einer Einflussmöglichkeit auf das Verwaltungshandeln durch ein ministerielles Einzelweisungsrecht bedürfe.16 Der Output-Legitimation liegt 15

Siehe dazu Bredt, Legitimation, S. 378 ff.; Görisch, Demokratische Verwaltung, S. 212 f.; Groß, Legitimation EU-Verwaltung, S. 133 f. 16 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66); Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 136 f.

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

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hingegen der Gedanke zugrunde, dass Sachrationalität, Expertise und die Effizienz von Entscheidungen als eigenständige Legitimationsressourcen dienen können.17 Der Ausschuss als unabhängiges Expertengremium, das nachvollziehbare und vollständige Folgenabschätzungen gewährleisten soll, kann sich nach dieser Vorstellung vor allem auf Elemente der Output-Legitimation berufen. Aus diesem Grund rief es in der Europäischen Union keine Bedenken hervor, dass die Kommission auf Weisungsrechte im Hinblick auf die Aufgabenwahrnehmung durch den Ausschuss verzichtete. Da hoheitliches Handeln nach der deutschen Staatsrechtslehre grundsätzlich der parlamentarischen Verantwortlichkeit zugänglich sein muss, erschien es für den Bundestag hingegen nicht denkbar, ein Kontroll- und Beratungsgremium einzusetzen, das keiner staatlichen Aufsicht unterliegt18. 4. Unabhängigkeit als symbolische Zuschreibung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass trotz aller Einschränkungen der Normenkontrollrat gegenüber dem Ausschuss ein höheres Maß an Unabhängigkeit für seine Tätigkeit in Anspruch nehmen kann. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass er sich ausschließlich aus regierungsexternen Fachleuten zusammensetzt. Zudem enthält das NKRG im Vergleich zum Einsetzungsbeschluss mehr Mechanismen, die eine unabhängige Aufgabenerfüllung durch die Ratsmitglieder gewährleisten sollen. Da beide Gremien bei der Exekutive angesiedelt sind, deren Arbeit sie in Bezug auf Teile der Gesetzesfolgenabschätzung kontrollieren sollen, ist die Unabhängigkeit ihr zentrales Aushängeschild. Zwischen dieser Kontrollfunktion einerseits und der organisatorischen Anbindung an die Exekutive andererseits besteht aber ein erhebliches Spannungsverhältnis. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass die politischen Entscheidungsträger die „Unabhängigkeit“ jeweils bewusst an hervorgehobener Stelle rechtlich normiert und diese wiederholt öffentlich bekräftigt haben, um die angebrachten Zweifel an diesen widersprüchlichen Konstruktionen zu zerstreuen. Insofern kommt der „Unabhängigkeit“ zum Teil eine symbolische Bedeutung zu.

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung Der Auftrag der untersuchten Sachverständigengremien besteht vor allem darin zu kontrollieren, ob die Bundesregierung bzw. die Kommission ausgewählte Aspekte einer Folgenabschätzung im Rechtsetzungsprozess nachvollziehbar und methodengerecht dargestellt hat. Die Durchführung der Folgenabschätzungen zu 17

Vgl. Groß, JZ 2012, 1087 (1090); Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 15 Rn. 5; Scharpf, Regieren in Europa, S. 20 ff.; Trute, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, § 6 Rn. 53 18 Vgl. BT-Drs. 16/1406, S. 6; siehe dazu auch unter Kap. 1, B. VI. 2.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

Legislativentwürfen selbst bleibt somit dezentral den Bundesministerien bzw. den Kommissionsdienststellen vorbehalten. Obwohl die beiden Kontrollgremien damit inhaltlich eine ähnliche Aufgabe wahrnehmen, sind die von ihrem Prüfungsmandat jeweils abgedeckten Bereiche der Gesetzesfolgenabschätzung nicht deckungsgleich. Das liegt vor allem daran, dass zwischen dem deutschen sowie dem europäischen Folgenabschätzungsregime teils erhebliche Unterschiede bestehen.

I. Vergleich der Folgenabschätzungssysteme in Deutschland und der Europäischen Union Sowohl auf bundesdeutscher als auch auf europäischer Ebene liegt die Durchführung von Folgenabschätzungen zu neuen Legislativvorschlägen schwerpunktmäßig in den Händen der Exekutive. Aus diesem Grund stammen Regelungen, die Vorgaben für die Anfertigung von Gesetzesfolgenabschätzungen enthalten, in aller Regel aus dem Bereich exekutivischen Binnenrechts. 1. Regelungsstandort In Deutschland institutionalisiert die GGO die Gesetzesfolgenabschätzung in rechtlicher Hinsicht. In diesem Sinne enthält § 44 GGO eine ausdifferenzierte Regelung über die zu berücksichtigenden Gesetzesfolgen19, die gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 GGO in der Gesetzesbegründung darzustellen sind. Die GGO selbst wird explizit als allgemeine Verwaltungsvorschrift eingeordnet.20 Es handelt sich bei ihr um eine in Ausübung der Geschäftsordnungsautonomie erlassene Innenrechtsvorschrift der Bundesregierung ohne Außenwirkung.21 Abweichungen von der GGO sind rechtlich möglich, da ihr als Ausfluss der Ressortkompetenz lediglich die einer Dienstanweisung zukommende Verbindlichkeit für die Beschäftigten der Ministerien zuerkannt, eine Bindung der Bundesminister hingegen abgelehnt wird.22 Selbst offenkundige Verstöße gegen die GGO haben nicht die Verfassungswidrigkeit des Regierungshandelns bzw. von Gesetzen zur Folge, sofern damit nicht zugleich eine Verletzung des Verfassungsrechts einhergeht.23

19 Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 160; ähnlich Schwintowski, Politik und Gesetzgebung, S. 34. 20 Detterbeck, in: HStR III, § 66 Rn. 59; Köck, VerwArch 93 (2002), 1 (13); König, Moderne öffentliche Verwaltung, S. 420; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 161; Stern, Staatsrecht der BRD, Bd. II, S. 307; ähnlich Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 127 f. 21 Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 3 Rn. 16; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 212. 22 Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 128; Schenke, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 65 Rn. 141; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 213. 23 Windoffer, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 217 (226).

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

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An einer ähnlich zusammenhängenden rechtlichen Darstellung der Elemente einer Gesetzesfolgenabschätzung fehlt es dem Unionsrecht. Die wesentlichen Aussagen zu Unionsfolgenabschätzungen sind in verschiedenen Mitteilungen, Leitlinien und Arbeitsdokumenten der Kommission enthalten.24 Die Mitteilungen der Europäischen Kommission, die sich allgemein mit der „Qualität“ der Rechtsetzung befassen, stellen in erster Linie interne Absichtserklärungen zur Folgenabschätzung dar und geben deren groben Rahmen vor.25 Sie dienen der Kommission als „Programm-Mitteilungen“ vor allem dazu, politische Reformüberlegungen im Kontext besserer Rechtsetzung zu präsentieren. Die detaillierte Beschreibung des Inhalts und Ablaufs von Folgenabschätzungen bleibt den Leitlinien vorbehalten, die die Kommission regelmäßig aktualisiert.26 Seit 2015 veröffentlicht die Kommission die Better Regulation Guidelines sowie die dazugehörige Toolbox als Arbeitsdokumente („Commission staff working document“). Diese werden in der Regel nicht von der „politischen“ Spitze der Kommission selbst beschlossen, aber von besonders fachkundigen Kommissionsbediensteten verfasst. Aus diesem Grund gelten sie teilweise gegenüber „offiziellen“ Mitteilungen und Leitlinien der Kommission als noch unverbindlicheres soft law27, obwohl sich inhaltlich kaum Unterschiede feststellen lassen. Mitteilungen, Leitlinien und die zuletzt genannten Arbeitsdokumente gehören nicht zu den in Art. 288 AEUV genannten Handlungsformen der EU, sondern gelten als eine Ausprägung „atypischer“ Rechtsakte28. Die Leitlinien und Arbeitsdokumente richten sich im Kontext der „Better Regulation“-Agenda primär an die Kommissionsdienststellen, während die diesbezüglichen Mitteilungen an alle am Rechtsetzungsprozess beteiligten Unionsorgane adressiert sind. Ihrem kommissionsinternen bzw. interinstitutionellen Charakter ist es geschuldet, dass sie zumeist keinen Niederschlag im Amtsblatt der Europäischen Union finden. Da sie Verlautbarungen der Kommission darstellen, mit deren Hilfe diese die einheitliche Anfertigung von Folgenabschätzungen insbesondere durch

24 Alemanno, European Public Law 17 (2011), 485 (492 f.); Lund, VR 2011, 87 (88); Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (207); Windoffer, Verfahren der Folgen­ abschätzung, S. 223; Schroeder, ZÖR 2013, 225 (235). 25 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über Folgenabschätzung, KOM(2002) 276 endg., S. 3 ff.; dies., Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 5 ff.; zum primär politischen Charakter dieser „Programm-Mitteilungen“ Brohm, „Mitteilungen“ der Kommission, S. 29 f. 26 Vgl. Europäische Kommission, Impact Assessment Guidelines, SEC(2005) 791; dies., Leitlinien zur Folgenabschätzung, SEK(2009) 92; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 16 ff.; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 14 ff. 27 Gundel, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 288 AEUV Rn. 115; Soltész, EuZW 2013, 881 (882); zu dieser Abgrenzung auch Brohm, „Mitteilungen“ der Kommission, S. 49 f. 28 Geismann, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV Rn. 22; Schroeder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 29; ebenso Alemanno, European Public Law 17 (2011), 485 (493), der sie auch als „soft law“ einordnet; zur Zulässigkeit atypischer Handlungsformen Bast, in: v. Bogdandy / ders. (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, S. 489 (526 ff.).

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

ihre Dienststellen sicherstellen will, werden Mitteilungen und Leitlinien als europarechtliche Verwaltungsvorschriften qualifiziert29. Angesichts dieser Einordnung teilen Mitteilungen, Leitlinien und Arbeitsdokumente den binnenrechtlichen Charakter der GGO. Ihnen kommt nur interne Bindungswirkung zu, ohne dass der Verstoß gegen ihre Vorgaben sanktionsbewehrt ist. Eine umfassende Folgenabschätzung gilt demnach trotz gestiegener Bedeutung nicht nur in Deutschland, sondern auch auf Unionsebene in weiten Teilen noch als fakultatives Instrument. Den Regelungsstandort für die wesentlichen Vorgaben zur Durchführung von Folgenabschätzungen stellt sowohl auf bundesdeutscher als auch auf unionaler Ebene das Innenrecht der Exekutive dar. Ausnahmen bilden auf Unionsebene die gemäß Art. 295 S. 2 AEUV erlassene „Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ von Parlament, Rat und Kommission30 sowie das Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit31. Durch Letzteres sind über Art. 2 und 5 des Protokolls i. V. m. Art. 51 EUV ansatzweise prozedurale Elemente einer Folgenabschätzung für den Bereich der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung in das Unionsprimärrecht eingegangen.32 2. Inhaltliche Vorgaben Die GGO definiert zunächst in § 44 Abs. 1 S. 1 und 2, was unter Gesetzesfolgen zu verstehen ist. Im Anschluss folgt in § 44 Abs. 1 S. 3 GGO die allgemeine Handlungsanweisung, dass die Darstellung der voraussichtlichen Gesetzesfolgen im Benehmen mit den jeweils fachlich zuständigen Bundesministerien erfolgen und hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen erkennen lassen muss, worauf die Berechnungen oder die Annahmen beruhen. § 44 Abs. 1 S. 4 GGO, der im Jahr 2009 Eingang in die GGO gefunden hat, bringt die Einbeziehung der sog. Nachhaltigkeitsprüfung als ein Modul33 bzw. als integriertes Ziel34 der Gesetzesfolgenabschätzung zum Ausdruck. Die Auswirkungen eines Gesetzes auf den Haushalt sind 29 v. Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (129); Geismann, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV Rn. 23; Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 13 Rn. 20 f.; Ruffert, in: Calliess / ders., EUV / AEUV, Art.  288 AEUV Rn.  102; Schroeder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art.  288 AEUV Rn.  33. 30 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 16; die interinstitutionellen Vereinbarungen verbleiben in ihrem Rang aber unter dem Primärrecht, so Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 117 f.; von einer nur konkretisierenden Wirkung spricht auch Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 17 Rn. 29. 31 Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. Nr. C 115 vom 09.05.2008, 206. 32 Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 223. 33 Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 235; ähnlich Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (199). 34 Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 41.

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

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aufgrund von § 44 Abs. 2 S. 1 GGO darzustellen. Die Ermittlung des Erfüllungsaufwands bildet gemäß § 44 Abs. 4 GGO ein weiteres Modul der Gesetzesfolgenabschätzung. Die aus § 44 Abs. 4 GGO resultierende Verpflichtung der Bundesministerien, den Erfüllungsaufwand in der Gesetzesbegründung darzustellen, legt die Grundlage, damit der Normenkontrollrat seine Prüfungsbefugnis nach § 1 Abs. 3 NKRG ausüben kann. Auch die vom Prüfungsmandat des Normenkontrollrates umfassten sonstigen Kosten für die Wirtschaft haben die Bundesministerien gemäß § 44 Abs. 5 Nr. 1 GGO in der Gesetzesbegründung auszuweisen. Weitere Elemente, die u. a. die Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzentwurfs oder andere Lösungsmöglichkeiten zum Gegenstand haben und von den Bundesministerien im Rahmen einer umfassenden Gesetzesfolgenabschätzung ebenfalls zu berücksichtigen sind, regelt § 43 Abs. 1 GGO abschließend. Die GGO äußert sich weder zur Methodik oder den Arbeitsschritten einer Gesetzesfolgenabschätzung noch zu den Schwierigkeiten der Prognose.35 Nach § 44 Abs. 1 S. 5 GGO kann das Bundesinnenministerium zur Ermittlung von Gesetzesfolgen jedoch Empfehlungen geben. Auf dieser Grundlage hat das Ministerium eine „Arbeitshilfe zur Gesetzesfolgenabschätzung“ veröffentlicht, die ansatzweise eine methodische und praxisorientierte Anleitung enthält, wie die Ressorts die Folgen eines Gesetzes im prospektiven Verfahren abschätzen können. Sie gliedert den Abschätzungsprozess in eine Analyse des Regelungsfelds, eine Zielbeschreibung, die Entwicklung von Regelungsalternativen, die Prüfung und Bewertung der Regelungsalternativen und die Ergebnisdokumentation.36 Rechtlich verbindlich ist diese Arbeitshilfe nicht.37 Der inhaltliche Maßstab kommissionseigener Folgenabschätzungen ergibt sich aus sieben Fragen, deren Beantwortung jede Folgenuntersuchung leisten sollte.38 Beginnend bei der Problemanalyse und der Frage, warum die EU für die Lösung dieser Problematik verantwortlich ist, hat die Folgenabschätzung die Regelungsziele sowie die verschiedenen Politikoptionen, um diese Ziele zu erreichen, darzustellen. Im nächsten Schritt muss die zuständige Kommissionsdienststelle die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen dieser Optionen ermitteln, um dann im Rahmen eines Vergleichs unter Wirksamkeits- und Effizienzgesichtspunkten die zur Problemlösung am besten geeignete Option herauszufinden. Abschließend hat sich die Folgenabschätzung mit Fragen des Monitorings und der Evaluierung auseinanderzusetzen. Weiterhin haben die Kommissionsdienststellen im Rahmen einer unionalen Folgenabschätzung die Grundsätze der Subsidiarität 35 Hoffmann-Riem, Innovation, S. 156; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 43; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (216); Konzendorf, in: Widmer u. a. (Hrsg.), Evaluation, S. 27 (33); Schwintowski, Politik und Gesetzgebung, S. 36; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 217. 36 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Arbeitshilfe zur GFA, S. 5 ff.; Kahl, in: Kluth /  Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 27 ff.; Windoffer, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 217 (228). 37 Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 217 f. 38 Siehe insgesamt dazu Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 18 ff.; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 229 ff.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

und Verhältnismäßigkeit sowie die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Daneben gilt es, den Verwaltungsaufwand unter besonderer Beachtung der KMU, digitaler Aspekte und der territorialen Auswirkungen zu behandeln.39 Eine Folgenabschätzung der Kommission muss nicht in gleicher Intensität auf alle diese Aspekte eingehen, sondern sollte hinsichtlich Umfang und Schwerpunkt verhältnismäßig sein.40 Damit offenbart sich in der Union mit Blick auf Inhalt und Regelungssystematik ein weitreichendes und ganzheitliches Folgenabschätzungssystem.41 Es zeichnet sich durch eine eindeutige Zuständigkeitsverteilung zugunsten der Kommission und einen integrierten Ansatz aus, der die Dimensionen Wirtschaft, Soziales und Umwelt einschließt und Folgewirkungen umfassend und standardmäßig ana­ lysieren soll42. Darin eingebunden ist der europäische Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung, der zugleich als Basis für die Verpflichtung der Kommission zu einer integrierten Folgenabschätzung eingestuft wird.43 Demgegenüber existieren auf Bundesebene in Deutschland verschiedene Einzelinstrumente, von denen einige regelmäßig, andere hingegen nur selten zum Einsatz kommen.44 Sie sind nicht in einem integrierten Gesamtansatz miteinander verknüpft, sondern stehen jeweils für sich. Exemplarisch verdeutlichen die verschiedenen Absätze in § 44 GGO die unterschiedlichen einzelnen Elemente einer Gesetzesfolgenabschätzung, die sich schwerpunktmäßig auf die finanziellen Folgen eines Vorhabens beziehen. Weitere Elemente stellen die Rechtsförmlichkeitsprüfung nach § 46 GGO sowie die Beteiligung bestimmter Interessengruppen gemäß § 47 GGO dar. Da die GGO nur für die Bundesministerien gilt, obliegt diesen hinsichtlich ihrer Regelungsentwürfe die Zuständigkeit, die genannten Elemente der Gesetzesfolgenabschätzung zu beachten. 39 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 12. 40 Europäische Kommission, Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 54; siehe dazu auch Kahl /  Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (407); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 228; zu den damit verbundenen Schwierigkeiten unter Kap. 2, B. II. 3. 41 Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (410); Lund, VR 2011, 87 (91); Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (200); in diese Richtung auch Schroeder, ZÖR 2013, 225 (243 f.). 42 Renda, Impact Assessment in the EU, S. 53 f.; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 235; ähnlich Baer, in: Mahlmann (Hrsg.), FS Rottleuthner, S. 245 (251); Färber, in: GfP (Hrsg.), Better Regulation, S. 9 (17). 43 Vgl. Europäische Kommission, Wachstum, KOM(2005) 97 endg., S. 5; Krings, ZG 2009, 237 (239); Wolf-Hegerbekermeier, ZG 2013, 357 (363 f.); ausführlich zum Verhältnis zwischen Folgenabschätzung und Nachhaltigkeit in der Union Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 21 ff. 44 Lund, VR 2011, 87 (91); Ziekow, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (35 f.); dagegen hält Färber, Gesetzesfolgenabschätzung unter der Gender­ perspektive, S. 10 f. den unvollständigen Ansatz der Bundesregierung gegenüber dem Impact Assessment Konzept der EU für besser geeignet, da er sich auf wesentliche Teile der Gesetzesfolgen beschränke.

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

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3. Erfahrungen Nachteil des umfassenden Ansatzes auf Unionsebene ist seine Komplexität, die strukturelle Probleme der Folgenabschätzungen wie den erheblichen Zeit- und Finanzbedarf verstärkt und beträchtliche Anforderungen an die Qualifikation der beteiligten Kommissionsbeamten stellt.45 Aus diesem Grund schlagen sich die methodisch anspruchsvollen und zahlreichen Vorgaben der Kommissionsleitlinien in der Praxis nicht durchgehend nieder.46 Weniger die Komplexität als vielmehr die geringe Anzahl und fehlende Veröffentlichung umfänglicher Auswirkungsprognosen sind hingegen das Hauptproblem der bundesdeutschen Gesetzesfolgenabschätzung. Aus diesem Grund wird ihr hierzulande ein „Schattendasein“ attestiert.47 Häufig sprechen die Ressorts im Gesetzesvorblatt Folgenabschätzungskriterien nur an, um die Vorgaben der GGO formal zu erfüllen.48 Nähere Begründungen zu den dargestellten Befunden sind selten. Lediglich den vom Normenkontrollrat überprüften Erfüllungsaufwand eines Gesetzes weisen die Bundesministerien in aller Regel substantiiert aus. Die Europäische Union ist dank der Aktivitäten der Kommission in dieser Hinsicht weiter fortgeschritten. Umfassende Folgenabschätzungen begleiten regelmäßig die Regelungsvorschläge der Kommission.49 Ein wesentlicher Grund, warum die Etablierung der Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland im Unterschied zur Unionsebene so schwerfällt, liegt in der frühzeitigen Politisierung des Gesetzgebungsverfahrens. Folgenbewertungen kollidieren nicht selten mit politischen Vorgaben, Zielen und Vereinbarungen. Da die Gesetzesinitiativen aus der Bundesministerialverwaltung häufig auf einem Kompromiss der Koalitionsregierung beruhen, wird bewusst auf eine umfassende Gesetzesfolgenabschätzung verzichtet, um diesen Kompromiss durch die im Rahmen einer Folgenbetrachtung gewonnenen Informationen nicht wieder in Frage zu stellen.50 45

Garben, in: dies. / Govaere (Hrsg.), Better Regulation Agenda, S. 217 (240); Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (411); Renda, Impact Assessment in the EU, S. 55; ähnlich Alemanno, European Public Law 17 (2011), 485 (489). 46 Vgl. Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 3/2010, Rn. 65 f.; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 79; Schroeder, ZÖR 2013, 225 (243). 47 Führ / Bizer / Hensel, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 323 (323 f.); Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 57; Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (411); Konzendorf, in: Widmer u. a. (Hrsg.), Evaluation, S. 27 (33 f.); Nagel, in: ders. / Böllmann (Hrsg.), Staatliches Handeln, S. 95 (114); ders., SächsVbl. 2010, 105 (106). 48 Jacob / Veit / Hertin, Gestaltung einer Nachhaltigkeitsprüfung, S. 69 f.; Krings, ZG 2009, 237 (241); Rösener / Precht / Damkowski, Bürokratiekosten messen, S. 32; Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 142 f.; empirisch unterlegt bei Veit, dms 2008, 73 (82 f.). 49 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 3/2010, Rn. 82; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 50; Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (207); nach eigenen Angaben hat die Kommission seit 2003 über 1028 Folgenabschätzungen zu ihren Initiativen durchgeführt, siehe dazu Europäische Kommission, Vollendung der Agenda, COM(2017) 651 final, S. 4. 50 Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 56 f.; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 57; Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (869).

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

II. Prüfungsgegenstände Der Normenkontrollrat und der Ausschuss agieren als zentrale Kontrollinstanzen der Bundesregierung bzw. der Europäischen Kommission für deren Wirkungsanalysen zu neuen Regelungsvorhaben. Ihre Beteiligung am Verfahren der exekutiven Rechtsetzungsvorbereitung ist obligatorisch, wenn eine kommissionseigene Wirkungsanalyse bzw. ein Regelungsentwurf der Bundesregierung ihrem Prüfungsmandat unterliegt. Während der Ausschuss für Regulierungskontrolle darauf beschränkt ist, lediglich Berichte der Kommission über Wirkungsanalysen überprüfen zu dürfen, gehören zu den Prüfungsgegenständen des Normenkontrollrates auch die Kostenfolgenabschätzungen zu Regelungsentwürfen legislativer Körperschaften. Deren Kontrolle setzt jedoch gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 NKRG voraus, dass die Gesetzesinitiativberechtigten im Bundestag bzw. der Bundesrat ihren Wunsch nach einer Überprüfung durch den Normenkontrollrat ausdrücklich artikulieren.

1. Wirkungsanalysen zu neuen Regelungsentwürfen Ex-ante-Wirkungsanalysen verfolgen das Ziel, den legislativen Handlungsbedarf und unterschiedliche Handlungsalternativen mitsamt ihrer Folgen zu ergründen. Sie dienen folglich dazu, einen neuen Regelungsentwurf für ein bestimmtes Sachproblem auszuarbeiten. Bezugspunkt für die Prüfungskompetenz des Ausschusses sind gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses die Berichtsentwürfe zu Folgenabschätzungen, die die Kommission durchgeführt hat, um z. B. einen Richtlinien- oder Verordnungsentwurf zu erstellen. Die Überprüfungsmöglichkeit, ob die zuständige Kommissionsdienststelle die möglichen Auswirkungen eines Regelungsvorhabens umfassend und nachvollziehbar berücksichtigt hat, steht dem Ausschuss aber nur dann zu, wenn die Kommission tatsächlich eine förmliche Folgenabschätzung zu diesem Vorhaben anfertigt. Demgegenüber folgt das NKRG einem weiter reichenden Ansatz, indem gemäß § 4 Abs. 1 NKRG alle bundesrechtlichen Regelungsentwürfe, die aus den Bundesministerien stammen, automatisch dem Prüfungsmandat des Normenkontrollrates unterliegen. Der Normenkontrollrat kann seine Prüfungskompetenz auch dann wahrnehmen, wenn ein Regelungsentwurf keine oder kaum folgenabschätzende Darstellungen in seiner Begründung enthält, und dieses in seiner Stellungnahme kritisieren. Dieser Unterschied korrespondiert in förmlicher Hinsicht mit der Vorgabe, dass die Bundesministerien die Ergebnisse einer Folgenabschätzung gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 GGO auf dem Gesetzesvorblatt und in der Gesetzesbegründung darstellen sollen, die zusammen mit dem Gesetzentwurf ein einheitliches Dokument bilden. Im Gegensatz dazu enthält auf Unionsebene der Kommissionsvorschlag nur eine Zusammenfassung der Folgenabschätzung. Die umfassende Veröffentlichung aller Aspekte und Resultate der Folgenabschätzung erfolgt in einem separaten Bericht, der alleiniger Prüfungsgegenstand des Ausschusses ist. Dieses

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

315

unterschiedliche Arrangement hat zur Folge, dass das Prüfungsrecht des Normenkontrollrates im Regelfall quantitativ mehr Regelungsentwürfe erfasst als das­jenige des Ausschusses. 2. Wirkungsanalysen zu bestehenden Regelungen Die Rolle beider Gremien ist allerdings nicht auf eine Beteiligung im Verfahren der Gesetzesvorbereitung beschränkt, sondern sie bezieht sich auch auf die Expost-Analyse bereits in Kraft getretener Regelungen. Hinsichtlich des Ausschusses manifestiert sich dieses zusätzliche Aufgabenfeld gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses in den Berichten zu Eignungsprüfungen und wichtigen Evaluierungen, die ausdrücklich seiner Prüfungskompetenz unterliegen.51 Wenn die zuständige Generaldirektion der Europäischen Kommission zu einem Unionsrechtsakt eine Eignungsprüfung („Fitness check“) oder wichtige Evaluierung durchgeführt oder in Auftrag gegeben hat, ist der Ausschuss befugt, diese Ana­ lysen zu überprüfen. Bislang fehlen dem Ausschuss allerdings die Ressourcen, um alle von der Kommission ausgehenden Evaluierungen und „Fitness checks“ einer Kontrolle zu unterziehen. Aus diesem Grund wählt er im Vorfeld anhand der Evaluierungsplanung der Kommission bestimmte Rechtsakte und Politikprogramme aus, deren Ex-post-Wirkungsanalysen er zu untersuchen beabsichtigt. Eine entsprechende Institutionalisierung der Kontrolle von Gesetzesevaluationen existiert auf bundesdeutscher Ebene nicht. Jedoch ist in der Bundesministerialverwaltung die Erkenntnis gewachsen, dass mehr Gesetze innerhalb eines Zeitraumes von drei bis fünf Jahren nach ihrem Inkrafttreten einer fundierten Evaluation unterzogen werden sollten, um Informationen über die tatsächlich erzielten Wirkungen zu erhalten. Den Hintergrund stellt eine vom Staatssekretärsausschuss „Bürokratieabbau“ am 23. Januar 2013 beschlossene „Konzeption zur Evaluierung neuer Regelungsvorhaben“ dar, nach der für alle Regelungsvorhaben, die einen jährlichen Erfüllungsaufwand von mindestens einer Mio. Euro erwarten lassen, eine Evaluierung vorzusehen ist.52 Dieser Beschluss gibt zudem vor, dass die Evaluierungsberichte u. a. dem Normenkontrollrat zur Kenntnisnahme zu übermitteln sind.53 Diese Beteiligung an Gesetzesevaluierungen ist aber lediglich Ausdruck der Beratungsfunktion des Normenkontrollrates nach § 1 Abs. 2 NKRG.

51

Ausführlich dazu unter Kap. 2, A. II. 1. b)  und c); Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth / Emerson (Hrsg.), Comparative Administrative Law, 2. Aufl., S. 333 (342). 52 Die Konzeption wurde als Anlage des Berichts der Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2012, S. 64 f., veröffentlicht; dazu Mirschberger / Piesker / Willwacher, DÖV 2017, 423 (423 f.); Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 185. Der Normenkontrollrat bezeichnete diese Einführung einer systematischen Ex-post-Evaluierung als „historisch“, siehe NKR, Jahresbericht 2013, S. 5. 53 Näher dazu Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (266).

316

3. Kap.: Institutionenvergleich 

Eine methodische Kontrolle der Gesetzesevaluationen durch den Normenkon­ trollrat ist daher bislang weder gesetzlich noch geschäftsordnungsrechtlich vorgeschrieben.54 Zwar umfasst das Mandat des Normenkontrollrates gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 NKRG die Möglichkeit, Regelungsentwürfe daraufhin zu überprüfen, ob sie in Übereinstimmung mit § 44 Abs. 7 GGO Ausführungen zu der Frage enthalten, ob, wann und was evaluiert werden soll. Diese Überprüfung bezieht sich aber nur auf den Umstand, ob die Gesetzesbegründung Kriterien für eine spätere Evaluierung des Regelungsvorhabens aufstellt, nicht auf die durchgeführte Gesetzesevaluation als solche. Aus § 4 Abs. 1 Nr. 6 NKRG lässt sich ebenfalls kein Prüfungsrecht in Bezug auf die von den Bundesministerien erarbeiteten Gesetzesevaluationen herleiten. Es ist dem Normenkontrollrat nach dieser Norm zwar gestattet, bestehendes Bundesrecht zu überprüfen. Die Aufnahme dieses Prüfungsgegenstandes in den Katalog des § 4 Abs. 1 NKRG diente allerdings in erster Linie dazu, eine Begleitung der Bestandsmessung der Bürokratiekosten durch den Normenkontrollrat zu ermöglichen. Der Normenkontrollrat und der Ausschuss unterscheiden sich folglich darin, dass Letzterer sich auch im Bereich der Ex-post-Evaluation auf ein rechtlich verankertes Kontrollrecht stützen kann. Demgegenüber fehlt dem Normenkontrollrat eine gesetzlich gewährleistete Befugnis, die es ihm ermöglicht, Gesetzesevaluationen der Regierung zu überprüfen. Seine bisherige Beteiligung im Evaluationsprozess beschränkt sich auf eine Kenntnisnahmemöglichkeit, die lediglich im regierungsinternen Beschluss des Staatssekretärsausschusses „Bürokratieabbau“ Erwähnung findet. In einem größeren Kontext dürfte dieser Befund Ausdruck dafür sein, dass die Europäische Kommission mittlerweile eine systematische „Evaluierungskultur“ auf Unionsebene etabliert hat, während es im bundesdeutschen Politikbetrieb an Vorgaben mangelt, die darlegen, wie Gesetze daraufhin zu untersuchen sind, ob sie die intendierten Regelungswirkungen erreichen.55

III. Prüfungsumfang Generell ist zu konstatieren, dass sich sowohl das Prüfungsmandat des Normenkontrollrates als auch dasjenige des Ausschusses für Regulierungskontrolle auf mehrere Teilbereiche einer umfassenden Gesetzesfolgenabschätzung bezieht. 54

So auch bei Mirschberger / Piesker / Willwacher, DÖV 2017, 423 (423). So weist die Kommission darauf hin, dass sie seit Einführung dieses Instruments bislang 798 Evaluierungen durchgeführt habe, siehe Europäische Kommission, Vollendung der Agenda, COM(2017) 651 final, S. 4; beachte auch die umfassenden Anleitungen für Regelungsevaluationen in Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 50 ff.; bis auf den zitierten Beschluss des Staatssekretärsausschusses „Bürokratieabbau“ gibt es hingegen auf deutscher Ebene praktisch keine Vorgaben für Ex-post-Gesetzesevaluationen, dazu Gusy / Kapitza, in: Gusy (Hrsg.), Evaluation, S. 9 (18 f.); Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 143. 55

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

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Unterschiede ergeben sich daraus, welche Aspekte einer durchgeführten Gesetzesfolgenabschätzung sie entsprechend ihrem Auftrag überprüfen dürfen. 1. Kostenfolgen Der Schwerpunkt des Normenkontrollrates liegt seit seiner Einsetzung auf der Überprüfung der voraussichtlichen Befolgungskosten, die aus gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungsvorhaben resultieren.56 War das Mandat mit der Beschränkung auf Bürokratiekosten zunächst auf einen kleinen Ausschnitt gesetz­ licher Folgekosten begrenzt, hat es sich mit der Aufnahme des Erfüllungsaufwands für Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung im Jahr 2011 deutlich erweitert. Da die Ermittlung des Erfüllungsaufwands immer auf eine Monetarisierung hinausläuft, hat diese Erweiterung nichts daran geändert, dass sich der Normenkontrollrat auf die ökonomischen Folgekosten von Gesetzen fokussiert. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber dem Normenkontrollrat im Jahr 2011 die fakultative Befugnis eingeräumt, gemäß § 4 Abs. 2 NKRG weitere Elemente einer Gesetzesfolgenabschätzung zu überprüfen. Dazu gehören Regelungsziele, Lösungsalternativen, Erwägungen zu Inkrafttreten, Befristung und Evaluierung, Rechts- und Verwaltungsvereinfachung und die Beachtung einer Übererfüllung der Umsetzungspflichten von Unionsrecht.57 Weitere der in § 44 Abs. 1 GGO genannten Gesetzesfolgen sind jedoch nicht von seiner Prüfungsbefugnis umfasst. Die Kontrollbefugnis des Ausschusses ist demgegenüber nicht auf die im Rahmen der Folgenabschätzung ermittelten Kostenfolgen eines Regelungsvorschlags begrenzt. Zwar stellen die Kosten der bevorzugten Regelungsoption in jedem Folgenabschätzungsbericht einen wichtigen Gesichtspunkt dar und die Kommissionsdienststellen sind angehalten, die Auswirkungen einer Rechtsetzungsmaßnahme, wenn es möglich ist, zu monetarisieren58. Dennoch bildet der Kostenaspekt nur eines unter mehreren Elementen, die die Kommission im Zuge einer Folgenabschätzung untersucht und die Gegenstand der Überprüfung durch den Ausschuss sind.

56

Vgl. Calliess, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 275 (290); Hahn, Umwelt- und zukunftsverträgliche Entscheidungsfindung, S. 330; Piesker, in: König u. a. (Hrsg.), Verwaltungskultur, S. 143 (159); Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 132 f.; ähnlich König, in: Sommermann (Hrsg.), Sachverständige Politikberatung, S. 43 (51), der darauf hinweist, dass der Normenkontrollrat nur einen spezifischen „Bereich von Folgen der Rechtsetzung“ abdeckt. 57 Dazu näher unter Kap. 1, A. II. 2. d). 58 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 27; dies., Better Regulation Guidelines, SWD(2017) 350 final, S. 26.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

2. Vollumfängliche Folgenkontrolle Das Mandat des Ausschusses sieht anders als dasjenige des Normenkontrollrates keine Beschränkung auf Teilaspekte der Gesetzesfolgenabschätzung vor. Es umfasst vielmehr alle Elemente, die im Rahmen einer umfassenden Folgenabschätzung analysiert werden können. Über die Notwendigkeit einer Unionsregelung und alternative Lösungsmöglichkeiten hinaus zählen „die potenziellen kurz- und langfristigen Kosten und Vorteile“ dazu, die „beruhend auf einer integrierten und ausgewogenen Bewertung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen“ in qualitativer und quantitativer Hinsicht von den Kommissionsdienststellen zu ermitteln sind.59 Im Gegensatz zum Normenkontrollrat erstreckt sich die Überprüfungsmöglichkeit des Ausschusses damit nicht nur auf ökonomische Aspekte, sondern umfasst auch soziale, ökologische und andere Wirkungen, die miteinander in Beziehung gesetzt werden können. Insbesondere kann der Ausschuss den Nutzen einer Regelung, der den kostenbedingten Nachteil einzelner Normadressaten möglicherweise überwiegt, betrachten, was dem Normenkontrollrat angesichts der Begrenztheit seines Mandats auf den Erfüllungsaufwand bislang verwehrt ist. Indem der Ausschuss die Folgenabschätzungen überprüft, soll er dazu beitragen, dass die Kommission die Intention, die sie mittels eines Regelungsentwurfs anstrebt, wirklich erreichen kann.60 Denn das vorrangige Ziel einer umfassenden Folgenabschätzung besteht darin, die beabsichtigte Wirkung des Regelungsvorhabens zu gewährleisten und unbeabsichtigte Auswirkungen zu vermeiden. Die im Zentrum der Prüfungstätigkeit des Normenkontrollrates stehende Kostenbetrachtung stellt hingegen unabhängig vom Gesetzeszweck einen eigenständigen Maßstab für eine Folgenuntersuchung dar.61 Die Kostenfolgenabschätzung dient ausschließlich dazu, negative ökonomische Auswirkungen für die Normadressaten offen zu legen, ohne zu beachten, ob der Gesetzgeber mit dem Regelungsvorschlag seine Ziele insgesamt erreichen kann. Zurückzuführen sind die unterschiedlich weitreichenden Prüfungsumfänge darauf, dass – wie bereits dargestellt – zwischen dem deutschen sowie dem europäischen Folgenabschätzungskonzept erhebliche Unterschiede bestehen. Da auf Unionsebene ein umfassendes und integriertes Gesamtsystem existiert, erstreckt sich der Prüfungsumfang des Ausschusses auf dessen Einhaltung. Die Fragmentierung der Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland ermöglichte es bislang, 59 Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 12. 60 Zur Regelungsintention als Maßstab einer Folgenabschätzung Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 24; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (221 f.); Zeh, in: Grimm / Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie, S. 194 (202 f.). 61 Zum Verhältnis zwischen Kostenschätzungen und GFA siehe Böhret, Gesetzesfolgenabschätzung, S. 28; Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (222 f.); Maurer, ZG 2006, 377 (380 f.).

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

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nur einzelne Elemente wie die Bürokratiekostenmessung einer externen Kontrolle zugänglich zu machen. Gleichzeitig wird als Schwachpunkt der Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland immer wieder auf ihre fehlende organisatorische Institutionalisierung hingewiesen.62 Um diese Aufgabe zu erfüllen und als umfassende Kontrollinstanz zu dienen, könne sich der Normenkontrollrat bislang nicht auf ein ausreichendes Mandat stützen.63 In der EU hingegen hat sich mit dem Ausschuss ein Gremium herausgebildet, das diese Funktion wahrnimmt.

IV. Prüfungszeitpunkt Betrachtet man den Zeitpunkt, zu dem der Normenkontrollrat und der Ausschuss die folgenabschätzenden Elemente neuer Regelungsentwürfe prüfen, zeigen sich wesentliche Übereinstimmungen. Die Überprüfungen vollziehen sich im Stadium der exekutiven Rechtsetzungsvorbereitung. Sie erfolgen nicht erst zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Exekutivspitze politisch auf einen Regelungsvorschlag abschließend geeinigt hat, sondern bereits wenn die fachlich zuständige Einheit innerhalb der Ministerialverwaltung bzw. der Kommission einen Entwurf für die zu treffende Regelung erarbeitet hat. Die Prüfung ist der abschließenden Kollegialentscheidung sowohl der Bundesregierung als auch der Kommission über den Regelungsentwurf vorgeschaltet. Auf Unionsebene findet die Prüfung der Folgenabschätzungsberichte sogar noch vor der dienststellenübergreifenden Konsultation statt, die der kommissionsinternen Entscheidungsfindung dient. Die Einbeziehung des Normenkontrollrates vollzieht sich hingegen nach § 45 Abs. 1 S. 1 GGO im Rahmen der Ressortabstimmung und folglich gleichzeitig mit der Beteiligung betroffener Bundesministerien sowie der Länder.64 Der frühe Prüfungszeitpunkt verfolgt den Zweck, dass die Kontrolle der folgenabschätzenden Elemente insoweit Wirkungen entfalten kann, als sie Änderungen am Regelungsentwurf herbeiführt. Aufgrund der komplexen Entscheidungs­prozesse innerhalb der Ministerial- und Kommissionsverwaltung haben Empfehlungen und Änderungsvorschläge, die nach Abschluss der Abstimmungsprozesse abgegeben werden, kaum eine Chance auf Umsetzung. Sie werden häufig mit dem Argument abgelehnt, dass eine Wiedereröffnung des komplizierten Verfahrens zu zeit- und kostenaufwendig wäre.65 Vor diesem Hintergrund bilden die dargestellten Beteili 62 Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (54 f.); Maurer, ZG 2006, 377 (385); Strempel, in: Hof / LübbeWolff (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I, S. 627 (632 f.); Ziekow, in: Montoro Chiner /  Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 31 (37 f.). 63 Förster, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 71 (78); Maurer, ZG 2006, 377 (384 f.); Scholz, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), FS Herzog, S. 473 (476); ähnlich Sicko, in: Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht, S. 199 (220 f.). 64 Fliedner, Rechtsetzung, S. 105 f.; Wittmann, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 414 (418 f.). 65 So jedenfalls für die bundesdeutsche Ebene Sicko, in: Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht, S. 199 (222); Veit, dms 2008, 73 (77).

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

gungsmodelle für die Sachverständigengremien eine effektive Möglichkeit, frühzeitig korrigierend eingreifen zu können.

V. Prüfungsbefugnisse Das Ausmaß der Befugnisse, die mit der Überprüfungskompetenz in Bezug auf die Folgenabschätzungen verknüpft sind, entscheidet maßgeblich über die Bedeutung, die den Kontrollgremien im Rechtsetzungsverfahren zukommt. 1. Methodisches Prüfungsrecht Inhalt des methodischen Prüfungsrechts ist die Frage, ob die zuständige Organi­ sationseinheit bei der Durchführung einer Gesetzesfolgenabschätzung die vor­ geschriebenen Verfahrensschritte und Instrumente sachgerecht genutzt hat. Die Überprüfung der Methodik steht im Mittelpunkt der Kontrolltätigkeit beider Gremien. Die Durchschlagskraft des methodischen Prüfungsrechts ist entscheidend davon abhängig, ob eine exakt definierte Methodik als Prüfungsmaßstab existiert. Hinsichtlich des Mandats des Normenkontrollrates gibt das international anerkannte Standardkosten-Modell gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 NKRG diese Methodik vor. Es bezog sich zunächst nur auf die Bürokratiekosten, wird mittlerweile dank einer Weiterentwicklung aber auch zur Ermittlung des Erfüllungsaufwands herangezogen.66 Zur Überprüfung der in § 4 Abs. 2 NKRG formulierten Anforderungen an eine Abschätzung von Gesetzesfolgen eignet sich das Modell infolge seiner Kostenbezogenheit hingegen nicht. Da sich der Normenkontrollrat des Standardkosten-Modells bedient, ist seine Überprüfungskompetenz wie bereits dargelegt notwendigerweise auf ökonomische Kostenaspekte begrenzt. Da der Prüfungsumfang des Ausschusses weiter gefasst ist, es aber an einer einheitlichen Methodik für die Durchführung von Folgenabschätzungen fehlt67, kann sich der Ausschuss im Gegensatz zum Normenkontrollrat zur Wahrnehmung seiner Kontrollkompetenz nicht auf ein anerkanntes und bewährtes Modell stützen. Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Einrichtungsbeschlusses hat der Ausschuss seine Stellungnahmen, Empfehlungen und Ratschläge in Einklang mit der Kommissionsstrategie zur besseren Rechtsetzung abzugeben, wie sie in den Leitlinien und Arbeitsdokumenten der Kommission dargelegt ist. Grundlage seines methodischen Prüfungsrechts sind demnach die von der Kommission selbst erarbeiteten, umfangreichen Vorgaben zur Erstellung von Folgenabschätzungen. Den zentralen Maßstab für jede Folgenabschätzung stellt eine Reihe von Fragen dar, deren analytische Behandlung 66

Ausführlich zum Standardkosten-Modell und dessen Erweiterungen unter Kap. 1, A. I. 6. Dazu Böhret, Gesetzesfolgenabschätzung, S. 13; Förster, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 71 (74); Hofmann, Abwägung im Recht, S. 52 f.; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 24; ders. / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (223). 67

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

321

das Vorgehen inhaltlich festlegt.68 Eine bestimmte Methodik gibt die Kommission ihren Dienststellen jedoch nicht vor. Vielmehr variieren die angewandten methodischen Ansätze abhängig von Art und Bedeutung des Regelungsvorschlags.69 Das EU-Standardkosten-Modell ist nur eines von zahlreichen methodischen Instrumenten70, das in einer Unionsfolgenabschätzung zur Anwendung gelangen kann. Allein zum Vergleich verschiedener Lösungsoptionen für das zu regelnde Problem können die Kommissionsdienststellen nach den einschlägigen Leitlinien zwischen der Kosten-Nutzen-Analyse, der Kosten-Wirksamkeits-Analyse, der Compliance-Kosten-Analyse, der Mehrkriterien-Analyse oder einer Kombination aus diesen wählen.71 Der Ausschuss kann sich somit im Rahmen seiner Überprüfung nicht auf eine Methodik konzentrieren und diese vertiefen, sondern muss eine Vielzahl unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen bewerten können. Dem Normenkontrollrat kommen Mitspracherechte zu, wenn die seinen Überprüfungen zugrundeliegende Methodik geändert werden soll. Er muss gemäß § 2 Abs. 3 S. 3 NKRG mehrheitlich zustimmen, wenn die Bundesministerien dauerhaft vom Standardkosten-Modell abweichen wollen. Demgegenüber ist der Ausschuss nicht berechtigt, auf die methodischen Vorgaben zu Folgenabschätzungen der Kommission einzuwirken. Zur methodischen Unterstützung können sowohl der Ausschuss als auch der Normenkontrollrat in Einzelfällen externe Sachverständige hinzuziehen. Bezüglich des Normenkontrollrates ergibt sich diese Möglichkeit aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 NKRG, der ihm gestattet eigene Anhörungen zu einem Gesetzentwurf durchzuführen. Der Ausschuss ist gemäß Art. 5 Abs. 6 des Einsetzungs­ beschlusses befugt, im Rahmen der Bewertung eines Berichts externen Sachverstand ad hoc einzuholen. Die Bandbreite der im Rahmen einer Unionsfolgenabschätzung zu berücksichtigenden Aspekte macht es unmöglich, auf eine einheitliche und komplexitätsreduzierende Methode wie das Standardkosten-Modell zurückzugreifen. Vielmehr nutzen die Kommissionsdienststellen eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden, um eine Folgenabschätzung durchzuführen. Das hat zur Folge, dass die Überprüfung der Ergebnisse der Folgenabschätzungen mit größeren methodischen Unsicherheiten einhergeht und daher angreifbarer ist, als dies bei der Prüfung anhand des Standardkosten-Modells der Fall ist. Der weiter reichende Prüfungsumfang des Ausschusses geht also zu Lasten einer methodisch konsistenten Kontrolle. Mit der Erweiterung des Mandats des Normenkontrollrates um den Erfüllungsaufwand haben zwar auch dessen Überprüfungen an methodischer Klarheit eingebüßt72, 68

Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 225. Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 27; Bizer / Lechner / Führ, in: dies. (Hrsg.), European Impact Assessment, S. 1 (44 f.); Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (407). 70 Dazu unter Kap. 2, A. I. 1. c). 71 Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 29; näher zu den Analyse-Verfahren der Kommission Hofmann, Abwägung im Recht, S. 53 ff. 72 Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (297 f.). 69

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

sie folgen aber immer noch einem transparenteren und konsistenteren Maßstab als die Prüfungen des Ausschusses. 2. Inhaltliches Prüfungsrecht Ein inhaltliches Prüfungsrecht setzt voraus, dass sich die mit der Prüfung beauftragte Stelle zu den Zielen und politischen Beweggründen eines Regelungsvorschlags äußern darf. Das Mandat des Normenkontrollrates schließt eine solche Prüfungsbefugnis explizit aus. Diesbezüglich bestimmt § 1 Abs. 4 NKRG, dass die angestrebten Ziele und Zwecke von Regelungen nicht Gegenstand seiner Prüfungen sind.73 Einen entsprechenden Ausschluss des inhaltlichen Prüfungsrechts enthält das Mandat des Ausschusses nicht. Es wird lediglich betont, dass die Legislativvorschläge als solche nicht der Bewertung durch den Ausschuss zugänglich sind.74 Damit ist jedoch nicht festgelegt, dass eine inhaltliche Überprüfung der Folgenabschätzungen ausgeschlossen wäre. Vielmehr gestattet die Befugnis zur „Qualitätskontrolle“ dem Ausschuss, sich auch zu Zielen eines Legislativ­vorschlags und den Vor- oder Nachteilen alternativer Regelungsoptionen zu äußern. Im Gegensatz zur eng begrenzten Bürokratiekostenmessung nach dem Standard­ kosten-Modell sind die Ergebnisse umfassender Gesetzesfolgenabschätzungen deutlich inhaltlicher und damit politisch sichtbarer.75 Folgenabschätzungen umfassen u. a. Kosten-Nutzen-Abwägungen, die sich auf alle beabsichtigten Maßnahmen einer Regelung beziehen, und setzen sich mit den gesetzgeberischen Zielen und den verschiedenen Regelungsalternativen zur Lösung eines Problems auseinander. Aus diesem Grund ist die Abgrenzung zwischen methodischem und inhaltlichem Prüfungsrecht bei der Kontrolle von Folgenabschätzungen mitunter schwierig. Es ist die Frage danach, wo die methodisch begründete Kritik endet und die inhaltlich-politische Bewertung beginnt. Spätestens seit der Erweiterung des Mandats um den Erfüllungsaufwand und die in § 4 Abs. 2 NKRG genannten Aspekte steht auch der Normenkontrollrat vor dieser Schwierigkeit. Er müht sich – nicht immer erfolgreich – durch eine zurückhaltende Prüfungspraxis, dieser Grenzziehung gerecht zu werden. Dieser Schwierigkeit trägt das Mandat des Ausschusses in realistischerer Weise Rechnung, indem es auf die starre Differenzierung zwischen methodischer und inhaltlicher Kontrolle verzichtet. Erleichtert haben diese Entscheidung rechtliche Gesichtspunkte, die es ermöglichten, dem Ausschuss auch inhaltsbezogene Prüfungsrechte zuzusprechen. Der Charakter des Ausschusses als mehrheitlich kommissionsintern besetztes Gremium erlaubt es der Kommission, sich im Hinblick auf ihre eigenen Folgenabschätzungen dieser inhaltlichen „Qua 73 Zur Frage, ob die Beachtung des „unpolitischen Mandats“ angesichts des Prüfungsumfangs des Normenkontrollrates gewährleistet bleibt, siehe unter Kap. 1, B. IV. 2. und 3. 74 Europäische Kommission, Ausschuss für Regulierungskontrolle, C(2015) 3262 final, S. 3. 75 Förster, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 71 (77 f.); Maurer, ZG 2006, 377 (382).

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

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litätskontrolle“ zu unterwerfen. Im deutschen Staatsrecht hätte es dagegen verfas­ sungsrechtliche Bedenken hervorgerufen, wenn dem aus externen Fachleuten zusammengesetzten Normenkontrollrat eine inhaltlich-politische Prüfungskompetenz zugestanden worden wäre.76 Die inhaltliche Bewertung von Gesetzentwürfen und deren Folgen muss in einer rechtsstaatlich organisierten, parlamentarischen Demokratie den gewählten Legislativorganen vorbehalten bleiben.77 Eine inhaltliche, wenngleich unverbindliche, Vorab-Prüfung der aus der Bundesministerialverwaltung stammenden Gesetzesvorschläge durch den im Regierungsbereich ansässigen Normenkontrollrat wäre mit der zentralen Stellung des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren wohl kaum vereinbar gewesen. 3. Stellungnahmerecht Das maßgebliche Handlungsinstrument für den Normenkontrollrat und den Ausschuss besteht in der Abgabe von Stellungnahmen zu Folgenabschätzungen. Die Stellungnahmen enthalten die Ergebnisse der Überprüfungen. Adressaten sind in erster Linie die Organisationseinheiten in der Bundesministerialverwaltung bzw. innerhalb der Kommission, die den Regelungsentwurf bzw. die folgenabschätzenden Darstellungen ausgearbeitet haben. Um den politischen Entscheidungsprozess vor öffentlichem Druck zu schützen, findet eine Veröffentlichung der Stellungnahmen erst statt, wenn die Willensbildung über den Regelungsentwurf in der Exekutivspitze abgeschlossen ist. Das ist bei der Kommission der Fall, wenn sie gemäß Art. 6 Abs. 2 des Einrichtungsbeschlusses den Legislativvorschlag angenommen hat. Dann erfolgt auf der Internetseite der Kommission die Veröffentlichung der Stellungnahme des Ausschusses zusammen mit dem dazugehörigen Folgenabschätzungsbericht sowie dem Regelungsvorschlag.78 Im Gegensatz dazu fehlt es an einer direkten Veröffentlichung der Stellungnahmen des Normenkontrollrates. Sie werden nach der Beschlussfassung im Bundeskabinett gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 NKRG dem Gesetzentwurf zusammen mit einer etwaigen Gegenäußerung der Bundesregierung angehängt und zunächst dem Bundesrat und dann dem Bundestag zugeleitet. Eine Einsichtnahme ist folglich nur über die Gesetzesmaterialien möglich. Ausgewählte Stellungnahmen stellt der Normenkontrollrat nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens auf seiner Internetseite zur Verfügung. Beim Ausschuss korrespondiert das Stellungnahmerecht mit einer Stellungnahmepflicht. Gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 2 des Einrichtungsbeschlusses gibt er zu jedem Folgenabschätzungsbericht, der ihm vorgelegt wird, eine Stellungnahme ab. Über 76 Vgl. Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 61; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (155). 77 Siehe dazu unter Kap. 1, C. IV. 2. c). 78 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/?fuseaction=ia&p=1#result (letzter Zugriff: 19.01.2018); dazu Wiener / Alemanno, in: Rose-Ackerman / Lindseth / Emerson (Hrsg.), Comparative Administrative Law, 2. Aufl., S. 333 (344).

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

ein Auswahlermessen, nur ausgewählte Berichte zu prüfen, verfügt er nach diesem eindeutigen Wortlaut nicht. Anders als der Ausschuss kann der Normenkontrollrat nach eigenem Ermessen entscheiden, ob er nach § 4 Abs. 3 S. 1 NKRG einen ihm vorgelegten Regelungsentwurf der Bundesregierung einer Prüfung unterzieht oder darauf verzichtet.79 Der Unterschied dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Anzahl der jährlichen Berichte zu Folgenabschätzungen ein noch überschaubares Maß nicht überschreitet, da die Kommission nicht zu jedem von ihr vorgeschlagenen Legislativentwurf eine Folgenabschätzung durchführt. Demgegenüber können die potenziell vom Prüfungsmandat des Normenkontrollrates erfassten Regelungsentwürfe der Bundesregierung, zu denen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 NKRG auch nachrangige Rechts- und Verwaltungsvorschriften gehören, im Jahr eine Größenordnung erreichen, die die Prüfungskapazitäten des Rates übersteigt. Aus diesem Grund bleibt es dem Normenkontrollrat überlassen, Schwerpunkte in seiner Prüfungspraxis zu setzen. Das Stellungnahmerecht zieht jeweils kein formelles Vetorecht nach sich, sondern hat nur eine kontrollierende Wirkung, die nicht mit rechtlich relevanten Sanktionen einhergeht. Während die Bundesregierung im Hinblick auf eine kritische Stellungnahme des Normenkontrollrates zu einem Regelungsentwurf auch rein tatsächlich keinen Bindungen unterliegt, hat die Kommission über die Befugnisse des Ausschusses hinaus im Sinne einer Selbstbindung praktische Folgen an die Stellungnahmen geknüpft. Nach den kommissionsinternen Arbeitsmethoden 2014– 2019 ist für jede Initiative, für die eine Folgenabschätzung durchgeführt wird, grundsätzlich eine positive Stellungnahme des Ausschusses erforderlich, damit die dienststellenübergreifende Konsultation als nächster Schritt des Rechtsetzungsverfahrens beginnen kann.80 Das macht es notwendig, dass ein Folgenabschätzungsbericht, der zunächst ein negatives Votum erhalten hat, dem Ausschuss ein zweites Mal vorgelegt werden muss. Wenn auch die zweite Beurteilung negativ ausfällt, überlässt der Ausschuss es im Regelfall der politischen Entscheidung der Kommission, ob sie gewillt ist, den der Folgenabschätzung zugrundeliegenden Rechtsetzungsvorschlag weiterzuverfolgen.81 Somit bleibt es letzten Endes eine politische Frage, ob die zuständigen Stellen innerhalb von Bundesregierung und Kommission trotz einer kritischen Stellungnahme der Kontrollgremien an einem Regelungsvorschlag festhalten. Im Gegensatz zu den Stellungnahmen des Normenkontrollrates verfügen die Bewertungen des Ausschusses aufgrund der Wiedervorlagepflicht bei einer ersten negativen Beurteilung jedoch über gewichtigere Auswirkungen auf die praktische Rechtsetzungspolitik der Exekutive und schränken deren Handlungsmöglichkeiten jedenfalls vorübergehend stärker ein. Allerdings sind

79

Heintzen, ZRP 2006, 235 (235); Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 12; Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (157); Schröder, DÖV 2007, 45 (48). 80 Europäische Kommission, Arbeitsmethoden, C(2014) 9004, S. 8 (noch bezogen auf den Ausschuss für Folgenabschätzung). 81 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 10; ders., Annual Report 2017, S. 21.

B. Bedeutung im Verfahren der Folgenabschätzung

325

diese Steuerungsbefugnisse nicht im Mandat des Ausschusses angelegt, sondern beruhen auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Kommission.

VI. Beratung Eine weitere Parallele zwischen dem Normenkontrollrat sowie dem Ausschuss offenbart sich darin, dass sie neben ihrer prüfenden Tätigkeit, die in die Abgabe von Stellungnahmen mündet, als Beratungsinstitutionen der Exekutive konzipiert sind. Teilweise wird die Funktion der Gremien sogar generell ausschließlich als beratend beschrieben, da ihre Stellungnahmen in ihrer Wirkung unverbindlich bleiben.82 Diese Annahme ist zwar inhaltlich nicht falsch, verkennt aber, dass die Differenzierung zwischen Kontrolle und Beratung im Mandat beider Sachverständigengremien angelegt ist. Eine Kontroll- oder Überprüfungsfunktion muss nicht zwingend mit einem rechtlich relevanten Sanktionsmechanismus verknüpft sein. Bereits die Möglichkeit, kritische Stellungnahmen abzugeben, die durch eine spätere Veröffentlichung Rechtfertigungsdruck auslösen, reicht für die Annahme einer Kontrollfunktion aus. Aus diesem Grund erscheint es vorzugswürdig, die Funktionen der Kontrolle und Beratung als jeweils voneinander getrennte Aufgabenbereiche anzuerkennen. Gemäß § 1 Abs. 2 NKRG hat der Normenkontrollrat die Aufgabe, die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen „auf den Gebieten des Bürokratieabbaus und der besseren Rechtsetzung“ zu unterstützen. Für den Ausschuss legt Art. 2 Abs. 2 des Einrichtungsbeschlusses die Beratungsfunktion fest. Adressat der Beratung sind jeweils die Organisationseinheiten an der Exekutivspitze, in deren Händen die Rechtsetzungsvorbereitung liegt. Die Beratungsfunktion bezieht sich zum einen generell auf die Politikstrategien, die das Ziel haben, die staatliche Rechtsetzung zu „optimieren“. Zum anderen verfolgt die Beratung den Zweck, die Bundesministerien bzw. die Kommissionsdienststellen bei methodischen Fragen zu unterstützen, die die Folgenabschätzungen zu konkreten Rechtsetzungsvorhaben betreffen. Aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses ergibt sich, dass der Ausschuss die Kommissionsdienststellen bereits dann beraten kann, wenn sie im Begriff sind, eine Folgenabschätzung zu einem Legislativvorschlag anzufertigen. Eine übereinstimmende Regelung zur frühzeitigen Beratung enthält das NKRG nicht. Jedoch besagt § 45 Abs. 1 S. 1 GGO, dass das für einen Gesetzentwurf federführend

82 So etwa zum Normenkontrollrat Hofmann / Birkenmaier, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 12 Rn. 17; Nagel, in: ders. / Böllmann (Hrsg.), Staatliches Handeln, S. 95 (112 f.); Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 197; zum Ausschuss siehe bereits Europäische Kommission, Beschluss, C(2015) 3263 final, Erwägungsgrund (3), wonach dessen Aufgabe darin besteht, die „politische Ebene der Kommission zu beraten“.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

zuständige Bundesministerium den Normenkontrollrat im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit frühzeitig bei den Vorarbeiten und der Ausarbeitung einzubeziehen hat, bevor die Gesetzesvorlage dem Bundeskabinett zum Beschluss vorgelegt wird. Auf dieser Grundlage findet regelmäßig vor der Ressortabstimmung eine frühe Beteiligung des Normenkontrollrates statt, um dessen Expertise bei der Darstellung des Erfüllungsaufwands in Anspruch zu nehmen.83 Der Ausschuss hat ebenfalls in Einklang mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Einrichtungsbeschlusses seine Bereitschaft erklärt, die Generaldirektionen u. a. durch die Überprüfung der Inception Impact Assessments und die Bereitstellung von beratenden Hinweisen bei der Vorbereitung von Rechtsetzungsinitiativen zu unterstützen.84 Da sich die Kontrolle durch den Ausschuss aber ohnehin bereits vor der dienststellenübergreifenden Konsultation und damit zu einem frühen Zeitpunkt der kommissionsinternen Rechtsetzungsvorbereitung vollzieht, findet die Beratung offenbar bislang nicht in der Regelmäßigkeit und Intensität statt, wie sie zwischen dem Normenkontrollrat und den Bundesministerien zu beobachten ist. Indem die Bundesministerien den Normenkontrollrat frühzeitig bei der Ausarbeitung zahlreicher Gesetzentwürfe einbeziehen, können sie viele offene Fragen und Probleme bei der Ermittlung des Erfüllungsaufwands vorab lösen, ohne dass es dafür einer kritischen Stellungnahme bedarf. Das könnte u. a. ein Grund für den empirischen Befund sein, dass die Anzahl der kritischen Stellungnahmen des Normenkontrollrates (17,6 % im Jahr 2012)85 relativ deutlich unter der Anzahl der negativen Stellungnahmen liegt, die der Ausschuss jährlich abgibt (43 % im Jahr 2017)86.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung Die Einsetzung und Tätigkeit des Normenkontrollrates sowie des Ausschusses beschränken sich in ihrer Wirkung nicht auf den innerexekutiven Bereich, sondern haben darüber hinaus Auswirkungen auf die Rollenverteilung zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen. Im Kern geht es um die Frage, wer den bestimmenden Einfluss auf den Inhalt der erlassenen Gesetze ausübt. Um diese Frage zu beantworten reicht es nicht aus, auf die quantitative Verteilung des Anteils der eingebrachten und erfolgreichen Regelungsinitiativen zu schauen. Erforderlich ist vielmehr, dass man auch die qualitative Seite der Gesetzesproduktion in den Blick nimmt. Dadurch zeigt sich, dass im Zuge der Abschätzung der möglichen Folgen einer Regelung wesentliche politische Weichenstellungen in Bezug 83 Böll, DER SPIEGEL 39/2013, S. 42 (43); Kleemann / Gebert, ZG 2009, 151 (156); Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (117 f.); dazu auch näher unter Kap. 1, A. III. 4. a). 84 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2016, S. 10; ders., Annual Report 2017, S. 16. 85 Veit / Heindl, ZPB 2013, 111 (121). 86 Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 11.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

327

auf Zielformulierung, Alternativendarstellung, Kostenermittlung und -bewertung getroffen werden.87 Folglich hängt die Möglichkeit der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe, die Normsetzung inhaltlich zu steuern, auch davon ab, ob sie die Zuständigkeit zur Durchführung von Aspekten der Folgenabschätzung für sich reklamieren.

I. Dominanz von Bundesregierung und Europäischer Kommission Obwohl sie keine klassischen Legislativorgane darstellen, üben sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission erheblichen programmatischen Einfluss auf den Inhalt der Gesetzgebung aus. Insbesondere die Kommission verfügt dank ihres Initiativmonopols aus Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV, Art. 294 Abs. 2 AEUV im Regelfall über enorme Steuerungsmöglichkeiten und eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Rechtserzeugung in der EU.88 Ein entsprechendes Monopol in Bezug auf Rechtsetzungsvorschläge existiert rechtlich gesehen auf bundesdeutscher Ebene nicht. In faktischer Hinsicht ist jedoch auch hier festzustellen, dass ca. 90 % der erfolgreichen Gesetzgebungsinitiativen ihren Ursprung in der Bundesministerialverwaltung haben89. Dazu trägt bei, dass zahlreiche der aus der Mitte des Bundestages eingebrachten Gesetzentwürfe auf die Regierungsfraktionen zurückgehen und nicht selten in den zuständigen Ministerien erarbeitet worden sind90. Demzufolge agieren die Bundesregierung und ihre Ministerialverwaltung in vielen Fällen als inhaltlich bestimmende Akteure im Gesetzgebungsverfahren.91

87

Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 214; ders., in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 217 (227). 88 v. Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, S. 196; Bach, Bürokratisierung Europas, S. 118 f.; v. Danwitz, JZ 2006, 1 (2); Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 18 Rn. 3; Kugelmann, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 17 EUV Rn. 56; Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (212); Wessels, in: Ismayr (Hrsg.), Gesetzgebung in Westeuropa, S. 653 (657); von einer „politisch besonders starke[n] Position“ spricht Geiger, in: ders. u. a., EUV / AEUV, Art. 17 EUV Rn. 7. 89 Fliedner, Rechtsetzung, S. 100; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 179; von knapp 80 % spricht Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 255. 90 Brandner, NVwZ 2009, 211 (212); Brüning, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 148; Burghart, Pflicht zum guten Gesetz, S. 132; Fliedner, Rechtsetzung, S. 98; Hoffmann-Riem, Innovation, S. 156; Maihofer, in: Winkler / Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S. 3 (4); Stern, Staatsrecht der BRD, Bd. II, S. 622. 91 Vgl. v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 56 f.; Brüning, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 126; Burghart, Pflicht zum guten Gesetz, S. 132; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 196 f.; Fliedner, ZG 1991, 40 (54); Klein, Gesetzgebung ohne Parlament?, S. 11 f.; v. Lewinski, Gesetzesverfasser, S. 17 f.; von einer „Denaturierung des Parlaments zum bloßen Ratifikationsorgan für Regierungsinitiativen“ spricht Maihofer, in: Winkler / Schilcher (Hrsg.), Gesetzgebung, S. 3 (22); Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 257 f.; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 214.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

1. Faktisches Folgenabschätzungsmonopol Mit dieser Gestaltungsmacht bezüglich des Rechtsetzungsinhalts korrespondiert die Dominanz von Bundesregierung und Kommission in der Gesetzesfolgen­ abschätzung. Da die Bundesministerial- bzw. Kommissionsverwaltung den deutlich überwiegenden Anteil aller Legislativentwürfe ausarbeitet, findet innerhalb dieser Organisationseinheiten zuvörderst aus praktischen Gründen auch die Analyse der Folgen und Wirkungen der vorgeschlagenen Rechtsetzungsakte statt. Akteure der Gesetzesfolgenabschätzung sind demnach in erster Linie Stellen der Exekutive, die im Vorfeld der Legislativentscheidung vorbereitend und initiierend tätig werden, nicht jedoch die Parlamente als die eigentlichen Legislativorgane.92 Dementsprechend konzentrieren sich Kompetenzen und Ressourcen zur Durchführung von Folgenabschätzungen in den Bundesministerien und den Kommissionsdienststellen. Vorgaben für die Anfertigung von Folgenabschätzungen enthalten die jeweiligen Regelungen des Binnenrechts der Exekutive, nicht aber die Geschäftsordnungen des Bundestages oder des Europäischen Parlaments. Verfassungsrechtlich ist diese Aufgabenzuordnung weder im Hinblick auf Art. 76 ff. GG noch bezüglich Art. 289 ff. AEUV ohne weiteres begründbar. Offensichtlich verfassungswidrig ist sie aber ebenfalls nicht, da Folgenabschätzungen im Regelfall lediglich ein entscheidungsvorbereitender Charakter zukommt. 2. Untermauerung durch exekutive Folgenabschätzungskontrolle Die Art und Weise, wie der Normenkontrollrat und der Ausschuss für Regulierungskontrolle als Instrumente der Exekutive den Gesetzgebungsprozess beeinflussen, unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt. Der Ausschuss dient der Kommission durch seine „Qualitätsbewertungen“ auch als Mittel, um ihre Rechtsetzungsvorschläge gegenüber Europäischem Parlament und Ministerrat zu stärken. Aus diesem Grund legt sie Wert darauf, dass mehrheitlich Kommissionsbeamte in dem Ausschuss vertreten sind. Demgegenüber verwirklicht der Normenkontrollrat aufgrund seiner ausschließlich regierungsexternen Zusammensetzung sowie seiner gesetzlichen Grundlage mehr Eigenschaften eines Kontrollorgans. Die Differenzen zwischen ihm und der Bundesministerialverwaltung, die bezüglich bestimmter Gesetzentwürfe oder Themen zu Tage getreten sind93, scheinen das zu bestätigen. Trotz dieser unterschiedlichen Wirkungsweise deutet die Tendenz, die mit der Einsetzung des Normenkontrollrates und des Ausschusses verknüpft ist, in dieselbe Richtung. Sie sind ungeachtet ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit eindeutig als 92

Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 214; ders., in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 217 (227). 93 Siehe FAZ Nr. 160 v. 13.07.2017, S. 17; Jann / Jantz, ZG 2008, 51 (65 f.); Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 147.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

329

Gremien der Bundesregierung bzw. der Kommission einzuordnen. Bereits die organisatorische Anbindung sowie das Auswahlrecht über die Mitglieder belegen, dass die Gremien in einem Näheverhältnis zur Bundesregierung bzw. Kommission agieren. Ihre Einsetzung hat die Kontrolle zumindest von Teilen der Gesetzesfolgenabschätzung bei der Spitze der Exekutive institutionalisiert. Da die Gesetzesausarbeitung faktisch ausschließlich in der Bundesministerialverwaltung bzw. in den Kommissionsdienststellen stattfindet, mag diese Entscheidung im Hinblick auf eine effiziente und reibungslose Gewährleistung möglichst „guter“ Rechtsetzung praktisch nachvollziehbar sein. Sie hat aber zur Folge, dass die ohnehin bereits starke Stellung der Bundesregierung und der Kommission bei der Initiierung neuer Regelungen zu Lasten der abschließend entscheidungsbefugten Legislativorgane weiter ausgebaut wird. Das „Quasi-Monopol“ der Exekutive in Bezug auf die Gesetzesfolgenabschätzung verfestigt sich durch die politische Entscheidung, ihr nicht nur die Kompetenz für die Durchführung, sondern auch für die Kontrolle der Folgenabschätzungen zu überlassen. 3. Gefahr des Abbaus kostenintensiver Schutzstandards In inhaltlicher Hinsicht hat sowohl die Beteiligung des Normenkontrollrates als auch die des Ausschusses für Regulierungskontrolle am Verfahren der Gesetzeserarbeitung in Deutschland und der Europäischen Union ähnliche Wirkungen zur Folge. Sie führt dazu, dass die politischen Akteure mehr Begründungsaufwand erbringen müssen, um kostenintensive Regelungsmaßnahmen durchsetzen zu können. Was einerseits sinnvoll klingt, ist andererseits bedenklich, wenn sich diese Entwicklung einseitig zu Lasten ökologischer, sozialer und gesundheitsschützender Schutzstandards auswirken würde. a) Fokussierung der Folgenabschätzungen auf ökonomische Auswirkungen Durch die Einsetzung des Normenkontrollrates und seiner Mandatserweiterung im Jahr 2011 hat sich in Deutschland die Gesetzesfolgenabschätzung auf den Erfüllungsaufwand als maßgebliche Größe für die Bewertung der Folgen eines Regelungsvorhabens fokussiert. Der Erfüllungsaufwand erfasst aber nur einen Teil der Wirkungen eines Regelungsvorhabens und bezieht sich in erster Linie auf die einzelwirtschaftlichen Kosten, die den Normadressaten durch die Befolgung einer Rechtsvorschrift entstehen. Unberücksichtigt bleiben derweil der Nutzen und die gesamtwirtschaftlichen Effekte eines Vorhabens. Insbesondere umweltpolitische Maßnahmen können die Umweltqualität verbessern, dadurch Gesundheitsschäden vermeiden und damit einen langfristig messbaren volkswirtschaftlichen Nutzen aufweisen, den der Erfüllungsaufwand nicht dokumentiert. Die Beschränkung auf den Erfüllungsaufwand birgt daher die Gefahr, dass Folgenabschätzungen

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

die Vor- und Nachteile eines Regelungsentwurfs nur unzureichend abbilden und nicht als tragfähige Grundlage für die Entscheidungsfindung dienen können. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass der Gesetzgeber auf eine Regelungsmaßnahme verzichtet, obwohl deren langfristiger gesamtgesellschaftlicher Nutzen die kurzfristigen Kosten überwiegt.94 Demgegenüber sollen die vom Ausschuss zu prüfenden Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen eines Vorhabens in positiver wie in negativer Hinsicht darstellen. Allerdings legt auch die Kommission in ihren Folgenanalysen häufig einen Schwerpunkt auf die Auswirkungen des Legislativentwurfs auf KMU und die Wettbewerbsfähigkeit der EU, deren Darstellung verpflichtender Bestandteil jedes Folgenabschätzungsberichts ist95. Vor allem die besondere Berücksichtigung der Interessen kleinerer und mittelständischer Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern soll im Rahmen des „KMU-Tests“ in einer Folgenabschätzung Anlass dafür geben, diese von einer Regelung auszunehmen oder Regelungsmaßnahmen abzumildern.96 Das kann dazu führen, dass die ökonomischen Folgen für Unternehmen in einer Folgenabschätzung mehr Raum einnehmen und genauer quantifiziert werden als der Nutzen, den das Vorhaben stiftet.97 Ebenso wie die Darstellung des Erfüllungsaufwands in Deutschland dient eine solche Folgenabschätzung nur eingeschränkt als ausgewogene Basis für eine unvoreingenommene Entscheidungsfindung. b) Verstärkung durch die deutsche „one in, one out“-Regel und das europäische REFIT-Programm Noch offener tritt die Gefahr des Abbaus kostenintensiver Schutzstandards angesichts von Maßnahmen zu Tage, die diese Entwicklung in Deutschland und der EU verstärken. In Deutschland zählt insbesondere die regierungsinterne „one in, one out“-Regel dazu, die seit 2015 den Bundesministerien im Sinne einer Selbstbindung auferlegt, durch neue Regelungsvorhaben verursachte Belastungen für die Wirtschaft an anderer Stelle wieder abzubauen.98 Den Bewertungsmaßstab 94

Umweltbundesamt (Hrsg.), Analyse des Erfüllungsaufwands, S. 17. Europäische Kommission, Better Regulation Guidelines, SWD(2015) 111 final, S. 16; bereits das Impact Assessment Board, Report for 2012, S. 27 hat bemängelt, dass soziale und ökologische Auswirkungen häufig nicht umfassend genug ermittelt würden. 96 Europäische Kommission, Anpassung an die Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen, COM(2013) 122 final, S. 3 ff.; dies., Bessere Ergebnisse, COM(2015) 215 final, S. 6 f.; dies., Toolbox, SWD(2015) 111 final, S. 131 f. 97 Siehe dazu auch unter Kap. 2, B. IV.; zwar hat der Ausschuss für Regulierungskontrolle festgestellt, dass die Kommission im Jahr 2017 in mehr Fällen auch den Nutzen eines Vorhabens quantifiziert hat, jedoch erfolgte das oftmals nicht vollständig, sondern nur teilweise, dazu Regulatory Scrutiny Board, Annual Report 2017, S. 24 f.; so für Entbürokratisierungsmaßnahmen generell Cancik, in: Blamberger u. a. (Hrsg.), Vom Umgang mit Fakten, S. 151 (156). 98 Einführend dazu unter Kap. 1, A. I. 2. e). 95

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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bildet allein der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft. Diese Begrenzung könnte die Bundesregierung dazu veranlassen, Belastungen der Unternehmen auf Bürger und Verwaltung zu verlagern, um die „one in, one out“-Regel einzuhalten. Aus gesamtökonomischer Sicht ergibt das wenig Sinn, da es keinen Unterschied macht, ob eine staatliche Maßnahme beim Produzenten oder Konsumenten ansetzt.99 Je mehr Erfüllungsaufwand aus einem Gesetzesvorhaben resultiert, desto schwieriger wird es unter der „one in, one out“-Regel für die Befürworter sein, dieses politisch durchzusetzen. Die Fokussierung auf den Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft kann dazu führen, dass die Bundesregierung zurückhaltend agiert, wenn die Frage zur Diskussion steht, ob sie gesetzliche Innovationen in umwelt- und verbraucherschutzpolitischen Bereichen in Angriff nehmen soll.100 Nicht weniger bedenklich ist, dass die „one in, one out“-Regel die Bundesregierung dazu bewegen könnte, Gesetze und Regelungsentwürfe nicht infolge ihrer fehlenden Wirksamkeit oder Überflüssigkeit zu ändern, zurückzuziehen bzw. aufzuheben, sondern weil sie eine entsprechende Einsparung beim Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft erzielen muss, um ein anderes kostenintensives Vorhaben verabschieden zu können. Auf Unionsebene ist es das Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT), das zwar auf einem anderen und breiteren Ansatzpunkt basiert, aber ebenfalls darauf abzielt, die politische Ziele „so kostengünstig und unbürokratisch wie möglich zur Geltung zu bringen“.101 Der Schwerpunkt des Programms besteht darin, den Aufwand für kleinere Unternehmen zur Einhaltung des Unionsrechts zu senken.102 Die Kommission hat daher ermittelt, welche zehn Unionsrechtsvorschriften KMU besonders belasten. Dazu gehören u. a. die REACH-Verordnung, die Abfallrahmenrichtlinie, die Datenschutzrichtlinie und verschiedene Vorschriften über den Arbeitsmarkt (z. B. RL 89/391/ EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer).103 Vor allem in diesen Bereichen hat die Kommission in den vergangenen Jahren im Rahmen des REFIT-Programms Änderungen vorgeschlagen, um Vereinfachungen für KMU zu erreichen. Das Programm hat jedoch nicht nur zur Folge, dass die Europäische Kommission u. a. nach Anregung einer aus Interessengruppen zusammengesetzten REFIT-Platt 99 Umweltbundesamt (Hrsg.), Analyse des Erfüllungsaufwands, S. 29; in ähnlicher Hinsicht zweifelnd Lohmann, ZG 2016, 179 (188). 100 So auch Heuschmid (Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht), Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 18(9)498, S. 2. 101 Europäische Kommission, REFIT: Bestandsaufnahme und Ausblick, COM(2014) 368 final, S. 2; siehe näher zu den Inhalten des REFIT-Programms unter Kap. 2, A. I. 1. d); diesbezüglich kritisch Alemanno, EJRR 3/2015, 344 (351). 102 Europäische Kommission, REFIT-Plattform, C(2015) 3261 final, Art. 2 (a); dies., REFIT: Bestandsaufnahme und Ausblick, COM(2014) 368 final, S. 4; Schroeder, ZG 2016, 193 (209); ders., wbl 2016, 361 (364). 103 Europäische Kommission, Anpassung an die Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen, COM(2013) 122 final, S. 9 f.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

form Änderungen und Vereinfachungen bestehender Rechtsakte vorschlägt, sondern auch neue Legislativinitiativen zurücknimmt. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn eine Initiative überholt ist oder nicht mehr mit den politischen Interessen der Kommission übereinstimmt, da sie etwa mit kostenträchtigen Auswirkungen einhergeht. In der Vergangenheit hat die Kommission im Rahmen des REFIT-Programms u. a. bereits die Vorschläge für eine EU-Bodenrahmenrichtlinie, eine EU-Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und eine EU-Richtlinie zur Sicherheit und Gesundheit von Friseuren am Arbeitsplatz zurückgezogen.104 Unter Juncker rühmte sich die Kommission, in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 90 Legislativvorschläge, darunter z. B. eine Verordnung über die Einrichtung eines Fonds zur Entschädigung von Ölverschmutzung in europäischen Gewässern, zurückgenommen zu haben.105 Zwar sind Vorschläge aus nahezu allen Politikbereichen von den Rücknahmen im Rahmen des REFIT-Programms betroffen. In der Tendenz bergen die „one in, one out“-Regel und das REFIT-Programm angesichts ihrer Zielrichtung aber die Gefahr, dass die Initiativberechtigten in der Exekutive vermehrt Regelungen, die zum Teil hohe Folgekosten insbesondere für Unternehmen erwarten lassen, unabhängig von ihrem potenziellen Nutzen für die Umwelt, Arbeitnehmer oder Verbraucher ändern oder zurücknehmen. c) Unzureichende Beteiligung der eigentlichen Legislativorgane Sowohl in Deutschland als auch in der EU finden nicht nur die Kontrollen durch den Normenkontrollrat und den Ausschuss ohne parlamentarische Mitwirkung statt, sondern auch die wesentlichen Weichenstellungen im Rahmen der „one in, one out“-Regel und des REFIT-Programms werden ohne funktionale Beteiligung der eigentlichen Legislativorgane getroffen. Nur wenn es darum geht, gesetzliche Regelungen bzw. Unionssekundärrechtsakte auf Vorschlag der Bundesregierung bzw. der Europäischen Kommission zu ändern oder aufzuheben, ist der abschließende Entscheidungsvorbehalt der parlamentarischen Gesetzgeber gewährleistet. Das gilt jedoch nicht, wenn die Bundesregierung angesichts der „one in, one out“-Regel oder die Kommission infolge einer REFIT-Maßnahme beschließen, einen Gesetzgebungsvorschlag zurückzuziehen. In Deutschland ist es einem Gesetzesinitianten möglich, die von ihm in den Bundestag eingebrachte Gesetzesvorlage bis zum Ende der dritten Lesung und somit 104

Zu den zurückgezogenen Legislativvorschlägen Europäische Kommission, REFIT: Ergebnisse und Ausblick, COM(2013) 685 final, S. 9; dies., REFIT: Bestandsaufnahme und Ausblick, COM(2014) 368 final, S. 3 f.; kritisch dazu Dawson, CML Rev. 2016, 1209 (1225 f.); ebenso Cancik, in: Blamberger u. a. (Hrsg.), Vom Umgang mit Fakten, S. 151 (155). 105 Europäische Kommission, Bessere Rechtsetzung, COM(2016) 615 final, S. 3; vgl. die Liste der Rücknahme von Vorschlägen der Kommission (2015/C 80/08), ABl. Nr. C 80 vom 07.03.2015, 17. Zur befürchteten Novellierung der EU-Naturschutzrichtlinien ist es im Rahmen des REFIT-Prozesses dank anderslautender Stellungnahmen von Bürgern, Verbänden und Politik hingegen nicht gekommen, vgl. dazu Möckel, ZUR 2016, 513 (514).

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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bis zur parlamentarischen Beschlussfassung zurückzunehmen.106 Im Fall eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung erfordert ein wirksamer Rücknahmebeschluss eine Mehrheitsentscheidung des Kabinetts sowie eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Parlament. Rechtsfolge der Rücknahme ist, dass der Bundestag den Gesetzentwurf nicht mehr beraten und beschließen darf.107 Allerdings können die Abgeordneten des Bundestages, wenn sie den Gesetzentwurf weiterverfolgen wollen, diesen unabhängig vom Willen des ursprünglichen Initianten inhaltlich identisch gemäß Art. 76 Abs. 1 GG erneut selbst einbringen.108 Auf europäischer Ebene kommt den Legislativvorschlägen der Kommission angesichts des grundsätzlichen Initiativmonopols gemäß Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV im Vergleich zu den Regierungsentwürfen in Deutschland eine noch größere Bedeutung zu. Wenn die Kommission einen Vorschlag zurücknimmt, entzieht sie damit zugleich dem Ministerrat und dem Parlament den Entscheidungsgegenstand und macht das Zustandekommen des entsprechenden Legislativakts unmöglich. Anders als Bundestag und Bundesrat haben das Europäische Parlament und der Ministerrat nicht die Möglichkeit, einen zurückgezogenen Kommissionsvorschlag durch einen eigenen zu ersetzen. Die Rücknahme von Kommissionsvorschlägen im laufenden Rechtsetzungsverfahren ist im Gegensatz zur Änderung (Art. 293 Abs. 2 AEUV) nicht ausdrücklich im Primärrecht normiert, jedoch als actus contrarius des Initiativrechts aus Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV allgemein anerkannt.109 Die Kommission kann im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV einen Vorschlag bis zur Beschlussfassung des Rates zurückziehen, also noch nachdem das Parlament im Rahmen der ersten Lesung seinen Standpunkt festgelegt hat. Eine Rücknahme soll sogar dann noch möglich sein, wenn Parlament und Rat im Trilog-Verfahren

106 So Boehl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 15 Rn. 13; Dietlein, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 76 Rn. 11; Mann, in: Sachs, GG, Art. 76 Rn. 37; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 82; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 76 Rn. 40; a. A. Hebeler, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 76 Rn. 64; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 59, die vertreten, dass eine Rücknahmemöglichkeit mit dem Wechsel der Verfahrensherrschaft zugunsten des Bundestages, den die Einbringung eines Gesetzentwurfs bewirkt, unvereinbar sei; für eine Rücknahmemöglichkeit bis zur ersten Befassung im Bundestag Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 76 Rn. 4a. 107 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 76 Rn. 40; a. A. für die Rücknahme im Zeitraum zwischen Einbringung und Beschlussfassung Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 76 Rn. 43. 108 Mann, in: Sachs, GG, Art. 76 Rn. 37; Masing, in: v. Mangoldt u. a., GG, 6. Aufl., Art. 76 Rn. 74; wohl ebenso Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Bd. II, Art. 76 Rn. 21. 109 EuGH, Rs. C-188/85 (Fediol / Kommission), Slg. 1988, 4193 Rn. 37; Rs. C-409/13 (Rat /  Kommission), ECLI:EU:C:2015:217 Rn. 74; v. Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, S. 22; Haratsch, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 17 EUV Rn. 13; Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV Rn. 64; Nemitz, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 17 EUV Rn. 45; Schmidt / Schmitt v. Sydow, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 17 EUV Rn. 84; a. A. Epping, in: Vedder / Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 293 AEUV Rn. 5.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

bereits eine Einigung erzielt haben.110 Dadurch wird der Kommission während des Rechtsetzungsprozesses die Verfahrensherrschaft über ihren Vorschlag zugestanden.111 Damit die Rücknahme eines Legislativvorschlags nicht zu einem willkür­ lichen Vetorecht der Kommission im laufenden Gesetzgebungsverfahren mutiert, hat der EuGH im Jahr 2015 entschieden, dass die Kommission dem Parlament und dem Rat die Gründe für die Rücknahme erläutern und durch überzeugende Argumente stützen muss.112 Als Grund für eine Rücknahme kommt u. a. eine von Parlament und Rat beabsichtigte Änderung des Vorschlags in Betracht, die diesen derart verwässert, dass er sich nicht mehr zur Verwirklichung der mit ihm ursprünglich verfolgten Ziele eignet.113 Um die loyale Zusammenarbeit zwischen den am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organen gemäß Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV zu gewährleisten, hat die Kommission allerdings im Rahmen ihrer Rücknahmeentscheidung den Bedenken des Parlaments und Rates, die zu deren Änderungsvorschlägen geführt haben, Rechnung zu tragen.114 Darüber hinaus können weitere Gründe wie die Änderung der Ausgangslage oder Fragen der politischen Opportunität der Kommission das Recht geben, einen Rechtsetzungsvorschlag zurückzuziehen.115 Denkbar ist demnach, dass die Kommission im Rahmen des REFIT-Programms gegen den Willen von Parlament und Rat einen Legislativvorschlag zurücknimmt, weil dieser z. B. mit zu hohen Folgekosten einhergeht und aus diesem Grund den politischen Vorstellungen der Kommission nicht mehr entspricht. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist es, dass sie einen Vorschlag zurückzieht, wenn die von Parla-

110

So die Situation, die der EuGH zu entscheiden hatte, vgl. EuGH, Rs. C-409/13 (Rat / Kommission), ECLI:EU:C:2015:217 Rn. 104; Saurer, in: Pechstein u. a., Frankfurter Kommentar, Art. 293 AEUV Rn. 14; ausführlicher zum Trilog-Verfahren v. Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, S. 178 ff.; Huber, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 14 EUV Rn. 14. 111 Ebenso und richtigerweise kritisch Epping, in: Vedder / Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 293 AEUV Rn. 5. 112 EuGH, Rs. C-409/13 (Rat / Kommission), ECLI:EU:C:2015:217 Rn. 75 f.; bereits seit 2010 hatte sich die Kommission in einer Vereinbarung gegenüber dem Parlament dazu verpflichtet, die Gründe für die Rücknahme eines Vorschlags ausführlich zu erläutern, sofern das Parlament in erster Lesung bereits einen Standpunkt angenommen hat, vgl. Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, Ziff. 39, ABl. Nr. L 304 vom 20.11.2010, 47; eine ähnliche Zusage der Kommission dazu enthält auch die Interinstitutionelle Vereinbarung aus dem Jahr 2016, siehe Europäisches Parlament / Rat / Europäische Kommission, Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016, ABl. Nr. L 123 vom 12.05.2016, 1, Ziff. 9; Priebe, EuZW 2015, 697 (701) hält die von der Kommission für die Rücknahme einzelner Vorschläge vorgebrachten Gründe zum Teil für wenig überzeugend. 113 EuGH, Rs. C-409/13 (Rat / Kommission), ECLI:EU:C:2015:217 Rn. 83; Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV, Rn. 65a; Schmidt / Schmitt v. Sydow, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 17 EUV Rn. 85. 114 EuGH, Rs. C-409/13 (Rat / Kommission), ECLI:EU:C:2015:217 Rn. 83. 115 Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 18 Rn. 4; Martenczuk, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 17 EUV Rn. 65a; Schmidt / Schmitt v. Sydow, in: v. der Groeben u. a., Europäisches Unionsrecht, Art. 17 EUV Rn. 85.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

335

ment und Rat beabsichtigten Änderungen an diesem ihren politischen Zielen etwa zur Wirtschaftsförderung zuwiderlaufen. Auch wenn Instrumente wie das Standardkosten-Modell oder REFIT Gegenteiliges vortäuschen, lassen sich die durch Rechtsvorschriften entstehenden Kosten nicht präzise messen. Welcher Anteil an Kosten einer Regelung notwendig und welcher Teil überflüssig ist, kann nur politisch im Hinblick auf das Ziel und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sinnvoll beantwortet werden.116 Eine solche Wertentscheidung bezüglich eines Legislativentwurfs sollte jedoch dem unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber vorbehalten bleiben und nicht allein der Bundesregierung oder der Europäischen Kommission überantwortet werden. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rücknahmebefugnis der Kommission in Bezug auf ihre Legislativvorschläge als besonders kritisch, da die Gesetzgebungsorgane der Union im Unterschied zum Deutschen Bundestag zur Wahrnehmung ihrer Legislativfunktion darauf angewiesen sind, dass die Kommission ihnen Rechtsetzungsinitiativen vorlegt. Diese Problematik rührt aber letzten Endes daher, dass das Europäische Parlament und der Ministerrat trotz ihrer demokratischen Repräsentationsfunktion gemäß Art. 10 Abs. 1 und 2 EUV im Regelfall nicht über ein eigenes unmittelbares Initiativrecht verfügen. Sie können nach Art. 225 S. 1 bzw. Art. 241 S. 1 AEUV lediglich die Kommission auffordern, einen Rechtsetzungsvorschlag zu unterbreiten.

II. Rolle der Parlamente in der Folgenabschätzung Die These, dass die Einsetzung des Normenkontrollrates und des Ausschusses für Regulierungskontrolle die Vorbereitungsmacht von Bundesregierung und Kommission im Gesetzgebungsprozess stärkt, führt zur Frage, welche Rolle dem Bundestag und dem Europäischen Parlament als unmittelbar demokratisch legitimierte Gesetzgeber in Bezug auf die Gesetzesfolgenabschätzung verbleibt.117 Der häufig anzutreffende Hinweis, die Kontrolltätigkeit der untersuchten Sachverständigengremien tangiere nicht das verfassungsrechtlich geschützte politische Letztentscheidungsrecht der Parlamente118, hilft in dieser Hinsicht nicht weiter. Er ignoriert den parlamentarisch-politischen Aspekt von Folgenabschätzungen. Auch die Idee, dass die im Rahmen von Folgenabschätzungen getätigten umfassenden Abwägungen rationalere politische Entscheidungen ermöglichen und dadurch die aus 116

Schroeder, ZG 2016, 193 (210). Bewusst ausgeklammert wurde an dieser Stelle die Rolle des EU-Ministerrates, der zwar Gesetzgebungsorgan der Union ist, aber angesichts seiner exekutivischen Besetzung und seiner Aufgaben auch typische Regierungsfunktionen wahrnimmt, siehe Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / AEUV, Art.  16 EUV Rn.  4; Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, S. 318; Ziegenhorn, in: Grabitz u. a., Recht der EU, Art. 16 EUV Rn. 24. 118 So etwa in Bezug auf den Normenkontrollrat Pieper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 40 Rn. 197. 117

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

den Politikwissenschaften stammende Output-Legitimation politischen Handelns stärken würden119, macht die Beteiligung der Parlamente in diesem Bereich nicht überflüssig. Erforderlich wäre es vielmehr, dass der Bundestag und das Europäische Parlament über die personellen und strukturellen Ressourcen verfügen, um die ihnen vorgelegten Folgenabschätzungen selbst überprüfen und im Einzelfall eigene Folgenprognosen betreiben zu können.120 Ob der Bundestag und das Europäische Parlament diesen Anforderungen genügen, ist unterschiedlich zu beantworten. 1. Folgenabschätzungsinstrumente des Bundestages Die Aktivitäten, auf die der Bundestag zur Informationsbeschaffung über die Auswirkungen von Gesetzesvorhaben zurückgreifen kann, sind vielgestaltig. Sie reichen von der Auswertung von Petitionen über parlamentarische Anfragen an die Regierung bis hin zur Einsetzung von Enquetekommissionen.121 Petitionen können den Abgeordneten sonst nicht verfügbare Informationen für die aktuelle Gesetzgebung liefern122, setzen aber eine von außen kommende Initiative zur Übermittlung voraus, die nicht im Einflussbereich des Parlaments liegt. Parlamentarische Anfragen gemäß §§ 100 ff. GOBT dienen der Beschaffung von Informationen aus dem Kenntnisstand der Regierung. Sie können es dem Bundestag erleichtern, seine Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion zu erfüllen. Da die Anfragen jedoch nur darauf abzielen, Informationen aus dem Regierungsbereich zu erhalten, sind sie kaum in der Lage, parlamentarische Gesetzesfolgenabschätzungen zu ersetzen.123 Gleiches gilt für Enquetekommissionen gemäß § 56 GOBT, weil diese sich bislang nahezu ausschließlich mit abstrakten Zukunftsthemen beschäftigt haben und ihrer Einsetzung in der Regel bereits ein zeitraubender politischer Diskussionsprozess vorausgeht.124 Darüber hinaus gibt es noch spezifischere Instrumente des Bundestages, um die Folgen eines Gesetzes zu ermitteln.

119 Siehe dazu Färber / Zeitz, dms 2015, 337 (339 f.); Veit, in: Ziekow (Hrsg.), Bewerten, S. 37 (38 f.); ebenso Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 51; insbesondere für die EU-Ebene Lund, VR 2011, 87 (87); Schroeder, ZÖR 2013, 225 (228). 120 So für die bundesdeutsche Ebene Fliedner, Rechtsetzung, S. 118; Karpen, ZRP 2002, 443 (446); Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 51. 121 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 243; Ismayr, Der Deutsche Bundestag, S. 268 f.; Kretschmer, in: Hellstern / Wollmann (Hrsg.), Handbuch Evaluierungsforschung, S. 405 (416 ff.). 122 Ismayr, Der Deutsche Bundestag, S. 382 f.; Kretschmer, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 15 (23). 123 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 243. 124 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 243 f.; Ismayr, Der Deutsche Bundestag, S. 414.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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a) Sachverständigenanhörungen Gemäß § 70 Abs. 1 S. 1 GOBT können Fachausschüsse des Bundestages zu den ihnen überwiesenen Gesetzesvorlagen öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen durchführen. Die Anhörungen ermöglichen es insbesondere den der Opposition angehörenden Abgeordneten, unabhängig von der Bundesregierung externen Sachverstand über die voraussichtlichen Auswirkungen eines Gesetzentwurfs heranzuziehen.125 Im Zuge von Anhörungen zu Regierungsentwürfen bezweckt das Vorgehen der Regierungsfraktionen regelmäßig, den Entwurf zu rechtfertigen und Kritik an diesem zu verhindern.126 Wenn der Ausschuss gemäß § 70 Abs. 2 S. 2 GOBT eine Begrenzung der Anzahl der anzuhörenden Personen beschließt, richtet sich die Zahl der von den Fraktionen auszuwählenden Anhörpersonen nach deren Stärkeverhältnis. In diesem Fall benennen die Fraktionen häufig solche Sachverständige, von denen sie in gewissem Umfang eine argumentative Unterstützung ihrer eigenen Position erwarten.127 Im Gegensatz zu Anhörungen ermitteln Folgenabschätzungen das Wissen und die Bewertung der Sachverständigen nicht nur im Rahmen einer subjektiv geführten Befragung, sondern durch systematische, umfassende und auf einem interdisziplinären Ansatz beruhende wissenschaftlich fundierte Untersuchungen. Anhörungen können aus diesem Grund nur sehr begrenzt die Funktion erfüllen, die Gesetzesfolgenabschätzungen für sich in Anspruch nehmen.128 b) Wissenschaftliche Dienste Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages ist es, das Parlament als Ganzes, seine Gremien und die einzelnen Abgeordneten durch Gutachten, Analysen und Informationszusammenstellungen zu unterstützen. Sie fungieren als interne Politikberatung, die parteipolitischer Neutralität verpflichtet ist.129 Die 125 Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 104; Kretschmer, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 15 (19); Schüttemeyer, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 42 Rn. 26; Winkelmann, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 23 Rn. 59; ebenfalls zu Parlamentsanhörungen als Mittel, die Folgen eines Gesetzes zu bewerten Wagner, in: Jann u. a. (Hrsg.), FS Böhret, S. 411 (422 f.). 126 Ismayr, Der Deutsche Bundestag, S. 410; Schulze-Fielitz, in: Dreier / Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität, S. 71 (112); ebenfalls kritisch Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 208. 127 Ismayr, Der Deutsche Bundestag, S. 411; Meßerschmidt, ZJS 2008, 224 (227); in dieselbe Richtung Zeh, in: HStR III, § 53 Rn. 64; zu dieser Kritik Schüttemeyer, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 42 Rn. 26. 128 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 245; Brocker, DRiZ 2002, 462 (466); ders., in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 133 (134); Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (227, Fn. 132); ähnlich Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 51. 129 Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 136; Brocker, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 34 Rn. 31; Hölscheidt, DVBl. 2010, 78 (79, 83).

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

Abgeordneten können den Sachverstand der Wissenschaftlichen Dienste auch für Einzelfragen zu Folgenanalysen nutzen. Eigene umfassende Folgenabschätzungen und Überprüfungen von Wirkungsprognosen zu konkreten Gesetzentwürfen der Regierung können die Wissenschaftlichen Dienste aufgrund ihrer begrenzten Analysekapazitäten und Ressourcen aber nur in Ausnahmefällen durchführen.130 c) Büro für Technikfolgenabschätzung Das seit 1990 auf der Grundlage des § 56a Abs. 1 S. 2 GOBT bestehende Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) stellt einen institutionellen Ansatz zur parlamentarischen Beratung dar. Es handelt sich bei dem Büro nicht um ein Gremium des Bundestages, sondern um eine selbstständige Einheit des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), das als wissenschaftliche Einrichtung beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) angesiedelt ist.131 Als parlamentarisches Steuerungsgremium fungiert insofern der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. In seiner sektoralen Ausrichtung ist das Büro auf Technikfolgen beschränkt. Das Forschungsgebiet der Technikfolgenabschätzung zielt darauf ab, die Bedingungen und potentiellen Auswirkungen der Einführung und verbreiteten Anwendung neuer Technologien auf Umwelt und Gesellschaft möglichst systematisch zu analysieren und zu bewerten.132 Die Technikfolgenabschätzung soll „vorrangig den Beratungsbedarf der Fachausschüsse und Fraktionen des Deutschen Bundestages bei komplexen, technologiepolitischen Fragestellungen decken und ihnen die Möglichkeit eröffnen, die Folgen von technischen Entwicklungen und von möglichen politischen Maßnahmen im Vorfeld politischer Entscheidungen abzuschätzen“.133 Im Gegensatz zur Gesetzesfolgenabschätzung setzt die Technikfolgenabschätzung zu einem früheren Zeitpunkt an. Sie behandelt spezifische sowie abgrenzbare Untersuchungsgegenstände, die einen Bezug zu neuen Technologien, aber nicht unbedingt zu konkreten Regelungsvorhaben aufweisen. Sie ist daher kein Bestandteil der Gesetzesfolgenabschätzung, kann diese jedoch in Teilen unterstützen134. Allgemeine Prognosen über die von gesetzlichen Regelungen ausgehenden 130 Kretschmer, in: Hellstern / Wollmann (Hrsg.), Handbuch Evaluierungsforschung, S. 405 (420); ähnlich auch Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, S. 137; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 447; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 399; in Bezug auf die Parlamentsverwaltung insgesamt Schliesky, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 5 Rn. 51. 131 Ismayr, Der Deutsche Bundestag, S. 432; Krüper, in: Morlok u. a. (Hrsg.), Parlamentsrecht, § 38 Rn. 17. 132 Bullinger, in: ders. (Hrsg.), Technikfolgenabschätzung, S. 3 (15); Grün / Morsey, Prospektive Gesetzesfolgenabschätzung, S. 21; Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 276. 133 BT-Drs. 12/4193, S. 8. 134 Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 21; ders. / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (218).

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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Folgen fallen aber nicht in den Kompetenzbereich des Büros für Technikfolgenabschätzung. Seine Arbeit ist darauf ausgerichtet, langfristig alternative Handlungsund Gestaltungsoptionen für die politischen Entscheidungsträger zu entwickeln. Es eignet sich jedoch nicht für eine kurzfristige Beratung in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren.135 d) Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung Der erstmals im Jahr 2004 eingesetzte Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung bewertet die in § 44 Abs. 1 S. 4 GGO verankerte Nachhaltigkeitsprüfung der Bundesregierung im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung. Er prüft sämtliche Verordnungen und Gesetzentwürfe der Bundesregierung formal darauf, ob sie eine plausible Nachhaltigkeitsprüfung enthalten. Im Fall einer fehlenden oder nicht nachvollziehbaren Nachhaltigkeitsprüfung gibt er diesbezüglich eine Stellungnahme an den federführenden Bundestagsausschuss ab, dem der Gesetzentwurf gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 GOBT überwiesen wurde.136 Das zuständige Bundesministerium erhält die Stellungnahme zur Kenntnis. Der Ausschuss ist an die Stellungnahme nicht gebunden, hat diese aber zu beraten und schriftlich zu bewerten137. Zwingend vorgeschrieben ist die Einbeziehung des Parlamentarischen Beirats nicht.138 Er setzt sich derzeit aus 17 Abgeordneten aller Fraktionen zusammen. Seine Tätigkeit gründet sich lediglich auf einen Einsetzungsbeschluss des Bundestages, der zu Beginn jeder Legislaturperiode neu erlassen werden muss.139 Der Beirat verfügt über ein eigenes Sekretariat, kann aber weder auf eigene wissenschaftliche Mitarbeiter noch auf finanzielle Mittel zurückgreifen, um externen wissenschaftlichen Sachverstand einzuholen.140 Die Einsetzung des Beirats führt zu einer parlamentarischen Kontrolle der Nachhaltigkeitsprüfung und verbessert dadurch die Beteiligung des Bundestages an einem Modul der Gesetzesfolgenabschätzung. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Beirat nicht zuletzt im Vergleich zum Normenkontrollrat nur eine schwache Stellung und ein eingeschränktes Aufgabenspektrum zukom 135

Hadamek, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 17 Rn. 134. Ismayr, Der Deutsche Bundestag, S. 269 f.; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetz­gebung, § 13 Rn. 47; die erstmalige Einsetzung erfolgte durch den Antrag BT-Drs. 15/2441; in der 18. Wahlperiode hat der Beirat 769 Vorhaben der Bundesregierung überprüft und in 92 % der Fälle keine Einwände gegenüber den Nachhaltigkeitsprüfungen vorgebracht, siehe BT-Drs. 18/12511, S. 10. 137 BT-Drs. 18/559, S. 2. 138 Windoffer, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 217 (227). 139 Zuletzt durch BT-Drs. 19/1837 im April 2018; der Beirat fordert aus diesem Grund, dass er zur dauerhaften Institution aufgewertet und seine Tätigkeit in der GOBT verankert wird, siehe BT-Drs. 17/6680, S. 7, diese Forderung unterstützend Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 58; Petermann / Poetzsch, Akteure am Rande, S. 133. 140 Petermann / Poetzsch, Akteure am Rande, S. 35. 136

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

men. Als Institutionalisierung einer parlamentarischen Gesetzesfolgenabschätzung sollte er daher nicht interpretiert werden. 2. Folgenabschätzungsinstrumente des Europäischen Parlaments Im Gegensatz zum Deutschen Bundestag, in dessen Tätigkeitsspektrum systematische Gesetzesfolgenabschätzungen bislang kaum eine Rolle spielten, ist im Europäischen Parlament spätestens seit 2004 das Bewusstsein für die Bedeutung von Folgenabschätzungen im Rechtsetzungsverfahren gewachsen. Wegweisend waren in dieser Hinsicht die vom Parlament in den Jahren 2004 und 2006 angenommenen „Doorn-Berichte“ des gleichnamigen Abgeordneten. Diese wiesen darauf hin, dass „eine wirksame demokratische Kontrolle nur möglich ist, wenn dem Parlament ausreichende Informationen über die Auswirkungen der Rechtsetzung auf soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte vorliegen“141. Daran anknüpfend enthielten die Berichte in erster Linie Forderungen an die Europäische Kommission nach unabhängigeren Folgenabschätzungen und einem einheitlichen methodischen Vorgehen der Unionsorgane. Die als Entschließungen des Parlaments verabschiedeten Berichte betonten überdies das Erfordernis parlamentseigener Folgenanalysen, um die Auswirkungen von grundlegenden Änderungen, die sich in Bezug auf Kommissionsvorschläge aus den parlamentarischen Beratungen ergeben, zu prognostizieren.142 Nachdem die Parlamentarier anfangs das Instrument der Folgenabschätzung vor allem als einen Versuch der Kommission werteten, das Kräfteverhältnis im Gesetzgebungsverfahren zu Lasten des Parlaments zu verschieben, erkannten sie mit der Zeit auch die Vorteile umfassender Folgenanalysen. Insbesondere stellten sie fest, dass die Folgenabschätzungen ihnen detaillierte Einblicke in die politischen Beweggründe der Kommission in Bezug auf einzelne Rechtsetzungsinitiativen gewährten.143 Das Parlament registrierte zudem, dass sich Kritik an lückenhaften oder fehlenden Folgenabschätzungen der Kommission als politisches Instrument verwenden ließ.144 Abseits der Folgenabschätzungen der Kommission hat das Parla 141

Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. April 2004 zu der Prüfung der Auswirkungen der gemeinschaftlichen Rechtsetzung und der Konsultationsverfahren, ABl. Nr. C 104 E vom 30.04.2004, 146, Erwägungsgrund B. 142 Europäisches Parlament, Entschließung vom 16. Mai 2006 zur besseren Rechtsetzung 2004: Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität – 12. Jahresbericht, ABl. Nr. C 297 E vom 07.12.2006, 128, Ziff. 17; dass., Entschließung vom 20. April 2004 zu der Prüfung der Auswirkungen der gemeinschaftlichen Rechtsetzung und der Konsultationsverfahren, ABl. Nr. C 104 E vom 30.04.2004, 146, Ziff. 5 g. 143 Meuwese, Impact Assessment, S. 103 f. 144 Meuwese, Impact Assessment, S. 115 f., 120; vgl. beispielhaft Europäisches Parlament, Entschließung vom 28. April 2005 zu dem derzeitigen Stand der Integration der Finanzmärkte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 45 E vom 23.02.2006, 140, Ziff. 5; zum Verlangen nach anspruchsvollen Folgenabschätzungen als „Mittel der Gesetzgebungsblockade“ Meßerschmidt, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 195 (208).

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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ment jedoch auch vielfältige eigene Instrumente zur Durchführung von Wirkungsanalysen geschaffen. a) Science and Technology Options Assessment (STOA) Im Oktober 1985 übernahm das Europäische Parlament die Anregungen aus dem Bericht des damaligen Abgeordneten Rolf Linkohr zur Einsetzung eines „European Parliament Office for Scientific and Technological Option Assessment“.145 Nach einer 18-monatigen Pilotphase wurde das STOA ab September 1988 vom Präsidium des Europäischen Parlaments kraft seiner internen Organisationskompetenz als dauerhafte parlamentarische Einheit etabliert.146 Seine Aufgabe besteht darin, die Ausschüsse und Abgeordneten des Europäischen Parlaments mit unabhängigen wissenschaftlichen Studien sowie Informationen zur Bewertung der Auswirkungen neuer Technologien zu versorgen. Darüber hinaus soll das STOA aus technologischer Sicht die Optionen für die bestmöglichen politischen Maßnahmen eruieren.147 Die Einheit vergibt zu diesem Zweck Aufträge zur Anfertigung von entsprechenden Studien an externe Einrichtungen, deren Ergebnisse in Workshops sowie Expertengesprächen diskutiert und anschließend veröffentlicht werden.148 Die politische Koordination der Tätigkeit erfolgt durch das STOA-Panel, dem zurzeit 24 Abgeordnete aus neun parlamentarischen Ausschüssen angehören. Organisatorisch ist das STOA der Generaldirektion „Wissenschaftlicher Dienst“ des Europäischen Parlaments angegliedert, die im Referat „Wissenschaftliche Voraus­schau“ das STOA-Sekretariat eingerichtet hat. Obwohl das Europäische Parlament den Begriff der Technikfolgenabschätzung weit auffasst, da es auch solche Fragestellungen einbezieht, die über die Folgen technologischen Fortschritts hinausgehen149, stellen die Aktivitäten des STOA keine Gesetzesfolgenabschätzung im engeren Sinne dar. Es fehlt an dem dafür notwendigen Bezug zu einem hinreichend konkretisierten Regelungsvorhaben.

145

Europäisches Parlament, Entschließung vom 10. Oktober 1985 zur Errichtung eines Europäischen Parlamentarischen Amtes für die Bewertung der wissenschaftlichen und technologischen Entscheidungen, ABl. Nr. C 288 vom 11.11.1985, 130, Ziff. 5. 146 Decker / Ladikas, Bridges between Science, Society and Policy, S. 232; siehe auch http:// www.europarl.europa.eu/stoa/cms/home/panel/rules (letzter Zugriff: 12.02.2018). 147 Vgl. Art. 1 Nr. 2 STOA-Geschäftsordnung, Beschluss des Präsidiums vom 04. Mai 2009, PE 422.577. 148 Dialer / Maurer / Richter, Handbuch Europäisches Parlament, S. 122; siehe auch Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, S. 358. 149 Hofmann, Abwägung im Recht, S. 528.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

b) Beauftragung externer Experten Die zunehmende Nutzung parlamentseigener Folgenabschätzungen, die sich auf konkrete Rechtsetzungsvorhaben bezogen, begann damit, dass die Ausschüsse des Europäischen Parlaments den Sachverstand externer Fachleute in Anspruch nahmen. Seit 2006 bestand dank der Bereitstellung finanzieller Mittel für die Parlamentsausschüsse die Möglichkeit, externe Expertise einzuholen, um die Folgenabschätzungen der Kommission beurteilen zu lassen oder eigene Wirkungsanalysen durchzuführen150. Vor allem der Umweltausschuss des Parlaments greift regelmäßig auf Rahmenverträge mit Forschungseinrichtungen zurück, damit diese ihm in Form von „rapid impact assessments“ kurzfristig wissenschaftlichen Sachverstand liefern können.151 Neben klassischen Sachverständigenanhörungen nutzen die Ausschüsse des Europäischen Parlaments regelmäßig „Workshops“, um die Auswirkungen politischer Maßnahmen zu ermitteln.152 Im Rahmen dieser Veranstaltungen kommen neben Vertretern der Kommission auch Experten und Interessengruppen zu Wort. Während die Einsetzung solcher „Workshops“ dem fachlich zuständigen Parlamentsausschuss obliegt, kümmern sich um deren Organisation häufig wissenschaftliche Forschungseinrichtungen. Oftmals beziehen sich die „Workshops“ allgemein auf eine bestimmte politische Fragestellung, ohne durch ein konkretes Rechtsetzungsvorhaben dazu veranlasst worden zu sein. Aus diesem Grund sind sie nicht mit einer Folgenabschätzung im engeren Sinne gleichzusetzen, die die Auswirkungen eines bestimmten Legislativentwurfs zu ermitteln versucht. c) Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ Einen wesentlichen Fortschritt für die parlamentarische Verankerung von Folgenanalysen bedeutete die Einrichtung der Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ im Januar 2012. Sie geht zurück auf den „NieblerBericht“ vom 18. April 2011, in dem die gleichnamige Berichterstatterin den Aufbau eines integrierten Folgenabschätzungsprozesses unter dem Dach einer autonomen Struktur innerhalb des Europäischen Parlaments forderte.153 Der im Juni 2011 vom Europäischen Parlament angenommene Bericht veranlasste das Präsidium des Parlaments dazu, die Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer 150

Meuwese, Impact Assessment, S. 113; Peifer, Bessere Rechtsetzung, S. 148; Petermann /  Poetzsch, Akteure am Rande, S. 123. 151 Meuwese, Impact Assessment, S. 112; dies., in: Weatherill (Hrsg.), Better Regulation, S. 287 (295 f.); Petermann / Poetzsch, Akteure am Rande, S. 124. 152 Vgl. Europäisches Parlament, Workshop on How to support the internationalisation of SMEs and microenterprises, PE 595.347; dass., Workshop: Assessing the Commission’s Proposal on Carbon Capture and Storage, PE 404.908. 153 Europäisches Parlament, Entschließung vom 08. Juni 2011 zu der Gewährleistung unabhängiger Folgenabschätzungen, ABl. Nr. C 380 E vom 11.12.2012, 31, Ziff. 56 f.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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Mehrwert“ einzusetzen. Nachdem die Direktion zunächst der parlamentarischen Generaldirektion „Interne Politikbereiche der Union“ angegliedert war, wanderte sie im November 2013 in den Zuständigkeitsbereich der neuen Generaldirektion „Wissenschaftlicher Dienst“.154 Die Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ setzt sich aus insgesamt sechs Referaten zusammen. Im Hinblick auf Wirkungsanalysen zu Regelungsvorhaben sind die Referate „Ex-ante-Folgenabschätzungen“, „Ex-postBewertung“ und „Europäischer Mehrwert“ von besonderer Relevanz. Letzteres ermittelt auf der Grundlage des Konzepts der „Kosten des Nicht-Europas“ hinsichtlich verschiedener Politikbereiche den Gewinn für das Gemeinwohl und die wirtschaftlichen Vorteile, die durch gemeinsame Maßnahmen auf europäischer Ebene erreicht werden können. Im Rahmen von „European Added Value Assessments“ liefert das Referat den Parlamentsausschüssen Begründungsmaterial für Eigen­ initiativberichte gemäß Art. 225 AEUV.155 Die Aufgabe des Referates „Ex-post-Bewertung“ liegt in der Unterstützung der parlamentarischen Ausschüsse bei der Evaluierung von Unionsmaßnahmen. Es fertigt zu diesem Zweck insbesondere übersichtsartige „Implementation Appraisals“ und umfassende „European Implementation Assessments“ über die Umsetzung und Wirksamkeit von geltendem Unionsrecht an.156 Das Referat „Ex-ante-Folgenabschätzungen“ unterzieht alle Folgenabschätzungen der Kommission einer ersten Bewertung („Initial Appraisal of a European Commission Impact Assessment“), in deren Rahmen es den Inhalt der Folgen­ analyse zusammenfasst und ihre methodische Qualität in groben Zügen überprüft. Diese kurzen Bewertungen sollen dem Parlament die Möglichkeit geben, die Legislativentwürfe der Kommission besser überprüfen zu können. Sie zielen darauf ab, Hinweise auf regelungstechnische und inhaltliche Schwächen zu geben, Wider­ sprüche aufzudecken sowie Anknüpfungspunkte für weitere parlamentseigene folgenabschätzungsbezogene Arbeiten zu identifizieren.157 Auf Ersuchen eines Parlamentsausschusses untersucht das Referat detaillierter, ob die kommissionseigenen Folgenabschätzungen nachvollziehbar und politisch ausgewogen sind. Überdies erarbeitet es bei Bedarf zusätzliche bzw. ergänzende Folgenanalysen zu Aspekten eines Legislativvorschlags, die die Kommission in ihrem Abschätzungsbericht nicht oder nicht in ausreichendem Maße gewürdigt hat. Folgenabschätzungen zu wesentlichen Abänderungen an einem Legislativentwurf, die das Parlament im 154 Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for July 2014-December 2015, PE 558.790, S. 7. 155 Dialer / Maurer / Richter, Handbuch Europäisches Parlament, S. 122. 156 Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2016, PE 598.598, S. 31 f.; ebenso Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 35 f. 157 Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2016, PE 598.598, S. 16.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

Rechtsetzungsverfahren beschlossen hat, fallen ebenfalls in den Kompetenzbereich des Referats. Es führt diese Folgenabschätzungen jedoch nicht selbst durch, sondern vergibt sie an parlamentsexterne Fachleute, um eine größtmögliche politische Unabhängigkeit der Analysen zu gewährleisten. Die Entscheidung, ob es sich um eine wesentliche Änderung handelt und diese Gegenstand einer eigenen Folgenabschätzung sein soll, obliegt den zuständigen Parlamentsausschüssen.158 Die Direktion beschäftigte im Jahr 2016 in den beschriebenen Referaten sowie in der Einheit „Aufsicht über den Europäischen Rat“ insgesamt 52 Mitarbeiter sowie drei aus Mitgliedstaaten abgeordnete Experten.159 Mit der Einsetzung der Direktion verfolgte das Parlament ausdrücklich das Ziel, ein parlamentarisches Korrektiv zu den Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission zu schaffen.160 3. Parlamentarische Folgenabschätzungen als Gegengewicht Es gibt nicht wenige praktische Bedenken, die gegen Gesetzesfolgenabschätzungen im Allgemeinen und parlamentarische Wirkungsanalysen im Besonderen angeführt werden. Richtigerweise dürfen die Erwartungen an Gesetzesfolgen­ abschätzungen nicht zu hoch sein, denn es handelt sich um komplexe Prognosen, deren Genauigkeitsgrad von vielen Faktoren abhängig ist und daher sehr unterschiedlich ausfallen kann.161 Darüber hinaus gelten die hohe Kostenintensität162 sowie der Zeitbedarf163 als wesentliche Hindernisse, um regelmäßig Folgenanalysen zu Regelungsvorhaben durchzuführen. Damit einhergehend steht die Befürchtung im Raum, dass der Aufbau parlamentarischer Kompetenzen in der Folgenabschätzung einen administrativen Mehraufwand verursache, der in Bezug auf die Regie 158

Europäisches Parlament, Impact Assessment Handbook, 2017, Ziff. 16 f. Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2016, PE 598.598, S. 11; gegen Ende des Jahres 2017 ist die Mitarbeiterzahl offenbar auf 40 reduziert worden, so Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 12. 160 Dialer / Maurer / Richter, Handbuch Europäisches Parlament, S. 122; Europäisches Par­ lament, Ex-Ante Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for June 2012–June 2014, PE 536.372, S. 4. 161 Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 4; Köck, VerwArch 93 (2002), 1 (9 f.); Mader, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 245 (260); ebenfalls kritisch Bickenbach, Einschätzungsprärogative, S. 421 f.; allgemein zu den Grenzen der GFA Calliess, in: ders. u. a. (Hrsg.), FS Teubner, S. 465 (475); Nagel, SächsVbl. 2010, 105 (107 ff.); zur Komplexität der Wirkungsforschung Hoffmann-Riem, Innovation, S. 146 f. 162 Edinger, ZG 2004, 149 (157 f.); Karpen, Gesetzgebungslehre, S. 46; Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (869); Sicko, in: Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht, S. 199 (215 f.). 163 Brandner, NVwZ 2009, 211 (214); Ennuschat, DVBl. 2004, 986 (993); Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (230); Kretschmer, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 15 (22 f.); Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (869); Sicko, ZfRSoz 2011, 27 (36); Streinz, in: Heckmann (Hrsg.), GS Kopp, S. 248 (263); aus zeitlichen Gründen sieht Mann, in: Sachs, GG, Art. 76 Rn. 33 eine verpflichtende Bürokratiekostenmessung im Bundestag kritisch. 159

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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rungsvorlagen unnötige Doppelarbeit hervorrufe164. Dieser Mehraufwand werde zudem von den Abgeordneten nur geschätzt, wenn er nicht nur einen gesetzestechnischen, sondern auch einen politisch verwertbaren Ertrag produziere165. Während einerseits einzuräumen ist, dass der Informationsgewinn einer Folgenanalyse von Regelungsentwurf zu Regelungsentwurf variieren kann, geht es andererseits nicht darum, die Legislative zu befähigen, bei jedem Regelungsvorhaben eine umfassende Folgenabschätzung durchzuführen. Das Ziel sollte vielmehr sein, bei der Legislative Kompetenzen und Kapazitäten aufzubauen, die es ihr ermöglichen, im Bedarfsfall eigene Folgenanalysen anzufertigen und die von der Exekutive durchgeführten Untersuchungen kritisch hinterfragen und ergänzen zu können.166 Maßgeblich ist insofern, dass die Parlamente in der Lage sind, Folgenabschätzungsprozesse politisch zu steuern.167 Dem Einwand fehlender Zeit ist entgegenzuhalten, dass Verzögerungen durch die Regelung von Antrags- und Bearbeitungsfristen für die Durchführung von Folgenuntersuchungen vermieden werden könnten.168 Während die Technikfolgenabschätzung seit Ende der 1980-er Jahre sowohl auf europäischer als auch auf bundesdeutscher Ebene beim Parlament institutionalisiert ist, gilt das für die Gesetzesfolgenabschätzung nicht in gleichem Maße. Durch den Einsatz parlamentarischer Folgenabschätzungen könnte es vor allem gelingen, die wachsende Vorbereitungsmacht der Exekutive im Gesetzgebungsverfahren auszugleichen, um das verfassungsrechtlich vorausgesetzte Kräfteverhältnis zwischen den „Gewalten“ zu sichern. Als vorteilhaft erscheint auch die erhöhte Transparenz der Gesetzgebung, die mit parlamentarischen Folgenabschätzungen erzielt werden kann. Wenn das Parlament Grundlagen, Alternativen und Folgen politischer Entscheidungen samt den jeweiligen Vor- und Nachteilen herausarbeitet und thematisiert, kann es den kritischen Diskurs darüber sowohl im Parlament selbst als auch in der Öffentlichkeit stärken.169 Weiterhin wären die Parlamente 164 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 249; Hadamek, ZG 2001, 382 (384). 165 Edinger, ZG 2004, 149 (158); Funke, Bürokratieabbau, S. 68 sieht das als generelles Problem der GFA. 166 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 271; Karpen, ZRP 2002, 443 (446); ders., Gesetzgebungslehre, S. 44; Zeh, in: Grimm / Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie, S. 194 (206 f.); ebenfalls in diese Richtung argumentierend Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 3; kritisch hingegen Burghart, Pflicht zum guten Gesetz, S. 140, der in diesem Fall die Gefahr sieht, dass die Abgeordneten in die Abhängigkeit der „Parlamentsbürokratie“ geraten. 167 Wieckhorst, Grundrechtsschutz, S. 361; Zeh, in: Grimm / Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie, S. 194 (206); für eine Einbeziehung der Parlamente in den Prozess der Gesetzesfolgen­ abschätzung Brocker, in: Hof / Lübbe-Wolff (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht I, S. 35 (40 f.). 168 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 246; Hadamek, ZG 2001, 382 (383 f.). 169 Edinger, ZG 2004, 149 (159); Hadamek, ZG 2001, 382 (384); Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion, S. 450; ähnlich Kretschmer, in: Hellstern / Wollmann (Hrsg.), Handbuch Evaluierungsforschung, S. 405 (407).

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

dann imstande, ergänzend zu ermitteln, welche Auswirkungen die Änderungen an einem Rechtsetzungsvorschlag hervorrufen, die sich aus den parlamentarischen Beratungen selbst ergeben. Bislang beziehen sich sowohl im Bund als auch in der Union Folgenabschätzungen im Regelfall nur auf den ursprünglichen Entwurf eines Rechtsakts, nicht aber auf die letztendlich verabschiedete Fassung. Damit bleiben ggf. wesentliche Folgewirkungen einer beschlossenen Regelung unerkannt. Das dargestellte Engagement des Europäischen Parlaments im Bereich der Folgenabschätzung steht in der Betrachtung eines größeren Kontexts beispielhaft für die fortschreitende Parlamentarisierung in der EU170. Von einer marginalen Bedeutung in den Gründungsverträgen hat sich das Europäische Parlament zu einem gleichberechtigten Mitgesetzgeber neben dem Ministerrat entwickelt. Nicht zuletzt bedingt durch ein wachsendes Selbstbewusstsein hat das Parlament mehr noch als der Ministerrat die Notwendigkeit erkannt, über Ressourcen und Kompetenzen zu verfügen, um die Folgenanalysen der Kommission, die nicht selten einseitig ausfallen und die ökonomischen Aspekte in den Vordergrund stellen, kritisch überprüfen und beurteilen zu können. Die letztlich zu diesem Zweck eingerichtete Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ erfüllt diese Aufgabe, indem sie alle Folgenanalysen der Europäischen Kommission kursorisch überprüft und im Bedarfsfall eine ausführlichere Bewertung vornimmt.171 Das Hauptaugenmerk sollte zukünftig nicht nur darauf liegen, diese Kompetenzen auszubauen, sondern auch vermehrt parlamentseigene Folgenanalysen insbesondere zu Initiativen, die keine Folgenabschätzung der Kommission enthalten, zu betreiben. In Deutschland zeigt sich hingegen ein umgekehrtes Bild. Anders als das Europäische Parlament hat der Bundestag bislang keine Instrumente geschaffen, die einer zielgerichteten und umfassenden Kontrolle der Gesetzesfolgenabschätzungen der zuständigen Ministerien oder der systematischen Durchführung eigener Analysen von Gesetzesauswirkungen dienen172. Daraus resultiert der Befund, dass der Bundestag in der Gesetzesfolgenabschätzung und damit in der Debatte um eine „Verbesserung“ der Rechtsetzung insgesamt eine nahezu unbedeutende Rolle einnimmt. Um diesem entgegenzuwirken, sollte der Bundestag zum einen die Voraussetzungen dafür schaffen, die Regelungsentwürfe aus seiner Mitte einer prospektiven Gesetzesfolgenabschätzung unterziehen zu können. Zum anderen sollte er sich das Ziel setzen, die Gesetzentwürfe aus der Bundesministerialverwaltung mittels einer eigenen, begleitenden Wirkungsanalyse zu untersuchen. In deren Rahmen könnte er ggf. andere Schwerpunkte legen und Aspekte beleuchten, die in der 170 Die „Parlamentarisierung ist weit fortgeschritten“, so der Befund von Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 15 Rn. 20; ähnlich v. Bogdandy, AöR 130 (2005), 445 (454 f.); Puhl, in: HStR III, § 48 Rn. 13. 171 Siehe zu den in diesem Kontext geäußerten Kritikpunkten bezüglich der Kommissionsfolgenabschätzungen Europäisches Parlament, Impact Assessment and European Added Value, Activity Report for 2017, PE 615.642, S. 18 ff. 172 Gericke, Verrechtlichung, S. 301; Hoffmann-Riem, Innovation, S. 161; Kahl, in: Kluth /  Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 3; OECD, Better Regulation in Europe: Germany, S. 69.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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Gesetzesfolgenabschätzung des Ressorts keine Rolle gespielt haben. Dass dafür ein unmittelbarer Bedarf besteht, zeigt sich an der begrenzten Aussagekraft der meist knappen Folgenabschätzungen der Bundesministerien. Diese ermitteln häufig nur den kostenbezogenen Erfüllungsaufwand eines Gesetzentwurfs, ohne dessen Nutzen oder weitere mögliche Auswirkungen zu quantifizieren. Um den regierungsunabhängigen Sachverstand des Bundestages hinsichtlich der Gesetzesfolgenabschätzung allgemein zu stärken, stehen unterschiedliche Modelle zur Diskussion. Es werden in Anlehnung an die Technikfolgenabschätzung die Einrichtung eines „Büros für Gesetzesfolgenabschätzung“173 oder die Schaffung zuständiger Stellen im Wissenschaftlichen Dienst vorgeschlagen174. Darüber hinaus stellt es sich als erörterungsbedürftig heraus, ob die Einsetzung eines separaten „Querschnittsausschusses“ oder eines „Ausschusses für Gesetzgebung“175 der Arbeit in den Fachausschüssen vorzuziehen ist. Da die Gesetzesfolgenabschätzung eine Aufgabe des gesamten Parlaments und eng mit dem Gesetzgebungsverfahren verknüpft ist, sollten die Fachausschüsse und nicht einige wenige Abgeordnete in einem separaten Ausschuss diese wahrnehmen.176 Die Einsetzung einer Fachabteilung für Folgenanalysen innerhalb der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages wäre zwar mit zusätzlichem Personalbedarf verbunden, hätte aber den Vorteil, dass sich Abgeordnete und Fachausschüsse an politisch neutrale und gut ausgebildete Fachleute wenden könnten, um eigene oder fremde Regelungsentwürfe einer Folgenabschätzung zu unterziehen. In diesem Kontext sollte der Bundestag auch das Aktivierungsrecht für parlamentseigene Gesetzesfolgenabschätzungen regeln. Zu empfehlen wäre, einer qualifizierten Minderheit der Abgeordneten in einem Fachausschuss ein solches einzuräumen177, da es anderenfalls in den Händen der Ausschussmehrheit läge, die die Regierungskoalition repräsentiert, zusätzliche parlamentseigene Folgenanalysen zu Regierungsvorlagen regelmäßig als überflüssig einzustufen. Ein mit einem Minderheitenquorum versehenes Aktivierungsrecht würde die Opposition befähigen, Gesetzesfolgenabschätzungen als ein parlamentarisches Kontrollinstrument zu nutzen. Um unnötige Zeitverzögerungen und Doppelarbeit zu vermeiden, wäre es jedoch erforderlich, für zusätzliche parlamentarische Gesetzesfolgenabschätzungen vertretbare Gründe zu fordern. Wenn der Gesetzesinitiant bereits eine Folgen 173

Wagner, in: Jann u. a. (Hrsg.), FS Böhret, S. 411 (428); ders., ZRP 1999, 480 (486). Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 305 f.; Hellstern / Wollmann, ZParl 1980, 547 (560 f.); Hofmann, Abwägung im Recht, S. 447; Unkelbach, Institutiona­ lisierung der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 34 f.; Zeh, in: Hartwich (Hrsg.), Gesellschaftliche Probleme, S. 275 (283 f.); mit einem weiteren Ansatz Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (870). 175 Gericke, Verrechtlichung, S. 279 ff. 176 Bräunlein, Integration der Gesetzesfolgenabschätzung, S. 253 f.; Brocker, in: Bizer u. a. (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 133 (140); Bull, Die Verwaltung 2005, 285 (310 f.); Grimm, ZRP 2000, 87 (90); ders. / Brocker, ZG 1999, 58 (65); Karpen, ZRP 2002, 443 (446). 177 Kahl / Hilbert, JbUTR 100 (2009), S. 207 (229); Kretschmer, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 15 (27). 174

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

analyse betrieben hat, könnten beispielsweise bislang in der Gesetzesbegründung nicht beachtete Gesichtspunkte eine zusätzliche Wirkungsanalyse rechtfertigen.178 Generell dürfte es sich anbieten, die angesprochenen Anforderungen, Inhalte und Detailfragen der Gesetzesfolgenabschätzung in der Geschäftsordnung des Bundes­ tages zu regeln.

III. Alternative Strukturierung der Folgenabschätzungskontrolle Zur Erreichung des Ziels, die unmittelbar gesetzgebenden Organe stärker an der Folgenabschätzungskontrolle zu beteiligen, ist es in den meisten Fällen erforderlich, entsprechende Ressourcen und Kapazitäten auch bei den Parlamenten zu schaffen. Derartige institutionelle Doppelstrukturen auf Exekutiv- und Parlamentsebene sind jedoch weder effizient noch garantieren sie stets eine „bessere Rechtsetzung“, da es oftmals zu sich widersprechenden Beurteilungen kommen könnte. Die von der Bundesregierung und Europäischen Kommission genutzten Instrumente und Institutionen, die das Ziel verfolgen, Bürokratiekosten und Verwaltungsaufwand zu senken, provozieren auf diese Weise neuen „Bürokratie­aufwuchs“ in den Parlamentsverwaltungen, um dort ein Gegengewicht zum exekutiven Folgenabschätzungsmonopol zu schaffen. Die vom Europäischen Parlament eingesetzte Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ dient als Beleg für diese Entwicklung. Um den Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen generell zu begrenzen, erscheint es daher nicht nur aus rechtspolitischer, sondern auch aus verwaltungswissenschaftlicher Perspektive sinnvoll, die Legislative institutionell an der Folgenabschätzungskontrolle in ihrer bisherigen Form in verfassungsrechtlich zulässiger Art und Weise zu beteiligen. 1. Anbindung an den Bundestag Vor diesem Hintergrund böte es sich an, den Normenkontrollrat organisatorisch beim Bundestag anzusiedeln. Bereits in der Vergangenheit gab es Stimmen in diese Richtung, die beispielsweise ein „Legislativamt“179 beim Bundestag oder ein „parlamentarisches Amt für Gesetzgebung“180 empfahlen. In den Diskussionen zum Normenkontrollrat wurde vereinzelt ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine Anbindung an das Parlament möglich und vorzugswürdig gewesen wäre.181 Ins 178

Kretschmer, in: Karpen / Hof (Hrsg.), Wirkungsforschung zum Recht IV, S. 15 (27). Fricke, Modelle zur Institutionalisierung einer Gesetzeskontrolle, S. 106 ff. 180 Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (870). 181 Ähnlich Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 18 Rn. 248; Schröder, DÖV 2007, 45 (47); in diese Richtung auch Kirchhof, Allgemeinheit des Gesetzes, S. 293 f., der sich für eine Umwandlung des Normenkontrollrates in einen Gesetzgebungsrat ausspricht, welcher dem Parlament wie ein besonderer Wissenschaftlicher Dienst dienen sollte; vgl. ebenfalls Seckelmann, ZRP 2010, 179

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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besondere die jeweiligen Oppositionsfraktionen im Bundestag sprachen sich dafür aus, den Normenkontrollrat dem Parlament anzugliedern, damit dieser unabhängiger von der Bundesregierung und auch als Beratungsgremium der Legislative agieren könne.182 Eine Ansiedlung beim Bundestag könnte die verfassungsrechtlichen Bedenken, die es gegenüber der derzeitigen Ausgestaltung des Normenkontrollrates gibt183, teilweise überwinden. Insbesondere der Vorwurf der Entparlamentarisierung wäre dann nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Bundestag würde in die Lage versetzt werden, die Überprüfung der Folgenabschätzungen, die aus den Bundesministerien stammen, in seinem Einflussbereich zu organisieren. Er erhielte die Ressourcen und den Sachverstand, um die Gesetzesinitiativen der Bundesregierung hinsichtlich ihrer Auswirkungen kontrollieren und sachlich beurteilen zu können. Ein weiterer Vorteil bestünde darin, dass die Abgeordneten den Normenkontrollrat nicht mehr als Teil der Bundesregierung ansähen. Zum einen könnten dadurch die Stellungnahmen des Normenkontrollrates in den parlamentarischen Beratungen an Bedeutung und Akzeptanz gewinnen. Zum anderen ist es wahrscheinlich, dass mehr Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages dem Normenkontrollrat vorgelegt würden. Verfassungsrechtlich wäre es dann ggf. auch möglich, die Abgeordneten und Fraktionen zu verpflichten, ihre Gesetzentwürfe dem Normenkontrollrat zur beratenden Überprüfung zuzuleiten.184 Denn das größte Hindernis für eine obligatorische Überprüfung von Bundestagsvorlagen ist in rechtlicher Hinsicht bislang, dass der Normenkontrollrat in seiner derzeitigen Strukturierung vor allem ein Hilfsorgan der Bundesregierung darstellt. Außerdem könnte ein beim Bundestag ansässiger Normenkontrollrat die Gesetzentwürfe des Bundes­ rates auf Folgekosten überprüfen. Da der Bundesrat sein Initiativrecht nach Art. 76 Abs. 1 GG bereits ausgeübt hat, wenn seine Vorlage den Bundestag erreicht, kann er verfassungsrechtlich nichts dagegen einwenden, dass ein Expertengremium vor oder im Rahmen der parlamentarischen Beratungen die potenziellen Wirkungen seines Entwurfs untersucht. Voraussetzung für die vorgezeichnete Entwicklung wäre allerdings, dass die politische und gesetzliche Konzeption des Normenkontrollrates als Beratungsorgan der Bundesregierung gemäß § 1 Abs. 2 NKRG geändert würde. Statt der Bundes213 (215) mit dem Hinweis, dass in der Schweiz die Evaluationskompetenz gemäß Art. 170 der Bundesverfassung dem Parlament zusteht; einen anderen Ansatz befürwortend Brenner, in: Röttgen / Vogel (Hrsg.), Bürokratiekostenabbau, S. 168 (178), der vorschlägt, parallel zum Normenkontrollrat einen „Bürokratiekosten-TÜV“ für Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages bei der Bundestagsverwaltung einzurichten. 182 So der Änderungsantrag der FDP-Fraktion in den Ausschussberatungen zum NKRG (BT-Drs. 16/1665, S. 8 f.); ebenso der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in dem sie forderte, „eine Kopplung“ des Normenkontrollrates an den Bundestag zu prüfen (BT-Drs. 18/4693, S. 3). 183 Näher dazu unter Kap. 1, C. IV. 2. c)–e). 184 Siehe dazu unter Kap. 1, C. V. 1.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

regierung müsste der Bundestag das Auswahlrecht für die Berufung der Mitglieder erhalten. Ebenso müsste das NKRG ihm die organisatorischen Einflussrechte auf das Gremium wie etwa die Aufsichtsbefugnis einräumen. Konkret könnte die Angliederung bei der Bundestagsverwaltung bzw. beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erfolgen. Diese Stellen verfügen zum Teil über entsprechenden Sachverstand und leisten bereits organisatorische wie inhaltliche Zuarbeit für die parlamentarischen Gesetzesberatungen. Die Bundesregierung könnte der beschriebenen Ausgestaltung nicht entgegenhalten, dass es unzulässig sei, wenn ein der Legislative angegliedertes Gremium ihre Gesetzentwürfe überprüfen würde. Eine entsprechende Kontrollfunktion stellt gerade eine der verfassungsrechtlichen Kernaufgaben des Parlaments dar185. Allein den Zeitpunkt, zu dem ein beim Bundestag angesiedeltes Gremium die Gesetzentwürfe auf Folgekostenabschätzungen überprüft, müsste der Gesetzgeber überdenken. Vor dem Hintergrund der Organisationsgewalt und des Gesetzesinitiativrechts der Regierung wäre es nicht unbedenklich, wenn ein externes Gremium, auf dessen Zustandekommen und Verfahren die Bundesregierung dann ggf. keinen Einfluss mehr hätte, die Regelungsentwürfe der Bundesregierung kontrollieren könnte, bevor das Bundeskabinett abschließend über diese entschieden hat.186 Erst wenn die Bundesregierung ihr Initiativrecht gemäß Art. 76 Abs. 1 GG förmlich ausgeübt und ihre Vorlage nach Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG auf den Weg zum Bundesrat gebracht hat, ist die Möglichkeit einer externen Kontrolle eröffnet. Ein Nachteil dieser notwendigen Abweichung vom bisherigen Mandat des Normenkontrollrates wäre die Folge, dass die Bundesregierung anders als bisher auf kritische Anmerkungen des Kontrollgremiums nicht mehr ohne weiteres durch Änderung ihrer Regelungsentwürfe reagieren könnte. Spätestens mit der Einbringung in den Bundestag, die nach der frühzeitigen Beteiligung des Bundesrates gemäß Art. 76 Abs. 2 GG erfolgt, verliert die Bundesregierung das Recht, ihren Gesetzentwurf zu ändern.187 Der Hauptzweck der Stellungnahmen des Kontrollgremiums, den Parlamentariern mehr Informationen über die methodische Nachvollziehbarkeit der Kostenfolgendarstellungen eines Gesetzentwurfs an die Hand zu geben, bliebe jedoch weiterhin uneingeschränkt erreichbar.

185

BVerfGE 67, 100 (130); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 51; Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (865 f.). 186 Zu den diesbezüglichen Bedenken bereits zum jetzigen Mandat des Normenkontrollrates vgl. Linke, JZ 2016, 1081 (1083 ff.). 187 Dietlein, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 76 Rn. 10; Kersten, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 76 Rn. 58; Mann, in: Sachs, GG, Art. 76 Rn. 36; Masing / Risse, in: v. Mangoldt u. a., GG, Art. 76 Rn. 81.

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

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2. Alternativ besetztes Kontrollgremium auf Unionsebene Dass das Europäische Parlament derzeit eine eigene Überprüfung der von der Kommission durchgeführten Folgenabschätzungen für notwendig erachtet, offenbart das dort gehegte Misstrauen gegenüber der Kontrolltätigkeit des Ausschusses für Regulierungskontrolle. Insbesondere die Entscheidung, den Ausschuss mehrheitlich mit langjährigen Kommissionsbeamten zu besetzen, erwies sich in diesem Zusammenhang als hinderlich. Sie hat bei den anderen am Gesetzgebungsprozess beteiligten Unionsorganen die Annahme bestärkt, dass der Ausschuss gegenüber den Kommissionsdienststellen loyal agiere. Um ihn zu einem Kontrollorgan zu entwickeln, das tatsächlich in Distanz zu den Interessen der Kommission deren Folgenabschätzungen überprüft, bedarf es folglich einer stärkeren Einbindung des Parlaments sowie des Rates188. In Betracht käme eine Besetzung des Kontrollausschusses mit ausschließlich unabhängigen externen Experten189, deren Auswahl Kommission, Parlament und Rat gemeinsam obläge190. Alternativ wäre eine paritätische Zusammensetzung des Ausschusses aus Mitgliedern des Parlaments, des Rates sowie der Kommission denkbar.191 a) Extern besetztes Kontrollgremium Parallel zum deutschen Normenkontrollrat könnte erwogen werden, auf Unionsebene ein Kontrollgremium einzusetzen, das sich ausschließlich aus externen Fachleuten zusammensetzt, die keinem Unionsorgan angehören, und im Int­eresse aller am Rechtsetzungsprozess beteiligter Organe agiert192. Der Schwerpunkt eines solchen Gremiums könnte darin liegen, nicht nur die Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission, sondern auch diejenigen des Parlaments und des Ministerrates zu überprüfen. Im Zuge der Verhandlungen hinsichtlich einer neuen „Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung“ im Jahr 2016 konnten die Organe diesbezüglich bislang jedoch keine Einigkeit erzielen. Den Maßstab für die rechtliche Zulässigkeit eines Kontrollgremiums, das sich nicht mehrheitlich 188

Ähnlich Kahl / Hilbert, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, S. 399 (412 f.). Schroeder, ZG 2016, 193 (203). 190 In diese Richtung geht der Vorschlag des Europäischen Parlaments, Entschließung vom 27. November 2014 zu der Überarbeitung der Leitlinien der Kommission zur Folgenabschätzung und der Rolle des KMU-Tests, ABl. Nr. C 289 vom 09.08.2016, 53, Ziff. 21. 191 Meuwese, EJRR 3/2015, 359 (360); ähnlich Gündisch / Mathijsen, Rechtsetzung und Interessenvertretung, S. 213, die sich für eine „Gesetzgebungs-Kontrollstelle“ aussprechen, die sich aus Vertretern der Kommission, des Rates, des Parlaments sowie der Mitgliedstaaten zusammensetzt. 192 So wiederholt die Forderung aus dem Europäischen Parlament, Entschließung vom 27. November 2014 zu der Überarbeitung der Leitlinien der Kommission zur Folgenabschätzung und der Rolle des KMU-Tests, ABl. Nr. C 289 vom 09.08.2016, 53, Ziff. 21; dass., Entschließung vom 12. April 2016 zu der Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung, P8_TA(2016)0104, Ziff. 29. 189

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

aus Kommissionsbeamten zusammensetzt, bildet insbesondere das Initiativrecht der Kommission nach Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV und Art. 294 Abs. 2 AEUV. Bedenken bestehen dahingehend, dass die Kommission unter Rechtfertigungsdruck geraten könnte, wenn sie von der begründeten Einschätzung eines Expertengremiums zur Folgenabschätzung abwiche.193 Die Kommission hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie die Einbeziehung externer Stellen in den Folgenabschätzungsprozess als unionsrechtswidrig betrachte, da dies nicht mit ihrem eigenen Initiativrecht vereinbar sei.194 Gestützt werden könnte diese Argumentation durch ein neueres Urteil des EuG aus dem Jahr 2015. In diesem betonte das Gericht, dass das Initiativrecht vor jeglichem Einfluss öffentlicher oder privater Interessen geschützt werden müsse, die darauf gerichtet seien, die Kommission außerhalb der organisierten Konsultation dazu zu bewegen, eine politische Initiative zu verabschieden, zu verändern oder gar aufzugeben.195 Nach der Durchführung einer Folgenabschätzung müsse die Kommission in der Lage sein, auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse, in voller Unabhängigkeit, im allgemeinen Interesse und ohne Druck von außen oder Einflussnahme Dritter über die vorgeschlagenen politischen Initiativen zu entscheiden.196 Zielrichtung des Urteils war es, die politische Willensbildung innerhalb der Kommission vor dem einseitigen Einfluss von Interessengruppen zu schützen. Die Beteiligung unabhängiger externer Stellen an der Kontrolle der Folgenabschätzungen liefe jedoch nicht auf eine unmittelbare politische Einflussnahme, sondern auf die Bewertung der Notwendigkeit und Wirksamkeit verschiedener Regelungsmöglichkeiten hinaus. Mögen solche Bewertungen auch nicht frei von politischen Tendenzen sein, im Kern geht es um eine möglichst neutrale Kontrolle der Folgenabschätzungen, die nicht darauf abzielt, über den Inhalt eines Legislativvorschlags zu entscheiden. Externe Kontrolle ist eine zielführende Reaktion auf die Gefahr, dass die von unmittelbar Beteiligten selbst vorgenommenen Analysen nicht objektiv sind. Da die Folgenabschätzung einen Teil der Vorbereitung eines Legislativakts darstellt, aber noch nicht zum förmlichen Gesetzgebungsverfahren gehört, wäre die Partizipation eines kommissionsextern und unabhängig besetzten Gremiums daran rechtlich möglich.197 Um eine unvoreingenommene Kontrolle zu gewährleisten, erschiene es rechtspolitisch vorzugswürdig, Parlament, Rat und Kommission ein gemeinsames Auswahlrecht für die externen Experten zu übertragen. Ausgeschlossen wäre dadurch, dass allein ein Organ durch die personelle Besetzung des Gremiums dessen Arbeit in eine bestimmte inhaltliche Richtung lenken könnte. Die Entscheidung, wie das 193 Lund, VR 2011, 87 (89), der sich aber auf die Frage bezieht, ob bereits die Erstellung der Folgenabschätzung an externe Stellen ausgelagert werden sollte. 194 Europäische Kommission, Regulatorische Eignung, COM(2012) 746 final, S. 7; dies., Intelligente Regulierung, KOM(2010) 543 endg., S. 7. 195 EuG, Rs. T-424/14 und T-425/14 (ClientEarth / Kommission), ECLI:EU:T:2015:848 Rn. 95. 196 EuG, Rs. T-424/14 und T-425/14 (ClientEarth / Kommission), ECLI:EU:T:2015:848 Rn. 94. 197 Schroeder, ZG 2016, 193 (204); ders., ZÖR 2013, 225 (242).

C. Auswirkungen auf die inhaltliche Programmierung der Gesetzgebung 

353

Ergebnis der Folgenabschätzung und deren Bewertung in den politischen Willensbildungsprozess einfließen, muss jedoch aus rechtlichen Gründen zunächst allein der Kommission und im weiteren Gesetzgebungsverfahren Parlament und Ministerrat obliegen. Um dieses politische Letztentscheidungsrecht der Unionsgesetzgeber gemäß Art. 289 Abs. 1 S. 1 AEUV zu schützen, wäre es auch rechtlich unzulässig, den Beurteilungen, die ein extern besetzter Ausschuss abgibt, bindende Wirkungen zuzusprechen. Ein Expertengremium dürfte ausschließlich beratende Funktionen haben und die Kommission nicht daran hindern, einen Legislativentwurf trotz mangelhafter Folgenabschätzung in das Gesetzgebungsverfahren zu geben. b) Paritätisch besetztes Kontrollgremium Als weitere Möglichkeit, um eine Kontrollstelle zu etablieren, die in größerer Distanz zur Europäischen Kommission deren Wirkungsanalysen überprüft, böte sich eine paritätische Besetzung des Ausschusses an. Kommission, Ministerrat und Parlament könnten beispielsweise jeweils drei Vertreter in das Gremium entsenden. Der Vorsitz würde zwischen den Vertretern der drei Unionsorgane turnusmäßig rotieren. Im Gegensatz zur jetzigen Einschaltung des Ausschusses für Regulierungs­ kontrolle, die bereits im kommissionsinternen Vorbereitungsverfahren erfolgt, müsste der Zeitpunkt der Überprüfung durch ein paritätisch besetztes Kontrollgremium jedoch überdacht werden. Vor dem Hintergrund des Initiativrechts aus Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV, Art. 294 Abs. 2 AEUV ist zu gewährleisten, dass der kommissionsinterne Willensbildungsprozess vor politischer Einflussnahme anderer Unionsorgane geschützt wird. Es ist der Eindruck zu vermeiden, als könnten Parlament und Rat die politischen Entscheidungen innerhalb der Kommission mittelbar steuern und dadurch deren Unabhängigkeit gemäß Art. 17 Abs. 3 UAbs. 3 EUV in Frage stellen. Das ließe sich dadurch erreichen, dass die Überprüfung der Folgenabschätzung erst stattfindet, wenn die Kommission auf der Grundlage ihrer Folgenabschätzungsanalysen einen Legislativvorschlag erarbeitet und somit ihr Initiativrecht faktisch ausgeübt hat. Der dazugehörige Folgenabschätzungsbericht könnte dann vor der Zuleitung an das Parlament und den Rat dem Kontrollgremium vorgelegt werden. Die Kommission müsste als Initiatorin vor der Befassung des Parlaments und Rats mit dem Legislativvorschlag die Gelegenheit erhalten, auf die Stellungnahme des Gremiums zu reagieren und ihren Vorschlag ggf. anzupassen. Beurteilungen, die das Kontrollgremium trifft, dürften jedoch nicht im Sinne einer Vetofunktion dazu führen, dass die Unionsgesetzgeber daran gehindert wären, frei über einen vorgeschlagenen Rechtsakt zu entscheiden. Einem neunköpfigen Ausschuss fehlt die erforderliche demokratische Repräsentationsbefugnis, um abseits von den vertraglich normierten Entscheidungsprozessen letztverbindlich darüber zu urteilen, ob eine Folgenabschätzung als Grundlage für einen gesetzgeberischen Beschluss ausreicht. Um verbindliche Mitwirkungsrechte im Gesetz-

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

gebungsprozess zu erhalten, bedürfte ein entsprechendes Gremium zudem einer primärrechtlichen Regelung. Abschließend wäre die bisherige beim Ausschuss vorzufindende Anbindung an das Generalsekretariat der Kommission zu hinterfragen, da diese organisatorische Anknüpfung Einflussrechte der Kommission suggeriert. Vorzugswürdig erscheint eine Anbindung an das Europäische Parlament, um zu signalisieren, dass die Kontrolle von Folgenabschätzungen in erster Linie eine parlamentarische Angelegenheit darstellt.

D. Perspektiven Der Befund, dass „unabhängige“ Gremien im Rahmen der Folgenabschätzungskontrolle jedenfalls insofern einen Beitrag zur „Verbesserung“ der Rechtsetzung leisten können, als sie die Gesetzesverfasser in der Exekutive dazu veranlassen, sich mit bestimmten Auswirkungen ihrer Rechtsetzungsvorschläge näher ausein­ anderzusetzen, dürfte unstrittig sein. Weniger eindeutig zu beantworten ist die Frage, wie es perspektivisch mit den untersuchten Institutionen und dem Konzept, auf dem unabhängige Folgenabschätzungsgremien generell beruhen, weitergehen wird.

I. Zukunft der Institutionen Die Zukunft der in dieser Arbeit beleuchteten Institutionen dürfte davon abhängen, ob sich Kontrollgremien, die Gesetzesfolgenabschätzungen überprüfen, in der deutschen und europäischen Politiklandschaft langfristig etablieren oder nur eine vorübergehende Erscheinung bleiben. Hinweise auf die Zukunftsfähigkeit könnten sich u. a. aus dem Befund ergeben, dass andere Staaten oder föderale Gliederungsebenen das Konzept unabhängiger Gremien zur Folgenabschätzungskontrolle übernehmen. 1. Entwicklung in Deutschland und der Europäischen Union Der Nationale Normenkontrollrat gilt trotz der dargestellten Bedenken in Bezug auf seine politische und rechtliche Stellung als Erfolgsmodell.198 Das belegen nicht zuletzt die Diskussionen in den Bundesländern, ob die Einsetzung von Normen 198

Bach / Jantz / Veit, in: Blanke u. a. (Hrsg.), Verwaltungsreform, S. 527 (534); Biermann, Verwaltungsmodernisierung, S. 282 f.; Jann / Wegrich / Jantz / Veit, Bürokratieabbau für Bürger, S. 7; Krings, ZG 2009, 237 (241); Mihm, FAZ Nr. 108 v. 11.05.2009, S. 11; Veit, Bessere Gesetze, S. 81; in dieselbe Richtung, aber vorsichtiger Bogumil / Jann, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft, S. 227 f.; kritisch Franz, Verwaltungswissenschaft, S. 509.

D. Perspektiven

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kontrollräten auch dort sinnvoll wäre.199 Bereits seit 2007 existiert ein Saarländischer Kontrollrat für Bürokratiekosten, der regierungsextern bei der saarländischen IHK verortet ist.200 Er setzt sich aus insgesamt fünf Vertretern der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer des Saarlandes zusammen und überprüft im Rahmen des externen Anhörungsverfahrens Gesetz- und Verordnungsentwürfe der Landesregierung, die Bürokratiekosten nach dem Standardkosten-Modell für Betriebe im Saarland neu begründen oder erhöhen. Verpflichtend ist die Beteiligung des Saarländischen Kontrollrates nur unter den Voraussetzungen, dass der Entwurf mit Bürokratiekosten von mindestens 10.000 Euro einhergeht und der Ministerpräsident keine vorherige Befassung des Ministerrats mit der Angelegenheit anordnet.201 Das Bundesland Sachsen ist diesen Schritt ebenfalls gegangen und hat am 03. Juli 2014 auf gesetzlicher Grundlage den Sächsischen Normenkontrollrat errichtet, der aus sechs verwaltungsexternen Mitgliedern besteht und sich bezüglich Aufgaben sowie Stellung eng an den Normenkontrollrat auf Bundesebene anlehnt.202 Im Gegensatz zu diesem ist er allerdings nicht an der Regierungsspitze, sondern beim sächsischen Staatsministerium der Justiz angesiedelt. Die grün-schwarze baden-württembergische Landesregierung beschloss im September 2017 ebenfalls die Einsetzung eines eigenen, aus sechs regierungsexternen Mitgliedern zusammengesetzten Normenkontrollrates. Zuvor gab es innerhalb der Regierungskoalition aus Grünen und CDU Diskussionen über die mit dem neuen Gremium verbundenen Kosten, die mit rund einer Mio. Euro jährlich angesetzt wurden.203 Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg ist Bestandteil des dortigen „Regierungsprogramms für Bürokratievermeidung, Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ und orientiert sich in seiner Funktion und Wirkungsweise ebenfalls maßgeblich am Nationalen Normenkontrollrat. Im Unterschied zu diesem beruht er aber nicht auf einem Gesetz, sondern lediglich auf einer Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und damit auf exekutivem Binnenrecht204. Zudem ist er anders als der Nationale Normenkontrollrat auch an der Nachhaltigkeitsprüfung neuer Rechtsvorschriften beteiligt. Bestrebungen in Richtung eines Normenkontrollrates 199

Vgl. Große-Sender / Schönenbroicher, ZG 2014, 367 ff.; Pilz, DÖV 2016, 385 ff. Jock (Hrsg.), Aktivitäten auf dem Gebiet der Staats- und Verwaltungsmodernisierung 2006/2007, S. 398. 201 Siehe § 11 Abs. 2 S. 3 Geschäftsordnung der Regierung des Saarlandes (GOReg) vom 15. Februar 2005, SL ABl. I 2005, S. 504, zuletzt geändert am 09. Mai 2012, SL ABl. I 2012, S. 132. 202 Siehe Sächsisches Normenkontrollratsgesetz vom 03. Juli 2014, SächsGVBl. 2014, S. 384, zuletzt geändert am 09. Juni 2017, SächsGVBl. 2017, S. 322; dazu Große-Sender / Schönenbroicher, ZG 2014, 367 (369 f.). 203 Dazu der Bericht von Roland Muschel vom 01. September 2017 in Südwest Presse Online https://www.swp.de/suedwesten/landespolitik/streit-um-neues-kontrollgremium-23633473.html (letzter Zugriff: 28.02.2018). 204 Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien für den Normenkontrollrat Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2017, ABl. Kultus und Unterricht 2018, S. 51. 200

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

gibt es zurzeit auch in Thüringen205 sowie in Nordrhein-Westfalen, wo die 2017 gewählte schwarz-gelbe Landesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart hat, einen Normenkontrollrat als „Bürokratie-TÜV“ einzuführen206. Auf Bundesebene kann die Stellung des Normenkontrollrates nach über 10-jähriger Bestehenszeit als gefestigt angesehen werden. Existenzielle Gefahr könnte ihm nur drohen, wenn sich eine politisch im linken Spektrum stehende Bundesregierung mit einer entsprechenden parlamentarischen Mehrheit konstituieren würde, da von dieser Seite bislang die stärkste politische Kritik am Konzept des Normenkontrollrates geübt wurde.207 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es zu einer weiteren Mandatsausdehnung des Rates kommt. Diese dürfte sich in erster Linie auf den Prüfungsumfang auswirken und die Frage nach der konzeptionellen Grundidee neu aufwerfen. Nicht zu erwarten ist, dass der Gesetzgeber den Normenkontrollrat auflöst, sobald Methoden und Prozesse der Gesetzesfolgenabschätzung ausgereift sind und kontinuierlich zur Anwendung gelangen.208 Unabhängig davon, dass das Erreichen eines solchen Zustands nicht absehbar ist, liegt es näher, dass sich zuvor weitere Aufgaben für den Normenkontrollrat finden lassen. Demgegenüber sind Aussagen über die zukünftige Ausgestaltung des Ausschusses für Regulierungskontrolle mit größerer Unsicherheit behaftet. Da er erst seit 2015 besteht und sich das personelle Besetzungsverfahren verzögert hat, blieb ihm bislang vergleichsweise wenig Zeit, um sich als unabhängiger „Qualitätskontrolleur“ zu etablieren. Seine Zukunft hängt nicht zuletzt von der Zusammensetzung der nächsten Europäischen Kommission und deren politischen Vorstellungen von „besserer“ Rechtsetzung ab. Von einer Ausdehnung der Prüfungsbefugnisse bis hin zu einer Beschränkung des Mandats ist vieles denkbar. Zu erwarten ist jedoch, dass das Gremium grundsätzlich bestehen bleibt, weil die Folgenabschätzungskontrolle mittlerweile einen wesentlichen Teil des Konzepts „besserer“ Rechtsetzung in der Kommission darstellt. Ob die Forderung nach einer ausschließlichen Besetzung mit externen Experten aufgegriffen wird, ist angesichts der damit verbundenen Schwächung der Einflussmöglichkeiten der Kommission aber fraglich.

205

Vgl. Pilz, DÖV 2016, 385 (386). CDU / FDP, Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen 2017–2022, S. 32; dazu auch Seckelmann, Evaluation und Recht, S. 182. 207 Vgl. z. B. die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu den Auswirkungen des Vorhabens Bürokratieabbau und Normenkontrollrat auf soziale und ökologische Standards, BT-Drs. 16/1823. 208 So aber Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (102 f.). 206

D. Perspektiven

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2. Entwicklung in anderen europäischen Ländern Dass unabhängige Institutionen, die sich mit Folgenabschätzungen und weiteren Aspekten „besserer“ Rechtsetzung kontrollierend und beratend auseinandersetzen, nicht auf Deutschland und die EU begrenzt sind, zeigt sich an der Anzahl der entsprechenden Gremien, die in den letzten Jahren in verschiedenen Staaten Europas eingesetzt wurden. Neben dem niederländischen ACTAL (seit 2000, ersetzt durch ATR im Jahr 2017), das bereits Pate für die Einsetzung des Normenkontrollrates stand, sind in dieser Reihe das schwedische Regelrådet (Swedish Better Regulation Council, seit 2008), das britische Regulatory Policy Committee (seit 2009), das tschechische Komise pro hodnocení dopadů regulace (Regulatory Impact Assessment Board, seit 2011), das finnische Lainsäädännön arviointineuvosto (Finnish Council of Regulatory Impact Analysis, seit 2015) sowie das norwegische Regelrådet (Norwegian Better Regulation Council, seit 2016) zu nennen. Die aufgezählten nationalen Gremien haben sich unter Mitwirkung des Normenkontrollrates zu dem 2014 gegründeten informellen Netzwerk „RegWatchEurope“ zusammengeschlossen.209 Es dient dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch in Fragen „besserer“ Rechtsetzung, der Senkung gesetzlicher Folgekosten und methodischer Ansätze, um diese Ziele zu erreichen. Zudem tritt das Netzwerk regelmäßig in Kontakt mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, um Kostenbelastungen durch Unionsregelungen zu vermeiden und auf die konsequente Einhaltung der Prinzipien „besserer“ Rechtsetzung auf europäischer Ebene hinzuwirken. Obwohl sich ihre Aufgaben und Mandate im Einzelnen unterscheiden, sind alle Gremien in die Prüfung neuer Regelungsvorhaben eingebunden.210 Auch das Charakteristikum der Unabhängigkeit von Regierung und Parlament prägt die rechtliche Stellung der meisten von ihnen. Die Entwicklung, dass in den letzten Jahren immer mehr Staaten entsprechende Kontrollinstanzen eingesetzt haben, belegt, dass sich der vor allem von der OECD angestoßene internationale Trend zur organisatorischen Institutionalisierung von Maßnahmen im Hinblick auf Gesetzesfolgenabschätzungen fortsetzt und vermutlich noch einige Zeit andauern wird. So debattiert beispielsweise auch Frankreich darüber, ein vergleichbares Gremium einzurichten.211

II. Weiterentwicklung von Konzept und Methodik Die Wirksamkeit einer institutionalisierten Folgenabschätzungskontrolle hängt maßgeblich von dem methodischen und inhaltlichen Konzept ab, das der Überprüfung der folgenabschätzenden Darstellungen eines Regelungsentwurfs zugrunde 209

Vgl. Busse / Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 76; NKR, Jahresbericht 2016, S. 77. 210 NKR, Jahresbericht 2015, S. 59. 211 NKR, Jahresbericht 2015, S. 60.

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

liegt. Der Normenkontrollrat hat durch die Erweiterung seines Mandats um den Erfüllungsaufwand und die in § 4 Abs. 2 NKRG genannten Aspekte einer Gesetzesfolgenabschätzung bereits eine erhebliche Weiterentwicklung seines ursprünglichen Auftrages erfahren. Daran anschließend wird gefordert, in Anknüpfung an das erreichte 25 %-Ziel zur Reduzierung der Bürokratiekosten ein neues, quantitatives Abbauziel für den Erfüllungsaufwand festzulegen.212 Befürworter erhoffen sich davon, die politische Aufmerksamkeit und den notwendigen Druck zu erzeugen, um das Thema „Bürokratieabbau“ auf der Tagesordnung zu halten.213 Gleichzeitig soll es von der Entwicklung ablenken, dass seit der Umstellung auf den Erfüllungsaufwand und dem damit verbundenen teilweisen Abschied von der einfachen SKM-Methodik die Durchschlagskraft des Konzepts nachgelassen hat214. Unabhängig davon, dass aufgrund der nahezu unmöglichen Bestandsmessung des Erfüllungsaufwands eine belastbare Ausgangsgröße fehlt und methodische Fragen offen bleiben215, erweist sich ein Abbauziel als fragwürdig, da es einen immensen Steuerungsaufwand in der Ministerialverwaltung zur Dokumentation der Abbaumaßnahmen bedeutet und kostenintensive, aber nützliche politische Vorhaben schwieriger umsetzbar macht. Darüber hinaus werden vereinzelt immer wieder verschiedene Elemente der Gesetzesfolgenabschätzung in die Debatte eingebracht, um die das Prüfmandat des Normenkontrollrates ergänzt werden könnte. Dazu zählen die Nachhaltigkeits­ prüfung216, die Ex-post-Evaluation von Gesetzen217, die Abschätzung des Nutzens eines Regelungsentwurfs218 sowie generell die Gesetzesfolgenabschätzung in ihrer 212

So Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (262 ff.); Färber, in: Montoro Chiner /  Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (101); NKR, Jahresbericht 2013, S. 67; so auch bereits CDU / CSU / FDP, Koalitionsvertrag 17. Legislaturperiode, S. 16, allerdings ohne dieser Ankündigung Taten folgen zu lassen; für ein neues Abbauziel in Bezug auf die Bürokratiekosten Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 10. 213 Böllhoff, in: Döhler u. a., FS Jann, S. 251 (262). 214 Vgl. Färber, in: Montoro Chiner / Sommermann (Hrsg.), Gute Rechtsetzung, S. 87 (101 f.); Wegrich, in: Kropp / Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise, S. 285 (299). 215 Es müsste u. a. geklärt werden, ob ein prozentuales Abbauziel oder eine absolute Abbaugröße formuliert und ob allein die Entlastung der Wirtschaft oder auch die Entlastung von öffentlicher Verwaltung und Bürgern angerechnet werden, siehe dazu Böllhoff, in: Döhler u. a. (Hrsg.), FS Jann, S. 251 (263 f.). 216 Ausdrücklich Frick, Stellungnahme, BT-Ausschussdrs. 17(9)174, S. 8; Hahn, Umweltund zukunftsverträgliche Entscheidungsfindung, S. 330; Jacob / Veit / Hertin, Gestaltung einer Nachhaltigkeitsprüfung, S. 72; Krings, ZG 2009, 237 (242); Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung, S. 603 f.; für einen am Normenkontrollrat ausgerichteten Nachhaltigkeitskontrollrat Calliess, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit, S. 275 (290). 217 Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 14 f.; siehe auch Böllhoff, in: Döhler u. a., FS Jann, S. 251 (264 ff.). Ein vom Normenkontrollrat in Auftrag gegebenes Gutachten empfiehlt, dass analog zu den Erfahrungen anderer Länder der Normenkontrollrat die externe Qualitäts­ sicherung von Ex-post-Evaluierungen übernehmen könnte, siehe Prognos, Gutachten zur Durchführung von Ex-post-Evaluierungen, S. 87. 218 Kroker / Bardt, IW policy paper 12/2016, S. 11 f.; vgl. auch Busse / Hofmann, Bundeskanzler­ amt und Bundesregierung, Kap. 5 Rn. 77; Wittberg / Kluge / Ley / Wolf-Hegerbekermeier / Dietsche / 

D. Perspektiven

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Gesamtheit219. Da die Einbeziehung der gesamten Gesetzesfolgenabschätzung in das Mandat die jetzigen personellen und sachlichen Kapazitäten des Rates übersteigen würde, liegt es näher, zunächst ausgewählte weitere Elemente einer Folgenabschätzung aufzunehmen. Gegen die Erweiterung des Mandats um die Nachhaltigkeitsprüfung spricht, dass mit dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung bereits ein Gremium existiert, dem die Bewertung der Nachhaltigkeitsprüfung der Bundesregierung obliegt220. Eine Doppelkontrolle gilt es unter Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten zu vermeiden, weil aus der möglicherweise unterschiedlichen Beurteilung von Nachhaltigkeitsaspekten Reibungsverluste entstehen können.221 Wahrscheinlicher und zugleich sinnvoller erscheint es daher, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang des Normenkontrollrates um Gesetzesevaluationen und die Nutzendarstellung im Rahmen eines Regelungsentwurfs ergänzt. Letzteres erfordert, dass die Bundesministerien auf ein einheitliches methodisches Modell zur Nutzenermittlung zurückgreifen können. Mithilfe eines internationalen Methodenvergleichs hat das „Nationale Zentrum für Bürokratiekostenabbau“ der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld im Auftrag des Bundesumweltministeriums unter dem damaligen Minister Norbert Röttgen bereits einen ersten Vorschlag für ein Standardnutzen-Modell erarbeitet.222 Es soll eine systematische Schätzung des Nutzens von Gesetzen und Regelungen auf der Grundlage eines nachhaltigen Wachstumsbegriffs ermöglichen. Wenn der Normenkontrollrat auch Gesetzesevaluationen überprüfen sollte, könnte als inhaltlicher Prüfmaßstab die vom Staatssekretärsausschuss Bürokratieabbau am 23. Januar 2013 beschlossene „Konzeption zur Evaluierung neuer Regelungsvorhaben“ in Betracht kommen. Die genannten Aspekte, die für die Einbeziehung in den Prüfungsumfang des Normenkontrollrates zur Diskussion stehen, sind vom Mandat des Ausschusses bereits erfasst. Das ist u. a. darauf zurückzuführen, dass das Konzept des Ausschusses für Regulierungskontrolle mit dem Impact Assessment Board (Ausschuss für Folgenabschätzung) auf einen Vorläufer zurückblicken kann, der über einen Zeitraum von neun Jahren im „Ex-ante-Verfahren“ die Folgenabschätzungen der Kommission überprüft hat und in diesem Bereich methodische Erfahrungen sammeln konnte. Es gab somit auf Unionsebene ebenfalls bereits einen konzeptionellen Entwicklungsschritt, der zugleich mit einer institutionellen Änderung einherging. Zukünftig steht daher für den Ausschuss im Gegensatz zum Normenkontrollrat Schäfer, Nationaler Nachhaltigkeitskompass, Standardnutzen-Modell, S. 90; ebenso der Antrag „Bürokratie gezielt abbauen statt Stillstand manifestieren“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/4693, S. 4. 219 Führ / Bizer / Hensel, in: Hensel u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung, S. 323 (327); Maurer, ZG 2006, 377 (382), Scholz, in: Herdegen u. a. (Hrsg.), FS Herzog, S. 473 (480); wohl auch Gröhe / Naundorf, ZG 2009, 367 (382). 220 BT-Drs. 18/559, S. 2; Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 47. 221 Vgl. Kahl, in: Kluth / Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, § 13 Rn. 59. 222 Siehe Wittberg / Kluge / Ley / Wolf-Hegerbekermeier / Dietsche / Schäfer, Nationaler Nachhaltigkeitskompass, Standardnutzen-Modell; Wolf-Hegerbekermeier, ZG 2013, 357 (359 ff.).

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3. Kap.: Institutionenvergleich 

weniger eine Erweiterung des Prüfungsumfangs im Vordergrund, als vielmehr die Frage, wie die Überprüfungen der Folgenabschätzungen und Evaluationen methodisch verbessert werden könnten. Als nachteilig erweist sich bislang der breite methodische Ansatz, auf den die Kommission für die Erstellung von Folgenabschätzungen zurückgreift. Dieser erschwert es dem Ausschuss, eine konsistente und an klaren Maßstäben orientierte Kontrolle durchzuführen. Die Entwicklung einer stringenteren und einheitlicheren Methodik kommissionseigener Folgenabschätzungen wäre ein Beispiel für eine mögliche konzeptionelle Änderung des Mandats.

E. Abschnittsergebnis Die vergleichende Betrachtung hat gezeigt, dass trotz einiger bedeutsamer Unterschiede sowohl der Normenkontrollrat als auch der Ausschuss für Regulierungskontrolle auf derselben Grundidee basieren. Sie verfolgen in erster Linie das Ziel, Transparenz insbesondere über die ökonomischen Auswirkungen von Rechtsetzungsinitiativen aus der Exekutive zu schaffen, um hoheitlich veranlassten „unnötigen“ Verwaltungsaufwand bei Unternehmen, Bürgern und staatlichen Einrichtungen bereits frühzeitig verhindern zu können. Während sich der institutionelle Ansatz ähnelt, stellt das gewählte methodische Konzept gleichsam den wesentlichen Gegensatz zwischen den beiden Gremien dar. Konzentriert sich das Mandat des Normenkontrollrates im Rahmen des Erfüllungsaufwands auf die in einem Gesetzentwurf dargestellten wirtschaftlichen Kostenaspekte, kann der Ausschuss die in einer Folgenabschätzung geschilderten Wirkungen eines Rechtsetzungsakts im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse umfassend überprüfen. Nicht allein der Abbau von „Bürokratie“, der weiterhin im Fokus des Normenkontrollrates liegt, sondern u. a. die Effektivität, Effizienz sowie die Verträglichkeit eines Regelungsvorhabens mit anderen Politiken stehen bei der Bewertung durch den Ausschuss im Vordergrund. Ein weiterer relevanter Unterschied besteht darin, dass die Kontrollkompetenz des Ausschusses Evaluierungsberichte zu in Kraft getretenen Rechtsvorschriften erfasst, deren tatsächlichen Konsequenzen der Normenkontrollrat bislang nicht förmlich überprüfen darf. In Anbetracht dessen ergeben sich Hinweise darauf, in welche Richtung eine mögliche Mandatsausweitung des Normenkontrollrates weisen könnte. In Bezug auf das jeweilige Verfassungsorganisationsrecht lassen die Funktionsweise und das Mandat der beiden Institutionen ähnliche Implikationen zu. Die Gesetzgebungsorgane, die letztverbindlich über das Zustandekommen eines Rechtsakts entscheiden, sollen im Rahmen ihrer legislativen Entscheidungsfindung von der exekutiven Folgenabschätzungskontrolle profitieren, begegnen deren Ergebnissen aber mit Zurückhaltung, da sie am Kontrollprozess weder inhaltlich noch institutionell partizipieren. Offensichtlicher als die Bundesregierung versucht die Europäische Kommission, mittels Wirkungsanalysen und deren vermeintlich unabhängiger Überprüfung durch den Ausschuss Einfluss auf den weiteren Gesetz-

E. Abschnittsergebnis

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gebungsprozess zu nehmen. Da Folgenabschätzungen die politische Entscheidung nicht ersetzen sollen, verletzt die nahezu fehlende Beteiligung von Bundestag einerseits sowie von Europäischem Parlament und Ministerrat andererseits an den Wirkungsanalysen bislang jeweils keine verfassungsrechtlichen Prinzipien. Sie verstärkt aber die Notwendigkeit, dass die Parlamente eigene Ressourcen zur Gesetzesfolgenabschätzung bereithalten, um in diesem Bereich ein Gegengewicht zur Dominanz der Exekutive zu installieren. Derartige Doppelstrukturen sowohl auf ministerieller als auch auf parlamentarischer Ebene, die es nun bereits in der Union gibt, werden allerdings kaum dazu beitragen können, „Bürokratie“ im weitesten Sinne zu reduzieren. Aus diesem Grund erscheint es vorzugswürdiger, die Folgenabschätzungskontrolle unter Einbindung der abschließend zur Entscheidung berufenen Gesetzgebungsorgane neu zu strukturieren. Damit wäre ein wichtiger Schritt getan, um die entparlamentarisierende Tendenz der bisherigen Folgenabschätzungskonzepte, die auf Bundesebene sowie innerhalb der Europäischen Kommission existieren, abzumildern.

4. Kapitel

Zusammenfassung in Thesen A. Nationaler Normenkontrollrat 1. Die Aufgabe des Normenkontrollrates besteht darin, insbesondere die Kostenfolgenabschätzungen der Bundesregierung zu neuen Regelungsvorhaben in methodischer Hinsicht zu überprüfen. Seine Einsetzung und die Einführung des Standardkosten-Modells auf Bundesebene verwirklichten gegenüber der umfassenden Gesetzesfolgenabschätzung einen neuen, eng begrenzten Ansatz der Wirkungsanalyse neuer Gesetze. Der Ansatz erstreckte sich zunächst nur auf die Bürokratiekosten und später auch auf den Erfüllungsaufwand neuer Regelungsentwürfe. Zugleich stellten die Messungen von Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand auch Unterformen der Gesetzesfolgenabschätzung im weiteren Sinne dar. Durch die Einrichtung des Normenkontrollrates hat damit eine organisatorische Institutionalisierung der Kontrolle von Teilbereichen der Gesetzesfolgenabschätzung stattgefunden. 2. Die Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates aus § 1 Abs. 3 NKRG realisiert sich insbesondere im Rahmen der regierungsinternen Ressortabstimmung. Diesbezüglich ist der Normenkontrollrat weniger darauf bedacht, als externer Kontrolleur der Bundesministerien aufzutreten, sondern vielmehr legt er Wert darauf, frühzeitig als beratender Partner auf eine methodengerechte Ermittlung und Darstellung der Folgekosten eines Gesetzes hinzuwirken. Von der Möglichkeit einer kritischen Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf macht er hingegen Gebrauch, wenn das federführend zuständige Ressort  – nicht selten aus politischen Gründen – den Erfüllungsaufwand und / oder die folgenabschätzenden Aspekte nach § 4 Abs. 2 NKRG methodisch nur unzureichend oder grob lückenhaft berücksichtigt und dargestellt hat. 3. Der Normenkontrollrat unterliegt trotz seiner in § 1 Abs. 1 S. 2 NKRG verankerten Unabhängigkeit mehreren Einflussrechten aus dem Regierungsbereich. Dazu zählen die Rechtsaufsicht durch den Chef des Bundeskanzleramts, das Vorschlagsrecht der Bundesregierung für die Ratsmitglieder, der Zustimmungsvorbehalt der Bundesregierung für die Geschäftsordnung des Rates und das Auswahlrecht des Bundeskanzlers hinsichtlich des Ratsvorsitzenden. Diese Einflussmöglichkeiten sind geeignet, die organisatorische und funktionale Unabhängigkeit von der Bundesregierung, die ausschlaggebend für eine unvoreingenommene Prüfungstätigkeit des Normenkontrollrates im Ex-ante-Verfahren ist, erheblich einzuschränken.

A. Nationaler Normenkontrollrat

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4. Das in § 1 Abs. 4 NKRG geregelte „unpolitische“ Mandat wird durch die Prüfungskompetenzen des Normenkontrollrates konterkariert. Bereits die Bürokratiekostenmessungen nach dem Standardkosten-Modell und deren Überprüfung waren stets einer politischen Interpretation zugänglich. Als politische Einbruchstelle hat sich vor allem erwiesen, dass das Standardkosten-Modell nur die Kosten, jedoch nicht den Nutzen eines Gesetzes berücksichtigt. Insbesondere die Erweiterung des Mandats um den Erfüllungsaufwand, die sonstigen Kosten der Wirtschaft und die in § 4 Abs. 2 NKRG genannten Prüfungsaspekte hat zur Politisierung des Normenkontrollrates beigetragen, so dass eine strikte Unterscheidung zwischen dem Gremium aufgegebener methodischer Kritik einerseits und politisch-inhaltlicher Kritik andererseits kaum möglich ist. 5. Das Prüfungsrecht des Normenkontrollrates in Bezug auf die Regelungsentwürfe der Bundesregierung verletzt im Ergebnis weder die Organisationsgewalt der Regierung noch deren Gesetzesinitiativrecht. Zwar resultiert aus der gesetzlich bestimmten Einbindung des Normenkontrollrates in regierungsinterne Abstimmungsprozesse ein Eingriff in den Randbereich der Organisationsgewalt. Dieser kann jedoch vor dem Hintergrund des damit verfolgten Ziels, die Bundestagsabgeordneten über die nachvollziehbar dargestellten Folgekosten eines Gesetzentwurfs in Kenntnis zu setzen, und dem Umstand, dass der Normenkontrollrat ein der Regierung angegliedertes Gremium darstellt, verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. In diesem Zusammenhang erweist sich auch die Wahl der Gesetzesform, um den Normenkontrollrat einzusetzen, als sachgerecht. Sie war zwar nicht verfassungsrechtlich vorgeschrieben, gewährleistet aber, dass Status, Verfahren und Befugnisse eines am regierungsinternen Gesetzgebungsverfahren beteiligten Sachverständigengremiums sichtbar und transparent werden. Da das Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG nicht den Prozess der regierungsinternen Gesetzeserarbeitung erfasst, erfährt es durch die Beteiligungspflicht und das Stellungnahmerecht des Normenkontrollrates im Rahmen der Ressortabstimmung keine Beeinträchtigung. 6. Die Gesetzentwürfe aus dem Bundesrat und der Mitte des Bundestages unterliegen dem Prüfungsmandat des Normenkontrollrates gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 NKRG nur unter der Voraussetzung, dass die Gesetzesinitianten die Überprüfung explizit einfordern. Solange die Inanspruchnahme der Prüfungskompetenz des Normenkontrollrates freiwillig bleibt, sind die Bundestagsfraktionen und der Bundesrat nicht in der Ausübung ihres Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG beeinträchtigt. In der Praxis haben Bundestag und Bundesrat bislang kaum davon Gebrauch gemacht, ihre Gesetzesvorlagen dem Normenkontrollrat freiwillig zuzuleiten. 7. Da die Mitglieder des Normenkontrollrates mangels Vetobefugnis keine staatliche Entscheidungsgewalt ausüben, sondern letztlich beratend fungieren, bedürfen sie keiner demokratischen Legitimation. Nimmt man an, dass der Normenkontroll­ rat angesichts des Rechtfertigungsdrucks, der von seinen Stellungnahmen auf den Initianten eines Gesetzentwurfs ausgehen kann, über mittelbare Mitentscheidungs­

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4. Kap.: Zusammenfassung in Thesen

befugnisse verfüge, könnte er sich jedoch auch auf Legitimationsressourcen stützen. Mittels der Berufung durch den Bundespräsidenten nach Auswahl durch die Bundesregierung sind die Mitglieder in personell-organisatorischer Hinsicht mittelbar demokratisch legitimiert. Als sachlich-inhaltliche Legitimationsquelle dient das vom Parlament beschlossene NKRG, an dessen Inhalt die Mitglieder des Normenkontrollrates bei der Ausübung ihres Mandats gebunden sind. 8. Die hinter der Einführung des Normenkontrollrates und des Standardkosten-Modells stehende Idee, die Debatten um Bürokratieabbau und gesetzliche Folgekosten zu entpolitisieren, widerspricht dem von Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG angesprochenen demokratischen Willensbildungsprozess. Die in Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG verankerte parlamentarische Gesetzgebung als zentrale Ausprägung des staat­ lichen, demokratischen Willensbildungsprozesses stellt im Kern einen politischen Vorgang dar, der eigenen sowie unterschiedlichen Rationalitäten folgt. Der Gesetzgebungsprozess ist einer umfassenden Verobjektivierung durch eine komplexitätsreduzierende Schätzmethode wie dem Standardkosten-Modell nicht zugänglich. Solange jedoch das politische Bewertungsmonopol des Bundestages erhalten bleibt, liegt in dieser Entwicklung noch kein Verfassungsverstoß. 9. Rechtliche Bedenken ergeben sich aus der Zuweisung der Kontrollfunktion, die der Normenkontrollrat wahrzunehmen hat. Die Überprüfung sowie die Aus- und Bewertung von Informationen aus der Sphäre der Regierung ist eine Aufgabe des Bundestages. Da es sich bei den Wirkungsanalysen in Bezug auf die Gesetzentwürfe der Regierung ebenfalls um Regierungsinformationen handelt, sollte angesichts der parlamentarischen Kontrollfunktion der Bundestag diese überprüfen und beurteilen. Obwohl die Kontrollfunktion somit in die Zuständigkeit des Parlaments fällt, stellt der Normenkontrollrat ein der Regierung nahestehendes Gremium dar. Vor diesem Hintergrund ist die Anbindung des Normenkontrollrates an die Exekutive rechtspolitisch verfehlt, überschreitet aber nicht die Grenze zur Verfassungswidrigkeit. 10. Sowohl die in der Literatur diskutierten prozeduralen Sorgfaltspflichten als auch die in der Rechtsprechung des BVerfG zum Ausdruck kommenden Ermittlungspflichten sprechen dafür, dass sich der Gesetzgeber mit den Folgen seines legislativen Handelns auseinanderzusetzen hat. Diese Vorgaben richten sich in erster Linie an den Bundestag als parlamentarischen Gesetzgeber, da dieser mit der Verabschiedung eines Gesetzes die Verantwortung für dessen Folgen trägt. Aus diesem Grund sollte er die Regelungsfolgen selbst abschätzen oder zumindest die Folgenanalysen einer eigenen, regierungsunabhängigen Überprüfung unterziehen. Indem sowohl die Durchführung als auch die Kontrolle von Wirkungsanalysen im Bereich der Regierung stattfindet, bleibt der Bundestag auf eine passive Beobachterrolle beschränkt. Das ist im Hinblick auf die zentrale Stellung des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren verfassungspolitisch kritikwürdig, aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 11. Ein wiederholt gefordertes Selbstbefassungsrecht des Normenkontrollrates, das sich auch auf Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages erstreckt,

B. Ausschuss für Regulierungskontrolle

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wäre weder mit dem Gesetzesinitiativrecht nach Art. 76 Abs. 1 GG noch mit dem freien Mandat aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. In einer Fraktion zusammengeschlossene Abgeordnete stünden im Falle einer obligatorischen Beteiligung des Normenkontrollrates bei der Ausübung ihres Gesetzesinitiativrechts unter einer unzulässigen Fremdeinwirkung eines von der Regierung besetzten staatlichen Gremiums. Ebenso wenig dürfte dem Bundesrat gesetzlich die Pflicht auferlegt werden, seine Gesetzentwürfe dem Normenkontrollrat vorzulegen. Nicht nur das Gesetzesinitiativrecht, sondern auch die Autonomie des Bundesrates würde durch eine entsprechende Vorlagepflicht verletzt. Jedoch wäre es in rechtlicher Hinsicht zulässig regelbar, dass die Bundesregierung im Zuge des Stellungnahmeverfahrens nach Art. 76 Abs. 3 S. 2 GG auch eine Beurteilung des Normenkontrollrates zu einem Gesetzentwurf des Bundesrates einholt.

B. Ausschuss für Regulierungskontrolle 1. Im Gegensatz zum (Vorgänger-)Ausschuss für Folgenabschätzung erstreckt sich das Mandat des europäischen Ausschusses für Regulierungskontrolle nicht nur auf Folgenabschätzungsberichte der Europäischen Kommission, sondern auch auf Evaluierungsberichte zu bestehenden Unionsrechtsakten. Die Überprüfungskompetenz des Ausschusses umfasst alle methodischen und inhaltlichen Aspekte einer Folgenabschätzung bzw. Evaluierung, die in den internen Kommissionsleitlinien zur besseren Rechtsetzung zum Ausdruck kommen. Das Prüfungsrecht greift jedoch nur ein, wenn die Kommission zu einem Legislativvorschlag tatsächlich eine Folgenabschätzung durchführt bzw. einen Rechtsakt im Nachhinein evaluiert. 2. Die Gewährleistung des im Einrichtungsbeschluss zum Ausschuss nieder­ gelegten Auftrages zur unabhängigen Tätigkeit erweist sich als zweifelhaft, da der Ausschuss in erster Linie ein kommissionsinternes Gremium darstellt. Dazu trägt vor allem bei, dass der Ausschuss einschließlich des Vorsitzenden aus einer Mehrheit von kommissionsangehörigen Mitgliedern besteht, die nach einer dreijährigen Amtszeit im Ausschuss wieder in ihre ursprüngliche Generaldirektion zurückkehren. Darüber hinaus liegt die Auswahl sowohl der externen als auch der kommissionsangehörigen Mitglieder vollständig in den Händen der Europäischen Kommission und bedarf die Geschäftsordnung des Ausschusses zu ihrer Wirksamkeit des Einverständnisses des Kommissionspräsidenten. Die Unabhängigkeit des Ausschusses ist überdies Einschränkungen unterworfen, da seine Verwaltungsgeschäfte im Wesentlichen vom Generalsekretariat der Kommission übernommen werden. 3. Die Kontrollkompetenz des Ausschusses stößt an methodische Grenzen. Sie rühren zum einen daher, dass den Kommissionsdienststellen eine Vielzahl unterschiedlicher methodischer Instrumente für die Durchführung von Folgenabschätzungen zur Verfügung steht. Ihre richtige Anwendung kann der Ausschuss im Detail kaum sachgerecht überprüfen. Zum anderen weisen alle für Folgenabschätzungen gängigen Analysemethoden jeweils Schwachpunkte auf, wodurch mitunter

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Scheinrationalitäten produziert und damit auch mittelbar die Verlässlichkeit der Stellungnahmen des Ausschusses in Frage gestellt werden können. 4. Die Einsetzung des Ausschusses berührt weder das Initiativrecht noch das Kollegialprinzip der Europäischen Kommission. Das aus Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV, Art. 294 Abs. 2 AEUV resultierende Initiativrecht verfolgt nicht den Zweck, die Kommission vor selbst gewählter Kontrolle und Beratung durch ein von ihr eingesetztes Sachverständigengremium zu schützen, sondern es dient dazu, die Einflussnahme der Mitgliedstaaten über den Rat auf den Inhalt der EU-Gesetzgebungsakte zu begrenzen. Das Kollegialprinzip gemäß Art. 250 Abs. 1 AEUV verlangt, dass politisch verbindliche Entscheidungen von der Kommission als Kollegialorgan getroffen werden. Da im Mandat des Ausschusses kein förmliches Vetorecht bezüglich der kommissionseigenen Folgenabschätzungsberichte angelegt ist, bleibt die rechtlich gewährte politische Entscheidungsgewalt der Kommission unangetastet. 5. Positive Stellungnahmen des Ausschusses zu einem Folgenabschätzungsbericht tragen dazu bei, dass die Europäische Kommission Folgenabschätzungen mit dem Ziel nutzt, ihre dazugehörigen Legislativvorschläge gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat zu rechtfertigen und unangreifbarer zu machen. Der Kommission kommt es darauf an, die politische „Widerstandsfähigkeit“ ihrer Legislativvorschläge durch eine eigene „unabhängige Qualitätskontrolle“ gegenüber Änderungswünschen der Unionsgesetzgeber zu stärken und damit ihren Einfluss im Gesetzgebungsverfahren auszubauen. Insofern berührt dieses Engagement zwar das institutionelle Gleichgewicht in Bezug auf die Machtverteilung zwischen den Unionsorganen im Rechtsetzungsprozess. Da das Parlament und der Ministerrat aber weder an die Ergebnisse der Folgenabschätzungen der Kommission noch an die Stellungnahmen des Ausschusses rechtlich oder politisch gebunden sind, geht mit dem kommissionseigenen Folgenabschätzungsregime keine unzulässige Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts einher. 6. Die in Art. 14 Abs. 1 S. 2 EUV ausdrücklich verankerte politische Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments deutet darauf hin, dass dieses die aus den kommissionseigenen Folgenabschätzungen stammenden Informationen hinterfragen und ggf. eigene Folgenanalysen zu Legislativinitiativen der Kommission vornehmen sollte. Mit der Einsetzung des Ausschusses ist die Gefahr verbunden, dass diese im Kern parlamentarische Kontrollaufgabe vom Ausschuss wahrgenommen wird und sich das Parlament auf dessen Beurteilungen verlässt. Zwar hat das Parlament mit der Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ im Jahr 2012 eine eigene Facheinheit eingerichtet, deren Bewertungen können bislang jedoch nur einen groben Überblick über die „Qualität“ der kommissionseigenen Folgenabschätzungen geben. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht zwingend, aber rechtspolitisch notwendig wäre es daher, dass das Parlament verstärkt eigene Wirkungsanalysen zur Kontrolle der Kommissionsvorschläge erarbeitet. 7. Verschiedene Anknüpfungspunkte in der EuGH-Rechtsprechung und im Primärrecht legen nahe, dass die Unionsgesetzgeber dazu angehalten sind, in be-

C. Institutionenvergleich

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stimmten Regelungsbereichen die Folgen ihres legislativen Handelns abzuschätzen. Diese Verantwortung obliegt nicht allein der Europäischen Kommission, sondern neben dem EU-Ministerrat vor allem auch dem Europäischen Parlament als unmittelbar demokratisch legitimierten Rechtsetzungsorgan der Union. Aus diesem Grund können die zum Teil einseitigen Folgenabschätzungen der Kommission und die Kontrolltätigkeit des in ihrem Einflussbereich agierenden Ausschusses eine die Folgen berücksichtigende Rechtsetzung des Ministerrates und Parlaments nicht ersetzen. Gleichwohl ist die vorherrschende Praxis, dass sich Ministerrat und Parlament im Rahmen ihrer gesetzgeberischen Entscheidung häufig lediglich auf die Wirkungsanalysen der Kommission stützen, in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht angreifbar.

C. Institutionenvergleich 1. Sowohl der Normenkontrollrat als auch der Ausschuss für Regulierungskontrolle beruhen jeweils auf einer normativen Grundlage. Während der Normenkontrollrat jedoch durch ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz errichtet wurde, hat der Kommissionspräsident den Ausschuss lediglich kraft seiner Organisationsgewalt aus Art. 17 Abs. 6 b) EUV durch einen organinternen Beschluss eingesetzt. Da Letzterer nur innerhalb der Kommission bindend ist und nicht im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erlassen wurde, basiert der Ausschuss im Gegensatz zum Normenkontrollrat auf einer deutlich weniger stabilen Rechtsgrundlage und könnte daher einfacher wieder abgeschafft werden. 2. Sowohl der Normenkontrollrat als auch der Ausschuss für Regulierungs­­ kontrolle sind als unabhängige Sachverständigengremien konzipiert. Sie unterliegen weder von staatlicher noch von privater Seite aus fachlichen Weisungen. Über ihre personelle Zusammensetzung entscheidet lediglich die Spitze der Exekutive, obwohl die Gremien gerade deren Wirkungsanalysen zu neuen Regelungsvorhaben neutral überprüfen sollen. Anders als der Normenkontrollrat, der sich ausschließlich aus regierungsexternen Fachleuten zusammensetzt, besteht der Ausschuss mehrheitlich aus Kommissionsbeamten. Die Unabhängigkeit des Ausschusses von der Europäischen Kommission ist folglich noch schwächer ausgeprägt als diejenige des Normenkontrollrates von der Bundesregierung. Unberücksichtigt geblieben ist bei der Ausgestaltung der Unabhängigkeit jeweils der mögliche Einfluss privater Akteure. 3. Wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Sachverständigengremien im Hinblick auf die Frage, was und worauf sie es kontrollieren dürfen, ergeben sich aus der Reichweite ihrer Mandate. Das Stellungnahmerecht des Normenkontrollrates bezieht sich dem Gegenstand nach auf alle Regelungsentwürfe aus der Bundesministerialverwaltung. Der Ausschuss darf hingegen lediglich die separaten Wirkungsanalysen, die in der Regel größere Legislativvorschläge der Kommission begleiten, bewerten. Während der Normenkontrollrat nur die Folgenabschätzungen

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4. Kap.: Zusammenfassung in Thesen

zu neuen Regelungsentwürfen überprüft, ist der Ausschuss für Regulierungskon­ trolle auch dazu berufen, Evaluationen hinsichtlich bestehender Rechtsvorschriften zu beurteilen. Fokussiert § 1 Abs. 3 NKRG den Normenkontrollrat darauf, nahezu ausschließlich ökonomische Kostenfolgen eines Gesetzentwurfs auf ihre methodische Nachvollziehbarkeit zu prüfen, darf der Ausschuss im Gegensatz dazu alle in einer Folgenabschätzung dargestellten wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen einer Regelung kontrollieren. 4. Die Befugnisse der beiden Kontrollgremien korrespondieren jeweils mit den methodischen Instrumenten, die ihnen nach ihrem Mandat zur Verfügung stehen. Die Arbeit des Normenkontrollrates ist eng mit dem Standardkosten-Modell verknüpft und daher auf die mit diesem Ansatz messbaren Kostenfolgen (Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand) begrenzt. Da sich das Standardkosten-Modell nicht dazu eignet, den Nutzen eines Gesetzes abzubilden, kann der Normenkontrollrat im Unterschied zum Ausschuss diesen nicht berücksichtigen. Dem Ausschuss für Regulierungskontrolle ist es hingegen möglich, auf eine Vielzahl unterschied­licher methodischer Ansätze (z. B. Kosten-Nutzen-Analysen), die im Rahmen von umfassenden Folgenabschätzungen zur Anwendung gelangen, zurückzugreifen. Da die Ergebnisse umfassender Folgenabschätzungen inhaltlicher und zugleich politischer sind, verfügt der Ausschuss im Hinblick auf diese über ein inhaltliches Prüfungsrecht, während dem Normenkontrollrat ein solches gemäß § 1 Abs. 4 NKRG untersagt ist. 5. In ihrer Wirkung beschränken sich die Befugnisse der beiden Sachverständigengremien auf ein beratendes Stellungnahmerecht. Zwar weist die Europäische Kommission im Rahmen einer internen Selbstverpflichtung den Beurteilungen des Ausschusses ein höheres Gewicht zu, da sie einen Legislativentwurf grundsätzlich nur dann weiterverfolgt, wenn eine positive Stellungnahme zum dazu­gehörigen Folgenabschätzungsbericht vorliegt. Aber letzten Endes können weder der Normenkontrollrat noch der Ausschuss für Regulierungskontrolle mangels eines politischen Mitspracherechts unmittelbar ein Regelungsvorhaben verhindern. Die verbindlichen Entscheidungsbefugnisse über die Fragen, ob eine Regelungsinitiative ergriffen wird und wie deren Folgen schlussendlich zu bewerten sind, bleiben den politischen Mandatsträgern vorbehalten. 6. Sowohl auf Bundesebene in Deutschland als auch auf Unionsebene sind Gesetzesfolgenabschätzungen in erster Linie ein Betätigungsfeld der Exekutive. Das faktische „Folgenabschätzungsmonopol“ der Exekutive entspringt dem Umstand, dass in der EU angesichts des Initiativmonopols aus Art. 17 Abs. 2 EUV, Art. 294 Abs. 2 AEUV nahezu alle Rechtsetzungsvorschläge von der Kommission und in Deutschland die überwiegende Mehrheit aller Gesetzesvorlagen von der Bundesregierung stammen. Indem der Normenkontrollrat beim Bundeskanzleramt und der Ausschuss für Regulierungskontrolle beim Generalsekretariat der Kommission angesiedelt worden sind, können die jeweiligen Spitzenorgane der Exekutive nicht nur die Durchführung von Folgenabschätzungen, sondern auch deren „unabhängige“ Kontrolle mittelbar steuern.

C. Institutionenvergleich

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7. Mithilfe von Gesetzesfolgenabschätzungen lassen sich wesentliche Weichenstellungen im Hinblick auf Zielformulierung, Alternativendarstellung und Kostenbewertung eines Vorhabens vornehmen. Als Gegengewicht zu der daraus resultierenden Vorbereitungsmacht der Exekutive erscheint es notwendig, dass auch die Parlamente als letztverantwortliche Gesetzgeber über eigene Ressourcen zur Folgenabschätzung verfügen. Dadurch könnten sie zum einen entsprechend ihrer Kontrollfunktion die Wirkungsanalysen der Bundesregierung bzw. der Kommission intensiver überprüfen. Zum anderen wäre es einfacher möglich, die aus den parlamentarischen Beratungen resultierenden Änderungen an einem Legislativvorschlag einer ergänzenden Folgenabschätzung zu unterziehen. Während aber im Deutschen Bundestag weder die Kontrolle der Gesetzesfolgenabschätzungen aus den Ministerien noch eigene umfassende Wirkungsanalysen stattfinden, hat das Europäische Parlament mit der Direktion „Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert“ bereits im Jahr 2012 eine eigene Untergliederung für diese Aufgaben eingerichtet. 8. Um die Rolle der Legislative im Feld der Gesetzesfolgenabschätzung zu stärken, erwiese es sich als sachgerecht, die institutionelle Folgenabschätzungskontrolle bei den Parlamenten anzugliedern. Dadurch könnten zugleich die verfassungsrechtlichen wie -politischen Schwierigkeiten, die aus der exekutivlastigen Strukturierung des Normenkontrollrates und des Ausschusses resultieren, vermieden werden. Zwar wäre es aus rechtlichen Gründen dann nicht mehr möglich, dass die Folgenabschätzungskontrolle bereits im innerexekutiven Verfahren der Gesetzesvorbereitung ansetzt. Aber eine vom Bundestag und vom Europäischen Parlament (ggf. mit Beteiligung des Ministerrates) ausgehende Folgenabschätzungskontrolle könnte in größerer Distanz zur jeweiligen Exekutivspitze und im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen überprüfen, ob die vorgelegten Wirkungsanalysen zu Regelungsentwürfen methodisch konsistent und nachvollziehbar sind. Zudem würden die Diskussionen über die Folgen eines Gesetzes dann an dem Ort geführt, an dem auch über das Zustandekommen der Regelung entschieden wird.

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NKR: Jahresbericht 2017. Bürokratieabbau. Bessere Rechtsetzung. Digitalisierung. Erfolge ausbauen – Rückstand aufholen, Berlin Juli 2017. NKR: Jahresbericht 2018. Deutschland: weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung, bessere Gesetze. Einfach machen!, Berlin September 2018. NKR: Schwachstellenanalyse der Registrierungspflichten durch die europäische Chemikalienverordnung REACH. Ein Gemeinschaftsprojekt des Nationalen Normenkontrollrates, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und des Umweltbundesamtes sowie des Verbands der Chemischen Industrie, Berlin November 2012. NordWestConsult: Pilotmessung nach dem Standardkostenmodell zum Umfang der administrativen Belastungen bei öffentlicher Ausschreibung gemäß § 8 VOB / A ohne und mit Präqualifizierung, April 2006. OECD: From Red Tape to Smart Tape. Administrative Simplification in OECD Countries, Paris 2003. OECD: Reviews of Regulatory Reform: Germany. Consolidating Economic and Social Renewal, Paris 2004. OECD: Guiding Principles for Regulatory Quality and Performance, 2008. OECD: Economic Surveys: European Union 2009, Paris 2009. OECD: Better Regulation in Europe: Germany 2010, Paris 2010. OECD: Better Regulation in Europe: United Kingdom 2010, Paris 2010. OECD: OECD Regulatory Compliance Cost Assessment Guidance, 2014. OECD: Regulatory Policy Outlook 2015, Paris 2015. Prognos: Gutachten zur Durchführung von Ex-post-Evaluierungen. Gute Praktiken und Erfahrungen in anderen Staaten, Autoren des Gutachtens: Manon Rani Sharma, Daniel Freudl, Claudia Münch, Eva Schindler, Kai Wegrich, Berlin Dezember 2013 (online unter: https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/Content/DE/Publikationen/ Studien/​2014_02_11_evaluierungsstudie.pdf?__blob=publicationFile&v=1, letzter Zugriff: 04.01.2018). Regulatory Reform Group / Ministry of Economic Affairs / Ministry of Finance: Progress Report Regulatory Burdens on Businesses, May 2009, the Netherlands, The Hague June 2009. (online unter: https://www.government.nl/documents/reports/2009/07/08/regulatory-burdenson-businesses-progress-report-may-2009, letzter Zugriff: 03.01.2018). Regulatory Scrutiny Board: Opinion, Revision of directive 2009/28/EC on the promotion of the use of energy from renewable sources, Ref. Ares(2016)6278194 vom 07. November 2016, SEC(2016)499/1 Main (Part 2). Regulatory Scrutiny Board: Annual Report 2016, Brüssel (online unter: https://ec.europa.eu/ info/sites/info/files/2016-rsb-report_en.pdf, letzter Zugriff: 19.01.2018). Regulatory Scrutiny Board: Annual Report 2017, Brüssel (online unter: https://ec.europa.eu/ info/sites/info/files/rsb-report-2017_en.pdf, letzter Zugriff: 11.03.2018).

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Sachverständigenrat „Schlanker Staat“: Abschlußbericht Band 1, Bonn 1997. Sachverständigenrat „Schlanker Staat“: Abschlußbericht Band 2: Materialband, 2. Auflage, Bonn 1998. Sachverständigenrat „Schlanker Staat“: Abschlußbericht Band 3: Leitfaden zur Modernisierung von Behörden, 2. Auflage, Bonn 1998. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Einführung des Standardkosten-Modells. Methodenhandbuch der Bundesregierung, Wiesbaden 2006. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Die Bestandsmessung der Bürokratiekosten der deutschen Wirtschaft nach dem Standardkosten-Modell. Statistik und Wissenschaft, Bd. 14, Wiesbaden 2014. Statistisches Bundesamt / NKR (Hrsg.): Mehr Zeit für Behandlung – Vereinfachung von Verfahren und Prozessen in Arzt- und Zahnarztpraxen, Abschlussbericht August 2015, Wiesbaden 2015. Statistisches Bundesamt / NKR (Hrsg.): Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen, Abschlussbericht Juni 2016, Wiesbaden 2016. The Evaluation Partnership (TEP): Evaluation of the Commission’s Impact Assessment System, Final Report, Contract Number SG-02/2006, April 2007 (online unter: http:// ec.europa.eu/smart-regulation/impact/key_docs/docs/tep_eias_final_report.pdf, letzter Zugriff: 27.11.2017). The Potsdam Institute for eGovernment: „Vollzugsorientierte Gesetzgebung: Wie können EU, Bund, Länder und Kommunen die Folgekosten rechtlicher Vorgaben besser ermitteln?“, Gutachten im Auftrag des Nationalen Normenkontrollrates, Berlin 2015 (online unter: https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/Content/DE/Download/2015-05-18_ download_gutachten_2014.pdf;jsessionid=5059848CA4C58E525E637E8F767A0CD8. s1t1?__blob=publicationFile&v=1, letzter Zugriff: 03.01.2018). Umweltbundesamt (Hrsg.): Leitfaden zur Nutzen-Kosten-Abschätzung umweltrelevanter Effekte in der Gesetzesfolgenabschätzung, Autoren: Porsch, Lucas / Sutter, Daniel / Maibach, Markus / Preiss, Philipp / Müller, Wolf, Dessau-Roßlau Januar 2015. Umweltbundesamt (Hrsg.): Analyse des Erfüllungsaufwands und der „One in one out“-Regel als Leitbilder der Politikgestaltung. Bericht im Rahmen des Vorhabens „Ökonomische Bewertung des Nutzens umweltpolitischer Maßnahmen in der Gesetzesfolgenabschätzung“ Teilbericht, Autoren: Vettori, Anna / Sutter, Daniel / Porsch, Lucas / Löschel, Andreas, Dessau-Roßlau Mai 2016.

Sachregister ACTAL  48, 50 ff., 73 f., 80, 229, 357 Administrative Lasten  49 f., 216 Ausschuss für Folgenabschätzung 28, 208, 230 ff., 235, 237 f., 240, 248 Bertelsmann Stiftung  68 ff., 80 Bessere Rechtsetzung 37 f., 57, 59, 77, 81, 112, 163, 208 ff. Bestandsmessung 38, 56, 62, 84, 89, 149, 316, 358 Better Regulation  29, 208 ff., 227 f., 251 f. Better Regulation Guidelines  213, 222 f., 226, 238, 257, 309 Blaue Prüffragen  40 f., 43, 81 Bundesrat  78 f., 105 f., 113, 125 f., 177 f., 203 f. Bundestag  77 ff., 102 ff., 113, 124 ff., 165 f., 177 ff., 192 ff., 199 ff., 332 f., 346 f. Bürokratieabbau  30 ff., 38, 48 ff., 61, 65, 72 f., 78, 118 f., 136, 140, 213 Bürokratiekosten  38, 63 f., 76 f., 84, 89, 90 f., 93, 137 f., 145, 149 Bürokratiekostenindex  39, 149 Bürokratie-TÜV  36 f., 356 Demokratische Legitimation  134, 153, 179 ff., 188, 192, 199 f., 274, 279 ff. Depolitisierter Ansatz  136 f., 144 Deregulierung 30, 36, 38, 41, 55, 73, 185, 209, 265 ff. Dienststellenübergreifende Konsultation  226, 244 f., 269 ff., 319, 324, 326 Direktion Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert  288, 342 ff., 346 Entbürokratisierung 30, 33 f., 38, 44, 145, 148 Entparlamentarisierung  182 ff., 197, 202, 349 Erfüllungsaufwand  64, 72, 84 f., 87 ff., 91 f., 100 f., 104 ff., 113 f., 122, 127, 137 f., 141 f., 145 ff., 311, 317, 329 ff.

Ermessen  82, 94, 105, 123, 160, 172, 176, 198, 267, 293 f., 324 Europäisches Parlament  222 f., 237 f., 267 f., 273 ff., 282 ff., 333 ff., 340 ff. Evaluation/Evaluierung  42, 97, 207 f., 216 f., 237, 240 f., 245 f., 251 f., 315 f. Folgenabschätzungsmonopol  290, 297, 348 Freies Mandat  79, 102, 200 ff. Geschäftsordnungsautonomie  157, 264, 308 Gesetzesfolgenabschätzung  35, 40 ff., 64, 73 f., 89 f., 145 ff., 186 f., 189 ff., 196 f., 218, 308 ff., 316 ff., 328 f., 344 ff. Gesetzesinitiativrecht  27, 79, 167, 173 ff., 200, 204, 350 Gesetzesvorbehalt  162, 165, 169, 172 Gesetzgebungslehre  24 f. Gewaltenteilung  165 f., 169, 188, 202, 272 f. gold plating  98, 139 High Level Group  228 ff. Informationspflicht   38, 61 f., 67 ff., 72, 78, 80, 90 f., 115 f., 121, 140 ff. Initiativmonopol  268 f., 297, 327, 333 Inneres Gesetzgebungsverfahren  24, 123, 135, 153, 168, 193 f., 196, 199 Institutionelles Gleichgewicht 29, 271  ff., 298 Interessengruppen  131, 144, 158, 175, 177, 216, 224, 235, 275 Interinstitutionelle Vereinbarung  220, 223 f., 237, 239, 267, 274 ff., 297 Jahresbericht 109, 112, 118 ff., 123, 129, 251 ff. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung  76, 166 f. Kollegialprinzip  270 f.

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Sachregister

Konsultation  96, 208, 210 ff., 225 f., 253, 265 f., 275 Kosten-Nutzen-Analyse 56, 81, 143, 227, 258 f., 321, 360 Lissabon-Strategie  210 ff., 221 Lobbyismus  131, 201 Mandelkern-Bericht  59, 74, 211, 219 Mindestlohn  22, 143 Ministerrat  237 f., 267 f., 269, 274 ff., 282 f., 287 ff., 297 f., 333 ff. Ministerialfreier Raum  152 f., 180, 306 Nachhaltigkeitsprüfung  310, 339, 355, 358 f. New Public Management  34, 48 Normprüfungsstelle  43 ff. Nutzen  126 f., 141 ff., 259, 265 f., 318, 329 f. „one in, one out“-Regel 39, 92, 163, 216, 330 ff. Organisationsgewalt  27, 165 ff., 205, 301, 350 Parlamentarische Kontrolle  182, 188 ff., 282 ff. Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung  196, 339, 359 Politikberatung  130 ff., 165 f., 337 Rechtsaufsicht  109, 152 ff., 306 Rechtsbereinigung  33 f., 36, 38 f., Rechtsstaatsprinzip 134, 139, 152, 165  193

REFIT  212, 216 ff., 236 f., 241, 331 f., 334 f. Regulatory Impact Assessment 52, 54, 56, 227 Ressortabstimmung  45, 100, 112, 119, 132, 167, 319, 326 Ressortkompetenz  168, 173, 308 „Schlanker Staat“  33 ff. Standardkosten-Modell 47, 56, 60 ff., 75 f., 80 f., 91 f., 115 f., 127, 131, 137 f., 140 ff., 164, 168, 185, 214, 320 ff. Statistisches Bundesamt 38, 60, 84, 89 ff., 100, 104, 106, 115 ff., 149, 204 Symbolpolitik  135 f. Technikfolgenabschätzung 40, 196, 338 f., 341, 345 Trilog-Verfahren  276, 333 Unabhängigkeit  137, 150 ff., 172, 181 f., 199, 235, 260 ff., 303 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  139, 170, 195, 293 f., 310, 335 Verwaltungslasten  59 f., 213 ff., 229 f. Verwaltungsvorschrift   84 ff., 88 ff., 308, 310 Vetorecht/-befugnis  101, 132, 175 f., 178, 181, 202, 254 f., 269 ff., 324 „Watchdog“  145, 254 ff. Wissenschaftliche Dienste des Bundestages  337 f., 347, 350