Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation im Museum: Das Deutsche Historische Museum und das Dänische Nationalmuseum im Vergleich 9783839447048

Gender and nation are constantly being renegotiated as identity-forming concepts. How do museums participate in these pr

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Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation im Museum: Das Deutsche Historische Museum und das Dänische Nationalmuseum im Vergleich
 9783839447048

Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Lesehinweise
Einleitung
Ausgangspunkte: Geschlecht, Nation, Museum
Forschungsstand
Zwei Museen im Vergleich: Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit
Theoretische und methodische Annäherungen
Diskurs, Repräsentation, Identität
Zur Interdependenz von Geschlecht und Nation
Museale Wissensproduktionen
Museen analysieren heißt, Zusammenhänge analysieren
Das Deutsche Historische Museum und seine Dauerausstellung
Institutionelle (Be-)Deutungen des Deutschen Historischen Museums
„Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“: Große Geschichte in europäischem Kontext
Die Poesie der Ausstellung: Herrscher und Politiker als Vorbilder
Das Leitmotiv Krieg: Krieg prägt die Nation
Das Leitmotiv Wirtschaft: Innovation, Mobilität und Wohlstand
Politiken des Ausstellens im Deutschen Historischen Museum
Das Dänische Nationalmuseum und seine Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“
Institutionelle (Be-)Deutungen des Nationalmuseums
Danmarkshistorier 1660-2000: Die vielen Geschichten der Nation
Die Poesie der Ausstellung: ‚Wir‘ sind die Nation
Das Leitmotiv Familie: „Einheit in der Vielheit“
Das Leitmotiv Arbeit: Mit Arbeitsteilung zu Wohlstand
Politiken des Ausstellens im Nationalmuseum
Ergebnisse im Vergleich
Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation in den untersuchten Museen
Mehr als Geschlecht und Nation: Weitere Interdependenzen musealer Identitätskonstruktionen
Abschließende Überlegungen
Antworten
Situierte Wissensproduktionen II: Methodenreflektion
Weiterdenken
Quellen- und Literaturverzeichnis

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Lisa Spanka Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation im Museum

Edition Museum | Band 36

Lisa Spanka (Dr. phil.), forscht in den Feldern der Gender Studies, der Museums- und Erinnerungsstudien. In ihrer Dissertation untersuchte sie diskursive Identitätsbildungsprozesse anhand musealer Repräsentationen. In der Arbeitsstelle Chancengleichheit der Universität Bremen ist sie für die Beratung und Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen zuständig.

Lisa Spanka

Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation im Museum Das Deutsche Historische Museum und das Dänische Nationalmuseum im Vergleich

Diese Publikation lag dem Promotionsausschuss Dr. phil. der Universität Bremen als Dissertation vor und wurde von Prof. Dr. Christine Lohmeier (Universität Bremen) und Prof. Dr. Karin Ellwanger (Universität Oldenburg) begutachtet. Das Promotionskolloquium fand am 26.06.2018 statt. Für die Publikation wurden kleinere Überarbeitungen vorgenommen. Die Dissertation wurde durch ein Promotionsstipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung, ein Promotionsstipendium der Universität Bremen aus den Mitteln des Zentrums für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) sowie durch ein Abschlussstipendium der FAZIT-Stiftung finanziert. Die Veröffentlichung der Dissertation wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie der FAZIT-Stiftung durch einen Druckkostenzuschuss unterstützt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: Display »Alliierte Luftangriffe« in der Ausstellung »Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen« des »Deutschen Historischen Museums«. Foto: Lisa Spanka (2012). Verwendung in Absprache mit dem Bildarchiv des Deutschen Historischen Museums. Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4704-4 PDF-ISBN 978-3-8394-4704-8 https://doi.org/10.14361/9783839447048 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung ° 9 Lesehinweise ° 11

EINLEITUNG Ausgangspunkte: Geschlecht, Nation, Museum ° 15 Forschungsstand ° 19 Zwei Museen im Vergleich: Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit ° 27

THEORETISCHE UND METHODISCHE ANNÄHERUNGEN Diskurs, Repräsentation, Identität ° 33 Zur Interdependenz von Geschlecht und Nation ° 41 Museale Wissensproduktionen ° 49

Geschichte für die Gegenwart: Das Museum als diskursiver Ort ° 50 Museen und Identitätspolitiken ° 55 Die Vielschichtigkeit musealer Bedeutungsbildungen ° 59 Museen analysieren heißt, Zusammenhänge analysieren ° 65

Vorbilder für die Museums- und Ausstellungsanalyse ° 65 Das eigene Vorgehen: Mehrebenenanalyse und nationale Leitmotive ° 67 Situierte Wissensproduktionen I: Reflektionen zum Forschungsvorhaben ° 74

DAS DEUTSCHE HISTORISCHE MUSEUM UND SEINE DAUERAUSSTELLUNG Institutionelle (Be-)Deutungen des Deutschen Historischen Museums ° 79

Der Streit um eine ‚Geschichte der Nation‘ ° 80 Das Zeughaus und die erinnerungspolitische Mitte Berlins ° 86 Ein Museum ohne Sammlung ° 89

„Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“: Große Geschichte in europäischem Kontext ° 91

Einrichtung und Eröffnung der Dauerausstellung: Deutschland als Nation denken ist wieder salonfähig ° 91 Reaktionen der (Fach-)Öffentlichkeit ° 93 Die Poesie der Ausstellung: Herrscher und Politiker als Vorbilder ° 99

Die Ausstellung erleben: Die Geschichte der Nation durchschreiten ° 102 Objekt(an)ordnungen: Ahnengalerie und Waffenkammer ° 110 Die Ausstellungstexte: Sachlichkeit und Superlative 115 Politikgeschichte und ihre Leitmotive ° 118 Das Leitmotiv Krieg: Krieg prägt die Nation ° 121

Front – Heimat: Geschlechterdichotomien durch dichotome Raumordnungen ° 125 Leid, Verletzung, Tod: Brüche in den Geschlechterkonstruktionen? ° 141 Krieg als konstitutiver Akt für die Nationenwerdung ° 147 Zusammenfassung ° 150 Das Leitmotiv Wirtschaft: Innovation, Mobilität und Wohlstand ° 153

Innovation: Nation, Unternehmertum, Männlichkeit ° 156 Vergeschlechtlichungen von Handels- und sozialer Mobilität ° 161 Produktion und Konsum ° 166 Wirtschaftskrise als Geschlechterkrise ° 179 Zusammenfassung ° 183 Politiken des Ausstellens im Deutschen Historischen Museum ° 187

DAS DÄNISCHE NATIONALMUSEUM UND SEINE AUSSTELLUNG „DANMARKSHISTORIER 1660-2000“ Institutionelle (Be-)Deutungen des Nationalmuseums ° 195

Der lange Arm der Politik: Geschichte und Gegenwart des Museums ° 196 Die Verortung der Nation im Prinzenpalais ° 201 Museale Ordnungen: Dänemark und die Welt ° 202

Danmarkshistorier 1660-2000: Die vielen Geschichten der Nation ° 205

Vom volkskundlichen Sammeln zur Ausstellung von Alltagsgeschichte ° 205 Die Ausstellungseröffnung: Geschichten für Königin und Allgemeinheit ° 211 Reaktionen der (Fach-)Öffentlichkeit ° 212 Die Poesie der Ausstellung: ‚Wir‘ sind die Nation ° 215

Die Ausstellung erleben: Auf Tuchfühlung mit der Vergangenheit ° 217 Objekt(an)ordnungen: Alltägliche Dinge, Trachten und Wohnzimmer ° 228 Die Ausstellungstexte: ‚Wir‘ und ‚die Dänen‘ ° 231 Alltagsgeschichte und ihre Leitmotive ° 236 Das Leitmotiv Familie: „Einheit in der Vielheit“ ° 239

Vergeschlechtlichte Positionierungen von Familienmitgliedern ° 242 Familie und Gesellschaft: Die Homogenisierung sozialer Unterschiede ° 248 Geschlechterkonstruktionen durch die Repräsentation staatlicher Familienpolitik ° 257 Zusammenfassung ° 265 Das Leitmotiv Arbeit: Mit Arbeitsteilung zu Wohlstand ° 269

Heteronormative Wissensordnungen durch Darstellungen von Arbeitsteilung ° 273 Unterschiedliche (Be-)Deutungen von Erwerbsarbeit ° 278 Arbeitslos sind nur die Männer? ° 286 Zusammenfassung ° 291 Politiken des Ausstellens im Nationalmuseum ° 295

ERGEBNISSE IM VERGLEICH Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation in den untersuchten Museen ° 303

Konstruktionen von Nation in Politik- und Alltagsgeschichte ° 303 Die nationalisierten Geschlechterkonstruktionen der Leitmotive ° 308 Brüche, Widersprüche und Unsichtbarkeiten ° 312 Mehr als Geschlecht und Nation: Weitere Interdependenzen musealer Identitätskonstruktionen ° 319

ABSCHLIESSENDE ÜBERLEGUNGEN Antworten ° 327 Situierte Wissensproduktionen II: Methodenreflektion ° 331 Weiterdenken ° 335 Quellen- und Literaturverzeichnis ° 341

Quellen und Materialien zu den Museen ° 341 Literatur ° 346

Danksagung

Die Arbeit an meiner Dissertation ist von vielen Menschen begleitet und unterstützt worden, denen ich an dieser Stelle danken möchte: Bedauerlicher Weise kann ich Profin. Dr. Inge Marszolek († 2016) nur posthum danken. Sie hat die Idee zu dieser Arbeit mit auf den Weg gebracht und mich mit Anregungen und kritischen Fragen eine lange Zeit begleitet. Profin. Dr. Christine Lohmeier hat nach dem Tod von Inge Marszolek die Betreuung übernommen und mich in der Abschlussphase dieser Arbeit unterstützt und beraten. Vielen Dank, für einen neuen frischen Blick auf bereits bestehende Texte und für die konstruktiven Anmerkungen. Profin. Dr. Karen Ellwanger danke ich für die Aufnahme in ihr Kolloquium „Dinge, Moden, Museen“ an der Universität Oldenburg, ihre Ratschläge zur Anwendung von Museumstheorie und -analyse sowie für ihr Mitdenken hinsichtlich der Genderanalysen. In Berlin und Kopenhagen gilt mein Dank den Mitarbeiter*innen der beiden untersuchten Museen. Im Dänischen Nationalmuseum danke ich insbesondere Annette Vasstrøm, der Kuratorin der Ausstellung „Danmarkshistorier 16602000“, die mir in Gesprächen und Emails Antworten auf die vielen Fragen zu den institutionellen Rahmenbedingungen der Ausstellung gegeben hat. Im Deutschen Historischen Museum gilt mein Dank Dr. Sabine Beneke der Projektleiterin der ‚Ständigen Ausstellung‘, die mir ebenfalls in Gesprächen Einblicke in die Ausstellungsarbeit ermöglichte. Dr. Hans-Jörg Czech, Projektleiter der Ausstellung zur Zeit ihrer Einrichtung, danke ich für ein längeres Gespräch über die Zeit der Ausstellungseinrichtung im Zeughaus. Bei beiden Museen bedanke ich mich für die freundliche Genehmigung, alle Fotografien und Abbildungen von den Ausstellungen für diese Publikation verwenden zu dürfen. Dr. Roswitha Muttenthaler (Technisches Museum Wien) und Profin. Dr. Ruth Schilling (Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven/Universität Bre-

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men) danke ich für ihre Hinweise und Ratschläge zum analytischen Vorgehen aus Sicht der musealen Praxis. Für den wissenschaftlichen Austausch und die Möglichkeit, auch unfertige Überlegungen und Texte in den Raum stellen zu können, danke ich den Mitgliedern des Kolloquiums „Werkstatt Kulturgeschichte“ (Universität Bremen), des Kolloquiums „Dinge, Moden, Museen“ (Universität Oldenburg) und den Mitgliedern des Forschungs-Labs „Transkulturelle Kommunikation und Erinnerungsstudien“ am ZeMKI (Universität Bremen). Ein besonderer Dank gilt Gabi Meihswinkel (Studierwerkstatt, Universität Bremen) und Dr. Silke Betscher (ehem. perspektive promotion, Universität Bremen), deren Unterstützung und Beratung mich darin bestärkt haben, die Diss. nicht aufzugeben. Meine Kolleginnen* und Freundinnen* Verena Andreas, Dr. Charlotte Binder, Claudia Czycholl, Imke Girßmann, Dr. Meike Haunschild, Lina Jessen und Carmen Strehl standen mir in unterschiedlichen Phasen der Arbeit mit Austausch, Expertise sowie Gegen- und Korrekturlesen vieler Texte und Vorträge zur Seite. Vielen Dank an Euch! Zu guter Letzt möchte ich mich bei meinen Freund*innen und Geschwistern bedanken, die mir in schweren Zeiten zugehört haben und sich in guten Zeiten mit mir freuen und begeistern konnten. Meinen Eltern danke ich für ihre vielfältige Unterstützung. Sie haben mich im Promotionsprozess finanziell unterstützt, Texte Korrektur gelesen und Päckchen geschickt.

Lesehinweise

Geschlechtersensible Schreibweise Die Schreibweise mit dem Gender-Star* dient dazu, die vorherrschende binäre Geschlechterordnung sprachlich aufzubrechen und Raum für Menschen zu schaffen, die sich außerhalb der zweigeschlechtlichen Norm verorten. Die vielen Striche des Sternchens sollen darüber hinaus auch auf die vielfach intersektionalen Positionierungen unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten verweisen (AG Feministisch Sprachhandeln 2014/2015: 25f.). Sind in dieser Arbeit explizit männliche oder weibliche Personen gemeint, werden die entsprechend gegenderten Schreibweisen verwendet. Hervorhebungen Neben der Verwendung des Gender-Stars* sind in dieser Arbeit einige weitere Begrifflichkeiten, die Identitätskategorien und -positionen bezeichnen, durch besondere Schreibweisen, Kursivsetzungen oder Anführungsstriche hervorgehoben. Hierzu finden sich jeweils in den Fußnoten Erklärungen. Übersetzungen Die Ausstellungstexte sowie Begleitmaterialien zu der Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ sind auf Dänisch und Englisch. Da für die Untersuchung des DHM die deutschen Texte herangezogen wurden, sind für die dänische Ausstellung ebenfalls die Texte in der Landessprache des Museums ausgewertet worden. Alle Zitate aus den Ausstellungstexten, den Materialien zum Dänischen Nationalmuseum sowie der dänischsprachigen Literatur sind von der Verfasserin aus dem Dänischen ins Deutsche übersetzt worden. Für seine Hilfe bei den Übersetzungen danke ich Hans-Gerhard Schmidt. Verweissystem für die Ausstellungsinhalte Die beiden Ausstellungen sind räumlich sowie inhaltlich unterschiedlich strukturiert, so dass Verweise auf Ausstellungsabschnitte oder Displays der beiden Mu-

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seen in dieser Arbeit unterschiedlich gekennzeichnet sind. Im Deutschen Historischen Museum sind die unterschiedlichen Ausstellungsabschnitte und -ebenen durch ein Nummerierungssystem geordnet, welches ich für die Verweise nutze. Es gibt neun Epochenabschnitte, von denen ausgehend Themenabschnitte und Displays durchnummeriert sind. In den Verweisen nenne ich die Abkürzung des Museumsnamens, DHM, eine Abkürzung für die jeweilige Ebene der Ausstellung (E, T, D) sowie die dazu angegebene Nummer. Objekttexte sind in der Ausstellung des DHM nicht nummeriert, sie werden nur mit der Abkürzung OT angegeben und der jeweiligen Displaynummer zugeordnet. Die Verweise sehen zum Beispiel wie folgt aus: (DHM: E 5) oder (DHM: D 5.7.2, OT). In der Ausstellung des Dänischen Nationalmuseums sind nur die einzelnen Ausstellungsräume sowie die Objekttexte nummeriert. Die Themenabschnitte und Displays jedoch nicht. In den Verweisen gebe ich daher NM für das Museum, die Raumnummer, einen Kurztitel des Themen- oder Displaytextes sowie die Objekttextnummer an. Verweise sehen zum Beispiel wie folgt aus: (NM: R 214, Leben in der Stadt) oder (NM: R 205, Die Ständegesellschaft, OT 2). Für die Verweise wurden folgende Abkürzungen eingesetzt: • • • • • • • •

DHM Natmus/NM E D DT R OT TT

Deutsches Historisches Museum Nationalmuseet Epochenabschnitt Display Displaytext Raum Objekttext Thementext

Einleitung

Ausgangspunkte: Geschlecht, Nation, Museum „A national movement cannot exist and be effective without the reconstruction of a common history […], a history that is capable of explaining the project of a future together and of providing it with a ‚cause‘. Gender images play an important role in such narratives.“ (Wenk 2000: 66).

Im Kontext nationaler Narrative sind Bilder oder Vorstellungen von Geschlecht nicht beliebig. Trotz einer mittlerweile breiteren Akzeptanz von Theorien und Praxen zur Dekonstruktion von Geschlecht, spielen Vorstellungen von Männern und Frauen als einzigen und fundamental unterschiedlichen Geschlechtern in der gesellschaftlichen Alltagspraxis nach wie vor eine bedeutsame Rolle. Entsprechend hat Silke Wenk (2000) in ihrem Aufsatz zur vergeschlechtlichten Repräsentation der Nation nicht nur darauf hingewiesen, dass die Konstruktion von Nation an spezifische Vorstellungen von Geschlecht gebunden ist, sondern auch herausgearbeitet, dass diese Geschlechtervorstellungen eine binäre Geschlechterordnung als natürlich und unveränderlich bestimmen. Die Aushandlungen von Geschlecht und Nation müssen daher als mit einander verwoben gedeutet werden. Insbesondere in Diskussionen um das als national bestimmte Gemeinwohl wird dies deutlich. Den als natürlich vorgestellten Geschlechtern Frau und Mann werden in solchen Diskussionen jeweils unterschiedliche Aufgaben für den Erhalt oder die Versorgung der als national bestimmten Gemeinschaft zugeschrieben. Bereiche wie Erwerbsarbeit, Politik und Militär werden dabei nach wie vor primär als Handlungsfelder männlicher Personen gedacht. Frauen werden hingegen die Familienarbeit sowie eine Traditionspflege durch Bildung und Erziehung als selbstverständliche Aufgaben zugewiesen. Die bis heute tiefe Verankerung dieser Aufgabenteilung spiegelt sich zum Beispiel in immer wiederkehrenden

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Diskussionen um die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit von Frauen wider. Vor diesem Hintergrund ist es zwar erschreckend, jedoch nicht überraschend, dass Thilo Sarrazin in seinem 2010 veröffentlichten Buch „Deutschland schafft sich ab“ die Frage nach einer Erhöhung der Geburtenrate von ‚Deutschen‘ ausschließlich anhand der Lebensplanungen von Frauen diskutiert (ebd.: Kap. 8).1 Ähnliche, an eine Stärkung Deutschlands als unabhängiger Nation geknüpfte Vorstellungen von einer natürlichen Zweigeschlechtlichkeit und geschlechtlicher Arbeitsteilung vertritt auch die 2012 gegründete Partei Alternative für Deutschland (AfD), die mit ihren rechtskonservativen Positionen trotz vielseitiger Proteste und Kritiken 2017 den Einzug in den Bundestag schaffte. Mit solchen Positionen gewinnen auch in anderen europäischen Ländern nationalistisch-konservative Strömungen zunehmend an Einfluss. Wahlerfolge rechtskonservativer Parteien wie der Jobbik in Ungarn (2010 und 2014), des Front National in Frankreich (2017) oder der Partij voor Vrijheid in den Niederlanden (2016) verdeutlichen dies. Das Bedürfnis nach nationaler Kollektivbildung scheint durch den fortschreitenden europäischen Integrationsprozess nicht geschmälert, sondern vielmehr zu neuen und derzeit auch verstärkt separatistischen Aushandlungen des Nationalen zu führen. Trotz einer auf EU-Ebene durch den Vertrag von Lissabon zumindest gesetzlich verankerten Gleichberechtigung der Geschlechter (BMFSFJ 2016), wird im Zuge solcher Aushandlungen an Vorstellungen einer natürlichen Zweigeschlechtlichkeit mit geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen festgehalten, die zu ungleichen Teilhabemöglichkeiten führen. Dass die Herausbildung einer solchen Geschlechterordnung mit dem Prozess nationaler Vergemeinschaftungen interdependent ist, haben unter anderem Karin Hausen (1976), Karen Hagemann (2000), Ida Blom (2000) oder Angelika Schaser (2008) aufgezeigt. Diese Studien befassen sich allerdings weitgehend mit dem Zeitraum der Entstehung von Nationen – dem 19. Jahrhundert. Untersuchungen zu aktuellen Aushandlungen von Geschlecht im Kontext nationaler Neupositionierungen sind bisher hingegen selten. 2 Die Feststellung, dass trotz zunehmender Globalisierungsprozesse und Praktiken der Geschlechterdekonstruktion sowohl nationalistische Strömungen, als auch ein Festhalten an biologistischen Geschlechtervorstellungen zunehmen, 1

Das Buch ist nicht nur aufgrund der hier angesprochenen Positionen zu Geschlechterpolitiken problematisch. Kritisiert wurde es besonders für seine biologistischen und rassistischen Äußerungen sowie die Abwertung von Menschen aufgrund deren vermeintlich fehlenden Nützlichkeit für nationalstaatliche Interessen.

2

Einen Einblick in das Forschungsfeld zur Interdependenz von Geschlecht, Nation und Kultur bietet Michiko Mae (2008).

Einleitung | 17

sind Anlass für mich, in meiner Dissertation nach Formen gegenwärtiger Aushandlungen zu Nation und Geschlecht zu fragen. Dieser Frage anhand von historischen Museen nach zu gehen, erfolgte aus verschiedenen Überlegungen. Silke Wenk hat darauf verwiesen, dass gerade visuelle Vermittlungen sowie die Bestimmung einer gemeinsamen Geschichte im Prozess der Identitätsbildung eine besondere Rolle spielen (Wenk 1996; Wenk 2000; Wenk 2002). In ähnlicher Stoßrichtung hat Benedict Anderson gerade Museen als bedeutsame Orte bestimmt, an denen eine solche gemeinsame Geschichte vermittelt wird (Anderson 2005). Entsprechend dienten Museumsgründungen im 19. Jahrhundert der Legitimation nationaler Vergemeinschaftung und der Herausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft. Das Germanische Nationalmuseum wurde zum Beispiel 1852 nach dem Scheitern einer Vereinigung deutscher Staaten mit dem Ziel gegründet, der Idee einer einheitlichen deutschen Nation eine Darstellung zu geben (Bott 1992: 173). Die Anfänge des Dänischen Nationalmuseums liegen in einer Zeit territorialer Verluste und einer davon ausgehenden Neupositionierung Dänemarks als Nation zu Beginn des 19. Jahrhunderts (Jensen 1992). Der eingangs gebotene Blick auf die politischen Entwicklungen in Europa hat gezeigt, dass nationalistische Positionen trotz zunehmender Globalisierung und Europäisierung derzeit einen starken Zuwachs erleben und ein Blick in die europäische Museumslandschaft zeigt, dass Regierungen weiterhin in nationale Museumsprojekte investieren und diesen den Auftrag der Identitätsstiftung erteilen. Seit den 1980er Jahren erleben nationale Museen eine Renaissance, die Robin Ostow als größte Welle der Neugründungen nationaler Museen seit dem 19. Jahrhundert bewertet (Ostow 2008a: 3f.). Dieser neue „Museumsboom“ (Lepenies 2003) dauert nunmehr seit über 30 Jahren an. In Deutschland wurden in den 1980er Jahren sowohl das Deutsche Historische Museum als auch das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegründet und das Dänische Nationalmuseum wurde in den 1990er Jahren vergrößert, modernisiert sowie neugestaltet (Jensen 1992). Auch in den 2000er Jahren planen und diskutieren verschiedene Länder Europas die Einrichtung nationaler Geschichtsmuseen. So wurde in Polen 2006 ein Geschichtsmuseum mit dem Auftrag gegründet, die Geschichte der Nation zu vermitteln (MuzHP 2012). In Österreich wurde 2015 ein Strategiepapier zur Einrichtung und Umsetzung eines Hauses der Geschichte Österreich veröffentlicht (Brait 2015). In diesen neuen Museen steht die Geschichte des jeweiligen Landes im Vordergrund und wird überwiegend entlang chronologischer Darstellungen vermittelt. Während eine Auseinandersetzung mit Nation als Rahmen für die kollektive Identitätsstiftung explizites Thema der Ausstellungen ist, wird Geschlecht in den Ausstellungen häufig nur implizit verhandelt. Bei Besuchen in den jeweiligen

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Ausstellungen zeigt sich jedoch, dass die Darstellung nationaler Geschichte eng an Akteur*innen und deren jeweilige Verdienste gekoppelt ist. Dabei fällt auf, dass ausschließlich männliche und weibliche Akteure und Akteurinnen gezeigt werden und bestimmte Themenfelder jeweils diesen Akteuren und Akteurinnen zugeordnet sind. Die Präsentation und Vermittlung nationaler Geschichte kommt, so scheint es, trotz gleichzeitig verlaufender Bestrebungen zur Dekonstruktion von Geschlecht, bis heute nicht ohne die Darstellung eines binären Geschlechtersystems aus. Ausgehend von der forschungsleitenden Frage nach den gegenwärtigen Aushandlungen von Geschlecht und Nation in ihrer Interdependenz und der Überlegung, dass Museen Orte sind, die bis heute den Auftrag haben, nationale Identität zu stiften, werden in dieser Arbeit die Repräsentationen von Geschlecht und Nation in aktuellen Dauerausstellungen national-historischer Museen untersucht. Ziel der Untersuchung ist es, die Aushandlungs- und Vermittlungsprozesse der Kategorien Geschlecht und Nation anhand musealer Repräsentationen aufzuzeigen und zur Diskussion zu stellen.

Forschungsstand

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Museen war lange Zeit nur ein Nebenstrang von Disziplinen wie der Kunstwissenschaft, der Volkskunde, der Geschichtswissenschaft, der Sprachwissenschaft oder der Soziologie. Mittlerweile gibt es Institute, wie die Fakultät „Museum Studies“ an der University of Leicester, und Studiengänge, wie den Master „Museum und Ausstellung“ an der Universität Oldenburg, die explizit der Museologie beziehungsweise den Museum Studies gewidmet sind. Die Museumsforschung ist dabei weiterhin ein hochgradig interdisziplinäres Feld, in dem die gesellschaftliche Bedeutung von Museen aus den verschiedenen Blickwinkeln der Disziplinen untersucht wird. Joachim Baur macht spätestens seit den 1980er Jahren ein schnell zunehmendes Interesse an Museen „als Artefakte unserer Gesellschaft“ aus, welches bis heute eine Fülle an kritischen Studien zur Bedeutung und Funktion von Museen hervorgebracht hat (Baur 2010: 7). Es ist dabei weitgehend Konsens, dass Museen eine wichtige Funktion in der (Re-)Konstruktion und Vermittlung von Wissen einnehmen (Macdonald 2010; Bal 1996; Lepenies 2003). Entsprechend hat Eileen Hooper-Greenhill in ihrem Band „Museums and the Shaping of Knowledge“ (1992) die Art und Weise musealer Wissensbildungen untersucht. Sie betont, dass die museale Arbeit von vielfältigen gesellschaftlichen Akteur*innen geprägt ist und museale Wissensbildungen als Ausdruck eines jeweiligen ‚Zeitgeistes‘ verstanden werden können. Dieses Verständnis von Museen als Orten gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse ist die Folge einer Forschungsentwicklung, die als Neue Museologie bekannt wurde und die ihre Anfänge in den Bildungsreformbewegungen der 1960er und 1970er Jahre hatte. In einem Sammelband mit dem programmatischen Titel „New Museology“ (1989b) beschrieb Peter Vergo in der Einleitung das Ansinnen dieser Forschungsrichtung. Ziel sei es, nicht nur die Museumsarbeit zu untersuchen, sondern auch die gesellschaftlichen Gefüge, die die musealen Bedeutungsbildungen hervorbringen und prägen (Vergo 1989a).

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Die Diskurstheorie Michel Foucaults stellte für diese Auseinandersetzung mit Museen als Orten der Wissensproduktionen eine wichtige Grundlage dar (Macdonald 2010: 51). Davon ausgehend wurden museale Ausstellungen auch als Texte begriffen, die als Ergebnisse kultureller und politischer Aushandlungen hinterfragt wurden (Bal 1996). Ebenfalls zu dieser Zeit wurden in identitätspolitischen Aushandlungen Kritiken an kulturellen Repräsentationen geäußert, die auch Museen trafen. Besonders postkoloniale, feministische und queere Akteur*innen in Politik und Wissenschaft hinterfragten vor diesem Hintergrund die musealen Praxen (van Mensch 2016: 373). Zunächst wurden Museen allgemein dafür kritisiert in ihren Ausstellungen homogene Identitätsbilder zu schaffen, die gesellschaftlich marginalisierte Akteur*innen ausgrenzen würden. Gegenstand dieser Diskussionen waren sowohl Herkunft, Ordnung und Präsentation von Sammlungsbeständen, als auch die Kritik an stereotypisierenden Darstellungen des ‚Anderen‘ vor allem in ethnographischen Museen (Karp/Lavine 2006; Sherman/Rogoff 1994; Lidchi 1997; Bal 2006). Verschiedene Sammelbände, die Anfang der 1990er Jahre erschienen, können als richtungweisend für diese Repräsentationskritiken bewertet werden. 1991 wurde von Ivan Karp und Steven D. Lavine ein Konferenzband veröffentlicht, der sich in rassismuskritischer Weise mit Museen auseinandersetzt. Unter dem Titel „Exhibiting Cultures. The Poetics and Politics of Museum Display“ (hier 2006) sind Beiträge vereint, die die gesellschaftliche Wirkmacht und die Möglichkeit von Museen aufzeigen, gesellschaftliche Verhältnisse zu prägen, aber auch in Frage zu stellen. Der 1992 von Karp, Lavine und Christine Mullen Kreamer herausgegebene Sammelband „Museums and Communities“ (hier 2002) ging ebenfalls aus dieser Konferenz hervor und versammelt Aufsätze, die den wechselseitigen Einfluss von Museen und Gesellschaft diskutieren. 1994 erschien ein weiterer Band mit ähnlicher Stoßrichtung. In „Museum Culture“ (1994) bestimmen die Herausgeber*innen Daniel J. Shermann und Irit Rogoff Museen als Repräsentationsagenturen hegemonialer Kultur, in denen stereotypisierende Darstellungen vorherrschten. Dieser Sammelband enthält zudem einen Beitrag, der sich mit der Kategorie Geschlecht im Museum befasst. Die Mitherausgeberin Irit Rogoff (1994) zeigt in ihrem Artikel über die Darstellung von Faschismus in deutschen Museen auf, dass im Museum vermittelte Themen durch die Darstellungspraxen immer auch geschlechtlich konnotiert sind. So würden, laut Rogoff, Themen und Dinge häufig feminisiert repräsentiert, um sie als Opfer, passiv oder unbeteiligt zu kodieren. Mit diesen Repräsentationskritiken gingen Forderungen nach der Einführung von alternativen Repräsentationen wie zum Beispiel einer Multiperspektivität auf museal vermittelte Themenkomplexe einher (Lavine/Karp 2006: 7). Museen sollten insbesondere Frauen, Mi-

Einleitung | 21

grant*innen und Vertreter*innen indigener Gruppen vermehrt und angemessener repräsentieren (Macdonald 2010: 52f.). Während zunächst besonders ethnologische Museen, Kunstmuseen, Geschichts- und naturhistorische Museen im Fokus dieser Untersuchungen und identitätspolitischen Forderungen standen, gibt es mittlerweile auch eine breite Auseinandersetzung mit Museen, die explizit zur Repräsentation der Nation eingerichtet wurden. Es gibt vielfältige Untersuchungen nationaler Museen, die ebenfalls in der Tradition der Neuen Museologie stehen und die Bedeutungsbildungen nationaler Museen als staatlich beauftragter Bildungsinstitutionen hinterfragen. In einem Aufsatz über die Funktion und Beschaffenheit nationaler Museen hat Krysztof Pomian 1992 eine Klassifikation nationaler Museen vorgenommen. Er erläutert, dass Nationalmuseen zwar nicht auf eine bestimmte Museumsgattung (Kunstmuseum, Geschichtsmuseum etc.) beschränkt seien, jedoch entsprechend ihrer historischen Entwicklungen in zwei Formen der Repräsentation von Nation ausdifferenziert werden könnten. Museen aus der Zeit der Aufklärung bestimmten die jeweilige Nation als am Universalen beteiligt. Pomian spricht von Universalmuseen und nennt das British Museum als Beispiel. Im 19. Jahrhundert seien im Zuge nationalstaatlicher Legitimationen und Abgrenzungen hingegen Museen eingerichtet worden, die das Besondere und Einzigartige der Nation repräsentieren sollten. Pomian nennt diese entsprechend Spezialmuseen. Gemein sei beiden Formen von Museen, dass ihre Sammlungen in staatlichem Besitz lägen (Pomian 1992). Eine weitere wichtige Publikation zur Bestimmung nationaler Museen als identitätsstiftende Institutionen stammt von Tony Bennett. In seiner Monographie „The Birth of the Museum“ (1995) arbeitet er die Tradition der Einrichtung nationaler Museen als Teil staatlicher Politiken heraus. Ausgehend von Foucaults Disziplinierungsbegriff (1994) untersucht er die erzieherische Funktion, die Museen im 19. Jahrhundert erhielten, um die Gesellschaft nach bürgerlichen Idealen zu prägen und nationale Vergemeinschaftung zu konstituieren. Er betont, dass das moderne Museum neue Wissensordnungen hervorbrachte und gesellschaftliche Hierarchien historisierte (Bennett 1995: 96). 1999 versammelten David Boswell und Jessica Evans Aufsätze für einen Studien-Reader mit dem Titel „Representing the Nation“. Neben Tony Bennett diskutieren auch die weiteren Autor*innen in diesem Band die symbolischen Praxen, die der Konstruktion von Nation und nationaler Kultur dienen, und verweisen auf das Ansinnen der Museums- und Gedenkpolitik des 19. Jahrhunderts, homogene Kollektividentitäten zu stiften. Die Autor*innen verweisen zudem darauf, dass diese

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Homogenität in erster Linie eine weiße bürgerliche Gesellschaft repräsentiere (Evans 1999: 5). Neben der Auseinandersetzung mit den Bedeutungsbildungen nationaler Museen im 19. Jahrhundert gibt es mittlerweile auch eine breite Diskussion um die Repräsentationspraktiken nationaler Museen sowie die Anforderungen an diese vor dem Hintergrund der Globalisierung und Europäisierung. Nicht zuletzt in den 2000er Jahren wurden die vielfältigen Neugründungen und Umgestaltungen nationaler Museen kritisch begleitet sowie nach dem Sinn und der Aktualität von Nationalmuseen gefragt. Sharon MacDonald (2003) hat vor diesem Hintergrund die identitätsstiftenden Potentiale musealer Ausstellungen für die Vermittlung postnationaler und transkultureller Identitäten diskutiert. Gerade das Ausstellen von Geschichte habe sich in der Vergangenheit als beliebtestes Medium zur Stiftung homogener Gemeinschaftsvorstellungen etabliert und müsse in Zeiten der Migrationsgesellschaften aufgebrochen werden (ebd.: 3). Am Beispiel der Transcultural Galleries in Bradford, England zeigt sie auf, wie in Kooperation mit der lokalen Einwanderungsgesellschaft transnationale sowie hybride Identifikationsangebote geschaffen werden könnten (ebd.: 7). Weitere Publikationen verweisen bereits in ihren Titeln auf die Notwendigkeit einer Neupositionierung nationaler Museen. So zum Beispiel Flora Edouwaye S. Kaplan in ihrem Aufsatz „Making and (Re)Making National Identities“ (2006), der von Robin Ostow herausgebende Sammelband „(Re)Visualizing National History“ (2008b) oder der Konferenzband „The National Museums in a Globalized World“ (Madsen/Jørgensen 2010). Die Autor*innen des Bandes „(Re)Visualizing National History“ (Ostow 2008b) befassen sich aus einem universitären Kontext mit den Aufgaben und Funktionen nationaler Museen in Zeiten eines Aufweichens der Nation als Bezugsrahmen. Sie untersuchen die Konstruktionen nationaler Identität in verschiedenen Museen in Europa vor dem Hintergrund neuer europäischer Wertebildungen wie Demokratie, Multikulturalismus, Menschenrechte, freie Marktökonomie und Frieden (Ostow 2008a: 3). In dem Band „The National Museum in a Globalized World“ (Madsen/Jørgensen 2010) diskutieren hingegen Museumsvertreter*innen die Frage nach der Bedeutung ihrer Häuser in Zeiten der Globalisierung und ziehen Entwicklungslinien der unterschiedlichen Häuser nach. In dem abschließenden Beitrag dieses Bandes bemerkt Søren Kjørup (2010), dass die Museen sich vorwiegend auf ihre Geschichte und die Entwicklung ihrer Häuser konzentrierten, die Frage nach der Globalisierung jedoch ausklammerten. Er zeigt auf, dass Museen auch im 21. Jahrhundert an institutionellen Sinnbildungen des Nationalen festhalten. Rosemarie Beier-de Haan (2000, 2006), selbst Sammlungsleiterin im Deutschen Historischen Museum, hat dieses fortbestehende Interesse an nationaler Sinnstiftung

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an anderer Stelle mit einem Festhalten an festen Bezugsrahmen in Zeiten von Verunsicherungen erklärt. Kjørup (2010: 110f) fordert allerdings, nationale Museen müssten es sich zur Aufgabe machen, die Nation als Identifikationsrahmen zu dekonstruieren. Die Frage nach der Möglichkeit, nationale Narrative in Museen aufzulösen oder multiperspektivisch aufzubereiten, scheint auch in Publikationen auf, die Ergebnisse aus Forschungsprojekten darstellen. In dem Band „Exhibiting Europe in Museums“ (Kaiser et al. 2016) nehmen die Autor*innen Formen der Integration europäischer Bezüge in unterschiedlichen Ausstellungsnarrativen in den Blick. In dem Band „National Museums and Nationbuilding in Europe, 1750-2010“ (Aronsson/Elgenius 2015) zeigen die Autor*innen Veränderungen aber auch Kontinuitäten musealer Narrative vor dem Hintergrund der zunehmenden Europäisierung auf. Eine Perspektive auf Geschlechterkonstruktionen erscheint im Rahmen der Kritiken an musealen Identitätskonstruktionen zur Nation jedoch als Leerstelle. Der Schwerpunkt der bisher dargestellten Analysen und Repräsentationskritiken liegt auf Diskussionen um die Darstellbarkeit von Transnationalität und Multikulturalität in nationalen Museen. Die ebenfalls seit den späten 1970er Jahren geäußerten Kritiken aus feministischer Perspektive scheinen dazu parallel zu verlaufen, ohne sich in größerem Maße mit denen zur Analyse und Kritik nationaler Museen zu überschneiden. Zwar hat Tony Bennett (2010: 97) das Museum als Institution der Selbstvergewisserung eines männlich-bürgerlichen Subjektes thematisiert, welches von sexistischen und rassistischen Bedeutungsbildungen geprägt sei, die Geschlechterkonstruktionen der Institution hat er jedoch nicht vertieft untersucht. Feministische Untersuchungen zu Museen kritisierten zunächst das Fehlen von Frauen und deren Geschichten sowie Lebensweisen in den unterschiedlichsten Museumsgattungen. So betonte Viktoria Schmidt-Linsenhoff (1985), dass Frauen als handelnde Subjekte in Museen gänzlich fehlten. Darüber hinaus zeigte Elizabeth Carnegie (1996) auf, dass ein Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie Frauengeschichte präsentiert wird, und der Zahl weiblicher Besucherinnen bestehe. Sie vertritt die These, dass ein Interesse und eine Identifikation mit dem Gezeigten erst entstehen, wenn Menschen sich in den Ausstellungen angemessen repräsentiert fühlen. Entsprechend solcher Feststellungen wurden bestehende Repräsentationen weiblicher Akteurinnen in Museen immer wieder kritisch hinterfragt und neue oder alternative Repräsentationen eingefordert. Nach wie vor konzentrieren sich jedoch viele Untersuchungen von Museen, die sich der Kategorie Geschlecht widmen, vorwiegend auf die Verortung und Repräsentation von Frauen im Museum, ohne die Konstruktionen von Zweige-

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schlechtlichkeit oder Geschlecht im Sinne weiblicher und männlicher Zuordnungen zu thematisieren (Schmidt-Linsenhoff 1981; Hinterberger 2008; Döpfner 2016). Mieke Bal sowie auch Gaby Porter haben Museen allerdings als grundsätzlich gegenderte Institutionen herausgearbeitet und auf die Konstitution von Geschlechterdifferenz durch Museen verwiesen (Bal 1996; Porter 1996). Gaby Porters erstmals 1996 erschienener Artikel „Seeing through solidity. A feminist perspective on museums“ gilt mittlerweile als der klassische Text zur feministischen Museologie. Am Beispiel britischer Geschichtsmuseen hat sie nicht nur herausgearbeitet, dass Frauen in Museen nicht nur marginal dargestellt werden, sondern auch die Konstruktion sexueller Differenz in den Narrativen der Museen aufgezeigt. Dekonstruktivistischen Theorien folgend untersuchte sie nicht, ob das Ausgestellte wahr beziehungsweise richtig ist, sondern wie etwas durch museale Praxen zu richtig und wahr gemacht wird. (Porter 1996). Im deutschsprachigen Raum haben besonders die Museumswissenschaftlerinnen Roswitha Muttenthaler und Regina Wonisch in verschiedenen Studien (2002; 2006; 2007) die fehlende oder stereotype Repräsentation von Frauen sowie Konstruktionen von Geschlecht aufgezeigt. Sie haben verschiedene Museumstypen in den Blick genommen und sich unter anderem auch mit Konstruktionen von Nation und Geschlecht befasst. Sie betonen die Teilhabe von Museen an Diskursen um die Kategorien Nation und Geschlecht, die zu einer Naturalisierung dieser Identitätskategorien beitrage. Insbesondere die Publikationen „Gesten des Zeigens. Zur Repräsentation von Gender und Race in Ausstellungen“ (2006) sowie „Rollenbilder im Museum“ (2010) bieten für mein Untersuchungsinteresse hinsichtlich der interdependenten Konstruktionen von Geschlecht und Nation wichtige Bezugspunkte. In „Gesten des Zeigens“ untersuchen Muttenthaler und Wonisch die Konstruktion von Interdependenzen zwischen Identitätskategorien durch museale Ausstellungen am Beispiel der Kategorien Geschlecht und race3. In „Rollenbilder im Museum“ haben sie am Beispiel von Kunstmuse3

Ich verwende in meiner Arbeit den Begriff race, der aus der englischsprachigen Intersektionalitätsforschung in der Trias gender, race, class bekannt ist und sich auch im deutschen etabliert hat. Der deutsche Begriff ‚Rasse‘ wird auf Grund seiner Verschränkung mit der menschenverachtenden und –vernichtenden Rassenideologie im Nationalsozialismus zu Recht nicht mehr verwendet. Eine Verwendung des Begriffs Ethnie, der sich in Deutschland mittlerweile als Alternative durchgesetzt hat, halte ich für problematisch, da dieser ebenfalls von biologistisch begründeten Unterschieden zwischen Menschen ausgeht. Die Kursivsetzung des Begriffs race soll kenntlich machen, dass mit diesem Begriff eine diskursive Positionierung gemeint ist, die eine Naturalisierung von Privilegierungen, Unterdrückungen sowie Diskriminierungen zur Folge hat.

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en, Industriemuseen sowie nationalen Geschichtsmuseen Geschlechterkonstruktionen in Sammlungs- und Ausstellungspraktiken untersucht und aufgezeigt, dass gerade in Nationalmuseen die Darstellungen weiblicher und männlicher Personen und deren Handlungen nach stereotypen Mustern erfolgten, die nach wie vor Klischees von männlichem Genie und passiver Weiblichkeit wiederholen und fixieren. Eine weitere für meine Forschung aufschlussreiche Arbeit leistet Sarah Czerney. Ausgehend von den Diskussionen um Fragen zur Veränderung nationaler Museumsnarrative im Kontext der Europäisierung untersucht sie in ihrer Dissertation4, inwiefern eine Öffnung nationaler Narrative hinsichtlich transnationaler und europäischer Perspektiven in Museen auch eine Neukonzeption von Geschlechterrepräsentationen mit sich bringt. In einem Artikel in der Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur, FKW zeigte sie am Beispiel des muCEM (Musée des civilisations de l'Europe et de la Méditeranée) in Marseille erste ernüchternde Ergebnisse auf. Das Bemühen um eine geschlechtergerechte Narration beschränke sich in der Ausstellung auf stereotype Ergänzungen von Frauengeschichte in nach wie vor paternalistisch geprägte Nationalnarrative (Czerney 2015). Der Blick in die Forschung zeigt, dass Museen mit ihren Repräsentationen weiterhin konventionelle Geschlechtervorstellungen reproduzieren, obwohl es mittlerweile eine langjährige Auseinandersetzung mit Identitätskonstruktionen und davon ausgehend auch teilweise Öffnungen nationaler Narrative hinsichtlich globaler oder europäischer Perspektiven gibt. Die Art und Weise der geschlechtlichen Konnotierungen nationaler Narrative wurde bisher allerdings überwiegend anhand der Darstellungen von männlichen und weiblichen Akteur*innen untersucht. Weiterführende Analysen zur Repräsentation und (Re-)Konstruktion vergeschlechtlichter Wissensordnungen in ihrer Interdependenz mit aktuellen nationalen Narrativbildungen in Museen fehlen bisher jedoch.

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Die Dissertation wird unter dem Titel „Zwischen Nation und Europa. Nationalmuseen als Europamedien“ voraussichtlich im Frühjahr 2019 bei DeGruyter erscheinen.

Zwei Museen im Vergleich: Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit

Aus den bisherigen Forschungen zu Museen und ihren Ausstellungsweisen, die in der Tradition der diskurstheoretisch geprägten Neuen Museologie stehen, können für die Konzeption meiner Untersuchung folgende Hypothesen abgeleitet werden: Unser Verständnis von bestimmten Dingen und Verhältnissen als selbstverständlich, normal oder gar natürlich ist diskursbedingt. Museale Repräsentationspraktiken sind Teil diskursiver Aushandlungsprozesse und stellen gesellschaftliche Verhältnisse mit her. Dazu gehören auch jeweils spezifische Vorstellungen von Geschlecht und Nation als Identitätskategorien. Gerade Geschichtsmuseen entfalten vor diesem Hintergrund eine besondere Wirkmacht, da gegenwärtige Verhältnisse über die Vermittlung von Geschichte historisiert und mitunter als immer da gewesene Konstanten wahrgenommen werden. Gerade die Bedeutungsbildungen in Dauerausstellungen von Geschichtsmuseen haben auf Grund der langfristig angelegten Sichtbarkeit dieser Ausstellungen eine besonders hohe Reichweite. Vor diesem Hintergrund wurden für die Untersuchung musealer Konstruktionsleistungen zu Geschlecht und Nation Museen ausgewählt, die explizit der Vermittlung nationaler Geschichte gewidmet sind und Dauerausstellungen eingerichtet haben. Ausgehend von der Annahme, dass Geschlecht und Nation interdependent verwoben sind, stellt sich die Frage, ob unterschiedliche Formen der Repräsentation von Nation in musealen Ausstellungen auch unterschiedliche Geschlechterkonstruktionen nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund wurden Museen ausgewählt, die nationale Geschichte in ihren Ausstellungen jeweils auf unterschiedliche Weise konzipiert haben. Zum einen soll die Dauerausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ des Deutschen Historischen Museums in Berlin untersucht werden und zum anderen die Dauerausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ (Dänemarks Geschichten 1660-2000) des Dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen. Beide Ausstellungen wurden Anfang

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der 2000er Jahre eröffnet und beanspruchen für sich, die jeweils als national bestimmte Geschichte multiperspektivisch zu repräsentieren. Während das Deutsche Historische Museum betont, in seiner Ausstellung deutsche Geschichte mit Bezügen zur europäischen Geschichte zu vermitteln, verweist das Dänische Nationalmuseum auf Konzepte der Geschichtspluralität und erläutert, in seiner Ausstellung dänische Geschichte aus der Sicht der vielfältigen Menschen zu zeigen, die in Dänemark lebten und leben. Auf institutioneller Ebene haben beide Museen gemeinsam, dass sie im Auftrag der jeweiligen Regierung arbeiten und durch diese finanziell gefördert werden, was nach Pomian Kriterien sind, nach denen sie als Nationalmuseen bestimmt werden können (Pomian 1992: 21). Diese staatlich gestützte institutionelle Rahmung lässt beiden Museen eine ähnlich prominente Sprecher *innenposition in den diskursiven Bedeutungsbildungen des jeweiligen Landes zukommen. An einigen Punkten unterscheiden sich die Museen allerdings auch auf institutioneller Ebene. Entsprechend Pomians Differenzierung nationaler Museen kann das Nationalmuseum in Dänemark als Universalmuseum bestimmt werden. Die Planungen und Gründungsbemühungen um das Dänische Nationalmuseum zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden schließlich mit dem Ziel verknüpft, Dänemark trotz territorialer Verluste weiterhin als am Weltgeschehen beteiligt zu repräsentieren. Das Deutsche Historische Museum gehört zu den Museen, welche in der zweiten Welle der Neugründungen nationaler Museen in den 1980er Jahren gegründet wurden. Es repräsentiert zudem eine Landesgeschichte mit vielen Brüchen und Einschnitten. Mit Pomian deute ich das Deutsche Historische Museum daher als Typ des Spezialmuseums, welches die Einzigartigkeit der nationalen Geschichte hervorhebt, sowohl im Positiven als auch im Negativen, zum Beispiel hinsichtlich des Nationalsozialismus. Im Unterschied dazu kann Dänemark auf eine relativ lange und ruhige Geschichte der nationalen Vergemeinschaftung zurückblicken und erlebte in der jüngeren Vergangenheit keine größeren Einschnitte und Brüche. Zudem gilt für Dänemark – wie auch für andere skandinavische Länder – die Annahme, dass Geschlechtergerechtigkeit im Sinne von gesellschaftlicher und politischer Partizipation besonders gut verwirklicht ist, wohingegen Deutschland bei der Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit im europäischen Vergleich hinter dem Durchschnitt liegt.5

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Laut dem „Gender Equality Index“ des European Institute for Gender Equality (EIGE) lag Dänemark 2010 und 2015 auf Platz 2 des Rankings von insgesamt 28 EUStaaten, wohingegen Deutschland 2010 auf Platz 11 und 2015 nur auf Platz 12 stand und jeweils unterhalb des europäischen Durchschnitts lag (EIGE 2010, 2015).

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Diese zunächst nur kurz angesprochenen landesspezifischen diskursiven Positionierungen der Museen und ihrer Ausstellungen waren entscheidende Kriterien für die Auswahl, da gerade die jeweils spezifischen zeit- und ortsgebundenen Bedeutungsbildungen untersucht werden sollen. Entsprechend dieses Vorhabens konzentriere ich mich im Rahmen des Vergleichs nicht in erster Linie auf mögliche Gleichheiten der musealen Bedeutungsbildungen, sondern auf die möglicherweise unterschiedlichen Auswirkungen der jeweiligen Konzeption nationaler Geschichte auf die Geschlechterkonstruktionen. Bisherige Forschungen haben sowohl herausgearbeitet, dass Frauen in nationalen Narrativen häufig unterrepräsentiert sind, als auch, dass Geschlecht im Museum im Sinne einer Zweigeschlechtlichkeit konzipiert wird, die Frauen und Männern ungleiche Bedeutungen in den Nationenkonstruktionen zuschreibt. Mit diesem Vorwissen wird in dieser Arbeit eruiert, welche Themenschwerpunkte und Repräsentationsmodi zur Vermittlung nationaler Geschichte gesetzt werden und wie diese durch spezifische Darstellungsweisen und die Auswahl bestimmter Objekte oder Texte geschlechtlich konnotiert sind. Die Ausstellungsanalysen gehen entsprechend der Art und Weise nach, in der die beiden nationalhistorischen Museen zur diskursiven Bildung von Vorstellungen über die Kategorien Nation und Geschlecht und deren gegenseitige Bedingtheit beitragen. Es wird daher auch untersucht, an welche gesellschafts- und kulturpolitischen Diskurse über Geschlecht und Nation die Darstellungsweisen anknüpfen, welche Aushandlungen zur Nation als Bezugsrahmen in den aktuellen Ausstellungen Ausdruck finden und welche Geschlechterkonstruktionen mit den jeweils spezifischen Konstruktionen von Nation einhergehen. Für die Untersuchung hinsichtlich dieser Fragen ist es notwendig, sowohl die Komplexität der musealen Ausstellungen zu erfassen als auch deren Bedingtheit durch die gesellschaftspolitischen Rahmungen. Es gilt sowohl das Museum als Vermittler bestimmter Narrative und Inhalte zu verstehen und in seiner institutionellen Form und Funktion zu untersuchen als auch die unterschiedlichen Vermittlungsmodi und Objekte sowie deren Positionierung innerhalb der Ausstellungen zu analysieren. Zu diesem Zweck wurde ein diskurstheoretisch geprägtes Vorgehen entwickelt, welches als Rahmung für unterschiedliche Analyseverfahren dient. Das methodische Vorgehen, die herangezogenen Quellen, die theoretischen Grundannahmen sowie eine Auseinandersetzung mit musealen Bedeutungsbildungen werden im zweiten Kapitel dieser Arbeit dargestellt. Dabei werden zum einen die Bedeutung der theoretischen Konzepte Diskurs, Repräsentation und Identität für diese Arbeit herausgearbeitet sowie Geschlecht und Nation als Analysekategorien besprochen. Zudem erfolgt in diesem Kapitel eine

30 | Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation

Auseinandersetzung mit Geschichtsmuseen als Orten der Wissensbildung und Identitätsstiftung. Entsprechend des Vorhabens, mögliche Unterschiede musealer Bedeutungsbildungen herauszuarbeiten, werden in den darauffolgenden Kapiteln die beiden Museen und ihre Ausstellungen zunächst unabhängig voneinander untersucht. Um den spezifischen Modi der Bedeutungsbildung in den beiden Museen umfassend nachzugehen, folge ich den Narrativen der Ausstellungen und untersuche sie entlang jeweils ermittelter Themenschwerpunkte. Im Anschluss an die separate Besprechung beider Museen und ihrer Ausstellungen werden die Ergebnisse in einen Vergleich gesetzt, um Bezüge herstellen zu können und die Bedeutung unterschiedlicher Konzeptionen von Nation für die Geschlechterkonstruktionen evaluieren zu können. Im abschließenden Kapitel werden anhand dieses Ergebnisvergleichs Antworten auf die Fragen hinsichtlich der Art und Weise, in der Museen zu aktuellen Aushandlungen der interdependenten Identitätskategorien Geschlecht und Nation beitragen, gegeben. Ebenso wird das methodische Vorgehen reflektiert und davonausgehend weiterführende Gedanken für die Museologie aber auch für die museale Vermittlung dargelegt.

Theoretische und methodische Annäherungen

Diskurs, Repräsentation, Identität 6

Die Untersuchung basiert auf der Annahme, dass gesellschaftliche Realitäten das Ergebnis orts- und zeitgebunder Aushandlungen und Wissensproduktionen sind. In Museen wird spezifisches Wissen hergestellt und vermittelt, welches zur Identifikation nationaler, regionaler oder lokaler Gemeinschaften beitragen soll. Diese Aushandlungsprozesse und Wissensproduktionen hat Michel Foucault als diskursive Praxen bestimmt. Sein Diskursbegriff beinhaltet die Annahme, dass Wirklichkeit durch spezifische Wissensproduktionen konstituiert und in der Folge als natürliche und immer schon dagewesene Einheit wahrgenommen wird. Vor diesem Hintergrund sind Diskurse nach Foucault als produktive Prozesse zu verstehen, „die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Foucault 2013: 75). Besonders ab dem 19. Jahrhundert macht Foucault für westliche Gesellschaften einen „Willen zur Wahrheit“ aus, der einer vermeintlich immer schon dagewesenen Wirklichkeit auf den Grund gehen sollte. Allerdings führten erst die vor diesem Hintergrund entstandenen Formen der Wissensproduktion zu einer Bildung und Festlegung von bestimmten Wahrheiten. Die jeweilige Wahrheit über einen Gegenstand werde, so Foucault, vor allem auf institutioneller Ebene begründet und verbreitet: „Der Wille zur Wahrheit stützt sich […] auf eine institutionelle Basis: er wird zugleich verstärkt und ständig erneuert von einem ganzen Geflecht von Praktiken wie vor allem natürlich der Pädagogik, dem System der Bücher, der Verlage und der Bibliotheken, den gelehrten Gesellschaften einstmals und den Laboratorien heute.“ (Foucault 2012: 15).

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Erste Ausführungen der folgenden drei Kapitel wurden 2016 bereits in einem Artikel veröffentlicht (Spanka 2016). In der Dissertationsschrift wurden die Ausführungen des Artikels überarbeitet und weiter ausgeführt.

34 | Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation

Davon ausgehend verstehe ich Museen ebenfalls als Institutionen der Wahrheitsbildung und -vermittlung. Sie wurden besonders im Laufe des 19. Jahrhunderts mit dem Auftrag der Bildung, also der Wissensverbreitung, vermehrt gegründet. Mit meiner Untersuchung von musealen Ausstellungen folge ich zwar dem Fokus Foucaults auf Institutionen als Orte der Wissens- und Bedeutungsproduktion, ich möchte aber einen wichtigen Aspekt diskursiver Aushandlungsprozesse betonen: Die diskursive Wirkmacht entfaltet sich nicht allein auf einer institutionellen Ebene, sondern in allen Aushandlungen und Alltagspraxen gesellschaftlicher Akteur*innen. Es ist das Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Akteur*innen – von der Privatperson bis hin zu Politiker*innen oder auch Museumsschaffenden –, welches Bedeutungen schafft und bestimmt, was zu einem spezifischen Zeitpunkt sag- und denkbar ist. Dies geschieht in der Regel nicht in dem konkreten Bewusstsein gesellschaftliche Wirklichkeit mitzugestalten. Margarete Jäger erläutert, Diskurse seien immer zugleich Resultat und Ausgangspunkt der Bemühungen aller Individuen einer Gesellschaft, in dieser aktiv zu sein, ohne dass die einzelnen Individuen dabei „willentlich und wissentlich“ agierten (Jäger 2008: 380). Vor diesem Hintergrund ist Macht nicht als einseitig wirksam oder ausschließlich unterdrückend zu verstehen. „Eher ist wohl anzunehmen, daß Macht Wissen hervorbringt; daß Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; daß es keine Machtbeziehung gibt, ohne daß sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert.“ (Foucault 1994: 39)

Innerhalb kontinuierlicher Prozesse, an denen gesellschaftliche Akteur*innen auf unterschiedliche Weise beteiligt sind, werden Gegenstände, Denkweisen, Handlungsmöglichkeiten hervorgebracht, können aber auch wieder verworfen werden. Foucaults Diskursbegriff folgend ist Macht somit zunächst einmal als produktiv zu verstehen. Die jeweils gegenwärtigen Macht/Wissen-Konstellationen einer Gesellschaft (re-)produzieren in beständiger Wechselwirkung das, was als wirklich und wahr gilt. Innerhalb der Diskurse bestehen allerdings Machthierarchien, durch die bestimmte Individuen oder Gruppen stärkere Sprecher*innenpositionen innehaben als andere und somit mehr Einfluss auf gesellschaftliche Wissensbestände, deren Verbreitung und die Konstitution von Wirklichkeit nehmen können. Eine jeweilige diskursive Ordnung besteht laut Foucault immer aus Regeln und Ausschlie-

Theoretische und methodische Annäherungen | 35

ßungen, die bestimmen, welche Individuen oder Institutionen zu einem bestimmten Zeitpunkt legitim sprechen können und gehört werden (Foucault 2012). Museen zum Beispiel kommt häufig eine starke Sprecher*innenposition zu, da sie als außerschulische Bildungsinstitution den Auftrag haben, gesellschaftliches Wissen zu bewahren und zu verbreiten. Diese Arbeit wird in der Regel durch politische Institutionen, wie eine jeweilige Regierung, legitimiert. Diskursiv hervorgebrachtes Wissen, wie es in musealen Ausstellungen vermittelt wird, wird demnach im Alltag als Darstellung und Beschreibung von Wahrheit anerkannt und kann „[…] als Applikationsvorgabe[n] für individuelles und gesellschaftliches Handeln, soziale Praktiken und damit für gesellschaftliche Entwicklungen insgesamt […]“ verstanden werden (Jäger 2008: 379). Diskurse, verstanden als Träger und Vermittler von Wissen sowie als Orte, an denen Bedeutung ausgehandelt wird, ist also von Machtstrukturen durchzogen, die sich auf das Alltagswissen und -handeln auswirken. Da, wie zuvor beschrieben, alle Mitglieder einer Gesellschaft an den diskursiven Aushandlungsprozessen und Bedeutungsbildungen beteiligt sind, besteht immer auch die Möglichkeit für Veränderungs- und Transformationsprozesse der jeweiligen Macht/Wissen-Konstellationen. Hannelore Bublitz bestimmt die „soziale Ordnung als (Selbst-)Entwurf des Menschen, der immer wieder zur Disposition gestellt wird und dessen sozialer Ort nicht definitiv ein für alle Mal gegeben ist“ (Bublitz 2011: 246f.). Sie plädiert für kritische Untersuchungen solcher Prozesse, um die Konstruiertheit kultureller Selbstverständlichkeiten, wie zum Beispiel die Vorstellung einer natürlichen Zweigeschlechtlichkeit, sichtbar und hinterfragbar zu machen und somit Veränderungsprozesse anzustoßen (ebd.: 277). Auch Foucault hat solche Untersuchungen vorgenommen. Ihm zufolge sind diskursive Macht/Wissen-Produktionen in den vielfältigen Äußerungsformen gesellschaftlicher Kommunikation sichtbar und analysierbar. Er selbst hat zwar überwiegend geschriebene Texte als diskursive Äußerungen untersucht. In seinem Werk „Archäologie des Wissens“ hat er jedoch auf die vielfältigen Formen diskursiver Äußerungen hingewiesen: auch Grafiken, Statistiken, Kommentare oder Bilder können als diskursive Äußerungen untersucht werden (Foucault 2013: 119f.). Stuart Hall (1997: 44) erläutert dazu, dass Diskurse immer aus einer Menge von Aussagen bestehen, die die Sprache oder Repräsentation von Wissen über ein bestimmtes Thema zu einer bestimmten Zeit bereitstellen. Ausgehend von der foucaultschen Diskurstheorie bestimmt Hall Repräsentationen als Deutungskonventionen, mit denen spezifisches Wissen sowie Wirklichkeiten gestaltet werden und betont deren räumliche und zeitliche Gebundenheit:

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„Knowledge does not operate in a void. It is put to work, through certain technologies and strategies of application, in specific situations, historical contexts and institutional regimes.“ (Hall 1997: 49)

Worte, Geräusche und Bilder sind, laut Hall, als Zeichen zu verstehen, die unsere Vorstellungen von etwas innerhalb eines räumlich- und zeitlich spezifischen Bedeutungssystems repräsentieren. Kein Gegenstand – sei es ein Objekt, eine Person oder ein symbolisches Konzept – trage von sich aus Bedeutung in sich. Erst durch die jeweils spezifischen Repräsentationssysteme entstünden spezifische Bedeutungen, die die jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen über etwas zu einer bestimmten Zeit herstellen, festschreiben, aber auch das Potential enthielten, diese in Frage zu stellen. Der Prozess der Repräsentation verlaufe immer innerhalb bestehender diskursiver Regeln und bediene sich aktueller sozialer Konventionen der Äußerung, bilde diese mit und reproduziere sie (ebd.: 1921). Joachim Baur bezeichnet Museen dementsprechend als „Repräsentationsagenturen par excellence“ (2015: 96). In musealen Ausstellungen entstehen mittels der Anordnung von Texten, Bildern und Objekten Repräsentationen, die von den jeweils aktuellen diskursiven Aushandlungsprozessen bestimmt sind. Die in meinem Fall untersuchten Ausstellungen nationaler Geschichte schaffen durch ihre jeweils spezifischen Zusammenstellungen Bedeutungen über die Konzepte Nation und Geschlecht. Repräsentationen sind somit nicht als einfache Abbildungen einer bereits existierenden ‚Realität‘ zu verstehen, sondern als Teil der gesellschaftlichen (Re-)Konstruktionen der Bedeutungsbildung bestimmter Themen, Dinge oder Werte (ebd.: 97). Johanna Schaffer (2008: 78) zeigt eine weitere wichtige Eigenschaft der Bedeutungsbildungen durch Repräsentationen auf. In der Praxis der Repräsentation vollziehe sich immer ein doppelter Prozess; zum einen werde durch die Repräsentation im Sinne der Wortbedeutung etwas, das abwesend ist, anwesend gemacht, gleichzeitig wird das nun Anwesende in der Form festgeschrieben, in der es repräsentiert ist. Im historischen Museum werden über die jeweilige Darstellung der Vergangenheit zum Beispiel bestimmte Themen, Werte und Akteur*innen repräsentiert, sprich anwesend gemacht. Die repräsentierten Themen oder Akteur*innen werden für die Gegenwart als bedeutsam bestimmt und sichtbar gemacht, so dass ich auch von Vergegenwärtigungen spreche. Schaffer weist darauf hin, dass Repräsentationen immer nur eine spezifische Darstellung von etwas bieten können und andere Aspekte unsichtbar machen. So werde durch das Anwesend-Machen immer auch etwas abwesend gemacht und es entstünden neue Ausschlüsse (ebd.). Antonia Schmid (2012: 85-87) betont, dass so entstan-

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dene Anwesenheiten und Abwesenheiten das Ergebnis der jeweils gegenwärtigen Macht/Wissen-Konstellationen einer Gesellschaft seien. Einer Argumentation Sigfried Kracauers folgend deutet sie Repräsentationen als das aktive Bemühen einer Gesellschaft einen wahrgenommenen Mangel (etwas Abwesendes) zu beheben (anwesend zu machen). Diese Bemühungen entstehen immer vor einem jeweils spezifischen historischen und räumlichen Kontext. In der Untersuchung von Repräsentationen sieht Schmid nicht nur die Möglichkeit Konstruktionsprozesse aufzuzeigen, sondern auch sich mit den Bedürfnissen, Wünschen und Zielen einer Gesellschaft oder bestimmter Gruppen zu einer bestimmten Zeit auseinanderzusetzen. Ebenso wie allgemein für diskursive Aushandlungen erläutert, ist es in diesem Zusammenhang wichtig zu verstehen, dass auch die durch Repräsentationen hervorgebrachten Bedeutungen auf einem Mitwirken aller gesellschaftlichen Akteur*innen beruhen. Repräsentationen entstehen immer in einem Zusammenspiel diskursiver, institutioneller Repräsentationsbedingungen (historische und institutionelle Ebene), individueller Repräsentationsentscheidungen (Einzelpersonen oder Gruppen) sowie ihrer Interpretationen (Rezeptionsebene). Zwar liegt bei meiner Untersuchung der Fokus auf der Ebene der diskursiven und institutionellen Repräsentationsbildungen, es ist aber wichtig mitzudenken, dass Bedeutungen und Wissensproduktionen im Wechselspiel dieser verschiedenen Ebenen stattfinden. Auch jeweils individuelle Interpretationsweisen sind an den Bedeutungsbildungen von Repräsentationen beteiligt und können zu Bestätigungen, Missinterpretationen und Umdeutungen führen. Gerade visuell vermittelte Repräsentationen, wie sie in musealen Ausstellungen zu finden sind, entfalten eine besondere Wirkmacht. Sie sind vermeintlich einfach und eindeutig zu interpretieren, da sie häufig dem Gegenstand, den sie repräsentieren, ähneln (Hall 1997: 19). So kommt ihnen eine hohe Überzeugungskraft zu, die oft als Authentizität des Gezeigten gedeutet wird. Die Macht/Wissen-Produktionen in Museen, basieren primär auf visuellen Repräsentationen und gelten daher als besonders authentisch beziehungsweise glaubwürdig. Hall weist allerdings auf die bedeutungsbildende Komponente der Interpretation hin und betont, dass auch visuelle Repräsentationen mehrdeutig seien und es zu unterschiedlichen Interpretationen kommen könne (ebd.: 20). In meiner Untersuchung frage ich daher nicht, ob etwas ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ dargestellt ist, sondern, wie etwas repräsentiert wird und was diese spezifischen Bedeutungsproduktionen über die jeweiligen gesellschaftlichen und diskursiven Bedingungen zur Zeit der Gestaltung einer Ausstellung aussagen können.

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Identitäten, verstanden als Eigenschaftsbestimmung von Individuen und Gruppen, sind Teil der diskursiv hervorgebrachten Macht/Wissen-Konstellationen und sind vor diesem Hintergrund als prozesshaft und niemals als eindeutig festgelegt zu verstehen. Bei der Konstitution von Identitäten spielen Fragen der Differenzbildung von Gruppen oder Individuen sowie ein jeweiliges Abgrenzen voneinander eine maßgebliche Rolle. Hall bestimmt Identität daher auch als einen Effekt von Differenzbildungen und Ausgrenzungen (Hall 2004b). Eine bestimmte Vorstellung von Identität entstehe durch die Bestimmung eines spezifischen Sets an Eigenschaften sowie durch den Ausschluss anderer Eigenschaften. Mittels diskursiver Wissensproduktionen wird Identität als Identifikationspunkt für Individuen und Gruppen wirksam und handlungsleitend. „Identitäten sind konstruiert aus unterschiedlichen, ineinandergreifenden, auch antagonistischen Diskursen, Praktiken und Positionen. Sie sind Gegenstand einer radikalen Historisierung und beständig im Prozess der Veränderung und Transformation begriffen.“ (ebd.: 170)

Die diskursive Hervorbringung von Identitäten ist demnach von jeweils gegenwärtigen Bedingungen bestimmt. Ilse Lenz betont die Entstehung von Identität „im Spannungsfeld von Werten, Normen und Repräsentationen und von sozialen Ungleichheiten“ (Lenz 2010: 160). Identitäten kommt dadurch eine besonders bedeutsame Funktion als Bezugspunkte im Kontext sozialer Ordnungen zu. Mittels spezifischer Identitätszuordnungen ist das gesellschaftliche Miteinander zu einem großen Teil strukturiert und die jeweiligen Zuschreibungen und Identitätsvorstellungen werden im Alltag als selbstverständlich und unveränderlich wahrgenommen. Diese vermeintliche Unveränderlichkeit von Identitäten ist besonders wirkmächtig, da Identitätsvorstellungen häufig mit bestimmten materiellen Existenzen, wie zum Beispiel den physischen Erscheinungen von Individuen, verknüpft werden. Unabhängig davon, dass auch die Wahrnehmungen von solchen physischen Erscheinungen gesellschaftlich geprägt sind, lässt die Verknüpfung von Identitätszuschreibungen mit körperlicher Materialität das Konzept Identität in hohem Maße als natürlich erscheinen und hat für Gruppen und Individuen weitreichende Folgen. Die Aushandlungen von Identitätspositionen auf der Grundlage von Körpern gehen immer einher mit Ausgrenzungs- und Hierarchiebildungen zwischen verschiedenen Polen wie zum Beispiel Mann und Frau oder Alt und Jung usw., zu denen Individuen zugeordnet werden oder als nicht-zugehörig bestimmt werden. Innerhalb diskursiver Aushandlungen kommen Individuen

Theoretische und methodische Annäherungen | 39

dann aufgrund solcher unterschiedlichen Positionierungen beziehungsweise Zugehörigkeiten unterschiedliche Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten zu. Ausgehend von diskurstheoretisch sowie sozialkonstruktivistisch geprägten Debatten, haben politische Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen die vermeintlich natürliche Gegebenheit von Identitätseigenschaften aufgrund körperlicher Anatomie jedoch infrage gestellt (Eickelpasch/Rademacher 2004: 6). Mit dem Konzept des Doing Gender wurde diesen Überlegungen in Bezug auf Geschlecht ein Name gegeben, der sich weitgehend durchgesetzt hat und zum Schlagwort für die Auseinandersetzungen um Konstruktionen von Geschlecht wurde (Villa 2008: 148). Candace West und Don H. Zimmerman kritisieren in ihrem Artikel „Doing Gender“ (1987) die bis dahin gängige analytische Trennung der Einheiten sex als biologischem Geschlecht und gender als sozialem Geschlecht. Sie fordern, biologische und soziale Eigenschaften nicht voneinander getrennt zu untersuchen, da sie in Wechselwirkung zueinander stünden und sich kontinuierlich gegenseitig (re-)produzieren. „Doing gender involves a complex of socially guided perceptual, interactual, and micropolitical activities that cast particular pursuits as expressions of masculine and feminine ‚natures‘.“ (ebd.: 126)

Weitergedacht gelten diese Überlegungen nicht nur für die Frage nach der Kategorie Geschlecht, sondern können auf jegliche Vorstellungen von Identität im Sinne eines Doing Identity übertragen werden. Identität wird in diesem Sinne permanent (neu) hergestellt und ist nicht einfach als Folie, die auf körperliche Merkmale gelegt wird, zu verstehen. Identitäten sind demnach weder abgeschlossen oder unveränderlich noch sind sie als singuläre, einheitliche Positionen zu verstehen. Ein Individuum ist demnach niemals nur Frau, nur Arbeiterin oder nur Schwarz7. Mit dem Begriff der Intersektionalität führte Kimberlé Cranshaw Ende der 1980er Jahre zu diesen Überlegungen ein Theoriegerüst ein, mit dem „die wechselseitigen Einflüsse sozialer Ungleichheiten etwa nach Geschlecht, Klasse oder ‚Rasse‘“ thematisiert werden (Cranshaw 1989, zit. nach Lenz 2010: 158). Verschiedene Identitätspositionen sind nicht einzeln voneinander abgrenzbar, sondern immer interdependent miteinander verschränkt (Walgenbach 2007). 7

Die Großschreibung des Wortes Schwarz soll auf die Selbstermächtigung Schwarzer Personen hinweisen, die sich gegen rassistische Strukturen wenden. weiß wird im Gegenzug klein und kursiv geschrieben, um die asymmetrischen Zugänge zu Macht innerhalb einer (kolonial)rassistisch geprägten Gesellschaft aufzuzeigen (AG Feministisch Sprachhandeln 2014/2015: 45, 47).

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Bereits die jeweiligen Aushandlungsprozesse, die Prozesse des Doings, vollziehen sich in der Wechselwirkung verschiedener Identitätspositionierungen. Dabei entstehen jeweils spezifische Eigenschaftszuschreibungen, Anforderungen und Handlungsrahmen für verschiedene Gruppen und Individuen. Vorstellungen über Geschlecht sind zum Beispiel immer auch im Kontext nationaler Identitätsentwürfe zu betrachten und umgekehrt. Innerhalb einer Identitätskategorie – wie zum Beispiel Frau – gibt es vielfältige Identitätspositionen, die niemals einheitlich sind. Die US-amerikanische Bürgerrechtsaktivistin und Feministin Audre Lorde verlieh diesem Umstand mittels variierender Selbstbezeichnungen wie „black, lesbian, feminist, socialist mother of two“ (1997: 374) oder „Frau Poetin Lesbe Mutter Liebhaberin Lehrerin Freundin Kämpferin [sic!]“ (2015: 70) Ausdruck. Durch das jeweils spezifische Zusammenspiel der verschiedenen Identitätspositionierungen bieten sich allerdings für Individuen jeweils unterschiedliche Handlungsräume und -möglichkeiten. In dieser Arbeit folge ich diesem Verständnis von Identität als heterogen sowie orts- und zeitgebundener Situation. Verwendete Begriffe wie ‚Frau‘, ‚Mann‘, ‚Deutsche‘ oder ‚Arbeiterin‘ sind entsprechend als Konstrukte gedacht, deren Bezeichnungen jeweils nur auf die situative Bedeutung von Identität verweisen. Im Folgenden wird diese situative Gewordenheit von Identitätskonzepten für die Kategorien Geschlecht und Nation in ihrer Interdependenz näher beleuchtet. Das Wissen um die vielfältigen Verschränkungen von Identitätspositionen im Hinterkopf behaltend, habe ich für eine vertiefende Untersuchung diese beiden Kategorein ausgewählt, da sie im Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher und individueller Identitätsbildungen zwei maßgebliche Konzepte sind, auf die staatliche Identitätspolitiken rekurrieren und somit in national-historischen Aushandlungen eine besondere Rolle spielen.

Zur Interdependenz von Geschlecht und Nation

Entsprechend der oben dargestellten Überlegungen zur konstruktiven Wirkmacht von Diskursen und Repräsentationen bestimmt Benedict Anderson in seiner erstmals 1987 erschienenen Monografie „Die Erfindung der Nation“ die Nation und eine damit einhergehende Annahme von Nationalität als Identitätseigenschaft als ein von einer Gruppe von Menschen geschaffenes Konstrukt – als eine „vorgestellte politische Gemeinschaft“ (hier Anderson 2005: 15). Der Begriff der Vorstellung bezieht sich bei Anderson darauf, dass Menschen sich zum einen als Teil einer Gemeinschaft identifizieren, ohne dass sie die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinschaft je wirklich kennenlernen oder wissen, ob Gemeinsamkeiten zwischen ihnen bestehen, und sich zum anderen von Individuen abgrenzen, die vermeintlich nicht zu dieser vorgestellten Gemeinschaft gehören (ebd.). Damit folgt er Vordenker*innen wie Ernest Gellner, der bereits 1964 wie folgt auf den hergestellten Charakter von Nation hinwies: „Nationalismus ist keineswegs das Erwachen von Nationen zu Selbstbewusstsein: man erfindet Nationen, wo es sie vorher nicht gab“ (Gellner 1964, zit. nach Anderson 2005: 16). Im deutschsprachigen Raum beschrieb Karl W. Deutsch 1972 die Nation als „eine Gruppe von Menschen, die durch einen gemeinsamen Irrtum hinsichtlich ihrer Abstammung und eine gemeinsame Abneigung gegen ihre Nachbarn geeint ist“ (Deutsch 1972, zit. nach Assmann 2007: 183). Bei Anderson liegt der Fokus der Auseinandersetzung auf der Entstehung und Funktion des Konzeptes Nation in modernen Gesellschaften. In einem kontinuierlichen Prozess habe das Konzept Nation seit dem 18. Jahrhundert die gemeinschaftsstiftenden Konzepte Monarchie und Religion überlagert (Anderson 2005: 20). Es diene seitdem als Bezugsrahmen unter dem sich Menschen als zueinander gehörig verstünden und sich in der Vorstellung einer gemeinsamen, kollektiven Identität verbänden. Er bezeichnet Nation als ein „kulturelles Kunstprodukt“ (ebd.: 14), welches ständig neu ausgehandelt, hergestellt und bestätigt

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werde. Nation basiere insbesondere auf einer gemeinsam genutzten Sprache und benötige fortlaufende Erzählungen und Überlieferungen einer gemeinsamen Geschichte, die sie legitimieren. Museen beschreibt Anderson in diesem Zusammenhang als eine wichtige Vermittlungsinstanz der Nation und ihrer Geschichte (Anderson 2005: 164). Zusammen mit den Institutionen Zensus und Landkarte seien Museen bedeutsame Instrumente für die Konstruktion von Nation. Hier werde definiert und vermittelt, welche Individuen und Territorien eine Nation ausmachen, wie diese aussehen und was deren ‚gemeinsame‘ Vergangenheit sei (ebd.: 163-187). Mit Antonia Schmid (2012) gedacht, kann die Repräsentation einer nationalen Gemeinschaft und deren Vergangenheit durch Zensus, Landkarte und Museum als Befriedigung des Bedürfnisses von Menschen nach Zusammengehörigkeit und Selbstvergewisserung gedeutet werden. Während Anderson der Kategorie Geschlecht in seiner Arbeit nur wenig Aufmerksamkeit schenkt, wurde in Auseinandersetzungen zur Kategorie Geschlecht immer wieder auf die nationalen Interessen an spezifischen Geschlechterkonstruktionen hingewiesen. Ebenso wie Anderson hat Foucault (1983) die Ablösung des Feudalsystems durch das Konzept der Nation als einen besonderen Transformationsprozess gesellschaftlicher Zugehörigkeiten und Ordnungen herausgearbeitet. Im Zuge gesellschaftlicher Transformationen seit dem Dreißigjährigen Krieg und durch die Aufklärung veränderte sich das bestehende Machtgefüge. Macht stützte und legitimierte sich, laut Foucault, zunehmend über das Bemühen um den Erhalt von Leben und die Vergrößerung von Bevölkerungszahlen. In modernen Gesellschaften werde letztendlich das Leben der Individuen erhalten, verwaltet und geordnet. Im Unterschied zu dem Paradigma „sterben zu machen“ und „leben zu lassen“ bezeichnet Foucault das Paradigma nationaler Gemeinschaften entsprechend als „leben zu machen“ und spricht von einer „Macht zum Leben“ (ebd.: 132-134; Hervorhebungen im Original). In dem Moment, in dem das Leben als legitimierende Ressource für Vergemeinschaftungen fungiere, werde es notwendig, die Entstehung und den Erhalt von Leben zu kontrollieren. Vor diesem Hintergrund erlangen Fragen der Heterosexualität und damit einhergehend einer gesellschaftlichen Zweigeschlechterordnung eine besondere Bedeutung (ebd.: 140). Foucault erläutert, dass mit der Entstehung nationaler Vergemeinschaftung auch spezifische Wissensproduktionen um die Sexualität einsetzten, die die Bevölkerungsregulierung beinhalteten. Unter dem Begriff der „Bio-Politik“ fasst er Maßnahmen zur Erhaltung und Steigerung von Bevölkerung zusammen, so zum Beispiel das Erfassen von Geburten- und Sterblichkeitsraten, Geburtenkontrollen oder Gesundheitsförderung (ebd.: 135). Diese Wissensproduktionen beschreibt Foucault als Sexualitätsdispositiv, durch das die Heterosexualität als vorherrschende, natürliche Sexualität hervorgebracht werde

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(ebd.: 142). Entsprechend einer Norm der Heterosexualität bringe das Sexualitätsdispositiv die Vorstellung von sex im Sinne einer Verbindung anatomischer Elemente, biologischer Funktionen sowie Verhaltensweisen und Empfindungen als ein ursächliches Prinzip hervor und lasse es in Form der Zweigeschlechtlichkeit als einzig möglicher Geschlechtlichkeit erscheinen (Foucault 1983: 148f.). Davon ausgehend diskutiert Judith Butler aus einer dezidiert diskurstheoretischen Position heraus, wie durch die Herstellung von Wissen über Zweigeschlechtlichkeit auch das Verständnis und die Wahrnehmung von Körpern mit Bedeutung aufgeladen werden. Im Unterschied zu dem Konzept des Doing Gender nach West und Zimmermann (1987) zielt Butlers Kritik an den Konzepten sex und gender allerdings nicht auf die Art und Weise der Ausdifferenzierung dieser Konzepte, sondern auf das Festhalten an einer natürlichen, biologischen Binarität von Geschlecht. Sie stellt in ihren Arbeiten die Zweigeschlechtlichkeit als Ergebnis eines Systems der „Zwangsheterosexualität“ grundsätzlich in Frage und fordert dazu auf, die Wahrnehmung von Körpern als Effekt von Konstruktionsprozessen zu verstehen (Butler 1991; Butler 1997). Bezugnehmend auf Simone de Beauvoir, die in ihrem 1949 erstmals erschienenen Werk „Das andere Geschlecht“ den Leib als Situation bestimmte (hier Beauvoir 2000), erläutert Butler (1991: 26), es könne keinen Rückgriff auf einen Körper geben, der nicht bereits Ergebnis kultureller Bedeutungsbildungen sei. Geschlecht im Sinne von biologischem Geschlecht sei demnach keine vordiskursive Gegebenheit, sondern immer schon Teil der Konstruktionen von Zweigeschlechtlichkeit. „Diese Produktion des Geschlechts als vordiskursive Gegebenheit muß umgekehrt als Effekt jenes kulturellen Konstruktionsapparats verstanden werden, den der Begriff ‚Geschlechtsidentität‘ (gender) bezeichnet.“ (ebd.: 24; Hervorhebungen im Original) Sie weist allerdings darauf hin, dass sie damit keineswegs eine anatomische Materialität von Körpern leugnen will oder diese als rein diskursiv verstehe. Allerdings seien die Zuordnungen, was zum Körper gehört und somit auch was einen Geschlechtskörper ausmacht, diskursiv bestimmt. Das, was wir gegenwärtig als biologische Tatsache begreifen – zum Beispiel Anatomie, Hormone oder Chromosomen – ist, laut Butler, durch zeitgebundene wissenschaftliche Diskurse hervorgebracht worden und müsse hinterfragt werden, da solche Zuordnungen auch dazu führten, dass manche Körper als nicht-lebbar konstruiert würden (Butler 1997: 21–24). In Analysen der Wissensproduktionen zu Geschlecht müsse entsprechend herausgearbeitet werden, wie soziale Prozesse diese vermeintlich natürlichen Tatsachen hervorbringen. Ebenso wie die Binarität von Natur und Kultur müsse auch die Binarität von biologi-

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schem und sozialem Geschlecht sowie die damit einhergehende Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit hinterfragt werden (Butler 1997: 24-26).8 In ihren Arbeiten diskutiert Butler zwar die diskursive Erzeugung von Naturhaftigkeiten und stellt eine Natürlichkeit des Geschlechtskörpers zur Disposition (Villa 2008: 148). Sie meint damit jedoch nicht, dass Individuen sich beliebig aussuchen könnten, welchen Geschlechtskörper sie annehmen wollen und betont die normativen Zwänge, durch die Körper hervorgebracht würden (Butler 1997: 21-24; Butler 1991: 25f.). Die Infragestellung der Natürlichkeit von Körpern und die Abwendung von der Trennung zwischen sex und gender bei Butler ist die Grundlage für eine Dekonstruktion von Zwangsheterosexualität und normativen Zuordnungen von Individuen zu den jeweils von einander abgegrenzten Geschlechtsidentitäten Mann und Frau. Ausgehend von den hier dargestellten Überlegungen zur wechselseitigen, diskursiven Hervorbringung von Geschlecht und Nation, haben sich Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen in den letzten Jahrzehnten mit der Genese der Zweigeschlechtlichkeit im Kontext von Nationenbildung befasst (Yuval-Davis 1997; Blom et al. 2000; Schaser 2008). Silke Wenk erläutert entsprechend: „… the ‚invention‘ of the nation was supported by the modern construction of the two sexes. […] the modern order of the two sexes, […] was declared to be ‚natural‘, or even ‚necessary for nature‘. At the same time, it also makes clear the way in which constructions of gender have left their mark on ideas about the bonds of a community as a nation.“ (Wenk 2000: 63)

Auch die Historikerin Johanna Gehmacher (2007) betont die Verschränkung der Konstruktion von Nation mit der Konstruktion von Geschlecht und weist dem Identitätskonzept Geschlecht im Konzept der Nation eine zentrale Bedeutung zu. Sie diskutiert die fortbestehende Wirkmächtigkeit dieser Konzepte im Alltag von Individuen und Gruppen und macht eine Ambivalenz aus, die beiden Konzepten innewohne: Zum einen sei zwar das theoretische Verständnis über die Prozess8

Ich verwende den Begriff Geschlecht analog zu Butlers Verständnis von gender, nach dem sowohl biologisches als auch soziales Geschlecht Ergebnis der Konstruktionsprozesse von Zweigeschlechtlichkeit sind. Ich habe mich für die Verwendung des deutschen Begriffs Geschlecht entschieden, da dieser die Verbindung von biologisch und sozial beinhaltet. Der englische Begriff gender ist hingegen stark mit dem Verständnis von gender als rein sozialer Kategorie verbunden, die einem als biologisch gedachten sex erst folgt.

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haftigkeit und Wandelbarkeit der Kategorien Geschlecht und Nation mittlerweile weit verbreitet (Gehmacher 2002: 7f.). Im Alltag wird diese Wandelbarkeit immer wieder sichtbar, zum Beispiel wenn Menschen sich nicht eindeutig einem Geschlecht entsprechend kleiden oder verhalten, oder wenn Menschen migrieren und die Staatsangehörigkeit wechseln. Zum anderen, so Gehmacher, bilden sowohl Geschlecht als auch Nation/Nationalität weiterhin universale Ordnungsstrukturen unserer Gesellschaft, die Orientierung und Handlungsmuster bieten und mit einem Berufen auf deren Natürlichkeit fixiert würden. Beide Konzepte entfalten ihre Wirkmächtigkeit durch das an sie geknüpfte Versprechen einer Zugehörigkeit zu bestimmten Identitätsgruppen und einer damit einhergehenden Abgrenzung von Menschen, die als ‚anders‘ bestimmt werden, so Gehmacher (2002: 8). Den gemeinschaftsstiftenden Gedanken dabei verdeutlichen Eickelpasch und Rademacher treffend mit der Formulierung: „Keiner von ‚uns‘ ist wie ‚die da‘ […] keiner von ihnen [ist, L.S.] ‚einer von uns‘ […]“ (2004: 68). Geschlecht und Nation werden von Individuen und Gruppen weitestgehend als Identitäts- und Differenzeigenschaften akzeptiert und haben laut Gehmacher einen „überhistorischen Gültigkeitsanspruch“, der das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit bediene und ein Gemeinschaftsgefühl legitimiere (Gehmacher 2002: 7). Wie sich auch bei Anderson (2005) und Foucault (1983) zeigte, sind Gemeinschaftsbildungen aufgrund von nationaler Identität sowie die Ausdifferenzierung eines binären Geschlechtersystems allerdings noch recht junge Phänomene und bedürfen kontinuierlicher Aushandlungen und Bestätigungen. Michiko Mae betont, dass die gesellschaftliche Arbeitsteilung Teil dieser Aushandlungen sei und ein „wichtiges Strukturprinzip des bürgerlichen Nationalverständnisses“ bilde (Mae 2008: 717). Den neu entstandenen bürgerlichen Nationen sei ein Geschlechterdualismus eingeschrieben worden, der Mann und Frau als einzige und gegensätzliche Geschlechtsidentitäten bestimmt und diesen jeweils unterschiedliche Eigenschaften und Aufgaben zugesprochen habe. Während Männlichkeit im öffentlichen Raum verortet worden sei, sei Weiblichkeit als Gegenstück zur Männlichkeit in den Bereich der Familie und des Häuslichen eingeschrieben worden (ebd.: 718f.). Diese Ausdifferenzierung von zwei Geschlechtern hat Karen Hausen 1976 ausführlich dargestellt. Sie spricht von einer Polarisierung der zwei Geschlechtscharaktere Mann und Frau in der bürgerlichen Gesellschaft, die bis heute als Grundlage für eine spezifische Aufgabenverteilung diene. So werde entlang einer geschlechtlichen Markierungslinie der öffentliche Raum als männliches Feld und der private Raum als dessen absoluter Gegenpol sowie als weibliches Handlungsfeld konzipiert. Damit gehe, laut Hausen, eine Privilegierung der Männer gegenüber den Frauen einher. Männer würden als rationale Verwalter von Gesellschaft und Staat und Frauen als naturverhafte-

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te, emotionale Wesen bestimmt. Dies gehe mit einer Abwertung der Haushaltsarbeit als selbstverständlichen Dienstes für die Familie einher (Hausen 1976). Ausgehend von sozialistischen Feminismen hat sich für die Haushalts- und Sorgearbeit auch der Begriff der Reproduktionsarbeit etabliert. Unter diesem Begriff werden in der Regel unbezahlte Arbeiten gefasst, die zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitskräften ausgeführt werden. So zum Beispiel Geburten, Erziehung, Haushaltsarbeit und Pflege. Während die von Karl Marx diskutierte Produktion von Waren männlich konnotiert ist, wurde von Feminist*innen darauf verwiesen, dass diese bezahlte Produktionsarbeit nicht ohne die überwiegend von Frauen ausgeführten unbezahlten reproduktiven Tätigkeiten möglich sei. Vor diesem Hintergrund wird die ungleiche Bewertung produktiver und reproduktiver Tätigkeiten in kapitalistischen Gesellschaften kritisiert, da das eine nicht ohne das andere möglich sei (Haug 2008). Weitere gängige Dichotomisierungen, entlang derer die Geschlechter Frau und Mann als gegensätzlich festgeschrieben werden, sind Natur – Kultur, Emotionalität – Rationalität, Familie – Beruf. Mae betont die Bedeutung der diskursiven Verbindung von Geschlecht und Nation für diese bipolaren Ausdifferenzierungen von Geschlecht, in dem sie von einer „[…] ‚nationalisierten‘ Konstruktion männlicher und weiblicher Geschlechtsidentitäten […]“ spricht (Mae 2008: 718; Hervorhebung im Original). In der Monografie „Gender & Nation“ weist Nira Yuval-Davis (1997) allerdings auf die jeweilige Beteiligung von als Männer und Frauen gedachten Individuen am Projekt Nation hin. Die im Privaten positionierte bürgerliche Weiblichkeit stünde zwar in der Hierarchie unterhalb der im Öffentlichen positionierten bürgerlichen Männlichkeit, allerdings seien die als Frauen bestimmten Individuen ebenfalls aktiv in das nationale Gefüge eingebunden. Yuval-Davis benennt die biologische und kulturelle Reproduktion als Bereiche, in denen Frauen auf Grund ihrer nationalisierten Geschlechtsidentität spezifische Aufgaben erfüllten. Zudem erläutert sie, dass nationale Projekte immer spezifische Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit mit einer dazu gehörigen Aufgabenteilung beinhalteten (ebd.: 1). Um diese enge Verwobenheit der Identitätskonzepte Geschlecht und Nation deutlich zu machen, folge ich Mae und Yuval-Davis und spreche im Folgenden von ‚nationalisierten Geschlechtsidentitäten‘. Die Zuordnungen von Individuen und Gruppen zu spezifischen Geschlechtsund Nationalidentitäten haben weitgehende Folgen für Individuen und Gesellschaft. Trotz einer oftmals auch sichtbaren Wandelbarkeit von Identitäten werden Menschen kontinuierlich aufgrund von körperlichen Merkmalen geschlechtlich festgeschrieben. Die Ausdifferenzierung von zwei Geschlechtern mit unterschiedlichen Aufgaben innerhalb einer nationalen Gemeinschaft, bei der

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Frauen zum Beispiel mehrheitlich für reproduktive Aufgaben zuständig sind, ist bis heute wirkmächtig. Das spiegelt sich unter anderem in immer wieder auftretenden kontroversen politischen und medialen Diskussionen über Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit von Frauen wider oder in Debatten um den demographischen Wandel und der damit verbundenen vermeintlichen Pflicht von Frauen, Kinder zu gebären. Hier möchte ich die vorangegangenen Überlegungen aufgreifen, nach denen die Repräsentationen einer Gesellschaft, die sich auch in solchen Debatten zeigen, als Ausdruck der gegenwärtigen Verhältnisse und Bedürfnisse einer Gesellschaft verstanden werden können. Eickelpasch und Rademacher (2004: 96) verweisen darauf, dass nationalisierte Geschlechtsidentitäten fragile Konstrukte seien, die kontinuierlich ausgehandelt und legitimiert werden müssten. Die Art und Weise wie Menschen als geschlechtliche Subjekte bestimmt würden, sei daher zu einer politischen und sozialen Gestaltungsaufgabe geworden. Gesellschaftliche Erzählungen zu Geschlecht dienen demnach einer Vermittlung von jeweils für nationale Gemeinschaftsbildungen gewünschten Geschlechteridentitäten. Untersuchungen wie meine, die Geschlecht und Nation als sozial und kulturell hergestellt verstehen und deren Konstruktionsprozesse hinterfragen und sichtbar machen, müssen somit sowohl die diskursiven Wechselbeziehungen von Geschlecht und Nation herausarbeiten als auch die Orte in den Blick nehmen, an denen solche Erzählungen sichtbar werden. Vor diesem Hintergrund untersuche ich Museen als Orte, an denen solche gesellschaftlichen Aushandlungen beziehungsweise Erzählungen sichtbar werden. Um die spezifischen Bedingungen der musealen Diskursproduktionen zu bestimmen, werden im Folgenden zunächst die Institution Museum und ihre spezifische Sprecher*innenposition besprochen.

Museale Wissensproduktionen

Anders als in den meisten sozialen Interaktionen wird Identität im Museum nicht direkt zwischen zwei oder mehreren Personen ausgehandelt. Mieke Bal (1996: 4) hat auf die indirekte Kommunikation von Museen hingewiesen, bei der Ausstellungsmacher*innen über Ausstellungsinhalte mit Besucher*innen kommunizieren. Nationalisierte Geschlechtsidentitäten werden im Museum demnach nicht in direkter Interaktion zwischen zwei oder mehreren Individuen ausgehandelt, sondern mittels spezifischer Objekt-Text-Raum-Konstellationen. Die Praktik des Ausstellungmachens, des Herstellens von Wissen bleibt für die Besucher*innen in der Regel unsichtbar. Im Folgenden werde ich diese spezifische Sprecher*innenposition, von der aus Museen in die Interaktion mit Besucher*innen treten, sowie die Bedingungen der musealen Bedeutungsproduktion näher beleuchten. Dazu werde ich erstens die Dimension des Museums als diskursiven Ort mit seiner Funktion von Geschichtsvermittlung für die Gegenwart diskutieren, zweitens die sich daraus ergebene Dimension des Museums als identitätsstiftende Institution darlegen, sowie drittens die spezifische Art und Weise der Bedeutungsproduktion innerhalb musealer Ausstellungen beschreiben. Wenn auch die Geschichte der Institution Museum als Bildungsort bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann9, stehen hier entsprechend meines Untersuchungsinteresses das kulturhistorische Wissensmuseum und dessen Ausstellungen, wie es sich seit dem 19. Jahrhundert im Zuge der Nationenbildungen in westlichen Gesellschaften etabliert und weiterentwickelt hat, im Fokus der Betrachtungen.

9

Für einen Überblick über die Museumsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zum 18. Jahrhundert vgl. Markus Walz (2016). Einen Überblick über die Bedeutung von Kunst- und Wunderkammern in der Renaissance bietet auch Gabriele Beßler (2009).

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GESCHICHTE FÜR DIE GEGENWART: DAS MUSEUM ALS DISKURSIVER ORT In seiner Einführung zur Kulturgeschichte erläutert Achim Landwehr den spezifischen Zugang, den Gedächtnis und Erinnerung zur Vergangenheit bieten. Gesellschaften erarbeiten sich, so Landwehr, bestimmte Erinnerungen, um individuelle und kollektive Bedürfnisse der Orientierung zu befriedigen. Geschichte sei in diesem Zusammenhang als eine bestimmte Variante der Gedächtnisstiftung zu verstehen und könne sowohl zur Bestätigung von als auch gegen bestimmte Vorstellungen und Mythen einer Gesellschaft eingesetzt werden. Geschichte reduziere die Erinnerung zu einem Faktum des Gewesenen, in dem sie Beziehungen und Abfolgen vermittele (Landwehr 2009: 56f.). In Bezug auf die Identitätsbildung betont Kea Wienand, dass mittels der Anrufung langer Ketten von vermeintlichen Ahnen und Abfolgen in der hegemonialen Geschichtsschreibung eine Vergangenheit konstruiert werde, die zur Legitimation und Identifizierung einer Gruppe von Individuen als Gemeinschaft diene (Wienand 2005: 135f.). Chronologische Geschichtsausstellungen in Museen können demnach als Vermittlungsinstanz solcher Beziehungen und Abfolgen gesehen werden, die zur Legitimation von und Identifikation mit bestimmten Identitätskonzepten beitragen. Der Internationale Museumsrat (ICOM) definiert Museen als: „[…] non-profit, permanent institution in the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of education, study and enjoyment.“ (ICOM 2007)

Bezogen auf die vorangegangenen Überlegungen erscheint mir der Aspekt des „Dienstes für die Gesellschaft und deren Entwicklung“ als besonders bedeutsam. Im Zentrum der musealen Aufgaben steht die (Weiter-)Entwicklung der Gesellschaft durch das Bewahren, Erforschen und Ausstellen eines nicht näher definierten kulturellen Erbes. Ein wesentlicher Aspekt musealer aber auch historischer Arbeit ist der Bezug zur gegenwärtigen aber auch zur zukünftigen Gesellschaft. Die museal vermittelte Geschichte ist demnach immer an gegenwärtige Vorstellungen, aktuelle Diskurse sowie gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Bedürfnisse gebunden. „In musealen Geschichtserzählungen treffen sich Vergangenheit und Gegenwart, denn nur aus der Gegenwart und den sich ihr stellenden Fragen wird Vergangenheit rekonstruiert und gedeutet“ (Köhr 2012: 32). Ausstellungen müssen demnach eher als Aussagen über eine jeweils

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gegenwärtige Geschichtskultur verstanden werden, die Auskunft über gegenwärtige Ziele und Bedürfnisse einer Gesellschaft bieten, als dass sie eine vermeintliche ‚historische Realität‘ wiedergeben. Wie auf Bal (1996) versteht Köhr (2012) das Ausstellen von Geschichte als „Ausdruck einer diskursiven Praxis um das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft“. Sie bezeichnet Museen daher als „Orte der öffentlichen Verständigung über gegenwärtige gesellschaftliche Selbstbilder, über Interpretationen der Vergangenheit und über Vorstellungen von der Zukunft.“ (ebd.: 32-34) Vor diesem Hintergrund bilden Repräsentationen in Geschichtsmuseen Vergegenwärtigungen bestimmter Themen, Gegenstände oder Werte. In ihrer Auseinandersetzung mit Museen als Orten der Wissensproduktion veranschaulicht Eileen Hooper-Greenhill (1992) diese Überlegungen am Beispiel vergangener Sammlungs- und Ausstellungspraxen in verschiedenen Museen, die je nach zeithistorischen Kontexten umgebaut und neugestaltet wurden. Sie bestimmt museale Praxen daher als zeit- und ortsspezifische Macht-/WissenKonstellationen: „Each society has its general ‚politics‘ of ‚truth‘ (Foucault, 1977b:13). This knowledge is produced through regimes of practices, of which the museum is one. The knowledge so produced is radically discontinuous and subject to abrupt reversals.“ (Hooper-Greenhill 1992: 193)

Museen hätten zwar seit dem 16./17. Jahrhundert die augenscheinliche Funktion des Sammelns und Bewahrens, allerdings sei das wesentliche Merkmal von Museen nicht die Art des Sammelns, sondern die Art des Selektierens und Klassifizierens. Hooper-Greenhill betont, die jeweiligen Formen des Selektierens, Sortierens und Klassifizierens seien stets radikalem Wandel unterzogen gewesen (ebd.: 22). Mit jeweils neuen oder veränderten Wissensproduktionen änderten sich nicht nur die Formen der Sortierung und Klassifizierung sowie die Frage, was sammlungswürdig sei, sondern auch die Museumsakteur*innen, die Sammlungen, Forschung und Ausstellung betreiben und gestalten. Zum einen geschehe dies über die Aneignung jeweils neuen und als relevant erachteten Wissens, zum anderen würden entsprechend neuer thematischer Ausrichtungen neue Akteur*innen mit entsprechenden Wissensbeständen hinzugezogen. Diese Veränderungen der Akteur*innenkonstellationen haben wiederum Einfluss auf Veränderungen der Wissensproduktionen. Der so bedingte starke Gegenwartsbezug musealer Geschichtsaushandlungen sei, laut Hooper-Greenhill, der bedeutsamste Aspekt musealer Ausstellungen (ebd.: 192). Diese Überlegungen äußert auch Roswitha Muttenthaler. Sie erklärt das große Interesse an musealen Ausstellun-

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gen damit, dass Gesellschaften sich mittels Museen ihrer sozialen Praktiken und Denkweisen versichern. Gerade die Historisierung bestimmter Werte, Ideen oder Ereignisse im Museum, diene als Strategie, gegenwärtige Verhältnisse zu bestätigen, böte aber auch das Potential, diese in Frage zu stellen (Muttenthaler 2007: 1). Als außerschulische Bildungsinstitutionen, deren Hauptaufgabe die Wissensvermittlung ist, sind Museen immer auch geprägt von kulturpolitischen Rahmungen, welche die jeweiligen Ausstellungsweisen maßgeblich beeinflussen. Durch diesen kulturpolitisch geförderten Bildungsauftrag kommt Museen eine dominante Sprecher*innenposition im Diskurs zu. Johanna Schaffer erläutert, dass eine von staatlicher Seite als legitim bestimmte Sprache mit besonders großer Autorität ausgestattet sei. In Anlehnung an Bourdieus Thesen zur „offiziellen Sprache“ bezeichnet sie solche Sprecher*innenpositionen als „offiziellen Diskurs“. (Bourdieu 1990a, zit. nach Schaffer 2008: 92f.). Bal bestimmt die Praxis des Ausstellens entsprechend als die „Wahrheitsrede“ des Museums (Bal 2006: 82f.). Objekte würden in musealen Ausstellungen nicht einfach gezeigt, sondern dienten dazu, Aussagen zu materialisieren und dadurch zu legitimieren. Aufgrund des gesellschaftlichen Auftrags der Wissensvermittlung komme den Ausstellungsinhalten ein besonderer Wahrheitsgehalt zu, der durch die vermeintliche Authentizität der ausgestellten Objekte verstärkt werde. An die materielle Präsens historischer Objekte sei in der Regel das Versprechen von Echtheit und Realität der musealen Aussagen geknüpft. Diesen Umstand bestimmt Bal als aktive Konstruktionsleistung der musealen Praxis, durch welche Geschichten mit Objekten verknüpft und so Wahrheiten gebildet würden.10 In der fertigen Ausstellung blieben diese Konstruktionsleistungen aufgrund der indirekten Kommunikation im Museum jedoch häufig unsichtbar (ebd.: 80). Katja Köhr fordert dementsprechend dazu auf, Museen und deren Ausstellungen „[…] als ‚lesbare‘ Diskurse zu dekodieren (welche erinnerungskulturelle Metaerzählung wird transportiert?), den Blick für Machtrepräsentationen (wer erzählt?), Identitätswünsche (warum und wozu?) und Differenzen in der visuellen Kultur (mit welchen Mitteln?) zu sensibilisieren.“ (Köhr 2012: 37)

10 Auf die Bedeutung und den Einsatz von Objekten in musealen Ausstellung werde ich in dem Kapitel zur Vielschichtigkeit musealer Bedeutungsbildungen ausführlicher eingehen.

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Museale Darstellungen sehe ich mit Bezug auf Rainer Keller (2011) zudem als Vermittlungsinstanz zwischen der diskursiven Ebene der Institutionen der Produktion von Diskursen in der Wissenschaft (Arenen der systematischen Diskursproduktion) und der Ebene der Individuen, die dieses Wissen in ‚Allerweltskonversationen‘ verbreiten und immer wieder aktualisieren (ebd.: 144). Gerade durch ihre Funktion als Schnittstelle, an der Alltagswissen durch institutionelles Wissen bestätigt wird und umgekehrt, wirken die musealen Darstellungen besonders authentisch: „It is intelligible as ‚realistic‘ precisely because it is familiar, recognizable and taken for granted: it reproduces what we already seem to know.“ (Porter 1996: 108). Museen bewegen sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen dem Auftrag, Wissen und Identität zu vermitteln, den spätestens seit den 1980er Jahren lautgewordenen Forderungen nach Demokratisierung der Ausstellungs- und Sammlungspraktiken sowie einer Notwendigkeit besucher*innenorientiert zu arbeiten. Die Besucher*innenorientierung und der von Muttenthaler angesprochene Aspekt der gesellschaftlichen Bedürfnisse nach Selbstvergewisserung lassen nach der Zielgruppe beziehungsweise den Positionierungen der Besucher*innen fragen. Wer kann und soll sich im Museum selbstvergewissern und an wen richten sich die ausgestellten Inhalte und Objektpräsentationen? Während im 19. Jahrhundert in erster Linie das Bürgertum Adressat historischer Bildung war, sei es, laut Aleida Assmann, heute eine hybride Konsumgesellschaft: „Historische und künstlerische Bildung ist von einer Leitkultur zu einer Teilkultur geworden. Sie ist nicht verschwunden, aber diffus verteilt und bildet nicht mehr das gemeinsame Rückgrat nationaler Identität. Unter den Bedingungen des Marktes ist Bildung zu einer Frage persönlichen Engagements und individuellen Genusses und damit der Bedienung von Zielgruppen geworden.“ (Assmann 2007: 192)

Zwar wurde auch im 19. Jahrhundert versucht, Ausstellunngsinhalte für die Besucher*innen interessant zu gestalten, allerdings waren die Prämissen unterschiedlich. Primäres Ziel war es, die Besucher*innen durch interessante Darstellungen von den Inhalten zu überzeugen, während es heute verstärkt darum geht, Besucher*innen durch unterhaltsame Ausstellungen in die Museen zu ziehen. Der Bildungsauftrag ist zwar nach wie vor die wichtigste Legitimation für die museale Arbeit, die Besuchszahlen werden jedoch zunehmend als Maßstab für den Erfolg und finanzielle Zuwendungen eingesetzt. Christine Bäumler (2007: 41) hat in ihrer Arbeit die doppelten Anforderungen herausgearbeitet, denen Museen sich heute stellen müssen. Wie auch die zu

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Beginn zitierte ICOM-Definition von Museen, sieht Bäumler sowohl Bildung als auch Unterhaltung als die zentralen Angelpunkte musealer Arbeit. Museen hätten den Auftrag, zur nationalen Identifikation der gesamten Bevölkerung beizutragen. Zwar gelten Museumsbesuche weiterhin als Distinktionsmittel eines bildungsbürgerlichen Milieus, allerdings löse sich ein klar definiertes und abgegrenztes bildungsbürgerliches Milieu zunehmend auf. Die Museen müssten, so Bäumler, ihre Zielgruppen neu bestimmen und ihre Arbeit an diese anpassen, um den Bildungsauftrag weiterhin ausführen zu können (Bäumler 2007: 44). Ausstellungen böten daher zunehmend motivierende, interaktive Elemente an und nähmen Aspekte der Unterhaltung sowie ästhetische Mittel in die Ausstellungsgestaltung mit auf. Ausstellungsinhalte würden nicht mehr nur von Fachwissenschaftler*innen bestimmt, sondern entstünden immer in Zusammenarbeit mit Gestalter*innen, Pädagog*innen und Designer*innen (ebd.: 43). Hooper-Greenhill (1992: 210) weist ebenfalls auf diese Veränderungen in der Museumsarbeit hin. Während früher das Wissen über die gesammelten Objekte wichtigster Teil der Arbeit gewesen sei, sei das Wissen über die Besucher*inneninteressen heute genauso wichtig geworden. Dieser Wandel werde auch an den Modernisierungen und Umgestaltungen musealer Räume deutlich. Neben der Um- und Neugestaltungen von Ausstellungen, nennt HooperGreenhill die Einrichtung von Restaurants, Museums-Shops 11 sowie von Kinder-/ Familienbereichen als Zeichen einer verstärkten Ausrichtung auf das Publikum (ebd.: 202). Museale Ausstellungen sind somit auf den unterschiedlichsten Ebenen hochgradig diskursive Orte, deren Repräsentationen von Geschichte Bedeutungen für die Gegenwart herstellen. In ihrer Eigenschaft als Bildungsorte mit dem Auftrag, das kulturelle Erbe einer Gesellschaft zu bewahren und zu vermitteln, um Identifikationsangebote zu schaffen, kommt ihnen eine dominante Sprecher *innenposition im Diskurs zu, von der aus sie Aussagen zur Wahrheits- und Wissensbildung tätigen können. Als Bindeglied zwischen wissenschaftlicher Wahrheitsrede und gesellschaftlicher Alltagskommunikation sind Museen aktiv an den (Re-)Konstruktionen gegenwärtiger Verhältnisse und Ordnungen beteiligt und können zur Identitäts- und Meinungsbildung von Menschen beitragen. „In diesem Sinn können sie [die Museen, L.S.] als symptomatisch für gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurse gelesen werden“ (Muttenthaler/Wonisch 11 Eine Untersuchung über die Bedeutung von Museumsshops und deren ‚käufliche Objekte‘ wird derzeit von Yu-Chuan Huang im Rahmen ihrer Dissertation mit dem Arbeitstitel „Was nehme ich mit? Vergleichende Fallstudie zur Objektkonstruktion und Vermittlung in Museumsshops in Taiwan und Deutschland“ an der Universität Oldenburg durchgeführt.

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2002: 105). Eine Untersuchung der Repräsentationen von Geschlecht und Nation in den Geschichtsdarstellungen musealer Ausstellungen kann somit Rückschlüsse auf und Reflektionen über gegenwärtige Vorstellungen und Zuschreibungen zu Geschlecht im nationalen Kontext ermöglichen, Identitätspolitiken können rekonstruiert und hinterfragt werden.

MUSEEN UND IDENTITÄTSPOLITIKEN Die Öffnung nationaler Schatzkammern für die Öffentlichkeit sowie die Einrichtung von Galerien und Ausstellungen begann im 18. und 19. Jahrhundert und verlief parallel zu einer Etablierung gesellschaftlicher Zugehörigkeiten auf der Basis nationaler Identitätsbildungen sowie der zunehmenden Ausdifferenzierung eines binären Geschlechtersystems mit jeweils spezifischen Aufgaben für die nationale Gemeinschaft. Der Soziologe Tony Bennett hat in seinem Band „The Birth of the Museum“ (1995) deutlich gemacht, dass Museen spätestens seit dem 19. Jahrhundert verstärkt die Aufgabe öffentlicher Erziehung als Mittel nationaler Vergemeinschaftung zugekommen sei. Durch das Ausstellen und Vermitteln einer vermeintlich gemeinsamen Vergangenheit, nationaler Kulturgüter oder Kunstschätze sollte ein Gemeinschaftsgefühl und -denken ausgebildet und historisiert werden. Das Museum des 19. Jahrhunderts konstituierte und adressierte dabei eine ganz neue Öffentlichkeit, welche aus freien und gleichen Individuen bestehen sollte, und bot Identifikationsangebote für eine als ideal vorgestellte Bürgerlichkeit (ebd.: 95). Museen richteten sich jedoch nicht ausschließlich an eine gebildete bürgerliche Oberschicht, sondern hatten außerdem das Ziel, die Arbeiterschicht durch kulturelle Bildung zu ‚guten Bürgern‘ zu erziehen. Ausgehend von Foucaults Ausführungen zur Disziplinierung der Gesellschaft in dessen Werk „Überwachen und Strafen“ (1994), bestimmt Bennett Museen als Institutionen eben solcher Disziplinierungen. Eine Idee war es, der Arbeiterschicht im Museum bürgerliches Verhalten zu vermitteln. So zum Beispiel sich ruhig durch die musealen Räume zu bewegen, durch Lesen und Objektschauen selbst zu lernen und durch den Bezug der eigenen Person zu der vermittelten Geschichte ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Bennett bezeichnet dies als „organisiertes Gehen“, mittels welchem eine museale Botschaft entlang einer vorgegebenen „Reise“ vermittelt werden sollte (Bennett 1995: 6). Auch heute noch ist die Vermittlung von Identifikationsangeboten hinsichtlich kollektiver Identitätsbildungen ein bedeutsamer Teil musealer Arbeit. Ebenso wie sie zur Selbstvergewisserung über gegenwärtige Werte und Verhältnisse beitragen sollen, sind Museen an Aushandlungen individueller und gruppenbe-

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zogener Identitätsbildungen beteiligt. So erläutert Assmann, Museen seien Orte, an denen Geschichte mit dem Ziel der Gemeinschaftsbildung konzipiert und vermittelt werde. „… die Geschichte ist eine wesentliche Dimension, in der eine demokratische Nation ihr Selbstbild konstruiert und sich der eigenen Identität vergewissert. […] Zum Verhältnis von Nation und Geschichte ist zu sagen: Das eine bringt das andere hervor, es bedingt, bestätigt, definiert es.“ (Assmann 2007: 181f.)

Während ein solcher gemeinschaftsstiftender Bildungsauftrag zwar insbesondere von Kunstmuseen und Galerien im Laufe des 20. Jahrhunderts vermehrt abgelehnt wurde, ist er für Wissenschaftsmuseen – wozu auch die kulturhistorischen Museen zählen – nach wie vor eine wichtige Legitimation (Lepenies 2003). Uwe Danker hat in einem 2006 veröffentlichten Aufsatz entsprechende kulturpolitische Ziele herausgearbeitet, die hinter den vielfältigen Neugründungen und Umgestaltungen von historischen Museen in den 1990er und 2000er Jahren standen (Danker 2006). Am Beispiel der Pläne zur Gründung eines Hauses der Geschichte Schleswig-Holsteins, der Gründung des Deutschen Historischen Museums und des Hauses der Geschichte der BRD zeigt er, dass die Identitätsbildung und Identifikation durch Geschichte auch im 21. Jahrhundert weiterhin als wichtigste Prämisse für die Einrichtung historischer Ausstellungen gesehen werden. Mittels Traditionsbildungen und Erfolgsgeschichten sollte, laut Dankers Auswertungen, in diesen Häusern ein Gemeinschaftsgedanke vermittelt und Konsens über gemeinsame Werte geschaffen werden. Museen seien aktiv an der Sinnstiftung nationaler und regionaler Gemeinschaften beteiligt, böten gesellschaftliche Orientierung und trügen zur Gruppenstiftung – sei es regional oder national – bei (ebd.: 218). Monika Sommer-Sieghart bestimmt Museen entsprechend „[…] als Orte der Verdichtung nationaler beziehungsweise regionaler Identitätskonstruktionen […]“ (Sommer-Sieghart 2009: 76). Die Inhalte und Gestaltungsweisen musealer Geschichtsausstellungen können somit als Äußerungen identitätspolitischer Bemühungen verstanden und untersucht werden. Daraus ergibt sich die Frage, in welcher Form Geschichte in Museen gezeigt wird. Tony Bennett spricht bezugnehmend auf Patrick Wright von einer starken Vergangenheits-Gegenwarts-Beziehung, aufgrund derer historische Entwicklungen in Museen des 19. Jahrhunderts als vollständig konzipiert wurden. Die Geschichte sei als Prozess vermittelt worden, der einen Anfangspunkt habe und in der Gegenwart zur Fertigstellung gekommen sei beziehungsweise seinen Höhepunkt erreicht habe. Die Gegenwart sei im Rahmen solcher ‚Meistererzählungen‘ als Errungenschaft der Vergangenheit vermittelt und dar-

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über legitimiert worden (Bennett 1995: 152f.). Auf diese Weise erschienen gegenwärtige Verhältnisse als historisch bedingt sowie als Status Quo einer Fortschrittsgeschichte. Auch in aktuellen musealen Ausstellungen werden die Repräsentationen langer Kontinuitäten zur Konstruktion und Vermittlung nationaler Gemeinschaften eingesetzt. Sie wurden in den letzten Jahren häufig sogar nach Umbauten und Neugestaltungen von Ausstellungen neu eingeführt. Die Sammlung des niederländischen Rijksmuseums wurde zum Beispiel zur Neueröffnung 2013 zum ersten Mal in der Geschichte des Hauses in chronologischen Abfolgen gehängt (Margaretha 2013). Auch die Sammlung des Dänischen Volksmuseums war bis zu der Eröffnung der in dieser Arbeit untersuchten Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ 2001 nicht in chronologischer Form angeordnet, sondern nach Klassifikationen der Sammlungsbestände. Museale Geschichtspräsentationen sind durchzogen von spezifischen Identitätskonstruktionen, die Ausschlüsse und Differenzbildungen enthalten. Gerade die als vollständig und universal gültig vermittelten Chronologien nationaler Geschichtsausstellungen wurden in der Vergangenheit bereits als einseitige Identifikationsangebote für ein bürgerlich-männliches Subjekt ausgemacht und hinsichtlich fehlender Repräsentationen marginalisierter Gruppen wie zum Beispiel Frauen und Migrant*innen kritisiert. Für den australischen Kontext erläuterte Bennett zum Beispiel: „…it [the space of representation shaped into being by the public museum, L.S.] was sexist in the gendered patterns of its exclusions, racist in its assignation of the aboriginal populations of conquered territories to the lowest rungs of human evolution, and bourgeois in the respect that it was clearly articulated to bourgeois rhetorics of progress.“ (Bennett 1995: 97)

Es zeigt sich jedoch, dass die museale Kommunikation und die Arbeit von Museen im 20. und 21. Jahrhundert kein Unterfangen mehr sind, mit welchem eine Regierung die Adressat*innen einseitig ‚bildet‘. Neben dem Publikum, welches ein starkes Interesse und Verlangen nach historischen Ausstellungen äußert (Sommer-Sieghart 2009: 75), stellen seit den 1980er Jahren immer mehr Interessensgruppen Forderungen nach mehr und angemessener Repräsentation in eben solchen kulturhistorischen Ausstellungen und es wird zunehmend in bestehende Ausstellungen interveniert. Das verstärkte Interesse an sowie das Ringen um kulturhistorische Ausstellungen sowohl auf Seiten von Politik und Interessensvertreter*innen als auch beim Publikum erklärt Beier-de Haan (2006) mit einem starken Bedürfnis nach Selbstvergewisserung in einer zunehmend globalisierten und individualisierten

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Gesellschaft und der Erwartung, dass Museen diese Selbstvergewisserung leisten könnten. Die Repräsentation einer vermeintlich gemeinsamen Geschichte sowie von Werten und Traditionen, die als lange Kontinuitäten dargestellt werden, diene der Befriedigung dieses Bedürfnisses. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass die eigene sowie die gemeinschaftlich verortete Identität innerhalb musealer Ausstellungen immer Ergebnis von Konstruktionsleistungen bleibe, die auch durch die individuellen Deutungen der Besucher*innen entstünden (Beier-de Haan 2006: 196). Vor diesem Hintergrund gab und gibt es immer wieder Kontroversen über das Wirkungs- beziehungsweise Veränderungspotential verschiedener Repräsentationswege. Neben Interventionen in bestehende Ausstellungen, wie die Ergänzung der Darstellungen um Frauengeschichten, wurden in den 1980er Jahren Frauenmuseen gegründet. Zu letzterem wurde von Kritiker*innen diskutiert, ob die Einrichtung ‚eigener‘ Museen nicht zu einer Abkapselung führe, die keinen Einfluss auf bestehende ausschließende Verhältnisse hätten. Befürworter*innen der Frauenmuseen hingegen bezweifelten die verändernde Wirkung von ‚nur‘ ergänzten bestehenden Ausstellungen. Ein primär männlich geprägtes Museumsnarrativ und der autoritative Sprachduktus von Ausstellungen könne allenfalls zu stereotypisierenden und homogenisierenden Repräsentationen führen (Muttenthaler/Wonisch 2002: 98). Solche Diskussionen machen deutlich, wie ambivalent Repräsentationen wirken können. Besonders bei dem Vorhaben des vermehrten Sichtbarwerdens in offiziellen Repräsentationen entsteht die Frage, ob ein einfaches Mehr an Sichtbarkeit zu mehr Handlungsmacht und Beteiligung führen kann. Schaffer hat in ihrer Arbeit am Beispiel einer Plakatkampagne der Bundesregierung zur Einbürgerung von Migrant*innen verdeutlicht, dass durch mehr und neue Repräsentationen häufig Stereotypisierungen und Homogenisierungen (re-)konstruiert werden. Die Kampagne hatte, laut Schaffer, das Ziel die Repräsentierten „als aktive, teilhabende, gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft“ zu konstituieren (www.einbürgerung.de, zit. nach Schaffer 2008: S. 98). In der Untersuchung der Plakate und der Kampagnentexte macht Schaffer jedoch deutlich, dass mit der gezielten Abbildung von Menschen entlang einer „rassisierenden Typologie: je einmal die Türkin, die Osteuropäerin, die Asiatin, die schwarze Frau…“, diese als die ‚Anderen‘ der deutschen Gesellschaft festgeschrieben werden (Schaffer 2008: 99–102).

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DIE VIELSCHICHTIGKEIT MUSEALER BEDEUTUNGSBILDUNGEN Museale Identifikationsangebote sind nicht nur umkämpft und umstritten, sie sind, wie sich bereits andeutete, auch nicht eindeutig. Das was Ausstellungsmacher*innen im Positiven wie im Negativen für ihre Ausstellungen als Konzepte planen und anschließend in Ausstellungen umsetzen, wird je nach Lesart des Publikums unterschiedlich aufgenommen. Gaby Porter beschreibt die musealen Bedeutungsbildungen als „… complex, layered text of space, things, texts, images and people; its sheer scale and persistent physical presence constantly threaten to topple fragile concepts of subjectivity and positionality.“ (Porter 1996: 107) Die museale Kommunikation und ihre identitätsstiftenden Bedeutungen konstituieren sich demnach nicht allein durch die Ausstellungsnarration oder das Ausstellen von einzelnen Objekten. Vielmehr muss das Museum als ein bedeutungsbildendes Ensemble gesehen werden, in dem vielfältige Akteur*innen und Aspekte zusammenspielen. Um dieses Zusammenspiel besser greifen zu können, ziehe ich Knut Hickethiers Beschreibungen des „Mediendispositivs“ (1997) heran. Am Beispiel des Fernsehens betont Hickethier, dass bestimmte Sendeentscheidungen immer vor dem Hintergrund des Beziehungsgeflechts von Wertsetzungen und institutionellen Bedingungen entstehen und nicht allein auf Einzelpersonen zurückgeführt werden können. Entsprechend fordert er dazu auf, Zusammenhänge zu denken, anstatt einzelne Elemente isoliert zu betrachten Hickethier 1997: 67). Ebenso wie Medieninhalte auf eine Vernetzung unterschiedlichster Faktoren zurückzuführen sind, müssen die Narrationen und Bedeutungen der musealen Kommunikation als Ergebnis miteinander verbundener Faktoren gesehen werden. Das Museum in seiner Komplexität verstehe ich daher ebenfalls als eine Form von Dispositiv. Dementsprechend sind einzelne museale Akteur*innen, wie zum Beispiel Kurator*innen oder Politiker*innen, nicht als Alleinhandelnde zu verstehen. Bal (1996: 16f.) hat dafür den Begriff des „expository agent“ eingeführt, mit dem sie die Gesamtheit an Personen und Faktoren bezeichnet, die an einer Ausstellungsgestaltung beteiligt sind. Es geht folglich in der Untersuchung nicht darum zu fragen, was einzelne Personen für Ziele verfolgen, vielmehr sollen die spezifischen Konstruktionsleistungen der musealen Wissenskonstellationen dekodiert werden, mit denen das Museum als Dispositiv an einem Diskurs wie dem über nationalisierte Geschlechtsidentitäten beteiligt ist. Als bedeutungsbildende Ebenen des Museumsdispositivs verstehe ich, in Anlehnung an Alfred Pang Kah Meng (2004), zum einen die institutionellen Rahmenbedingungen des Museums, zu denen die politischen Aufträge, die Zusam-

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mensetzung der Kurator*innen, die Finanzierung ebenso zählen wie die Gründungs- und Sammlungsgeschichten. Zum anderen ist die Ausstellung die offensichtlichste bedeutungsbildende Ebene im Museum. Sie setzt sich aus verschiedenen Dimensionen zusammen; so zum Beispiel die räumlichen Unterteilungen und Gestaltungen, die Konzeption der Ausstellungsnarration, die Gestaltungselemente wie Licht, Vitrinen und Podeste. Die offensichtlichste Bedeutungseinheit in der Ausstellung bilden die Displays. Ein Display in der musealen Ausstellung ist in der Regel eine sinnstiftende Zusammenstellung von Texttafeln und/oder Grafiken, Objekten, Abbildungen, die in Vitrinen, an Stellwänden oder in eingegrenzten Ausstellungsflächen positioniert ist und ein bestimmtes Thema, Ereignis oder andere Ausstellungsbotschaften repräsentiert. Ausstellungsführer, Audioguides und museumspädagogische Angebote bilden weitere Dimensionen der Bedeutungsbildung sowohl auf der Ebene des Museums als auch der Ebene der Ausstellung. Während die Ebene der institutionellen Rahmenbedingungen für Besucher*innen in der Regel unsichtbar bleibt, sind die Ausstellung und ihr Begleitmaterial die Ebene, die dem Publikum zugänglich ist. Dies führt unter anderem zu der indirekten Kommunikation zwischen Museen und Besucher*innen, wie Bal (1996: 4) sie beschrieben hat. In einer Auseinandersetzung mit den institutionellen Voraussetzungen für diese sichtbare Ausstellungskommunikation wird nachvollziehbar, welche Prämissen und Ziele die spezifischen Ausstellungsentscheidungen prägten. Objekte spielen im Museumsdispositiv eine besondere Rolle. Sie sind häufig das zentrale Element musealer Bedeutungsbildungen. Als Exponate12 eingesetzt stehen sie im Mittelpunkt der Ausstellungskonzeptionen und gelten gemeinhin als Beweis für die Authentizität des im Museum vermittelten Wissens. Exponate zeugen scheinbar durch ihre materielle Anwesenheit von der Richtigkeit der musealen Erzählung. Die weiter oben bereits zitierte Definition von Museen als Bewahrerinnen eines materiellen Erbes einer Gesellschaft scheint vor diesem Hintergrund logisch. Museale Objekte werden zunächst einmal als materieller Beweis für die Existenz einer bestimmten Realität der Vergangenheit verstanden, die bewahrt werden kann und muss. Objekte sind für sich gesehen jedoch nicht eindeutig lesbar. Sie sind polysem und tragen vielfältige Deutungsmöglichkeiten in sich. In Museen erleben sie in doppelter Weise Bedeutungszuschreibungen, die die Polysemie der Objekte einschränken. Zum einen wird ihr Entstehungskontext rekonstruiert und sie werden 12 Die Unterscheidung zwischen Objekten als Gegenständen in musealen Sammlungen und Exponaten als in Ausstellungen präsentierten Gegenständen übernehme ich von Anke te Heesen (2015).

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anhand ihrer vermeintlich originären Funktion in Sammlungsbereiche eingeordnet. Sie werden nach Epochen, Funktionen oder Gattungen sortiert. Dabei finden immer auch Zuordnungen nach Geschlecht statt. Ein Messer kann zum Beispiel als Küchengerät oder als Waffe gedeutet werden. Zum anderen wird die Bedeutungsaufladung durch die Objektklassifizierungen durch das Ausstellen mit einer zusätzlich generierten Exponatbedeutung verknüpft. Als Exponate werden die Objekte aus der Sammlung in die Ausstellung überführt und entsprechend des Ausstellungsnarrativs bestimmten Themen oder Personen zugeordnet. Sie stehen in der Ausstellung für ein Thema, eine Person, ein Ereignis usw. Bennett (1995: 129) beschreibt die Exponate in Ausstellungen daher auch als Faksimiles ihrer selbst. Sie trügen keine ‚originäre‘ Bedeutung in sich und müssten als „rhetorische Objekte“ verstanden werden (ebd.: 146). Die ‚Echtheit‘ eines Objektes ist also nicht gleichbedeutend mit einer feststehenden Bedeutung. Es ist immer die Position, die ein Objekt im Museumsdispositiv einnimmt, die dessen Bedeutung vereindeutigt. Anke te Heesen (2015: 35) nennt dieses Vereindeutigen von Objektbedeutungen „Stillstellen“. Am Beispiel von Kunstgeschichte und Kunstmuseen haben Sigrid Schade und Silke Wenk (2005) aufgezeigt, dass die vielen Verschiedenen Ebenen der Disziplin zu einer spezifischen Form der Bedeutungsbildungen führen. Den Prozess dieser Bedeutungsbildungen bezeichnen sie als „Zu-Sehen-Geben“ (ebd.: 147). Jana Scholze (2004: 138) beschreibt dieses „Zu-Sehen-Geben“ für Geschichtsausstellungen wie folgt: In historisch-chronologischen Ausstellungen stünde der schriftliche Text – die Geschichtserzählung – im Vordergrund. Objekte und weitere Gestaltungselemente dienten hingegen nur der Visualisierung des gewählten Narrativs. So werde die Polysemie der Objekte entsprechend der musealen Erzählung stark reduziert. Der Gedanke des Zusammenwirkens der verschiedenen musealen Bedeutungsebenen mit seinen vereindeutigenden Wirkungen muss grundsätzlich auch die Rezeptionsweisen der Besucher*innen miteinbeziehen. Als interpretierende Subjekte sind sie Teil des musealen Dispositivs und dessen Bedeutungsbildungen. Wie Hall (1997) es für Repräsentationen erläutert hat, betont Eileen Hooper-Greenhill (2000) auch für Museen den bedeutungsbildenden Effekt, den jede Interpretation hat. Interpretationen seien nicht einfach als Instrument der Dekodierung von Bedeutung zu verstehen, sondern als Teil der Bedeutungsbildung: „If meaning develops in dynamic relationship with the expectations, conclusions, judgements, and assumptions of the interpreter, then these activities are not mere-

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ly instrumental and mechanical, used to extract meaning, but are essential in the construction of meaning.“ (Hooper-Greenhill 2000: 119)

Die Rezeptionen und Interpretationen durch Besucher*innen sind immer geprägt von individuellen Erfahrungen, Wissensbeständen und Interessen, die nur schwer nachzuvollziehen sind. Diese Varianzen müssen in Untersuchungen berücksichtigt werden, allerdings vollziehen sich Interpretationen nicht völlig isoliert von sozialen oder kulturellen Kontexten. In ihrer Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Besucher*inneninterpretationen für die museale Bedeutungsbildung zieht Hooper-Greenhill das Konzept der ‚Interpretationsgemeinschaft‘ heran, welches der Literaturwissenschaftler Stanley Fish in den 1980ern ausgearbeitet hat und vor allem in den Medien- und Kommunikationswissenschaften Anklang fand (ebd.: 119). „[…] it insists that interpretation is not based in the individual but is a shared occurrence. Although each individual actively makes sense of their own experience, the interpretive strategies and repertoires they use emerge through prior social and cultural events.“ (ebd.: 122)

Ebenso wie die Ausstellungsmacher*innen ihre sozialen Positionierungen in die Bedeutungsinhalte der Ausstellung einschreiben, finden die Interpretationen der Besucher*innen vor dem Hintergrund verschiedener Zugehörigkeiten statt. Das jeweilige Verständnis der Ausstellungsinhalte sei nach Hooper-Greenhill geprägt von „[…] personal biography, cultural background, and interpretive community […]“ (ebd.: 119). Interpretationsgemeinschaften können als Gruppen von Individuen verstanden werden, die aufgrund eines ähnlichen Interesses und Wissenshorizontes ähnliche inhaltliche Angebote ähnlich rezipieren. Sie sind allerdings keine feststehenden Gruppierungen und nicht auf rein sozioökonomische, geografische oder demografische Positionierungen zurückzuführen. Zudem gehören Individuen in der Regel mehreren Interpretationsgemeinschaften an. Das Konzept der Interpretationsgemeinschaft ist dennoch hilfreich, so HooperGreenhill, da es die geteilten Aushandlungsprozesse betone, auf denen Interpretationen beruhen. (ebd.: 120). Mit Bezug auf die Frage nach Objektbedeutungen erläutert Bennett Ähnliches. Der Eindruck, Museumsobjekte würden für sich sprechen, entstehe durch eine Verknüpfung mit bereits vorhandenem Wissen und der kontinuierlichen Wiederholung bekannter Bedeutungsaussagen (Bennett 1995: 147). HooperGreenhill argumentiert dementsprechend, dass Gegenstände aufgrund ihrer wiederholten Verwendung in denselben Kontexten bestimmte Erfahrungsbedeutun-

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gen mit sich bringen. Vor einem diskurstheoretischen Hintergrund erläutert sie: „Objects are sites at which discursive formation intersects with material properties“ (Hooper-Greenhill 2000: 103). Objekte können somit durchaus spezifische Geschlechter-Botschaften in sich tragen, die dazu führen, dass zum Beispiel Schmuck, dekorative Objekte oder Haushaltsgegenstände eher mit Frauen in Verbindung gebracht würden, während Maschinen, Gemälde oder Dokumente eher Männern zugeordnet würden (ebd.: 110). Das ist allerdings nicht auf eine objektimmanente Bedeutung zurückzuführen, sondern auf den jeweiligen diskursiv geprägten Wissenshorizont von Ausstellungsmacher*innen und Besucher*innen. Während ich über die tatsächlichen Besucher*innen und deren individuelles Wissen und Interpretationen nur schwer Aussagen treffen kann, lassen sich mit Bezug auf das Konzept der Interpretationsgemeinschaft Überlegungen hinsichtlich der Bedeutungsbildung im Zusammenspiel des Museumsdispositivs anstellen. Nach Bal finden sich im Ausstellungsnarrativ selbst Aussagen und Konzeptionen einer von den Museumsmacher*innen konzipierten geeigneten Leser*innenschaft. Diese geeignete Leser*innenschaft nennt sie „ideal visitors“ (Bal 2006: 94). Mit den vorgegebenen Ausstellungsinhalten differenzieren Museumsmacher*innen – oft auch unreflektiert – die Besucher*innen in solche, die die Ausstellung lesen können und solche, die sie nicht lesen können. Eine geeignete Leser*innenschaft ist politisch und kulturell angesprochen, interessiert sich für die angebotenen Inhalte und fühlt sich im Raum des Museums wohl (Lindauer 2006: 204). Vor dem Hintergrund der zuvor diskutierten identitätspolitischen Bestrebungen, die an Museen und deren Ausstellungen herangetragen werden, ist eine Analyse des Museumstextes demnach aufschlussreich für Fragen nach dem in der Ausstellung artikulierten Wissen über Identität und einer damit adressierten und konstituierten geeigneten Leser*innenschaft, die dieses Wissen durch ihre Interpretation mitkonstituiert. Durch die Untersuchung musealer Ausstellungen können zwar nicht die individuellen Interpretationen von Besucher*innen nachvollzogen werden, wohl aber die in und mit den Ausstellungen artikulierten Identitätskonzepte, die auf gesellschaftlichen Aushandlungen beruhen.

Museen analysieren heißt, Zusammenhänge analysieren „In response to the risk of shallow and passing fashion, and curious about what could happen if the mixed-media nature of museums were to be a paradigm of cultural practice in general, I propose a critical analysis not of museums as an object but of the ‚discourse‘ that is deployed in and through them.“ (Bal 1996:, 3)

Diesen vielschichtigen diskursiven und bedeutungsbildenden Charakter von Museen und ihren Ausstellungen sowie die Art und Weise der Bedeutungsbildung in Museen habe ich in den vorangegangenen Teilkapiteln dargestellt. Um der musealen Bedeutungsbildung in ihrer Vielschichtigkeit und Materialdiversität in der Untersuchung gerecht zu werden, habe ich verschiedene Ansätze der Museumsund Ausstellungsanalyse zusammengeführt. Ausgehend von dem Verständnis des Museums als Dispositiv und dessen Bedeutungsbildung durch ein Zusammenwirken vielfältiger Ebenen, habe ich mein Untersuchungsvorgehen unter Bezugnahme auf diskurstheoretische und semiotische Analyseverfahren entwickelt.

VORBILDER FÜR DIE MUSEUMS- UND AUSSTELLUNGSANALYSE Aus den Überlegungen das Museum als Dispositiv zu denken, folgt die Notwendigkeit den Untersuchungsfokus auf die Zusammenhänge zu legen, in denen die musealen Bedeutungsproduktionen entstehen. Wenn wir Repräsentationen mit

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Hall (1997) als konstitutive soziale Praxis verstehen, reicht es nicht aus, in der Analyse ausschließlich die Ausstellung zu untersuchen. Es müssen auch die Prozesse, in denen die Ausstellungsrepräsentationen entstehen, in den Blick genommen werden. Nach Joachim Baur stehen die Darstellungsaushandlungen nicht im „luft- und herrschaftsfreiem Raum“, sondern sind immer geprägt von der jeweiligen spezifischen Institutionenkultur (Baur 2015: 100). Er folgt mit dieser Erläuterung der Neuen Museologie, die museale Bedeutungsbildungen als kontextbedingt und kontingent beschrieben hat und davon ausgehend eine Dekonstruktion musealer Wissensproduktionen durch ein Ausleuchten der historischen, politischen und sozialen Kontexte forderte (Macdonald 2010: 51f.). Henrietta Lidchi (1997) verweist unter Bezugnahme auf Ivan Karp und Steven D. Lavine (hier 2006) mit den Begrifflichkeiten der „poetics and politics of exhibiting“ auf eine methodisch notwendige Verbindung von Institutionenanalyse und Inhaltsanalyse. Sie fordert dazu auf, semiotische Ansätze, die nach den Modi von Bedeutungsbildungen fragen, mit diskursanalytischen Ansätzen, die nach den damit verbundenen Konstruktionen von Macht/Wissen-Konstellationen fragen, zu verbinden. Die Bedeutungsbildungen der Ausstellungen bezeichnet sie als Poetik, die daraus hervorgehenden Macht/Wissen-Konstellationen als Politik des Museums (Lidchi 1997: 153). Für das konkrete Untersuchungsvorgehen schlägt sie vor: 1. Die historischen, politischen und sozialen Zusammenhänge der Entstehung

von Museum und Ausstellung zu untersuchen, 2. die Repräsentationen der Ausstellungen auf ihre Bedeutungsbildungen zu befragen und 3. abschließend die aus diesen beiden Aspekten entstehenden Macht/WissenKonstellationen, die Politiken des Museums, zu ermitteln (Lidchi 1997). Für die Untersuchung in dieser Arbeit wird dieses Grundschema übernommen. Für beide Museen werden zunächst die institutionellen Rahmenbedingungen untersucht, davon ausgehend werden die Repräsentationen der Ausstellungen analysiert. Abschließend werden die Ergebnisse dieser beiden Schritte als Politiken der jeweiligen musealen Bedeutungsbildungen gedeutet und diskutiert. Darüber hinaus muss die Vielfalt der Materialitäten berücksichtigt werden, die im musealen Raum zu einem Narrativ zusammengeführt werden. So spannend die museale Geschichtserzählung durch ihre Dreidimensionalität und die vielfältigen musealen Gegenstände – vom Gemälde über Arbeitsgeräte über Kleidungsstücke bis zu Dokumenten und Urkunden – für Besucher*innen ist, so schwierig ist die Untersuchung des bedeutungsbildenden Zusammenspiels.

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Roswitha Muttenthaler und Regina Wonisch (2006) plädieren vor diesem Hintergrund für ein Zusammenführen verschiedener analytischer Zugänge, welche die Erfassung der Ausstellungen in ihrer Vielfältigkeit und Mehrdimensionalität ermöglichen. Diesen Überlegungen folgend ziehe ich für die Analyse des jeweiligen Materials entsprechende Untersuchungsansätze heran. In einem zusammengeführten analytischen Vorgehen liegt der Fokus der Untersuchung auf den bedeutungsbildenden Ebenen der institutionellen Rahmenbedingungen von Museum und Ausstellung sowie der Ebene der Ausstellungsinhalte. Entsprechend meiner Fragestellung nach dem diskursiven Beitrag musealer Ausstellungen zur (Re-)Konstruktion der Kategorien Geschlecht und Nation untersuche ich die Aushandlungsprozesse der jeweiligen musealen Bedeutungsbildungen sowie das jeweilige Ergebnis: die Ausstellungen. So sollen implizite und explizite identitätspolitische Strategien reflektiert und dekonstruiert werden. Die Ebene der Bedeutungsbildung durch Interpretation, sprich eine Besucher*innenbefragung, wird vor diesem Hintergrund nicht berücksichtigt.

DAS EIGENE VORGEHEN: MEHREBENENANALYSE UND NATIONALE LEITMOTIVE Für meine Untersuchung war es notwendig, ein Vorgehen zu entwickeln, mit welchem sowohl die Aussagen der Ausstellung über die Konzepte Nation und Geschlecht in deren gegenseitigen Verwobenheit herausgearbeitet werden können, als auch die spezifischen Bedeutungsbildungen analysiert werden können, die durch das Zusammenspiel der verschiedenen Museums- sowie Ausstellungsebenen und -elemente entstehen. Ich habe dieses Vorgehen unter Berücksichtigung der Spezifik von Ausstellungen entwickelt, die nationale Geschichte vermitteln wollen. In nationalen Geschichtsschreibungen wird Geschlecht als gesellschaftlich relevante Kategorie selten reflektiert. Vielmehr vermitteln sie den Eindruck allgemein gültig zu sein. In der Regel handelt es sich bei nationaler Geschichtsschreibung jedoch um eine Geschichtsschreibung aus der Perspektive von Männern über das Handeln von Männern, die als solche nicht explizit benannt wird. Diese doppelt männlich geprägte Geschichtsschreibung wurde zwar in den letzten Jahrzenten kontinuierlich kritisiert und um Frauengeschichte ergänzt, jedoch nicht grundsätzlich neu konzipiert (Opitz-Belakhal 2010: 167–177). Museen spiegeln diese Art der Geschichtsschreibung wider. Für die Untersuchung zur Frage nach nationalisierten Geschlechterkonstruktionen im Museum kann Geschlecht häufig nur als implizite Kategorie der Geschichtsschreibung und -darstellung untersucht werden. Da-

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her habe ich trotz meiner Frage nach der Interdependenz der Analysekategorien Nation und Geschlecht in meinem Vorgehen zunächst den Schritt unternommen, diese voneinander gelöst zu betrachten. Da nationale Museen und deren Ausstellungen in erster Linie dem Auftrag folgen, nationale Geschichte zu vermitteln, werden die institutionellen Rahmenbedingungen von Museum und Ausstellung sowie die Ausstellungsinhalte zunächst entlang ihrer Konzeption und den darin enthaltenen Konstruktionsweisen von Nation untersucht. Dadurch ermittelte Schwerpunkte der Ausstellungsnarrative untersuche ich im Weiteren exemplarisch auf ihre expliziten und impliziten Geschlechterbotschaften. Die Entscheidung, so zu verfahren, folgt der Frage nach der Möglichkeit von spezifischen Geschlechterkonstruktionen die durch jeweils unterschiedliche Konstruktionen von Nation entstehen. Mehrebenenanalyse Das konkrete analytische Vorgehen habe ich in Anlehnung an Alfred Pang Kah Mengs (2004) Verfahren einer multimodalen Diskursanalyse im Museum entwickelt. Wie auch Muttenthaler und Wonisch (2006) betont er, dass die Vielschichtigkeit der Bedeutungsbildung musealer Ausstellungen multimodal verfasst sei: „The museum exhibition is obviously multimodal in that different semiotic resources, such as photographs, three-dimensional physical objects, space and language, are co-deployed in complex ways to construct meaning.“ (Meng 2004: 28)

Um die multimodale Beschaffenheit musealer Bedeutungsarbeit untersuchen zu können, überträgt er das Konzept der multimodalen Diskursanalyse nach Gunther Kress und Theo van Leeuwen (2001) auf das Museum. Meng erläutert, dass nicht nur das Museum ein Set aus verschiedenen bedeutungsbildenden Ebenen ist, sondern die einzelnen Ebenen jeweils auch aus verschiedenen Dimensionen bestehen, die zur musealen Bedeutungsbildung beitrügen. Entsprechend geht er in seiner Untersuchung von den großen Rahmenbedingungen bis zu kleinen Details der Ausstellung vor. Dementsprechend habe auch ich meine Untersuchung aufgebaut. Wie zuvor erläutert, verstehe ich die Institution Museum und die Ausstellung als deren Kommunikationsmittel als zwei der wichtigsten bedeutungsbildenden Ebenen des Museumsdispositivs. Sowohl das Museum als auch die Ausstellung untersuche ich daher zunächst auf ihre institutionellen Rahmenbedingungen und deren Bedeutung für die Konzeption der Ausstellung von nationaler Geschichte. Der Schwerpunkt meiner Untersuchung liegt allerdings auf der darauf aufbauen-

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den Analyse der Ausstellungsnarrative. Dazu werte ich die Ebene der räumlichen Gestaltungen, der Geschichtskonzeptionen sowie verschiedener Themenschwerpunkte aus. Die Ebene einzelner Displays und Objekt(an)ordnungen13 untersuche ich im Anschluss daran exemplarisch. Als bedeutungsbildende Dimensionen der institutionellen Rahmung des Museums untersuche ich die jeweiligen Entstehungsgeschichten der Museen, die beteiligten kulturpolitischen sowie museumswissenschaftlichen Akteur*innen, die Finanzierung des Museums, die Arbeitsaufträge und Zielsetzungen, die Sammlungsgeschichten, sowie den Standort des Museumsgebäudes und dessen Geschichte. Die Befragung dieser verschiedenen Dimensionen des institutionellen Rahmens geschieht jeweils hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Ausstellungskonzeption und die Darstellungsweisen von Nation in der Ausstellung. Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, haben kulturhistorische Museen den Auftrag, Geschichte mit dem Ziel der Identitätsstiftung zu vermitteln. Solche Aufgaben und Aufträge wirken sich immer auch auf die Ausstellungsinhalte aus und werden dementsprechend in der Analyse berücksichtigt. Als Quellen für diesen Untersuchungsschritt dienten die Konzeptionen zu den Ausstellungen. Für das DHM wurde die Konzeption von 1987 (Bookmann et al.) in einer von Christoph Stölzl, dem Gründungsdirektor des Museums, herausgegebenen Quellensammlung (1988) veröffentlicht. Für das Dänische Nationalmuseum wurde die Konzeption von der Ausstellungskuratorin Annette Vasstrøm in einem Artikel (2004) in der Zeitschrift Nordisk Museologi dargelegt. Weitere Quellen waren die jeweiligen Gesetzgebungen zur Arbeit der Museen (Museumsloven 2006; Stiftungsgesetz 2008) sowie Reden, in denen Aufträge und Ziele der Museen artikuliert wurden (Kohl 1983; 1987b; Olsen 1992; Merkel 2006; Neumann 2006). Für das DHM sind diese Quellen in oben genannter Quellensammlung gebündelt zugänglich sowie in einer Ausgabe des Museumsmagazins zum 20. Jubiläum des DHM (2007) veröffentlicht worden. Da das Dänische Nationalmuseum im 19. Jahrhundert gegründet wurde und mir neben dem Schwerpunkt der Ausstellungsanalysen in dieser Arbeit die Ressourcen für umfassende

13 Mit der Formulierung (An)Ordnung werden zwei Phänomene beschrieben, die die Bedeutungsbildungen von Museen aufzeigen. Als Anordnung verstehe ich die Handlung des Einrichtens von Ausstellungsräumen mit Gegenständen wie Leuchtmitteln, Vitrinen, Podesten, Wandelementen, Objekten und Texten. Dieser Handlung wohnt immer auch die Metaebene der Bedeutungsbildung entsprechend gesellschaftlicher Ordnungsmuster bei. Die materielle Anordnung basiert somit immer auch auf immateriellen Ordnungen und stellt diese her. Vgl. dazu Angela Jannelli (2012: 86f.), die diese Begriffsverwendung in Anlehnung an Martina Löw (2001) ausführlicher erläutert.

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Archivrecherchen fehlten, wurde vorhandene Literatur zur Gründungsgeschichte des Dänischen Nationalmuseums sowie des Dänischen Volksmuseums, auf dessen Sammlung die Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ basiert, herangezogen (Jensen 1992; Rasmussen 1966a). Beide Museen bieten auf ihren Webseiten den Zugang zu Tätigkeitsberichten sowie Informationen zu Besucher*innenzahlen an (DHM online 2018a; Natmus online 2017a). Darüber hinaus wurden Informationen über Finanzierungen und politische Rahmungen der Häuser von den Webseiten der jeweiligen Kulturbehörden entnommen (SfKM 2018; SlKs 2017). Nach dieser Untersuchung der institutionellen Rahmenbedingungen der Museen habe ich die Bedeutungsbildungen der Dauerausstellungen untersucht. Zunächst habe ich auch für die Ausstellungen die institutionellen Rahmenbedingungen betrachtet, um das Narrativ und die inhaltlichen Schwerpunkte in einen kulturpolitischen Kontext einbetten zu können und Schlüsse über mögliche Ziele ziehen zu können. Wie und vor welchem Hintergrund vollziehen sich die Vergegenwärtigungen von Nation in der musealen Erzählung? Welche Sammlungspraktiken und -bestände liegen der Ausstellung zu Grunde? Wer war an der Konzeption und Umsetzung der Ausstellung beteiligt? Wann wurde sie mit welchen Zielen und Leitideen eingerichtet und wie waren die Reaktionen auf die Ausstellungsplanungen und -eröffnung? Diesen Fragen bin ich nachgegangen, um die Ausstellungsnarrative in ihrer diskursiven Bedingtheit zu kontextualisieren. Auch hierfür dienten die Ausstellungskonzeptionen (Bookmann et al. 1987; Vasstrøm 2004) als Quelle. Zudem habe ich die Pressespiegel zu den Eröffnungen der Ausstellungen berücksichtigt. Für die Ausstellung des DHM ist ein Pressespiegel zur Ausstellungseröffnung online zugänglich (zeitgeschichte-online 2007). Für meine Auswertungen stand mir allerdings auch die Pressesammlung der Kommunikationsabteilung des DHM zur Verfügung. Für die Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ bietet Annette Vasstrøm (2004: 101-103) einen Überblick über die Pressestimmen zur Eröffnung der Ausstellung. An die Auswertung der Ausstellungsrahmenbedingungen schloss sich die Untersuchung der Ausstellungsnarrative und der jeweils spezifischen Ausstellungs(an)ordnungen an. Dabei wurde ermittelt, welches Narrativ jeweils durch die Ausstellung leitet, welche Gestaltungsweisen dazu eingesetzt wurden und welche thematischen Schwerpunkte auffallen. In der Regel werden Geschichtsausstellungen durch ein Hauptnarrativ – bei Meng Storyline (Meng 2004: 36) – geprägt, welches bestimmte Themenschwerpunkte hat und andere mögliche Themen vernachlässigt oder auslässt. Das Hauptnarrativ lässt sich durch die Auswertung der Ausstellungstexte, der Raumgestaltungen, der Frage nach Blick-

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fängen entlang des Rundganges sowie häufiger Wiederholungen bestimmter Themen ermitteln. Für diese Untersuchung habe ich Ausstellungsrundgänge durchgeführt. Dabei wurde ermittelt, welche Erzählstränge und (An)Ordnungen das Narrativ der nationalen Geschichte prägen. Zudem ging es darum, visuelle Aufmerksamkeitspunkte, die nach einem Museumsbesuch besonders in Erinnerung bleiben können, zu reflektieren und in die Auswertung mit einzubeziehen. Ebenso wie danach gefragt werden muss, was durch Positionierungen, Beleuchtung und Inszenierung hervorgehoben wird, muss dabei auch untersucht werden, welche Themen durch Platzierungen abseits von vorgegebenen Rundgängen oder durch mangelnde Beleuchtung in den Hintergrund gerückt werden. Auf diese Weise können Schlüsse darüber gezogen werden, wie ein bestimmtes Thema im nationalen Narrativ bewertet wird, sowie Überlegungen hinsichtlich möglicher Blicklenkungen angestellt werden. So können bereits erste Schlüsse über die spezifische Art des Zu-Sehen-Gebens der Ausstellung gezogen werden. In späteren Analyseschritten wird das Ausstellungsnarrativ dann auf die so herausgefilterten dominanten Aussagen reduziert und es können exemplarische Displays für vertiefende Untersuchungen ausgewählt werden. Für diesen Analyseschritt ziehe ich Erinnerungsprotokolle heran, die ich jeweils bei ersten Ausstellungsbesuchen angefertigt habe, um meine ersten Eindrücke festzuhalten. Auf diesem Wege beziehe ich mich als ‚forschende Besucherin‘ in die Analyse mit ein. Muttenthaler und Wonisch (2010: 130f.) haben dazu den von Roland Barthes eingeführten Begriff ‚Punctum‘ herangezogen. ‚Punctum‘ verweist demnach auf persönliche Betroffenheiten – das können Elemente der Ausstellung sein, welche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber auch die Fragestellung, die meinen Blick lenkt. Scholzes (2004: 138-141) Erläuterungen zur Dominanz der Textebene in chronologisch-historischen Ausstellungen, bedeuten für die Untersuchung solcher Ausstellungen, dass entlang der Ausstellungstexte und deren Überschriften ermittelt werden kann, welche Themen das Narrativ einer Ausstellung bestimmen, welche Themen immer wieder aufgegriffen werden und welche Themen nur selten oder gar nicht sichtbar gemacht werden. Um dominante Erzählstränge und Themen herauszuarbeiten, verbinde ich meine Rundgangsauswertung daher mit einer Auswertung der Texttafeln. Leitmotive Die museale Erzählung zu Nation und die damit einhergehenden spezifischen Schwerpunktsetzungen sind immer von Geschlechterbotschaften durchzogen.

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Sei es explizit durch die Repräsentation bestimmter Akteur*innen oder implizit durch einen bestimmten Sprachstil, die Auswahl bestimmter ‚geschlechtlichkonnotierter‘ Objekte sowie durch spezifische thematische und räumliche (An)Ordnungen. In der Analyse muss dies reflektiert werden, da dadurch bestimmte geschlechtliche Identitätskonzepte für die nationale Gemeinschaft als ideal bestimmt und andere ausgeblendet oder abgewertet werden. Für die Untersuchung der Geschlechterkonstruktionen innerhalb der ermittelten Konstruktion von Nation habe ich das Konzept des Leitmotivs aus den Literatur- und Musikwissenschaften herangezogen und als Instrument für die Ausstellungsanalyse ausgearbeitet. Laut der Online-Ausgabe des Dudens ist ein Leitmotiv ein Leitgedanke, oder ein leitendes Motiv, welches in einem Musikstück immer wieder aufgegriffen wird und charakteristisch ist, um eine Situation oder Person darzustellen. In der Literaturwissenschaft bezeichnet das Leitmotiv ebenfalls immer wiederkehrende, einprägsame Formulierungen, die fest mit einer Sache, einer Person oder Stimmung verbunden sind (Duden 2018a). Im Lexikon der musikalischen Form wird außerdem auf die Funktion von Leitmotiven hingewiesen, Einheit und Zusammenhang innerhalb eines musikalischen Werkes herzustellen. Hier wird der charakterisierende Symbolwert betont, den das Leitmotiv für ein Stück hat. Zudem verweist die Lexikondefinition auf die repräsentative Funktion von Leitmotiven. Es sei die Aufgabe eines Leitmotivs, die Ebenen des Erinnerns und Vergegenwärtigens zu vereinen. Es verleihe somit Abwesendem durch den Einsatz charakteristischer Melodien Präsenz und habe das Potential, Vergangenes zu vergegenwärtigen (Amon 2011: 204). Die Eigenschaften der Wiederholung, der charakteristischen Darstellung bestimmter Dinge sowie des Symbolwertes, mit dem Themen, Personen, Stimmungen vergegenwärtigt werden, lassen sich auf Themenschwerpunkte in musealen Ausstellungen übertragen. Themenschwerpunkte, die in den zuvor beschriebenen Untersuchungsschritten als konstitutiv für die nationale Erzählung der Ausstellungen herausgearbeitet wurden, bestimme ich daher als Leitmotive. Die von mir als Leitmotiv bestimmten Themen dienen in den Ausstellungen der jeweils spezifischen Konstruktion und Charakterisierung des Nationalen. Die Ausstellungen greifen im Rahmen der chronologisch angeordneten Darstellungen nationaler Geschichte bestimmte Themen immer wieder in Variationen auf, um gesellschaftliche und politische Veränderungen oder Kontinuitäten zu vermitteln. Ein sich häufig wiederholendes Thema stellt in meiner Untersuchung jedoch nicht immer ein Leitmotiv dar. Eine (An)Ordnung des Themas an gut sichtbaren Stellen im Raum ist ebenfalls ausschlaggebend, um es als Leitmotiv – als besonders bedeutsames Thema im nationalen Narrativ – zu bestimmen. Ein Leitmotiv ist somit ein Thema, welches in der Ausstellung sowohl textlich als

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auch in der räumlichen Ordnung immer wieder aufgegriffen wird und entlang des Rundgangs im Vordergrund positioniert ist. Leitmotive verstehe ich als Indikatoren für das, was in den Ausstellungen als bedeutsam für die nationale Identifikation bestimmt wird. So wie das Lexikon der musikalischen Form ein Leitmotiv als „thematische[n] Keim“ (Amon 2011: 204) bestimmt, deute ich Leitmotive in den Ausstellungen als thematische Keime beziehungsweise Verdichtungen der jeweiligen Nationalkonstruktion. Diese thematischen Verdichtungen der musealen Konstruktion von Nation gehen immer einher mit Objekten, Inhalten und Akteur*innen, die besonders hervorgehoben werden, und anderen, die vernachlässigt beziehungsweise im nationalen Narrativ unsichtbar gemacht werden. Ausgehend von diesen Überlegungen untersuche ich wie die Themen, die von mir als Leitmotive ermittelt wurden, in den Ausstellungen zu-sehen-gegeben werden und welche Geschlechterkonstruktionen dadurch entstehen. Nach der Ermittlung der Leitmotive der jeweiligen Ausstellung werden für die Untersuchung der Geschlechterkonstruktionen jeweils exemplarische Displays ausgewählt. In diesem Untersuchungsschritt gehe ich analytisch in die Tiefe und nutze ein Verfahren, das von der Semiotik geprägt ist. Jana Scholze schlägt zur semiotisch geprägten Analyse von Ausstellungsdisplays ein dreischrittiges Vorgehen vor (Scholze 2004: 30–39), welches an Panowskys ikonografische Analyse von Bildern anknüpft (Panowsky 1939, nach Schade/Wenk 2011: 71–76). Zunächst fragt sie nach der Denotation, nach der (Gebrauchs-)Funktion von ausgestellten Objekten. Im nächsten Analyseschritt wird nach der Bedeutung von Objektarrangements und Ausstellungszusammenhängen gefragt. Bei Scholze ist das die konnotative Ebene. Sie fragt nach den spezifischen (An)Ordnungen, in denen Displays und Exponate in der Ausstellung zu sehen gegeben werden. Zuletzt wird die Displayuntersuchung in Bezug zu den Ergebnissen aus der Untersuchung der institutionellen Rahmenbedingungen des Museums und der Ausstellung gesetzt. Es wird untersucht, wie der Arbeitsauftrag und die Vermittlungsziele der Ausstellung die jeweils spezifischen Darstellungsweisen und Objektinszenierungen prägen. So sollen die gesellschaftliche und die kulturpolitische Dimension erfasst werden, die die Ausstellungsinhalte mitbestimmen. Scholze nennt dies die Metakommunikation der Ausstellungen beziehungsweise des Museums (Scholze 2004: 35–39). Bezogen auf die Geschlechterkonstruktionen, die hier ermittelt werden sollen, untersuche ich zu den ausgewählten Displays deren (An)Ordnung im Raum, deren Inszenierungsweisen, die Textebenen sowie die Objektauswahl und -(an)ordnung. Bei der Auswertung der Ausstellungstexte ist es relevant danach zu fragen, ob Geschlecht als Kategorie thematisiert und reflektiert wird, ob be-

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stimmte Personen benannt werden und wie über diese Personen geschrieben wird. Auf der Objektebene untersuche ich die jeweiligen Objekt(an)ordnungen auf ihre spezifischen Geschlechterkonnotationen. Entsprechend Hooper-Greenhills (2000: 116-119) Erläuterungen zu den Bedeutungen, die Objekte aufgrund von bekannten Zuordnungen, dem Alltagswissen der Besucher*innen und sich wiederholenden Inszenierungsweisen in bestimmten Kontexten erhalten, kann davon ausgegangen werden, dass Besucher*innen manche Objekte direkt mit Geschlechterzuschreibungen verknüpfen. Davon ausgehend untersuche ich, ob Objekte entlang vergeschlechtlichter Raumordnungen wie zum Beispiel ‚Öffentlichkeit‘ und ‚Privatheit‘ (an)geordnet sind oder von der Ausstellung durch besondere Inszenierungsweisen als wertvoll oder als einfach und alltäglich bewertet werden. In der Zusammenführung der Auswertungen der Displayanalysen sowie der Displayumgebungen ziehe ich abschließend Schlüsse über die jeweiligen Geschlechterkonstruktionen eines Leitmotivs und setze diese in Bezug zu der Funktion des Leitmotivs in der nationalen Erzählung der Ausstellung. Zum Abschluss der Untersuchung führe ich Lidchi (1997) folgend alle Ergebnisse der jeweiligen Untersuchungsschritte zusammen, um Aussagen hinsichtlich der jeweiligen Museumspolitiken treffen zu können. Mit diesem Schritt sollen die für die Museen spezifischen Macht/Wissen-Konstellationen reflektiert werden, mittels derer Geschlecht und Nation (re-)konstruiert werden und Museen sich an den gesellschaftlichen Aushandlungen beteiligen. Der Vergleich der Ergebnisse aus den Untersuchungen zu den zwei Museen soll darüber hinaus Schlüsse ermöglichen, in welcher Weise unterschiedliche Konzeptionen nationaler Geschichte und damit einhergehende Konstruktionen von Nation die Geschlechterkonstruktionen prägen.

SITUIERTE WISSENSPRODUKTIONEN I: REFLEKTIONEN ZUM FORSCHUNGSVORHABEN Die von Museen hervorgebrachten Macht/Wissen-Konstellationen müssen als zeit- und raumgebundene Konstruktion von Geschlecht und Nation reflektiert werden. Donna Haraway (2004) führte zur Beschreibung solcher Wissensproduktionen das Konzept des situierten Wissens ein. Sie erläutert, dass Wissen niemals allgemeingültig oder objektiv richtig sei, sondern immer an spezifische gesellschaftliche Kontexte und Machtkonstellationen gebunden sei. Der Vergleich der zwei Museen fragt entsprechend nach der Bedeutung dieser jeweils spezifischen gesellschaftlichen Kontexte und den daraus hervorgehenden spezifischen Wissensproduktionen über Geschlecht und Nation, um eine Dekonstruk-

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tion der als natürlich und feststehend wahrgenommenen Identitätspositionen zu den Konzepten Geschlecht und Nation zu ermöglichen. Ebenso wie das im Museum produzierte Wissen als zeitlich und örtlich situiert verstanden werden muss, ist auch das Wissen, welches ich in meiner Arbeit über die Museen herstelle, in spezifischer Weise situiert. Das Wissen, welches ich mit dieser Arbeit her- und bereitstelle ist durch meine spezifische Perspektive, meine Fragestellung und mein situiertes (Vor-)Wissen ebenso geprägt, wie durch die gesellschaftlichen Konstellationen, innerhalb derer die Ausstellungen entstanden sind. Als akademisch gebildete, weiße, weiblich sozialisierte, in Deutschland aufgewachsene und feministisch engagierte Person bin ich Mitglied einer spezifischen gesellschaftlichen Schicht aber auch bestimmter Interpretationsgemeinschaften, die meine Forschungsperspektive auf die gegenwärtigen Diskurse zu Geschlecht und Nation prägen. In der Untersuchung ist es dementsprechend notwendig zu reflektieren, dass ebenso wie das Vorwissen und die Interessen von Besucher*innen deren Rezeptionen lenken, auch mein spezifisches Wissen und Untersuchungsinteresse die Analysen prägt. Meine spezifische Sichtweise mache ich in meiner Arbeit in einer zu Beginn der Analysen vorgenommenen Darstellung der jeweiligen Ausstellungsrundgänge sichtbar. Hier steht der von mir erlebte Ausstellungsbesuch im Vordergrund und wird hinsichtlich meiner Fragestellung nach den Konstruktionsweisen von Nation und Geschlecht reflektiert. So soll die zunächst subjektive Sicht auf die Ausstellung verdeutlicht und zugleich das Erlebte hinsichtlich der Fragestellung reflektiert werden.

Das Deutsche Historische Museum und seine Dauerausstellung

Institutionelle (Be-)Deutungen des Deutschen Historischen Museums

Anlässlich der Eröffnung der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums betonte Angela Merkel in ihrer Rede das Anliegen, mit der museal vermittelten Geschichte nationale Identität zu stiften (Merkel 2006: 68). Sie aktualisierte damit ein Vorhaben, welches in der 1987 veröffentlichten Konzeption für das Museum ausführlicher beschrieben wurde: „Vor allem soll das Museum den Bürgern unseres Landes helfen, sich darüber klar zu werden, wer sie als Deutsche und Europäer, als Bewohner einer Region und als Angehörige einer weltweiten Zivilisation sind, woher sie kommen, wo sie stehen und wohin sie gehen können.“ (Bookmann et al. 1987: 611)

Der Wunsch, einer Gruppe von Menschen, die als Deutsche bestimmt werden, die Möglichkeit der Selbstvergewisserung zu bieten, wird in den Aussagen von 1987 und 2006 gleichermaßen sichtbar und deutet an, welche politischen Motivationen hinter der Museumsgründung standen. Sie lassen auf ein zu diesen Zeiten neues Aushandeln dessen schließen, was als Bezugs- und Identifikationspunkte für die Bildung und Verstetigung einer gewünschten gemeinsamen Identität gelten sollte. Im Folgenden werde ich die durchaus kontroversen Aushandlungsprozesse und Gründungsmotivationen, die die Museumsplanung prägten, ausführlicher beleuchten, um die darauf aufbauenden Ausstellungsentscheidungen und Repräsentationen als Aussagen über gegenwärtige Bedürfnisse und Ziele einer Gesellschaft hinsichtlich nationaler Zugehörigkeiten deuten zu können.

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DER STREIT UM EINE ‚GESCHICHTE DER NATION‘ Als das Deutsche Historische Museum am 28. Juli 1987 gegründet wurde, lag bereits eine lange Zeit der Auseinandersetzungen um dieses Projekt hinter ihm und allen beteiligten Akteur*innen. Die Planung und Gründung eines deutschen Geschichtsmuseums war in eine Phase der allgemeinen Auseinandersetzungen und Bemühungen um ein national geprägtes Staatsbewusstsein eingebettet.14 Damit einher ging der Gedanke, dass das Wissen über eine vermeintlich gemeinsame Vergangenheit die Basis für das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gesellschaft sei und deren Zukunft sichere (FAZ 25.04.1986). Die Auseinandersetzungen um eine dementsprechend angemessene Geschichtsvermittlung wurden in Bundesrepublik bereits seit den späten 1970er Jahren kontrovers geführt. Einerseits wurde eine politisch motivierte Geschichtsvermittlung stark kritisiert. Andererseits gab es in der Bundesrepublik ein zunehmendes Interesse an Geschichtsausstellungen, wie sich an den hohen Besuchszahlen bei einer Reihe von Ausstellungen in den 1970er Jahren zeigte (Mälzer 2005: 42). Die Befürworter eines historischen Museums führten die Erfolge von Ausstellungen wie „1871 – Fragen an die deutsche Geschichte“, die am 21. März 1971 zum 100. Jahrestag der Gründung des Deutschen Kaiserreichs im West-Berliner Reichstag eröffnet wurde, oder die Ausstellung „Die Zeit der Staufer. Geschichte, Kunst, Kultur“ (Stuttgart 1977) als Beispiele an, um ihre Forderungen nach einem dauerhaften Geschichtsmuseum zu untermauern (ebd.: 48). Als konkreter Ausgangspunkt für die Debatten um die Einrichtung eines Museums zur deutschen Geschichte kann allerdings eine Ausstellung über die Geschichte Preußens gedeutet werden. Die Ausstellung „Die Preußen – Versuch einer Bilanz“ (15.08.1981-15.11.1981) war auf Anregung des damaligen Berliner Bürgermeisters Dietrich Stobbe geplant und 1981 im West-Berliner Martin

14 Das Bedürfnis, nationale Verbundenheit und Nationalstolz wieder positiver zu bewerten, scheint nicht nur in der Auseinandersetzung um die Museumsgründungen des Deutschen Historischen Museums und des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland durch. Unter anderem wurde in einer von der damaligen CDU-Regierung beauftragten Studie zum „Extremismus-Potential unter jungen Leuten“ in der Einführung erläutert, dass nationale Haltungen nicht negativ, sondern notwendig seien, um ein Land „existenzfähig“ und „verteidigungsfähig“ zu machen (Noelle-Neumann/Ring 1984: 7). Den Hinweis auf diese Studie erhielt ich von Marc Grimm, der in seiner Dissertation die „Genese der Rechtsextremismusforschung in der BRD“ (bisher unveröffentlicht) beleuchtet.

Das Deutsche Historische Museum | 81

Gropius Bau eingerichtet worden. Bereits für diese Ausstellung wurde in der Planungsphase um deren geschichtspolitische Ausrichtung gerungen – sie sollte Preußen weder glorifizieren noch verurteilen. Die fachlichen Bewertungen der Ausstellung fielen entsprechend gemischt aus, die Besucher*innenzahl war jedoch mit rund einer halben Million beeindruckend hoch (Mälzer 2005: 50). In Folge dieser Ausstellung brachen die geschichtspolitischen Debatten um die Notwendigkeit einer dauerhaften Geschichtsausstellung nicht mehr ab. Von Stobbes Nachfolger Richard von Weizäcker beauftragt, legten die Historiker Hartmut Bookmann, Eberhard Jäckel, Hagen Schulze und Michael Stürmer 1982 eine Denkschrift mit dem Titel „Deutsches Historisches Museum in Berlin“ vor. Helmut Kohl griff die Ideen aus dieser Schrift bereits zu Beginn seiner Kanzlerschaft auf und kündigte zwei große geschichtspolitische Projekte an. In einer Regierungserklärung im Oktober 1982 sprach er zunächst von der Einrichtung einer Sammlung zur Geschichte der Bundesrepublik in Bonn, kurz darauf im Mai 1983 versprach er, Berlin zum 750. Jubiläum der Stadt im Jahre 1987 ein Deutsches Historisches Museum zu schenken. Während das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (HdG) der Nachkriegs- und Demokratiegeschichte der Bundesrepublik gewidmet und in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn eingerichtet werden sollte, sollte im Deutschen Historischen Museum (DHM) eine gesamtdeutsche Langzeitgeschichte vermittelt werden. Das Museum wurde in Berlin verortet. Formuliertes Ziel dieser Museumsplanungen war die „Aufklärung und Verständigung im Umgang mit der gemeinsamen Geschichte“ (Stölzl 2007: 36). Kohl (1985b; 1987a: 641f) betonte dementsprechend immer wieder, dass er die Auseinandersetzung mit der Geschichte als wichtige Quelle der Orientierung und Selbstvergewisserung für eine Gesellschaft verstehe. In einem Interview zum 20jährigen Jubiläum des HdG für das hauseigene Museumsmagazin erläuterte er retrospektiv sein Verständnis von einem Geschichtsbewusstsein als „Ausgangspunkt für Alles“ und bezeichnete die Gründungen des DHM in Berlin sowie des HdG in Bonn als Teil seiner „Initiative für mehr Geschichtsbewusstsein“ (Zander 2014: 11). Von der Auseinandersetzung mit der Geschichte versprach man sich ein gestärktes Staatsbewusstsein und die Bereitschaft sich für den Staat einzusetzen (Mälzer 2005: 54). Mit dem Gedanken durch Geschichtskenntnis und Staatsbewusstsein auch die Zukunft zu gestalten, sprach Kohl immer wieder besonders

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die „junge Generation“ als zukünftige Staatbürger und Staatsbürgerinnen 15 an. Gerade für die Geschichtskenntnis der Jugend müsse sich das Museum einsetzen und die Möglichkeit bieten, „Höhen und Tiefen deutscher Geschichte durchwandern zu können“ (Kohl 1985a: 244). In seiner Rede zur Gründung des Museums 1987 forderte er dementsprechend besonders die „jungen Mitbürgerinnen und Mitbürger“ dazu auf, die Chancen zu nutzen und der Geschichte zu begegnen (Kohl 1987b: 13). Durch die Geschichtsvermittlung sollte besonders der Jugend als zukünftige Generation eine nationale Selbstvergewisserung vermittelt werden. In mitunter hitzigen Auseinandersetzungen um die geschichtspolitischen Motive der Museumsgründung wurde dem Bundeskanzler unter anderem vorgeworfen, ein ‚Kanzlermuseum‘ zu planen, welches Geschichte nach seinen politischen Idealen und Zielen gestalten würde. Unter anderem der Historiker Hans Mommsen (1986) warf Kohl und der damaligen CDU-Regierung vor, das neue Museum als Gegenentwurf zum Museum für Deutsche Geschichte (MfDG) der DDR aufzubauen. Das MfDG gab es bereits seit 1952 und beanspruchte, die deutsche Geschichte zu vermitteln. In der Zeit von 1952-1967 wurde im MfDG eine Dauerausstellung eingerichtet, deren Ziel es war, ein sozialistisches Geschichtsbild zu propagieren, welches die Gründung der DDR als Höhepunkt der historischen Entwicklungen vermittelte (Mälzer 2005: 26f.). Die Einrichtung eines DHM mit dem Ziel, ebenfalls eine deutsche Langzeitgeschichte auszustellen, deutete Mommsen (1986: 17) als politisch motivierte Handlung, mit der eine vermeintliche Richtigstellung der deutschen Geschichte verfolgt würde. Ein weiterer großer Kritikpunkt Mommsens war, dass durch das Ausstellen einer deutschen Langzeitgeschichte der Nationalsozialismus relativiert und ein „konservativer Patriotismus“ gefördert würde (ebd.: 14). Damit griff er eine Debatte auf, die Teil größerer geschichtspolitischer Aushandlungen in den 1980er Jahren war. Die Vorwürfe eines Geschichtsrevisionismus und einer Relativierung der NS-Geschichte durch die Gestaltung einer Langzeitperspektive auf deutsche Geschichte kulminierten in dem sogenannten Historikerstreit, welcher 15 Die AG Feministisch Sprachhandeln an der Humboldt-Universität Berlin nennt Staatsbürger und Staatsbürgerinnen in ihrer binären Schreibweise, da es im deutschen Recht bisher keine Möglichkeit gibt andere Geschlechtlichkeiten amtlich eintragen zu lassen (2014/2015: 22, 27f.). Im November 2017 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bis zum 31. Dezember 2018 neben den Geschlechtsbezeichnungen Mann und Frau eine dritte positive Geschlechtsbezeichnung gesetzlich eingeführt werden muss (BVG 2017). Da es zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit hierzu noch keine weiteren Entscheidungen gibt. Verbleibe ich zunächst bei der oben erläuterten Schreibweise.

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1986 und 1987 vor allem über die großen überregionalen Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Die Zeit ausgetragen wurde. Primär wurden zwei Positionen zum Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und deren Ursachen diskutiert. Auf der einen Seite stand der Historiker Ernst Nolte, dessen Artikel „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ (FAZ 26.06. 1986) Anstoß der Auseinandersetzung war. In seinem Artikel vertrat er die Position, der nationalsozialistische Völkermord sei kausale Folge der bolschewistischen Gulag-Verbrechen unter Stalin in der Sowjetunion. Kritik daran wurde auf der anderen Seite zunächst von Jürgen Habermas in einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit (01.07.1986) formuliert. Er vertrat die These der Einzigartigkeit des Holocaust und warf Nolte ein „revisionistisches Geschichtsbild“ und neokonservative Tendenzen vor (Große Kracht 2010: 1). An diese beiden Argumente anschließend entzündete sich die über mehrere Monate andauernde Debatte, in der sich Historiker wie Jürgen Kocka, Hans-Ulrich Wehler und Heinrich August Winkler ähnlich wie Habermas positionierten und die Historiker Michael Stürmer und Andreas Hillgruber ähnlich wie Nolte argumentierten. Michael Stürmer war zu dieser Zeit politischer Berater für Kohl und hatte sich bereits 1982 als Mitautor in der „Denkschrift für ein Deutsches Historisches Museum“ für eine Langzeitperspektive ausgesprochen. In einem Artikel in der FAZ (25.04.1986) attestierte er den Menschen in Deutschland zudem das geringste Selbstbewusstsein im europäischen Vergleich und damit einhergehend eine Ungewissheit über die gemeinsame Zukunft. Er forderte daher dazu auf, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und dabei nicht erst mit der Zeit des Nationalsozialismus zu beginnen, sondern schon auf frühere Abschnitte der Vergangenheit zu blicken. So sollte eine geschichtliche Identität erarbeitet werden. Klaus Große Kracht (2010: 3) bewertet die Pläne für die Einrichtung der beiden historischen Museen in Bonn und Berlin entsprechend als Teil des Prozesses geschichtspolitischer Auseinandersetzungen, der zu den im Historikerstreit geäußerten Vorwürfen geführt habe, die Kohlregierung versuche einen Schlussstrich in vergangenheitspolitischer Sicht zu ziehen. Um dem Vorwurf entgegenzutreten, ein ‚Kanzlermuseum‘ mit politisch motivierter Geschichtsschreibung zu planen, wurde 1985 für die Konzeption und inhaltliche Ausrichtung des Museums sowie dessen Dauerausstellung eine 16köpfige wissenschaftliche Sachverständigenkommission eingesetzt, die aus Historikern, Kunsthistorikern, Politik- und Rechtswissenschaftlern16 sowie Museumsfachleuten bestand. Mit Werner Knopp wurde zum Beispiel der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum Vorsitzenden der Kommission er16 Da in der Kommission keine Frauen vertreten waren, verwende ich hier die männliche Schreibweise.

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nannt. Nach Einschätzung Mälzers (2005: 104) war die Kommission durchaus ausgewogen mit Vertretern unterschiedlicher geschichtspolitischer Positionen besetzt. So gehörten zum Beispiel Jürgen Kocka, der im Historikerstreit die Position der Einzigartigkeit des Holocaust vertreten hatte, aber auch Michael Stürmer, der geschichtspolitische Berater Kohls, der Kommission an. Der zukünftige Gründungsdirektor des DHM Christoph Stölzl war ebenfalls Teil der Kommission (Danker/Schwabe 2007: 594). Bezeichnender Weise war in dieser Kommission nicht eine Frau vertreten, was bereits zum damaligen Zeitpunkt zu Kritik führte. Frauenverbände und -einrichtungen, wie das Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum e. V. (FFBIZ), monierten die ausschließliche Besetzung der Kommission durch Männer. 1986 äußerte das FFBIZ seine Ablehnung gegenüber dem geplanten Museum und der Ausstellungskonzeption, in der es Frauen aufgrund der Planung ausschließlich durch Männer nicht vertreten sah (FFBiZ 1987: 110). Im März 1986 legte die Kommission ein Konzept für das zukünftige Museum vor, welches nach Überarbeitungen im Juni 1987 endgültig beschlossen wurde.17 Die Debatten um das Unterfangen, eine gesamtdeutsche Langzeitgeschichte auszustellen, haben darin ihre Spuren hinterlassen. So wurde bei der Namensgebung des Museums auf Titelzusätze wie Nation oder national verzichtet sowie das Vorhaben formuliert, in der Ausstellung „die deutsche Geschichte in ihrem europäischen Zusammenhang“ zu zeigen sowie einen Überblick über die innere Vielfalt zu geben (Bookmann et al. 1987: 609). Dennoch wurde in der Planungs- und Gründungszeit immer wieder von einem historischen Museum als nationalem Museum in Berlin gesprochen und auf die deutsche Nation, die Deutschen und das deutsche Volk rekurriert, sowie die nationale Bedeutung und Aufgabe des Museums betont. Kohl bezeichnete das Museum 1985 im Bericht zur Lage der Nation zum Beispiel als „eine nationale Aufgabe von europäischem Rang“ und betonte die Funktion des Museums als „Stätte der Selbstbesinnung und der Selbsterkenntnis“ (Kohl 1985b: 244). Dem neuen Museum kam somit auch ohne explizite namentliche Benennung die Aufgabe zu, eine nationale Identität zu stiften. Dass das DHM bis heute zum Teil aus Bundesmitteln finanziert wird, unterstreicht die nationale sowie kulturpolitische Bedeutung des Museums: Kunst- und Kultureinrichtungen sind in der Bundesrepublik eigentlich Ländersache und erhalten finanzielle Förderungen aus den 17 Die Konzeption soll hier nicht ausführlich diskutiert werden, da der Fokus der Untersuchung auf der letztlich eingerichteten Dauerausstellung liegt. An einigen Stellen wird jedoch auf die Konzeption verwiesen. Sie ist zudem in der von Stölzl (1988) herausgegebenen Quellensammlung zur Gründungszeit des DHM vollständig abgedruckt (Bookmann et al. 1987).

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Landeskassen. Der Bund finanziert allerdings einige Kultureinrichtungen, die von besonderer staatlicher Bedeutung sind. Neben dem DHM werden zum Beispiel noch das HdG in Bonn und das Jüdische Museum in Berlin aus Bundesmitteln finanziert (SfKM 2018). Die Sorge um eine Einflussnahme von politischer Seite begründete sich allerdings nicht nur auf Grund der finanziellen Förderung durch Bundesmittel. Neben der Finanzierung gab es seit der Gründung des DHM als GmbH einen Aufsichtsrat, der zu gleichen Teilen von Bund und Ländern besetzt wurde und zum Beispiel über die Einstellung der Museumsleitung entschied. Mit der Umfirmierung des DHM zur Stiftung wurde der Einfluss von politischer Seite auf die Planungs- und Führungsebene des Museums noch verstärkt. Seit 2009 agiert ein Kuratorium als oberstes Gremium der Stiftung, welches sich aus je fünf Mitgliedern des Bundestags, der Bundesregierung und der Landesregierungen zusammensetzt. Dieses Kuratorium beruft sowohl den wissenschaftlichen Beirat, als auch – nach Anhörung dieses wissenschaftlichen Beirats – den*die Präsident*in der Stiftung (Stiftungsgesetz 2008). Habermas hatte bereits 1986 in einem SPD-Hearing darauf hingewiesen, dass eine Sachverständigenkommission eine Einflussnahme seitens der Politik nicht abwenden könne und betonte, dass die Personalentscheidungen politisch getroffen würden. Er gab zu bedenken, dass nicht ein Konzept das zukünftige Museum bestimmen werde, sondern derjenige, der dieses einmal leiten würde (Mälzer 2005: 115). Ein Blick auf die drei bisher im Amt gewesenen Direktoren beziehungsweise ab 2009 Präsidenten des Museums und deren Agieren macht die Überlegungen Habermas plausibel. Der Gründungsdirektor Christoph Stölzl stand als CDUPolitiker der Bundesregierung und ihren geschichts- und erinnerungspolitischen Bemühungen nah. Unter anderem unterstütze er die Neubestimmung der direkt neben dem DHM liegenden Neuen Wache als zentrale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und unterstützte so eine Erinnerungspolitik, die deutscher Soldaten ebenso wie der Opfer des Nationalsozialismus gedenken wollte (Siebeck 2002: 56). Als Mitglied der Sachverständigenkommission hatte er das Konzept für das zukünftige Museum und seine Dauerausstellung mitgeplant und -geschrieben. Unter ihm wurde noch zur Zeit der Kohl-Regierung mit dem Sammlungsaufbau begonnen und 1994 eine erste vorläufige Ausstellung mit dem Titel „Bilder und Zeugnisse der Deutschen Geschichte“ eröffnet. 2000 wurde mit Hans Ottomeyer ein Kunsthistoriker Direktor des Hauses (20002011). Er zeichnete Verantwortung für die Anpassung der Konzeption an die Räumlichkeiten des Zeughauses und die Einrichtung der in dieser Arbeit untersuchten Dauerausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“. Sein Vorhaben, das Objekt als sprechendes Zeugnis hervorzuheben (Ottomeyer

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2011: 59), führte zu einer hohen Objektdichte mit sparsamer Beschriftung, die wiederholt kritisiert wurde18. Unter der Leitung des Präsidenten Alexander Koch (2011-2016) wurde die Dauerausstellung kontinuierlich verändert; unter anderem wurden Beginn und Ende der Ausstellung überarbeitet sowie die von Ottomeyer befürwortete hohe Anzahl der Objekte reduziert (DHM 2013).19

DAS ZEUGHAUS UND DIE ERINNERUNGSPOLITISCHE MITTE BERLINS Die Wahl West-Berlins als Standort für das DHM ist als identitäts- und geschichtspolitisches Statement zu werten. Im Unterschied zum HdG, welches die Geschichte der Bundesrepublik zum Thema hat und entsprechend in der damaligen Hauptstadt der BRD in Bonn eingerichtet wurde, sollte das DHM als Museum für eine gesamtdeutsche Geschichte in der sogenannten ‚alten Hauptstadt‘ verortet werden. Damit erhob die Bundesregierung den Anspruch auf Berlin als Hauptstadt eines Gesamtdeutschlands, wie Berlin es bis zum Ende des Nationalsozialismus war. Der damalige Bürgermeister Berlins Eberhardt Diepgen (CDU) erklärte 1984 auf dem Historikertag: „Wir wollen Berlin zu dem zentralen Ort für eine intensive, dauernde und umfassende Darstellung deutscher Geschichte machen. […] Hier ist der sichtbare Platz, wo Geschichte und Zukunft sinnstiftend (!) verbunden werden können.“ (Diepgen 1984, zit. nach Danker 2006: 224; Hervorhebung im Original)

Im Folgejahr wurde über den zukünftigen Standort in Berlin diskutiert und bald zeichnete sich ab, dass es einen Neubau im Spreebogen neben dem Reichstagsgebäude geben sollte (Mälzer 2005: 99). Nur unweit davon entfernt liegt das Berliner Zeughaus, in dem zum damaligen Zeitpunkt das MfDG der DDR untergebracht war. Die Entscheidung, das Museum in unmittelbarer Nähe zum Geschichtsmuseum der DDR aufzubauen, untermauert die Bedenken Mommsens

18 Vgl. das Kapitel zu den Objekt(an)ordnungen im DHM. 19 Im Frühjahr 2017 übernahm der Historiker Raphael Gross das Präsidialamt im DHM. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die deutsch-jüdische Geschichte. Über seinen Einfluss auf die Ausstellungsarbeit im DHM kann zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit noch keine Aussage getroffen werden. Geplant ist allerdings eine gänzliche Neugestaltung der Ständigen Ausstellung in den kommenden Jahren.

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hinsichtlich der Funktion des DHM als Richtigstellung und Gegendarstellung der Geschichtsvermittlung im MfDG (Mommsen 1986: 17). Die Grundsteinlegung fand 1987 noch im Spreebogen statt, das 1988 gewählte Modell für einen Museumsbau des Architekten Aldo Rossi fand jedoch keine Umsetzung mehr. Zunächst stoppte ein neu eingesetzter rot-grüner Senat die Baupläne im Frühjahr 1989 und mit der Wiedervereinigung im Herbst 1989 waren die Baupläne für ein neues Gebäude endgültig vom Tisch. Als dann das MfDG 1990 vom Ministerrat der DDR aufgelöst wurde, begannen die Pläne für den Einzug des DHM in das Zeughaus (Stölzl 2007: 38). Stölzl sprach in einer Rede zum 20-jährigen Jubiläum des DHM von einer „deutschen Einigung unter dem Dach von Unter den Linden Nr. 2“ (ebd.: 39). Das Zeughaus hat bereits eine lange Tradition als Ausstellungsort. Es diente seit 1883 als Waffenmuseum Preußens und zeigte neben der Ausrüstung des preußischen Militärs auch Gemälde mit Kriegsdarstellungen und Waffen oder Uniformteile von Kriegsgegnern, wie zum Beispiel Zweispitz und Degen Napoleons I., die bis heute in der Dauerausstellung zu sehen sind (DHM: E 4). Auch im Nationalsozialismus behielt das Museum die Funktion, für den Krieg zu werben, und blieb noch bis 1942 geöffnet, als bereits fast alle anderen Museen wegen der Luftangriffe geschlossen waren (Hiller von Gaertringen/Hiller von Gaertringen 2014). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges widmete die DDRRegierung das Zeughaus zum MfDG um und eröffnete es nach größeren Umbauten 1952 neu. In diesem Museum wurde erstmals eine Ausstellung gezeigt, die chronologisch angelegt war und einen langen Zeitraum deutscher Geschichte präsentierte. Der Einzug des DHM in das Zeughaus muss in vielerlei Hinsicht als symbolischer Akt gedeutet werden. Erstens wurde die Geschichtsausstellung des MfDG aufgelöst und die Objekte in die Sammlung des DHM überführt. Somit wurde der Anspruch erhoben, die Konzeptionierung von Geschichte aus Sicht der Bundesrepublik sei die rechtmäßige Geschichtsdarstellung. Zweitens wurde mit dem Standort an der Prunkstraße Unter den Linden an Traditionen der Herrschaftsrepräsentation aus der Kaiserzeit angeknüpft (Hennig 2010: 230f.), steht das Zeughaus doch im Zentrum eines Areals, welches im Verlauf der 1990er Jahre als neue Hauptstadtmitte bestimmt wurde und seitdem erinnerungspolitisch ein

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stark umkämpfter Ort ist (Siebeck 2002).20 Bereits zur Zeit Preußens und des Deutschen Kaiserreichs wurden hier mit Reichstag, Brandenburger Tor, Museumsinsel und Berliner Schloss repräsentative Bauten platziert. Die Straße Unter den Linden wurde für Paraden genutzt und ist bis heute Anziehungspunkt für Touristen. Die Architekten, die den Umbau des Zeughauses für die Einrichtung der neuen Dauerausstellung durchführten, sprechen dementsprechend von „[…] gebaute[r, L.S.] deutsche[r, L.S.] Geschichte.“ und betonen, schon das Gebäude selbst müsse als Exponat verstanden werden (Brenne 2006: 6). Die Einbindung der Ausstellung des DHM in den historischen Kontext des Standortes sei bedeutend und daher auch in die räumliche Gestaltung der Dauerausstellung integriert worden (ebd.: 8). Entsprechend ist im Rundgang der Dauerausstellung der Epochenabschnitt zum Kaiserreich (DHM: E 5) im vorderen Gebäudeteil eingerichtet worden, so dass die Besucher*innen bei einem Blick aus den Fenstern die Straße Unter den Linden, das Brandenburger Tor, den Dom und das derzeit im Wiederaufbau befindliche Berliner Schloss sehen können. Zwei Bereiche mit Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen ein. Das Zeughaus sowie der Standort Unter den Linden werden so Teil der Geschichtserzählung der Dauerausstellung und versetzen die Besucher*innen in die Zeit eines Berlins vor 1933. Siebeck hat darauf verwiesen, dass diese Zeit als Zeit eines guten bürgerlichen Berlins gedeutet werde, an die durch die geschichtspolitischen Baumaßnahmen nach der Wiedervereinigung angeknüpft worden sei (Siebeck 2002), was ich als Teil einer nationalen Nostalgie deute. Während die Dauerausstellung als Teil der Geschichts- und Erinnerungspolitik der Bundesrepublik im historisch bedeutsamen Zeughaus untergebracht ist, wurde für die Wechsel- und Sonderausstellungen ein moderner Anbau eingerichtet, der nach seinem Architekten I. M. Pei auch als Pei-Bau bekannt ist. Er liegt auf der Rückseite des Zeughauses und ist durch eine Unterführung mit dem Zeughaus verbunden. Der Neubau wurde 2003 eröffnet und zeigte bereits Ausstellungen, während sich das Zeughaus noch im Umbau für die 2006 eröffnete 20 In fußläufiger Entfernung befinden sich das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Juden, das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen sowie die Neue Wache, die seit 1993 den Opfern von Krieg und Gewalt gewidmet ist. Eine ausführliche Untersuchung zur Hauptstadt als Erinnerungsort bietet die im Herbst 2018 an der Universität Oldenburg eingereichte Dissertation von Imke Girßmann mit dem Titel: „Hauptstadt nationaler Erinnerungskultur? Diskurse und Praktiken um die Berliner Denkmäler für Freiheit und Einheit und für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ (bisher unveröffentlicht), der ich für Anregungen zu diesem Kapitel danke.

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Dauerausstellung befand. Die Sonder- und Wechselausstellungen im Neubau sind Teil der Gesamtkonzeption des DHM. Sie sollen zum einen Lücken in der Darstellung der Dauerausstellung temporär schließen sowie Themen der Ausstellung vertiefend behandeln. Zum anderen sollen sie Raum geben, um aktuelle Debatten zu geschichtswissenschaftlichen und politischen Fragen zu thematisieren und jeweils gegenwärtige Themen aufzugreifen. Diese Ausstellungen in dem modernen Anbau unterzubringen, verortet diese auch architektonisch in der Gegenwart. Gleichzeitig werden die Repräsentationen der nationalen Geschichte durch die räumliche Verortung der Dauerausstellung im historischen Gebäude mit dem Tenor historischer Kontinuität und Beständigkeit ausgestattet.

EIN MUSEUM OHNE SAMMLUNG Ebenfalls Teil der kontroversen Debatten um die Gründung des DHM war der Umstand, dass es eine Gründung ‚aus dem Nichts‘ war. Für das zukünftige Museum standen zum Zeitpunkt der Gründung keine Sammlungsbestände zur Verfügung, aus denen eine Ausstellung erstellt werden konnte. Unter anderem Mommsen (1986: 19) bezeichnete das Museum daher auch als „künstliche[s] Museum“ und wies auf die Problematik einer möglichen Beeinflussung des Sammlungsaufbaus durch die bereits geplanten Ausstellungsinhalte hin. Die übliche Entstehungsgeschichte von Museen, die zum Zweck der Bewahrung und Ausstellung einer bereits bestehenden Sammlung gegründet werden21, traf auf das neue Museum nicht zu. Neben der Neukonzeption des Museums und dessen Dauerausstellung musste somit eine entsprechende Sammlung erst aufgebaut werden. In der Zeit ab 1987 wurde dementsprechend damit begonnen, durch Käufe und Restaurierungsarbeiten, die vom Bund finanziert wurden, eine Sammlung aufzubauen (Stölzl 2007: 37). Ein weiteres Problem, welches aus dem Umstand entsteht, eine Sammlung erst aufbauen zu müssen, ist die Zugänglichkeit von Objekten. Das Team um den Gründungsdirektor Christoph Stölzl erwarb die Objekte zu einem Großteil auf Auktionen und in Antiquariaten und hatte ein Augenmerk auf Kunstgegenstände (ebd.: 37). Es ist anzunehmen, dass bei diesem Zugang zunächst überwiegend Objekte aus einer gesellschaftlichen Oberschicht erworben wurden, da Auktionshäuser und Antiquariate eher ein Angebot von preislich wertvollen Gegenständen handeln. Stölzl selbst wies auf die Problematik hin, Alltagsgegenstände

21 Vgl. dazu die Gründungs- und Entstehungsgeschichte des Dänischen Nationalmuseums, die ebenfalls in dieser Arbeit besprochen wird.

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zu finden (Stölzl 2007: 37). Eine Sammlung mit einem Übergewicht an Kunstund Wertobjekten macht es jedoch schwierig, eine Multiperspektivität hinsichtlich unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteur*innen zu erreichen. Dies gelingt für die noch näher zurückliegende Vergangenheit des 20. Jahrhunderts besser, da hierzu Gegenstände aus unmittelbaren Generationenüberlieferungen zu finden sind. Rosemarie Beier-de Haan und Regine Falkenberg, beide bis heute Sammlungsleiterinnen und Kuratorinnen im DHM seit dessen Gründung, berichteten 1989 in einem Aufsatz über Objektsuchen auf Trödelmärkten und Nostalgiemessen, aber auch in Kellern und auf Dachböden privater Haushalte (Beier/Falkenberg 1989: 21). Der Sammlungsbestand veränderte sich durch den Einzug des DHM in das Zeughaus und die damit verbundene Übernahme der Sammlung des MfDG sowie der Bestände der Militariasammlung des Zeughauses. Diese Übernahme der Bestände verlief nicht ohne eine Positionierung seitens des DHM hinsichtlich seiner Rolle als Nachfolger des MfDG. Im Museumsführer wird nicht ohne Wertung erläutert, die Objekte seien aus dem „ideologischen Kitt“ der Ausstellung des MfDG gelöst und neutralisiert worden, bevor sie für die neue Ausstellung ausgewählt und eingesetzt wurden (DHM 2006: 13). Eine Reflektion über eigene ideologische Aufladungen der Objekte durch ein Ausstellen in bestimmten Kontexten findet jedoch nicht statt. Hier wird die Geschichtsdarstellung in der Dauerausstellung des DHM explizit als bessere oder richtige Geschichtsdarstellung im Unterschied zur Ausstellung im MfDG bestimmt. Am 16. Dezember 1994 wurde unter der Leitung von Christoph Stölzl eine erste, vorläufige Ausstellung der so zusammengekommenen Sammlungsbestände mit dem Titel „Bilder und Zeugnisse der deutschen Geschichte“ im Zeughaus eröffnet, die bis zum Umbau und der Neugestaltung der Ausstellungsräume 1999-2006 zu besichtigen war.

„Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“: Große Geschichte in europäischem Kontext

EINRICHTUNG UND ERÖFFNUNG DER DAUERAUSSTELLUNG: DEUTSCHLAND ALS NATION DENKEN IST WIEDER SALONFÄHIG Mit der Eröffnung der Ausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ am 02. Juni 2006 wurde das in den 1980er Jahren formulierte Ziel realisiert, eine deutsche Langzeitgeschichte museal aufzubereiten und zu vermitteln. Das 1987 von der Sachverständigenkommission erstellte Konzept für die Einrichtung einer ständigen Ausstellung zur deutschen Geschichte musste aufgrund des Einzugs des DHM ins Zeughaus, der Wiedervereinigung sowie des Regierungswechsels von Helmut Kohl (CDU) zu Gerhard Schröder (SPD) allerdings sowohl aus Platzgründen als auch wegen finanzieller Kürzungen stark eingeschränkt werden (Kocka 2006: 405). Das Konzept von 1987 sollte zwar weiterhin als Grundlage für die Dauerausstellung dienen, musste aber an die neuen Bedingungen angepasst werden und hatte, laut Mälzer, für die Realisierung der Dauerausstellung im Zeughaus nur noch wenig Relevanz hatte. Er konstatiert, dass eine Neukonzeption erforderlich gewesen wäre, diese aber nie offiziell verabschiedet wurde (Mälzer 2005: 133). Die konkrete Planung und Gestaltung der Dauerausstellung fand in den Jahren von 1999 bis 2006 unter der Leitung des Museumsdirektors Hans Ottomeyer statt. Im Konzept von 1987 angedachte unterschiedliche Ebenen der Auseinandersetzung mit der Geschichte in chronologischen, thematischen und vertiefenden Ausstellungsbereichen wurde auf einen chronologisch angeordneten Hauptweg zu einer Politik- und Herrschaftsgeschichte mit thematischen Vertiefungen in Nebenwegen reduziert (Czech 2007).

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Kocka (2006) monierte in einer Ausstellungskritik, dass durch die Verknappungen der Konzeption von 1987 insbesondere die geplanten Themenräume entfallen seien, die Anregungen zur Reflektion über gesellschaftliche Kontinuitäten und Brüche bieten und besonders die Alltagsgeschichte in den Blick nehmen sollten. Der Projektleiter für die Einrichtung der Dauerausstellung Hans Jörg Czech betonte in einem 2014 mit mir geführten Gespräch hingegen, dass bei der Anpassung des Konzeptes nicht einfach Themen entfallen seien, sondern lediglich bestimmte inhaltliche Vertiefungen knapper gestaltet wurden. Dies geschah, so Czech, immer im Austausch mit der verantwortlichen Sachverständigenkommission. Hinsichtlich meiner Fragestellung nach den Verschränkungen von Geschlecht und Nation ist es allerdings bedeutsam, dass die Verknappungen der Themenräume unterschiedlich stark ausgefallen sind. In der 2006 eröffneten Dauerausstellung finden sich einerseits kaum Bereiche, die einen in der Konzeption von 1987 angedachten Themenraum zu Fragen nach den Geschlechterverhältnissen aufbereiten, andererseits fand ein angedachter Themenraum zu den Themen Krieg und Frieden sogar Eingang in die Formulierung einer Leitfrage für die Ausstellung (Bookmann et al. 1987: 616; DHM 2006: 10). Mit der Entscheidung für eine Fokussierung des Ausstellungsnarrativs auf politik- und herrschaftsgeschichtliche Aspekte geht eine inhaltliche Engführung des im Konzept formulierten Vorhabens einher, deutsche Geschichte in ihrer inneren Vielfalt und mit europäischen Bezügen zeigen zu wollen. Die Vermittlung von Identifikationsangeboten für eine gemeinsame Identität konzentriert sich in der Ausstellung von 2006 auf eine politische Elite sowie die Kategorie Nation als Bezugsrahmen. Letzteres wurde insbesondere in den Reden zur Eröffnung der Ausstellung wiederholt betont. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich den geschichts- und nationalpolitischen Charakter der Ausstellung und bezeichnete das Museum als nationales Projekt (Merkel 2006: 67). Der Kulturstaatsminister Bernd Neumann, in dessen Ressort die Finanzierung und Verwaltung des Museums von Bundesseite fällt, betonte den Bildungsauftrag des Museums und bezeichnete die Ausstellung als „gesamtdeutsche Ausstellung“ (Neumann 2006: 77). Ebenfalls anwesend waren der damalige Berliner Oberbürgermeister Klaus Wowereit sowie der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl, der wiederholt als Initiator des Museums angesprochen wurde. Die Anwesenheit der politischen Akteur*innen von Bund und Land verdeutlicht den hohen Stellenwert, den das Museum auch für die Regierung von 2006 hatte. Von Seiten des Museums sprachen der Vorsitzende der Sachverständigenkommission Werner Knopp, der damalige Generaldirektor des Museums Hans Ottomeyer und der Vorsitzende des Museumsvereins Dieter Stolte. Auch in deren Reden wurde der bildungspolitische und identitätsstiftende Charakter der Ausstellung sowie deren Bedeutung

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für die Orientierung der deutschen Bevölkerung anhand ihrer Geschichte hervorgehoben.22 Das Anliegen, Identität mittels der Darstellung deutscher Geschichte zu stiften, wurde zudem durch zwei Sonderausstellungen im Pei-Bau unterstützt. Die Ausstellung „Das Spiel – Die Fußballweltmeisterschaft im Spiegel der Sportfotografie“ (29.04.-30.07.2006) widmete sich anlässlich der 2006 in Deutschland stattfindenden Fußballweltmeisterschaft der Sportfotografie früherer Weltmeisterschaften und griff die im Sport ausgelebten Zugehörigkeitsbekundungen zu Vereinen und im Falle von Weltmeisterschaften zu Nationen auf. Die Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“ (18.05.–27.08.2006) wurde vom HdG in Bonn konzipiert. Hier wurden, neben Fluchtgeschichten von Armenier*innen sowie dem Thema Flucht und Vertreibungen während und in der Folge des Zweiten Weltkriegs, vor allem die Erfahrungen von deutschen Geflüchteten und Vertriebenen im 20. Jahrhundert thematisiert. Diese Ausstellung wurde von Kocka als „Schlüsselereignis in der laufenden Auseinandersetzung“ um eine angemessene Form der Erinnerung an Flucht und Vertreibung von Deutschen um und nach 1945 bewertet (Kocka 2006: 403). Beide Sonderausstellungen (DHM online 2018b) können vor dem Hintergrund der Aufgabe, Identität zu stiften, als Ergänzung und Unterstützung des Narrativs der Dauerausstellung betrachtet werden. Die eine Sonderausstellung repräsentierte einen ‚neu‘ aufkommenden Nationalstolz anlässlich der Fußball WM 2006, die andere kann als Ergänzung des Epochenabschnitts zum Nationalsozialismus der Dauerausstellung gesehen werden, bei der – anders als in der Dauerausstellung – vor allem die Erfahrungen deutscher Geflüchteter und Vertriebener im 20. Jahrhundert im Mittelpunkt standen. So wurde die Dauerausstellung bereits zur Eröffnung 2006 um eine Thematik ergänzt, die Historiker wie Hans-Ulrich Wehler in den Debatten um eine Relativierung der Einzigartigkeit des Holocaust zur Gründung des Museums in den 1980er Jahren problematisierten.

REAKTIONEN DER (FACH-)ÖFFENTLICHKEIT Die Eröffnung der Dauerausstellung zog eine Vielfalt an Reaktionen sowohl der Medien als auch der Fachwissenschaften nach sich, die hier nicht vertieft diskutiert werden können. Es soll allerdings anhand des Pressespiegels und fachwis-

22 Die Reden zur Eröffnung sind in einem Heft des DHM Magazins (2007) zum 20jährigen Jubiläum des DHM gesammelt veröffentlicht worden.

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senschaftlicher Kritiken, die in der Zeit rund um die Eröffnung erschienen sind, ein exemplarischer Überblick über die Berichterstattung gegeben werden, um die anschließende Untersuchung der Bedeutungsbildungen der Ausstellung hinsichtlich der Konstruktion von Nation auch an die Aushandlungen in der (Fach-)Öffentlichkeit rückbinden zu können. Im Vergleich mit den Geschichtspolitischen Debatten zur Gründungszeit lässt sich sowohl in den Medienreaktionen als auch in den Fachkritiken ein Wandel der Positionen zu dem Charakter des DHM als Nationalmuseum erkennen. Das Medienecho zur Eröffnung der Dauerausstellung 2006 war groß. Mit über 200 Berichten und Ankündigungen in der regionalen (Berlin) und überregionalen Presse sowie Artikeln in Zeitungen der Nachbarländer (zum Beispiel Dänemark, Polen, Schweiz) und vielfältigen Berichten in weiteren Medien erfuhr die Eröffnung der Dauerausstellung große Aufmerksamkeit. Es gab Ankündigungen zum Eröffnungstermin, Interviews mit den Ausstellungsmacher*innen, Berichte über die Eröffnungsfeierlichkeiten sowie über Ausstellungsbesuche und ausführliche Ausstellungskritiken. Ausführliche Ausstellungsdiskussionen und Kritiken fanden sich vor allem in der überregionalen Tages- und Wochenpresse. In den rund 50 gesichteten Artikeln aus der überregionalen Presse waren die Bewertungen der Ausstellung geteilt. Besonders der Tagesspiegel und Die Welt, die jeweils mehrere Artikel rund um die Eröffnung des DHM veröffentlichten, berichteten überwiegend positiv. Die Welt veröffentlichte sogar eine Sonderausgabe mit dem Titel „Gedächtnis der Nation“, welche dem DHM und seiner neuen Dauerausstellung gewidmet war und 2006 kostenlos im Foyer des DHM auslag (Die Welt 03.06.2006). Kritik wurde vor allem in ausführlicheren Ausstellungsbesprechungen in den Feuilletons der großen überregionalen Zeitungen Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit und taz geäußert. Nahezu alle Berichte – positive wie kritische – thematisierten den nationalen Charakter des Museums und erläuterten den veränderten Umgang mit dem Museum als einem nationalen Projekt seit der Zeit seiner Gründung. Die Frage, ob es für Deutschland ein nationales Geschichtsmuseum geben darf, die in den 1980ern hitzig diskutiert worden war, wurde zum Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung kaum noch thematisiert. Häufig wurde das DHM in seiner Funktion als nationales Museum bestätigt und ohne Zurückhaltung als das neue Nationalmuseum bezeichnet (Die Welt 28.05.2006; Tagesspiegel 02.06.2006; FAZ 04.06.2006). In der Presseberichterstattung wird eine Verschiebung der geschichtspolitischen Debatten seit den 1980er Jahren deutlich, die auch Uwe Danker und Astrid

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Schwabe (2007: 593) konstatieren. Statt zu fragen, ob ein deutsches Nationalmuseum geschichtspolitisch vertretbar sei, wurde in den Ausstellungsbesprechungen diskutiert, mittels welcher Themen und Objekte die nationale Geschichte dargestellt wird. Zudem konstatierten die Berichte, dass in Deutschland ein neues Nationalbewusstsein aufgekommen sei. Die Autor*innen führen hierfür nicht nur die Bedeutung des DHM als Nationalmuseum an, sondern auch die neue Sichtbarkeit von Nationalstolz anlässlich der Fußball-WM oder ein gestiegenes Publikumsinteresse am Germanischen Nationalmuseum (Die Welt 24.05.2006). Sowohl in den positiven als auch in den kritischen Bewertungen nennen die Autor*innen Exponate, die als Vorzeige- oder Prestigeobjekte gedeutet werden können. So zum Beispiel Gegenstände aus dem Besitz von berühmten Personen oder besonders alte und wertvolle Objekte. In fast allen ausführlicheren Berichten wurde der Globus aus der Reichskanzlei Hitlers genannt oder die Uniform Friedrichs des Großen. Die Rüstung eines Ritters und seines Pferdes in der Ausstellungsabteilung zum Mittelalter sowie der Schreibtisch Hitlers oder der Schreibtisch Honeckers sind weitere Exponate, die in den meisten Artikeln aufgeführt werden. Auffällig ist, dass es sich bei den hervorgehobenen Exponaten überwiegend um Objekte aus Handlungsfeldern männlicher Personen handelt. Auf Exponate, die weibliche Akteurinnen repräsentieren, wird hingegen nur in wenigen Artikeln verwiesen. Einzig die Frankfurter Allgemeine Zeitung moniert einen Mangel an Alltags- und Frauengeschichte in der Ausstellung (FAZ 14.07.2006). Die Pressereaktionen lassen bereits darauf schließen, dass die als national gezeigte Geschichte Deutschlands überwiegend als Geschichte der großen und berühmten Männer aufgefasst wird. Die Reaktionen der Fachwissenschaften fielen überwiegend negativ aus. Sie problematisierten vor allem eine mangelnde Umsetzung des Konzeptes von 1987, die zu einer rein chronologischen Ausstellungsstruktur geführt habe. Aus museumsdidaktischer Sicht wurde zudem eine fehlende Umsetzung bereits vorhandener musealer Standards in der Vermittlung kritisiert, die eine reflektierende Wissensaneignung von Besucher*innen fördern könnten (Danker/Schwabe 2007; Pieper 2006; Köhr/Pohl 2007). Die in den 1980er Jahren intensiv diskutierte Frage nach der Angemessenheit eines Nationalmuseums für Deutschland vor dem Hintergrund der NSVergangenheit wurde 2006/2007 in den Fachbeiträgen zwar aufgegriffen, allerdings nicht fortgesetzt. Vielmehr wurde abgeglichen, wie die Ausstellung sich zu den Debatten der 1980er Jahre verhält. Dementsprechend stand besonders der Ausstellungsbereich über die Zeit des Nationalsozialismus und Holocausts im Zentrum der Diskussionen (Uhl 2007; Danker/Schwabe 2007; Niven 2007; Rei-

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chel 2006). Danker und Schwabe (2007: 606) monieren zum Beispiel, dass der Fokus der Darstellung des Nationalsozialismus auf dem Staatsapparat liege und die Bedeutung der Beteiligung einer Bevölkerung an der Verfolgung, Ausgrenzung und Ermordung von Jüd*innen zum Beispiel durch Denunziation oder Nicht-Eingreifen ausgeblendet werde. Sowohl Heidemarie Uhl (2007) als auch Katrin Pieper (2006) haben zudem kritisiert, dass die Darstellungen zum Zweiten Weltkrieg und den jeweiligen Frontschauplätzen überwiegen und die Auseinandersetzung mit dem Holocaust nur als Zusatzthema in einem Seitengang stattfinde. Einig sind sich die Fachwissenschaftler*innen darin, dass in der Ausstellung keine Meistererzählung23 zur Nation konzipiert worden sei. Die Dauerausstellung fungiere nicht wie befürchtet als „nationale Identitätsfabrik“ (Kocka 2006: 398), sondern biete ein offenes Geschichtsbild (Danker/Schwabe 2007: 605). Kocka (2006) problematisierte vor diesem Hintergrund allerdings fehlende leitende Gedanken, die die Besucher*innen durch die Ausstellung führten. Einzig eine politik- und herrschaftsgeschichtliche Chronologie biete einen Zusammenhang entlang derer die Besucher*innen durch die Ausstellung gelangen. Er bezeichnete die Ausstellung daher als „chronologischen Bandwurm“ (ebd.: 405). Danker und Schwabe (2007) erläutern, dass zwar keine nationale Meistererzählung geschaffen wurde, allerdings innerhalb der chronologischen Darstellung Mythen zur nationalen Geschichte auch nicht gebrochen würden. Sie zeigen dies am Beispiel des Autobahnbaus unter den Nationalsozialisten, über den eine Displaytexttafel informiert und der mittels zeitgenössischer Plakate visualisiert wird (DHM: D 7.3.7). In dem Ausstellungstext gebe es jedoch keine Informationen über den Autobahnbau als Mythos deutscher Geschichte (Danker/Schwabe 2007: 605). Ein weiteres Beispiel hierzu ist die Darstellung des sogenannten Wirtschaftswunders in den 1950er Jahren (DHM: D 9.5.9), welches ich ausführlicher in der Untersuchung zum Leitmotiv Wirtschaft bespreche. Solche Mythen seien, so Danker und Schwabe (2007: 605), in das Narrativ eingebunden und würden nicht als Mythen reflektiert oder hinterfragt. In ähnlicher Stoßrichtung bemängelt Uhl (2007: 2f) fehlende Präsentationen von Gegen-Strategien, die einer Eigenlogik des Nationalmuseums entgegentreten könnten. Stattdessen rufe die Rhetorik exakter Darstellung eine Wirkmacht von Geschichte hervor, die diese als unausweichlich bestimme. Die Einigkeit der Geschichtswissenschaft über den Konstruktionscharakter von Geschichte, die auch die Ausstellungsmacher*innen immer wieder betonen, werde in der Dauerausstellung nicht vermittelt (Kocka 2006: 402; Danker/Schwabe 2007: 606). 23 Martin Sabrow (2011: 9) zu Folge ist eine Meistererzählung eine „kohärente, mit einer eindeutigen Perspektive ausgestattete Geschichtsdarstellung“.

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Vielmehr vermittele die Chronologie und die Positionierung der Politikgeschichte als Haupterzählung den Gestus eines nationalgeschichtlichen Bogens (Uhl 2007: 3). Köhr und Pohl (2007: 583) sehen das ähnlich und betonen die Nähe der Ausstellungskonzeption zu den Nationalmuseen des 19. Jahrhunderts. Trotz des Anspruchs, ein offenes Geschichtsbild zu zeigen, sei die Erzählung durch die Politikgeschichte und eine Vielzahl von „sauberen, glänzenden Objekten“ aus der gesellschaftlichen Oberschicht eine stark geglättete Geschichtsvermittlung (ebd.: 585). Die inhaltliche Engführung auf Politik- und Herrschaftsgeschichte führe zudem zu einem Narrativ, in welchem männliche Akteure bevorzugt dargestellt würden. Köhr und Pohl (ebd.: 582) sprechen dementsprechend von einer Erzählung, in der „große Männer große Geschichte“ machen und Danker und Schwabe (2007: 601) sehen darin einen „bedenklichen Lerneffekt“, der die Aussage habe, nur Männer gestalteten die Geschichte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Zentrum der Diskussionen um die Gründung des DHM und der Konzeption einer Dauerausstellung zur deutschen Geschichte die Frage stand, ob eine Geschichtsvermittlung zur nationalen Selbstvergewisserung beitragen kann und soll sowie in welcher Form dies geschehen könne. Während in den 1980er Jahren eine Idee von Deutschland als Nation noch sehr umstritten war und die in diesem Zusammenhang geführten Auseinandersetzungen um die Frage nach einem angemessenen Gedenken an den Holocaust eine geschichtspolitische Debatte entzündeten, wurde 2006 zur Ausstellungseröffnung nicht nur in den Eröffnungsreden positiv auf die nationale Selbstvergewisserung verwiesen. In der medialen Öffentlichkeit war die Zurückhaltung hinsichtlich eines Bezeugens nationaler Verbundenheit ebenfalls weniger geworden und auch die museumsdidaktische und geschichtswissenschaftliche Fachöffentlichkeit stellte weniger die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer nationalen Selbstvergewisserung in den Vordergrund ihrer Diskussionen, sondern Fragen nach der Art und Weise dieser Selbstvergewisserung.

Die Poesie der Ausstellung: Herrscher und Politiker als Vorbilder

Ein Anliegen für die Einrichtung des DHM und einer Dauerausstellung war es, deutsche Geschichte in einer Langzeitperspektive zu zeigen. Dementsprechend umfasste die Ausstellung zum Zeitpunkt der Eröffnung zunächst einen Zeitraum von rund 2000 Jahren. 2014 wurde allerdings ein Ausstellungsbereich zur Urund Frühgeschichte abgebaut. Die Ausstellung zeigt seitdem knapp 1500 Jahre Geschichte, die mit der Gründung des Fränkischen Reichs im 6. Jahrhundert sowie der Regierungszeit Karls des Großen (768-814) beginnt und mit der deutschen Wiedervereinigung 1989/1990 und dem Abzug alliierter Truppen 1994 endet. Diese Zeitspanne ist in neun chronologische Abschnitte unterteilt, die Epochenabschnitte genannt werden und folgende Titel haben: 1. Mittelalter (500-1500), 2. Reformation und Dreißigjähriger Krieg (1500-1650), 3. Fürstenmacht und Allianzen in Europa (1650-1789), 4. Französische Revolution und Deutsches Kaiserreich (1789-1871), 5. Kaiserreich und Erster Weltkrieg (1872-1918/19), 6. Weimarer Republik (1918/19-1933), 7. NS-Regime und Zweiter Weltkrieg (1933-1945), 8. Deutschland unter alliierter Besatzung (1945-49) sowie 9. Geteiltes Deutschland und Wiedervereinigung (1949-1994).

Diese Epochenabschnitte sind auf zwei Etagen des Zeughauses auf rund 8000 m² untergebracht. Der Rundgang beginnt in der oberen Etage des Zeughauses, in der nach einer einführenden Sequenz die Epochenabschnitte vom Mittelalter bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zu sehen sind. Im Erdgeschoss des Zeughauses ist die Zeit des 20. Jahrhunderts ab 1919 untergebracht. Die ersten 1000 Jahre der musealen Geschichtsdarstellung nehmen mit einem Flügel des Zeughauses nur

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sehr wenig Raum ein. Der Großteil der Ausstellungsfläche ist der Zeit von 1600 bis 1994 gewidmet. Die Abschnitte zum 19. Jahrhundert, die die Gründung des deutschen Kaiserreichs und den Ersten Weltkrieg beinhalten, sowie der Ausstellungsbereich zum Nationalsozialismus bilden den größten Teil der Ausstellung. Innerhalb des Untersuchungszeitraums 24 dieser Arbeit fanden einige Veränderungen der Ausstellung statt, die für die Nationenkonstruktion der Ausstellung bedeutsam sind. Anstelle eines 2006 zunächst gestalteten Zeitabschnitts zur Urund Frühgeschichte, wurde unter der Leitung des Museumspräsidenten Alexander Koch ein einführender Eingangsbereich eingerichtet. Neben einem Wandmodul mit einer Übersicht zu den einzelnen Epochenabschnitten sind zwei Themenbereiche, die sich zum einen mit „Grenzen in Europa“ (DHM: T 1.1) und zum anderen mit der Geschichte der deutschen Sprache (DHM: T 1.2) befassen, eingerichtet worden. Nach diesem Einführungsabschnitt setzt die Ausstellung die Regierungszeit Karls des Großen als Ausgangspunkt für die deutsche Geschichte. Dies wird in einem Ausstellungsflyer von 2014 mit der Bedeutung des Fränkischen Reichs als „wirkungsvollster und dauerhaftester“ Reichsgründung der Germanen aus der Völkerwanderungszeit begründet. Die Franken und insbesondere die Person Karls des Großen werden als Begründer der deutschen Geschichte direkt in Verbindung mit dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gesetzt (ebd.). So wird gleich zu Beginn der Ausstellung auf Deutschland als Nation verwiesen und eine männliche Person als Ausgangspunkt für die Geschichte gesetzt. Auch das Ende der Ausstellung wurde innerhalb des Untersuchungszeitraums verändert. Laut der Konzeption von 1987 sollte das Ende offen gestaltet werden, um die Verbindung von Gegenwart und Geschichte zu vermitteln. Besucher*innen sollten erfahren, dass die Gegenwart bald die Geschichte der Zukunft sein werde und Geschichte somit immer ein Prozess des Werdens sei (Bookmann et al. 1987: 611). Die Idee eines offenen Endes wurde 2006 mit einer Medienstation realisiert. Auf verschiedenen Bildschirmen konnten die Besucher*innen aktuelle Nachrichten sehen. So sollte, laut dem damaligen Museumsdirektor Hans Ottomeyer, vermittelt werden, dass die Gegenwart die Grundlage der Geschichtsschreibung von morgen sei (Ottomeyer 2008: 6). Diese Medienstation wurde 2011 abgebaut. Die Ausstellung endete bis 2014 mit der Präsentation eines Exemplars des Zwei-plus-Vier-Vertrags sowie eines Exemplars der Charta von Paris für ein neues Europa in einer einzelnstehenden Säulenvitrine im Ausgangsbereich sowie einiger Fotografien an der rechten Seitenwand, auf denen Verabschiedungsszenen alliierter Truppen zu sehen waren. Die Betonung 24 Die Forschungsaufenthalte in Berlin fanden 2012, 2014 und 2017 statt.

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des prozesshaften Geschichtsbildes war dadurch einem Fokus auf die deutsche Wiedervereinigung und die Beendigung des Einflusses der Besatzungsmächte gewichen, was laut Tätigkeitsbericht für die Jahre 2011/2012 zur Setzung eines inhaltlichen Schlusspunktes dienen sollte (DHM 2013: 17). Als Ende der Geschichtserzählung wurde den Besucher*innen somit der Gedanke eines souveränen Deutschlands vermittelt. Im März 2014 wurde dieser Bereich erneut umgestaltet. Im Ausgangsbereich der Ausstellungsfläche steht seither wieder eine Medienstation. Diese Station ist interaktiv und ermöglicht den Besucher*innen den Zugriff auf Zeitzeug*innengespräche zu Ereignissen und Entwicklungen der deutschen Geschichte aus dem Projekt „Gedächtnis der Nation“.25 Der Ausstellungsrundgang selbst wurde inhaltlich nicht wesentlich verändert und zeigt entsprechend der Ausrichtung als Politik- und Herrschaftsgeschichte überwiegend große Ereignisse und die dahin führenden Entwicklungen. Im Ausstellungsführer wird entsprechend erläutert, die Ausstellung habe primär die politische Geschichte zum Thema, Alltagsgeschichte diene der Ergänzung, sei jedoch nicht umfassend dargestellt (DHM 2006: 10). Die Inhalte dieser überwiegend politikgeschichtlichen Ausstellung sollen die Besucher*innen, laut Ausstellungsführer, für „Grundkonditionen der politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Existenz im deutschsprachigen Raum“ sensibilisieren. Eine Reihe von Leitfragen wie zum Beispiel „Deutschland – wo liegt es?“, „Die Deutschen – was hielt sie zusammen?“, „Was führt zum Krieg, wie macht man Frieden?“ oder „Wie verstehen die Deutschen sich selbst?“ sollen als „Hilfsmittel zur Erschließung der Fülle des Exponat- und Informationsangebots“ zu diesen Grundkonditionen dienen (ebd.). Diese Fragen bieten bereits Aufschluss über die Konzepte, die als grundlegend für die Vermittlung von Deutschland als Nation bestimmt werden: Eine geografische Verortung, Krieg und Frieden sowie das Selbstverständnis einer als ‚Deutsche‘ bestimmten Gruppe. Die räumlichen (An)Ordnungen und davon ausgehend die Bedeutungsbildungen zum Konzept Nation durch die Ausstellung sollen im Folgenden ausführlicher 25 Das Projekt „Gedächtnis der Nation“ wurde 2006 aus einer Initiative des Leiters der ZDF-Redaktion für Zeitgeschichte Guido Knopp und Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der Chefredaktion der Zeitschrift Stern, als Verein gegründet. Das ZDF hatte bereits seit den späten 1990er Jahren damit begonnen Zeitzeugnisse zu besonderen Ereignissen und Themen der Geschichte zu sammeln, dies wurde durch den Verein fortgeführt. Auf dem Online-Portal waren die Zeitzeugnisse öffentlich zugänglich. Zum 1. Januar 2017 ist das Projekt unter dem Namen „Zeitzeugenportal“ Teil der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland geworden. Der Verein „Gedächtnis der Nation“ befindet sich im Prozess der Auflösung (Zeitzeugenportal 2018).

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betrachtet werden. Dazu werden zunächst der Ausstellungsrundgang, wie ich ihn als ‚forschende Besucherin‘ erlebt habe, dargestellt sowie Formen der Objekt(an)ordnung und die Sprache der Ausstellungstexte hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Konstruktionen von Nation untersucht.

DIE AUSSTELLUNG ERLEBEN: DIE GESCHICHTE DER NATION DURCHSCHREITEN Als ‚forschende Besucherin‘ mit der Frage nach den Repräsentationen von Nation und Geschlecht in dieser Ausstellung im Kopf, werde ich gleich beim Betreten der oberen Ausstellungshalle aufmerksam. Angela Jannelli hat diesen ersten Blick in die Ausstellung in Anlehnung an Methoden aus der Filmanalyse als „establishing shot“ bestimmt und erläutert, dass der erste Blick in eine Ausstellung in deren Erzählwelt einführt. Dabei werden wesentliche Merkmale wie Ort, Zeit und Personen der ausgestellten Geschichte etabliert (Jannelli 2012: 83-85). Der ‚establishing shot‘ für diese Ausstellung zeigt zu meiner Linken eine große digitale Karte Europas, zu meiner Rechten einige Exponate in Standvitrinen sowie eine Medienstation und direkt gegenüber von mir ein Wandmodul mit Bildern zu den neun Epochenabschnitten. Die digitale Karte ist animiert und zeigt Grundrisse und sich verändernde Grenzverläufe auf dem Gebiet Europas (Abb. 1). An der linken Seite der Karte befindet sich ein Zeitstrahl entsprechend des Zeitraums, der in der Ausstellung gezeigt wird. Ein Cursor zeigt an, zu welchem Jahr die jeweils angezeigte Karte gehört. Neben dieser Karte ist an der Wand ein Text mit dem Titel „Grenzen in Europa“ (DHM: T 1.1) angebracht. Hier wird erläutert, dass sich nicht nur Grenzverläufe kontinuierlich veränderten, sondern auch die Vorstellungen von Grenzen. Durch die Positionierung dieses Themas und den Inhalt des Textes werden zwei Aspekte zum Thema Grenzen vermittelt. Einerseits werden die Besucher*innen zu einer Reflektion über Grenzen und das, was sie als Landesgrenzen wahrnehmen, angeregt. Andererseits wird durch die Positionierung dieses Themas zu Beginn der Ausstellung vermittelt, dass Grenzen für die Frage nach nationaler Geschichte bedeutsam sind. Mittels der digitalen Karte wird zugleich ein Raum bestimmt, der als Bezugsrahmen für die ausgestellte Geschichte fungiert. Je nachdem ob ich als Besucherin Texte lese oder nur Exponate betrachte, erhalte ich dadurch einen unterschiedlichen Zugang zur Ausstellung, der einerseits Grenzen aufzeigt, diese andererseits aber auch hinterfragt und als wandelbar darstellt. Die Karte mit der Ansicht sich verändernder europäischer Grenzverläufe bietet zudem einen Einstieg in das Vorha-

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ben, eine deutsche Geschichte in europäischen Zusammenhängen zeigen zu wollen. Abbildung 1: Einführungsbereich: Grenzen in Europa (DHM: T 1.1)

Foto: Lisa Spanka, März 2017

Die Medienstation sowie einige der ausgestellten Objekte auf der rechten Seite sind einer Texttafel zum Thema „Die deutsche Sprache“ (DHM: T 1.2) zugeordnet und betonen im Unterschied zu dem Display „Grenzen in Europa“ (DHM: T 1.1) das Anliegen, sich besonders einer deutschen Geschichte zu widmen. Hier werden die Besucher*innen über die Geschichte der Sprache, die als Deutsch bestimmt wird, informiert und können dazu in drei Vitrinen verschiedene Schriftstücke betrachten. In einer chronologischen Reihenfolge sind eine DudenAusgabe von 1996, ein Wörterbuch von 1860 sowie ein Fragment des Heliandlieds aus dem 9. Jahrhundert26 ausgestellt. Daneben befindet sich eine Vitrine, in der Waffen aus der Zeit der Sachsen und Franken sowie ein Ritterhelm aus dem 13. Jahrhundert zu sehen sind. Hier stellt sich die Frage, was Waffen und Rüstungsstücke mit Sprache zu tun haben. Erst die Texte zu diesen Exponaten stellen eine Verbindung her. Es wird die geografische Ausbreitung der niederdeut26 Der „Heliand“ ist eine anonym überlieferte Schrift aus dem 9. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um eine Evangeliendichtung in altsächsischer Sprache (Lex MA 1989: 2119).

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schen Sprache durch einen deutschen Landausbau in slawische und baltische Gebiete im Mittelalter erläutert. Dadurch werden in der Eingangssequenz die Themen Geografie und Sprache miteinander verknüpft. Die Präsentation der Militaria in derselben Vitrine bestimmt militärische Expansionshandlungen als Teil dieser Konzepte Sprache und Geografie. Die Ausstellung hebt zwei Konzepte als Bezugsrahmen für den weiteren Rundgang hervor, die Anderson als wesentlich für die Imagination der Gemeinschaft Nation bestimmt hat: eine gemeinsame Sprache und die geografische Bestimmung eines Zugehörigkeitsraumes, die auch durch militärische Handlung erwirkt wird (Anderson 2005). Blickt man von der Treppe geradeaus in die Ausstellung, befindet sich direkt gegenüber ein Wandmodul, auf dem die neun Epochenabschnitte der Ausstellung jeweils mit ihren Titeln, den Zeitspannen sowie Abbildungen je eines Objektes aus diesen Abschnitten dargestellt sind (Abb. 1, rechts im Bild). Dazu werden den Besucher*innen in einem kurzen Text die Eckdaten der Ausstellung erläutert: 1500 Jahre mitteleuropäische Vergangenheit, 7000 historische Objekte sowie eine Politikgeschichte, deren Akteure als Herrscher, Politiker und verfasste Gemeinschaften bezeichnet werden. Links von dieser Informationswand wird in einem abgetrennten kleinen Raum zusätzlich zu dieser Einführungstafel ein Film abgespielt, der mittels Abbildungen von Objekten aus der Ausstellung und eingeblendeten Texten einen Überblick über Ereignisse und Personen bietet, die in einem erläuternden Text als die wichtigsten in Deutschland und Europa bestimmt werden. Den Besucher*innen wird hier das Narrativ der Ausstellung präsentiert. Wie schon im Ausstellungsflyer wird betont, dass eine Politikgeschichte gezeigt wird. Der Film wirkt wie eine Art ‚Trailer‘ für die Ausstellung, ist mit einer Länge von 43 Minuten jedoch vermutlich zu lang, als dass Besucher*innen ihn vollständig ansehen. Die Ausstellungshalle selbst beeindruckt durch hohe Decken und eine helle Beleuchtung. Der Eingangsbereich ist weitläufig und nur mit wenigen Ausstellungselementen ausgestattet. Zwar sind die Fenster in dem Bereich um die digitale Landkarte und die dort gezeigten Objekte abgedunkelt, durch die lockere Bestückung des ersten Ausstellungsteils ist jedoch ein Blick in die Ausstellungshalle möglich, der die Architektur des Zeughauses mit ihren großen Fenstern, den vielen Säulen und dem Parkettboden besonders zur Geltung bringt. Die Besucher*innen bekommen in diesem Einführungsbereich somit auch die Historizität des Museumsgebäudes als Teil der Ausstellung vermittelt. Bevor der eigentliche Rundgang durch die Geschichtsdarstellungen beginnt, bin ich durch diesen Eingangsbereich bereits für verschiedene Merkmale der ausgestellten Geschichte sensibilisiert worden. Die Erzählwelt der Ausstellung, welche zur nationalen Selbstvergewisserung beitragen soll, ist in einem Zeitraum

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von 500 n. Chr. bis 1994 eingebettet und in einem historisch bedeutsamen Gebäude verortet. Sie wird im Rahmen eines politikgeschichtlichen Narrativs entfaltet, dessen Akteur*innen überwiegend männlich sind. Eine gemeinsame Sprache und die Entwicklung von Grenzverläufen in Europa werden als Grundlagen eines gemeinsamen Identifikationsrahmens vermittelt, der auch durch militärische Handlungen geschaffen wurde. Der nun folgende Rundgang verläuft entlang eines breiten Weges. Links von diesem Weg ist die Ausstellungsfläche durch Wandelemente und Vitrinenkonstruktionen in Seitengänge und Nebenräume unterteilt. Durch diese Wandelemente und die Weitläufigkeit der Ausstellungshalle erscheinen die Wege frei wählbar. Besucher*innen können in den Seitengängen verweilen und die Ausstellung in unterschiedlichen Richtungen durchlaufen. Pfeile auf dem Boden, eine dreiteilige Nummerierung der Texttafeln sowie von innen beleuchtete Säulenelemente, die an dem breiten Weg positioniert sind, lenken die Besucher*innen jedoch in chronologischer Richtung durch die Ausstellung (Abb. 2). Abbildung 2: Hauptweg mit Meilensteinen und Bodenmarkierung

Foto: Lisa Spanka, März 2017

Die beleuchteten Säulen werden im Ausstellungsführer als „Meilensteine“ bezeichnet (DHM 2006: 14). Aus dem Straßenverkehr entlehnt, steht der Begriff Meilenstein für die Markierung eines bestimmten Wegmaßes. Heute steht der Begriff, laut Duden, aber auch für wichtige Einschnitte oder Wendepunkte in ei-

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nem Prozess (Duden 2018b). Durch die Verwendung dieses Begriffs für die Säulen, wird deren Funktion als Wegeleitsystem deutlich. Von jedem Meilenstein ist bereits der nächste zu sehen, wodurch die Laufrichtung und somit ein nächstes Ziel vorgegeben werden. Gleichzeitig werden die Informationen und Ereignisse, die auf den Meilensteinen genannt sind, als besonders wichtig für die jeweilige Ausstellungssequenz hervorgehoben. Entsprechend sind in jedem Epochenabschnitt zwei bis drei dieser Meilensteine aufgestellt, auf denen die Besucher*innen verschiedene Informationen über Entwicklungen und Ereignisse in dem jeweiligen Abschnitt finden. Auf fast allen Meilensteinen ist eine Chronologie der jeweils regierenden Personen abgebildet sowie Landkarten und Infografiken, die statistische Daten vermitteln. Außerdem ist in fast alle Säulen eine Münze aus der jeweiligen Zeit eingelassen. Die Meilensteine bündeln somit Informationen zu Politik, Regierung, Geografie und Wirtschaft als Einführung in den jeweiligen Epochenabschnitt, wodurch das zu Beginn eingeführte Narrativ der Politikgeschichte gestützt wird. Der ehemalige Direktor Ottomeyer erläutert zudem, dass die Besucher*innen entlang des markierten Hauptwegs die „wichtigsten“ Objekte und Themen der Ausstellung zu sehen sowie einen informativen Rundgang geboten bekämen. Die Seitengänge und Nebenräume sollen hingegen als Vertiefungsräume dienen und sind vom Hauptweg aus nicht immer einsehbar. Hier werden, laut Ottomeyer, bestimmte Themen und gesellschaftliche Bereiche detailreicher dargestellt sowie weitere Aspekte zur Geschichte veranschaulicht (Ottomeyer 2007: 52). Neben der priorisierten politischen Ereignisgeschichte, werden entlang des Rundgangs bestimmte Themen immer wieder aufgegriffen. Zu den Themen, die am häufigsten behandelt werden, gehören Krieg, Stadt- und Landleben, Religion, Wirtschaft sowie Kultur. Durch die wiederholte Darstellung dieser Themen in den verschiedenen Epochenabschnitten wird den Besucher*innen ein Eindruck vom historischen Wandel vermittelt. Die Themen sind jedoch an unterschiedlichen Stellen in der Ausstellung positioniert. Einige Themen sind häufig am Hauptweg zu sehen, andere nur in den Nebenräumen. Diese Aufteilung führt zu einer Hierarchisierung innerhalb der Geschichtskonstruktion. Den Themen und Akteur*innen, die am Hauptweg zu sehen sind, wird mehr Bedeutung für die historischen Entwicklungen zugeschrieben, als denjenigen, die in den Nebenräumen nur ‚optional‘ zu sehen sind. Themen wie Krieg, Wirtschaft sowie die Darstellung politischer Entwicklungen und Ereignisse sind überwiegend am Hauptweg zu finden. Themen der Alltags- und Kulturgeschichte sind hingegen mehrheitlich in den Seitengängen eingerichtet. Bei einem einfachen Rundgang entlang des Hauptweges sehen Besucher*innen somit vor allem die Ereignisse und Exponate, die eine Politikgeschichte repräsentieren. Für die Betrachtung der

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Vertiefungsbereiche müssen sie sich hingegen aktiv entscheiden. So entsteht eine ungleiche Gewichtung in der Sichtbarkeit verschiedener Themen und Akteur*innen. Ich nenne hierzu ein Beispiel aus meiner ersten Rundgangserfahrung: Bei meiner Suche nach der Vermittlung von Frauen- und Geschlechtergeschichte entlang des Rundgangs bin ich überwiegend in den Seitengängen fündig geworden. Die Größe der Ausstellung und die Fülle an Themen und Objekten führten allerdings dazu, dass ich bereits zum Ende des Rundgangs im Obergeschoss begann, zügiger zu gehen und seltener vom Hauptweg abzuweichen. Erst am Ende des gesamten Rundgangs fiel mir auf, dass ich kein Display zur Ersten Frauenbewegung (ca. 1848-1930er Jahre) oder zur Einführung des Frauenwahlrechts 1918 gesehen hatte. Ich machte mich daher noch einmal gezielt auf die Suche. Beide Themen fand ich an einem schwer einsehbaren Ort. Im Epochenabschnitt zum Kaiserreich und Ersten Weltkrieg (DHM: E 5) musste ich über eine Treppe auf eine zweite Ebene gehen, die an eine Empore oder einen Balkon erinnert. Eine Displaythementafel mit dem Titel „Frauen im Kaiserreich“ informiert über die Anfänge der ersten deutschen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert und deren politische Forderungen. Die Objekte liegen dort in einer Tischvitrine, die zugleich als Brüstung der zweiten Ebene dient. Von hier aus können Besucher*innen nach unten in die Ausstellung blicken und dabei über die Objekte hinwegsehen. Weder die Objekte noch die Texttafel sind vom Hauptweg aus zu sehen, obwohl der Kampf um und die Einführung des Frauenwahlrechts ebenfalls als wesentlicher Teil der Politikgeschichte betrachtet werden kann. Nicht nur die räumliche Trennung von Politik- und Alltagsgeschichte mit einer Hierarchisierung durch Hauptweg und Nebenraum trägt zu bestimmten Konstruktionen nationalisierter Geschlechterordnungen bei, sondern auch die überwiegende Verortung weiblicher Akteurinnen in den Nebenräumen, die zu deren Dethematisierung als politische Akteurinnen führt. So entsteht zusätzlich zur Themenhierarchisierung auch eine konstitutive Auslassung weiblicher Akteurinnen aus dem als bedeutsam für die Geschichte der Nation bestimmten Feld der Politik. Während bestimmte Themen und Aspekte jenseits der Haupterzählung positioniert und somit nahezu unsichtbar sind, werden andere Themen und Ereignisse durch ihre Positionierung als eine Art Zielpunkt im Ausstellungsparcours besonders hervorgehoben. Fast jeder Epochenabschnitt endet mit einer Objekt(an)ordnung, die bereits vom Anfang des jeweiligen Abschnitts aus zu sehen ist. So entstehen nicht nur Laufachsen und Zielpunkte innerhalb des Rundgangs, es wird auch eine Kontinuität historischer Abläufe vermittelt.

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Im ersten Epochenabschnitt befindet sich auf dem Hauptweg eine große Vitrine, in der eine Ritter- und Pferderüstung zu einem Reiterstandbild aufgebaut sind. Dahinter ist eine Kanone aufgestellt. Der Kanonenlauf weist auf die Rückwand dieses Gebäudeflügels, an der ein großes Kruzifix angebracht ist. Die so gestaltete Sichtachse betont die Christianisierung und die Kriege um den Glauben als wichtigste Themen der Ausstellungsabschnitte zum Mittelalter, zur Reformation und zum Dreißigjährigen Krieg (DHM: E1 und E2). Der folgende Epochenabschnitt zum absolutistischen Zeitalter (DHM: E3) endet mit der Zeit der Aufklärung. Am Ende der Raumachse ist eine zweistöckige Installation eingerichtet, die an eine Bibliothek mit Empore erinnert. Im unteren Bereich sind in Glasvitrinen Bücher ausgestellt. Nach oben führt eine Treppe, vor der in der Mitte dieses Raumabschnitts eine Säule mit einer Büste von Johann Wolfgang von Goethe platziert ist. Während die Aufklärung in dem Thementext (DHM: 3.10) als europäische Bewegung bezeichnet wird, wird ein deutscher Dichter durch die Positionierung der Büste in der Mitte des Raumes als Zentrum der Aufklärung repräsentiert. Der vierte Epochenabschnitt endet mit der Reichsgründung 1871 und erstreckt sich über zwei Seitenflügel des Zeughauses. Das Display, welches die Gründung des Deutschen Kaiserreichs repräsentiert und den Epochenabschnitt inhaltlich abschließt, ist auf einer Sichtachse als Zielpunkt positioniert. Sowohl ein Meilenstein in diesem Bereich als auch diese Installation heben die Reichsgründung als bedeutenden Moment der deutschen Geschichte hervor. Der Übergang vom Abschnitt über die Weimarer Republik (DHM: E 6) zum Abschnitt über den Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg (DHM: E 7) ist interessanterweise anders gestaltet. Am Ende des Epochenabschnitts zur Weimarer Republik im Erdgeschoss des Zeughauses verstellt eine Litfaßsäule die Sicht auf die nachfolgenden Ausstellungsbereiche. Bei einer Führung durch die Ausstellung habe ich erfahren, dass dadurch eine Unterbrechung im Rundgang bewirkt werden soll, die den Nationalsozialismus als nicht notwendige Folge der Entwicklungen zur Zeit der Weimarer Republik vermittelt (Kuratorenführung mit A. Scriba, 06.06.2012). Eine hohe Holztür mit kleinen, quadratischen Fenstern unterbricht zusätzlich den Rundgang. Der Bereich zum Nationalsozialismus nimmt zwar eine besonders große Fläche der Ausstellung ein, wirkt allerdings durch die räumliche Eingrenzung auch wie ein separater Teil der Geschichte, dem mit einer eigenen Ausstellung in der Ausstellung begegnet wird. So können Besucher*innen zum einen in der oberen Etage des Zeughauses die Darstellung einer langen deutschen Geschichte mit Hervorhebungen von Höhepunkten wie der Christianisierung, der Aufklärung, dem Entstehen eines ‚nationalen Bewusstseins‘ und der Gründung des Kaiserreichs und vielen prachtvollen Objektinszenierungen erleben und einen Ausblick auf die Straße Unter den Linden

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mit ihren Gebäuden aus der Zeit vor 1933 erleben. Zum anderen wird die Geschichte des Nationalsozialismus in dem abgetrennten Ausstellungsbereich in der unteren Etage des Zeughauses präsentiert. In diesem Ausstellungsteil gibt es keine Sichtachsen oder besonderen Blickfänge. Zwar führt das Wegeleitsystem auch durch diesen Abschnitt, die Wandelemente an den Seiten sind jedoch anders positioniert als in der übrigen Ausstellung. Sie stehen diagonal zum Hauptweg und machen den Raum durchlässiger für Abzweigungen vom Rundgang. Dennoch sind gerade die Auseinandersetzung mit dem Holocaust sowie der Zwangsarbeit und der Euthanasie so eingerichtet, dass sie nicht direkt vom Hauptweg aus einsehbar sind. Der darauffolgende Bereich zur direkten Nachkriegszeit (DHM: E 8) und zur Geschichte der deutschen Teilung (DHM: E 9) bietet wieder eine zielgerichtete Laufrichtung an und lässt bereits weit im Voraus einen großen Bildschirm erkennen, auf dem Filmausschnitte zum Mauerfall und von den Wiedervereinigungsfeierlichkeiten abgespielt werden. Die Erzählung von aufeinanderfolgenden Ereignissen und Prozessen aus der oberen Ausstellungshalle wird für die Darstellung der Nachkriegszeit wieder aufgenommen und endet mit der Repräsentation Deutschlands als vereintem und souveränem Land. Während in der Einführung zur Dauerausstellung in dem Text zum Thema „Grenzen in Europa“ (DHM: T 1.1) dem Ziel Rechnung getragen wurde, die Geschichte Deutschlands im europäischen Kontext zu zeigen, wird zum Abschluss der Ausstellung die deutsche Wiedervereinigung und die Souveränität Deutschlands ins Zentrum gerückt. Die Zeitzeug*innen-Station des Projekts „Gedächtnis der Nation“ im Ausgangsbereich unterstreicht nicht nur durch den Titel einen verstärkten Fokus der Ausstellung auf Deutschland als Nation. Der Einsatz dieser Station kann auch als eine abschließende Verifikation der in der Dauerausstellung vermittelten Geschichte gedeutet werden. Inge Marszolek und Stefan Mörchen haben erläutert, dass Zeitzeug*innenberichte nicht einfach einer Verlebendigung von Geschichtserzählungen dienen und dem Vergessen entgegenwirken, sondern zu einer Art Bezeugung von Geschichtsschreibung avanciert sind. Gerade in medialen Darstellungen dienten Zeitzeug*innenberichte mittlerweile häufig dazu, hegemoniale Narrative zu legitimieren oder zu authentifizieren (Marszolek/Mörchen 2012). Durch den interaktiven Charakter dieser Station sowie durch den dort formulierten Aufruf, eigene Erinnerungen aufzuzeichnen und an das Projekt zu schicken, wird den Besucher*innen zudem vermittelt, dass sie Teil der zuvor als große Geschichte vermittelten Ereignisse sind. So wird die ausgestellte Geschichte legitimiert und gleichzeitig ein ‚Wir-Gefühl‘ evoziert. Auf der Home-

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page des Projekts „Gedächtnis der Nation“ heißt es: „Sie bilden die Mosaiksteine im Geschichtsbild einer Nation und prägen das Selbstverständnis einer Gesellschaft. Erzählen auch Sie uns Ihre Geschichte und werden Teil eines facettenreichen Archivs der Erinnerungen!“ (GdN 2017)27. Das Ziel der Ausstellung, ‚den Deutschen ihre Identität‘ zu vermitteln, wird somit noch einmal zentral und als Schlusspunkt der Ausstellung als eine abschließende Botschaft gesetzt und mit auf den Weg aus der Ausstellung gegeben.

OBJEKT(AN)ORDNUNGEN: AHNENGALERIE UND WAFFENKAMMER Zur Eröffnung der Ausstellung warb das DHM damit, mehr als 8000 Exponate zu zeigen und betonte den besonderen historischen Zeugniswert dieser Objekte (DHM 2006: 6). Im Untersuchungszeitraum von 2011 bis 2014 konnte ich feststellen, dass nach und nach Objekte ausgetauscht oder entfernt und zum Teil ganze Wand- und Vitrinenelemente abgebaut wurden. Diese Beobachtung bestätigt sich beim Lesen der Tätigkeitsberichte der Jahre 2011/2012 und 2013/2014. Hieß es in Ersterem noch „mehr als 7000 Objekte“ (DHM 2013: 16), wurde in letzterem eine Zahl von 6500 Objekten genannt (DHM 2015: 15). Die Änderungen wurden mit dem Anliegen begründet, mehr strukturelle Klarheit zu erlangen, eine stringentere Erzählung zu erwirken und bestimmte bedeutungsvolle Objekte prominenter zu platzieren (DHM 2013: 17). Es ist anzunehmen, dass damit der Kritik der unübersichtlichen Objektdichte sowie des fehlenden inhaltlichen Zusammenhangs in der Dauerausstellung Rechnung getragen wurde. Das Vorhaben, bestimmte Objekte an prominenten Orten zu positionieren, setzt aber auch eine stärkere Privilegierung bestimmter Themen und Akteur*innen fort, die als besonders bedeutsam für den Verlauf der Geschichte bestimmt werden. Wie der Name der Ausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ vermuten lässt, handelt es sich bei einem Großteil der ausgestellten Objekte um Flachwaren wie Gemälde, Fotografien, schriftliche Dokumente, Plakate oder Landkarten. Gerade die Geschichtsvermittlung in der oberen Etage der

27 Dieses Zitat stammt von der früheren Startseite der Webseite des Projekts „Gedächtnis der Nation“ und ist so nicht mehr einsehbar (vgl. FN 25). Da die Station mit diesem Zitat allerdings von 2014 bis zum Sommer 2017 in dieser Form für Interviewbeiträge warb, soll die Auswertung hinsichtlich dieser Form nationaler Selbstvergewisserung in der Ausstellung weiter benannt werden. Für aktuelle Informationen zu dem Zeitzeugenprojekt siehe: Zeitzeugenportal (2017).

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Ausstellung zeichnet sich durch eine Vielzahl großformatiger Porträt- und Historiengemälde aus, die an gut sichtbaren Stellen entlang des Hauptweges hängen. Kocka kritisiert diese Privilegierung der Gemälde gegenüber anderen Quellen, da dadurch viele Themen deutscher Geschichte, die nicht gemalt wurden, vernachlässigt würden (Kocka 2006: 410). Die für die Ausstellung ausgewählten Porträts und Historiengemälde repräsentieren in der Tat vor allem die Sicht der wohlhabenden und herrschenden Mitglieder einer Gesellschaft, die sich die Anfertigung von Gemälden leisten konnten. Der politikgeschichtliche Fokus der Ausstellung führt zudem dazu, dass besonders viele Porträts von männlichen Herrschern, Politikern oder Kaufleuten ausgestellt und am Hauptweg platziert sind. Die Hängung der Gemälde erinnert an vielen Stellen an eine Ahnengalerie. Die Auswahl und Positionierung der Gemälde führt nicht nur, wie Kocka kritisiert, zu einer einseitigen Sichtweise auf eine gesellschaftliche Oberschicht als Akteurin, sondern auch zu spezifischen Geschlechterkonnotationen. Im Unterschied zu den prominent platzierten Gemälden von Herrschern und Politikern in einer Art Ahnengalerie der als national bestimmten Geschichte, hängen Porträts weiblicher Akteur*innen und Alltagsszenen, auf denen unbekannte Akteur*innen zu sehen sind, überwiegend in den Seitengängen der Ausstellung. Zudem wird Weiblichkeit durch eine Vielzahl allegorischer Darstellungen als passiv repräsentiert, anstatt das reale Akteurinnen sichtbar sind. Besonders in den Ausstellungsabschnitten zum 18. und 19. Jahrhundert überwiegen allegorische Darstellungen, wie zum Beispiel zahlreiche Germania-Bildnisse oder Allegorien zum Kriegswesen und zu den Tugenden, ohne dass deren Bildgeschichten und bedeutungen zu der Zeit näher beleuchtet werden. Während Staat und politisches Handeln durch die Repräsentation von Herrschern und Politikern männlich konnotiert wird, wird Nation mittels allegorischer Darstellungen passiv weiblich konnotiert. Diese ersten Beobachtungen über nationalisierte Geschlechterkonstruktionen durch die unterschiedlichen Sichtbarkeiten von Akteur*innen auf den Gemälden werde ich in den Analysen zu den Leitmotiven weiter verfolgen. Karten von Ländern, Städten und Regionen Deutschlands sowie Europas visualisieren in allen Epochenabschnitten einen geografischen Bezugsrahmen der ausgestellten Geschichte und tragen zur Konstruktion eines nationalen Zugehörigkeitsraums bei. Den Besucher*innen wird durch diese Vielzahl an Karten, die als Originale aber auch als Abdrucke auf Meilensteinen und Thementafeln zu sehen sind, kontinuierlich vor Augen gehalten, in welchem geografischen Raum sie die deutsche Geschichte verorten können. Die erste Leitfrage der Ausstellung „Deutschland – wo liegt es?“ (DHM 2006: 10) wird so mit einer geografischterritorialen Festlegung beantwortet. Das im Eingangsbereich der Ausstellung

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eingeführte Thema Grenzen wird kontinuierlich entlang des Rundgangs aufgerufen und als bedeutsam bestimmt. Schriftliche Dokumente sind in Vitrinen, an Stellwänden sowie auf Tischen platziert und häufig zu Objektgruppen angeordnet. Entsprechend des gewählten Fokus auf die Politikgeschichte dominieren Dokumente, die Auskunft über außen- und innenpolitische Entwicklungen, militärisches Geschehen, Wirtschaftspolitik oder Sozialpolitik bieten. Dadurch stehen erneut männliche Akteure im Vordergrund der nationalen Erzählung. Dokumente, die das politische Handeln von Herrscherinnen und Politikerinnen wie zum Beispiel Maria Theresia von Österreich oder die Aktivitäten der Frauenbewegungen repräsentieren könnten, gibt es hingegen nur vereinzelt. Die Mehrheit der Dokumente, die weibliche Akteurinnen repräsentieren, sind stattdessen Briefe adeliger und bürgerlicher Frauen, die Auskunft über deren Erfahrungshorizont bieten, sowie Reisedokumente oder Arbeitsbücher von Dienstbotinnen. Durch die Auswahl dieser Dokumenttypen entsteht sowohl eine Privatisierung als auch eine Klassisierung weiblicher Akteurinnenschaft, wodurch Akteurinnen aus der Oberschicht im privaten Raum verortet werden und Akteurinnen aus den unteren Schichten zwar im öffentlichen Raum auftreten, jedoch nicht als Gestalterinnen nationaler Geschichte repräsentiert sind. Einen optisch besonders auffälligen Schwerpunkt in der Ausstellung bilden die Bestände der Militariasammlung. Das Narrativ der Dauerausstellung ist nicht nur durch die dominante Thematisierung von Kriegsgeschehen stark militarisiert, sondern auch durch diesen Exponatschwerpunkt. Zahlreiche Waffen, Rüstungen und Uniformen finden sich in allen Epochenabschnitten der Ausstellung und sind häufig prunkvoll in besonderen Waffenständern eingerichtet. Nahezu alle Militaria sind unversehrt und sauber. Sie bieten wenig Anreiz zur Reflektion über ihren Gebrauch als Tötungs- oder Schutzgeräte. Dementsprechend sind sie nicht nur ausgestellt, um Kriegsereignisse und Schlachten zu repräsentieren. In einer Vitrine sind zum Beispiel verschiedene Schutzhelme zusammengestellt, die die einzelnen Regionen des neuen Kaiserreiches nach 1871 symbolisieren sollen (DHM: D 5.1.1), an einer anderen Stelle ist eine Uniform ausgestellt, um die Tuchherstellung in den Manufakturen der frühen Neuzeit zu repräsentieren (DHM: D 3.5.5). Die Dominanz der bisher beschriebenen Objektgruppen führt zu einer starken Ausblendung von Akteur*innen, die nicht einer politischen, militärischen oder wirtschaftlichen Elite angehören. Neben schriftlichen Dokumenten und Gemälden wird das Leben von weiblichen Personen, aber auch einer sozialen Unterschicht, vor allem durch die Sammlungsbestände zur Alltagsgeschichte mit ei-

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nem Schwerpunkt auf dem häuslichen Bereich repräsentiert. Handlungen und Erfahrungshorizonte weiblicher Personen werden in erster Linie durch Objekte wie Haushaltsgegenstände und -geräte, Möbel, Freizeitutensilien und Kleidungsstücke repräsentiert. In den ersten sieben Epochenabschnitten sind solche Alltagsgegenstände jedoch überwiegend in den Seitengängen und Nebenräumen abseits vom Hauptweg platziert. Hier fallen besonders die Präsentationen von Möbeln aus adeligen und bürgerlichen Haushalten auf, die zu Rauminterieurs zusammengestellt sind, wie zum Beispiel ein bürgerlicher Salon zur Zeit des Biedermeiers (DHM: D 4.10.5). Die Inszenierung privater Räume in den Seitengängen lässt die Seitengänge nicht nur als Nebenschauplätze der Ausstellung erscheinen, sie erhalten auch eine Konnotation als Privatbereich. Kontrastiert wird dies durch die Präsentation von öffentlichen Bereichen wie Politik, Krieg oder Wirtschaft am Hauptweg als Ort der Öffentlichkeit. Erst in den Epochenabschnitten zum 20. Jahrhundert und besonders für die Zeit ab 1950 sind vermehrt alltagsgeschichtliche Objekte an gut sichtbaren Stellen am Hauptweg platziert, da in diesen Epochenabschnitten alltags- und sozialgeschichtliche Ereignisse und Prozesse in den Vordergrund des Ausstellungsnarrativs rücken. Die Ausstellung agiert zwar konsequent, da besonders im 20. Jahrhundert mit dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates und zunehmendem Wohlstand Konsum und Freizeit zunehmend in die Öffentlichkeit rückten. Diese Darstellungsweisen bieten jedoch keine Reflektionsmöglichkeiten darüber an, dass gerade die Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit ein wesentliches Mittel zur Konstruktion von Geschlechterdichotomien ist. Vielmehr wird diese Trennung unkommentiert wiederholt und als selbstverständlich vermittelt. Die Ausstellungsmacher*innen haben immer wieder betont, dass die Ausstellung von ihren originalen Objekten und der „Sprache der Dinge“ lebe (Ottomeyer 2008; Ottomeyer 2011). Dementsprechend kommen der Positionierung und Inszenierung der Objekte eine besonders bedeutungsbildende Funktion zu. Prestigeträchtige Objekte aus dem Besitz bekannter Akteur*innen der Geschichte, wie der Globus aus Hitlers Reichskanzlei oder eine Uniform Friedrichs des Großen, sind in der Regel einzeln in Vollglasvitrinen und gut sichtbar am Hauptweg ausgestellt. Ebenso sind Büsten, Skulpturen oder Gemälde berühmter Personen häufig einzeln oder in auffälligen Raumkonstruktionen eingerichtet. Der besondere Effekt der Objekte wird durch deren vereinzelte Präsentation befördert. Sie lenkt die Aufmerksamkeit von Besucher*innen auf diese Objekte und evoziert besondere Ehrfurcht gegenüber der so repräsentierten Person und ihren Handlungen. Während einzeln positionierte Objekte häufig Personen als besonders bedeutsam bestimmen, sind Ereignisse und Themen häufig durch Formen der Ob-

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jektzusammenstellung repräsentiert. Kocka erläutert, dass sich die Objekte in der Ausstellung durch ihre Anordnungen häufig gegenseitig kommentierten und lobt diese Ausstellungsstrategie (Kocka 2006: 408). Diese Form der gegenseitigen Kommentierung ist unterschiedlich umgesetzt. Es gibt sowohl klassifikatorische, magazinähnliche Zusammenstellungen von Dokumenten oder Militaria, als auch Inszenierungen ganzer Räume oder Szenarien. Diese Zusammenstellungen zielen auf unterschiedliche Bedeutungsbildungen ab. Die magazinähnlichen Zusammenstellungen dienen der Vermittlung von Wissenschaftlichkeit, die Inszenierungen von Räumen oder historischen Szenen stellen hingegen emotionale Nähe zum gezeigten Geschehen her (Muttenthaler/Wonisch 2010). Bal hat beide Ausstellungsweisen als Strategien der Wahrheitsrede bestimmt, mittels derer die Geschichtspräsentation von Ausstellungen legitimiert würde. Die eine Strategie erhebe den Anspruch auf die Richtigkeit des Gezeigten durch den Gestus der Wissenschaftlichkeit, die andere durch den Eindruck originalgetreuer Darstellung (Bal 2006: 114). Punktuell wird in der Ausstellung des DHM dem Ductus entgegengewirkt, die eine, richtige Geschichte zu vermitteln. Mit dem im Konzept formulierten Ziel, deutsche Geschichte im europäischen Kontext zu zeigen, präsentiert die Ausstellung an verschiedenen Stellen Formen der Multiperspektivität. Für Ereignisse oder Themen, in die verschiedene Länder involviert waren, sind jeweils Objekte gewählt worden, die aus den jeweiligen Ländern stammen. Bei der Repräsentation des deutsch-französischen Kriegs 1871 sind dementsprechend sowohl Gemälde französischer Maler als auch Gemälde deutscher Maler gewählt worden (DHM: D 4.17.5 und 4.17.6). Diese Strategie wird jedoch nicht explizit erläutert. Mit dem Anliegen, „die Wirkung […] des Exponats in den Vordergrund“ (Ottomeyer 2011: 60) der Ausstellungsgestaltung zu rücken, geht eine recht sparsame Beschriftung der Objekte einher. In der Regel bieten kleine Objekttexte verschiedene Informationen, deren Inhalte auch für die nationalisierten Geschlechterkonstruktionen der Ausstellung nicht unbedeutend sind. Für alle Objekte werden Angaben zu Hersteller*in, Entstehungszeit und -ort sowie Material oder Herstellungstechnik gemacht. Zusätzlich gibt es für manche Objekte Informationen über die zeitgenössische Bedeutung oder Verwendung des Objekts oder über ein Ereignis, welches das Objekt in der Ausstellung repräsentieren soll. Indem die Angaben über Herstellung, Nutzung oder Besitz der Objekte auf bestimmte Akteur*innen verweisen, werden die Objekte häufig geschlechtlich vereindeutigt und festgelegt. So heißt es im Ausstellungsabschnitt zu den 1950er Jahren der BRD im Objekttext zu einer Küchenmaschine: „[…] die Küchenmaschine erleichterte die Arbeit der Hausfrau […]“ (DHM: D 9.5.9, OT). Diese

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Formulierung weist das Gerät nicht nur Frauen zu und bestimmt diese ausschließlich als Hausfrauen, es schließt zugleich auch die Möglichkeit aus, dass andere Personen die Küchenmaschine benutzen.

DIE AUSSTELLUNGSTEXTE: SACHLICHKEIT UND SUPERLATIVE Trotz des Dictums, die „die Sprache der Objekte“ (Ottomeyer 2011: 59) in den Mittelpunkt der Ausstellung zu stellen, und den damit einhergehenden, häufig sehr knappen Objektbeschriftungen, wird das Narrativ der Ausstellung mittels einer Vielzahl von Ausstellungstexten in deutscher und englischer Sprache schriftlich vermittelt. Die Meilensteine sind durch ihre Form, Beleuchtung und Positionierung am Hauptweg als Haupt- und Überblicksinformationsquelle deutlich erkennbar. Weitere Texte sind auf Tafeln in die Ausstellung integriert. Sie sind durch zwei verschiedene Größen und ein dreigliedriges nummerisches Ordnungssystem hierarchisiert. Das Nummernsystem folgt der Chronologie der Ausstellung und gibt eine Unterscheidung verschiedener Inhaltsebenen vor. Die größeren Texttafeln bilden nach den Meilensteinen die zweite Textebene. Sie greifen sowohl die chronologische als auch die thematische Struktur der Ausstellung auf und bieten zum einen Informationen zu bestimmten historischen Abläufen und Ereignissen, wie der Reformation (DHM: T 2.1) oder den Freiheitskriegen (DHM: T 4.7), und zum anderen zu den Themenkomplexen, die in der Ausstellung repräsentiert werden. Sie fungieren als Überblicksinformationen zu einem bestimmten Ausstellungsbereich und sind selten konkreten Objektgruppen zugeordnet. Ich nenne sie daher Bereichs- oder Thementafeln. Anhand der Überschriften dieser Tafeln können die Besucher*innen die jeweiligen Themen in den Epochenabschnitten finden und so Veränderungen und Entwicklungen zu bestimmten Themen nachverfolgen. Das Thema Stadt zieht sich zum Beispiel durch viele Epochenabschnitte und wird auf den Thementafeln mit Überschriften wie „Die Stadt im späten Mittelalter“ (DHM: T 1.13), „Die Stadt“ (DHM: T 2.4) oder „Leben in Stadt und Land“ (DHM: T 3.7) benannt. Kleinere Texttafeln sind einzelnen Displays zugeordnet und bieten den Besucher*innen weiterführende Informationen zu einem in der Gliederungslogik jeweils übergeordneten Thema. Die Nummerierung ist entsprechend dreistellig. Dem Thema „Leben in Stadt und Land“ (DHM: T 3.7) sind zum Beispiel Displays mit Titeln wie „Bürgerstand und städtisches Leben“ (DHM: DT 3.7.1),

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„Bettler“ (DHM: DT 3.7.4) oder „Religion und Frömmigkeit“ (DHM: DT 3.7.5) untergeordnet. Susanne Ruth Hennig gibt in einer Ausstellungsbesprechung zu bedenken, dass durch die an wissenschaftliche Texte erinnernde Nummerierung der Ausstellungstexte eine wissenschaftliche Vollständigkeit der Geschichtsdarstellung suggeriert werde, die die Besucher*innen dazu anhalte, den Texttafeln der Reihe nach zu folgen (Hennig 2010: 227). Wie in einer wissenschaftlichen Arbeit bieten die Überschriften der Texttafeln Aufschluss über die Inhalte und thematischen Ausrichtungen der Texte. Die Auswertung der Überschriften der Texttafeln, die als Indikatoren für die jeweils repräsentierten Themen gelten können, verdeutlicht die politikgeschichtliche Ausrichtung der Ausstellung. Häufig genannte Thementitel sind Krieg, Wirtschaft und Industrie, Stadt und Land, Religion, Kultur, Alltag und Freizeit, wobei Texttafeln und Displays zu den Themen Politik, Krieg und Wirtschaft überwiegend am Hauptweg positioniert sind. Entsprechend Scholzes Ausführungen zur Funktion von Ausstellungstexten in chronologischen Ausstellungen deute ich diese Themengewichtung und Positionierung als Indikatoren für inhaltliche Schwerpunkte der Ausstellung. Die Sprache der Ausstellungstexte ist überwiegend sachlich und verstärkt den Ductus wissenschaftlicher Informationsvermittlung. Als Erzähler*innen in der dritten Person sprechen Kurator*innen und Wissenschaftler*innen, die Informationen über Daten, Abläufe, technische Details und beteiligte Akteur*innen vermitteln. Heike Buschmann hat darauf hingewiesen, dass durch diesen Sprachstil der Eindruck einer objektiven Berichterstattung erzeugt werde (Buschmann 2010: 152f.). Der Eindruck der objektiven Wissensvermittlung wird durch den Einsatz von Zitaten, die in den Texten kursiv gesetzt sind, unterstützt. Mieke Bal bezeichnet den Einsatz von Quellenzitaten als „Wahrheitsrede der Gelehrten“ und verweist auf deren Funktion, das in der Ausstellung vermittelte Wissen zu verifizieren (Bal 2006: 114). Der Umgang mit den Zitaten in den Ausstellungstexten ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Die Zitate sind in die Fließtexte eingebunden und vermitteln den Eindruck, es werde über Tatsachen berichtet. Mittels der Zitate werden jedoch Vor- und Rückgriffe getätigt sowie Meinungen vermittelt, die zu einer kohärenten Geschichtsnarration zusammengeführt werden. Die retrospektive Interpretation eines Ereignisses sowie die grundsätzliche Deutung von Geschichte aus der Gegenwart der Ausstellungseinrichtung, die durch die Auswahl bestimmter Zitate geschieht, werden nicht kenntlich gemacht und somit verschleiert. Durch die Kursivsetzung sind die Zitate zwar vom übrigen Text abgehoben, den Besucher*innen wird jedoch weder im Ausstellungsführer noch im

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Flyer oder an anderer Stelle erläutert, dass es sich bei den kursiv gesetzten Worten oder Satzteilen um Zitate handelt, noch woher diese stammen. Das kann dazu führen, dass Besucher*innen die Zitate nicht als solche erkennen und in der Folge nicht als zeitspezifische Aussagen reflektieren. Begriffe wie „Rassenhygiene“ oder „rasseschädlich“ (DHM: DT 7.5.2; Hervorhebung im Original) werden dadurch hervorgehoben, nicht aber als Konzepte nationalsozialistischer Ideologien herausgestellt, die Grundlage für die Verfolgung und Tötung von Menschen waren und heute im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr anerkannt sind. Die in der Ausstellung gewählten Zitate sind zudem nicht immer zeitgenössische Begriffe. Zum Teil handelt es sich um Auszüge aus Bewertungen oder Berichten über ein Ereignis aus späteren Zeiten. So heißt es zum Beispiel auf einer Displaytexttafel zum Dreißigjährigen Krieg „Der Krieg ernährt den Krieg“ (DHM: DT 2.7.6; Hervorhebung im Original). Durch eine fehlende Erläuterung und zeitliche Zuordnung des Zitats kann der Eindruck entstehen, es handele sich um eine zeitgenössische Beurteilung des Geschehens. Das Zitat stammt jedoch aus einem erstmals 1799 veröffentlichten Dramen-Text Friedrich Schillers, in dem er den Niedergang Wallensteins darstellt (hier Schiller 1971: 46). Mit Blick auf meine Fragestellung nach der Konstruktion von Geschlecht und Nation ist dieser unkommentierte Einsatz von Zitaten oder Redewendungen ebenso bedeutsam wie problematisch. Formulierungen wie „Die Schuld der Väter“ (DHM: DT 9.7.1) oder „Wir sind doch Brüder“ (DHM: DT 9.1.5) wiederholen und tradieren zum Beispiel zeitgenössische Ausblendungen weiblicher Akteurinnen. Die Bezeichnung „Die Schuld der Väter“ verweist zum Beispiel auf die Auseinandersetzung der 68er-Bewegung mit der NS-Vergangenheit der Vätergeneration. Sie blendet jedoch aus, dass in den 1980er und 1990er Jahren eine Debatte um Frauen als (Mit)Täterinnen geführt wurde, die auch als ‚Historikerinnenstreit‘ bekannt ist (Thürmer-Rohr 2008). Im DHM wird diese Debatte in dem Bereich zu den 1980er Jahren nicht thematisiert. Durch die einseitige Verwendung des Titels „Die Schuld der Väter“ im Abschnitt zu den 1960er Jahren wird somit – trotz mittlerweile auch von Frauen geleisteter Aufarbeitung und Debatten um die Schuld an NS-Verbrechen – vermittelt, dass sowohl an den Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit und der Schuld als auch an den NS-Verbrechen selbst ausschließlich männliche Personen beteiligt waren. Auf den Texttafeln sowie in den Begleitmaterialien wird für die Benennung von Akteur*innengruppen zudem konsequent die männliche Form verwendet. So heißt es in den Texten Arbeiter, Bauern oder Studenten. Gleichzeitig werden weibliche Personen häufig als „Frauen“ bezeichnet und gesondert repräsentiert, so zum Beispiel in dem Display mit dem Titel „Frauen im Kaiserreich“ (DHM: DT 5.8.6). Dadurch werden Akteur*innengruppen, die entsprechend ihrer Hand-

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lungen oder ihres Status benannt werden, männlich konnotiert. Frauen werden sowohl durch die männliche Sprachform als auch durch ihre explizite Nennung an anderen Stellen von diesen (Handlungs-)Gruppen exkludiert und ausschließlich hinsichtlich ihrer Vergeschlechtlichung sichtbar gemacht. Die durchgehend verwendete Bezeichnung „Frauen“ konstruiert eine homogene AkteurinnenGruppe, die sich ausschließlich durch ihr vermeintliches Geschlecht und nicht durch Handlungen auszeichnet. Neben der sachlichen Sprache, dem Einsatz von Zitaten und den männlichen Formulierungen, fällt der häufige Einsatz von Superlativen und Vergleichen zu anderen Ländern in den Texten auf, welche die als deutsch bestimmte Geschichte als Besondere hervorheben. Mittels der Vergleiche wird Deutschland entweder als besonders erfolgreich oder als besonders von Ereignissen betroffen präsentiert. In einem Abschnitt zu wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen im deutschen Kaiserreich des 19. Jahrhunderts heißt es zum Beispiel „[…] überflügelte die deutsche Wirtschaft das bis dahin führende Großbritannien […]“ (DHM: DT 5.7.1) oder „Bei der Entwicklung dieser zukunftsträchtigen Industrien [Elektroindustrie und Chemie, L.S.] belegte Deutschland einen führenden Platz […]“ (DHM: DT 5.7.2). In einem Display zur Weltwirtschaftskrise von 1929 heißt es hingegen „Sie [die Weltwirtschaftskrise, L.S.] traf Deutschland weitaus schwerer als andere Länder […]“ (DHM: DT 6.4.4). Diese Vergleiche und Superlative sind zudem oft mit einer Nennung männlicher Akteure verknüpft, wodurch das Besondere der als deutsch bestimmten Geschichte männlich konnotiert wird. Die Sprache der Ausstellungstexte zielt auf eine neutrale und objektive Wissensvermittlung ab, die die Geschichtserzählung der Ausstellung verifizieren soll. Das Zusammenspiel der Nummerierung, die datenorientierte, sachliche Sprache sowie der Einsatz von Zitaten bietet den Besucher*innen kaum die Möglichkeit, diese als Gestaltungsmittel der spezifischen Geschichtskonstruktion des DHM zu erkennen. Damit erscheint unter anderem die einseitige Nennung überwiegend männlicher Akteure sowie die Betonung der dargestellten Ereignisse als besondere durch Superlative und Vergleiche als selbstverständliches Faktum der Geschichte und nicht als zeit- und ortsspezifische Bewertung und Interpretation des Geschehens.

POLITIKGESCHICHTE UND IHRE LEITMOTIVE Die Dauerausstellung des DHM setzt eine Politikgeschichte als vorherrschende Narration der nationalen Geschichtserzählung ein. Damit gehen Hierarchisierun-

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gen von Akteur*innen und Themen einher, die diesen jeweils mehr oder weniger Bedeutung für die als national bestimmte Geschichte zuschreiben. Zwar wurde keine stringente nationale Meistererzählung konzipiert, da eine europäische Multiperspektivität auf verschiedene Ereignisse vermittelt wird. Die Rolle Deutschlands in den Weltkriegen und die Verantwortung für den Holocaust ist zudem kritisch und umfangreich dargestellt. Die Entscheidung, die Geschichte als chronologische Abfolge politischer Prozesse und Ereignisse aufzubereiten, führt dennoch in weiten Teilen zur Konstruktion einer Fortschrittsgeschichte. Besonders die Ausstellungsfläche in der oberen Etage des Zeughauses mit dem breiten Hauptweg, den hohen, von Säulen getragenen Decken, den vielen Blickfängen und prunkvollen Objektinszenierungen kann als Geste der Huldigung von und Ehrfurcht vor der Geschichte gedeutet werden. Die Hierarchisierung von Politikgeschichte als Hauptgeschichte gegenüber einer Alltags- und Kulturgeschichte führt auch zu einer Hierarchisierung von Akteur*innen. Zum einen wird eine gesellschaftliche Oberschicht als Macherin der nationalen Geschichte bestimmt, zum anderen sind diese Macher*innen überwiegend männlich. Dies geht einher mit einer überwiegenden Sichtbarkeit weiblicher Akteur*innen in den Nebengängen – unabhängig davon, ob deren Handlungen als politisch bestimmt werden können oder nicht. Als Identifikationsangebot zur nationalen Identitätsstiftung dienen somit überwiegend Präsentationen von als bedeutsam bestimmten männlichen Personen. Sowohl auf der Objekt- als auch der Textebene werden Krieg und Wirtschaft als bedeutsame Themen dieser politikgeschichtlichen Konzeption von Nation vermittelt. Sie wurden in der Auswertung des Ausstellungsrundgangs als Leitmotive ermittelt. Die mitunter auch verschränkten Darstellungen zu diesen Leitmotiven zeichnen sowohl Brüche der Geschichte durch kriegerische Auseinandersetzungen als auch eine Kontinuität wachsenden Wohlstands nach. In den folgenden Untersuchungen der Leitmotive Krieg und Wirtschaft gehe ich der Art und Weise der Vergeschlechtlichung der Präsentationen von Krieg und Wirtschaft nach. Dabei steht die Frage nach der Konstruktion von Geschlecht durch die spezifischen Präsentationsweisen des jeweiligen Leitmotivs im Vordergrund und nicht die Frage, inwiefern Krieg und Wirtschaft historisch ‚richtig‘ vermittelt werden.

Das Leitmotiv Krieg: Krieg prägt die Nation „Im Krieg […] wird die Nation nicht bedroht, sondern es entsteht im Gegenteil die Möglichkeit, die Nation, das Volk zu konstituieren.“ (Jansen/Borggräfe 2007: 105)

Besucher*innen des Deutschen Historischen Museums können schon beim Betreten des Foyers erahnen, dass das Thema Krieg in diesem Museum eine besondere Rolle spielt. In der Eingangshalle sind neben Information und Kasse verschiedene Statuen und Skulpturen aufgestellt, die auf das Thema Krieg verweisen. Die Statuen stammen zum Teil aus der ehemaligen Ruhmeshalle und dem Lichthof des Zeughauses aus der Zeit, als dieses ein Militärmuseum war (1883-1945). Es handelt sich zum einen um allegorische Figuren, wie die Allegorie der Kraft, die Allegorie der Kriegswissenschaft28 und die Allegorie der Viktoria29 und zum anderen um Darstellungen von Kriegern und Soldaten sowie um Statuen bekannter militärischer Akteure, so zum Beispiel eine Statue von

28 Die Skulpturen „Allegorie der Kraft“ und „Allegorie der Kriegswissenschaft“ wurden 1887 von Reinhold Begas für die neu eingerichtete Feldherrenhalle des Zeughauses gestaltet (DHM: Foyer, OT). 29 Die Allegorie Viktoria steht in der römischen Mythologie für den Sieg. Sie ist außerdem die Schutzgöttin des römischen Kaisers sowie Hüterin des Reiches und zeichnet sich durch das Siegessymbol des Lorbeerkranzes sowie durch Flügel aus. Silke Wenk hat in ihrer Arbeit „Versteinerte Weiblichkeit“ (1996) insbesondere die Darstellungen der Allegorie der Nike – das Pendant zur Viktoria in der griechischen Mythologie – untersucht und auf die Verschränkungen der Bedeutungsfelder von Nation, Krieg und Macht in den Darstellungen der Nike hingewiesen. Die im Foyer des DHM ausgestellte Skulptur wurde 1880 für die Herrscherhalle des Zeughauses von Fritz Schaper gestaltet (DHM: Foyer, OT).

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Kurt Christoph Graf von Schwerin (1684-1757), der im Objekttext als ein bekannter Generalfeldmarshall unter Friedrich II.30 vorgestellt wird. Im Museumsführer ist eine von acht genannten Leitfragen zur Dauerausstellung dem Thema Krieg gewidmet. Hier heißt es recht einfach „Was führt zum Krieg, wie macht man Frieden?“ (DHM 2006: 10). In der vorangegangenen Untersuchung der Gestaltung und Narration der Ausstellung ist allerdings deutlich geworden, dass die Themen Krieg und Militär sowohl auf der Objekt- als auch auf der Textebene eine hohe Sichtbarkeit erreichen. Bereits bei einem schnellen Durchgang durch die Dauerausstellung entlang des Hauptweges fallen eine Vielzahl militärischer Objekte und Kriegsdarstellungen auf. Dieser Schwerpunkt auf militärische Objekte und die damit verbundenen Kriegsdarstellungen ist unter anderem auch auf die Geschichte des Gebäudes zurückzuführen, welches zunächst als Waffendepot und später als Waffen- und Militärmuseum diente (Hiller von Gaertringen/Hiller von Gaertringen 2014: 75). Vor dem Hintergrund meiner Fragestellung wird im Folgenden untersucht, in welcher Weise gegenwärtig mit diesen militärischen Beständen umgegangen wird und welche Bedeutung ein Ausstellungsschwerpunkt auf Militär- und Kriegsgeschichte für die Nationenund Geschlechterkonstruktionen hat. Im Unterschied zu den anderen von mir ermittelten Leitmotiven in den beiden Museen gibt es zur musealen Präsentation von Krieg eine breite museologische Diskussion, die sich mit der Schwierigkeit ‚angemessener‘ Darstellungsweisen von Krieg und Militaria im Museum befasst (Beil 2003; Thiemeyer 2010; Sommer 2012; Makhotina et al. 2015). Als Bildungsinstitutionen haben kulturhistorische Museen die Aufgabe, Krieg zu thematisieren und zu reflektieren, sollen ihn aber nicht verharmlosen oder gar verherrlichen, so der gegenwärtige Konsens. Christine Beil (2003) weist vor diesem Hintergrund auf den schwierigen Balanceakt zwischen den Polen Faszination und Abschreckung hin, den die Museen leisten müssen. Während nüchterne Darstellungen und die Präsentation von Waffen in Vitrinen und Schaukästen zu einer Entdramatisierung oder gar Verherrlichung von Krieg führten, könne es bei Inszenierungen, die Waffen und Kleidung im Originalzustand zeigen und Kriegsszenarien als Kulissen nutzen, zu einem Eindruck von Krieg als Abenteuer kommen (ebd.: 8). Die Museumswissenschaft spricht sich besonders gegen prunkvolle Ausstellungsweisen aus, wel-

30 Friedrich II. von Preußen (1712-1786) ist auch unter dem Namen ‚Friedrich der Große‘ oder ‚der Alte Fritz‘ bekannt.

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che in Rüstkammern31 und Waffenmuseen der Vergangenheit üblich waren, da diese oftmals der Kriegsverherrlichung dienten (Sommer 2012: 37). Thomas Thiemeyer verweist auf eine mittlerweile gut erforschte Kulturgeschichte von Kriegen und benennt neue Schwerpunktlegungen, wie zum Beispiel auf die Idee einer Heimatfront, Mentalitätengeschichte oder Frauen im Krieg als Wege, das Thema Krieg in Museen differenzierter aufzubereiten (Thiemeyer 2015). Beil beschreibt, den Einsatz von Alltagsgegenständen in Ausstellungen über Krieg und Gewalt oder abstrakte Darstellungsformen, die mit keinen oder nur wenigen Objekten arbeiten, als mögliche Alternativen zu vergangenen Ausstellungspraxen (Beil 2003). Im DHM wird Krieg allerdings häufig in einer vermeintlich sachlichen Weise vermittelt, die Beil als verharmlosend bezeichnet. Der Fokus liegt auf Ereignisabläufen und technischen Details. In den Ausstellungstexten wird eine entsubjektivierte Sprache verwendet, die überwiegend Abläufe und Daten beschreibt anstatt Akteur*innen zu benennen. Sowohl Mieke Bal (1996) als auch Tony Bennett (1995) haben in ihren Arbeiten darauf hingewiesen, dass durch die Vermittlung von vermeintlich reinem Faktenwissen einer autoritativer Sprechakt entsteht, welcher den Eindruck der Authentizität des präsentierten Themas bewirke und wenig Raum für Reflektionen und Hinterfragungen böte. Mit diesen Ausstellungsweisen zum Leitmotiv Krieg folgt das DHM dem Fokus der Hauptnarration auf Politik- und Herrschaftsgeschichte. Karen Hagemann bewertet diese Form der Kriegsgeschichte als eine doppelt männlich geprägte Geschichtsschreibung, da lange Zeit ausschließlich männliche Historiker über männliche Akteure geforscht und geschrieben hätten (Hagemann 1998: 14). Spätestens seit den 1990er Jahren sind Kriegs- und Militärgeschichte allerdings auch seitens der Frauen- und Geschlechterforschung umfangreich untersucht worden. Hier wurde vor allem die aktive Beteiligung von Frauen am Kriegsgeschehen diskutiert, aber auch die Konstruktionen von Geschlechterordnungen im und durch den Krieg in den Blick genommen. Besonders umfassend sind für den deutschsprachigen Raum die Bände Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger (Hagemann/Pröve 1998) sowie Heimat – Front (Hagemann/SchülerSpringorum 2002), die aus einem zum damaligen Zeitpunkt erstmaligen Austausch von Historiker*innen der Militär- sowie der Geschlechtergeschichte in den Jahren 1997 und 1999 entstanden sind. Ziel dieser Tagungen war es, die bis dahin herrschende Trennung zwischen einer männlich konnotierten Militärge31 Nach Christopher Sommer sind Rüstkammern Orte, an denen Offensiv- und Defensivwaffen sowohl gelagert als auch ausgestellt werden. Bis heute gibt es Museen, die den Begriff Rüstkammer im Namen führen. Analog dazu werden Begriffe wie Zeughaus oder Waffenkammer verwendet Sommer (2012: 12).

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schichte mit dem einseitigen Fokus auf militärische Operationen sowie der Geschlechtergeschichte mit dem Fokus auf Frauen im Krieg zusammen zu bringen und zu verknüpfen. Trotz dieser Forschungsdebatten und der museumswissenschaftlichen Forderungen nach differenzierten Darstellungen von Krieg im Museum sind Akteurinnen im Krieg in der Dauerausstellung des DHM auf den ersten Blick nur marginal präsentiert. Dadurch entstehen konstitutive Auslassungen, die die umfangreichen Kriegsdarstellungen in der Ausstellung als männlich konnotiertes Feld konstruieren. Besonders für die Frage nach der Bedeutung von Nation und einer aktiven Beteiligung darin sind solche Geschlechterkonnotationen bedeutsam. So hat Hagemann darauf hingewiesen, dass der Militärdienst lange Zeit die Voraussetzung für staatsbürgerliche Rechte war, wie zum Beispiel das Recht zu Wählen (Hagemann 2008: 100f.) Frauen aus dem militärischen Feld auszuschließen, bedeutet somit, diese auch als politisch weniger relevant zu konzipieren (Seifert 2002: 55). Jenseits einer Feststellung dieser ohne Frage bedeutsamen Ausschlüsse von Frauen aus dem militärischen Bereich entstehen durch die Präsentationsweisen zum Leitmotiv Krieg spezifische Geschlechterkonstruktionen. Die drei auffälligsten sollen im Folgenden vertieft untersucht werden: 1. Die Ausstellung arbeitet häufig mit einer sprachlichen sowie räumlichen Tren-

nung der Bereiche Militär und Zivilbevölkerung und deren dichotomen Zuordnung zu Front/Kampfgeschehen auf der einen, sowie Alltag, Heimat und später Heimatfront auf der anderen Seite. Dies führt auch zu dichotomen Geschlechterkonstruktionen.32 2. Die Themen Tod und Verletzungen von Soldaten werden separat von diesen beiden Bereichen ausgestellt und erscheinen so in einem Zwischenraum zwischen Front und zivilem Bereich. Durch diese Ausstellungsentscheidung wird sowohl militärische als auch zivile Männlichkeit konstruiert. 3. Ein weiteres bemerkenswertes Gestaltungselement ist die Darstellung von Kriegsverläufen als kausale und chronologische Abfolge im Kontext der Na32 Bereits die Verwendung der Begriffe Militär und Zivilbevölkerung konstruiert zwei eindeutig voneinander trennbare gesellschaftliche Bereiche, die Verschränkungen von Militär und Zivil sowie ein Hin- und Herbewegen von Akteur*innen zwischen diesen Bereichen ausblendet. Dennoch bin auch ich in dieser Arbeit darauf angewiesen die Begriffe zu nutzen, um die Repräsentationen des Museums zu besprechen. Wo es möglich ist, habe ich versucht mit alternativen Begrifflichkeiten und Erklärungen zu arbeiten, um die Bildung von Dichotomien aufzubrechen.

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tionenwerdung. Hier wird Krieg als produktives und konstitutives Geschehen vermittelt, bei dem ebenfalls nach den Repräsentationsweisen und den damit verbundenen Geschlechterkonstruktionen zu fragen ist.

FRONT – HEIMAT: GESCHLECHTERDICHOTOMIEN DURCH DICHOTOME RAUMORDNUNGEN Die Ausstellungsmacher*innen haben durch räumliche Anordnungen von Themenbereichen, Objekten und Displays das Leitmotiv Krieg in zwei Felder unterteilt. Zum einen gibt es Objekt(an)ordnungen, Thementafeln und Displays, die mit Begriffen wie Kampfhandlung, militärisches Geschehen und Front beschrieben werden können, zum anderen gibt es welche, denen Begriffe wie Zivilbevölkerung beziehungsweise Bevölkerung, Heimat(-front) oder Alltag zugeordnet sind. Die große Mehrheit der Kriegspräsentationen im DHM zeigt die militärische Seite von Kriegen. Von kleinen Displays bis hin zu ganzen Ausstellungsbereichen werden Kriegsstrategien, Kampfhandlungen und einzelne militärische Akteur*innen umfangreich dargestellt. Besonders in dem Epochenabschnitt über die absolutistische Zeit (1650-1789) (DHM: E 3) werden einzelne Kriege und Schlachten in einer chronologischen Aneinanderreihung von kleinen Displays und Themenabschnitten vermittelt. Zu den jeweiligen Kriegen sind oft nur wenige Objekte ausgestellt, wie zum Beispiel das Gemälde eines Herrschers, einer Schlacht oder einzelne Waffen-, Rüstungs- und Uniformstücke. Ich führe diese knappen Darstellungen darauf zurück, dass diese Kriege in der Militärgeschichtsforschung als sogenannte „Kabinettskriege“ bestimmt wurden und dementsprechend vor allem als Machtaushandlungen unter Adeligen gelten. Frank Göse hat in seinem Aufsatz „Der Kabinettskrieg“ allerdings darauf hingewiesen, dass diese Kriege zwar im Kabinett – sprich von Herrschern und Politikern – geplant worden seien, jedoch nicht ohne Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung verliefen. Er spricht bei der Typologisierung der Kriege des Ancien Régimes als Kabinettskriege von einer verkürzten Darstellung, die sich allein auf deren Planung und die Zentralisierung militärischer Einsätze beziehe (Göse 2007). In den Präsentationsweisen des DHM wird diese verkürzte Darstellung übernommen und es gibt keine Hinweise auf die Auswirkungen solcher Kriege auf die Menschen. In den Displays sind jeweils nur einzelne militärische oder politische Führungspersönlichkeiten zu-sehen-gegeben und die Darstellungen auf der Textebene beschränken sich auf am Krieg beteiligte Länder, die Kriegsursachen, die Verläufe von Schlachten und Verhandlungen zur Beendigung die-

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ser Kriege. Haupttenor der Ausstellung zu diesen Kriegen ist eine sachliche Darstellung des Geschehens in chronologischer Abfolge, die die Bedeutung des jeweiligen Krieges im Gefüge der Narration der Nationenwerdung vermittelt. Im Text zum Display „Der Siebenjährige Krieg zwischen Preußen und Österreich“ (DHM: DT 3.8.2) wird zum Beispiel erläutert, dass Österreich, Russland und Frankreich gegen Preußen33 und England gekämpft hätten, um Schlesien für Österreich zurück zu gewinnen. Es wird beschrieben, wie einige Schlachten verliefen, Friedrich II. wird als militärischer Akteur genannt, die Auswirkungen des Kriegs auf die Wirtschaft werden erläutert und abschließend werden die Friedensverhandlungen beschrieben, die eine Einigung herbeiführten, durch die Schlesien Preußen zugeordnet worden sei. So entsteht der Eindruck einer Selbstverständlichkeit dieser Kriege beziehungsweise notwendigen Verbindung von Kriegen zu darauffolgenden Entwicklungen im Sinne territorialer Veränderungen und der ‚Nationenwerdung‘. Die Dimension von Gewalt und Zerstörung wird hingegen nicht vermittelt. Mögliche Erfahrungsgeschichten von Soldaten fehlen ebenso wie Reflektionen über das Erleben von Krieg durch nichtmilitärische Akteur*innen. Der Fokus auf Krieg als vorrangig politisches und militärisches Thema setzt sich in den anderen Epochenabschnitten fort. Zwar werden die Befreiungskriege im Epochenabschnitt „Französische Revolution bis zum zweiten deutschen Kaiserreich“ (DHM: E 4) sowie der Erste und der Zweite Weltkrieg facettenreicher präsentiert und die Objekt- sowie Themenauswahl ist heterogener, allerdings sind die jeweiligen militärischen Präsentationen zu diesen Kriegen mehrheitlich am Hauptweg gut sichtbar platziert, während die Präsentationen zu den Themen Alltag und ‚ziviles‘ Leben häufig nur in den Seitenabschnitten ausgestellt sind. Männlichkeitskonstruktionen in Repräsentationen von Militär und Front Dass die Ausstellung Krieg mehrheitlich mit Kampfhandlungen und Militär gleichsetzt, wird durch den Einsatz einer Vielzahl militärischer Objekte in der Ausstellung unterstrichen. Dies führt zu einer starken Militarisierung der Ge-

33 Ab dem dritten Epochenabschnitt (1650-1789) liegt der Fokus der Ausstellungsnarration auf Preußen als Vorläufer Deutschlands. Dies wird nicht explizit gemacht. Der Eindruck entsteht allerdings, da an vielen Stellen der Ausstellung die Geschichte Preußens besonders hervorgehoben wird. Schaser spricht bei einem solchen Fokus auf die preußische Geschichte als Vorläufer einer deutschen Geschichte von einer „Borussifizierung“ der deutschen Geschichtsschreibung seit 1848 (Schaser 2008: 66).

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schichtsvermittlung des DHM. Urte Evert hat auf die Bedeutung von Waffen als Symbolen für Männlichkeit verwiesen und die damit einhergehenden Vorstellungen von Waffen als Einheit mit dem oder als Verlängerung des männlichen Körpers diskutiert (Evert 2010). Die mehrheitliche Repräsentation des Leitmotives Krieg durch Waffen und militärische Geräte führt demnach zu einer Konnotation des Kriegs als männlichen Bereich. Die Waffen sind häufig in freistehenden Vitrinen oder in besonderen Halterungen aufgestellt. An vielen Stellen in der Ausstellung sind mehrere Waffen wie zum Beispiel Gewehre, Pistolen oder Schwerter und Degen so positioniert, dass die Klingen oder Gewehrläufe nach unten gerichtet sind. Diese Form der Präsentation von Waffen zielt nicht auf die Vermittlung des Gebrauchs dieser Waffen ab. Laut Sommer erfahren die Waffen durch die Präsentation als Kunstund Prachtobjekte eine Entmilitarisierung, die ihnen den Gefahrencharakter entzieht (Sommer 2012: 37). Beil argumentiert ähnlich und hebt die Entstehung eines besonderen Dingkultes hervor, der den Blick der Besucher*innen eher auf technische, handwerkliche oder künstlerische Meisterleistungen lenke und Bewunderung hervorrufe, anstatt auf deren Gebrauch als Tötungsinstrumente aufmerksam zu machen (Beil 2003: 12). Diesem Gedanken können auch weniger prunkvoll gestaltete Zusammenstellungen von Munition, Waffen und militärischen Ausrüstungsobjekten in der Ausstellung zugeordnet werden, zu denen in Themen- und Objekttexten jeweils in sachlichem Stil deren Funktionen, neue technische Entwicklungen und Einsatzmöglichkeiten beschrieben sind. Die ausgestellten Waffen sind dabei mehrheitlich in unbeschädigtem und sauberem Zustand und bieten nur begrenzt Assoziationsgrundlagen hinsichtlich deren Zerstörungspotentials. Unter dem Displaytitel „Materialkrieg“ (DHM: DT 5.11.3) im Ausstellungsbereich zum Ersten Weltkrieg sind zum Beispiel drei asymmetrisch geformte, im Raum freistehende Glasvitrinen aufgestellt. Das Vitrinenensemble ist sehr groß und zieht durch die freistehende Platzierung am Ende einer Raumachse die Aufmerksamkeit auf sich. Besucher*innen können die Vitrinen zudem umrunden und von allen Seiten gut betrachten (Abb. 3).

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Abbildung 3: Materialkrieg (DHM: D 5.11.13)

Foto: Lisa Spanka, März 2017

Die Vitrinenböden sind mit einem grauen Stoff ausgelegt, der Falten wirft. In zwei der drei Vitrinen befinden sich Waffen, Munition und militärische Geräte, die zum Teil auf Säcken drapiert sind. In einer Vitrine sind Uniformjacken auf Ständern so eingerichtet, dass sie in Körpergröße aufrecht stehen. Zwischen den beiden Uniformen sind weitere Gewehre und einige Stahlhelme auf Ständern am Boden platziert. Alle Objekte sind ordentlich zusammengestellt und weisen keine Beschädigungen oder Gebrauchsspuren auf. Die asymmetrisch geformten Vollglasvitrinen und die graue Bodenauslegung präsentieren die Objekte in ästhetischer und moderner Weise. Beil beschreibt dies als eine Ausstellungsform, die Distanz zum präsentierten Thema hervorrufe. Ein Eindruck von Gefechten, Tod und Verletzung werde durch diese Objektinszenierungen kaum vermittelt (Beil 2003: 11f.). Die Gestaltung der Vitrinen steht in starkem Kontrast zum Thementitel. Zwar lässt der Displaytitel „Materialkrieg“ zunächst annehmen, dass es in den Darstellungen um den massiven Einsatz von Kriegsausrüstung im Ersten Weltkrieg geht. Der Displaytext beschreibt die dort genannte „Materialschlacht“ allerdings – entsprechend der nüchternen Ausstellungsgestaltungen – in erster Linie als Beschleuniger für technische Modernisierungen. Die Sprache ist sachlich und betont mehrheitlich die Funktionen der Waffen. Verweise auf Verletzungen von Soldaten sind in den Kontext von Erläuterungen zu Modernisierungen und technischen Neuerungen gesetzt:

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„Der Krieg entwickelte sich rasch zu einer Materialschlacht, welche die technische Modernisierung der Kriegsführung beschleunigte. Neues Gerät kam zum Einsatz. Besonders an der Westfront ermöglichten Maschinengewehre, Artillerie und Kampfgas das Massentöten. […] Vor Tod und Verstümmelung sollten auch andere Ausrüstungen wie Grabenpanzer und Schutzmasken bewahren.“ (DHM: DT 5.11.3; Hervorhebung im Original)

Durch diese Formulierungen wird der Fokus auf eine technische Modernisierung gelegt. Tod und Verletzungen erscheinen hingegen als nebensächlich. Eine Auseinandersetzung mit Tod und Zerstörung, die beim Thema Materialkrieg hätte angeregt werden können, wird dadurch verdrängt. 34 Krieg erscheint dadurch mehr als Modernisierungsfaktor anstatt als Moment des ‚Massentötens‘. Der sachliche Stil der Objektpräsentationen und -beschreibungen wirkt verharmlosend und unterstützt eine Vermittlung von Krieg als Generator für technischen Fortschritt und Wegbereiter für nationale Entwicklungen. Beil erläutert dazu, das Ziel, besonders wertfrei und neutral zu präsentieren, sei kaum erreichbar, da Ausstellen immer auch Auswählen und somit Bewerten bedeutet. Problematisch an dem Versuch, möglichst sachlich und neutral zu präsentieren, ist, laut Beil, die Eigendynamik der Faszination, die das Publikum bei großen Objekten und polierten, unbeschädigten Waffen erlebe (Beil 2003: 8). Das DHM bleibt mit seinen Präsentationsformen somit hinter dem Forschungsstand sowie den Debatten um das Ausstellen von Krieg zurück. Bei einem Blick auf die Präsentationen von Akteur*innen im Krieg wird ebenfalls eine sachlich-distanzierende Präsentation auf Krieg und Kriegsauswirkungen deutlich. Diese ist geprägt von geschlechtlich markierten Zuweisungen und Bewertungen der jeweiligen Akteur*innen. Roswitha Muttenthaler und Regina Wonisch haben in ihrem Band „Rollenbilder im Museum“ (2010) darauf hingewiesen, dass in den Kriegsdarstellungen des DHM häufig eine Gegenüberstellung von historischen, männlichen Akteuren und symbolischer Weiblichkeit vermittelt werde. Allegorien der Germania, der Trauer oder der Victoria stünden in der Ausstellung Soldaten, militärischen Anführern sowie Politikern gegenüber (ebd.: 62-65). Da in der Ausstellung Präsentationen männlicher Akteure zum Thema Front überwiegen, werde ich im Folgenden zunächst die Auswirkung der Darstellungsweisen zum Thema Krieg auf die Konstruktionen von Männlichkeit im DHM besprechen.

34 Ein Display mit dem Titel „Leiden und Tod“ (DHM: D 5.11.4) befindet sich getrennt davon in einem anderen Abschnitt der Ausstellung. Siehe dazu die Besprechung im Kapitel zur Darstellung von Leid, Verletzung und Tod.

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Kriegshandlungen und Kriegserfahrungen werden im DHM nur selten gezeigt. Die Akteur*innen, die genannt und sichtbar gemacht werden, sind in erster Linie berühmte militärische Führungspersönlichkeiten. In einem Displaytext mit dem Titel „Die oberste Heeresleitung“ (DHM: DT 5.12.3) werden zum Beispiel Helmuth von Moltke35 oder Paul von Hindenburg36 als wichtige Kriegsakteure genannt. Zu diesen ‚bekannten Männern‘ sind häufig Gegenstände aus deren Besitz oder Gemälde sowie Büsten von ihnen ausgestellt. Da es sich bei diesen Dingen um Waffen oder Uniformstücke handelt, werden sie ausschließlich in ihrer militärischen oder politischen Funktion dargestellt und nicht als Privatpersonen. Die Akteure im Leitmotiv Krieg werden nicht nur als militärisch gestaltende Personen konzipiert, sondern auch aus dem Feld des Privaten ausgegliedert. Im Epochenabschnitt „Reformation und Dreißigjähriger Krieg“ (1500-1650) wird zum Beispiel in einem Display die Rolle Wallensteins37 im Dreißigjährigen Krieg vermittelt. In einer Tischvitrine sind dazu verschiedene Exponate zu sehen, die aus seinem persönlichen Besitz stammen. Unter anderem ein Degen und Schriftdokumente. Die Exponate vermitteln Wallenstein ausschließlich als Kriegsakteur. Evert erläutert, dass gerade Waffen immer wieder zur Repräsentation ihrer männlichen Besitzer eingesetzt wurden (Evert 2010). Im Objekttext zu dem Degen wird die Vermutung genannt, dass dieser ein Ehrengeschenk des Kaisers an Wallenstein gewesen sei. Ausgehend von Everts Ausführungen fungiert der Degen als Repräsentant für Wallenstein als besonders wertgeschätzter Persönlichkeit. Zum bereits angesprochenen Display über den „Siebenjährigen Krieg“ (DHM: D 3.8.2) gibt es ebenfalls eine auf einen Einzelakteur ausgerichtete Präsentation. In der Mitte eines durch Stellwände eingegrenzten Ausstellungsabschnitts ist in einer Vollglasvitrine eine Uniform Friedrichs II. (1712-1786) ausgestellt (Abb. 4).

35 Helmuth Johannes Ludwig von Moltke (1848-1916) war preußischer Generaloberst und Chef des Generalstabes zu Beginn des Ersten Weltkriegs. 36 Paul von Hindenburg (1847-1934) war Generalfeldmarshall im Ersten Weltkrieg und zweiter Reichspräsident in der Weimarer Republik. 37 Albrecht von Wallenstein (1583-1634) war ein Feldherr im Dreißigjährigen Krieg.

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Abbildung 4: Der Siebenjährige Krieg (DHM: D 3.8.2)

Foto: Lisa Spanka, März 2017

Die Gestaltung des durch die Stellwände eingerichteten Raums erinnert an eine Tempelanlage oder einen Schrein. An den Wänden um die Vitrine herum hängen Gemälde von Feldherren und in Wandvitrinen sind Objekte und Dokumente ausgestellt, die sowohl das Kriegsgeschehen und den Friedensprozess dokumentieren, als auch Friedrich II. als gebildeten Herrscher und Mitglied der Freimaurer repräsentieren. Die Person Friedrichs II. steht im Mittelpunkt der Darstellung, wohingegen der Krieg nur als Teil seiner Herrschaft vermittelt wird. Da die Uniform und die Waffe, wie oben beschrieben, als Repräsentanten Friedrichs II. gedeutet werden können, führt deren zentrale Positionierung in der Mitte der Tempelinstallation zu einer heroisierenden Deutung Friedrichs II.38 Durch solche persönlich zugeordneten und besonders hervorgehobenen Objekte entsteht eine Präsentation der Akteur*innen, die Beil als „Gestus der ehrfurchtsvollen Bewunderung“ beschreibt. Eine Auseinandersetzung mit den in Ausstellungstexten dargestellten Themen werde so durch einen „mythisierenden Dingkult“ überlagert (Beil 2003: 12). Besucher*innen sind vermutlich von dieser auratisierenden Präsentation der Uniform sowie deren Originalität beeindruckt, die durch eine 38 Hier wird eine Form des Personenkultes um Friedrich II. von Preußen wiederholt, die das DHM 2012 selbst in einer Sonderausstellung „Friedrich der Große – Verehrt, verklärt, verdammt“ kritisch beleuchtet hat (DHM online 2018c).

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detaillierte Nachzeichnung der Objektgeschichte im Objekttext zusätzlich hervorgehoben wird. Die weiteren Vermittlungselemente zum Siebenjährigen Krieg rücken dadurch in den Hintergrund der Inszenierung. Diese Fokussierung auf einzelne besondere Objekte bekannter Personen wird zudem von der medialen Berichterstattung unterstützt, wie der Pressespiegel zur Ausstellungseröffnung 2006 erkennen ließ. Die Berichte folgten häufig der Ausstellungsgestaltung und nannten insbesondere Objekte aus dem Besitz bekannter Personen.39 Bei einem ersten Besuch der Ausstellung wissen Besucher*innen daher mitunter bereits, welche ‚berühmten‘ Exponate sie sehen wollen und können diese bei einem Rundgang entlang des Hauptweges gezielt aufsuchen.40 Im Hinblick auf die Konstruktionen von Geschlecht und Nation sind diese huldigenden Präsentationen von bekannten Einzelpersonen problematisch, da es sich bei diesen ausschließlich um männliche Führungspersonen handelt. Diese bieten wenig Potential für eine Identifikation mit dem Gezeigten und bringen eine distanzierte Perspektive auf Krieg hervor, welche zu einer Bewunderung der so präsentierten Personen führen kann, anstatt eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg und dessen Folgen anzuregen. Im Unterschied zu diesen heroisierenden Einzelpräsentationen berühmter männlicher Personen werden Soldaten in den Ausstellungstexten vor allem als anonyme Menge zu-sehen-gegeben. Es wird zum Beispiel von „dem Heer“ (DHM: DT 5.12.3), „den deutschen Truppen“ (DHM: DT 5.12.1), „der Wehrmacht“ (DHM: DT 7.8) oder noch verallgemeinernder „den Deutschen“ (DHM: DT 5.11.3) gesprochen. Bei letzterem wird die Armee mit der gesamten Bevölkerung gleichgesetzt, was implizit eine Unterstützung beziehungsweise Befürwortung von Krieg durch die Bevölkerung vermittelt und militärische Akteur*innen aus einer Kriegsverantwortung entlässt. Durch die anonymen Kollektivbezeichnungen entsteht eine Entindividualisierung der Kriegsakteur*innen, was zu einer Distanzierung zwischen der Beteiligung von Personen am Kriegsgeschehen und den dargestellten Kriegsereignissen führt. Möglichkeiten, sich mit den Handlungen und Erlebnissen von Soldaten auseinanderzusetzen, gibt es kaum. Nur an wenigen Stellen sind Expo39 Vgl. u. a.: „Wer hat das Loch in Hitlers Globus geschossen?“ In: Bild 02.06.2006; „Mäntel der Geschichte“. In: Focus 29.05.2006; „Schatzkammer der deutschen Geschichte“. In: Tagesspiegel 21.05.2006. 40 Ich selbst habe 2013 eine solche Situation erlebt, während ich eine Führung durch die Ausstellung gab. Einer der Teilnehmenden verließ zum Ende der Führung kurz die Gruppe mit dem Kommentar, er wolle sich nochmal schnell die Uniform vom „Alten Fritz“ anschauen.

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nate zu sehen, die Auskunft über das Erleben im Krieg bieten. Im Ausstellungsbereich zum Zweiten Weltkrieg sind in einem Ausstellungsabschnitt zu dem Thema „Krieg gegen die Sowjetunion“ (DHM: T 7.8) zum Beispiel Fotos von der Front sowie das Feldtagebuch eines Soldaten ausgestellt. Die Präsentation dieser Objekte im Bereich des Zweiten Weltkriegs ist sicher auch auf die Nähe des Zweiten Weltkrieges zur Gegenwart zurückzuführen. Hier und auch für die folgenden Epochenabschnitte haben laut der Objekttexte Zeitzeug*innen selbst Objekte an das DHM übergeben. Für die weiter zurückliegenden Epochenbereiche stammen die Objekte aus den Sammlungen des ehemaligen Militärmuseums sowie des MfDG oder wurden gezielt für die Ausstellung angekauft. Hier zeigt sich, dass die inhaltliche Konzeptionierung der Dauerausstellung als Politik- und Herrschaftsgeschichte in den 1980er Jahren die Sammlungs- und Ankaufspolitik prägte, was wiederum die Ausstellungsmöglichkeiten zur Zeit der Einrichtung 2006 bestimmte. Die oben diskutierten Präsentationsformen von Uniformen und Militaria in Objektgruppen stützen eine Vermittlung von Krieg als anonymer, distanzierter Kollektivhandlung. Während die Uniform Fridrichs II. einzeln und besonders ausgeleuchtet in einer Vitrine präsentiert wird, sind die Uniformen von Soldaten häufig mit weiteren Uniformen und militärischer Ausrüstung zu Objektgruppen (an)geordnet. Sie sind stehend zu Figuren aufgestellt oder hängen auf Kleiderbügeln wie in einem Spind oder Kleiderschrank. Auffällig sind die Unterschiede in der Gepflegtheit der Uniformen. Uniformen berühmter Personen weisen deutliche Gebrauchsspuren auf und zeugen von ihrer Originalität sowie der Aura der früheren Besitzer. So sind auf einer Uniform Kaiser Wilhelms I. Blutspuren zu sehen und auf der Uniform Friedrichs II. befinden sich noch Schnupftabakspuren – auf beides wird in den Objekttexten zusätzlich hingewiesen. Die Uniformen einfacher Soldaten sind hingegen alle in sauberem und ordentlichem Zustand – sie scheinen fast ungetragen zu sein. Das führt zu einer entindividualisierten Vermittlung des Militärs als Kollektiv. Im Unterschied zu den Uniformen der bekannten Führungspersonen, deren Gebrauchsspuren deren Originalität und den Bezug zum Träger betonen, bieten die sauberen Uniformen kaum Assoziationsmöglichkeiten zu deren Trägern. Ute Frevert hat darauf hingewiesen, dass Uniformen dazu dienen, die Zugehörigkeit zu einer homogenen Gruppe zu symbolisieren – insbesondere zum Militär und damit zum Staat (Frevert 2003: 279f.). Diese Funktion von Uniformen wird in der Ausstellung durch die Art der Objektpräsentationen und die Inhalte der Objekttexte rekonstruiert. Die Objekttexte erläutern in der Regel, in welcher militärischen Einheit die jeweilige Uniform getragen wurde und aus welchem Land sie stammt. So zum Beispiel: „Feldbluse M 1915 für Mannschaften der In-

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fanterie, Deutschland 1915/1918“ (DHM: D 5.11.13, OT), oder „Uniform einer Propagandakompanie des Afrikakorps, Deutschland 1939“ (DHM: T 7.8, OT). Das Ausstellen von Uniformen in Objektgruppen bestimmt die Soldaten als Kollektivakteure und repräsentiert eine Zugehörigkeit zu Staat und Nation. Dies wird durch die oben beschriebenen Bezeichnungen der Akteur*innen als Heer, Armee oder Soldaten gestützt. Die Uniformen gepflegt und in Gruppen zu präsentieren, dient nicht der Vermittlung von tatsächlichem Kriegsgeschehen oder den Erlebnissen von Einzelpersonen, sondern symbolisiert deren Einsatz für den Staat beziehungsweise die Nation. Eine persönliche Identifizierung mit Erlebnissen einzelner Soldaten ist bei diesen Präsentationsweisen nicht das erste Vermittlungsziel, eher geht es darum, die Bekleidungs- und Ausrüstungsmöglichkeiten des jeweiligen Militärs zu-sehen-zu-geben. Im Unterschied zu den heroisierenden Darstellungen der militärischen Führungspersonen vermitteln diese Präsentationsweisen die Soldaten nicht als Helden oder als bewundernswerte Personen. Sie repräsentieren stattdessen ein größeres Ganzes. So entsteht der Eindruck einer unaufgeregten Normalität oder Selbstverständlichkeit des militärischen Agierens für das vermeintliche Kollektiv Nation. Mit der Entscheidung, mehrheitlich Frontgeschehen und militärische Aspekte zu präsentieren, vermitteln die Ausstellungsmacher*innen trotz neuerer Forschungen zu Geschlechterperspektiven in der Militärgeschichte eine auf männliche Akteure beschränkte Sicht auf das Thema Krieg. Die Konstruktion einer Front als männlichen Bereich entsteht im DHM durch den dominanten Einsatz von Militaria, die als Symbole für Männlichkeit gelten, sowie durch den ausschließlichen Fokus auf Männer als militärische Akteure an der Front. Diese Akteure sind entweder als verehrungswürdige Helden oder als unverletzte Kollektivakteure im Einsatz für die Nation repräsentiert. Forschungsergebnisse zum Alltag an der Front, die einer Vermittlung des Krieges als rein männlich-militärisches Feld entgegengesetzt werden könnten, werden hingegen nicht vermittelt. Die Besucher*innen erfahren weder etwas über Kriegshelferinnen an der Front und die Versorgung und Unterstützung der Soldaten durch Frauen noch etwas über die Kontakte von Soldaten zu einer Bevölkerung vor Ort oder das Leben der Soldaten jenseits der Kampfhandlungen und Gefechte. Stattdessen sind an einigen Stellen der Ausstellung zu den Kriegsund Militärpräsentationen eigene Bereiche für die Darstellung von Auswirkungen des Kriegs auf die Zivilbevölkerung sowie von deren Beitrag zum Kriegsgeschehen eingerichtet. Diese Präsentationen befinden sich überwiegend in Seitengängen oder hinteren Ausstellungsbereichen. Sowohl durch die räumlichen (An)Ordnungen als auch durch bestimmte Reihenfolgen der Themen- und Dis-

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playtexte wird für das Leitmotiv Krieg eine Dichotomie konstruiert, die militärisches und ziviles Leben voneinander trennt. Im Folgenden werde ich anhand der Darstellungen eines als zivil bestimmten Bereichs untersuchen, welche Bedeutung diese dichotome Trennung für die Geschlechterkonstruktionen in der Ausstellung hat. (Zivil-)Bevölkerung, Kriegsalltag und Heimatfront Die Bedeutung von Krieg für das Leben einer jenseits der Front verorteten Bevölkerung wird an vielen Stellen der Ausstellung durch die Thematisierung von Patriotismus vermittelt. Im Bereich zu den „Freiheitskriegen“ (1813-1815) (DHM: T 4.7) und zum „Deutsch-Französischen Krieg“ (1871-1872) (DHM: T 4.17) sind Objekte ausgestellt, die auf eine patriotische Einstellung der Bevölkerung verweisen. In Tischvitrinen liegen Medaillen und patriotische Schmuckstücke, die jedoch nicht über die jeweiligen Objektbeschreibungen hinaus diskutiert werden. Zudem werden die Auswirkungen oder Ergebnisse von und der Umgang mit dem Krieg nach dessen Ende dargestellt. So zum Beispiel die Freude über zurückgekehrte Soldaten (DHM: D 4.17.6) oder touristische Ausflüge zu berühmten Schlachtfeldern (DHM: D 4.7.2). Zur Veranschaulichung sind häufig Gemälde als Exponate eingesetzt, auf denen solche Szenen zu sehen sind. Ein Motiv dieser Gemälde sind Wiedersehensszenen, die zeigen, wie Soldaten von Frauen und Kindern in Wohnräumen umarmt werden. Der Wechsel von Soldaten aus dem militärischen in den zivilen Bereich wird durch die Darstellung des Privaten vermittelt. In diesen nur knappen Darstellungen von nicht-militärischen Perspektiven auf den Krieg scheint zunächst eine eher positive Konnotation von Krieg für die zivile Bevölkerung vorzuherrschen, da Soldaten unversehrt zurückkehren und fröhliche Wiedersehensszenen überwiegen. Thematisierungen der zerstörerischen und gewaltvollen Auswirkungen kriegerischer Auseinandersetzungen auf das Leben von Menschen oder eine aktive Beteiligung nicht-militärischer Akteur*innen am Kriegsgeschehen sind in der Ausstellung seltener. In einem Displaytext zum Dreißigjährigen Krieg mit dem Titel „Der Krieg ernährt den Krieg Heeresordnung und Kriegsalltag“ (DHM: DT 2.7.6; Hervorhebung im Original) wird zum Beispiel erläutert, dass die Heere von einem großen Tross begleitet worden seien, in dem auch die Familien der Soldaten mitgereist seien. Die Heere seien für ihre Versorgung selbst zuständig gewesen, was zu Plünderungen in den eroberten Gebieten geführt habe. Die Motive zweier ausgestellter Gemälde visualisieren diese Plünderungen, das Mitreisen von Angehörigen im Tross bleibt an dieser Stelle hingegen unsichtbar. Der Fokus der Vermittlung liegt dadurch auf der Bevölkerung als leidtragend und es

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gibt keine weitere inhaltliche Aufbereitung von Fragen nach einem Zusammentreffen oder Zusammenagieren von militärischen und nicht-militärischen Akteur*innen im Krieg. Ausführliche Darstellungen zur Bedeutung von Krieg für nicht-militärische Akteur*innen sind erst in den Ausstellungsbereichen über die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert zu sehen. Die Darstellungen zeigen mehrheitlich das Erleben von Krieg in Deutschland. Für den Ersten Weltkrieg gibt es verschiedene Displays, die unter dem Themenabschnitt „Der andere Krieg“ (DHM: T 5.13) im Rundgang nach den Displays zum Frontgeschehen eingerichtet sind. Diese räumliche (An)Ordnung stützt die Konstruktion von Front und Heimat als getrennte Bereiche. Im Ausstellungsabschnitt zum Zweiten Weltkrieg wird durch räumliche (An)Ordnungen zwar eine Verschränkung der Bereiche „Front“ und „Heimatfront“ zu-sehen-geben. Dennoch gibt es auch hier eine räumlich gestaltete Trennung verschiedener Bereiche. Diese vermittelt eine Trennung zwischen Kriegsgeschehen im Ausland und Kriegsgeschehen in Deutschland. Ein Ausstellungsabschnitt mit dem Thementitel „Kriegsalltag in Deutschland“ (DHM: T 7.9) liegt vom Rundgang aus gesehen auf der gegenüberliegenden Seite zu einem Themenabschnitt mit dem Titel „Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion“ (DHM: T 7.8). In dem Ausstellungsbereich zum „Kriegsalltag in Deutschland“ (DHM: T 7.9) sind sowohl militärische Objekte wie zum Beispiel Bomben, ein Flugzeugmotor und eine Flugabwehrkanone ausgestellt als auch Objekte, die das Alltagsleben der Menschen in Deutschland vermitteln sollen. Bei Letzteren handelt es sich unter anderem um Spielzeuge, Essensmarken oder Kinoplakate. Durch diese Objekt(an)ordnung wird erstmals eine Verschränkung der als dichotom bestimmten Bereiche Front und Heimat sowie Militär und Zivil vorgenommen. Trotz dieser differenzierten Vermittlung unterschiedlicher Dimensionen von Krieg (re-)konstruiert die Ausstellung durch die dichotomen Trennungen von Front und Heimat sowie Militär und Bevölkerung heteronormative Geschlechterordnungen. In der Untersuchung der Darstellungen zu Militär und Front zeigte sich, dass das Militär sowie Kampfhandlungen in der Ausstellung kohärent männlich konnotiert sind. Die Präsentationsweisen zu den Feldern (Zivil-)Bevölkerung und Heimat bieten hingegen Darstellungen verschiedener Akteur*innen. Durch die jeweiligen Repräsentationen zum Bereich Alltag und Heimat(-front) wird allerdings eine heteronorme Zweigeschlechterordnung vermittelt, in der weibliche Akteurinnen als sorgende und pflegende Personen bestimmt werden und männliche Akteure entweder als schützende oder als verletzte und somit der militärischen Männlichkeit enthobene Personen zu sehen sind.

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Im Themenabschnitt „Kriegsalltag in Deutschland“ (DHM: T 7.9) im Epochenabschnitt zum NS und Zweiten Weltkrieg (DHM: E 7), ist zum Thema „alliierte Luftangriffe“ ein Display eingerichtet (DHM: D 7.9.7). Für dieses Display sind in einer Vitrine einige Bekleidungsstücke zu drei Figurinen zusammengestellt (Abb. 5). Abbildung 5: Alliierte Luftangriffe (DHM D 7.9.7)

Foto: Lisa Spanka, August 2012

Zu sehen ist ein grauer Mantel mit Schutzhelm, ein Kleid mit weißer Schürze und weißer Haube sowie ein Gasschutzanzug für Kleinkinder (DHM: D 9.7.9, OT). Mantel und Schutzhelm werden durch die Objektbezeichnung „Uniform eines Truppenmanns des Reichsluftschutzbundes“ einer männlichen Person sowie einer Militärabteilung zugeordnet. Das Kleid mit Schürze wird im Objekttext als „Diensttracht einer Rotkreuzschwester“ bestimmt und einer weiblichen Person zugeordnet. Die Bezeichnung als Tracht entzieht sie der für das Militär typischen Uniformiertheit. Mit dem Begriff Tracht wird stattdessen ein Bezug zu Tradition und Heimat hergestellt, welches beides Felder sind, die mit Vorstellungen dezidiert weiblicher Aufgaben für die Nation verknüpft sind (Blom 2000). So werden bereits durch die Objektbezeichnungen Geschlechterkonnotationen hervorgerufen, die männliche und weibliche Akteur*innen unterschiedlich verorten. Die hier eingesetzte Objekt(an)ordnung rekonstruiert eine stereo-

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type Geschlechterordnung, in der ein Mann als Beschützer repräsentiert ist und die Frau in den Bereich der Pflege und Sorge eingeschrieben wird. Zusätzliche Exponate in dieser Vitrine unterstreichen diese Geschlechterzuschreibungen. Vor der Bekleidung der Rotkreuzschwester ist eine „Liste mit Haushaltsgegenständen als Nachweis für Bombenschäden“ (DHM: D 7.9.7, OT) ausgestellt. Der Gasschutzanzug, der ein Kind repräsentiert, ist in der Vitrine näher an der Schwesternbekleidung positioniert als an der Uniform. Durch diese Objekt(an)ordnung wird die Schwesternfigur zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als pflegende Person mit den Themen Haushalt und Kinderbetreuung in Verbindung gebracht. Um die Figur der Reichsluftschutzuniform sind dagegen nur Gegenstände aus dem Tätigkeitsbereich des Reichsluftschutzbundes ausgestellt, was die als Mann bestimmte Figur in den öffentlichen Raum einschreibt. Zudem wird in diesem Display ein selbstverständliches Fortbestehen der heteronormen Kleinfamilie – bestehend aus berufstätigem Mann, haushaltender Frau und Kind – im Krieg vermittelt. Zwar hielt die NS-Führung tatsächlich lange an dem Ideal der Frau als Hausfrau und Mutter fest, allerdings wurde der Einsatz von Frauen in Kriegsindustrie und Kriegshilfsdiensten in der historischen Forschung vielfältig herausgearbeitet. Gerade im Reichsluftschutzbund waren ab 1941 auch viele Frauen tätig. Hagemann spricht von 450.000 bis 500.000 Wehrmachtshelferinnen, deren zentraler Einsatzbereich die Luftverteidigung war (Hagemann 2002: 36).41 Sie weist allerdings darauf hin, dass es generationale und soziale Unterschiede gab und gut situierte Frauen mit Kindern in der Regel von Kriegseinsätzen ausgenommen waren (Hagemann 2002: 33f.). Solche Differenzierungen werden in der Ausstellung nicht sichtbar. Ebenso wie das Militär im Bereich Front als homogener Kollektivakteur vermittelt wird, wird auch in den Abschnitten zur Heimat(-front) und zur Bevölkerung durch Kollektivbezeichnungen wie „die Bevölkerung“, „die Zivilbevölkerung“ oder „Deutsche“ eine distanzierte und unpersönliche Erzählweise fortgesetzt, die den Eindruck erweckt, die Menschen seien eine homogene Gruppe gewesen. Durch die vermittelten Themen und die Objekt(an)ordnungen sind weibliche Akteurinnen überwiegend im Feld der Heimat(-front) eingeschrieben und als leidende Ehefrauen oder Mütter repräsentiert. Eine aktive Beteiligung am Kriegsgeschehen wie zum Beispiel in der Luftabwehr oder Rüstungsindustrie ist nur an wenigen Stellen der Ausstellung zu-sehen-gegeben.

41 In einem wikipedia-Artikel über den Reichsluftschutzbund ist ein Foto mit Luftschutzhelferinnen abgebildet. Diese tragen die gleichen Uniformen, die im DHM als Uniform eines Truppenmannes bestimmt wird, was verdeutlicht, dass diese Uniform nicht ausschließlich Männern zugeschrieben werden müsste (wikipedia 2018).

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In dem Ausstellungsabschnitt zum Ersten Weltkrieg vermittelt die Ausstellung verschiedene Aspekte zum Kriegserleben in Deutschland. Unter dem Thementitel „Der andere Krieg“ (DHM: T 5.13) werden in mehreren Displays „Kriegswirtschaft und Heimatfront“ (DHM: D 5.13.1), „Kriegsanleihen“ (DHM: D 5.13.2), „Kriegsalltag und Propaganda“ (DHM: D 5.13.3) sowie „Hunger und Streik“ (DHM: D 5.13.4) als Teile dieses sogenannten „anderen Krieges“ bestimmt. Während die Displaytexte nicht explizit auf Frauen als Akteurinnen in diesem „anderen Krieg“ verweisen, tragen die Objekt(an)ordnungen zu einer weiblichen Konnotation dieses Themenabschnitts bei. Neben Behelfsprodukten, wie Seife, Cremes und Kleidung aus Papierstoff, ist eine Schüssel mit einer Wochenration Mehl ausgestellt. All dies sind Gegenstände, die dem Haushalt und in der Regel eher Frauen als Männern zugeordnet werden. Sie rufen Assoziationen zu weiblichen Personen als Akteurinnen hervor. Ein Gemälde mit dem Titel „Kindertod“ zeigt explizit eine weibliche Person, die vor einer Reihe offener Kindersärge steht und im Objekttext als Mutter bezeichnet wird. In emotionalisierender Weise wird erläutert, dass sich im Gesicht der Mutter „die pure Angst spiegelt“, da das Überleben ihres Kindes aufgrund von Hunger und Mangel ungewiss sei (DHM: T 5.13, OT). Der Objekttext weicht von der sonst sachlichen Sprache der Ausstellung ab und konnotiert die Erfahrung von Hunger und Mangel mit eher weiblichen Personen zugeschriebener Emotionalität. Die Repräsentation von Not und Mangel mittels Behelfsprodukten und Lebensmittelrationen stützen zudem die Vermittlung von emotionaler Nähe zu den leidenden ‚zivilen‘ Akteurinnen. Hier werden Heimat und weibliche Akteurinnen mit Emotionalität verschränkt, was einen starken Kontrast zu den Präsentationsweisen der Front und der militärischen Akteure bildet. Die Thematisierung einer Beteiligung von Frauen im Kriegsgeschehen zum Beispiel durch ihren Einsatz in der Rüstungsindustrie beschränkt sich in der Ausstellung auf zwei Displays (DHM: D 5.13.1; D 7.9.9), von denen ich im Folgenden das Display aus dem Abschnitt zum Zweiten Weltkrieg (DHM: E 7) besprechen werde. Im Themenabschnitt zum „Kriegsalltag in Deutschland“ (DHM: T 7.9) sind an einer Stellwand mit eingelassenen Vitrinenelementen ein Plakat sowie zwei Fotografien angebracht (Abb. 6). Auf dem Plakat ist im Vordergrund das Profil einer Frau in Arbeitsbekleidung zu sehen und im Hintergrund als deutliches Zeichen industrieller Arbeit die Schornsteine einer Fabrik. Der Slogan auf diesem Plakat lautet: „Der Einsatz der deutschen Frau im Krieg“. Hier zeigt sich, dass die NS-Propaganda, trotz des von ihr vertretenen Ideals einer konservativen Familienkonstellation, für den Einsatz von Frauen in der Kriegsindustrie warb. Der Objekttext bestätigt dies. Es wird erläutert, dass das Plakat ein Werbeplakat für den Einsatz von Frauen in der Rüstungsindustrie gewesen sei (DHM: D

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7.9.9, OT). Rechts und links neben dem Plakat sind zwei Fotografien aufgehängt, die jeweils eine Frau in Arbeitsbekleidung bei der Ausführung verschiedener Tätigkeiten zeigen. Eine Frau koppelt zwei Eisenbahnwagen zusammen, die andere malt ein Hakenkreuz auf ein Flugzeugteil. Auch hierbei scheint es sich um Propaganda-Bilder zu handeln, da beide Frauen ordentlich gekleidet und frisiert sind sowie ihre Tätigkeiten nur andeuten. Der tatsächliche Einsatz von Frauen in der Rüstungsindustrie wird allerdings nicht zu-sehen-gegeben. Zu den Fotografien gibt es zudem auch keine erläuternden Objekttexte, so dass keine weiteren Auseinandersetzungen hinsichtlich eines Einsatzes von Frauen in der Rüstungsindustrie ermöglicht werden. Abbildung 6: Die Versorgung der Bevölkerung (DHM: D 7.9.9)

Foto: Lisa Spanka, März 2017

In den Vitrineneinlassungen an dieser Stellwand sind stattdessen vielfältige Exponate zu sehen, die weibliche Personen ausschließlich als Hausfrauen und Mütter repräsentieren. Unter dem Displaytitel „Die Versorgung der Bevölkerung“ werden in dem einführenden Text ausschließlich die mangelnde Versorgung mit Lebensmitteln, Lebensmittelrationierungen sowie staatliche Handreichungen, sparsam zu haushalten, thematisiert (DHM: DT 7.9.9). Während dieser Text zunächst geschlechtlich neutral formuliert ist, wird durch die Objekt(an)ordnungen eine Verknüpfung von Reproduktion und Weiblichkeit vorgenommen. Zum einen sind Lebensmittelmarken und Haushaltsratgeber ausgestellt, zum anderen

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Orden, die als „Ehrenkreuze der Deutschen Mutter“ (DHM: D 7.9.9, OT) bestimmt werden, eine Urkunde für kinderreiche Familien sowie eine Anweisung für SS-Leute und Polizei, sich um alleinstehende Mütter mit Kindern zu kümmern. Hierzu wird im Objekttext das Ziel des NS erläutert, für viele Nachkommen zu sorgen, sowohl durch die Versorgung unehelicher Kinder als auch durch die Aufwertung unehelicher Mutterschaft. Der Fokus der Darstellungen in diesem Display liegt auf der NS-Konzeption von Frauen als Hausfrau und Mutter, ohne dies explizit zu benennen. Das Plakat und die Fotografien, die Frauen in der Rüstungsindustrie zeigen, wirken durch ihre Positionierung oberhalb der Schaukästen hingegen wie nebensächliche Zusatzinformationen. Eine alternative Präsentationsmöglichkeit wäre zum Beispiel gewesen, alle diese Objekte unter einem Thema wie ‚Die Bestimmung von Frauenaufgaben im NS‘ zu vermitteln und dabei Geschlechterkonstruktionen zu reflektieren. Durch die inhaltliche und räumliche Trennung von Militär und Kampfhandlungen auf der einen sowie (Zivil-)Bevölkerung und Heimat auf der anderen Seite (re-)konstruiert die Ausstellung eine Trennung gesellschaftlicher Bereiche entlang der Kategorie Geschlecht. Das Festhalten an einem Verständnis von (Zivil-)Bevölkerung als unbeteiligt an Kampfhandlungen und deren Vermittlung durch separate (An)Ordnungen trägt zur Konstruktion einer heteronormativen Geschlechterdifferenz bei. Gleichzeitig wird durch die Trennung „Front“ und „Heimat“ eine Abgrenzung zwischen Deutschland als eigener Nation und anderen Ländern als Gegnern vermittelt, wodurch Geschlechterkonstruktionen in ihrer Verschränkung mit Konstruktionen von nationalen Abgrenzungen (re-)produziert werden.

LEID, VERLETZUNG, TOD: BRÜCHE IN DEN GESCHLECHTERKONSTRUKTIONEN? Während Männlichkeit an der Front überwiegend als unversehrt und im Kontext von Darstellungen zur (Zivil-)Bevölkerung als beschützend vermittelt wird, ist eine verletzte Männlichkeit in der Ausstellung kaum repräsentiert. Gewalt, Tod, Verletzungen und Zerstörung sind in den dominierenden Darstellungen des Frontgeschehens häufig nur durch Statistiken repräsentiert, die auf den jeweiligen Meilensteinen abgebildet sind. Der sachlich-technische Fokus der Präsentationen von Front und Kampfgeschehen mit den oft beeindruckenden Waffenund Uniformpräsentationen wird jedoch an einigen Stellen durch die Thematisierung von Verletzungen, Tod und Zerstörung gebrochen.

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Zum einen fällt auf, dass Tod und Verwundungen oft im Kontext von Niederlagen der Kriegsgegner thematisiert werden. Die oben beschriebene Trennung zwischen Deutschland und anderen Ländern als Gegnern mittels der Repräsentationen von Heimat und Front wird damit fortgesetzt und um die Differenzierung zwischen unversehrten Siegern und verletzten Verlierern ergänzt. Zur Repräsentation von Verletzung, Tod und Leid der gegnerischen Kriegsparteien werden oft Objekte eingesetzt, die aus den jeweiligen Ländern dieser Gegner*innen stammen. Dazu gehört auch Kriegsbeute, die in der Vergangenheit als Trophäen in die Sammlung des Zeughauses mitgebracht wurden, wie zum Beispiel ein Hut und Degen Napoleons (DHM: T 4.7). Die Präsentation solcher Kriegsbeutestücke diente in früheren Rüstkammern dazu, die Überlegenheit der eigenen Armee zu symbolisieren. Ähnlich dieses Gestus wird zu den Objekten aus Napoleons Besitz in den Objekttexten erläutert, dass Napoleon bei Waterloo (1815) endgültig „die Waffen strecken musste“ und geflohen sei. Die ausgestellten Objekte seien Teil der zurückgebliebenen Gegenstände aus Napoleons Besitz (DHM: T 4.7, OT). Was Sommer als Macht legitimierende Funktion solcher Exponate in der Vergangenheit beschrieben hat, wird im DHM an dieser Stelle unreflektiert fortgesetzt (Sommer 2012: 58). Napoleon wird als Kriegsverlierer repräsentiert, dessen Besitz nun in einer deutschen Ausstellung gezeigt wird. Neben solchen Darstellungen werden häufig auch Werke von Künstler*innen aus den jeweiligen Ländern ausgestellt. Der Einsatz solcher Objekte bietet die Möglichkeit, Kriegsverläufe mit Blick auf unterschiedliche Perspektiven kritisch zu reflektieren und wirkt einer einseitigen, verherrlichenden Perspektive entgegen, wie sie durch die Ausstellung der Kriegsbeutestücke entsteht. An diesen Stellen zeigt sich, dass die Ausstellungsmacher*innen durchaus den geplanten Ansatz der Multiperspektivität nutzen. Allerdings geht dieser häufig in den weiter oben diskutierten Objektinszenierungen unter. Eine der wenigen alternativen Präsentationen zum Leitmotiv Krieg aus der Perspektive deutscher Kriegsakteur*innen bildet eine Vitrine im Abschnitt zum Ersten Weltkrieg. In dieser befinden sich zwei Displays. Das eine trägt den Titel „Gefangenschaft“ (DHM: D 5.11.7) und das andere den Titel „Leiden und Tod“ (DHM: D 5.11.6). Der Text zum Display mit dem Titel „Leiden und Tod“ beschreibt das Einhergehen von Tod, Verwundungen und Traumatisierungen von Soldaten mit dem Krieg und weist auf die zahlreichen psychischen und physischen Erkrankungen und Verletzungen hin, die Soldaten im Ersten Weltkrieg erlitten. Durch das Anführen statistischer Daten wird veranschaulicht, wie viele Tote und Verletzte es im Ersten Weltkrieg gab. Während das zuvor besprochene Display mit dem Titel „Materialkrieg“ (DHM: D 5.11.3) vorwiegend militärische Ausrüstung und Uniformen präsentierte, wird in dem Text zum Display

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„Leiden und Tod“ erläutert, dass auch die Soldaten als „Material“ betrachtet worden seien und ihr Tod als „Heldentod“ propagiert worden sei (DHM: DT 5.11.6). Die Vitrine mit den Exponaten zum Thema „Leiden und Tod“ befindet sich vom Rundgang aus gesehen im Anschluss an die großräumig inszenierte Displayinstallation zum Thema „Materialkrieg“. Tod und Leiden werden in dem Displaytext zwar eindrücklich beschrieben und durch verschiedene Exponate repräsentiert. Es handelt sich allerdings um eine schmale Vitrine, die an einer Seitenwand in einem Durchgang zur darauffolgenden Ausstellungsfläche positioniert ist. Durch diese räumliche (An)Ordnung ist das Thema als von den Kampfhandlungen getrennter Bereich konzipiert und auch die Vitrinengestaltung weicht von den zuvor beschriebenen Ausstellungsweisen von Militaria deutlich ab. Die Vitrine ist schmal und hat eine Rückwand, so dass die Exponate nur von einer Seite aus zu betrachten sind. Die Besucher*innen müssen nah an die Vitrine herantreten, um alle Exponate sehen zu können. Dadurch entsteht ein weniger distanzierender oder heroisierender Blick auf das gezeigte Thema. Einen Blickfang bilden fünf Helme, die nebeneinander auf Ständern auf einem Zwischenboden in der Vitrine aufgestellt sind, so dass sie für Betrachter*innen gut sichtbar sind (Abb. 7). Abbildung 7: Leiden und Tod (DHM D 5.11.6)

Foto: Lisa Spanka, November 2014

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Alle Helme sind verbeult, beschädigt oder haben Löcher. Der Zustand dieser Helme steht in starkem Kontrast zu den bisher ausgestellten unversehrten Uniformen und polierten Rüstungen. Die jeweiligen Objekttexte zu den Helmen erläutern, die militärische Position des Trägers, welche Waffen die jeweiligen Löcher hervorgerufen haben sowie die tödlichen Verwundungen, die die Träger dadurch trotz ihrer Helme erlitten haben. Sprachlich halten die Ausstellungsmacher*innen auch hier an der sachlich-technischen Beschreibung der Exponate fest. Die Inszenierung der Helme weicht jedoch von einer sachlichen Darstellungsweise ab. Der Tod von Soldaten wird durch eine Lücke zwischen den auf Ständern hängenden Helmen und dem Zwischenboden der Vitrine repräsentiert. Diese Leerstelle gibt das Thema Tod als Abwesenheit zu sehen. Die Beleuchtung trägt zu dieser Bedeutungsbildung bei. Das Licht fällt von Oben auf die Helme, so dass sie jeweils einen Schatten auf den Zwischenboden der Vitrine werfen. So werden die Helme dem eigentlichen Kriegsgeschehen entzogen und die gefallenen Soldaten mythisiert. Durch die Beschreibungen der technischen Beschaffenheit der Helme sowie der Waffen und Munition, die die Löcher verursachten, wird der Tod allerdings zugleich nur als Folge technischer Umstände vermittelt und nicht als sichtbare und spürbare Kriegserfahrung von Akteur*innen. Anders ist die Darstellung des Themas „Leiden“ gestaltet. Neben den Helmen sind im Mittelteil der Vitrine verschiedene Objekte zusammengestellt, die Verletzungen, die Rückkehr von Verwundeten sowie die Trauer von Hinterbliebenen als Leid repräsentieren (Abb. 7, links im Bild). Auf den ersten Blick fallen eine Hand- und eine Beinprothese sowie ein großes Plakat auf. Auf dem Plakat ist eine männlich aussehende Person mit Uniform zu sehen, die gebeugt steht. Statt Waffen hält sie in der einen Hand eine Krücke, in der anderen eine Zange und einen Hammer. Die Uniformjacke liegt nur locker über der Schulter der Person. Die Darstellung auf dem Plakat vermittelt, dass es sich bei der Person nicht um einen Soldaten handelt, der aktiv im Kriegsdienst ist. Die Uniform, die – wie zu Beginn dieses Kapitels erläutert – Zugehörigkeit zu Militär und Staat symbolisiert, ist auf dem Plakat deutlich anders kontextualisiert. Während Uniformen und Rüstungen in der Ausstellung mehrheitlich ordentlich aufgestellt sowie gepflegt und unbeschädigt sind, gibt die Ausstellung zum Thema „Leiden und Tod“ ein Plakat zu sehen, dessen Motiv mit dieser Ordnung bricht. Der zugehörige Objekttext bestätigt diesen Eindruck. Es wird erläutert, dass der Reichsausschuss der Kriegsbeschädigtenfürsorge Spendenaktionen mit dem Ziel durchführte, Invaliden wieder einzugliedern. Mit dem Plakat wird somit eine verletzte Männlichkeit im Kontext der Rückkehr und Wiedereingliederung in eine nicht-kämpfende Zivilgesellschaft zu-sehen-gegeben. Die abgebildete Zange

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sowie der Hammer sind Gegenstände, die – analog zu den Waffen im militärischen Bereich – der Konstruktion von Männlichkeit im nicht-militärischen Bereich dienen. Sabine Kienitz hat (Re-)Maskulinisierungsprozesse in der Nachkriegszeit untersucht und aufgezeigt, dass sowohl Prothesen als auch Werkzeuge als Symbole funktionsfähiger Männlichkeit etabliert wurden. Während die Prothesen in einem fortschrittlichen Technikdiskurs verankert worden seien, galten die Werkzeuge als Symbole für die Leistungsfähigkeit versehrter Männlichkeiten (Kienitz 2002). Im DHM sind die Prothesen und das Plakat zusammen (an)geordnet, werden hinsichtlich dieser Konstruktionsleistungen jedoch nicht diskutiert. Vordergründig werden im Rahmen dieses Displays das Leid der Verletzten und die Trauer von Hinterbliebenen kritisch vermittelt. Durch die gewählte Exponat-Konstellation wiederholt die Ausstellung jedoch zugleich zeitgenössische Konstruktionsleistungen von funktionsfähiger Männlichkeit. Dieser kritisch gedachten Vermittlung von Kriegsfolgen dienen meines Erachtens auch vier kleine quadratische Fotografien. Die Motive der Fotografien sind für Besucher*innen nur bei nahem Herantreten an die Vitrine erkennbar, da sie neben den Helmen und der Handprothese flach auf dem klinisch anmutenden Zwischenboden liegen. Es handelt sich um Aufnahmen von schweren Gesichtsverletzungen. Diese Bilder von zum Beispiel einer offenen Wange oder einer fehlenden Nase stehen in krassem Kontrast zu den bisher nur angedeuteten und symbolisch dargestellten Themen „Leiden und Tod“ und sind in der Ausstellung die einzigen expliziten Zeugnisse der Verwundbarkeit militärischer Akteure. Der Objekttext ist ebenfalls sachlich gehalten. Der Titel des Objekttextes „Fotografien von Gesichtsverwundungen aus dem Felde“ benennt die Verwundungen und nicht die Personen, die die Wunden erlitten haben. Zudem werden die Ursachen der Wunden – „die modernen Waffen“ – erläutert. Es geht hier nicht um verwundete Menschen, sondern um Waffen, die diese Wunden verursacht haben. Ein abschließender Kommentar des Objekttextes, dass „Die Brutalität des Krieges [...] hier eindringlich dokumentiert [wird, L.S.]“, erscheint zwar mahnend, jedoch wie nachgestellt zum eigentlichen Informationsteil des Textes. Auf eine Vermittlung der Objektgeschichte dieser Fotografien, in der eine erhebliche Symbolkraft steckt, wird verzichtet. Solche Abbildungen wurden während des Ersten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit zunächst vor allem in medizinischen Fachzeitschriften zur Vermittlung chirurgischer Entwicklungen und Behandlungsmöglichkeiten veröffentlicht. Besondere Bekanntheit erlangten die Bilder durch eine erstmals 1924 veröffentlichte Anti-Kriegs-Publikation mit dem Titel „Krieg dem Kriege“ von Ernst Friedrich, der die Bilder mit Untertiteln, die er der Kriegspropaganda entnahm, abdruckte und so für große Empörung sorgte (hier Friedrich 2004). Entgegen der Darstellung von Kriegsinvaliden als durch

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Prothesen wieder arbeitsfähig gewordene Männer, waren Gesichtsverwundete aufgrund ihrer massiven Entstellungen aus der Öffentlichkeit der 1920er Jahre verdrängt worden (Hagner 2000). Kriegsinvalidität wurde in der Weimarer Republik vor allem vor dem Hintergrund von Fürsorgedebatten und Wiedereingliederungsmaßnahmen diskutiert, die sich auf fehlende Gliedmaßen und deren Wiederherstellung beschränkten (Kienitz 2002). Traumatisierungen und Gesichts- sowie Hirnverletzungen blieben hingegen weitgehend unsichtbar (Hagner 2000). Die Veröffentlichung dieser Bilder im Kontext von Anti-Kriegs-Diskursen wirkte vermutlich entsprechend schockierend. Durch die fehlende Präsentation dieser Objektgeschichte wird eine zeitgenössische Kriegskritik unsichtbar gemacht. Die Fotografien sind nüchtern zusammengestellt und fungieren als Zeugnisse der Kriegsfolgen, wobei die Objekttexte den Fokus auf die Waffen lenken, die diese Folgen verursachten. Oberhalb der Fotografien sind allerdings drei Orden ausgestellt, die Soldaten, laut den Objekttexten, je nach Schwere ihrer Verletzungen verliehen bekamen. Die Orden scheinen die Fotografien kritisch zu kommentieren. Die Ausstellung wiederholt durch diese (An)Ordnung der Fotografien und Orden die Sprache des Bandes „Krieg dem Kriege“ (hier Friedrich 2004), ohne dies zu erläutern. Es kann ebenso der Eindruck entstehen, dass die verschiedenen Verletzungen, für die die Orden verliehen wurden, mittels der Fotografien und Prothesen veranschaulicht werden sollen. Die kritische Dimension, die durch diese Exponat(an)ordnung entsteht, bleibt entsprechend implizit. Bei einer weiteren Exponat(an)ordnung in dieser Vitrine wird zeitgenössische Kriegskritik hingegen explizit vermittelt und zugleich anders geschlechtlich konnotiert. Um die Trauer von Hinterbliebenen darzustellen, sind eine Zeichnung sowie eine Verlustliste an der Vitrinenrückwand angebracht. Auf der Zeichnung ist eine Frau abgebildet, die mit mehreren Kindern in einer kleinen Stube sitzt. Auf dem Tisch vor ihr liegen ein Brief und ein Verdienstkreuz. Im dazu gehörigen Objekttext wird erläutert, dass der Zeichner Kriegsauszeichnungen kritisiert habe, da diese die hinterbliebenen Familien nicht vor Armut geschützt hätten. Die Thematisierung und Präsentation von zeitgenössischer Kriegskritik wird jedoch zur Darstellung von Frauen und Kindern als Hinterbliebene eingesetzt, während sie zur Repräsentation von Kriegsverwundungen militärischer Akteure nicht explizit aufgezeigt wird. Die Präsentationen zum Thema „Leiden und Tod“ vermitteln entgegen der sonst um Sachlichkeit und technische Details bemühten Ausstellungsweisen die Dimension von Gewalt und Tod als Kriegserfahrungen. Durch die Positionierung der Vitrine in dem Durchgangsbereich zwischen den Themenbereichen Front und Heimat wird die Thematisierung von Tod, Verletzung und Trauer al-

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lerdings in einem Zwischenbereich jenseits von aktiver Kampfhandlung und leidender Heimat verortet. Tod und Leiden werden als Übergangssituation von Front zu Heimat, Militär und Zivilbevölkerung bestimmt. Der Umstand, dass dies die einzige Vitrine ist, in der Kriegsfolgen für Soldaten und Angehörige so dezidiert vermittelt werden, führt jedoch zu einer Deutung von Leiden und Tod als Sonderthemen oder Ausnahmen. Zudem steht das Display im letzten Abschnitt am Ende des Rundgangs auf der ersten Etage. Besucher*innen haben an diesem Punkt mitunter schon mehrere Stunden in der Ausstellung verbracht und können von dort aus bereits den Treppenabgang sehen und einen möglichen Café-Besuch im Erdgeschoss erahnen. Das Thema „Leiden und Tod“ ist damit in einem Zwischenraum zwischen Front und Heimat positioniert, zudem wird es im wahrsten Sinne des Wortes nur ‚am Rande‘ der Ausstellung zu-sehen-gegeben. Verletzte militärische Akteure sind in der Ausstellung somit kaum sichtbar und bis auf die Fotografien durch symbolische Darstellungen, wie die Helminstallation, oder durch die Darstellung der Trauer von weiblichen Angehörigen repräsentiert. Dadurch, dass die ohnehin sehr wenigen Darstellungen von Tod und Verwundungen der militärischen, männlichen Akteure entweder im Kontext von gegnerischen Niederlagen oder in Übergangsbereichen zwischen den Themenfeldern Front und Heimatfront positioniert sind, wird das ordentliche Bild von der Front und deren unversehrten militärischen Akteuren kaum gebrochen.

KRIEG ALS KONSTITUTIVER AKT FÜR DIE NATIONENWERDUNG Ein Teil der Displays im Leitmotiv Krieg vermittelt Krieg als Ausgangspunkt für nationale-territoriale Entwicklungen. Diese Präsentationen sind sehr auffällig und häufig als Blickfänge auf Sichtachsen (an)geordnet. Verschiedene Ausstellungsbereiche sind so gestaltet, dass Displays, die Ereignisse repräsentieren, welche chronologisch nach dem Krieg liegen, bereits von weitem zu sehen sind. Diese Form der Darstellung nennt Heike Buschmann in Anlehnung an die Erzähltheorie eine Prolepse (Vorwegnahme) (Buschmann 2010: 156f.). Mit dem Mittel der Prolepse wird den Besucher*innen durch die räumliche Anordnung vorab zu-sehen-gegeben, worauf das Ereignis, welches sie gerade betrachten, hinausläuft. In dem Themenbereich zum „Dreißigjährigen Krieg“ (DHM: T 2.7) ist zum Beispiel ein solcher vorausgreifender Blickfang gestaltet. Vom Rundgang aus können Besucher*innen bis zur Rückwand eines Seitenganges blicken (Abb. 8). Der Seitengang, in dem verschiedene Themen und Displays zum Dreißigjährigen

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Krieg eingerichtet sind, ist in zwei räumliche Abschnitte eingeteilt, die durch zwei schräg zu einander aufgestellte Vitrinen unterteilt sind. Die Vitrinen bilden einen Durchgang zu dem hinteren Raumteil. In den Vitrinen sind verschiedene Rüstungen so eingerichtet, dass der Eindruck einer Kampfsituation entsteht. Sie hängen von der Vitrinendecke herab oder sind an Stangen befestigt in einer Höhe von stehenden oder reitenden Personen. An ihren ‚Armen‘ oder ‚Händen‘ sind Waffen befestigt, die aufeinander gerichtet sind. Mit der so gestalteten Kampfsituation wird der Dreißigjährige Krieg als Schlacht repräsentiert. Die Rüstungen und Waffen sind auch in diesem Display in unversehrtem Zustand und werden durch einzelne Lichtelemente besonders beleuchtet. Der Fokus dieses Displays liegt auf dem Kampfgeschehen im Dreißigjährigen Krieg und nicht auf Auswirkungen und Folgen von Kämpfen oder etwa einem Alltagsleben im Krieg. An der vom Rundgang aus sichtbaren Rückwand dieser Raumachse hängt ein großformatiges Gemälde. Es zeigt einen wohlhabend gekleideten Mann ohne Uniform. Die Positionierung des Gemäldes als Blickfang in diesem Ausstellungsabschnitt vermittelt, dass es sich um ein für das ausgestellte Thema wichtiges Exponat handelt. Der Objekttext erläutert, dass es sich um den Grafen Piccolomini42 handele, der neben Wallenstein der wichtigste Feldherr im Dreißigjährigen Krieg gewesen sei. Auf diesem Gemälde sei er, so erläutert der Text weiter, als Friedensstifter abgebildet, da seine Rüstung neben ihm liegend gemalt wurde. Dieses Gemälde dient somit der Repräsentation des Kriegsendes. Die Besucher*innen gelangen somit durch den Gang zwischen den zwei Vitrinen mit den als kämpfend inszenierten Rüstungen zum ‚Ende‘ des Dreißigjährigen Kriegs. Durch die in aktiver Haltung positionierten unversehrten Rüstungen wird der Eindruck vermittelt, durch eine Schlacht „hindurch zu spazieren“ und selbstverständlich unversehrt zum Kriegsende gelangen zu können. Beil hat auf die Problematik solcher Inszenierungen verwiesen, die Krieg als Abenteuer oder Erlebnis repräsentieren und das dargestellte Kriegsgeschehen dadurch verharmlosen (Beil 2003: 14). Durch die Möglichkeit des Vorausblicks auf das Gemälde des Grafen Piccolomini wird das Kriegsgeschehen zusätzlich verharmlost, da in dem Gemälde ausschließlich Frieden repräsentiert wird, nicht aber Tod, Zerstörung oder Leid. Besucher*innen, die den Seitengang nicht durchlaufen, sehen vom Hauptweg die Installation der Rüstungen sowie die Raumrückwand mit dem Gemälde Piccolominis. Sichtbare Akteur*innen sind somit die durch die Rüstungen repräsentierten unbekannten, kämpfenden Söldner und der auf dem Gemälde als Friedensstifter inszenierte Graf Piccolomini. Sowohl der Krieg als auch der Frieden werden dadurch durch unversehrte Männlichkeiten repräsentiert. 42 Octavio Piccolomini (1599-1656) war ein General unter Wallenstein.

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Abbildung 8: Der Dreißigjährige Krieg (DHM T 2.7)

Foto: Lisa Spanka, November 2014

Die Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 wird ebenfalls durch eine Prolepse besonders hervorgehoben. Bereits vom Anfang der Ausstellungsraumachse ist eine goldene Skulptur auf einer Säule zu sehen. Diese Säule steht vor einer von hinten hell beleuchteten Scheibe, hinter der eine Gardine aufgehängt ist. Es ist hier noch nicht zu erkennen, welches Thema oder Ereignis mit diesem Blickfang repräsentiert wird. Dieser an einen Altar oder Schrein erinnernde Aufbau vermittelt allerdings, dass es sich um ein als besonders bewertetes Ereignis handelt. Besucher*innen, die diesen Abschnitt erreicht haben, können auf der Thementafel lesen, dass es sich bei dem repräsentierten Ereignis um die Gründung des Deutschen Kaiserreichs handelt. In dem Thementitel „Reichsgründung im Krieg“ (DHM: T 4.17) wird Krieg mit der Reichsgründung direkt verknüpft. Die Objektkonstellation mit der Skulptur vor der weißen Spitzengardine stellt bestimmte Kriegsfolgen dar. Die Skulptur trägt den Titel „Gloria Victis“ (Ruhm den Besiegten) und wurde laut Objekttext von einem französischen Künstler zur Ehrung der im Krieg gefallenen Soldaten gestaltet. In der Ausstellung repräsentiert sie zum einen die Niederlage der Franzosen aus französischer Perspektive und zum anderen eine Verehrung von Kriegsgefallenen im Kontext von Nationenkonstruktionen. Hier wird der oben beschriebene Einsatz von Objekten aus bestimmten Ländern zur Vermittlung einer landesspezifischen Perspektive deut-

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lich, gleichzeitig wird ein bestimmter Männlichkeitskult sichtbar. Der gefallene Soldat ist nackt und mit einem Schwert in der Hand dargestellt. Solche heroischen Darstellungen von Kriegsgefallenen hat Evert als Symbolisierung des besonderen Beitrags von Kriegsopfern für die Nation gedeutet. Die Gefallenen blieben trotz ihres Todes in der Konstruktion einer starken, ehrenhaften Männlichkeit verhaftet (Evert 2010: 75). Die Gardine, die vom Rundgang aus gesehen hinter dieser Säule positioniert ist, stammt hingegen aus Deutschland (DHM: T 4.17, OT). Auf ihr ist eine Szene zu sehen, bei der eine große Gruppe von Männern in Uniformen einem Mann auf einem Podest zujubelt. Der Objekttext erläutert, dass das Motiv von einem Gemälde mit dem Titel „Kaiserproklamation in Versailles“ übernommen wurde und zu der Zeit „die populärste Darstellung der Reichsgründung“ gewesen sei. Die Darstellungen der Niederlage Frankreichs und der deutschen Reichsgründung vermitteln verschiedene Perspektiven auf das Kriegsende. Die Blickachse lenkt allerdings die Aufmerksamkeit auf die Reichsgründung als besonderes Ereignis. Deutschland wird so als Gewinner repräsentiert, welches aus dem Krieg als geeintes Kaiserreich hervorging und von militärischen, männlichen Akteuren gestaltet wurde. Krieg wird im DHM auch an anderen Stellen als Übergangssituation und schöpfendes Ereignis zu-sehen-gegeben. Dabei werden Gewalt und Schlachten entweder sachlich-technisch dargestellt oder durch imposante Exponatinszenierungen sowie durch große Historiengemälde repräsentiert. Durch die (An)Ordnung von Prolepsen wird zudem vermittelt, dass ein Kriegseinsatz lohnend ist und der Nation dient.

ZUSAMMENFASSUNG „Was führt zu Krieg, wie macht man Frieden?“ mit dieser zunächst unscheinbar erscheinenden Leitfrage eröffnet das DHM die Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg durch zahlreiche Darstellungen kriegerischer und militärischer Ereignisse in seiner Dauerausstellung. Die gewählten Präsentationsweisen bleiben vor dem Hintergrund aktueller museumswissenschaftlicher Debatten allerdings häufig zurück und führen zu teils heroisierenden, teils verharmlosenden Deutungen von Krieg. Die Repräsentationen zum Thema Krieg geben überwiegend eine militärisch-technische Perspektive auf Krieg zu sehen und damit einhergehende Auslassungen von Forschungsergebnissen aus der Frauen-, Geschlechter- sowie Erfahrungsgeschichte führen zu spezifischen Geschlechterkonstruktionen im Leitmotiv Krieg. Durch die überwiegende Anzahl von Displays zu Militär und

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Kampfgeschehen wird Krieg stark männlich konnotiert. Dem gegenüberstehend wird an einigen Stellen der Ausstellung ein rein ziviler Bereich von Krieg konzipiert, der stark heteronormativ geprägt ist. Die geringe Vermittlung von Verbindungen zwischen Kriegsgeschehen und zivilem Leben und der Schwerpunkt auf Darstellungen des militärischen Geschehens führt sowohl zur Konstruktion einer binären Ordnung zwischen ‚nationalem Wir‘ und ‚nationaler Anderer‘ als auch zur Konstruktion einer binären Ordnung zwischen militärisch aktiver Männlichkeit und ziviler Weiblichkeit. Die ordentlichen und ästhetisierenden Ausstellungsweisen der Waffen und militärischen Ausrüstungsteile, aber vor allem die unbeschädigten Rüstungen und Uniformen konstruieren mehrheitlich eine unverletzliche militärische Männlichkeit. Diese zeichnet sich einerseits durch einzelne führende Heldenpersönlichkeiten aus, die das Kriegsgeschehen bestimmen, und andererseits durch homogen vermittelte Soldaten, die sich für den Staat einsetzen. Die häufige Beschränkung auf die Beschreibung technischer Funktionen von Militaria und technischer Fortschritte auf der Textebene führt zudem zu einer distanzierenden Darstellung von Kriegsgeschehnissen. Reflektionen über die gewaltsamen Auswirkungen von militärischen Auseinandersetzungen, sowie eine kritische Perspektive auf Kriegsgeschehnisse gibt es zwar hin und wieder, sie werden jedoch marginal und räumlich separat von den Frontinszenierungen zu-sehen-gegeben. Durch die vermeintlich sachliche Vermittlung von Abläufen und Daten auf der Textebene wird Krieg als Normalität in der nationalen Geschichte repräsentiert, die zu neuen Entwicklungen für die Landesgeschichte führt. Karen Hagemann hat darauf hingewiesen, dass patriotisch motivierte Kriegsdarstellungen häufig in Umbruchs- und Krisenzeiten auftauchen, um Menschen zum Kriegsdienst zu motivieren (Hagemann 2008: 100). Hinsichtlich der Überlegungen zur diskursiven Bedeutung dieser Repräsentationen ist zu fragen, welche politischen Debatten zur Zeit der Ausstellungskonzeption 1986/1987 und zur Zeit der Einrichtung der Dauerausstellung im Zeughaus in den Jahren 2000 bis 2006 stattfanden. Sowohl unter Berücksichtigung der Debatten um die Frage nach der Singularität des Holocaust in den 1980er Jahren als auch vor dem Hintergrund politischer Auseinandersetzungen um „Out of Area Einsätze“43 der Bundeswehr in den 1990er Jahren können die sachlich, distanzierten Kriegsdarstellungen im DHM als politisch bestimmt gedeutet werden. Die Repräsentationen unterstützen 43 In der sogenannten „Out of Area-Debatte“, wurde über den Einsatz der Bundeswehr im Ausland verhandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Bundeswehr nur einen Verteidigungsauftrag im Inland. 1990 wurde anlässlich der Besetzung Kuwaits durch den Irak im Bundestag darum gestritten, ob die Bundeswehr sich an UN-Einsätzen beteiligen dürfte (Bundeszentrale für politische Bildung 2014).

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Vorstellungen, nach denen Krieg als notwendig für neue Entwicklungen gesehen wird. Die Gründungspläne für ein Deutsches Historisches Museum zur Zeit solcher Debatten bestärken die Deutungen der Kriegsdarstellungen im DHM hinsichtlich ihrer Repräsentation von Krieg als notwendig und selbstverständlich für die Weiterentwicklung eines Landes. Dabei ist bedeutsam, dass bei der Einrichtung der Dauerausstellung (2000-2006) die Konzeption von 1987 übernommen und inhaltlich nicht grundsätzlich überarbeitet wurde. Krieg erscheint in der Ausstellung vielleicht nicht als „Vater aller Dinge“, wie Heraklit es beschrieb, zumindest aber als ‚Vater der Nation‘. Die zu Beginn dieses Kapitels zitierte These von Jansen und Borggräfe (2007: 105), Krieg sei nicht Feind der Nation, sondern bringe diese hervor, wird durch die Repräsentationen der Ausstellung wahr gemacht. Diesen ‚nationenkonstituierenden‘ Krieg mehrheitlich als Handlungsfeld starker unversehrter Männlichkeiten zu vermitteln, bewertet Frauen gleichzeitig als weniger bedeutsam für die Gestaltung der Nation. Der Ausschluss von Frauen aus diesem Feld von Militär und Krieg begründete lange Zeit, dass Frauen bürgerliche Rechte vorenthalten wurden (Hagemann 2008: 102) und wird in der Ausstellung des DHM fortgesetzt. Laut Ausstellung gestalten weibliche Akteurinnen den Krieg und somit die Nation nicht aktiv mit. Sie werden stattdessen als sorgende und pflegende Personen konstruiert und dem zivilen Bereich zugeordnet. Mit Thementiteln wie „Der andere Krieg“ (DHM: T 5.13) oder „Kriegsalltag in Deutschland“ (DHM: T 7.9) wird dieser als Feld jenseits des militärischen Kriegsgeschehens konzipiert. Während für die Kriegsdarstellungen das Vorhaben, multiperspektivisch zu arbeiten hinsichtlich unterschiedlicher Länder eingehalten wurde, zeichnet sich die Ausstellung in den Geschlechterkonstruktionen durch starke Homogenisierungen aus. Es werden Männer als militärische Akteure und Frauen als (Zivil-)Bevölkerung vermittelt, ohne auf Differenzachsen wie Klassenunterschiede, generationale Unterschiede sowie unterschiedliche soziale und politische Positionierungen einzugehen. Einzig in der Auseinandersetzung mit Kriegsverletzten erfährt Männlichkeit eine heterogenere Repräsentation. Sie wird aber sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich mehrheitlich als stark, funktionsfähig und einsatzbereit konzipiert. Tod und Pflegebedürftigkeit werden nicht explizit gezeigt, sondern über die Darstellung von Leerstellen oder trauernden, meist weiblichen Angehörigen repräsentiert.

Das Leitmotiv Wirtschaft: Innovation, Mobilität und Wohlstand

Es ist nicht überraschend, dass in einem politik- und staatsgeschichtlichen Narrativ, wie es in der Dauerausstellung des DHM gewählt wurde, dem Thema Wirtschaft besonders viel Raum gewidmet wurde. So bestimmen doch verschiedene Theorien zu Nation und Staat Wirtschaft als wesentlichen Faktor für das nationale Be- und Entstehen. Unter anderem deutet Benedict Anderson das Aufkommen des Kapitalismus und das Entstehen von Nationen als korrelierende Prozesse. Er zeigt das Abhängigkeitsverhältnis auf, in dem die Herausbildung des Kapitalismus und der Nationalstaaten seit der Erfindung des Buchdruckes standen (Anderson 2005: 44-54). Jan-Otmar Hesse erläutert, dass der Begriff Wirtschaft zunächst einmal alle Einrichtungen und Bemühungen von Menschen umfasst, die der Sicherung der menschlichen Existenz dienen (Hesse 2013: 7). Dieses allgemeine Verständnis von Wirtschaft trat in den Wirtschaftswissenschaften mit der Zeit allerdings immer mehr zurück. Heute wird mit der Verwendung des Begriffs Wirtschaft in erster Linie ein produktives Wirtschaften sowie finanzielle Aspekte innerhalb einer Volkswirtschaft beschrieben. Reproduktive Tätigkeiten, wie die Versorgung mit Nahrung, die Pflege und (Aus)Bildung von Nachwuchs, die Pflege von Alten oder die Reinigung von Wohnung und Kleidung sind in der Regel nicht gemeint, wenn von Wirtschaft gesprochen wird. Diese Reduktion der Begriffsbedeutung führt zu einem Verständnis von Wirtschaft als reiner Markt- und Politikdomäne, die von reproduktiven Faktoren losgelöst zu sein scheint. Das führt zu einer Ausblendung von Geschlechterfragen, was Maria Funder gar als Geschlechtsblindheit in der Wirtschaftssoziologie, aber auch in der allgemeinen Wirtschaftswissenschaft bezeichnet (Funder 2008: 411). Während die politische Ökonomie in der Vergangenheit, aber auch die gegenwärtigen Wirtschaftswissenschaften in der Regel nur die Produktionssphäre in den Blick nehmen, so Funder, sei besonders durch die Frauen- und Geschlechterforschung darauf hin-

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gewiesen worden, dass Geschlechterhierarchien elementarer Bestandteil dieser marktvermittelten Ökonomie seien (Beer 1990, nach Funder 2008: 416). Karin Hausen hat auf das Wechselverhältnis von Prozessen des Doing Gender und Wirtschaft hingewiesen. Sie verweist sowohl auf den Einfluss, den Geschlechterzuschreibungen auf das Wirtschaften haben, als auch darauf, dass die Wirtschaft in ihrer jeweils zeithistorischen Struktur in Gendering-Prozesse einwirkt (Hausen 1993: 42). So war die Herausbildung einer Geschlechterdichotomie, mit ihrer Trennung von öffentlicher Sphäre als ‚Männerraum‘ und privater Sphäre als ‚Frauendomäne‘, zentrale Voraussetzung für die Konstitution der (Markt-) Wirtschaft in einem national begrenzten Wirtschaftsraum und muss als solche diskutiert werden. Im DHM wird Wirtschaft nicht als mit Gendering-Prozessen interdependent sichtbar gemacht. Die Ausstellungsmacher*innen haben sich bei Themenauswahl und Präsentationen an den Wirtschaftsbegriff der marktorientierten Wirtschaftswissenschaften gehalten. Der Fokus der Darstellungen liegt dadurch auf einer Auseinandersetzung mit dem, was zum Beispiel im „Handbuch der Wirtschaftssoziologie“ (Maurer 2008) als die Kerninstitutionen eines modernen Wirtschaftssystems bestimmt wird: den wirtschaftspolitischen Entwicklungen, Unternehmen, Industrie, Handel, Technik und Innovation, den Finanzmärkten sowie dem Konsum.44 Reproduktionsarbeiten sowie der Dienstleistungssektor werden hingegen nicht als zur Wirtschaft zugehörig vermittelt, sondern unter Ausstellungsbereichen zu den Themen Alltag und Kultur ausgestellt. Solche Repräsentationen führen zu einer Stärkung von Aufteilungen entlang „geschlechtsspezifische[r] Markierungslinien“, durch die Frauen im privaten Raum verortet und gleichzeitig männliche Personen für den Arbeitsmarkt privilegiert werden (Funder 2008: 144). Das DHM schreibt dadurch eine Selbstverständlichkeit geschlechtlicher Arbeitsteilung fort, ohne deren Entstehung zu beleuchten oder deren Zweck im Wirtschaftssystem zu reflektieren. Die Geschlechterkonstruktionen der Präsentationen zu Wirtschaft entstehen implizit. Zum einen werden überwiegend Themen aus dem Bereich Produktion und Marktwirtschaft zusehen-gegeben und andere Bereiche wie Dienstleistungen und Reproduktion vernachlässigt. Zum anderen werden die dargestellten Themen durch die jeweiligen Objekt(an)ordnungen geschlechtsspezifisch konnotiert. In der Ausstellung werden unter größer gefassten Themenabschnitten mit Titeln wie „Mobilisierung der Wirtschaftskraft“ (DHM: T 3.5), „Wirtschaftswelt“ 44 Diese Zuordnung geschieht im Handbuch über das Inhaltsverzeichnis. Unter der Teilüberschrift Kerninstitutionen des modernen Wirtschaftssystems ist je ein Artikel zu den hier genannten Institutionen zu finden (Maurer 2008: 6).

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(DHM: T 4.12), „Industrie und Wissenschaft“ (DHM: T 5.7) oder „Die Phase relativer Stabilität“ (DHM: T 6.3) immer wieder die Felder Handwerk, Handel, Landwirtschaft, Industrie, Mobilität, Innovation und Konsum präsentiert. Im Rahmen der Ausstellungschronologie werden zwar die Veränderung dieser Bereiche in den jeweiligen Epochen aufgezeigt, so werden zum Beispiel zu Beginn der Ausstellung vor allem Handwerk, Zunftleben und Landwirtschaft durch prunkvolle Einzelobjektpräsentationen vermittelt, im weiteren Verlauf stehen dann Industrie, Unternehmertum, Mobilität und Handel im Vordergrund und in den letzten Epochenabschnitten wird das Thema Konsum verstärkt aufgegriffen und durch Produktschauen repräsentiert. Es herrscht jedoch eine einseitige Sicht auf Wirtschaft als Männerdomäne vor, ohne auf einen Wandel von Geschlechterverhältnissen einzugehen, der mit dem dargestellten Wandel der Wirtschaftsbedingungen einhergeht. Zudem repräsentiert der Großteil der Displays gesellschaftliche Eliten. Die gewählten Objekte und deren Zusammenstellung dienen überwiegend der Repräsentation von einzelnen, bekannten Akteuren und Unternehmen oder bestimmter Handwerks- und Industriezweige. Objekte, die auf Herstellungstätigkeiten und -prozesse selbst hinweisen, wie zum Beispiel Werkzeuge oder Arbeitsbekleidung, fehlen hingegen. So werden nicht nur die Reproduktionsarbeit, sondern auch die Durchführung von Produktionsarbeiten, der Dienstleistungssektor sowie deren Akteur*innen weitestgehend unsichtbar gemacht. Zwar sind auf verschiedenen Gemälden und Fotografien hin und wieder auch Menschen bei der Arbeit zu sehen. Es handelt sich dabei allerdings häufig um Werbebilder, die ausschließlich eine Unternehmensperspektive auf diese Arbeit zu-sehen-gibt. An vielen Stellen in der Ausstellung erinnern die Objektpräsentationen an die Präsentationsweisen der Kunstgewerbe- und Industrieausstellungen des 18. und 19. Jahrhunderts oder an Schaufenstereinrichtungen. Thomas Großbölting hat in seiner Arbeit über die Bedeutung von Industrie- und Gewerbeausstellungen im 19. Jahrhundert deren Funktion im Kontext wirtschaftsbürgerlicher Geltungssuche im Wandel vom handwerks- und zunftgeprägten Wirtschaftssystem hin zu kapitalistischen Marktwirtschaften herausgearbeitet. Laut Großbölting ging es in diesen Ausstellungen vorrangig um die Selbstpräsentation und Legitimierung der wirtschaftlichen Funktionäre und deren Stellung im gesellschaftlichen Gefüge des 19. Jahrhunderts. Während sich die frühen Ausstellungen des 18. Jahrhunderts an ein Fachpublikum richteten und die handwerkliche Meisterleistung im Vordergrund stand, der mittels Einzelpräsentationen von Meisterstücken gehuldigt wurde, richteten sich die Schauen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zunehmend an ein bürgerliches Publikum, welchem technische Abläufe, Innovationen und industriell gefertigte Güter als zukunftsweisend ver-

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mittelt werden sollten. Zur Jahrhundertwende wurden in den Ausstellungen zunehmend Präsentationen von Konsumgütern eingerichtet. Damit sollte eine potentielle Käufer*innenschaft angesprochen werden. Diese Präsentationen prägten in der Folge auch Warenpräsentationen in Schaufenstern und Verkaufsräumen der ersten Kaufhäuser Ende des 19. Jahrhunderts (Großbölting 2004). Mit der Ausstellungsstrategie, in den jeweiligen Epochenabschnitten möglichst zeitgenössische Objektumgebungen zu schaffen, folgt das DHM für die Präsentationen zum Leitmotiv Wirtschaft den von Großbölting beschriebenen Ausstellungskonventionen der Industrie- und Gewerbeausstellungen. Die Präsentationen der Themenfelder Produktion, Industrie, (Handels-)Mobilität und Konsum bilden dabei ein Fortschrittsnarrativ, welches Deutschland als besonders innovativ und geprägt von zunehmendem Wohlstand vermittelt. Die Darstellung erfolgreichen Unternehmertums, technischer Innovationen, wachsender Mobilität und zunehmenden Wohlstands sind die prägnantesten und dominieren das Leitmotiv Wirtschaft. Sie werden nur durch einige wenige Ausstellungsabschnitte und -displays zu Wirtschaftskrisen und Kriegswirtschaft kontrastiert. Im Folgenden werde ich daher die Präsentationsmodi der Themenstränge Innovation, Mobilität und Wohlstand im Leitmotiv Wirtschaft anhand einiger Displays auf ihre Konstruktionen von Geschlecht untersuchen und diese vor dem Hintergrund des nationalen Narrativs der Ausstellung bewerten. Es geht dabei um die Bedeutungsbildungen hinsichtlich nationalisierter Geschlechterkonstruktionen, die durch die Auswahl des Themas Wirtschaft als Leitmotiv und dessen Fokussierung auf Innovation, Mobilität und Wohlstand entstehen. Anhand einer Untersuchung der Präsentationen zu Wirtschaftskrisen soll zum Ende dieses Kapitels überprüft werden, inwiefern diese Präsentationen die Geschlechterkonstruktionen mitprägen oder aufbrechen.

INNOVATION: NATION, UNTERNEHMERTUM, MÄNNLICHKEIT Die durch das Leitmotiv Wirtschaft vermittelte Erzählung technischer Innovationsleistungen und wirtschaftlichen Fortschritts in Deutschland durch die Zeit wird in der Ausstellung stark an einzelne Personen und deren Verdienste gekoppelt. Die Repräsentationen dazu führen zu einer besonderen Hervorhebung und Würdigung männlicher Unternehmer.

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Es gibt verschiedene Displays, die jeweils einen Industriezweig oder eine neue Erfindung repräsentieren, indem das Gemälde oder die Büste einer einzelnen männlichen Person ausgestellt ist. So wird diese Person als alleinverantwortlich für den Erfolg eines Unternehmens oder einer Erfindung zu-sehen-gegeben. Diese Ausstellungsentscheidung führt einen Legitimationsdiskurs von Unternehmerpersönlichkeiten fort, den Großbölting für die Industrie- und Gewerbeausstellung des 19. Jahrhunderts herausgearbeitet hat. Dort war, wie bereits erläutert, die Selbstinszenierung und Stärkung der gesellschaftlichen Position des Wirtschaftsbürgertums ein Anliegen der Unternehmer (Großbölting 2004). Die Repräsentationen von verschiedenen Industriezweigen durch je einzelne Unternehmerpersönlichkeiten sind in der Ausstellung von klaren und geradlinigen Gestaltungsweisen geprägt. Gut ausgeleuchtete Displays mit hellen Wandhintergrundfarben schaffen eine sachlich-nüchtern wirkende Atmosphäre. Diese Gestaltungsweise korreliert mit Vorstellungen von geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften nach denen Männlichkeit und Rationalität selbstverständlich zusammengehören. So findet in der Ausstellung eine doppelte Geschlechterkonstruktion statt. Zum einen wird Männlichkeit als mächtig und bedeutsam konstruiert, zum anderen wird das Leitmotiv Wirtschaft mit Gestaltungsweisen repräsentiert, die eine Sachlichkeit und Rationalität vermitteln und dadurch mit Männlichkeit assoziiert werden. Ähnlich wie im Leitmotiv Krieg sind die Männlichkeitskonstruktionen auch im Leitmotiv Wirtschaft eng mit Nationalkonstruktionen verschränkt. Diese männlich konnotierten Nationalkonstruktionen entstehen vor allem durch Abgrenzungen zu anderen Ländern. In Themen- und Displaytexten werden häufig Vergleiche gezogen oder Deutschland wird als besonders herausragend thematisiert. In dem Thementext zu einem Ausstellungsabschnitt mit dem Titel „Industrie und Wissenschaft“ (DHM: TT 5.7) im Epochenabschnitt über das wilhelminische Deutschland (DHM: E 5) wird zum Beispiel erläutert, dass jeder dritte Nobelpreis an einen Naturwissenschaftler aus Deutschland ging und die als kompromittierend gemeinte britische Bezeichnung ‚Made in Germany‘ schon bald als Beweis für besondere Qualität gegolten habe (DHM: TT 5.7). Bereits auf der Textebene wird somit vermittelt, dass Deutschland im Ländervergleich ein besonderes Innovationsland ist, gleichzeitig werden allein männliche Akteure als Verantwortliche für diese besonderen Innovationsleistungen genannt. In den Displaygestaltungen wird die Konstruktion männlicher Größe fortgeführt. Ein Beispiel dafür bietet ein Display mit dem Titel „Neue Industrien“ (DHM: D 5.7.2), welches in demselben Ausstellungsabschnitt eingerichtet ist (Abb. 9). In dem Displaytext heißt es, Deutschland sei führend im Sektor der Elektro- und Chemieindustrie gewesen. Dazu sind ein Gemälde Emil

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Rathenaus45 sowie Glühbirnen, Elektromotoren, ein Wandtelefon und eine Fotoreihe aus der Firmenzeitschrift der AEG ausgestellt. Die als Exponate ausgewählten Objekte stammen nur zum Teil von der AEG. Besonders die Fotografien und das Gemälde Rathenaus lassen das Display allerdings als eine Repräsentation der AEG erscheinen. Die AEG und deren Vorläuferin die Deutsche EdisonGesellschaft werden dadurch als exemplarisch für den Erfolg deutscher Unternehmen und Industrien hervorgehoben. Emil Rathenau wird in dem Objekttext, der dem Gemälde zugeordnet ist, als Gründer der Edison-Gesellschaft und Patentankäufer der Edison-Glühbirne vorgestellt und so als bedeutender Akteur repräsentiert. Der so geschaffene Blick auf das Unternehmen und seinen Erfolg ist sehr verengt und schließt zum Beispiel Arbeiter*innen und Angestellte des Unternehmens als Mitverantwortliche für den Erfolg aus. In ähnlicher Weise wird unter dem Titel „Hochindustrialisierung“ (DHM: D 5.7.1) das Gemälde einer Eisengießerei zusammen mit einer Statue von Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Harlberg46 ausgestellt (Abb. 10). Dieser, so heißt es im Objekttext zur Statue, sei der bedeutendste Stahlproduzent dieser Zeit gewesen. Ob sich der Superlativ auf Deutschland oder auf andere Bezugsrahmen richtet, ist nicht näher bestimmt. Es kann durchaus der Eindruck entstehen, ein deutscher Unternehmer sei nicht nur der bedeutendste seiner Zeit, sondern auch Deutschlands, Europas oder der Welt. Sowohl das Gemälde Rathenaus als auch die Statue Stumm-Harlbergs haben die gleiche Höhe oder sind größer als die Zusammenstellung der übrigen Exponate in den Displays. Die Unternehmerpräsentationen bilden so eine Art zusammenfügende Klammer in der Displaygestaltung, wodurch die Vermittlung einer besonderen Bedeutung der einzelnen männlichen Person für die Wirtschaft zusätzlich unterstrichen wird. Ähnliche Repräsentationen von Unternehmen und Industriezweigen durch männliche Einzelpersonen finden sich auch in anderen Epochenabschnitten der Ausstellung und konzipieren die Unternehmer als tragend für die nationale Wirtschaftsleistung.

45 Emil Moritz Rathenau (1838-1915) war der Gründer der AEG. 46 Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Harlberg (1888-1915) war Unternehmer in der Montanindustrie und Politiker im preußischen Abgeordnetenhaus.

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Abbildung 9: Neue Industrien (DHM: D 5.7.2)

Foto: Lisa Spanka, Juni 2012

Abbildung 10: Hochindustrialisierung (DHM: D 5.7.1)

Foto: Lisa Spanka, Juni 2012

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Das Ausstellungsmotto zur Vermittlung technischer Innovationen und wirtschaftlichen Fortschritts könnte wohl ‚ein Mann ein Unternehmen‘ lauten. Tatsächlich kam Unternehmern im 18. und 19. Jahrhundert eine patriarchale Rolle zu. Mit dieser Form der Präsentation trägt das DHM allerdings dazu bei, diese Geschlechterzuschreibung fortzuführen, anstatt sie zu hinterfragen. Roswitha Muttenthaler und Regina Wonisch haben erläutert, dass Präsentationen, die der Huldigung der Verdienste einzelner Personen dienen, Machtverhältnisse einfach reproduzieren, anstatt die gesellschaftlichen Verfasstheiten zu reflektieren, die nicht allen Menschen die gleichen Zugänge zu bestimmten Positionen erlaubten (Muttenthaler/Wonisch 2010: 72). In den Displays zum Leitmotiv Wirtschaft finden sich zwar durchaus auch Darstellungen anderer Akteur*innen. Allerdings sind diese selten als handelnde beziehungsweise mitgestaltende Personen vermittelt. Zum einen gibt es in den Displays neben den Gemälden, Büsten oder Skulpturen einzelner Unternehmerpersönlichkeiten Gemälde, Zeichnungen oder Fotografien, die den Betriebsalltag im Unternehmen zeigen. Es handelt sich dabei allerdings häufig um Bilder aus Firmenselbstdarstellungen oder um Werbebilder und -plakate, die ausschließlich die Unternehmensperspektive auf Arbeit repräsentieren. Die abgebildeten Personen sind sauber gekleidet und arbeiten in ordentlichen Werkstattsituationen. Einen Einblick in tatsächliche Arbeitsabläufe und den Erfahrungshorizont der Akteur*innen bieten diese Darstellungen nicht. In dem bereits angesprochenen Display mit dem Titel „Neue Industrien“ (DHM: D 5.7.2) zeigt sich dies anhand der ausgestellten Fotografien der Fabrikhallen und der Produktion der AEG. Auf den Fotografien sind sowohl männliche als auch weibliche Arbeiter*innen zu sehen, allerdings wird im Objekttext auf die Personen und deren Tätigkeiten nicht näher eingegangen. Stattdessen wird erläutert, dass die Fotografien zur positiven Außendarstellung der AEG dienten und sich „die Arbeiter während der Aufnahmen nicht bewegen [durften, L.S.]“ (ebd., OT). Auf der Textebene werden vor allem die Herstellungsbedingungen der Fotos und deren Zweck erläutert. Die Bilder zeigen zwar arbeitende Personen, diese werden jedoch nicht als Akteur*innen repräsentiert. Die Bezeichnung der Personen als „Arbeiter“ machen die abgebildeten weiblichen Personen zudem sprachlich unsichtbar. So werden die AEG und deren Gründer Emil Rathenau als bedeutsam für die nationale Wirtschaftsleistung repräsentiert. Andere Akteur*innen und insbesondere weibliche Personen sind hingegen nur als anonyme Personen zu sehen. Sie werden in diesem Display als nicht relevant für den wirtschaftlichen Erfolg bestimmt. Das Fehlen multiperspektivischer Repräsentationen von Arbeitsbedingungen oder eine Vermittlung von Arbeiter*innenerfahrungen ist nicht einfach auf ein

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Fehlen solcher Objekte in der Sammlung zurückzuführen, da es in der Ausstellung an anderen Stellen durchaus sozialkritische Gemälde, Fotografien und Objektkonstellationen gibt.47 Diese sind allerdings in anderen Themenkomplexen eingesetzt. Durch die Entscheidung, das Narrativ im Leitmotiv Wirtschaft vorwiegend auf Fortschritt sowie technische und wirtschaftliche Innovationen zuzuspitzen, entsteht eine einseitige Perspektive auf Wirtschaft. Es wird sowohl ausgeblendet, dass es unterschiedliche männliche Lebensentwürfe und -kontexte gab und gibt als auch weiblichen Personen eine Bedeutung in der Wirtschaft abgesprochen. Das DHM folgt damit einer Konstruktion von Wirtschaft, bei der Frauen kontinuierlich aus dem Sektor verdrängt werden. Heide Wunder und andere Historiker*innen haben aufgezeigt, dass es im 17. und 18. Jahrhundert auch erfolgreiche Handwerksmeisterinnen und Unternehmerinnen gab, die die Entwicklung des modernen Wirtschaftslebens mitbestimmten (Opitz-Belakhal 2010: 79). Als prominentes Beispiel sei hier nur Helene Amalie von Krupp (1732-1810) genannt, die Mitbegründerin des Krupp-Unternehmens war (Gall 2000: 12-14). Mit der Ausdifferenzierung einer privaten und einer öffentlichen Sphäre als voneinander getrennte und geschlechtlich konnotierte Handlungsfelder und der zunehmenden Auslagerung der Erwerbstätigkeit außerhalb des Hauses wurde gestützt durch die ökonomische Theoriebildung des 18. und 19. Jahrhunderts das Unternehmertum kontinuierlich mit Männlichkeit verknüpft (BandhauerSchöffmann 2006). So entstand eine bis heute wirksame männliche Konnotation von unternehmerischem Handeln. In der Ausstellung wird diese Konstruktion von Wirtschaft als Männerdomäne fortgesetzt. Wirtschaft wird aus der Sicht einer männlichen, wirtschaftsbürgerlichen Oberschicht nachgezeichnet. Ein Narrativ, welches alltagsgeschichtliche Aspekte mitaufgreift, hätte hier ermöglicht, neben der Unternehmerperspektive auch Arbeiter*innen sowie Betriebs- und Produktionsabläufe zu repräsentieren. Für das gewählte Fortschritts- und Innovationsnarrativ scheinen diese Perspektiven jedoch weniger relevant zu sein.

VERGESCHLECHTLICHUNGEN VON HANDELS- UND SOZIALER MOBILITÄT Ein weiterer Erzählstrang, der zu einer Vermittlung von Fortschritt und Innovation als Motiven der deutschen Geschichte beiträgt, ist der einer zunehmenden

47 Vgl. das Kapitel zur Wirtschaftskrise.

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Mobilität. Dadurch wird das nationale Narrativ sowohl mit dem Aspekt räumlicher Ausdehnung als auch mit dem Aspekt zeitlicher Beschleunigung verknüpft, was zu typischen Vorstellungen von Modernität zählt. In der Dauerausstellung wird Mobilität in unterschiedliche Facetten ausdifferenziert. Zum einen wird Handelsmobilität im Sinne wirtschaftlichen Fortschreitens und territorialer Ausdehnung vermittelt, zum anderen soziale Mobilität im Sinne von gesellschaftlichen Umbrüchen und Arbeitsmigration. Zudem wird private Mobilität im Sinne von neuen Fortbewegungs- und Reisemöglichkeiten präsentiert. Zur Visualisierung dieser unterschiedlichen Aspekte von Mobilität sind Modelle von Eisenbahnen und Schiffen, originale Autos und Motorräder, Reisedokumente sowie Landkarten ausgestellt, auf denen Streckennetze und Handelsverbindungen abgebildet sind. Solche Repräsentationen von Mobilität finden sich bereits in dem Epochenabschnitt zur Zeit des Mittelalters und Hochmittelalters (DHM: E 2), wo über Handelshäuser und deren Reisen berichtet wird. Auch in dem zuvor besprochenen Themenbereich mit dem Titel „Industrie und Wissenschaft“ (DHM: T 5.7) wird eine Bandbreite der Fortbewegungsmöglichkeiten der Zeit vom Automobil, über die Schifffahrt bis zu den ersten Flügen dargestellt und im Epochenabschnitt zur Weimarer Republik (DHM: E 6) wird sowohl über die zunehmende private Nutzung von Motorrad und Auto berichtet, als auch über die Möglichkeit mit Zeppelin, Schiff und Eisenbahn die Welt zu bereisen. In einem Themenabschnitt mit dem Titel „Wirtschaftswelt“ (DHM: T 4.12) (Abb. 11) im Epochenabschnitt zur Französischen Revolution und zu den Entwicklungen bis zum Deutschen Kaiserreich (DHM: E 4) werden die verschiedenen Varianten der Mobilität in einem Raumbereich zusammen vermittelt. Nachdem in diesem Themenabschnitt zunächst in drei Displays auf die wachsende Industrialisierung eingegangen wird und die bedeutendsten Industriezweige mit den oben diskutierten Präsentationsmodi der Unternehmerzentriertheit vorgestellt werden, zeigt die Ausstellung in einem durch Stellwände eingerückten Raumabschnitt Displays mit den Titeln „Eisenbahn: Raum und Zeit“ (DHM: D 4.12.5) und „Warenwege“ (DHM: D 4.12.6) sowie eine Tischvitrine mit Exponaten, die die Entstehung einer Klassengesellschaft repräsentieren (DHM: D 4.13.1 bis 4.13.3). Dies ist einer der wenigen Ausstellungsteile zum Leitmotiv Wirtschaft, in denen technischer und wirtschaftlicher Fortschritt und soziale Veränderungen direkt in Verbindung miteinander ausgestellt werden.

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Abbildung 11: Wirtschaftswelt (DHM: T 4.12); Auf dem Weg zur Klassengesellschaft (DHM: T 4.13)

Foto: Lisa Spanka, November 2014

Bereits im Text des zu diesem Ausstellungsabschnitt übergeordneten Meilensteins ist die Verbindung von industrieller Veränderung, Handelsmobilität und sozialem Wandel beschrieben und die Industrialisierung als „beschleunigte Prozesse technischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen“ bestimmt. Visuell wird auf dem Meilenstein jedoch vor allem das Wachstum von Mobilität und Handel aufbereitet. Es sind Tabellen mit statistischen Daten zur Entwicklung des Verkehrswesens und zum Anstieg der eingesetzten Eisenbahnen in verschiedenen europäischen Ländern abgebildet. Außerdem ist eine Landkarte zu sehen, die die Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Mitteleuropa von 1845 bis 1866 veranschaulicht. So wird der Blick auf eine zunehmende Mobilität gelenkt und gleichzeitig Europa als Bezugsrahmen verhandelt, der über den nationalen hinaus geht. Ebenfalls ist eine Karte zur Entstehung des Deutschen Zollvereins abgebildet, wodurch eine Verschränkung von Mobilität und Handel betont wird. Die Verknüpfung von Mobilität und Handel wird in den Displays „Eisenbahn: Raum und Zeit“ (DHM: D 4.12.5) und „Warenwege“ (DHM: D 4.12.6) (Abb. 11, links im Bild) fortgesetzt. Die Präsentationsmodi in diesem Ausstellungsabschnitt zeichnen sich ähnlich wie bei den Repräsentationen von Industriezweigen und patriarchalen Unternehmertypen durch helle Farben und geradli-

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nige Objekt(an)ordnungen in Vitrinen und an Stellwänden aus. Alle Exponate sind einzeln und ordentlich nebeneinander ausgestellt anstatt in größeren Objektgruppen oder Inszenierungen. Dadurch werden die Eisenbahn und der Handel modern und sachlich repräsentiert. In den Displaytexten werden in erster Linie Jahreszahlen, die Ausbreitung des Streckennetzes sowie die Bedeutung der Eisenbahn für die industrielle Revolution beschrieben. Es wird erläutert, dass durch die Einführung der Eisenbahn Transportwege verkürzt und schwere Lasten von einem Ort zum anderen transportiert werden konnten sowie die Länder Deutschlands nun über Grenzen hinweg miteinander verbunden waren (DHM: DT 4.12.5). In diesen Ausführungen wird ein neuer nationaler Raum hergestellt, der als Deutschland bezeichnet wird, auch wenn zum damaligen Zeitpunkt noch kein gemeinsam regierter Staat ‚Deutschland‘ existierte. Vermutlich wird mit dem Begriff Deutschland auf den damals bestehenden Deutschen Bund48 und seine Mitgliedsländer rekurriert, dies wird jedoch nicht explizit erläutert. Die wachsende Mobilität sowie die neuen Handelswege werden wie auch auf dem Meilenstein durch verschiedene Landkarten visualisiert. Fortschritt wird dabei als zunehmende (Verkehrs-)Mobilität repräsentiert, die mit der Bestimmung eines bestimmten geografischen Gebiets als nationalem Bezugsrahmen einhergeht. Die Landkarten dienen der Visualisierung der Reichweite des Zugriffs des als deutsch bestimmten Handels. Anderson hat in seinen Überlegungen zur Nation auf die Festschreibung von Räumen durch Landkarten hingewiesen und erläutert, dass die in Landkarten visualisierten Räume auch zur Realisierung dieser beitrügen und als Identifikationsrahmen für Zugehörigkeitsvorstellungen dienten (Anderson 2005: 172-180). In der Ausstellung wird mittels der Landkarten und der Erläuterungen in den Displaytexten dementsprechend ein nationaler (Handels-)Raum konstituiert, der bis in die europäischen Nachbarländer reicht. Diese erweiterte Raumkonstruktion wird anhand verschiedener Exponate auch als von den Zeitgenoss*innen erfahrene Veränderungen vermittelt. Es sind Reisetaschen, eine Taschenuhr und Erinnerungsstücke wie eine Sammeltasse, ein Tischtuch oder eine Sammeldose mit Eisenbahnmotiven ausgestellt. Laut Objekttext dienten letztere als Souvenirs an zeitgenössische Ereignisse, wie die Eröffnung eines neuen Streckennetzes oder die Einführung einer neuen Lok (DHM: D 4.12.5, OT). So wird nicht nur die zunehmende Handelsreichweite re48 Der Deutsche Bund bestand in der Zeit von 1815-1866 als Staatengemeinschaft souveräner Fürstentümer und Stadtstaaten sowie Österreichs, Preußens und Teilen Dänemarks sowie der Niederlande. Er hatte zwar eine bundesstaatliche Struktur, allerdings konnten sich die einzelnen Mitgliedsländer nicht auf eine gemeinsame Verfassung einigen. Gerade die kleineren Mitgliedsländer fürchteten um den Verlust ihrer Souveränität gegenüber Österreich oder Preußen (Langewiesche 2007: 59–64).

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präsentiert, sondern auch auf besondere Ereignisse verwiesen, die in Zusammenhang mit der Eisenbahn standen und denen durch die ausgestellten Sammelstücke besondere Bedeutung zugewiesen wird. Die Exponate lassen auf Akteur*innen und die Lebenswelt einer bürgerlichen Oberschicht schließen, da es sich um Schmuck- und Sammelstücke handelt. Insbesondere Sammelstücke bestimmt Leonore Auslander als Konsumgegenstände einer bürgerlichen Männlichkeit – im Unterschied zu zum Beispiel dekorativen Gegenständen, die dem weiblichen Konsum zugeschrieben werden (Auslander 1996: 85-90). Die ausgestellte Taschenuhr kann somit nicht nur als Symbol für eine zunehmende Bedeutung von Zeit und Geschwindigkeit in der Industrialisierung gedeutet werden, sondern auch als Symbol für den Konsum einer wohlhabenden bürgerlichen Männlichkeit (Ruppert 1993: 29). Durch die Zusammenstellung dieser Objekte als Exponate in einer Vitrine zum Thema „Eisenbahn: Raum und Zeit“ (DHM: D 4.12.5) wird diese bürgerliche Männlichkeit zum Akteur der zunehmenden Mobilität und des damit verknüpften wirtschaftlichen und industriellen Wachstums. Die in den Displays zu Eisenbahn und Handelswegen vermittelte (Verkehrs-)Mobilität ist somit überwiegend als Feld einer bürgerlich-männlichen Oberschicht repräsentiert. In diesem Ausstellungsabschnitt wird allerdings auch eine soziale Mobilität im Sinne gesellschaftlichen Wandels vermittelt, die andere Geschlechterkonstruktionen beinhaltet. Zwar hält die Ausstellung auf der strukturierenden Textebene an einer Trennung von Wirtschaft und Sozialem fest und ordnet sie in der Chronologie des Ausstellungsrundgangs nacheinander an. In dem Raumabschnitt, in dem das Thema „Wirtschaftswelt“ ausgestellt ist, sind allerdings auch zwei Displays eingerichtet, die durch die Texttafelnummerierung dem erst folgenden Themenabschnitt zur „Klassengesellschaft“ (DHM: T 4.13) zugeordnet sind. Das Narrativ der zunehmenden Mobilität, der wachsenden „Wirtschaftswelt“ und des sich ausdehnenden Handels wird durch Präsentationen zum Aufkommen der Klassengesellschaft kontrastiert. In einer Tischvitrine, die vom Hauptweg aus gesehen frontal auf die Displays zur Eisenbahn und den Handelswegen stößt, sind verschiedene Dokumente wie Reisepapiere und Gesindebücher ausgelegt, die die Lebens- und Arbeitssituation von Hausangestellten, Handwerker*innen und einer ländlichen Unterschicht vermitteln. Durch die Auslage der Dokumente in einer Tischvitrine sind sie jedoch vom Hauptweg aus kaum zu sehen. Allerdings gehört zu diesem Thema auch eine vollverglaste Bodenvitrine, die direkt auf dem Hauptweg des Rundgangs platziert wurde und somit einen besonderen Blickfang bildet (Abb. 11, rechts im Bild). In dieser Vitrine sind, laut Objekttext, eine „Dienstbotinnentruhe“ und deren Inhalt zu sehen. Der Objekttext

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ist entgegen der sonst kurzen Objekttexte sehr ausführlich und beschreibt sowohl die Bedeutung und Funktion solcher Truhen, als auch die einzelnen Exponate, die neben der Truhe ausgebreitet sind. So ausführlich ist zuvor nur die Uniform von Friedrich dem Großen oder der Zweispitz von Napoleon beschrieben worden. Die so repräsentierte Dienstbotin wird durch diese ausführliche Objektaufbereitung und die zentrale Positionierung der Vitrine besonders hervorgehoben. Zusätzlich dazu ist zu diesem Themenabschnitt in dem Ausstellungsführer das Gesindebuch einer weiblichen Person abgebildet und es werden die Gesetze der Gesindeordnung beschrieben (DHM 2006: 88). Die Ausstellung bestimmt dadurch weibliche Akteurinnen als exemplarisch für den sozialen Wandel von der Feudal- zur Klassengesellschaft und der damit verbundenen notwendigen Mobilität einer erwerbsabhängigen Unterschicht. Durch diese Ausstellungsweisen wird nicht einfach der gesellschaftliche Wandel dieser Zeit vermittelt, sondern das soziale Gefüge der Gesellschaft gegendert. Die Oberschicht – repräsentiert durch Unternehmergemälde und wertvolle Exponate – ist überwiegend männlich konnotiert, wohingegen die Unterschicht durch die Repräsentationen der Dienstbotinnen weiblich konnotiert wird. Die unter dem Leitmotiv Wirtschaft vermittelte Mobilität verschränkt zudem Konstruktionen von Nation und Geschlecht, indem der technologische Fortschritt im Sinne einer räumlich-geografischen Ausdehnung des Wirtschaftsraums mit überwiegend männlichen Akteuren in Verbindung gesetzt wird. Gleichzeitig wird soziale Mobilität repräsentiert, indem besonders weibliche Akteurinnen zusehen-gegeben werden.

PRODUKTION UND KONSUM Ebenso wie die Ausstellung durch die Gestaltung des Motivs Wirtschaft das nationale Narrativ entlang der Linien Ober- und Unterschicht gendert, wird entlang der Linie Öffentlichkeit und Privatheit und den zum Motiv der Wirtschaft zugehörigen Kategorien Produktion und Konsum gegendert. Opitz-Belakhal (2010: 67) hat erläutert, dass mit der Trennung von privater und öffentlicher Sphäre im 18. und 19. Jahrhundert auch die Trennung von Produktion und Konsumption einherging. Beide Trennungen hatten und haben bedeutende geschlechtergeschichtliche Folgen, da im Zuge der Herausbildung eines Bürgertums das bürgerliche Selbstbewusstsein an persönliche Leistungen und Verdienste gekoppelt wurde (Frevert 1995). Die Produktionssphäre, in der diese Leistungen und Verdienste erbracht wurden, wurde zur öffentlichen und männlichen Sphäre, während Frauen als Konsumentinnen konstruiert wurden

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und den Prozess einer bürgerlichen Selbstwerdung somit vermeintlich nur passiv erlebten. Auslander (1996) hat zwar die Bedeutung des Konsums von Hausfrauen für die bürgerliche Selbst- sowie für die nationale Repräsentation herausgearbeitet, dennoch wird Konsum in der Wirtschaft häufig nur als sekundäre Wirtschaftshandlung angesehen. Die Trennung von Produktion und Konsumption ist eng mit der oben diskutierten Konstruktion des Unternehmers als genuin männlicher Figur verbunden. Männer wurden im 18. und 19. Jahrhundert sowohl als rationale Unternehmer als auch als leistungsstarke Produzenten bestimmt, die keinesfalls dem Genuss oder Konsum verfallen sollten (Bandhauer-Schöffmann 2006: 69). Konsum wurde hingegen weiblichen Personen zugeschrieben und mit Genusshandlungen, Emotionalität und Verschwendung verknüpft. Vor dem Hintergrund des Bemühens eines Bürgertums, sich aufgrund seiner Leistungsfähigkeit im sozialen Gefüge zu legitimieren und aufzuwerten, kommt somit den produzierenden Akteur*innen eine bedeutsamere Rolle im bürgerlichen Selbstbildungsprozess zu als den konsumierenden Akteur*innen. Vorstellungen von einer klaren Trennung zwischen Produktion als männlicher Sphäre und Konsumption als weiblicher Sphäre halten zum Teil bis heute an und finden sich auch in den Präsentationsweisen des DHM wieder. Produktion und Konsum sind zwar nicht explizit Thema einzelner Ausstellungsabschnitte oder Displays, dennoch werden sie implizit als voneinander getrennte Bereiche vermittelt und durch Texte und Gestaltungsweisen mit unterschiedlichen Geschlechterkonnotationen versehen. Diese gegenderten Darstellungsweisen sind eng mit dem Erfolgs- und Wohlstandsnarrativ der Dauerausstellung verbunden und weisen den unterschiedlichen Akteur*innen unterschiedliche Positionen und Verantwortlichkeiten zu. Im Folgenden werden zunächst die Repräsentationen von Produktion und anschließend die Konsumrepräsentationen besprechen. Damit folge ich auch der Ausstellungschronologie, in der in den frühen Epochenabschnitten vorwiegend Aspekte aus dem Feld der Produktion zu-sehen-gegeben werden und erst in den Epochenabschnitten zum 19. und 20. Jahrhundert Konsum thematisiert wird. Produktion als schaffender und gestaltender Akt Besonders in den Darstellungen von Handwerk, industriellen Erzeugnissen und später industriellem Design werden Produkte dieser Tätigkeiten als Kunstgegenstände präsentiert sowie die Produktionssphäre als Raum gestaltender, künstlerischer Aktivität bestimmt.

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In einem Themenabschnitt mit dem Titel „Mobilisierung der Wirtschaftskraft“ (DHM: T 3.5) im Epochenabschnitt zur absolutistischen Zeit (DHM: E 3) wird das damalige wirtschaftliche System und die politischen Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft vermittelt sowie deren Auswirkung auf zum Beispiel die Landwirtschaft (DHM: D 3.5.1), den Bergbau (DHM: D 3.5.2), den Handel (DHM: D 3.5.3) und die ersten Manufakturen (DHM: D 3.5.5) dargestellt. In der Mitte eines runden Raumbereichs in einem Seitengang der Ausstellung befinden sich vier Glasvitrinen, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zu den Displaythemen „Handwerk und Zünfte“ (DHM: D 3.5.4) sowie „Manufakturen und Hugenottensiedlung“ (DHM: D 3.5.5) sind hier verschiedene Erzeugnisse dieser Handwerke und Manufakturen ausgestellt (Abb. 12). Abbildung 12: Das Handwerk und die Zünfte (DHM: D 3.5.4); Die Manufaktur und die Hugenottensiedlung (DHM: D 3.5.5)

Foto: Lisa Spanka, März 2017

Anders als die hell ausgeleuchteten und geradlinigen Gestaltungsweisen in den bisher besprochenen Ausstellungsabschnitten ist dieser Raumteil als Rondell gestaltet und durch schwaches, warm-gelbliches Licht beleuchtet. Die Exponate in den Vollglasvitrinen sind durch einzelne Lichtspots besonders hervorgehoben, so dass eine Geste der Huldigung entsteht. In den beiden vorderen Vitrinen sind eine geschnitzte Innungslade und verschiedene Pokale ausgestellt. In den Objekttexten wird sowohl die Beschaffenheit und Entstehungszeit der Objekte be-

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schrieben als auch erläutert, von welcher Zunft oder Gilde sie stammen und zu welchen Anlässen die Gegenstände genutzt wurden. Durch die Positionierung in den Glasvitrinen werden sie als wertvolle Objekte bestimmt und die Arbeit des Handwerks als künstlerische Tätigkeit hervorgehoben. In den Display- und Objekttexten werden zudem das Zunftwesen sowie dessen Bräuche und Strukturen beschrieben. Dabei wird das Handwerk als männliche Sphäre bestimmt. Weitere Exponate in den Wandvitrinen, die rund um die vier Vitrinen in der Mitte des Rondells als Seitenwände eingerichtet sind, stützen die männliche Konnotation von Handwerk und Manufaktur. Es sind Exponate, die vor allem auf männliche Akteure verweisen. Auf den Zeichnungen sind männliche Personen zu sehen, die Gegenstände in der Hand haben, die ein bestimmtes Handwerk repräsentieren. Zu einer Zeichnung mit dem Titel „Ein Kammacher mit Material und Werkzeug“ (DHM: D 3.5.4, OT) wird im Objekttext zum Beispiel erläutert, dass das dargestellte Horn, Bein und Schildpatt die Arbeitsmaterialien des Kammmachers waren. Mögliche andere im Handwerk aktive Personen werden in diesen Displays nicht gezeigt. Es war in der Frühen Neuzeit allerdings weder unüblich, dass Familienmitglieder im Betrieb mitarbeiteten oder Frauen nach dem Tod ihres Mannes den Betrieb weiterführten, noch dass Frauen selber ein Handwerk ausführten. Edith Ennen hat für die mittelalterliche Stadt zum Beispiel herausgearbeitet, dass Frauen unter anderem als Goldspinnerinnen, Garnmacherinnen oder im Seidengewerbe tätig waren (Ennen 1999: 143-195) und Rita Bake hat aufgezeigt, dass es sowohl in den Zünften und im Handwerk der Frühen Neuzeit als auch in den Manufakturen und später in den Fabriken erwerbstätige Frauen gab (Bake 1985: 55). Im DHM wird die Thematik der Frauenerwerbsarbeit und deren Beitrag zur Wirtschaftsleistung jedoch kaum zu-sehen-gegeben. Entsprechend wird auch die Produktion in den aufkommenden Manufakturen als rein männliches Feld repräsentiert. In den hinteren zwei Vitrinen des Raumbereichs befinden sich Erzeugnisse aus Porzellan. Zum einen ist ein Set Porzellanfiguren ausgestellt, welches die Erdteile Europa, Asien, Amerika und Afrika als weibliche Allegorien darstellt, und zum anderen ein Kaffee- und Teeservice der Meißner Manufaktur. Beide Objektgruppen stehen auf spiegelnden Vitrinenböden, die besondere Lichtreflexe hervorrufen, wodurch die Exponate als Schmuckstücke präsentiert werden anstatt als Gebrauchsgegenstände. In den seitlichen Wandvitrinen links davon sind in einer Regalkonstruktion ein Uniformrock auf einem Bügel aufgehängt sowie weitere Fayence- und Porzellangegenstände ausgestellt. Edikte und politische Dokumente an den Wänden vermitteln das politische Ziel der Ansiedlung von französischen Protestanten auf dem Land. Zeichnungen zeigen den Empfang von Hugenotten in Preußen sowie die von den Hugenotten eingeführten neuen Herstellungsverfahren (DHM: D

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3.5.5). Durch diese Zusammenstellung von Dokumenten und Zeichnungen sowie durch den Displaytext wird der Fokus auf die Ansiedlung der Hugenotten und deren Beitrag zur Etablierung von Manufakturen gelegt. So werden die prunkvoll ausgestellten Objekte durch die Dokumente und den Displaytext kontextualisiert und als Ergebnisse männlicher Arbeitsleistung bestimmt. Wie auch für die Darstellung des Handwerks- und Zunftwesens erläutert, werden durch diese Präsentationsweisen weibliche Personen als mögliche Akteurinnen im Manufakturwesen ausgeblendet. Ein Ehepaargemälde, welches in der Seitenvitrine hängt, zeigt zwar eine Frau, der Objekttext geht allerdings nur auf die Position des Mannes als Tuchhändler ein (DHM: D 3.5.4, OT). Die Porzellanfiguren, die die Kontinente als weibliche Allegorien darstellen, tragen hingegen dazu bei, Weiblichkeit in einen Objektstatus zu versetzen. Die konsequente Auslassung von weiblichen Akteurinnen aus den Feldern Handwerk, Manufaktur und Industrie vermittelt den Eindruck, Frauen seien nicht oder nur in Ausnahmen außerhäuslich erwerbstätig gewesen und somit auch nicht für die als bedeutsam bestimmten Produktionsleistungen mitverantwortlich. Wie zur Rolle von Unternehmerinnen und Handwerkerinnen, gibt es auch Studien, welche die Rolle von Frauen in Manufakturen untersucht haben und in die Ausstellung hätten mit einbezogen werden können. So hat Opitz-Belakhal (2010: 77) darauf hingewiesen, dass neben der Heimarbeit gerade Manufakturen – wenn auch unter schlechten Bedingungen – Erwerbsmöglichkeiten für Frauen boten. Bake (1985) hat ebenfalls die Einstellung von Frauen in den Manufakturen diskutiert und aufgezeigt, dass deren niedrige Löhne zu Lohnsenkungen führten, gegen die männliche Arbeiter protestierten. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf fehlende Untersuchungen zur Frauenerwerbsarbeit. Diese mangelnde Forschung habe dazu geführt, anzunehmen, Frauen seien nicht erwerbstätig gewesen, dies entspräche jedoch weder für das Handwerk noch für die Manufakturarbeit der Realität (ebd.: 54). Wenn also in der Dauerausstellung des DHM Frauenerwerbstätigkeit nicht oder nur marginal repräsentiert ist, wird den Besucher*innen vermittelt, Erwerbstätigkeit von Frauen sei nicht bedeutsam für die deutsche Geschichte. Konsum: Die heteronormative Ordnung des Wohlstands Während der produktive Sektor der Wirtschaftsleistung in der Ausstellung vom Handwerk bis zum Unternehmertum in der Industrialisierung männlich konnotiert ist, wird über Präsentationen zu Konsum und Alltag eine heteronormative Ordnung konstruiert und mit einem Narrativ von wachsendem Wohlstand verknüpft. Die (An)Ordnungen der Objekte in den jeweiligen Displays erinnern an

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Schaufensterinstallationen, die eine Vielfalt von Waren zeigen. Der Fokus der Darstellung liegt auf der Masse erschwinglicher Dinge, die eine zunehmend gut versorgte Bevölkerung kaufen kann und nicht auf der Qualität und Bedeutung einzelner Produkte. Entsprechende Displays finden sich in den ersten Epochenabschnitten der Ausstellung nur vereinzelt. Zum Ende der Ausstellung werden sie häufiger und sind zunehmend auffälliger gestaltet. Besonders in den Ausstellungsbereichen zur Weimarer Republik (DHM: E 6) sowie im Epochenabschnitt über das geteilte Deutschland und die Wiedervereinigung (DHM: E 9) sind verschiedene Displays in diesem Stil zu sehen. Obwohl hier in erster Linie Alltagsobjekte ausgestellt sind, verweisen die Präsentationen nicht auf deren Gebrauch, sondern repräsentieren die Vielfalt von käuflichen Dingen sowie die Möglichkeit diese zu besitzen. Durch die im Verlauf des Rundgangs zunehmenden Präsentationen dieser Konsumgegenstände wird ein Narrativ gestaltet, in dem ein Anstieg von Wohlstand sowie ein Anstieg von Konsum im Verlaufe der Zeit bis zur Gegenwart vermittelt wird. Anders als in den Präsentationen von Handwerk und Industrie, werden in den Displays, in denen die Möglichkeit des Konsums repräsentiert wird, häufig weibliche Personen als Akteurinnen genannt und gezeigt. Sie sind allerdings nicht als Herstellerinnen der neuen Waren dargestellt, sondern vorwiegend als Nutzerinnen im häuslichen Bereich oder im Kontext von Büroarbeit. In einem Ausstellungsbereich über die Zeit der zwei deutschen Staaten BRD und DDR (DHM: E 9) befinden sich zwei auffällige Displayinstallationen, die solche (An)Ordnungen von Konsum zu-sehen-geben, diesen jedoch für die DDR und BRD unterschiedlich kontextualisieren und bewerten. Der Ausstellungsbereich über die Zeit der zwei deutschen Staaten ist in zwei Hälften unterteilt. Entlang eines ‚Mauerzauns‘, der in der Mitte des Raumes aufgestellt ist, können Besucher*innen entweder durch die Geschichte der Bundesrepublik laufen, oder die Geschichte der DDR betrachten. In beiden Bereichen werden zu Beginn die neue Staatsform des jeweiligen Staates vermittelt sowie politische und wirtschaftliche Themen gezeigt. Im Bereich zur DDR wird in einem Abschnitt mit dem Thementitel „Aufbau des Sozialismus“ (DHM: T 9.6) die Einführung sozialistischer Strukturen dargestellt. Displays zur Wirtschaft in der DDR, wie zum Beispiel zur Leipziger Messe (DHM: D 9.6.6) und zur staatlichen Planwirtschaft (DHM: D 9.6.7), sind nur in kleinen Wandvitrinen eingerichtet. In dem Ausstellungsbereich zur BRD-Geschichte liegt der Schwerpunkt der Darstellungen zu Beginn des Raumabschnitts hingegen auf dem wirtschaftlichen Aufschwung, der Westanbindung und der damit verbundenen neuen Alltagskultur in der BRD. Unter dem Thementitel „Alle sollen besser leben“ (DHM: T 9.5)

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wird der Wohlfahrtsstaat als Grundlage für einen wirtschaftlichen Aufschwung und wachsenden Wohlstand der Gesellschaft repräsentiert. Der Titel „Alle sollen besser leben“ ist kursiv gesetzt und somit als Zitat markiert. Es wird allerdings nicht erwähnt, woher das Zitat stammt. „Alle sollen besser leben“ war der Werbeslogan einer Ausstellung, die im Sommer 1953 in Düsseldorf vom Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Düsseldorf gezeigt wurde und die sich mit dem Thema Rationalisierung befasste. In dieser Ausstellung sollte dem Publikum gezeigt werden, wie durch Innovationen wirtschaftlicher Aufschwung und ein besserer Lebensstandard für alle erreicht werden könne. Sie sollte als Vorbild für Unternehmen dienen, ihre Arbeit dementsprechend zu gestalten. Diese Ausstellung war zur damaligen Zeit allerdings auch kritisiert worden, da sie implizierte, dass Unternehmen, die diesem Vorbild nicht folgten, Wohlstandsblockierer seien (Der Spiegel 1953: 10-13). In der Ausstellung gibt es weder einen Verweis darauf, woher der Thementitel stammt, noch werden die Ausstellung und die Kritik daran beschrieben. Durch die alleinige Verwendung des Titels in der Ausstellung erscheint dieser als Repräsentation eines Zeitgeists der 1950er Jahre und blendet andere Perspektiven auf diese Zeit aus. 49 Das politikgeschichtliche Hauptnarrativ wird in diesem Themenabschnitt durch Displays zu Konsum und Alltag in den 1950er Jahren aufgebrochen, die direkt am Hauptweg positioniert sind. In der Mitte der Ausstellungsfläche zu diesem Thema ist eine durch Form und Größe besonders auffällige Displayinstallation eingerichtet (Abb. 13). Die Grundfläche ist rechteckig und die Decke der Vitrine ist asymmetrisch hoch. Auf dem dadurch schrägen Dach der Vitrine ist ein VW-Käfer montiert. Durch die asymmetrische Höhe der Vitrine scheint der Käfer aufwärts zu fahren. Um die Vitrine herum befinden sich Stellwände, in die kleine Vitrinen eingelassen sind und an denen bunte Plakate sowie eine große bunte Leuchtreklame angebracht sind. Displays zu den Themen „Westbindung“ (DHM: D 9.5.4), „American Way of Life“ (DHM: D 9.5.6), „Messen und Märkte“ (DHM: D 9.5.7) sowie „Arbeitswelt und Gewerkschaften“ (DHM: D 9.5.8) sind rund um die Displayinstallation und im Vordergrund des Raumensembles positioniert. Displays zu Themen aus dem Feld der Politik wie zum Beispiel „Wahlen“ (DHM: D 9.5.3) oder „Gegen die Wiederbewaffnung“ 49 In der Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-1000“ gibt es einen ähnlichen Themenabschnitt (NM: R 237) für den ebenfalls ein Zitat als Titel eingesetzt wurde: „Gør gode tider bedre“ (Gute Zeiten besser machen) war in den 1960er Jahren ein Wahlslogan der Sozialdemokratischen Partei in Dänemark. Im Unterschied zur fehlenden Kontextualisierung im DHM, wurden hier allerdings die Wahlplakate mit dem Slogan neben der Texttafel aufgehängt, so dass Besucher*innen erkennen können, woher dieser Titel stammt (s. Kap. Zur Darstellung staatlicher Familienpolitik).

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(DHM: D 9.5.5) sind in diesem Themenabschnitt hingegen weiter hinten im Raum eingerichtet. Dadurch entsteht die Botschaft, die 1950er Jahre in der BRD seien insbesondere von wachsendem Wohlstand, Konsum und poppiger Alltagskultur geprägt gewesen, während Politik als nachrangig erscheint. Das Thema, welches durch die Positionierung der Vitrine in der Mitte dieses Bereichs als zentral repräsentiert wird, trägt den Displaytitel „Leben im Wirtschaftswunder“ (DHM: D 9.5.9). Auf der Displaytexttafel ist eine Fotografie abgebildet, die den Titel „Alle sollen besser leben“ des übergeordneten Themenabschnitts (DHM: T 9.5) aufgreift. Es sind zwei Personen zu sehen, die Schilder mit dem Schriftzug „Alle sollen besser leben“ in einer Halle abstellen. Die Bildunterschrift erläutert, dass auf dem Bild der Aufbau der Rationalisierungsausstellung zu sehen sei. Es fehlen jedoch ebenfalls weitere Informationen zu dieser Ausstellung. Im Text wird stattdessen die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland von der Währungsreform 1948 bis zum Erreichen von Wohlstand für alle gesellschaftlichen Schichten Ende der 1950er Jahre beschrieben und erläutert, dass es möglich geworden sei Konsumgüter und Freizeitaktivitäten zu finanzieren, die über eine Grundversorgung hinaus gingen. Der Titel des Themenabschnitts „Alle sollen besser leben“ (DHM: T 9.5) erscheint auch durch diese Beschreibungen als tatsächlich erreichter Zustand dieser Zeit. Es ist nicht verwunderlich, dass das Wirtschaftswunder in der Ausstellung so zentral repräsentiert ist, bildet es doch einen konstitutiven Mythos der BRD nach 1945.50 Der VW-Käfer lief in den 1950er Jahren noch unter dem allgemeinen Namen Volkswagen. Er gilt als Ikone dieses Wirtschaftswunders und ist Symbol für den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands. Bereits zu NS-Zeiten wurde der Vorläufer dieses Autos, der „Kraft durch Freude-Wagen“ (KdF.-Wagen), zu Werbezwecken häufig aufwärtsfahrend auf steilen Bergstraßen abgebildet, um die Leistungskraft des Autos, aber auch der Deutschen zu repräsentieren (Schütz 2008: 126f.). Mit der Installation des Autos auf dem schrägen Vitrinendach greift die Ausstellung dieses Motiv auf und repräsentiert ebenfalls eine Form von Leistungskraft: Die Leistung, den Erfolg der Wirtschaft und den zunehmenden Wohlstand. Die Kontinuitäten von NS-Symboliken, die durch diese Präsentationsform entsteht, werden dabei nicht reflektiert. Im Gegenteil, es werden ähnliche Diskurse abgerufen. So zum Beispiel die Konsumfähigkeit aller gesellschaftlichen Schichten. In dem Display wird für die 1950er Jahre eine Demokratisierung von Konsum und Freizeit repräsentiert, die sich nicht über das 50 Unter anderem thematisierte eine Sonderausstellung mit dem Titel „Deutsche Mythen seit 1945“ (15.06.2016 bis 15.01.2017) im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig das Wirtschaftswunder als eines der bedeutenden Gründungsmythen der Bundesrepublik (Plumpe 2016).

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Besondere – wie es zum Beispiel ein Mercedes symbolisieren würde – auszeichnet. An dieser Stelle wird Alltäglichkeit zu-sehen-gegeben, in dem der von Erhard Schütz als „Jedermannsgefährt“ bezeichnete Volkswagen ausgestellt wird (Schütz 2008: 126). Diese Repräsentation von Konsum unterscheidet sich stark von den auf die Vermittlung des Besonderen abzielenden Repräsentationen von Produktion und Unternehmensgeschichte. In der Vitrine unterhalb des Käfers sind ebenfalls Alltagsgegenstände zu sehen, die die neuen Konsummöglichkeiten repräsentieren. Mit der (An)Ordnung dieser Exponate in der Vitrine gehen Geschlechterkonstruktionen einher. Die (An)Ordnung der Exponate unterteilt die Vitrinenfläche diagonal in zwei Bereiche. Auf einer Seite der Vitrine – vom Rundgang aus gesehen vorne und auf der rechten Seite – sind Objekte zusammengestellt, die dem häuslichen, privaten Bereich zugeordnet werden können, so zum Beispiel eine Küchenmaschine, ein Kühlschrank, ein Staubsauger, ein „Quelle“-Katalog, ein paar hochhackige Schuhe, ein Rock, eine Packung Seidenstrümpfe, ein Plattenspieler und eine Syphonflasche zum Aufsprudeln von Wasser (DHM: D 9.5.9, OT). Die Exponate sind überwiegend weiblichen Akteurinnen zugeordnet. Zum einen sind Haushaltsgegenstände wie Küchenmaschine oder Staubsauger weiblich konnotiert, zum anderen vereindeutigen die Objekttexte die Gegenstände hinsichtlich einer geschlechtlichen Markierung. So heißt es zum Beispiel: „die Küchenmaschine erleichterte die Arbeit der Hausfrau“. Ein Rasierapparat ist das einzige Exponat, welches in dieser Hälfte der Vitrine auf eine männliche Person verweist. In dem zugehörigen Objekttext wird entsprechend auf eine männliche Person als Objektspender hingewiesen. Auf der anderen Seite der Vitrine befinden sich zum einen ein Fernsehgerät, ein Kofferradio und ein Tonbandgerät und zum anderen zwei Aktienbriefe, ein Gesetzestext zum Rentengesetz von 1957, eine Informationsbroschüre zur Rentenreform sowie eine Büste von Ludwig Erhard 51 und ein von Erhard 1957 veröffentlichtes Buch mit dem Titel „Wohlstand für alle“. Die Mediengeräte werden so mit einem einzelnen männlichen Akteur, dem damaligen Wirtschaftsminister, und sozialpolitischen Dokumenten in Verbindung gebracht. Der Titel des Buches „Wohlstand für alle“ ist eine weitere Variante des Thementitels dieses Ausstellungsabschnitts „Alle sollen besser leben“ (DHM: T 9.5) und vermittelt an dieser Stelle, dass der Wohlstand und die Möglichkeit all diese Dinge zu erwerben auf einen einzelnen männlichen Akteur zurückzuführen sei: Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Diese Botschaft wird durch den Objekttext zur Büste zusätzlich betont. Hier wird Erhard als „Vater des Wirtschaftswunders“ bezeichnet 51 Ludwig Erhard (1897-1977) war von 1949 bis 1963 Bundesminister für Wirtschaft und von 1963 bis 1966 Bundeskanzler.

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(DHM: D 9.5.9, OT), was der Repräsentation Erhards eine paternalistische Note zufügt. Die Präsentation eines einzelnen männlichen Akteurs als Symbolfigur für ein bestimmtes Thema greift die Repräsentationen einzelner Industriezweige durch bekannte Unternehmerpersonen auf und verknüpft Männlichkeit erneut mit einer gewissen Omnipotenz. Die (An)Ordnung der Mediengeräte in der linken Hälfte der Vitrine stellt diese als Gegenstücke zu den zuvor beschriebenen weiblich konnotierten Gegenständen dar. In der Kombination mit den Exponaten, die die Wirtschaftspolitik Erhards repräsentieren, werden die Mediengeräte weiter hinsichtlich einer männlichen Konnotation vereindeutigt und zugleich mit dem Feld der Politik verknüpft. So wird in diesem Display eine dichotome Geschlechterordnung konstruiert, die ‚den Mann‘ als Teil der öffentlichen, medialen Sphäre auf der einen und ‚die Frau‘ als Teil der privaten, häuslichen Sphäre auf der anderen Seite der Vitrine bestimmen. Durch die Objekttexte werden diese dichotomen Zuschreibungen noch verstärkt und die Felder Produktion und Konsum geschlechtlich markiert. Bei allen Gebrauchsgegenständen wird der Preis angegeben. Dieser Preis wird in Relation zum Einkommen „eines Industriefacharbeiters“ gesetzt. In einem Objekttext zu dem Kühlschrank heißt es zum Beispiel: „1950 kostete dieses Gerät 790,- DM. Das waren knapp zwei Monatsgehälter eines Industriefacharbeiters.“ (DHM, D 9.5.9, OT) Wie oben angeführt werden im Gegensatz dazu Frauen als Nutzerinnen der Haushaltsgeräte bestimmt. Um geschlechtliche Markierungen zu vermeiden, hätte auf die Relation von Preis und Haushaltseinkommen verwiesen werden können, anstatt auf das Gehalt einer männlichen Person. Durch die ausschließliche Benennung des Einkommens eines Industriefacharbeiters werden männliche Personen allerdings nicht nur als einzige Geldverdiener im Geschlechtergefüge bestimmt, sondern auch als homogene Gruppe repräsentiert. Ebenso wie berufstätige Frauen, werden auch unterschiedliche Männlichkeiten wie Beamte, Angestellte, Landwirte, Hilfsarbeiter oder Arbeitslose ausgeblendet. Zudem stammen die ausgewählten Objekte, laut der Objekttexte, überwiegend von bundesdeutschen Unternehmen, wodurch die homogenisierende und vergeschlechtlichte Wohlstandserzählung zusätzlich nationalisiert wird.

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Abbildung 13: Leben im Wirtschaftswunder (DHM: D 9.5.9)

Foto: Lisa Spanka, August 2012

Abbildung 14: Produktwelten (DHM: D 9.8.3)

Foto: Lisa Spanka, August 2012

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In der Ausstellung werden Diskurse der 1950er Jahre reproduziert, die eine Rückbesinnung auf das Kleinfamilienleben und den Einverdiener-Haushalt als allgemeingültiges Lebensmodell vermittelten sowie eine bescheidene aber leistungsstarke deutsche Mittelschicht als Idealbürger*innen bestimmten. Sicherlich bestand die hier repräsentierte geschlechtliche Arbeitsteilung in den 1950er Jahren in vielen Haushalten, es wird allerdings ausgeblendet, dass es auch andere Lebensmodelle und -bedingungen gab und gerade in der Nachkriegszeit in der BRD zum Beispiel viele alleinstehende Frauen lebten, aber auch Ehefrauen erwerbstätig waren. In der Zeit von 1950 bis 1961 stieg die Zahl der erwerbstätigen Ehefrauen in der BRD zum Beispiel rasant an. Während 1950 nur 9,6 % der Ehefrauen erwerbstätig waren, gingen 1961 bereits 20,6 % der Ehefrauen einer marktbezogenen Erwerbstätigkeit nach (Niehuss 2001: 222). Perspektiven auf diese vielfältigen Lebensweisen bietet die Ausstellung nicht, obwohl Berichte über Kriegswitwen oder über die Verfolgung homosexueller Menschen in vorangegangenen Ausstellungsabschnitten darauf schließen lassen, dass auch in den 1950er Jahren in der BRD nicht alle Menschen in heterosexuellen, mittelständischen Kleinfamilien lebten. Durch diese Ausstellungsentscheidungen werden das sogenannte ‚deutsche Wirtschaftswunder‘ und die Vorstellung eines damit verbundenen Wohlstands der Gesellschaft an eine heteronormative Arbeitsteilung gekoppelt. Das DHM wiederholt mit diesen Darstellungen Diskurse der 1950er Jahre, die soziale Wohlfahrt und Konsummöglichkeiten miteinander verknüpften, um Vorstellungen einer klassenübergreifenden ‚nivellierten Mittelstandsgesellschaft‘ zu schaffen. Unter anderem Kathleen Canning hat die Idee einer durchgehend mittelständischen Gesellschaft im Wohlfahrtsstaat jedoch als reine Fassade bezeichnet, mit der Hierarchien und Ungleichheiten ausgeblendet würden (Canning 2008: 183). Thematiken wie Armut und Mangel werden zudem ausgeblendet beziehungsweise gesondert vermittelt. Die unmittelbare Nachkriegszeit wird zum Beispiel nur in einem kleinen Raumabschnitt zwischen dem Epochenabschnitt zur NS-Zeit (DHM: E 7) und dem Epochenabschnitt zum geteilten Deutschland (DHM: E 9) vermittelt. Diese Zeit wird als die alliierte Besatzungszeit bezeichnet und somit als Umstand bestimmt, der außerhalb der Verantwortung einer deutschen Regierung lag. Hier sind Displays zu Not (DHM: D 8.1.2), zu Behelfsprodukten (DHM: D 8.1.5), zu Hamsterfahrten (DHM: D 8.1.6) und weiteren Themen eingerichtet, die auf Armut hinweisen. Ab dem Ausstellungsabschnitt zur Gründung und zum Bestehen der BRD herrscht die oben diskutierte Vermittlung eines zunehmenden Wohlstands vor. Wohlstand wird somit nicht nur auf eine heteronormative Geschlechterordnung bezogen, sondern auch als Merkmal der BRD in einen nationalen Kontext gesetzt.

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Die Vermittlung des wirtschaftlichen Erfolgs der BRD als nationalen Erfolg wird durch eine ähnlich gestaltete Displayinstallation im Bereich zur DDRGeschichte verstärkt (DHM: D 9.8.3) (Abb 14). Auch in diesem Ausstellungsteil steht eine rechteckige Vollglasvitrine mit schrägem Dach. Auf diesem Dach ist ein Trabant angebracht, der, wie der Käfer für die BRD, ein bedeutsames Symbol für die DDR ist. In der Vitrine befinden sich ebenfalls verschiedene Alltagsgegenstände aus der DDR. Die Vitrine steht allerdings nicht direkt gegenüber der Vitrine zum Wirtschaftswunder in der BRD, sondern im Bereich der 1960er Jahre, da die DDR besonders in den frühen 1960er Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte (Steiner 2000). Die Raumgestaltung und die Vitrine unterscheiden sich zudem von der Vitrinen(an)ordnung im Bereich der BRD-Geschichte in bedeutsamer Weise. Die Vitrine im Bereich zur DDR-Geschichte ist deutlich niedriger, so dass der auf ihr angebrachte Trabant viel näher am Boden ist als der VW-Käfer. Auf Grund der niedrigeren Höhe der Vitrine müssen sich Besucher*innen unter Umständen bücken, um die ausgestellten Objekte genauer betrachten zu können. Auch der Ausstellungsbereich um die Vitrine herum ist anders gestaltet. Er befindet sich unter einer eingezogenen zweiten Ebene in der Ausstellungshalle, die aus schwarzen Metallträgern besteht. Dadurch entsteht eine sehr niedrige Raumhöhe, die den Raumabschnitt verdunkelt. Über der Vitrine mit dem Trabant ist zwar ein Loch in der Zwischenebene, so dass der Trabant durch die Decke hindurch reicht. Die Besucher*innen stehen allerdings beim Betrachten der Vitrine unter der Zwischenebene. Die Displays, die um diese Installation (an)geordnet sind, sind alle nur gedämpft beleuchtet, so dass der gesamte Abschnitt dunkler ist als der Abschnitt mit dem Display zum Wirtschaftswunder in der BRD. Zwar wird mit dem Display in dem Ausstellungsteil zur DDR-Geschichte ebenfalls ein steigender Wohlstand und die Möglichkeit des Konsums neuer Produkte repräsentiert – in dem übergeordneten Thementext ist die Rede von einem „kleinen Wirtschaftswunder“ (DHM: TT 9.8) – allerdings ist die Botschaft, die durch die Unterschiede der Gestaltungen der beiden Displays entsteht, eine andere. Durch die schwache Beleuchtung, die niedrigere Vitrine und den geringeren Platz für die Exponate wird ein ‚Hinter her hinken‘ oder ‚kleiner Sein‘ der DDR im Vergleich zur BRD vermittelt. Die Wirtschaftsgeschichte der DDR erfährt dadurch eine negative Bewertung aus westdeutscher Perspektive. Geschlecht wird interessanter Weise ungeachtet der jeweils unterschiedlichen Geschlechterpolitiken in der BRD und der DDR in beiden Installationen gleichermaßen heteronorm konstruiert. Zwar wird in dem Text zu dem Display mit dem Trabbi auf die Einbindung von Frauen in den Produktionsprozess hingewiesen und erläutert, dass sie zudem weiterhin auch für den Haushalt zustän-

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dig gewesen seien (DHM: DT 9.8.3). Durch die Objektauswahl und -zuordnung sowie die Objekttexte, werden allerdings auch in diesem Display ausschließlich Männer als Erwerbstätige und Frauen als Hausfrauen bestimmt. Die Objekte sind ebenfalls zu zwei Gruppen zusammengestellt, die Privatheit und Öffentlichkeit repräsentieren. In den Objekttexten werden die Preise der ausgestellten Gegenstände ebenfalls anhand des Einkommens eines Industriefacharbeiters bestimmt, während Frauen nur als Nutzerinnen der Haushaltgeräte genannt werden. So wird auch in dieser Displaypräsentation eine überwiegend dichotome Geschlechterordnung konstruiert, was für den Ausstellungsbereich zur DDR-Geschichte durchaus verwunderlich ist, wird doch in dem Displaytext auf eine steigende, dauerhafte Erwerbstätigkeit von Frauen als Ziel der DDR-Politik verwiesen. Die Geschlechtergrenzlinie entlang der Felder Produktion und Konsum wird in der Ausstellung sowohl für die BRD als auch für die DDR im Kontext des jeweiligen wirtschaftlichen Aufschwungs fortgeschrieben und als selbstverständlich vermittelt.

WIRTSCHAFTSKRISE ALS GESCHLECHTERKRISE Die bisherigen Auswertungen haben gezeigt, dass Repräsentationen von wirtschaftlichem Erfolg und zunehmendem Wohlstand im Leitmotiv Wirtschaft eine Erzählung von Fortschritt schaffen. Themen wie Armut, wirtschaftliche Krisen oder Notsituationen sind im Leitmotiv Wirtschaft entsprechend nur marginal repräsentiert. Häufig finden sich in Ausstellungsabschnitten, die auf einen Krieg folgen, nur in den Ausstellungstexten Verweise auf Armut oder schlechte Wirtschaftsleistungen als Kriegsfolgen. So findet sich zum Beispiel auf einer Displaytexttafel zum Westfälischen Frieden nur im letzten Satz eine Anmerkung, dass die wirtschaftliche Erholung Deutschlands nach dem Dreißigjährigen Krieg sich über Generationen hingezogen habe (DHM: DT 2.7.8). In den darauffolgenden Ausstellungsabschnitten wird dies weder in Displays und Objektpräsentationen aufgegriffen, noch durch weitere Texte ausführlicher beschrieben. Prunkvolle Präsentationen des absolutistischen Zeitalters stehen im Vordergrund dieses Ausstellungsabschnittes und lassen nicht auf eine nur langsame wirtschaftliche Erholung und deren Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung schließen. Die wenigen vorhandenen Displaypräsentationen, die Situationen von Mangel und Armut repräsentieren, finden sich in der Ausstellung in Abschnitten zum Leitmotiv Krieg oder in den zumeist nur in Seitengängen eingerichteten Abschnitten über das Alltagsleben und sind häufig auf vergleichsweise kleinem Raum zusammengestellt, so zum Beispiel der Ausstellungsabschnitt zur unmit-

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telbaren Nachkriegszeit von 1945-1949 (DHM: E 8), wo Hamsterfahrten und Schwarzmarkthandel thematisiert sind. Direkt zum Leitmotiv Wirtschaft sind nur einige wenige Displays eingerichtet, die von dem Narrativ des wachsenden Wohlstandes abweichen. Nur vier der insgesamt 38 Displays zum Leitmotiv Wirtschaft zeigen wirtschaftliche Einbrüche wie Krisen oder Inflationen (DHM: D 4.13.1, 5.1.3, 6.2.14, 6.4.4). Diese Displays sind sehr klein und gehen über eine Darstellung durch wenige Objekte und eine Texttafel nicht hinaus. Einzig die Weltwirtschaftskrise von 1929 wird in einem Display mit dem Titel „Weltwirtschaftskrise und soziales Elend“ (DHM: D 6.4.4) in einem etwas größeren Rahmen präsentiert (Abb. 15). Abbildung 15: Weltwirtschaftskrise und soziales Elend (DHM: D 6.4.4)

Foto: Lisa Spanka, November 2014

Gemessen an dem Ausmaß, welches diese Wirtschaftskrise erreichte, ist es erstaunlich, wie unauffällig die Gestaltung des Displays ist. Die Objektauswahl und Texte in diesem Display vermitteln jedoch eine vom sonstigen Darstellungsstil des Leitmotivs Wirtschaft abweichende Stimmung. Es handelt sich bei den Objekten überwiegend um Gemälde und Fotografien, auf denen Menschen zu sehen sind. Die Gemälde sind in dunklen Farben gehalten und bei den Fotografien handelt es sich um Abzüge von Schwarz-Weiß-Fotografien. Sowohl die Gemälde als auch die Fotografien sind laut der Objekttexte Werke sozialkritischer Künstler, die auch als Kommunisten bezeichnet werden. Im Weiteren heißt

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es dort, dass die Künstler mit ihrer Arbeit das soziale Elend der Zeit aufzeigen wollten. Die Ausstellung nutzt diese Werke um die Krise als Situation sozialer Not zu veranschaulichen und gibt dadurch zugleich zeitgenössische Gesellschaftskritik zu-sehen. In diesem Display werden Geschlechterdifferenzen repräsentiert zugleich aber auch Geschlechterkonstruktionen reflektiert. In zwei Gemälden werden zum einen der arbeitslose Mann als individuell Notleidender zu-sehen-gegeben und zum anderen Frauen als anonyme Gruppe dargestellt. Das eine Gemälde trägt den Titel „Arbeitsloser (Kohlenträger Nitsche)“ und zeigt das Porträt eines Mannes. Laut Objekttext wählte der Maler bewusst den Stil eines Adelsporträts, um der vorherrschenden Arbeitslosigkeit ein individualisiertes Gesicht zu geben. Auf dem anderen Gemälde ist eine Gruppe von Frauen mit einem Kind abgebildet. Die Gesichter der Personen auf diesem Gemälde weisen keine individuellen Züge auf. Laut Objekttext (DHM: D 6.4.4) vermittelt das Gemälde die „Tristesse und nahezu ausweglose Hoffnungslosigkeit“ der Zeit. Der Fokus liegt nicht auf einzelnen Akteur*innen, sondern auf dem Leid der Vielen, welches durch dieses Gemälde weiblich konnotiert wird. Emotionen werden mittels des Gemäldes einer anonymen Frauengruppe vermittelt, Individualität und Arbeitslosigkeit hingegen über die Darstellung einer männlichen Person. Durch diese Bildauswahl schreibt die Ausstellung Geschlechterkonstruktion fort, die weibliche Personen emotionalisieren und männliche Personen als individuell handelnde bestimmen. Die Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen bettelnde Kriegsversehrte, Menschen in Suppenküchen, Menschenschlangen vor dem Arbeitsamt und eine Frau mit einem kranken Kind (DHM: D 6.4.4, OT). Die durch diese Fotografien zusehen-gegebenen Akteur*innen unterscheiden sich deutlich von den Akteur*innen in anderen Displays zum Leitmotiv Wirtschaft. Während in den Repräsentationen zu Produktion, Innovation und Konsum vorrangig gesunde, aktive Menschen in heteronomen Lebensmodellen sichtbar sind, finden sich in den Repräsentationen von Krise und Armut gehäuft Bilder von Menschen mit Behinderungen, von Kriegsversehrten oder anonymen notleidenden Menschengruppen. Darüber hinaus werden häufig Frauen und Kinder als notleidende Akteur*innen gezeigt. Krise und Armut werden somit vorrangig über die Darstellungen von als hilfsbedürftig erscheinenden Akteur*innen repräsentiert. Durch diese Repräsentationen entsteht eine einseitige Verknüpfung von Armut und Mangel mit Behinderungen, Verletzungen und Schutzbedürftigkeit, die Mitleid hervorrufen. Die gleichzeitige Unsichtbarkeit solcher Akteur*innen in den Repräsentationen zu Wirtschaft im Kontext der nationalen Fortschrittserzählung vermittelt zudem den Eindruck, in Zeiten des Wohlstands gebe es keine versehrten und hilfsbedürftigen Menschen.

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Dies wird durch eine Auswahl von Objekten unterstützt, die nur in Displays zu Krieg, Krise und sozialer Not ausgestellt sind. So wird kaputtes oder abgenutztes und zerbeultes Geschirr in der Ausstellung wiederholt als Symbol für Armut und Mangel eingesetzt. Für Besucher*innen entsteht dadurch ein Wiedererkennungseffekt. Sehen sie in einem Display altes Geschirr, können sie annehmen, dass dort Armut thematisiert wird. Entsprechend sind auch in dem Display zur Wirtschaftskriese eine abgenutzte Schüssel und ein alter Löffel ausgestellt. In dem Objekttext zur Suppenschüssel wird der repräsentierte Mangel interessanterweise mit einer Krise der Männlichkeit verknüpft. Es heißt dort: „Von Almosen zu leben, bedeutete für viele Männer einen Ansehensverlust auch in der eigenen Familie, die sie nicht mehr zu ernähren vermochten.“ (DHM: D 6.4.4, OT) So erscheinen Armut und Not als Ausgangspunkt für eine Aufweichung der Zweigeschlechterordnung. Während in anderen Displays zum Leitmotiv Wirtschaft Geschlecht nicht benannt und verhandelt wird, wird zum Thema Krise explizit über Geschlechterordnungen berichtet – allerdings über deren krisenhafte Veränderungen. Zum einen wird die Erwerbstätigkeit von Frauen erwähnt, jedoch zugleich als Ausnahmesituation bestimmt, zum anderen wird Arbeitslosigkeit als Thema dargestellt, welches nur Männer betrifft. Die zuvor omnipotente Männlichkeit des Unternehmers oder Erfinders wird dadurch allerdings nicht infrage gestellt, da in diesem Display überwiegend verletzte und notleidende Männlichkeiten sichtbar werden. Ohne Frage traf die Krise die sozialen Unterschichten besonders schwer. Jedoch wird durch die Repräsentation bestimmter Themen durch unterschiedliche Akteur*innengruppen auch eine bestimmte gesellschaftliche Ordnung und kontrastierende Vorstellungen von Wohlstand und Not geprägt und fortgeschrieben. Durch den Blick auf die ‚einfache Bevölkerung‘ in diesem Display und die Darstellung einer mit der Wirtschaftskrise einhergehenden Geschlechterkrise wird die zuvor vermittelte Geschichte des zunehmenden Wohlstands einer gesunden, heteronormen Oberschicht ebenso wenig infrage gestellt wie die Erfolgsgeschichte deutscher Unternehmen und ihrer omnipotenten Unternehmerpersönlichkeiten. Über die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf Unternehmen, wie die in der Ausstellung mehrfach als Vorzeigeunternehmen vermittelte AEG, erfahren die Besucher*innen an dieser Stelle nichts. Dass in diesem Display eine Ausnahmesituation dargestellt werden soll, zeigt sich auch einem Einsatz stark emotionalisierender Formulierungen auf der Textebene. Während die Ausstellung in der Regel mit nüchtern-sachlich gehaltenen Texten arbeitet, wird gerade bei Themen wie Krise, Armut und Kriegsverletzungen ein besonders emotionaler Ton eingesetzt, wie sich in dem zuvor zitierten Objekttext zu dem Gemälde, auf dem weibliche Personen abgebildet sind,

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zeigte. In dem Displaytext über die Wirtschaftskrise heißt es auch: „Tausende beendeten freiwillig ihr als nutzlos empfundenes Leben“ (DHM: DT 6.4.4). Diese unterschiedlichen Sprachformen tragen zu der Konstruktion einer dichotomen Zweigeschlechtlichkeit bei. Hausen hat erläutert, dass die Bestimmung verschiedener Charaktereigenschaften Teil der Naturalisierungen von Geschlechterdifferenzen sei. Rationalität gilt dabei als genuin männliche Eigenschaft, Emotionalität als weibliche (Hausen 1976). Durch die Verwendung einer besonders emotionalen und mitunter dramatischen Sprache in den Themen- und Objekttexten wird die Krise mit als weiblich verstandenen Attributen repräsentiert und feminisiert. Dass mit diesem Display nicht einfach die Dramatik einer Wirtschaftskrise besonders emotional vermittelt, sondern weiblich konnotiert wird, erscheint mir im Ausstellungskontext besonders bedeutsam. Die Themen Fortschritt, Innovation und Wohlstand sind überwiegend männlich konnotiert, wodurch Männlichkeit positiv bewertet wird, Krise wird hingegen weiblich konnotiert und Weiblichkeit erfährt eine negative Wertung. Zudem werden Armut und Krise mit einer Krise der Geschlechterordnung verknüpft und somit als Ausnahmesituationen und Abweichung vom Normalen bestimmt. Die Repräsentation von Krise deute ich daher weniger als Bruch mit den Geschlechterkonstruktionen innerhalb des Fortschrittsnarrativs des Leitmotivs Wirtschaft oder als Teil einer vielfältigen Perspektive auf die deutsche Geschichte, sondern auch als Bestimmung eines katastrophal Anderen, welches sich durch Leid, Verletzung, Krankheit und einer krisenhaften Geschlechterordnung auszeichnet.

ZUSAMMENFASSUNG Das DHM vermittelt im Rahmen des Leitmotivs Wirtschaft in erster Linie eine Fortschritts- und Wohlstandserzählung, die immer wieder auch auf die Spitzenstellung Deutschlands im internationalen oder europäischen Vergleich verweist. Diese Nationalisierung der Wirtschaftsgeschichte ist sowohl an die Vermittlung heteronormativer Geschlechterbilder gekoppelt als auch an gegenderte Konstruktionen von Klasse und körperlicher (Leistungs-)Fähigkeit. Damit geht zudem eine Vermittlung von geschlechtlicher Arbeitsteilung als Normalität im Kontext nationalen Wohlergehens einher, die nicht als Teil von Konstruktionsprozessen einer nationalisierten, kapitalistischen Ökonomie und deren Theoriebildung reflektiert wird. Durch das Konzept der Ausstellung, Exponate und Themen historisch getreu zu vermitteln, greift die Ausstellung jeweils zeitgenössische Repräsentationsmo-

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di von Handwerk, Industrie und Gewerbe auf, ohne dabei auf die darin enthaltenen Konstruktionsprozesse von Wirtschaft als reiner Produktionssphäre hinzuweisen. Dass dabei Haushalts- und Reproduktionsarbeit aus dem Feld Wirtschaft ausgeschlossen werden, wird nicht thematisiert. Sie werden in der Ausstellung ebenfalls aus den Repräsentationen von Wirtschaft ausgelassen. Die Ausstellung reproduziert damit eine neoklassische Sicht auf wirtschaftlichen Erfolg (Maier 1994: 27), die jegliche nicht-marktliche Produktion und somit einen Großteil der Handlungen weiblicher Akteurinnen als Teil dieses Erfolges ausschließt. Dies führt zu Zuordnungen und Ausblendungen entlang der Kategorien Geschlecht, Klasse und Nation. Die Repräsentationen der drei Haupterzählstränge zu Innovation, wachsender Mobilität sowie zunehmendem Wohlstand sind überwiegend männlich konnotiert. Männlichkeit wird über die einseitige Darstellung der Verdienste und Leistungen gesellschaftlicher Eliten, wie erfolgreicher Unternehmer und Handwerker konstruiert und als alleinige Trägerin des nationalen Wirtschaftserfolgs bestimmt. Die räumlich getrennten Präsentationen zu Produktion und Konsum tragen sowohl zu dieser Männlichkeitskonstruktion bei, als auch zur Konstruktion einer heteronormativen Geschlechterordnung. Konsumhandlungen werden weiblich konnotiert und in der privaten Sphäre des Haushaltes verortet, wohingegen Produktion sowie die Erwerbstätigkeit, die den Konsum ermöglicht, als Feld männlicher Akteure bestimmt wird. Lebensrealitäten jenseits einer ausschließlich als heterosexuell bestimmten Mittelschicht sind in diesem Wohlstandsnarrativ unsichtbar. So wird eine heteronormative Geschlechterordnung als Normalität für das Leben im Wohlstand konstruiert. Zwar finden sich an einigen Stellen der Ausstellung auch Repräsentationen erwerbstätiger weiblicher Akteurinnen, allerdings wird dazu entlang der Kategorie Klasse differenziert. Im Unterschied zu den männlichen Erfolgsträgern repräsentieren weibliche Erwerbstätige eine gesellschaftliche Unterschicht, die aus Not handelt, nicht aber zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands beiträgt. Diese geschlechtliche Konnotation von Klassenunterschieden wird in der Präsentation zur Krise noch verstärkt und um die Komponente körperlicher (Leistungs-)Fähigkeit ergänzt. Während in den Displays zum wirtschaftlichen Erfolg Geschlechterkonstruktionen nicht explizit angesprochen werden, findet in der Präsentation von Krise eine Reflektion über unterschiedliche Bedingungen für Geschlechterpositionierungen und daran geknüpfte Erwartungen statt. Ähnlich wie die Verkopplung von weiblicher Erwerbstätigkeit mit Klasse, wird die Krise und das Aufweichen von Geschlechterordnungen mit Repräsentationen von verletzter oder schwacher Körperlichkeit verschränkt. Anders als bei der

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Vermittlung von Fortschritt und Wohlstand sind hier in einem hohen Maße Kinder, kranke Personen und Menschen mit Kriegsverletzungen repräsentiert. So wird Krise als Ausnahmesituation bestimmt und verletzte Körper sowie die Möglichkeit veränderlicher Geschlechterpositionen als abweichend und unnormal. Dadurch entsteht die Botschaft, dass wirtschaftlicher Fortschritt und Wohlstand zu Wohlergehen und zunehmender sozialer Gleichheit führen, die allerdings an eine Normalität heteronormativer Geschlechterordnungen gekoppelt sind. Für den Wohlstand der Gesellschaft und eine als herausragend bestimmte Position Deutschlands im internationalen Vergleich sind, so die Vermittlung, in erster Linie männliche Akteure einer gesellschaftlichen Oberschicht und später einer Mittelschicht verantwortlich. Ein Beitrag weiblicher Akteurinnen zu dieser Leistungs- und Erfolgsgeschichte wird ausgeblendet. Diese Verknüpfung von Männlichkeit, unternehmerischem Handeln und Wohlstand ist bis heute wirksam und wird durch langzeitig vermittelte Formate wie die Dauerausstellung im DHM gestützt. In der gesellschaftlichen Praxis führen solche Geschlechterkonstruktionen zum Beispiel zu den noch immer kontroversen Debatten um die Kompetenz weiblicher Führungskräfte und deren Führungsstil (BandhauerSchöffmann 2006: 73).

Politiken des Ausstellens im Deutschen Historischen Museum

Das DHM wurde mit dem Anliegen gegründet, über die Vermittlung von Geschichte zur Stärkung einer nationalen Identität der Deutschen beizutragen. Geschichte, so hieß es, sei die Grundlage dafür, eine Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. In der Untersuchung der unterschiedlichen bedeutungsbildenden Ebenen des DHM zeigte sich, dass die im DHM vermittelte Geschichte nationale Identität durchgehend vergeschlechtlicht konzipiert, ohne dies explizit zu machen. Die Ergebnisse der Untersuchungen der unterschiedlichen Ebenen der Bedeutungsbildung möchte ich abschließend im Zusammenspiel besprechen, um sie als Politiken des Ausstellens des Museumsdispositivs DHM zu deuten, welche spezifische Konstruktionen nationalisierter Geschlechterordnungen als historisch begründete Identifikationsangebote hervorbringen. An der Entstehungsgeschichte des DHM und seiner Dauerausstellung lässt sich die Konjunktur des Konzeptes Nation als Identifikationsrahmen in Deutschland nachzeichnen. Löste die Frage nach der Aus- und Darstellbarkeit einer langen deutschen Geschichte in den 1980er Jahren noch kontroverse Debatten aus, wurde 2006 zur Eröffnung der Dauerausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ lobend auf die Rolle des DHM als nationales Geschichtsmuseum hingewiesen, ohne größere Proteste zu provozieren. Zeitgleich mit der Eröffnung der Dauerausstellung fand in Deutschland die Fußballweltmeisterschaft statt, anlässlich derer erstmals wieder massenhaft patriotische Symboliken in der Öffentlichkeit zu sehen waren, wie Kleidung, Accessoires und Fahnen in den Farben schwarz-rot-gold. Die Sprecher*innenposition des Museums wurde durch die bewegte Institutionengeschichte nicht geschwächt, sondern gestärkt. Gerade die Umstrittenheit verschaffte dem Museum eine große Reichweite, da sowohl Kritiker*innen als auch Befürworter*innen kontinuierlich die Entwicklungen im Hause verfolgten und bewerteten. Das erklärte Ziel des Museums und seiner Ausstellung, Ge-

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schichte zu zeigen, um zu einer nationalen Selbstvergewisserung beizutragen, musste daher ein großes Spannungsfeld überwinden. Einerseits mussten die Forderungen nach einer angemessenen Auseinandersetzung mit der deutschen Verantwortung für die NS-Verbrechen berücksichtigt werden und andererseits der Wunsch nach positiven Identifikationsangeboten. Um dieses Spannungsfeld zu überwinden, wählten die Ausstellungsmacher*innen 1987 einen multiperspektivischen Zugang und konzipierten eine Chronologie deutscher Geschichte im europäischen Kontext. Die so angestrebte europäische Multiperspektivität der Geschichtserzählung wurde jedoch durch verschiedene Ausstellungsentscheidungen bei der Einrichtung der Ausstellung im Zeughaus und durch Veränderungen der Ausstellung in den drauf folgenden Jahren kontinuierlich geschmälert. So wurde entlang des Hauptweges eine Narration des Fortschritts hinsichtlich zunehmenden Wohlstands konzipiert, die die Möglichkeit positiver Bezugnahme bietet. Nationale Einheit wird dabei über die von Anderson (2005) als nationenkonstituierend bestimmten Konzepte Sprache und Grenzen bestimmt. Gerade Grenzen und territoriale Abgrenzungen werden in der Ausstellung durchgehend als Bezugsrahmen aufgerufen, indem entlang des gesamten Rundgangs kontinuierlich Landkarten eines als deutschsprachig bestimmten Raums ausgestellt sind. Mit Pomian (1992) deute ich das DHM als Spezialmuseum, welches die Besonderheiten beziehungsweise Einzigartigkeit der als national bestimmten Geschichte präsentiert. Dies geschieht in der Dauerausstellung auf zwei Ebenen. Zum einen wird die Alleinstellung Deutschlands in der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und für die NS-Verbrechen hervorgehoben, zum anderen werden wirtschaftliche Erfolge, technologische Innovationen und kulturelle Leistungen als spezifisch und einzigartig vermittelt. Die Architektur der Ausstellungsräume trägt zu dieser Konzeption der Besonderheit bei. Besucher*innen erleben gerade in der oberen Etage des Zeughauses weitläufige Ausstellungsräumlichkeiten und prunkvolle Inszenierungen einzelner Objekte oder Ereignisse, die ein bewunderndes Durchschreiten der Geschichte der Nation befördern. Das Anliegen, Identität zu vermitteln, setzt das DHM mittels einer Geschichte bekannter Persönlichkeiten um. Nicht das ‚wir‘ einer nationalen Gemeinschaft selbst wird dadurch beschworen, sondern eine Ahnenreihe bewundernswerter Vorfahren, auf die sich ein gewünschtes ‚wir‘ beziehen soll. Aus geschlechterkonstruktivistischer Sicht ist diese Repräsentation mittels berühmter Personen problematisch, da es sich überwiegend um männliche Eliten wie Herrscher, Politiker und Unternehmer handelt.

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Darüber hinaus führen die Positionierung einer Politik- und Herrschaftsgeschichte als vorrangige Erzählung entlang des Hauptwegs und die Präsentation alltags- und kulturgeschichtlicher Themen in Nebengängen zu einer Hierarchisierung von Themen, Ereignissen und Akteur*innen nach Wichtigkeit für das nationale Narrativ. Damit gehen vergeschlechtlichte Positionierungen einher. Themen, die entlang des Hauptweges angeordnet sind, können mehrheitlich dem Feld der Öffentlichkeit zugeordnet werden, welches in der Geschlechterforschung als männlich konnotierter Sektor bestimmt wurde (Hausen 1976). Die in den Nebengängen positionierten Themen der Alltags- und Kulturgeschichte sind hingegen mehrheitlich weiblich konnotiert. Die (An)Ordnung der Themen Krieg und Wirtschaft als Leitmotive in der Ausstellung ist ebenfalls bedeutsam für die Konzeption der Nation als einzigartig. Im Zusammenspiel mit der krisenhaften Gründungsgeschichte des DHM, dem Auftrag, nationale Identität zu stiften, und der Konzeptionierung der Ausstellung als Politikgeschichte, schaffen diese Leitmotive die Möglichkeit, sowohl die Forderungen, die NS-Geschichte ausführlich darzustellen, als auch den Wunsch nach positiven Identifikationsvorlagen zu bedienen. Im Rahmen des Leitmotivs Krieg wurde dementsprechend eine große Fläche der Ausstellung der Zeit des Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. Gleichzeitig wurde durch die Wahl eines primär politik- und herrschaftsgeschichtlichen Narrativs sowie durch die Setzung des Themas Wirtschaft als weiteres Leitmotiv in der Ausstellung die Geschichte der Brüche und der Verantwortung für die NSVerbrechen durch eine Geschichte der wirtschaftlichen Erfolge um positive Bezugspunkte ergänzt. Die Ausstellung konzipiert mit dem Leitmotiv Wirtschaft ein Fortschrittsnarrativ, welches Deutschland mittels Erzählungen über technische Innovationen, zunehmende Mobilität und steigenden Wohlstand als erfolgreich bestimmt. Besucher*innen können sich so hinsichtlich eines gewünschten Zugehörigkeitsgefühls und nationaler Identifikation auf positiv vermittelte Ereignisse und Prozesse beziehen. Die Präsentationsweisen beider Leitmotive tragen zu spezifischen Geschlechterkonstruktionen bei. Bereits der Zuschnitt der Narration auf eine Politik- und Herrschaftsgeschichte blendet Forschungsergebnisse aus der Frauenund Geschlechtergeschichte weitgehend aus. Für die militärhistorische Forschung betonen Karen Hagemann und Ralf Pröve darauf, dass diese doppelt männlich geprägt sei und problematisieren, dass überwiegend männliche Forscher ausschließlich die Geschichte männlicher Akteure untersucht hätten (Hagemann/Pröve 1998: 14). Diese doppelte Maskulinisierung der Forschung wurde auch für weite Teile der Wirtschaftsgeschichtsschreibung konstatiert. Die Identifikationsangebote beider Leitmotive in der Ausstellung sind entsprechend durch-

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zogen von Geschlechterkonstruktionen, die mehrheitlich männliche Größe sowie eine heteronormative Ordnung vermitteln. Der Schwerpunkt militärischer Sammlungsbestände und die Entscheidung, Krieg als Leitmotiv zu präsentieren, führen im DHM zu einer hochgradig militarisierten Geschichtskonstruktion. Krieg wird in der Ausstellung als konstitutiv für Nationenwerdungsprozesse bestimmt und überwiegend sachlich, distanziert vermittelt. Der Fokus der Präsentationen militärischer Auseinandersetzungen liegt oft auf technischen Details und geht mit Präsentationen unversehrter Männlichkeit einher. Die Präsentation einseitiger Forschungsströmungen, die Übernahme alter Sammlungsbestände und die prominente (An)Ordnung militärischer Objekte innerhalb des politik- und herrschaftsgeschichtlichen Narrativs führt zu Vergegenwärtigungen einer männlichen Konnotation von Krieg, bei der männliche Eliten sowohl für Krieg als auch für Frieden verantwortlich sind. Krieg wird in der Ausstellung nicht nur als genuin männlich repräsentiert, sondern auch als konstitutiv für die Nation. Diese Nation wiederum ist durch die vielen Präsentationen allegorischer Darstellungen häufig weiblich konnotiert. Dadurch entsteht die Konstruktion einer patriarchalen Ordnung, in der Krieg als Vater und Schöpfer einer weiblich gedachten Nation gedeutet wird. Die räumliche Trennung der Felder Front und Heimat führt zudem zur Konstruktion einer Zweigeschlechterordnung. Während Front als Ort militärischer Auseinandersetzungen repräsentiert und kohärent männlich konzipiert ist, konstituieren die Repräsentationen von Heimat heteronormative Ordnungen, in denen die zivile Männlichkeit mit Staatlichkeit verknüpft wird und Weiblichkeit dem reproduktiven Sektor zugeordnet wird. In den Darstellungen zum Leitmotiv Wirtschaft vermittelt die Ausstellung ein Konzept von Wirtschaft, welches überwiegend auf die Felder Unternehmens-, Innovations- und Finanzgeschichte konzentriert ist und eine fortschreitende Entwicklung von Wohlstand nachzeichnet. Die Geschlechterkonstruktionen im Leitmotiv Wirtschaft vollziehen sich auf mehreren Ebenen. Bereits die Themenauswahl zu Wirtschaft bestimmt männliche Personen als Hauptakteure und -verantwortliche für den wirtschaftlichen Erfolg. Die (An)Ordnungen der Themen im Raum führen darüber hinaus zu Konstruktionen einer heteronormativen Zweigeschlechtlichkeit, die als Normalität der gesellschaftlichen Ordnung zu-sehen-gegeben wird. Männlichkeit wird dabei mit Attributen wie Macht, Erfolg und Schöpfertum als bedeutsam bestimmt, wohingegen Weiblichkeit in der Verschränkung mit Attributen wie Konsum, Alltäglichkeit und familiärer Versorgung verknüpft wird. Erfolgreiche bürgerliche Männlichkeit steht zudem einer feminisierten Unterschicht gegenüber. Damit konzipiert das DHM auch in den Präsentationen zum Leitmotiv Wirtschaft eine patriarchale Ordnung, die mit

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einer Konstruktion geschlechtsspezifischer Markierungslinien einhergeht. Auf der einen Seite wird Männlichkeit als elitär sowie als Trägerin von Erfolg und Innovationen bestimmt, auf der anderen Seite wird Weiblichkeit als Repräsentantin des Alltäglichen und als Nutznießerin des männlich konnotierten Erfolgs konstruiert. In beiden Leitmotiven wird über die Repräsentation von Krisensituationen eine Veränderlichkeit von Geschlechterkonstruktionen zu-sehen-gegeben. In Displays zu Leid und Tod sowie zur Wirtschaftskrise zeigt die Ausstellung verletzte Männlichkeit sowie notleidende Weiblichkeit. Krankheit, Behinderung und Armut werden dadurch jedoch ausschließlich als negative Situationen repräsentiert, die mit einer Krise der heteronormativen Ordnung einhergehen. Die Ausstellung stellt somit nicht die Möglichkeit wandelbarer Geschlechterkonstruktionen zur Debatte, sondern vermittelt den Wandel von Geschlechterordnungen als Ausnahmesituation in katastrophalen Zeiten. Das museale Konstrukt des nationalen Kollektivs ‚Deutschland‘ ist heteronormativ geprägt. Männlichkeit und Weiblichkeit sind dabei als einzige und gegensätzliche Geschlechterpositionen mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung für das nationale Narrativ konstruiert. Die Konstruktion Deutschlands als einzigartiger Nation hebt in erster Linie eine Männlichkeit des Besonderen als konstitutiv für diese Nation hervor.

Das Dänische Nationalmuseum und seine Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“

Institutionelle (Be-)Deutungen des Nationalmuseums

Als das Nationalmuseum52 1992 nach einem längeren Umbau neu eröffnet wurde, betonte der damalige Generaldirektor des Museums, Olaf Olsen, die nationale Bedeutung des Museums und seiner Sammlungen: „In a national museum there will be always a prime duty to display the main treasures belonging to the nation.“ (Olsen 1992: 220) Von den Kernaufgaben musealer Arbeit betonte er gerade das Ausstellen als wichtigste Aufgabe des Museums. Die Präsentation von als national bestimmten Besitztümern für die Öffentlichkeit wird allerdings immer auch durch die Sammlungs- und Bewahrungsstrategien von Museen, durch deren Entstehungsgeschichten sowie durch die kultur- und identitätspolitischen Rahmenbedingungen geprägt. Im Folgenden werde ich daher zunächst die unterschiedlichen institutionellen Dimensionen, die die museale Arbeit des Nationalmuseums in Kopenhagen bestimmen und die Ausstellungspraxis prägen, hinsichtlich der darin enthaltenen Vorstellungen und Konstruktionen von Nation untersuchen.

52 Der dänische Titel des Museums lautet Nationalmuseet, was direkt übersetzt Das Nationalmuseum bedeutet und von der selbstbewussten Positionierung Dänemarks als Nation zeugt, die keinerlei Benennung des Landesnamen im Titel des nationalen Museums für nötig hielt. Im Deutschen ist neben dem Titel Das Nationalmuseum auch der Titel Dänisches Nationalmuseum geläufig. Im Folgenden verwende ich entsprechend einer direkten Übersetzung den einfachen Namen Nationalmuseum, um die musealen Identitätsaushandlungen möglichst nah nachzuzeichnen.

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DER LANGE ARM DER POLITIK: GESCHICHTE UND GEGENWART DES MUSEUMS Das Nationalmuseum in Kopenhagen ist Dänemarks zentrales Museum für die Bewahrung und Vermittlung dessen, was als kulturelles Erbe Dänemarks gedeutet wird. Seine Arbeit wird von dem Auftrag bestimmt, „die Kulturen Dänemarks und der Welt sowie deren Interdependenzen zu vermitteln und es jedem zu ermöglichen, sich über das kulturhistorische Erbe zu informieren“ (SlKs 2018). Mit diesem Auftrag wird der Bezugsrahmen für eine Selbstvergewisserung hinsichtlich nationaler Zugehörigkeit über Dänemark hinaus auf die Welt ausgedehnt. Diese Verortung Dänemarks in der Welt prägt die nationalen Konstruktionen der musealen Praxis und zieht sich durch die gesamte Geschichte des Museums. Anders als das DHM kann das Nationalmuseum auf eine über 200-jährige Geschichte zurückblicken und hat eine noch länger andauernde, vielfältige Sammlungsgeschichte. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts richtete der damalige Reichsarchivar Ole Worm (1588-1654) eine sogenannte ‚Wunderkammer‘ ein, in der von Reisen mitgebrachte naturkundliche Artefakte und Kuriositäten gesammelt wurden. Nach Worms Tod ging diese Sammlung in die Königliche Kunstkammer über, in der Kunst und Schätze aus Dänemark und der Welt zur Repräsentation dänischer Herrschaftsansprüche bewahrt wurden (Boesen 1966: 10). Die Zusammenführung verschiedener Sammlungen und die Einrichtung eines Museums zur Bewahrung und Ausstellung dänischer Kulturgüter vollzogen sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit, in der verstärkt nationale Bestrebungen aufkamen. Bereits 1807 wurde eine Kommission zur Bewahrung dänischer Altertümer und Denkmäler gegründet, welche auch die Aufgabe hatte, diese einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies geschah erstmals 1819 unter dem Namen Oldnordisk Museum (Museum für nordische Altertümer). 1832 wurde die bereits stark gewachsene Sammlung des Museums für nordische Altertümer nach Schloss Christiansborg verlegt, dem damaligen Regierungs- und Wohnsitz des Königs im Zentrum von Kopenhagen (Jørgensen 2010). Durch die Verortung der Sammlung im königlichen Schloss wurde sie als besonders bedeutend für die Nation bestimmt. In den 1840er Jahren setzte sich der Vorsitzende der Kommission für dänische Altertümer, Christian Jürgensen Thomsen,53 für

53 Christian Jürgensen Thomsen (1788-1865) war Altertumsforscher, der mit seiner Arbeit die Einteilung der Ur- und Frühgeschichte in die Perioden Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit begründete (Jensen 1992: 130).

Das Dänische Nationalmuseum | 197

eine Zusammenlegung der königlichen Sammlungen an einem Ort ein. Als Direktor des Museums für nordische Altertümer sowie der Königlichen Kunstsammlung war er bereits für die bedeutsamsten Sammlungen zur Repräsentation der Nation verantwortlich und wollte, dem Gedanken der Weltgeltung Dänemarks folgend, ein Universalmuseum einrichten, „[…] dessen Sammlungen in pädagogisch zweckmäßiger Weise angeordnet waren und in dem man die dänische Geschichte von heidnischen Zeiten an studieren und sich als Glied einer universalen, die gesamte Menschheit umschließenden Familie betrachten konnte.“ (Jensen 1992: 133)

Mit Verabschiedung einer neuen dänischen Verfassung und dem Ende der absolutistischen Monarchie wurden die königlichen Sammlungen 1849 verstaatlicht und die Bestrebungen Thomsens konnten Anfang der 1850er Jahre im Prinzenpalais verwirklicht werden. Neben den Sammlungen des Museums für nordische Altertümer und der Königlichen Kunstkammer wurden auch ethnografische Sammlungsbestände sowie eine Sammlung mit Objekten zur klassischen Antike im Prinzenpalais untergebracht (ebd.). 1892 erhielten diese Sammlungen eine gemeinsame institutionelle Rahmung als Museum mit dem bis heute geltenden Namen Nationalmuseet. 1920 wurde eine weitere Sammlung eingegliedert: die Sammlung des Dansk Folkemuseum (Dänisches Volksmuseum), welche die Grundlage für die in dieser Arbeit untersuchte Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ (Dänemarks Geschichten 1660-2000) bildet (Rasmussen 1966b: 12). Der Archäologe Jørgen Jensen beschreibt die Gründungs- und Entwicklungsgeschichte des Nationalmuseums bis zu dem Umbau Ende der 1980er Jahre und der Wiedereröffnung 1992 als Indikator für verstärkte Identitätsaushandlungen in Krisenzeiten. Er zeigt auf, dass das Museum immer dann besondere politische Aufmerksamkeit und Zuwendungen erhielt, wenn der nationale Gemeinschaftsgedanke Brüche erlebte (Jensen 1992). So fand die Einrichtung des Museums für nordische Altertümer zur Zeit der napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts statt. Nach dänischen Niederlagen und einem Staatsbankrott musste die bis dahin bestehende Union mit Norwegen aufgelöst werden und Dänemark verlor seine Bedeutung als europäische Großmacht. Die Bemühungen um eine Zusammenlegung der Sammlungen in den 1840er und 1850er Jahren korrelierten wiederum mit einem erstarkenden Nationalismus zur Zeit der deutsch-dänischen Kriege um Schleswig und Holstein (1848-1850). Die Eingliederung des Dänischen Volksmuseums in das Nationalmuseum fällt in die Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs. In den Folgejahren, die zudem geprägt waren von der Weltwirtschaftskrise, fand ein erster größerer Umbau zur Vergrößerung

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des Museumsgebäudes statt. Auch der Umbau des Gebäudes in den 1980er Jahren fiel in eine Zeit, in der Dänemark unter wirtschaftlichen Krisen litt und sich, wie auch die übrigen europäischen Staaten, im Zuge des Endes des Kalten Krieges und der zunehmenden Europäisierung neuorientieren musste (Jensen 1992: 126). Diese kultur- und identitätspolitischen Überlegungen Jensens bezüglich der Geschichte des Nationalmuseums korrelieren mit den in Kapitel 2.3 dieser Arbeit erläuterten repräsentationstheoretischen und geschichtspolitischen Annahmen, dass Gesellschaften sich gerade in Krisen mittels Geschichtsaushandlungen ihrer Zusammengehörigkeit vergewissern und mittels Repräsentationen einen wahrgenommenen Mangel zu beheben versuchen. Im Nationalmuseum wurde diese Selbstvergewisserung in Form einer universalen Verortung Dänemarks in der Welt vermittelt, die bis heute andauert. Die gegenwärtigen Aufgaben und Ziele der Bewahrung und Vermittlung eines kulturellen Erbes mittels Sammlungen zur Geschichte Dänemarks, zur klassischen Antike, aber auch mittels ethnografischer Bestände verdeutlichen dies. Der Kulturhistoriker Peter Aronsson erklärt dazu, dass das Zusammenführen ethnographischer, archäologischer, historischer und kunsthistorischer Sammlungsbestände aus Dänemark und der Welt dem politischen Anspruch folgt, Dänemark als ewig und in der Welt verortet zu bestimmen. Wie Jensen deutet Aronsson den Ansatz des Museums, dänische Geschichte als Universalgeschichte zu konzipieren, als Reaktion auf territoriale Verluste Dänemarks und damit auf den schwindenden Einfluss in der Weltpolitik seit dem 18. Jahrhundert. Im Museum repräsentiere sich Dänemark fortwährend als Teil der Weltgeschichte (Aronsson 2011: 39f.). Krysztof Pomian bewertet solche Repräsentationen von Nation als universal gültig als eine wesentliche Strategie nationaler Selbstvergewisserung durch Museen (Pomian 1992: 25–27). Im Nationalmuseum zeigen sich meiner Ansicht nach mittlerweile allerdings auch Züge der Selbstvergewisserung durch die Repräsentation des Besonderen der Nation. Die Sammlung ethnografischer und antiker Schätze aus den königlichen Kunstkammern und die im 19. Jahrhundert begonnene Sammlung dänischer Altertümer sowie volkskundlicher Objekte werden im Nationalmuseum miteinander verbunden. So konstruiert das Museum einen nationalen Identifikationsrahmen, in dem das Besondere der dänischen Geschichte mit einem universalen Gültigkeitsanspruch verknüpft wird. Die Geschichte des Nationalmuseums ist nicht nur als eine Geschichte der Verortung Dänemarks in der Welt auf Grund schwindender Weltgeltung zu lesen, sondern auch als eine Geschichte der zunehmenden Zentralisierung der kultur-

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historischen Museumsarbeit Dänemarks, die eng an den staatlichen Auftrag gebunden ist, nationale Kulturgeschichte zu vermitteln. Als eines der fünf staatlichen Museen Dänemarks 54 ist das Nationalmuseum der Verwaltung des Kulturministeriums unterstellt. Die Aufgaben und Ziele des Nationalmuseums sind vom dänischen Parlament Folketing im Museumsgesetz festgelegt worden (Museumsloven 2006). Neben dem Statens Museum for Kunst (Staatliche Kunstgalerie) und dem Statens Naturhistoriske Museum (Staatliches naturhistorisches Museum)55 ist es zudem eines der drei Hauptmuseen Dänemarks. In dieser Funktion ist das Nationalmuseum über die eigene Museumsarbeit hinaus auch dafür verantwortlich, kleinere und regionale kulturhistorische Museen bei ihrer Arbeit zu beraten und zu unterstützen (SlKs 2018). Die Darstellung der Gründungsgeschichte des Museums hat verdeutlicht, dass in der Vergangenheit Politik und Wissenschaft gemeinsam an der Idee und Einrichtung eines nationalen Museums für Dänemark beteiligt waren. Heute wird hingegen trotz der zunehmenden Zentralisierung der Museumsarbeit betont, die Politik habe keinen Einfluss auf die Museumsarbeit. Während meiner Forschungsaufenthalte wurde in Gesprächen mit Museumsmitarbeiter*innen wiederholt darauf hingewiesen, dass die Politik auf „Abstand einer Armeslänge“ gehalten werde. In einem Artikel des Historikers Uwe Danker über politische Motive für Museumsgründungen wird diese Formulierung als ein alter Grundsatz dänischer Kulturpolitik bestimmt. Die Redewendung weise darauf hin, dass Kulturarbeit und in diesem Falle die Museumsarbeit nicht staatstragend sein solle (Danker 2006: 214). Diese Prämisse steht jedoch im Widerspruch zu den zuvor beschriebenen institutionellen Entwicklungen, die darauf schließen lassen, dass auch die jüngeren Umgestaltungen des Museums jeweils zu Krisenzeiten durchgeführt wurden. Der im Museumsgesetz festgelegte bildungspolitische Auftrag des Museums und seine Institutionalisierung als zentrale, staatlich finanzierte Museumseinrichtung sind weitere Aspekte einer engen Verschränkung von Museumsarbeit und Kulturpolitik. Vermutlich wird der Arbeitsalltag im Museum sowie die Planung und Gestaltung von Ausstellungen tatsächlich kaum von direkten politischen Eingriffen berührt. Allerdings führt bereits der Umstand, dass der museale Arbeitsauftrag per Gesetz geregelt und vom Parlament 54 Neben dem Nationalmuseum gehören das Grønne Museum (Jagd- und Landwirtschaftsmuseum), das Statens Museum for Kunst (Staatliche Kunstgalerie) sowie die Kunstsammlungen Hirschsprung und Ordrupgaard zu den staatlich verwalteten und finanzierten Museen Dänemarks (SlKs 2018). 55 Das naturhistorische Museum trägt zwar im dänischen Titel ebenfalls den Zusatz „Statens“ und gehört zu den Hauptmuseen Dänemarks ist aber institutionell an die Universität Kopenhagen angebunden (SlKs 2018).

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verabschiedet wird, zu einer politischen Regulierung der Museumsarbeit. Der im Museumsgesetz benannte Auftrag, dänisches Kulturerbe zu bewahren und Kulturgeschichte zu zeigen, ist eine bedeutsame Prämisse identitätspolitischer Bemühungen. Neben diesen gesetzlichen Rahmungen ist auch die Finanzierung durch die Regierung ein Moment der politischen Einflussnahme. Umbauten und Neugestaltungen im Museum bedürfen einer Mittelbewilligung durch das dänische Parlament. Der letzte Umbau des Museumsgebäudes in den 1980er Jahren wurde zwar von der Egmont Stiftung56 initiiert – sie gab 1982 die Ausarbeitung eines Entwicklungsplans für das Museum bis zum Jahr 2000 in Auftrag und bot eine finanzielle Beteiligung an den Modernisierungsarbeiten des Museums an. Allerdings musste die dänische Regierung das übrige Geld für die nötigen Umbaumaßnahmen zur Verfügung stellen. Erst nach Verabschiedung eines Gesetzes zur Modernisierung und Vergrößerung der Ausstellungsflächen, welches 1986 von Königin Margarethe unterzeichnet wurde, und einer Mittelbewilligung von 150 Millionen Kronen konnten die Umbauarbeiten beginnen (Olsen 1992: 219). Nicht nur durch den Regierungsauftrag und die Finanzierung steht das Museum im Einflussbereich der dänischen Kulturpolitik, auch hochranginge Personalentscheidungen finden auf politischer Ebene statt. Die Auswahl und Einstellung des*der Generaldirektor*s*in wird durch den*die Kulturminister*in getroffen. Die weiteren Mitglieder des Direktoriums (Leitungen der Abteilungen Sammlung, Forschung und Vermittlung sowie Verwaltung) werden in Absprache mit dem*der Generaldirektor*in ebenfalls vom Kulturministerium eingesetzt. Die wichtigsten Personalentscheidungen im Museum stehen somit in engem Zusammenhang mit dem politischen Geschehen und den politischen Akteur*innen Dänemarks. Zum Zeitpunkt meiner Untersuchung war mit Per Kristian Madsen zunächst ein Archäologe und Kunsthistoriker Generaldirektor des Museums (2008-2017). Im Juli 2017 stellte die Kulturministerin Mette Bock (Liberale Allianz) mit Rane Willerslev erstmalig einen Ethnologen anstatt einer*eines Altertumshistoriker*s*in für das Amt des*der Museumsdirektor*s*in ein (Natmus online 2018f).

56 Die Egmont Stiftung betreibt in erster Linie die dänische Verlagsgesellschaft Egmont, die Zeitschriften und Literatur in Skandinavien herausgibt, aber auch Comics und Jugendbücher. Zudem unterstützt sie Film-, Fernseh- und Werbeproduktionen weltweit. Ein Schwerpunkt des sozialen Engagements der Stiftung ist die Förderung der Kulturlandschaft, in deren Bereich auch die Museumserneuerung fiel (Egmont 2018).

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DIE VERORTUNG DER NATION IM PRINZENPALAIS Seit 1849 befindet sich der Hauptsitz des Nationalmuseums im Prinzenpalais, einem Rokokogebäude im Zentrum Kopenhagens. Die Verortung des Museums in diesem historischen Prunkgebäude im Zentrum der dänischen Hauptstadt deute ich als eine repräsentationspolitische Entscheidung. Durch die Positionierung des Prinzenpalais zwischen Schloss Christiansborg, in dem sich der Sitz des dänischen Parlaments, des Obersten Gerichtshofs sowie Empfangsräume der königlichen Familie befinden, und dem Rathaus von Kopenhagen, wird das Museum als bedeutsamer Teil staatstragender Institutionen bestimmt. Auch die beiden anderen Hauptmuseen Dänemarks, das Naturhistorische Museum mit dem Botanischen Garten und die Staatliche Kunstgalerie, befinden sich nicht weit vom Nationalmuseum entfernt. So sind im Zentrum der dänischen Hauptstadt mit der Ansiedlung der legislativen, der exekutiven und der judikativen Institutionen sowie der Einrichtungen zur kulturpolitischen Repräsentation des Landes zentrale Einrichtungen zur Konstitution und Stärkung einer Nation vereint. Diese Stadtordnung hat bereits eine lange Geschichte. 1806 schwebte dem Historiker und Gründungsvorstand der Kommission für dänische Altertümer und Denkmäler Rasmus Nyerup ein Stadtkern vor, der der Repräsentation der Nation dienen sollte. Rund um Schloss Christiansborg plante er die Einrichtung eines Pantheons, eines Nationaltheaters und eines Nationalmuseums in Prunkgebäuden (Jensen 1992: 127). Das Prinzenpalais diente seit Mitte des 18. Jahrhunderts zunächst als Wohnsitz für das damalige Kronprinzenpaar. Die Lage des Gebäudes zwischen dem Regierungssitz Dänemarks und dem Rathaus der Stadt Kopenhagen sowie die prunkvolle Bauweise ließen es als Sitz für ein geplantes Nationalmuseum ideal erscheinen. Da das Gebäude jedoch nicht auf die Funktionen eines Museums ausgelegt war und die Sammlungen stetig wuchsen, wurde das Palais seit dem Einzug des Nationalmuseums zweimal umgebaut und vergrößert. Der erste Umbau fand Ende der 1920er Jahre statt, als das Nationalmuseum die Sammlungen des Dänischen Volksmuseums übernahm. Mit dem zweiten großen Umbau wurde das Gebäude modernisiert und die Ausstellungsflächen vergrößert (Kjær 2011). Der vierflügelige historische Altbau wurde jeweils durch Anbauten erweitert. Seit der Neueröffnung 1992 sind die Anbauten und der Altbau durch einen mit Glas überdachten und lichtdurchfluteten Innenhof verbunden. Die so geschaffene Halle fungiert als Eingangsbereich des Museums, in dem sich die zentrale Information und Kasse, die Garderobe und der Museumsshop befinden. Die Architektur des Eingangsbereichs erinnert an ein Atrium, von dem aus die Besucher*innen direkt beim Betreten des Gebäudes alle Etagen des Museums sehen

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können. Ebenso können sie jeweils von den Etagen aus über Balustraden nach unten in die Eingangshalle blicken. Zu den Etagen gelangen Besucher*innen über ein offenes Treppenhaus, von dem aus sie ebenfalls die Halle und die ganze Museumseinrichtung überblicken können. Durch diese offene Bauweise wird der Gedanke der universalen Geltung Dänemarks auch architektonisch gestützt. Es entsteht der Eindruck einer leichten Zugänglichkeit in die Ausstellungswelt mit all ihren Themen- und Sammlungsschwerpunkten. Dass die einzelnen Ausstellungen in den weit verzweigten Museumsräumlichkeiten eingerichtet sind, in denen häufig eine unübersichtliche Enge vorherrscht, lässt sich hier zunächst nicht vermuten.

MUSEALE ORDNUNGEN: DÄNEMARK UND DIE WELT Dem Gedanken des universalen Museums folgend umfasst das Museum verschiedene Abteilungen, die die über die Jahre zusammengeführten Sammlungen betreuen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Darüber hinaus fungiert das Museum als Trägerinstitution für verschiedene Anmuseen unterschiedlicher kulturhistorischer Ausrichtung sowie für Museumsschiffe, historische Gebäude und Gedenkorte, die in ganz Dänemark verteilt sind.57 Im Prinzenpalais, dem Hauptgebäude des Nationalmuseums, sind mehrere Dauerausstellungen eingerichtet. Neben der Präsentation einer Münz- und Medaillensammlung sowie einer Ausstellung zur Museumsgeschichte in historisch erhaltenen Palasträumlichkeiten bilden sieben Ausstellungen das Kernstück der Vermittlung Dänemarks als Land mit Weltgeltung. Drei der Ausstellungen zeigen die dänische Geschichte von der Urzeit bis ins Jahr 2000 und drei Ausstellungen sind in unterschiedlichen Weisen einer Weltgeschichte gewidmet. In einem Kindermuseum werden die Präsentationen von Dänemark und der Welt zusammengeführt. Es enthält sowohl Nachbildungen von Objekten aus den Ausstellungen zur dänischen Geschichte als auch aus den ethnografischen Sammlungen. Laut Informationen auf der Website des Museums sollen Kinder hier die Möglichkeit erhalten, auszuprobieren, wie Menschen vor hunderten von Jahren gelebt haben oder in anderen Ländern der Welt leben (Natmus online 2018c). Die Gegenwart Dänemarks ist hingegen nicht Teil dieser Ausstellung. Diese Zusammenführung von dänischer Vergangenheit und dem gegenwärtigen Leben in ‚anderen‘ Ländern führt jedoch zu einer für das Museum programmatischen und,

57 Für mehr Informationen zu den einzelnen Museen, die zum Nationalmuseum gehören vgl. www.natmus.dk.

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aus meiner Sicht, problematischen Gleichsetzung der ‚eigenen‘ dänischen Vergangenheit und der gegenwärtigen Lebensweisen in ‚anderen‘ Ländern, die das Leben in anderen Ländern als rückständig gegenüber einer dänischen Gegenwart bestimmt. In den Ausstellungen der ethnografischen Sammlung „Etnografiske Skatkamre“ (Ethnografische Schatzkammer) und „Jordens Folk“ (‚Völker‘ 58 der Welt) wird deutlich, dass die nationale Konstruktion Dänemarks bis heute weit über die territorialen Landesgrenzen hinausgeht. Die Sammlung der ethnografischen Artefakte begann bereits im 17. Jahrhundert und ist zu einem großen Teil Ergebnis der dänischen Kolonialzeit. Eine weitere Ausstellung, mit der das Museum Dänemark mit der Welt verknüpft, ist die Ausstellung der Antikensammlung, in der Objekte der arabischen, der griechischen, der römischen sowie der ägyptischen Antike zu sehen sind. Diese gelten jeweils als Ursprung der europäischen Zivilisation, der Dänemark mittels dieser Ausstellung zugeordnet wird. Während diese Ausstellungen die Exponate überwiegend klassifikatorisch und nach Herkunftsorten sortiert zeigen, sind die drei Ausstellungen zur dänischen Geschichte überwiegend chronologisch geordnet. Die Unterteilung der dänischen Geschichte in drei Ausstellungen, führt zu einer musealen Periodisierung der Geschichte in drei Zeitfenstern: • Dänemarks Ur- und Frühgeschichte von 12.500 v. Chr. bis 1050 n. Chr., • Dänemarks Mittelalter und Renaissance von 1050 n. Chr. bis 1660 sowie • Dänemarks Neuzeit und Zeitgeschichte von 1660 bis 2000.

Zusammen bilden diese Ausstellungen eine dänische Gesamtgeschichte, die rund 15.000 Jahre umfasst. In der Ausstellung zur dänischen Ur- und Frühgeschichte „Danmarks Oldtid“ können Besucher*innen Waffen, religiöse Kultgegenstände, Werkzeuge, Töpferwaren, Schmuck, Kleidungsüberreste sowie Steindenkmäler mit Runen besichtigen. Ein besonders wichtiger Teil dieser Ausstellung sind originale Objekte 58 Die Verwendung des Begriffs ‚Volk‘ in der deutschen Übersetzung folgt aus der direkten Übersetzung des dänischen Begriffs folk. Im Dänischen hat der Begriff – ähnlich wie beim englischen Wort people – verschiedene Bedeutungen. Er meint nicht nur ‚Volk‘ im Sinne einer „Volksgemeinschaft“, sondern wird auch mit der Bedeutung Nation, Bevölkerung, Menschen oder Leute verwendet. Im Kontext des Themas Nation/Nationalstaat kann sowohl ein ‚Volk‘ als national gedachtes Kollektiv gemeint sein als auch die Menschen oder die Bevölkerung. Eine Übersetzung mit dem im Deutschen eher verwendeten Begriff Bevölkerung würde daher nicht den gesamten möglichen Inhalt der dänischen Überschrift vermitteln.

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aus der Zeit der Wikinger, die als besonderer Bezugspunkt dänischer Identitätsbildung gelten und viele Besucher*innen anziehen. Eine Sonderausstellung über die Wikinger im Jahr 2013 führte zum Beispiel nahezu zu einer Verdoppelung der jährlichen Besuchszahlen des Nationalmuseums von im Schnitt ca. 400.000 Besucher*innen auf 728.000 Besucher*innen (Natmus online 2018a). Die Ausstellung über das Mittelalter und die Renaissance „Middelalder og Renæssance“ baut auf der Sammlung der königlichen Kunstkammer und Teilen des Museums für nordische Altertümer auf und zeigt Kunstwerke, kirchliche Interieurs, christlich-religiöse Objekte sowie Waffen, die in chronologischklassifikatorischer Form (an)geordnet sind. In der Ausstellung ist zudem eine Sammlung von Alltagsbekleidung aus der frühen Neuzeit zu sehen, die laut dem Museum in diesem Umfang einmalig ist und bei archäologischen Ausgrabungen gefunden wurden (Natmus online 2018b). Den Abschluss der musealen Geschichte Dänemarks bildet die Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ (Dänemarks Geschichten 1660-2000), die in dieser Arbeit für eine vertiefende Untersuchung ausgewählt wurde und in den folgenden Kapiteln ausführlicher vorgestellt wird. Den drei Ausstellungen liegt ein Fortschrittsnarrativ zu Grunde, welches bereits durch deren Positionierungen im Museumsgebäude vermittelt wird. Die drei Ausstellungen sind entsprechend der Chronologie im Erdgeschoss, in der ersten und in der zweiten Etage des Musemsgebäudes eingerichtet. Besucher*innen erleben dadurch die Besichtigung der ausgestellten Geschichte als Aufstieg in immer höhere Etagen, bei dem die Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ den Schlusspunkt sowie den narrativen und architektonischen Höhepunkt bildet.59

59 Vgl. hierzu auch Aronsson (2011: 40-42).

Danmarkshistorier 1660-2000: Die vielen Geschichten der Nation

Als die Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ 2001 eröffnet wurde, schloss das Nationalmuseum eine narrative Lücke in der Chronologie der musealen Geschichtskonstruktion von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Neben dem chronologischen Lückenschluss sollten mit dieser Ausstellung auch die Bestände des ehemaligen Dänischen Volksmuseums in einer Ausstellung zusammengefasst werden. Bis zu den Umbauarbeiten des Museums von 1988 bis 1992 waren diese in verschiedenen thematischen Ausstellungen zum Beispiel zum Handwerk oder über bürgerliche Interieurs zu sehen. Eine gemeinsame chronologische Zusammenstellung hatte es bis dato nicht gegeben (Vasstrøm et al. 2000: 136). Mit dem Ansinnen, eine durchgehende Chronologie dänischer Geschichte zu gestalten, folgte das Museum dem zu diesem Zeitpunkt in europäischen Museen verbreiteten Trend, der jeweiligen Bevölkerung mittels chronologischer Darstellungen eine Kontinuität der Zusammengehörigkeit zu vermitteln. Die Ausstellungskuratorin Annette Vasstrøm bestätigt diese Überlegung und erläutert, dass gerade von einer Ausstellung zur Zeitgeschichte bessere Möglichkeiten zur Identifikation erwartet wurden (Vasstrøm et al. 2000: 133). Vor diesem Hintergrund werde ich die Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ im Folgenden auf die darin enthaltenen Konstruktionen von Nation im Kontext der musealen Geschichtsvermittlungen untersuchen.

VOM VOLKSKUNDLICHEN SAMMELN ZUR AUSSTELLUNG VON ALLTAGSGESCHICHTE Da für die Gestaltung der Ausstellung der Auftrag bestand, die Sammlungsbestände des ehemaligen Dänischen Volksmuseums und deren Erweiterung seit der

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Überführung in das Nationalmuseum in einer chronologischen Ausstellung sichtbar zu machen, soll zunächst ein Überblick über die Sammlungsgeschichte und -praxen gegeben werden, um im Anschluss die daraus entwickelte Konzeption der Ausstellung entsprechend ihrer historischen Verortung beleuchten zu können. Wie das Nationalmuseum selbst hat auch die Sammlung zur dänischen Neuzeit und Zeitgeschichte eine längere Geschichte und beginnt bereits 1879. Zu dieser Zeit wurde in Kopenhagen eine große Kunst- und Industrieausstellung mit Objekten aus den zum damaligen Zeitpunkt letzten drei Jahrhunderten geplant. Der damalige Direktor des ebenfalls im Zentrum von Kopenhagen liegenden Vergnügungsparks Tivoli60, Bernhard Olsen (1836-1922), schlug vor, einen Ausstellungsbereich zur dänischen Agrargesellschaft zusammenzustellen (Rasmussen 1979: 299f.). Olsens Pläne stimmten mit dem damaligen Zeitgeist überein, Ausstellungen und Messen zur Repräsentation der Nationen einzurichten, und griffen ein Nationenbild auf, welches vor dem Hintergrund von Urbanisierung, Industrialisierung und Beschleunigung das einfache ländliche Leben als Quelle von Tradition und gemeinschaftlichem Zusammenleben bestimmte (Blom 2000: 11). In solchen Musealisierungen verbinden sich zwei Prozesse. Das Musealisierte wird zum einen als Vergangenes festgeschrieben und zum anderen als erinnerungswürdig bestimmt. Roswitha Muttenthaler hat dies als fortdauernde Prozesse beschrieben. Im Kontext der Industrialisierung fanden, wie in Dänemark durch Olsen vorangetrieben, die Lebenswelten der Agrargesellschaft ihren Eingang in Museen, während in Zeiten der Entstehung einer Dienstleistungsgesellschaft Einrichtungen von Industriemuseen boomten (Muttenthaler/Wonisch 2010: 90). Die Personalie Olsen verkörpert zwei Institutionen, die den Wandel und Übergang von der Agrargesellschaft zur national vergemeinschafteten Industriegesellschaft aktiv gestalteten. Als Leiter eines Freizeitparks und als zukünftiger Museumsdirektor verband Olsen Institutionen, die im 19. Jahrhundert zur Disziplinierung einer bürgerlichen Gesellschaft hinsichtlich nationaler Interessen entstanden. Beide Institutionen können laut Tony Bennett als Orte des „organisierten Gehens“ gedeutet werden, an denen das Publikum beim Durchlaufen eines vorgegebenen Parcours neue Verhaltens- und Denkweisen lernen sollte (Bennett 1995: 6). Für seine Ausstellungspläne konnte sich Olsen somit auf Erfahrungen aus seiner Arbeit im Tivolipark stützen und eine bildende und zugleich unterhaltsame Ausstellung konzipieren. Er plante für seinen Ausstellungsbereich auf der Kunst- und Industriemesse, nicht einfach Objekte 60 Tivoli ist ein international bekannter Vergnügungs- und Freizeitpark, der 1843 eröffnet wurde.

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klassifikatorisch in Vitrinen auszustellen, sondern ganze Rauminterieurs zu gestalten. So sollte das Publikum einen lebendigen Eindruck von Objektumgebungen und Objektgebrauch erlangen (Rasmussen 1979: 299). Da die Ausstellung auf der Kunst- und Industriemesse zeitlich begrenzt war, bemühte sich Olsen zunächst nur um Leihgaben. Mittels Aufrufe in Zeitungen und Zeitschriften sowie Rundschreiben an Personen, die in ihren Orten und Dörfern Einfluss hatten, rief er dazu auf, ihm geeignete Ausstellungsstücke zukommen zu lassen. Bald verfolgte er jedoch das Ziel, ein nationales volkskundliches Museum einzurichten, in dem eine vermeintlich dänische ‚Volkskultur‘ bewahrt und ausgestellt werden sollte. Dazu wollte er nicht nur einzelne Gegenstände sammeln und ausstellen, sondern auch ganze Räume und Gebäude aus den verschiedenen Regionen Dänemarks (Rasmussen 1966b: 8). Nachdem die von Olsen aufgebauten Interieurs auf der Kunst- und Industrieausstellung 1879 in der Öffentlichkeit großen Anklang gefunden hatten, zeigten die zuständigen Entscheidungsträger*innen der Politik großes Interesse an Olsens Plänen für ein nationales Volksmuseum. Nach kurzer Planungszeit wurde die bis dahin private Sammlung Olsens 1881 in ein öffentliches Museum mit dem Namen Dansk Folkemuseum (Dänisches Volksmuseum) umgewandelt. Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeiten Olsens wurden neben privaten Geldern und Spenden nun auch durch staatliche Mittel mitfinanziert (ebd.: 10). Die Sammlung wuchs schnell an und die Pläne, auch ganze Häuser zu musealisieren, erforderten einen Ort mit viel Platz und Außenflächen. 1897 fand sich ein Gelände in Lyngby, wo ein Freilichtmuseum (Frilandsmuseet) als Teil des Volksmuseums eingerichtet werden konnte, welches bis heute besteht (Rasmussen 1979: 302). Olsens Verständnis der dänischen Nation ging über die damaligen Staatsgrenzen Dänemarks hinaus und prägte die Sammlungspraxis. Er folgte einer räumlichen Verortung der Nation entsprechend Dänemarks Größe im 17. und 18. Jahrhundert, als Dänemark noch eine Weltmacht war und weite Teile Skandinaviens sowie Schleswig und Holstein zu Dänemark gehörten. Dementsprechend sammelte er auch Gegenstände, Interieurs und ganze Farmhäuser aus Regionen, wie Halland, Blekinge und Schonen sowie Schleswig und Holstein. Seine Sammlungsbestrebungen und Ausstellungsziele erklärte Olsen zu diesem Zeitpunkt wie folgt: „Meine Absicht mit dem Museum war, das versäumte [sic, L.S.] und verfälschte [sic, L.S.] wieder gut zu machen, und bei der Auswahl der bäuerlichen Gebäude im Freilichtmuseum in Lyngby habe ich versucht, nicht nur den Faden der Entwicklung des Hauses vom Herd zum gemauerten Schornstein zu zeigen, sondern

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sie sind aus den verlorenen Ländern hergeholt, nicht nur weil die primitivsten Typen dort zu finden waren, sondern auch weil die hiesige Jugend über alles belehrt werden soll, das einmal zu Dänemark gehörte, im Gedächtnis das Verlorene behalten und den Weg für die geistige Sammlung des Zerstreuten bereiten soll, welches die einzige Form einer Wiedervereinigung ist, die ich voraussehen kann.“ (Olsen 1906, zit. nach Rasmussen 1979: 302)

Der Gedanke, mit einem Museum vergangene Zeiten und territoriale Ansprüche weiter aufrecht zu erhalten und damit zu vergegenwärtigen, spielte bei seinen Planungen deutlich mit. Das Ziel, für die Zukunft zu sammeln, um alte Zustände zumindest symbolisch wiederherzustellen und einen gemeinsamen Identitätsrahmen für zukünftige Generationen zu schaffen, ist bis heute ein wesentlicher Beweggrund museumspolitischer Bestrebungen. In der Gründungsphase des DHM betonten Kohl und sein Berater Michael Stürmer zum Beispiel ebenfalls die Rolle, die das Erinnern an die Vergangenheit für zukünftige Entwicklungen habe.61 Die breitgefächerten Sammlungsaktivitäten des Dänischen Volksmuseums entsprachen der Idee des Nationalmuseums, welches die Nation als alle Schichten betreffend und universalgültig repräsentieren wollte. Mit der 1920 beschlossenen Angliederung des Dänischen Volksmuseums inklusive des Freilichtmuseums an das Nationalmuseum verfolgte das zuständige Ministerium entsprechend das Ziel, die Sammlungen des Nationalmuseums um Sammlungsbestände zu Lebens- und Arbeitsverhältnissen in Dänemark von 1660 bis zur Zeit der ersten dänischen Verfassung 1848 zu erweitern und eine schon damals bestehende zeitliche Lücke zwischen den Sammlungsbeständen des Museums für nordische Altertümer und der Königlichen Kunstsammlung zu schließen. Hatte das Volksmuseum bis zu diesem Zeitpunkt seinen Sammlungsschwerpunkt auf das Leben der dänischen Agrargesellschaft gelegt, sollte nun entsprechend des Anspruchs, die Gesellschaft vollständig abbilden zu können, zu allen sozialen Schichten gesammelt werden. Die Sammlung wurde auf Gegenstände aus dem Zunft- und Handwerkswesen, dem Bürgertum und Handel sowie dem Adel und Klerus ausgeweitet (Rasmussen 1979: 301) und bis Ende der 1980er Jahre ausschließlich in unterschiedlichen thematisch-klassifikatorischen Ausstellungen ausgestellt, wie zum Beispiel über die Bauernkultur oder das bürgerliche Leben (Vasstrøm 2004: 85). Nach dem Umbau des Nationalmuseums Ende der 1980er Jahre blieben diese Sammlungsbestände fast zehn Jahre im Magazin und konnten nicht besichtigt 61 Vgl. das Kapitel zu den Institutionellen (Be-)Deutungen des DHM.

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werden. Die Einrichtung einer chronologischen Ausstellung aus diesen Beständen gehörte zu den Erneuerungsplänen, die die Egmont Stiftung initiiert hatte. Das Ziel der Konzeptionsarbeit war es, die Sammlungsbestände zur dänischen Neuzeit und Zeitgeschichte in einer chronologischen Ausstellung zur Geschichte Dänemarks von 1660 bis in die Gegenwart wieder sichtbar zu machen (Vasstrøm et al. 2000: 133f.). Die Ausstellungseinrichtung muss allerdings auch als ein Teil der Aushandlungen eines ‚Dänisch-Seins‘ im Kontext der Neuausrichtungen Europas nach dem Kalten Krieg und einer zunehmenden Europäisierung verstanden werden, wie sich in der folgenden Betrachtung der Konzeption und der Reaktionen der Öffentlichkeit zeigt. Für die Konzeption der Dauerausstellung stellte das Museum 1998 die Ethnologin Annette Vasstrøm ein, die zuvor im Arbejdermuseum (Arbeitermuseum) angestellt war (Vasstrøm et al. 2000: 134). Zusammen mit einem kleinen Team erarbeitete sie in der Zeit von 1998 bis 2000 das Konzept für die neue Ausstellung. Dabei wurde das Team von einem wissenschaftlichen Beirat beraten, der aus Historiker*innen und Ethnolog*innen dänischer Universitäten bestand (Vasstrøm 2004: 89-91). Ebenso wie die volkskundliche Ausrichtung der Sammlung prägten Vasstrøms volkskundlicher Hintergrund sowie ihre Spezialisierung auf die Geschichte der Arbeiterbewegung die Ausstellungskonzeption: Lebensweisen und Arbeit in unterschiedlichen Zeiten und sozialen Schichten sind zwei große Themen der Ausstellung. Bereits der Titel der Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“62 ist programmatisch. Die Bezeichnung „Danmarkshistorier“ ist eine Abwandlung des Standardnamens für die dänische Geschichte. Während die dänische Geschichte allgemein als „Danmarkshistorie“ bezeichnet wird, verweist das R am Ende des Wortes „Danmarkshistorier“ im Ausstellungstitel auf den Plural. Diese Abwandlung des Namens für die dänische Geschichte soll darauf verweisen, dass nicht eine große Geschichte gezeigt wird, sondern viele Geschichten von Menschen unterschiedlicher Zeiten, unterschiedlicher Herkunft und sozialer Zugehörigkeit. So wird betont, dass die gezeigten Geschichten alle in Dänemark lebenden Menschen betreffen (Nationalmuseet 2003: 10). Als Grundlage der Ausstellungskonzeption zog Vasstrøm eine Theorie zur Gesellschaftsanalyse heran. Der „Lebensformentheorie“ des dänischen Ethnologen Thomas Højrup63 folgend wurde die Ausstellung rund um die Frage nach der Auswirkung von Staatsformen auf gesellschaftliche Strukturen und das Leben von Individuen konzipiert (Vasstrøm 62 Im Folgenden auch in der Kurzform „Danmarkshistorier“ genannt. 63 Thomas Højrup ist Professor für Ethnologie an der Universität Kopenhagen und beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit Konzepten von Lebensformen. Dabei untersucht er, wie sich Staatswesen und Gesellschaft gegenseitig prägen (Højrup 1995).

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2004: 88). Anstatt die Bedeutung einzelner Politiker*innen und Herrscher*innen für staatliche Entwicklungen hervorzuheben, will die Ausstellung den Fokus auf ein Zusammenspiel von Staat und Individuum legen. Im Ausstellungsführer wird dazu erklärt, dass Staats- und Alltagsgeschichte miteinander verwoben seien und als Einheit betrachtet werden müssten (Nationalmuseet 2003: 6). Das Konzept, vielfältige Geschichten auszustellen statt einer großen Staatsgeschichte, wird mittels einer alltagsgeschichtlichen Ausrichtung umgesetzt. Innerhalb dieser Alltagsgeschichte sind Vergleiche von Lebensweisen in unterschiedlichen Ständen/ Klassen/Schichten oder zwischen Stadt- und Landbewohner*innen sowie Vergleiche zwischen Männern und Frauen ein prägendes Motiv. Geschlechterfragen spielten, laut Vasstrøm, allerdings keine gesonderte Rolle in der Ausstellungsplanung. Sie verwies in einem Gespräch mit mir darauf, dass die Ausstellung keine reine Politikgeschichte oder Geschichte großer Männer sein sollte und bei einer alltagsgeschichtlich angelegten Ausstellung das Leben und Handeln von Frauen automatisch eine bedeutsame Rolle spiele (Vasstrøm 2012a). Wie sich diese Vorgehensweise in der Ausstellung hinsichtlich musealer Geschlechterkonstruktionen auswirkt, wird in der weiteren Analyse zu prüfen sein. Ebenso muss nach Ausschlüssen gefragt werden, die durch ein Konzept entstehen, welches staatliche und gesellschaftliche Bedingungen für das Leben von Individuen als Grundlage für die Auswahl der zu-sehen-gegebenen Lebensweisen setzt. In der Idee die Lebensweisen von Individuen zu vermitteln, die innerhalb einer bestimmten Regierungs- und Staatsform anerkannt waren, sehe ich eine Engführung des Ansatzes vielfältige Geschichten auszustellen. Identitäten, die ausgegrenzt oder unter anderen Zuordnungen als heute bekannt waren, werden dabei unsichtbar gemacht. Im Gespräch mit Vasstrøm verdeutlichte sich diese Überlegung. Gefragt nach der Relevanz beziehungsweise Berücksichtigung von Lebensgeschichten, die nicht innerhalb heteronormativer Ordnungen verliefen, antwortete sie, dass zum Beispiel Homosexualität erst ausgestellt werden kann, wenn diese in einer Gesellschaft als solche benannt wird und verweist auf die Darstellung der Schwulenbewegung und der ersten staatlich geschlossenen schwulen Partnerschaft in den 1980er Jahren im letzten Raum der Ausstellung (NM: R 237) (Vasstrøm 2012a). Dass es auch zu früheren Zeiten gleichge-

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schlechtliche Beziehungen gab, die jedoch nicht unter der Bezeichnung Homosexualität liefen64, wird dadurch unsichtbar gemacht.

DIE AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG: GESCHICHTEN FÜR KÖNIGIN UND ALLGEMEINHEIT Zur Eröffnungsfeier der Dauerausstellung „Danmarkshistorier“ im Dezember 2001 war, wie bei allen Neueröffnungen von Dauerausstellungen im Nationalmuseum, die königliche Familie anwesend. In diesem Falle vertreten durch die dänische Königin Margarethe selbst sowie ihren Mann Prinz Henrik. Der damalige Kulturminister Brian Mikkelsen hielt eine Eröffnungsrede und es gab eine erste Führung für die Staatsgäste, die Museumsdirektion, die Kurator*innen der Ausstellung und die Presse. Der Ausstellung wurde dadurch Anerkennung seitens der Politik ausgesprochen. Das Eröffnungsprogramm für die Öffentlichkeit wurde entsprechend der alltagsgeschichtlichen Ausrichtung der Ausstellung und dem Anspruch, die ganze dänische Gesellschaft zu repräsentieren sowie als Publikum anzusprechen, nicht als hochkulturelles Bildungsangebot, sondern alltags- und popkulturell gestaltet. Während es für die Staatsgäste ein Buffet und Wein gab, wurden den Besucher*innen wie auf einem Jahrmarkt oder Volksfest Würstchen und Bier angeboten. Der Auftritt der dänischen Popband TV-2, die vor allem wegen ihrer dänischsprachigen Texte beliebt ist, verdeutlicht allerdings, dass diese Allgemein-

64 Für einen Überblick über eine Geschichte gleichgeschlechtlicher Liebe auch mit Verweisen auf Dänemark vgl. den von Robert Aldrich herausgegebenen Band „Gleich und Anders. Eine globale Geschichte der Homosexualität“ (2007). In einem Artikel wird dort unter anderem die Geschichte von Axel und Eigil Axgil beschrieben, die in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ in einer Vitrine über die 1980er Jahre als weltweit erstes homosexuelles Paar, welches standesamtlich heiraten konnte, vorgestellt werden. In dem Artikel wird erläutert, dass sie bereits seit den 1940er Jahren für gleiche Rechte Homosexueller kämpften und seit den 1950er Jahren einen gemeinsamen Nachnamen führten (Hekma 2007: 360-362). Homosexualität hätte in der Ausstellung somit bereits früher thematisiert werden können. Die Ausstellung nutzt die Präsentation der Hochzeit hingegen, um Dänemark als fortschrittlichen Staat zu repräsentieren und nicht um gleichgeschlechtliche Liebe als eine von vielen Lebensformen zu thematisieren.

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heit vom Museum in erster Linie als ein dänischsprachiges Publikum gedacht wird.65

REAKTIONEN DER (FACH-)ÖFFENTLICHKEIT Eine Presseführung zur Ausstellungseröffnung bewirkte eine breite Berichterstattung rund um den Eröffnungstermin. Das Medienecho war größer, als es bis dahin bei neuen Ausstellungen der Fall gewesen war. Vasstrøm führt dieses gesteigerte Interesse zum einen auf zunehmende nationalistische Strömungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Dänemark zurück, 66 was die Bedeutung einer national-historischen Ausstellung für nationale Kollektivbildungen und Identitätsentwürfe verdeutlicht. Zum anderen erläutert sie, dass es im Vorfeld der Eröffnung eine Ausgabe der hauseigenen Zeitschrift nyt (Neuigkeiten aus dem Museum) gab, die sich ausschließlich mit der neuen Ausstellung befasste. Zudem habe der Fernsehkanal DR267 im Vorfeld der Eröffnung ein Abendprogramm ausgestrahlt, in dem es um Dänemark und ein ‚Dänisch-Sein‘ ging. In dieser Sendung sei ausführlich über die Ausstellung berichtet worden. Neben diesen beiden Berichten gab es sechs weitere Ausstellungsbesprechungen, die bereits vor der Eröffnung in der überregionalen Presse erschienen sind, so dass die Öffentlichkeit zum Zeitpunkt der Eröffnung bereits über die Inhalte der Ausstellung informiert war (Vasstrøm 2004: 101). Diese Vorabkritiken bezogen sich vor allem auf Informationen aus dem Ausstellungsführer und sind, laut Vasstrøm, durchwachsen gewesen. Während sich die meisten Berichte zwar positiv über die große Anzahl von originalen Exponaten geäußert hätten, seien inhaltliche Besprechungen von Historiker*innen und Museumsexpert*innen eher kritisch ausgefallen (ebd.: 101f.). Eine im Zusammenhang mit meiner Arbeit besonders interessante Kritik kam von dem Historiker und Leiter des Museums Sønderborg Slot (Schloss Sonder-

65 Die Informationen über die Eröffnungsfeierlichkeiten erhielt ich von der Ausstellungskuratorin Annette Vasstrøm auf Nachfrage per Email (27.06.2013). 66 Von 2001, dem Jahr der Ausstellungseröffnung, bis 2011 war zum Beispiel die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti) an einer Minderheitenregierung beteiligt. 67 DR2 ist ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender, der 1996 sein Programm startete und zunächst nur über Kabel und Satellit zu empfangen war. So auch zum Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung. Mit der Umstellung auf DVB-T 2006 änderte sich dies.

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burg)68 Thorkild Kjærgaard. In einem Artikel in der Wochenendzeitung Weekendavisen (29.11.2001) kritisierte er, dass die Auswahl vieler kleiner und filigraner Objekte, die er als ‚Mädchenkram‘ bezeichnete, und die vielen Darstellungen zur häuslichen Sphäre die Ausstellung feminisiere. Es fehle hingegen an großen Exponaten, wie zum Beispiel Industriemaschinen. Er betitelte seinen Artikel entsprechend mit dem Satz „Danmarkshistorien set med kvindeøjne“, was übersetzt bedeutet, Dänemarks Geschichte werde mit Frauenaugen gesehen. Der Schluss, viele kleine Objekte und die Darstellung der häuslichen Sphäre innerhalb einer Nationalgeschichte führten zu einer weiblichen Sicht auf die Geschichte, ist eine sehr verkürzte Sicht auf Geschlechterkonstruktionen – zumal die Vorstellung, es gebe eine spezifisch weibliche Sicht, ebenfalls problematisch ist. An dieser Kritik verdeutlicht sich jedoch, dass eine Geschichtsausstellung, die sich primär mit Nation befasst, immer auch gegendert wahrgenommen wird und bestimmte Objekte und Themen als männlich oder weiblich definiert werden.69 Darüber hinaus verdeutlichen die Kritik Kjærgaards und seine Forderung nach mehr großen Objekten, dass bestimmte Vorstellungen von Größe und Männlichkeit in nationalen Geschichtsdarstellungen als selbstverständlich gelten, wohingegen er kleine Objekte als feminin und unpassend für die Darstellung nationaler Geschichte bewertet. Implizit zeichnet sich in der Wahrnehmung, die Ausstellung sei überwiegend weiblich geprägt, auch ein Nicht-Wahrnehmen des Konzeptes der Vermittlung vielfältiger Geschichten ab. Ob Kjærgaard dieses ignorierte oder es in der Umsetzung nicht erkennbar ist, wird in der folgenden Ausstellungsuntersuchung zu prüfen sein. Neben den Kritiken der Fachwissenschaftler*innen gab es eine Vielzahl weiterer Berichte in der dänischen Presse, die unter anderem auch Besucher*innen nach der Besichtigung der Ausstellung zitierten. Sowohl die Zeitung Politiken als auch die Zeitung Jyllandsposten, die beiden auflagenstärksten Zeitungen Dänemarks, berichteten über die Ausstellung aus Sicht der Besucher*innen. Ein wichtiges Urteil war unter anderem, dass die Ausstellung sowohl für Erwachsene als auch für Kinder interessant sei. Obwohl es keine explizite Kinderausstellung sei, würden viele Möglichkeiten geboten, Kindern die Geschichte näher zu bringen. Es gebe in der Ausstellung viele Objekte, die sowohl das Leben von Erwachsenen als auch das Leben von Kindern veranschaulichten (Vasstrøm 2004: 103). Das Ziel der Ausstellungsmacher*innen, eine Ausstellung für alle Mitglie-

68 Das Museum in Schloss Sonderburg wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und widmet sich der Geschichte Süd-Jütlands und Nordschleswigs. 69 Siehe dazu auch meine Ausführungen zu Objektbedeutungen in dem Kapitel zu den Objekt(an)ordnungen in der Ausstellung „Danmarkshistorier“.

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der der Gesellschaft zu schaffen, scheint zumindest hinsichtlich generationaler Gruppen wie Erwachsene und Kinder erreicht worden zu sein.

Die Poesie der Ausstellung: ‚Wir‘ sind die Nation

Als Teil der drei Ausstellungen, die der Geschichte Dänemarks von der Urzeit bis zur Gegenwart gewidmet sind, bildet die Ausstellung „Danmarkshistorier“ den Abschluss der im Museum vermittelten dänischen Geschichte. Die Ausstellung befindet sich in der zweiten Etage des Altbaus des Prinzenpalais und ist in 37 häufig sehr kleinen Räumen mit insgesamt 1600 m² Fläche eingerichtet (Vasstrøm 2004: 86). Wie im DHM erstrecken sich die Räumlichkeiten der Ausstellung über vier Flügel des Gebäudes und bilden somit einen Rundgang. Die 340 Jahre Geschichte, die hier präsentiert werden, sind in drei Zeitabschnitte unterteilt: 1. Im Absolutismus (1660-1848), 2. ‚Volk‘ und Nation (1848-1915) 3. Die Wohlfahrtsgesellschaft (1915-2000).

Der Ausstellungsteil über die Zeit des Absolutismus bildet nicht nur den größten Zeitabschnitt der Ausstellung, er nimmt mit 23 Räumen (NM: R 202 - R 225) auch den größten Teil der Ausstellungfläche ein. Der Abschnitt über die Zeit der Nation ist in acht Räumen (NM: R 226 – R 233) untergebracht und der Abschnitt zur Zeitgeschichte ab 1915 befindet sich in vier Räumen (NM: R 234 - R237). Dass dieser Abschnitt im Verhältnis viel weniger Ausstellungsfläche einnimmt als die beiden anderen Abschnitte, wurde oft kritisiert (Vasstrøm 2004: 102f.). Während eines gemeinsamen Rundgangs durch die Ausstellung erklärte Vasstrøm jedoch, dass die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zusätzlich in ei-

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ner Ausstellung zur Industriegeschichte im Brede Værk (Brede Werk)70 sowie im Frihedsmuseum (Freiheitsmuseum)71 zu sehen sei (Vasstrøm 2012b). Hinweise zu diesen beiden Museen finden sich auch in der Ausstellung auf Texttafeln. Die Chronologie der Ausstellung mit der Zeit des Absolutismus zu beginnen, ist zum einen auf die Gesamtkonzeption der geschichtlichen Darstellung im Nationalmuseum zurück zu führen. Die Ausstellung schließt mit dem 17. Jahrhundert an das zeitliche Ende der Ausstellung zu Mittelalter und Renaissance an. Zum anderen ist dies die Zeit, die Bernhard Olsen als Anfangspunkt für die Sammlung des Dänischen Volksmuseums setzte. Hinsichtlich der Frage nach den damit verbundenen Nationenkonstruktionen ist es bedeutsam, dass die Ausstellung „Danmarkshistorier“ mit einer Zeit beginnt, in der Dänemark erstmalig zentral regiert wurde. Im Ausstellungsführer heißt es dazu, mit der Einführung einer absolutistischen Regierungsform sei die Grundlage für einen modernen Staat mit einem bürokratischen Verwaltungssystem gelegt worden (Nationalmuseet 2003: 8). Die Ausstellung setzt damit eine zentrale Regierung mit der Vorstellung eines als einheitlich gedachten Landes Dänemark gleich und führt nationalistische Bemühungen der Vereinheitlichung und Vermittlung eines Gemeinschaftsgefühls aus dem 19. Jahrhundert fort. Der zweite Zeitabschnitt über die Entstehung des dänischen Nationalstaats beginnt mit dem Jahr 1848 und damit mit einer Zeit, in der sich die dänischen Landesgrenzen verändert hatten sowie die konstitutionelle Monarchie den Absolutismus ablöste (ebd.: 148-152). In der Ausstellung wird die Einführung der konstitutionellen Monarchie als Beginn einer Demokratisierung beschrieben, die durch nationale und patriotische Bestrebungen nach mehr Mitgestaltungs- und Einflussmöglichkeiten vorangetrieben worden sei (NM: R 227, Demokratie und Vaterland). Als Anfangspunkt des dritten Ausstellungsabschnitts über die Entstehung und Entwicklungen des Wohlfahrtsstaates steht eine weitere Verfassungsänderung: die Einführung des Wahlrechts für Frauen und Bedienstete von 1915, die als weiterer Schritt im Demokratisierungsprozess Dänemarks bestimmt wird. Durch diese von der Ausstellung gesetzten Zäsuren wird das Narrativ einer zunehmenden Demokratisierung konzipiert, die mit der Zentralisierung und Ein70 Brede Werk ist ein historisches Fabrikgelände. Besucher*innen können die alten Fabrikgebäude, einige Arbeiter*innenwohnungen sowie die Villa der Inhaberfamilie besichtigen und Produktionsprozesse nachvollziehen (Natmus online 2018d). 71 Das Freiheitsmuseum war dem dänischen Widerstand gegen die deutsche Besetzung im Zweiten Weltkrieg gewidmet. 2013 ist das Museum bei einem Brand zerstört worden. Die Sammlung konnte zwar gerettet werden, das Gebäude musste jedoch abgerissen werden. Um das Museum neueinzurichten fand 2015 ein Architekturwettbewerb statt. Die Wiedereröffnung ist für Ende 2019 angekündigt (Natmus online 2018e).

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führung eines dänischen Staatswesens beginnt und mit der Vermittlung der Idee einer ‚vom-Staat-gut-versorgten Gesellschaft‘, in der alle Menschen mitgestalten können, ihren Höhepunkt und Abschluss findet. Trotz des Schwerpunktes auf Alltagsgeschichte, dient die Politik- und Staatsgeschichte als strukturierender Rahmen des Ausstellungsnarrativs. Im Folgenden soll anhand eines Rundgangs durch die Ausstellung ausführlicher gezeigt werden, welches Nationenbild durch die von einer Staatsgeschichte gerahmten Alltagsgeschichten und das Narrativ der vielfältigen Geschichten konzipiert wird. Hierbei steht der Eindruck, den ich als forschende Besucherin entlang des Ausstellungsrundgangs erlangte, im Vordergrund.

DIE AUSSTELLUNG ERLEBEN: AUF TUCHFÜHLUNG MIT DER VERGANGENHEIT Der Zugang zur Ausstellung „Danmarkshistorier“ ist vom Treppenhaus aus nicht direkt zu sehen. Erreichen Besucher*innen die zweite Etage müssen sie zunächst eine weitere kleine Treppe hochgehen, um zum Eingang der Ausstellung zu gelangen. An der Wand neben der Eingangstür sind auf blauem Grund der Name der Ausstellung sowie ein Streifen mit Bildern von verschiedenen Menschen angebracht. Als Besucherin bekomme ich hier schon einen Vorgeschmack auf die Ausstellungskonzeption der vielfältigen Geschichten. Die Bilder zeigen Menschen aus unterschiedlichen Zeiten, unterschiedlichen Alters sowie männliche und weibliche Personen. Im Unterschied zum DHM sind keine bekannten Persönlichkeiten abgebildet, sondern unbekannte und deutlich mehr weibliche Personen. Von diesem Teil des Treppenhauses führt ein kleiner Durchgang, der von einer Glastür unterteilt ist, in den ersten Ausstellungsraum. Die Ausstellung ist durch die Glastür von den restlichen Museumsräumlichkeiten abgetrennt, so dass das Durchschreiten der Tür eine Schwellensituation bildet, durch die ich von der Eingangshalle in die Ausstellung zur Neuzeit und Zeitgeschichte Dänemarks übertrete. In der Ausstellung angekommen, müssen sich die Augen zunächst an eine abgedunkelte Atmosphäre gewöhnen. Sie bildet einen starken Kontrast zu der taghellen Eingangshalle und deren weißgestrichenen Korridorfluren. Die Wände in dem ersten Ausstellungsraum (NM: R 201) sind in einem dunklen Grauton gestrichen, die Fenster sind durch Stellwände zugestellt und das Licht ist gedimmt. Ich habe den Eindruck, an einen von der Außenwelt abgetrennten Ort gekommen zu sein.

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Der ‚establishing shot‘ zu diesem Ausstellungseinstieg verweist erneut auf das Thema der vielfältigen Geschichten. Gegenüber der Tür stehen einige Stellwände, an denen verschiedene Gemälde und Fotografien angebracht sind (Abb. 16). Abbildung 16: Bildergalerie Dänische Porträts 1660-2000 (NM: R 201)

Foto: Lisa Spanka, September 2012

Die Gemälde und Fotografien wiederholen das Motiv der Vielfalt. In chronologischer Folge hängen links zunächst Gemälde und weiter rechts zunehmend Fotografien von Personen aus der Zeit von 1660 bis 2000. Auch hier sind Bilder von Älteren und Jüngeren, Erwachsenen und Kindern, reichen und armen Menschen zu sehen. Das Ausstellungsnarrativ der vielen Geschichten wird so personalisiert vermittelt. Für mich und meine Fragestellung ist besonders interessant, dass hier auf den ersten Blick ebenso viele männliche wie weibliche Personen zu sehen sind sowie Bilder von Personen, deren Geschlechtsidentität sich mir nicht anhand äußerer Merkmale erschließt. Im Zentrum dieser Porträtwand direkt gegenüber der Tür hängt zudem das Gemälde einer Schwarzen Frau, die ein weißes72 Kind auf dem Arm hält. Die Kleidung der Frau sowie die Bildbeschriftung weisen darauf hin, dass es sich um eine bedienstete Kinderfrau in einem bürger72 Für die Hervorhebung der Begriffe Schwarz und weiß durch Großschreibung und Kursivierung siehe Fußnote 7.

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lichen Haushalt des 19. Jahrhundert handelt, die Neky hieß (NM: R 201, Dänische Porträts 1660-2000, OT 9). Dieses Gemälde so zentral zu hängen lässt mich vermuten, dass in der Ausstellung auch Migrationsgeschichten eine Rolle spielen. Ich gehe zunächst davon aus, dass in dieser Ausstellung viele verschiedene Menschen und Lebensentwürfe – auch weibliche, bedienstete und nicht-weiße Personen sowie Personen deren Geschlechtsidentität nicht differenzierbar ist – als Teil der vermittelten Geschichten gezeigt werden. In wieweit dieser erste Eindruck zutrifft, werde ich in den folgenden Untersuchungen näher beleuchten. An dieser Stelle scheint es, als setze die Ausstellung die Forderungen feministischer und antirassistischer Akteur*innen nach mehr Sichtbarkeit in historischen Museen konsequent um. So eingestimmt blicke ich nach rechts, wo vier Vitrinen mit verschiedenen Exponaten stehen. Ihnen sind Texttafeln zugeordnet, auf denen die theoretische Konzeptionierung der Ausstellung vorgestellt wird. In Displaytexten mit den Überschriften „Unterschiedliche Leben“, „Geschichten Dänemarks“, „Bewahren oder Vergessen“ und „Staat und Gesellschaft“ (NM: R 201) erfahre ich, dass sowohl in der Vergangenheit als auch heute unterschiedliche Menschen in Dänemark lebten und leben, die die Gesellschaft und Geschichte prägten und prägen, dass es zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Formen der Geschichtsschreibung gab, dass Gegenstände keine feststehende Bedeutung haben, sondern je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen erlangen, und dass je nach gesellschaftlichem und historischem Zusammenhang unterschiedliche Dinge gesammelt und ausgestellt wurden.73 Neben einer Tür, die zum Ausstellungsrundgang führt, hängt eine weitere Texttafel mit dem Titel „Danmarkshistorier 1660-2000“ (ebd.). Hier wird eine Zusammenfassung der Konzeption und der Ziele der Ausstellung geboten. „Danmarkshistorier“ wird als eine Ausstellung vieler paralleler Geschichten, vieler unterschiedlicher Menschen bestimmt, deren Leben von unterschiedlichen Staatswesen gerahmt wurden. Sowohl in diesem Text als auch in der Vitrine zu den verschiedenen Lebensweisen fällt mir auf, dass mit binären Aufzählungen und Vergleichen gearbeitet wird. In dem Text der Einführungstafel heißt es zum Beispiel: „Königsporträt und Kaffeekanne, Antibabypille und Perücke, Jukebox und Weihnachtsschmuck […] erzählen Ge-

73 Bei einem abschließenden Besuch in der Ausstellung im Juli 2017 waren diese vier Vitrinen abgebaut. Einem Aushang zufolge soll in dem Eingangsraum stattdessen eine interaktive Station aufgebaut werden, bei der sich Besucher*innen Kostüme anziehen und sich selbst fotografieren können. Die Fotos sollen analog zur Porträtgalerie an die gegenüberliegende Wand projiziert werden. Besucher*innen können sich so selbst als Teil der dänischen Geschichte inszenieren.

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schichten über Alltag und Festtage über den dänischen Staat und die Nation sowie über verschiedene Lebensweisen.“ (ebd., Danmarkshistorier 1660-2000) In der Vitrine, die dem Thema „Unterschiedliche Leben“ gewidmet ist, sind Objekte zusammengestellt, die eben jene Vielfalt repräsentieren sollen. Diese Vielfalt wird ebenfalls in Form von binären Gegenüberstellungen wie Arm und Reich, Mann und Frau, Erwachsene und Kinder sowie Vergangenheit und Gegenwart vermittelt. Die Objekttexte ordnen die unterschiedlichen Exponate jeweils bestimmten Akteur*innen zu. So werden in einem Objekttext zum Beispiel eine Barbiepuppe aus den 1970er Jahren und eine Puppe aus 19. Jahrhundert als Mädchenspielzeug bestimmt (NM: R 201, Verschiedene Leben, OT 3). Durch die Gegenüberstellungen und Zuordnungen von Objekten zu Akteur*innen in diesem ersten Raum bekomme ich den Eindruck, dass die vielen dänischen Geschichten, die in der Ausstellung gezeigt werden, vor allem Geschichten der Differenzen sind. Neben diesen Überlegungen zur inhaltlichen Ausrichtung der Ausstellung bin ich ein wenig überwältig von der Menge der unterschiedlichen Zugänge, mittels derer mir das Ziel der Ausstellung, Vielfalt zu zeigen, vermittelt wird. Die Porträtgalerie, die Vitrine mit den vielen dänischen Geschichtsbüchern, die Vitrine mit den Exponaten zur Sammlungs- und Bedeutungsgeschichte von Objekten, die Vitrine mit den unterschiedlichen Exponaten zur Repräsentation verschiedener Lebensweisen sowie die Vitrine mit den Exponaten zu unterschiedlichen Staats- und Regierungsformen vermitteln verschiedene Komponenten, die laut Ausstellung zu einer Geschichtspluralität führen: Geschichtsschreibung, Lebensgeschichten, Lebensweisen, Sammlungspraxen und Bedeutungszusammenhänge sowie Staatsformen. Die Ausstellungsmacher*innen legen den Besucher*innen vor dem Rundgang durch die Geschichte einen reflektierenden Umgang mit Geschichte und musealer Praxis nahe, der die als national konzipierten Geschichten weniger normativ erscheinen lässt.

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In der linken Hälfte des Raumes befindet sich eine buntbemalte Holzhütte, die laut Objekttext aus der autonomen Siedlung „Freistadt Christiania“ 74 in Kopenhagen stammt und 2003, als die Siedlung von einer Räumung bedroht war, dem Museum gespendet wurde (NM: R 201, Ryg med hjem75). In der Hütte liegen Nachbildungen von Haschisch sowie Utensilien zum Haschischkonsum, wodurch auf den offenen Umgang mit Drogenkonsum in Christiania hingewiesen wird. Durch die Positionierung der Hütte in dem Einführungsraum wird eine Ausstellungspolitik repräsentiert, die alle Lebensweisen – auch deviante oder staatskritische – in das Narrativ der vielfältigen Geschichten miteinbezieht. So wird ein tolerantes und inklusives Konzept von Nation vermittelt, welches der Historiker Uffe Østergaard als wesentlich für dänische Identitätskonstruktionen beschreibt (Østergaard 2000). Von diesem Einführungsraum aus ist die Ausstellung in zwei Richtungen begehbar. Besucher*innen können in chronologischer Laufrichtung von dem Jahr 1660 bis zum Jahr 2000 durch die Ausstellung gehen oder den Rundgang mit dem Jahr 2000 beginnen und rückwärts durchlaufen. Gekennzeichnet sind diese Laufrichtungen durch Beschriftungen über den Türrahmen. Auch wenn die Ausstellung in zwei Richtungen zu durchlaufen ist, legen eine Raumnummerierung und Pfeilschilder, die an Türrahmen und Durchgängen der Ausstellungsräume angebracht sind, eine chronologische Laufrichtung nahe. Zusätzlich zu diesen Hinweisschildern gibt es in regelmäßigen Abständen einen Übersichtsplan, der die Raumfolge des Rundgangs zeigt. Der Raum, in dem sich die Besucher*innen gerade befinden, ist jeweils rot markiert. Dieser Ausstellungsplan 74 Die „Freistadt Christiania“ wurde 1971 auf einem ehemaligen Kasernengelände in Kopenhagen als alternative Wohnsiedlung gegründet. Das leerstehende Gelände wurde zunächst von Anwohner*innen der umliegenden Viertel als Spielplatz genutzt. Aus Protest gegen Wohnungsmangel wurde das Gelände in der Folge von alternativen Gruppen besetzt. Über die Grenzen Dänemarks hinaus ist Christiania als Touristenattraktion bekannt, da hier unter dem Dach einer selbstverwalteten Gemeinschaft mit eigenen Gesetzen Marihuana frei verkauft wird. Seit der Gründung Christianias schwankt der Umgang der Stadtpolitik Kopenhagens – gerade auch wegen des liberalen Umgangs mit Drogen – zwischen Akzeptanz und Räumungsdrohungen (Elmegaard Bladt 2015). Die in der Ausstellung aufgebaute Hütte ist eine Verkaufshütte für Marihuana. 75 Bei diesem Displaytitel handelt es sich um ein Zitat. „Ryg med hjem“ ist ein Schriftzug, der sich auf der Hütte befindet. Es lässt sich nicht genau übersetzen, da es sich um ein umgangssprachliches Wortspiel handelt. Sinngemäß heißt es in etwa: „Rauch(en) zum Mitnehmen“ und bezieht sich auf den Haschichverkauf, der in dieser Hütte stattfand.

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veranschaulicht, dass die Ausstellung in vielen, häufig sehr kleinen Einzelräumen untergebracht ist, durch die die Besucher*innen der Reihe nach laufen müssen. Nur fünf der 37 Räume zweigen von dem Rundgang ab. Diese Räume sind durch die Raumstruktur des Gebäudes vorgegeben. Die Ausstellungsmacher *innen haben hier inhaltliche Vertiefungen platziert; so zum Beispiel einen Raum zum Strafsystem im Absolutismus mit unterschiedlichen Folter- und Strafinstrumenten (NM: R 206), einen Raum über eine Agrarreform im 17. Jahrhundert (NM: R 209) oder die Rückseite einer ausgestellten bürgerlichen Stadtwohnung (NM: R 217). Aufgrund der architektonischen Bedingungen des Gebäudes gehe ich weniger von expliziten inhaltlichen Verdrängungen oder Hervorhebungen bestimmter Themen durch ihre Platzierungen an Haupt- oder Nebenwegen aus, wie sie im DHM gesetzt wurden. Bei den detaillierteren Untersuchungen muss allerdings auf andere Hervorhebungen geachtet werden, wie zum Beispiel besondere Beleuchtungen oder an welcher Stelle Displays entlang des Rundgangs positioniert sind. Durch die vielen kleinen Ausstellungsräume, die zudem in der Regel sehr dicht mit Vitrinen und Exponaten bestückt sind, wirkt der Rundgang oft unübersichtlich. Das Raumgefühl unterscheidet sich stark von der weitläufigen und hellen Ausstellungsarchitektur im DHM, wo überwiegend der Eindruck eines Durchschreitens und Wandelns durch die Geschichte entsteht. Statt der geräumigen Herrschaftsgeste des DHM drückt sich das Narrativ der Alltagsgeschichten in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ durch eine oft unübersichtliche Kleinteiligkeit aus, die bei Besucher*innen ein Gefühl der Orientierungslosigkeit hervorrufen kann – auch ich hatte noch nach mehreren Besuchen und guter Kenntnis der Raumfolgen manchmal das Gefühl, der Rundgang würde nie enden. Dieser Eindruck entsteht zudem dadurch, dass es kaum Möglichkeiten gibt, den Rundgang vorzeitig zu verlassen. Nur in dem Abschnitt zum Wohlfahrtsstaat gibt es in zwei Räumen Ausgänge, die in eine angrenzende kleine Ausstellung über Spielzeug führen und von da zurück ins Treppenhaus. Auf dem Raumplan in der Ausstellung ist dies jedoch nicht gekennzeichnet. Diese Spielzeugausstellung ist in das Narrativ der Ausstellung „Danmarkshistorier“ eingebunden. In den Räumen 235 und 236 werden die 1920er bis 1940er Jahre präsentiert und eine beginnende Freizeit- und Konsumkultur vermittelt. Die Spielzeugausstellung besteht aus zwei Räumen. In einem Raum sind Puppenhäuser aus dem 19. Jahrhundert zu sehen, der andere Raum ist so eingerichtet, dass Besucher*innen in einer Art Spielwarenladen stehen, in dem Spielzeuge aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu sehen sind. Die Thematik der aufkommenden Konsum- und Freizeitgesellschaft wird in der Ausstellung mit der Inszenierung eines Konsumorts zusätzlich veranschaulicht: dem Spielwaren-

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laden. Wer den Rundgang rückwärts durchläuft und mit dem Jahr 2000 beginnt, hat die Möglichkeit, nur die Abschnitte zum Wohlfahrtsstaat zu besichtigen und den Rundgang mit der Spielzeugausstellung zu beenden. Ein Rundgang in chronologischer Richtung zwingt die Besucher*innen hingegen, die Ausstellung fast bis zum Ende zu durchlaufen. Da diese Ausgänge und die Spielzeugausstellung auf den Raumplänen nicht abgebildet sind, ist anzunehmen, dass Besucher*innen nur durch Zufall auf diese Ausgänge stoßen. Problematisch an diesem Raumkonzept ist nicht nur eine mögliche Überforderung von Besucher*innen. Durch die durchgehende Raumabfolge entlang eines einzigen Rundwegs wird der Eindruck erweckt, die Geschichte verlaufe in einer ungebrochenen Kontinuität, an deren Ende das Leben im Wohlfahrtsstaat wie ein ‚Happy End‘ erscheint. Nach diesen Überlegungen zum Raumkonzept der Ausstellung werden im Folgenden anhand meiner Eindrücke vom Durchlaufen der Ausstellung weitere Überlegungen zur inhaltlichen Gestaltung der Ausstellung aufgezeigt. Ich habe den Rundgang durch die ausgestellte Geschichte in chronologischer Folge mit dem Jahr 1660 begonnen. Von dem Einführungsraum geht es durch eine weitere Glastür in den Rundgang durch die ausgestellte Geschichte (NM: R 202). Dadurch gibt es eine zweite Schwellensituation, die einen Übergang von den theoretischen Einführungen zur musealen Praxis sowie zur Geschichtskonstruktion im ersten Raum (NM: R 201) zu den nun folgenden Geschichtsdarstellungen entlang des Rundgangs markiert. Im Rundgang angekommen stehe ich zunächst auf einer Treppe und blicke hinab in den Ausstellungsraum (Abb. 17). Ein zweiter ‚establishing shot‘ bietet einen anderen Eindruck als der aus dem Einführungsraum. Eine Vielzahl von Vitrinen ist so aufgebaut, dass nur ein recht schmaler Weg im Zick-Zack durch den Raum führt. In den Vitrinen befinden sich jeweils eine große Menge an Exponaten, die auf den Vitrinenböden, auf Zwischenböden und an den Rückwänden befestigt oder mit Halterungen so angebracht sind, dass sie frei in der Vitrine schweben. Eine Texttafel mit dem Titel „Krieg in Dänemark 1660-1720“ (NM: R 202) hängt direkt gegenüber dem Treppenabgang. In dem Text erfahre ich, dass Dänemark nach einem Krieg mit Schweden in der Zeit von 1657-1660 Gebietsverluste erlebte und auf Grund hoher Militärausgaben sowie Plünderungen und Seuchen finanziell ruiniert gewesen sei. In den Vitrinen und auf weiteren kleinen Texttafeln wird das Militärwesen vorgestellt; zunächst die Armee als Ganzes und dann zusätzlich die einzelnen Abteilungen Marine, Kavallerie, Infanterie sowie die Sicherung von Städten. Nur eine Texttafel und eine Vitrine zum Thema „Gräuel des Krieges“ (ebd.) befasst sich mit dem Erleben des Kriegs von nicht-militärischen Akteur*innen. Der Rundgang durch die Geschichte beginnt somit mit einer Vorstel-

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lung des Militärwesens und der Darstellung der Situation nach einem Krieg, der für Dänemark territoriale Veränderungen bedeutete. Trotz der zuvor postulierten alltagsgeschichtlichen Ausrichtung der Ausstellung wird durch diesen Einstieg ein Krieg als Ausgangssituation für die Geschichtsnarration der Ausstellung bestimmt. Abbildung 17: Blick in die Ausstellung (NM: R 202, R 204)

Foto: Lisa Spanka, September 2012

Von dieser Einstiegsszene führt der Rundgang zu einem neuen thematischen Abschnitt. Unter dem Thementitel „Das dänische Reich“ (NM: R 204) werden in verschiedenen Vitrinendisplays und Texten verschiedene Regionen vorgestellt. Die Geschichten Dänemarks werden dadurch territorial verortet. Dazu werden jedoch nicht nur Regionen präsentiert, die 1660 zu Dänemark gehörten, sondern auch Regionen wie Schonen, Halland und Blekinge, von denen es zuvor hieß, sie seien nach dem Krieg an Schweden übergegangen. In dem Displaytext zu diesen Regionen wird entsprechend berichtet, Schonen sei seit Kriegsende schwedisch regiert, die Bevölkerung sei jedoch zunächst weiterhin loyal gegenüber Dänemark gewesen. Erst nach und nach habe das nachgelassen und Schonen habe sich von einer zentralen Region Dänemarks zu einer abgelegenen Provinz Schwedens entwickelt. Diese Gebietsveränderung unter dem Titel „Das dänische Reich“ zu zuordnen, setzt das Festhalten an und Repräsentieren eines „alten Dänemarks“ fort, wie es bereits Bernhard Olsen als Ausgangspunkt für seine

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Sammlungsaktivitäten bestimmte. Die Ausstellung setzt diese Praxis einer territorialen Inanspruchnahme und Vergegenwärtigung fort. Im daran anschließenden Raum wird das absolutistische Staatswesen sowie das Ständesystem vorgestellt (NM: R 205). Trotz des postulierten alltagsgeschichtlichen Zugangs werden als Bezugsrahmen für die Nation somit zunächst eine geografische Verortung und eine Vorstellung des Staatswesens vorgenommen. Dies gilt auch für die beiden anderen Hauptabschnitte zum Nationalstaat und zur Wohlfahrtsgesellschaft. Der Abschnitt zur Zeit der Nationenwerdung (1848-1915) beginnt mit der Vermittlung von Gebietsveränderungen durch den Übergang von Norwegen an Schweden (NM: R 225) und die Kriege um Schleswig und Holstein sowie der Einführung einer konstitutionellen Monarchie (NM: R 227). Der Abschnitt zur Wohlfahrtsgesellschaft (1915-2000) beginnt mit einem Raum, in dem Vitrinen zur Klassengesellschaft eingerichtet sind sowie die Einführung des Wahlrechts für Frauen und Dienstbot*innen präsentiert wird (NM: R 234). Erst nach diesen Sequenzen zu Krieg, Regionen, Staat- und Gesellschaftssystem, beginnen jeweils Ausstellungsabschnitte, die sich dem im Einführungsraum angekündigten Alltagsleben der Menschen widmen. Der Leitgedanke, Staats- und Alltagsgeschichte als Einheit darzustellen, ist in allen drei Zeitabschnitten so umgesetzt worden, dass ein jeweiliges Staatsgebiet und -wesen als Ausgangspunkt und Bedingung für die daran anschließenden Präsentationen zur Alltags- und Kulturgeschichte vermittelt werden. Obwohl der Großteil der Ausstellung alltagsgeschichtlich ausgerichtet ist, wird dem Staatswesen durch die Positionierung geografischer Bestimmungen, kriegerischer Auseinandersetzungen sowie des politischen und gesellschaftlichen Systems jeweils zu Beginn der drei Hauptabschnitte eine vorrangige Bedeutung für die nationale Geschichtsschreibung zugesprochen. Dadurch treten jeweils zu Beginn der Abschnitte zunächst männliche Akteure in den Vordergrund der Erzählung. Die auf diese einführenden Sequenzen folgenden Ausstellungsbereiche zur Alltagsgeschichte erstrecken sich allerdings tatsächlich über die Mehrheit der Ausstellungsräumlichkeiten und nehmen durchaus den Großteil der Ausstellung ein. In diesen Ausstellungsbereichen überwiegt eine volkskundliche Konzeption von Nation, die in jeweils unterschiedlichen Räumen klassische Forschungsfelder der Volkskunde veranschaulicht, wie zum Beispiel Glaube, Arbeit, Ernährung. Zudem wurden zum Teil noch bestehende Interieureinrichtungen aus der Zeit vor dem Umbau des Museums in den Rundgang miteingebunden. Bräuche und (Zusammen-)Leben, Handwerk, Landwirtschaft, Handel, Bildung, Religion, Wertvorstellungen und in späteren Abschnitten auch Freizeit und Konsum werden ihrer zeitlichen Veränderung entsprechend präsentiert. Mit dem Fokus auf

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das Leben der Individuen liegt die Perspektive der Narration auf den Alltagsabläufen von Arbeit und (Zusammen-)Leben. Im weiteren Verlauf des Rundgangs fiel mir zunehmend auf, dass in den alltagsgeschichtlichen Bereichen das Konzept der vielen Geschichten überwiegend durch Präsentationen zu den Themenfeldern (Zusammen-)Leben und Arbeiten in unterschiedlichen Regionen und sozialen Schichten vermittelt wird. Die vielfältigen Lebensweisen sind dabei nicht, wie im Konzept erläutert, anhand von Präsentationen zu einzelnen Individuen dargestellt, sondern anhand von Gruppen, die weitestgehend entlang der Differenzlinien Stadt und Land, Männer und Frauen sowie sozialer Unterschiede bestimmt werden. Dadurch entstehen Reduzierungen und stereotype Festschreibungen von Gruppenidentitäten. Die Kategorie Geschlecht wird als heteronorme Zweigeschlechtlichkeit vermittelt und soziale Unterschiede werden auf eine Einteilung in Bedienstete, Arbeiter, Bauern und Bürger76 reduziert. Durch solche Vergleiche und Gegenüberstellungen entstehen jedoch Homogenisierungen, die die jeweils präsentierten Lebensweisen als allgemein gültig bestimmen und gleichzeitig ausschließen, dass es innerhalb einer Kategorie wie Arbeiterin, Mann oder Landbevölkerung jeweils unterschiedliche Lebensentwürfe gab und gibt. Ein wichtiges Vermittlungselement zur Repräsentation der sich unterscheidenden Lebensweisen ist die Darstellung von exemplarischen Haushaltsgemeinschaften und insbesondere von Familien als Haushaltsgemeinschaften. So werden zum Beispiel im Zeitabschnitt zur Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert zum Thema „Klassengesellschaft“ das Bürgertum, die Arbeiter, die Bauern und die Kleinbauern jeweils in Interieurs repräsentiert, die als Wohnraum einer bürgerlichen Familie, einer Arbeiterfamilie usw. beschrieben werden (NM: R 234). Hinsichtlich der Frage nach den Geschlechterkonstruktionen der Ausstellung ist anzumerken, dass durch solche Familiendarstellungen und die gegenüberstellenden Präsentationen von männlichen und weiblichen Personen eine heteronorme Zweigeschlechtlichkeit konstruiert wird, entsprechend der die präsentierten Akteur*innen zugeordnet sind. Erst zum Ende der Ausstellung werden diese Konstruktionen etwas aufgeweicht, indem alternative Lebensformen der 1970er Jahre sowie die Möglichkeit der Eheschließung homosexueller Paare dargestellt werden. Interessanterweise wurden solche Lebensweisen in den 36 übrigen Ausstellungsräumen nicht thematisiert.

76 Die Ausstellung verwendet in ihren Texten die männliche Form. Eine Diskussion der Ausstellungssprache wird im Kapitel über die Ausstellungstexte vorgenommen.

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Auch Migrationsgeschichten werden in der Ausstellung trotz des zu Beginn prominent platzierten Porträts der Kinderfrau Neky kaum präsentiert. Nur an zwei Stellen im Rundgang gibt es Displays, die sich dieser Thematik teilweise widmen. Es gibt einen Raum zur dänischen Kolonialgeschichte (NM: R 216). In den Displays in diesem Raum liegt der Erzählfokus jedoch auf dem Thema Handelswege und Waren aus den damaligen Kolonien. Erst im hinteren Raumteil sind vier Vitrinen aufgestellt, in denen Texte und Objekte das Thema Sklaverei vermitteln – allerdings ausgehend von der Erzählung, dass Dänemark das erste Land gewesen sei, welches die Sklaverei abschaffte. Dies ist zudem einer der wenigen Bereiche der Ausstellung, der durch die Anordnung von Vitrinen im Raum nicht auf den ersten Blick einsehbar ist. Die gewaltsame Geschichte der Sklaverei wird durch die räumliche (An)Ordnung als nachrangig gegenüber der Handelsgeschichte bestimmt und die primäre Erzählung zur Beendigung der Sklaverei auf der Textebene stellt Dänemark als fortschrittlich dar. Erst im letzten Raum der Ausstellung (NM: R 237) ist ein weiteres Display zur Migrationsgeschichte eingerichtet. Unter dem Displaytitel „Neue Dänen“ wird Dänemark als Einwanderungsland im ausgehenden 20. Jahrhundert beschrieben. Ausgestellt ist ein Wandschrank aus der ersten Wohnung einer Familie, die von Pakistan nach Dänemark migriert war. Abgesehen von diesen zwei Bereichen sind die angekündigten vielfältigen dänischen Geschichten überwiegend Geschichten weißer Menschen, die innerhalb der jeweils verschiedenen staatlichen Strukturen der unterschiedlichen Zeitabschnitte als Teil der anerkannten gesellschaftlichen Schichten galten. Entgegen der vielen Reflektionen zum Ausstellungskonzept im Einführungsraum, werden im Rundgang durch die Gegenüberstellungen und die kontinuierliche Raumabfolge eine homogenisierte Selbstverständlichkeit von Unterschieden und eine unausweichliche Abfolge von Geschichtsverläufen vermittelt. Es wird entlang des Rundgangs kaum mehr dazu angeregt, das Vermittelte auf seine historischen und sozialen Bedingtheiten zu hinterfragen. Das Bild der heteronormen Familie wird trotz einiger Ausnahmen bis zum Ende des Rundgangs als selbstverständliches Lebensmodell zu allen Zeiten vermittelt. Den Abschluss des Rundgangs zum Jahr 2000 bildet eine weitere Stellwand. Sie ist parallel zum Ausgang des Rundgangs in Richtung des Einführungsraumes aufgestellt und trägt den Schriftzug „Dänen 2000“ (NM: R 237). Ähnlich wie mit der Porträtgalerie im Einführungsraum werden hier noch einmal viele verschiedene Personen als Dänen und Däninnen repräsentiert. und jeweils mittels eines Fotos, eines von der jeweiligen Person gespendeten Objekts sowie eines Textes vorgestellt. In den Texten werden den Besucher*innen Informationen über Wohnort und zum Teil auch Geburtsland, Alter, Beziehungsform und Beruf

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vermittelt. So wird zum Ende des Rundgangs die in der Ausstellung zum Teil sehr eng geführte und homogenisierende Auslegung von Vielfalt durch eine Vorstellung einzelner Menschen wieder erweitert. Für das Jahr 2000, welches zum Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung die Gegenwart markierte, wird die Botschaft eines Fortschritts hinsichtlich der Anerkennung vielfältiger Lebensentwürfe und Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen vermittelt. Vielfalt ist dabei durch individuelle Geschichten vermittelt, anstatt durch die zuvor überwiegenden stereotypen Präsentationen von Gruppenidentitäten. Auch die ausgestellte Haschischverkaufshütte im ersten Raum (NM: R 201), an der die Besucher*innen beim Verlassen der Ausstellung noch einmal vorbeigehen, bekräftigt diese Botschaft. Besucher*innen, die den Rundgang mit dem Jahr 2000 beginnen, erhalten zu Beginn ihres Ausstellungsbesuches einen anderen und offeneren Blick in die dänische Geschichte als diejenigen, die den Rundgang mit dem Jahr 1660 beginnen.

OBJEKT(AN)ORDNUNGEN: ALLTÄGLICHE DINGE, TRACHTEN UND WOHNZIMMER Die Bemühungen der Ausstellungsmacher*innen, möglichst viele der ca. 500.000 Objekte aus der Sammlung zur dänischen Neuzeit und Zeitgeschichte in den engen Ausstellungsräumlichkeiten unterzubringen, erwecken den Eindruck, die Besucher*innen müssten durch die Objektfülle von der Relevanz der ausgestellten Geschichte überzeugt werden – auf den 1600 m² Ausstellungsfläche sind immerhin mehr als 5000 Objekte untergebracht (Nationalmuseet 2003: 6).77 Das Präsentieren möglichst vieler Objekte erinnert an das Ziel öffentlicher Schatzkammern im 18. Jahrhundert und nationaler Museen im 19. Jahrhundert, den Menschen mittels der Repräsentation gemeinsamen Besitzes und kulturellen Erbes ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln. Darüber hinaus legitimierten sich Regierungen so als Bewahrerinnen dieses gemeinsamen kulturellen Erbes (Dori 2010: 211–213). Vasstrøm formuliert einen entsprechenden Gedanken als handlungsleitend für die Ausstellungseinrichtung. Sie bestimmt die Sammlung als Eigentum der Steuerzahler*innen und bezeichnet die Objekte als „Reliquien der nationalen Geschichten“ (Vasstrøm 2004: 87). In einem Gespräch mit mir betonte sie die

77 Im Vergleich dazu ist die Ausstellung im DHM mit heute 6500 Objekten auf rund 8000 m² locker bestückt und dennoch wurde sie für ihre Objektdichte hinsichtlich einer Überwältigung des Publikums kritisiert.

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Vorstellung von der Bevölkerung Dänemarks als Eigentümerin der Sammlungen: „We have that many objects in this exhibition because we thought the tax payers pay for the conservation, so they deserve that we show as much as possible.“ (Vasstrøm 2012a) Wie auch die Ausstellungsmacher*innen des DHM, erläutert Vasstrøm vor diesem Hintergrund, dass die Objekte in der Ausstellung für sich sprechen sollen und dementsprechend jeweils in Vitrinen zu Themengruppen zusammengestellt worden seien. Allein Themen- und Objekttexte dienten der Kontextualisierung der Objekte; auf Multimediaelemente hätten sie bewusst verzichtet, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Objekte zu lenken (Vasstrøm 2004: 96). Das Sammlungsziel des Dänischen Volksmuseums und der späteren Abteilung für die dänische Neuzeit und Zeitgeschichte im Nationalmuseum, Objekte zu bewahren und auszustellen, die das Leben und Arbeiten der dänischen Bevölkerung repräsentieren, war typisch für Sammlungen des späten 19. Jahrhunderts. Laut Dori diente ein vermeintlicher Wiedererkennungswert alltäglicher Gegenstände der Vermittlung des Zugehörigkeitsgefühls zu einem als Heimat bestimmten Raum (Dori 2010: 214f.). Diese Sammlungspraxis prägt bis heute die Objekt(an)ordnungen der Ausstellung und wird in der Ausstellungskonzeption, vielfältige dänische Geschichten zu repräsentieren, sichtbar. Das Bild der Ausstellung ist von einer Vielzahl unterschiedlicher Alltagsgegenstände aus Handwerk, Landwirtschaft sowie Haushaltung und in den späteren Zeitabschnitten auch aus den Feldern Freizeit und Konsum geprägt. Dabei wird nicht einfach auf ähnliche Erfahrungshorizonte und Wiedererkennungsmomente der Besucher*innen als didaktisches Mittel gesetzt, sondern ein „Wir-Gefühl“ vermittelt. Die Volkskunde diente im 19. Jahrhundert schließlich, wie sich auch an Bernhard Olsens Sammlungsprämissen zeigte, der Erkundung des (Zusammen-) Lebens von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen oder Gesellschaften zur Distinktion eines vermeintlichen gemeinsamen Seins (Weber-Kellermann et al. 2003: 20–39). In der Übernahme von Objektordnungen entlang eines volkskundlichen Kanons im Kontext der als dänisch bestimmten Geschichte sehe ich das Ansinnen, der Vermittlung eines ‚Dänisch-Seins‘. Selbst in den Bereichen, in denen das Staatswesen und gesellschaftliche Strukturen vermittelt werden, sind neben Dokumenten, Urkunden und Gemälden immer auch Exponate ausgestellt, die die Lebensweisen der Menschen in diesen Strukturen repräsentieren. So sind zum Beispiel in der Vitrine über die Ständegesellschaft des Absolutismus auch Gegenstände aus den verschiedenen Haushalten repräsentiert (NM: R 205, Die Ständegesellschaft). Durch diese Objekt(an)ordnungen wird die Staatsgeschichte mit Alltagsgeschichten verknüpft, in denen Besucher*innen sich wiederfinden können. Über den Gedanken der Vermittlung eines Gemein-

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schaftsgefühls durch die Präsentation kollektiven Besitzes und der Repräsentation eines ‚Dänisch-Seins‘ durch volkskundlich geprägte Objekt(an)ordnungen hinaus, ist die Objektauswahl in der Ausstellung auf mehreren Ebenen bedeutsam für die Konstruktionen nationalisierter Geschlechterordnungen. Eine optisch besonders auffällige Objektgruppe sind Trachten und Kleidungsstücke aus den unterschiedlichen Zeiten, Regionen und gesellschaftlichen Schichten. Im Kontext der Ausstellung repräsentieren die ausgestellten Kleider unterschiedlichste Themen und Konzepte. Neben der Bestückung von Interieurs mit Kleidung, die die Anwesenheit von Personen vermitteln, werden zum Beispiel auch gesellschaftliche Unterschiede durch jeweils als typisch bestimmte Kleidungsstücke vermittelt (NM: R 205). An anderer Stelle repräsentieren Trachten verschiedene Regionen Dänemarks (NM: R 204). Diese Präsentation von Trachten als regionaltypische Kleidung lässt jedoch außer Acht, dass Trachten nicht immer schon als Spezifikum für bestimmte Regionen fungierten, sondern im 19. Jahrhundert der Sonntags- und Festtagskleidung entlehnt und zu Einheitskleidungsstücken weiterentwickelt wurden, die regionale und nationale Distinktion repräsentieren sollten. In diesem Zuge wurde die Tracht zunehmend zur ausschließlichen Frauenbekleidung, während Männer sich mit schlichten Anzügen kleideten und so ein rationales Staatswesen repräsentierten (Blom 2000: 11–14). In der Ausstellung findet sich diese Feminisierung nationaler und regionaler Tradition ungebrochen wieder. Die ausgestellten Trachten sind durch Objekttexte als Frauenkleider bestimmt und zur Repräsentation verschiedener Regionen Dänemarks eingesetzt. In einem Display über den Handel auf Märkten im 18. Jahrhundert sind zum Beispiel drei Trachtenkleider so drapiert, dass eine Marktsituation mit Händlerinnen zu sehen ist. Die Objekttexte bestimmen jeweils die Region aus der die Kleider stammen und die zugehörigen regionaltypischen Waren, die ebenfalls ausgestellt sind. Dadurch wird die Funktion von Trachten als Distinktionsmittel zur Konstruktion regionaler Unterschiede und deren Repräsentation durch Weiblichkeit wiederholt, anstatt sie zu reflektieren. Eine besonders deutliche Konstruktion von Region und Tradition als weiblich findet sich in den nebeneinander positionierten Präsentationen von Regionen und Staatswesen zu Beginn der Ausstellung. In dem Bereich zum „dänischen Reich“ (NM: R 204) und zum „absolutistischen Staats- und Ständesystem“ (NM: R 205) wird durch die Auswahl von Trachten und Herrenoberbekleidung als Exponate eine binäre Geschlechterordnung reproduziert. Während die ausgestellten Trachtenkleider der Repräsentation einzelner Regionen dienen, sind die Herrenoberbekleidungsstücke in einem Display zur Ständegesellschaft (an)geordnet. Durch diese Objekt(an)ordnungen wird eine Geschlechterdichotomie konstruiert

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und fortgesetzt, bei der Region und Tradition weiblich und die gesellschaftliche Ordnung und das Staatswesen sachlich und männlich konnotiert sind. Dieser Dualismus hat bereits eine lange Geschichte und ist von Karin Hausen als eine wesentliche Dimension der Ausdifferenzierung eines binären Geschlechtersystems seit dem 18. Jahrhundert herausgearbeitet worden (Hausen 1976). Er findet sich unter anderem auch in Bezeichnungen wie „Vater Staat“ oder „Mutter Germania“ beziehungsweise „Mor Danmark“ (Mutter Dänemark) wieder. Neben der überwiegenden Präsentation von Objektgruppen in Vitrinen, spielen Inszenierungen von Rauminterieurs eine große Rolle in der Ausstellung. Bernhard Olsen hatte 1879 für seine Ausstellung zur Agrargesellschaft auf der Kunst- und Industrieausstellung sowie für das in der Folge gegründete Dänische Volksmuseum Interieurs als neuartige Form der Objektpräsentation gewählt. In der Ausstellung „Danmarkshistorier“ sind zehn solcher Interieurs zu sehen, die zum Teil noch aus den Sammlungsanfängen Bernhard Olsens sowie aus den darauffolgenden Jahren der Sammlungspraxis unter der Leitung des Nationalmuseums stammen. Einige wurden für die Neukonzeption der Ausstellung hinzugefügt, so zum Beispiel eine Wohnzimmereinrichtung aus den 1950er Jahren oder eine Abteilung für Damenbekleidung aus einem dänischen Kaufhaus der 1990er Jahre (NM: R 237, Das Kaufhaus in der Nørregade). Bereits zu Olsens Zeiten sollte mittels solcher Interieurs das alltägliche Leben und ein Eindruck vom Objektgebrauch veranschaulicht werden. In den Interieurs der heutigen Ausstellung wurden dementsprechend Gegenstände und Kleidungsstücke zu Alltagssituationen zusammengestellt, die oft wie Stillleben wirken, in denen die Zeit eingefroren wurde. Von der bäuerlichen Sitzecke im 17. Jahrhundert bis zu dem Wohnzimmer der 1950er Jahre wird den Besucher*innen ein Eindruck der verschiedenen Lebensweisen vermittelt. Aus geschlechterkritischer Sicht ist zu bemerken, dass mehrheitlich Wohnräume und -szenen gestaltet wurden, in denen Kleider und Figurinen weiblicher Personen zu sehen sind. Dadurch wird auch in dieser Ausstellung der Privatraum mit Repräsentationen von Weiblichkeit verknüpft.

DIE AUSSTELLUNGSTEXTE: ‚WIR‘ UND ‚DIE DÄNEN‘ Die Ausstellung ist durch eine Vielzahl an Ausstellungstexten schriftlich gefasst und in vier inhaltliche Ebenen unterteilt. Neben kleinen Texten zu den einzelnen Objekten, gibt es in der Ausstellung Texte, die ein Raumthema oder einen Themenbereich beschreiben, Texte zu einzelnen Displays sowie kleine Texttafeln, die Objekte zu kleineren Sinneinheit zusammenführen. Anders als im DHM sind

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die Ausstellungstexte bis auf die Objekttexte nicht nummeriert, so dass hier keine Reihenfolge vorgegeben wird. Alle Texte sind auf transparenten Tafeln in dänischer und englischer Sprache abgedruckt. Je nach Textebene sind die Tafeln unterschiedlich groß. Die drei Zeitabschnitte der Ausstellung sind jeweils in verschiedene Themenabschnitte unterteilt, die übergeordnete Themenkomplexe darstellen. Die dazugehörigen Texttafeln sind die größten Tafeln der Ausstellungstexte und jeweils in der Nähe der Raumeingänge oder zu Beginn eines neuen Themenabschnitts angebracht. Die Texte auf den Tafeln sind in mehrere, sinnbildende Ebenen unterteilt, die den Besucher*innen grobe Informationen zu einem Themenbereich bieten und das Thema in der Ausstellungschronologie verorten. Unter einer Überschrift, die das Thema benennt, befindet sich ein größer gedruckter Textabsatz, in dem der Inhalt der Tafel zusammengefasst ist. Darauf folgt ein Text aus zwei bis drei Absätzen in einer kleineren Schrift. Durch die Wahl unterschiedlicher Schriftgrößen auf den Texttafeln werden die Inhalte der Absätze als unterschiedlich wichtig bewertet. Am unteren Rand der Texttafeln ist eine Zeitleiste abgebildet, auf der in roter Farbe markiert ist, welchem Zeitfenster das Thema innerhalb der Ausstellungschronologie zugeordnet ist. Häufig ist auf diesen Thementexttafeln zwischen Text und Zeitleiste ein Bild abgedruckt, welches das jeweilige Thema visualisiert. Zum Thema „Absolutismus in Dänemark“ (NM: R 205) ist zum Beispiel ein Gemälde mit dem Titel „Eid der Gefolgschaft“ des Künstlers Wolfgang Heimbach abgebildet, welches den in diesem Text erläuterten Zuspruch des Bürgertums zu der absolutistischen Herrschaft des Königs repräsentiert. Die zweite Ebene der Ausstellungstexte bilden kleinere Texttafeln zu einzelnen Displays, die inhaltliche Vertiefungen zu den Raum- oder Abschnittsthemen bieten. In dem Raum zum Thema „Absolutismus in Dänemark“ (NM: R 205) gibt es zum Beispiel vier Displaytafeln mit den Thementiteln „Krönung und Salbung“, „Die dänische Verfassung von 1665“, „Zentralisierung, Vereinheitlichung und Kontrolle“ sowie „Die Ständegesellschaft – Unterschiede im Volk“, die das Thema Absolutismus mit weiteren Informationen ausführlicher darstellen. Diese Displaytexttafeln sind kleiner als die Tafeln der Thementexte und es gibt keine Zeitleiste oder Abbildungen. Es ist dadurch deutlich erkennbar, welche Texte den Besucher*innen Orientierung und einen groben inhaltlichen Überblick bieten und welche Texte zusätzliche detailliertere Informationen enthalten. Die Displaytexte sind neben oder in Vitrinen angebracht und somit zum Teil auch Exponaten direkt zugeordnet. Texte zu Objektgruppen sind auf kleinen Texttafeln abgedruckt und hängen oft direkt in den Vitrinen. Sie bieten zusätzliche Detailinformationen zu den

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Displaythemen an. So zum Beispiel Tafeln mit den Titeln „Adel“, „Klerus“, „Bürgertum“ und „Bauernschaft“, die in einer Vitrine zu dem Display über die Ständegesellschaft (NM: R 205) angebracht sind. Mittels dieser werden den Besucher*innen Sinnzusammenhänge vermittelt, die eine vorgegebene Interpretation der Objekt(an)ordnungen bestimmen. Die einzelnen Exponate sind jeweils mit Nummern versehen, zu denen am Rand des Vitrinenbodens oder eines Zwischenbodens Objekttexte mit entsprechender Nummerierung angebracht sind. Die Ausstellung bietet in der Regel nur knappe Informationen über Objektart sowie Herkunft und Entstehungszeitraum des Objektes. Teilweise gibt es auch Angaben über mögliche Benutzer*innen oder ehemalige Besitzer*innen sowie deren Gebrauch. Ausführliche Erläuterungen zu Objektbiografien und Bedeutungsbildungen durch diese, wie sie zu Beginn der Ausstellung in dem Einführungsraum allgemein angesprochen wurden, fehlen hingegen. Stattdessen wird eine Objektbestimmung entsprechend ihrer Positionierung in der Ausstellung vorgenommen. Das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Ausstellungstexte schränkt die Polysemie der Objekte stark ein und legt den Besucher*innen konkrete Interpretationsweisen entsprechend des Ausstellungsnarrativs nahe. Die dänischen und englischen Texte sind allerdings zum Teil unterschiedlich formuliert, so dass es zu einer sprachlichen Distinktion von einem dänischsprachigen ‚Wir‘ und einem nicht-dänischsprachigen ‚Anderen‘ kommt. Die dänischen Texte sind vorwiegend hinsichtlich der Vermittlung eines Wissens über die dänische Geschichte als ‚eigene‘ Geschichte formuliert. Die englischen Texte sind hingegen deutlich an Touristen gerichtet, denen die Themen als ‚die Dänen betreffende Geschichte‘ vermittelt werden. So heißt es im Text einer Thementafel mit dem Titel „Wohlstand, Wohlfahrt und Aufruhr“ (NM: R 237) im dänischen Text, in den 1970er Jahren seien kritische Fragen hinsichtlich des Wohlfahrtssystems aufgekommen und die Jugend habe den Kapitalismus kritisiert. Im englischen Text wird hingegen ein ‚Dänisch-Sein‘ betont, indem es heißt, die derzeitige dänische Gesellschaft sei in Frage gestellt worden und viele junge Dänen hätten sich gegen die kapitalistische Konsumgesellschaft gewandt. Für Besucher*innen, die Dänisch verstehen, wird es als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die präsentierten Akteur*innen und die besprochenen Themen auf eine dänische Allgemeinheit bezogen sind. Für Besucher*innen, die kein Dänisch verstehen, wird expliziert, dass über ‚die Dänen‘ berichtet wird. Die Texte sind sachlich und überwiegend ohne Benennung von Akteur*innen formuliert. Die Berichtform bietet eine allwissende Erzählperspektive an, deren Aussagekraft und Richtigkeit häufig durch das Benennen statistischer Daten untermauert wird. Vor allem in den Texten der Thementafeln, die allge-

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meine Übersichten und Zusammenfassungen zu Themenfeldern wie das „Leben in der Stadt“ (NM: R 214) oder „Die Agrargesellschaft“ (NM: R 210) bieten, sind statistische Daten zu Bevölkerungszahlen, Wirtschaftswachstum usw. angeführt. Dabei wird nicht auf die jeweiligen Quellen der Daten hingewiesen, so dass Besucher*innen keine Möglichkeit haben, diese Daten im Kontext von Erhebungszusammenhängen zu reflektieren. Die sachliche Berichtform sowie die häufige Nennung statistischer Daten sind Teil einer von Bal als „Wahrheitsrede“ (2006: 82f.) beschriebenen Museumssprache, die der Authentifizierung und Legitimierung der ausgestellten Geschichte dient. Die Ausstellungstexte untermauern die als national bestimmte Ausstellungsnarration und verbinden und vereindeutigen Objektkonstellationen und Displayzusammenstellungen zu größeren, chronologisch angeordneten Sinnzusammenhängen. Hinsichtlich der Frage nach den darin enthaltenen Geschlechterkonstruktionen ist anzumerken, dass in den Ausstellungstexten nur selten Einzelpersonen als Akteur*innen genannt werden. Die Darstellungen beziehen sich überwiegend auf Beschreibungen bestimmter Bevölkerungsgruppen wie Arbeiter, Bauern, Bürger usw. Diese Pluralbenennungen sind ausschließlich im Maskulinum verwendet. Weibliche Akteurinnen werden nur genannt, wenn explizit Frauen gemeint sind. Dies ist zwar auf den dänischen Sprachgebrauch zurückzuführen, in dem sich die sprachliche Ausdifferenzierung nach männlichen und weiblichen Personen nicht durchgesetzt hat: Dem Substantiv wird stattdessen das Wort „kvindelige“ (weibliche) vorangestellt beziehungsweise die Formulierung „kvinde“ (Frau) angehängt, wenn explizit Frauen gemeint sind. So auch in den Texten des Museums, wenn es heißt „arbejderkvinde“ (Arbeiterfrau) oder „bøndekvinde“ (Bauersfrau). Dennoch zeichnet sich in diesem Sprachgebrauch eine Unsichtbarkeit oder Sonderpositionierung weiblicher Akteurinnen ab. Dies wird in Ausstellungstexten deutlich, in denen Frauen als Akteurinnen entweder gesondert oder nicht benannt werden. Bei Aufzählungen von Akteur*innengruppen werden Frauen zum Beispiel häufig als eigene Gruppe benannt, wodurch sie hinsichtlich ihres Geschlechts definiert werden und nicht hinsichtlich Handlungen oder Berufen, wie es zum Beispiel durch Bezeichnungen wie Arbeiter oder Studenten geschieht. In einem Thementext über das Versammlungsrecht, welches seit der Verfassung und der Einführung der konstitutionellen Monarchie von 1849 bestand, heißt es zum Beispiel „Kleinbauern, Arbeiter und Frauen konnten keinen Nutzen aus diesen Veränderungen ziehen“ (NM: R 230, Vereine und Volksbewegungen). Durch die Aufführung der Frauen als getrennte Gruppe erscheinen die genannten Kleinbauern und Arbeiter als rein männliche Gruppen. Frauen sind somit sprachlich unterrepräsentiert und auf ihr Geschlecht reduziert, anstatt entsprechend ihrer Handlungen präsentiert.

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Neben der Fülle an Ausstellungstexten bietet eine weitere Form von Informationstafeln eine vorgegebene Interpretation an, welche zu heteronormativen Geschlechterkonstruktionen führt. Eine Reihe von Tafeln mit Infografiken veranschaulichen Formen des Zusammenlebens zu unterschiedlichen Zeiten (Abb. 1921, 23, jeweils unterhalb der Displaytexttafeln). Insgesamt gibt es zwölf solcher Tafeln, die beispielhaft die Zusammensetzung von Haushalten in unterschiedlichen Ständen, Klassen, Berufsgruppen oder Regionen abbilden. So gibt es zum Beispiel eine Tafel mit dem Titel „Der Bauernhaushalt“ im Ausstellungsabschnitt zur absolutistischen Zeit (NM: R 208A) oder eine Tafel mit dem Titel „Die Kernfamilie“ im Abschnitt über die 1950er Jahre (NM: R 237). Auf den Tafeln sind jeweils zwei bis drei horizontal verlaufende Reihen abgebildet, in denen mehrere Personen abgebildet sind. Unter den einzelnen Personen stehen Angaben zu deren Namen, Alter und Beruf. Diese Darstellungsform erinnert an Bilddiagramme, die zum einen auf Grund des wissenschaftlichen Erscheinungsbildes die Glaubwürdigkeit der dargestellten Informationen untermauern, zum anderen wird eine Hierarchisierung der abgebildeten Personen vermittelt. Die Personen in der jeweils oberen Reihe werden als verwandtschaftliche Familie, bestehend aus Mann, Frau, Kindern und anderen Verwandten bestimmt. Dadurch, dass der Mann am Anfang der Reihe abgebildet ist, wird dieser als wichtigste Person im Haushalt und der Familie definiert. Dies wird zusätzlich betont, indem unter dem Bild der Frau häufig die Bezeichnung „Ehefrau von“ steht. Die Kinder sind anschließend entsprechend ihres Alters abgebildet. In der Reihe unter dieser verwandtschaftlichen Familie ist auf einigen Tafeln eine weitere Reihe von Personen zu sehen, die in diesem Haushalt leben. Sie werden als Bedienstete oder Angestellte bezeichnet. Durch ihre Abbildung in der unteren Reihe werden die nicht verwandtschaftlich verbundenen Bediensteten als nachrangig vermittelt. Bei diesen Personen wird neben Namen, Alter und Position im Haushalt zusätzlich der jeweilige Familienstand angegeben. Die Bestimmung als „verheiratet“ oder „ledig“ hebt das eheliche und somit staatlich anerkannte Zusammenleben auch bei den nicht zu der verwandtschaftlichen Familie zugeordneten Personen als bedeutsam hervor. Die Familie wird sowohl als wichtige Struktur im nationalen Narrativ bestimmt als auch als heterosexuelles Zusammenleben definiert. Bis auf eine Tafel zum Zusammenleben in einer Kommune (NM: R 237) zeigen alle Tafeln heterosexuelle, patriarchal organisierte Familien, deren Benennungen wie „Arbeiterfamilie“ (NM: R 234) oder „Priesterhaushalt“ (NM: R 208) vom Beruf des Mannes aus abgeleitet werden. Zwar sind die Darstellungen der Familienverhältnisse mit dem Mann als Familienoberhaupt den jeweiligen Zeiten entsprechend angepasst – bei der Kernfamilie in den 1950er Jahren gibt es die Benennungen ‚Fami-

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lienoberhaupt‘ und ‚Ehefrau von‘ nicht mehr – aber es werden ausschließlich Haushalte dargestellt, die den Strukturen heterosexueller Familien entsprechen. Selbst die Tafel im Bereich zu den 1970er Jahren, die eine Kommune zeigt, hat in ihrer Beschreibung zu den Personen nur heterosexuelle Beziehungskonstellationen veranschaulicht. Es sind fünf erwachsene Personen abgebildet, von denen vier als heterosexuelle Paare gekennzeichnet sind, die fünfte Person wird als alleinerziehende Mutter bestimmt (NM: R 237). Die Ausstellung vermittelt dadurch eine kontinuierliche Normalität der heterosexuellen Familie und verweist jeweils auf Abweichungen davon. Haushalte, in denen nur ein Elternteil lebt, oder Haushalte und Lebensverhältnisse von Alleinstehenden ohne Kinder zu verschiedenen Zeiten sowie Haushalte von Menschen, die nicht heterosexuell sind oder nicht in Paarbeziehungen zusammenleben, bleiben hingegen unsichtbar. Die Informationen auf diesen Tafeln stammen aus Erhebungen von Volkszählungen, die jeweils auf den Tafeln angegeben sind und somit die Authentizität der Daten untermauern. Sowohl die sachlichen Ausstellungstexte als auch die Infografiken vermitteln demnach eine wissenschaftliche Richtigkeit der Inhalte, mittels derer das im Ausstellungsnarrativ konstruierte ‚Dänisch-Sein‘ in seiner heteronormen Konzeption gestützt wird.

ALLTAGSGESCHICHTE UND IHRE LEITMOTIVE Die chronologische Geschichtsvermittlung in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ ist von dem Vorhaben geprägt, Alltags- und Staatsgeschichte als miteinander verwoben zu vermitteln. Trotz des überwiegend alltagsgeschichtlichen Narrativs mit seiner volkskundlich geprägten Ausstellungsordnung wird der Staatsgeschichte als strukturierendem Rahmen eine bedeutende Rolle in den Entwicklungen Dänemarks zugeschrieben. Ausgehend von staatsgeschichtlichen Entwicklungen wurde entschieden, welche Themen in den alltagsgeschichtlichen Bereichen aufgegriffen werden und welche nicht. Die Einteilung der Ausstellung in die drei Zeitabschnitte „Absolutismus“, „Nationalstaat“ und „Wohlfahrtsstaat“ wurde entsprechend veränderter oder neu eingeführter Staats- und Verfassungsformen vorgenommen. Mittels der so eingeteilten Chronologie der Ausstellung wird ein Fortschrittsnarrativ der zunehmenden Demokratisierung und des wachsenden Wohlstands der dänischen Gesellschaft konzipiert. Anders als im DHM liegt der Schwerpunkt dieses Narrativs auf den Auswirkungen und Bedeutungen der jeweiligen politischen Rahmungen auf gesellschaftliche Verhältnisse und das Alltagsleben der Menschen, die zu den jeweili-

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gen Zeiten in Dänemark lebten. Die volkskundliche Sammlung und die für die Ausstellung ausgewählten Objekte aus den Bereichen Haushalt, Arbeitsleben und Traditionsbildung bestimmen die Vermittlung der vielen Alltagsgeschichten dieser verschiedenen Menschen. Die ausgestellten Alltagsgeschichten werden anhand von Präsentationen zu den Feldern Familie und Arbeit vermittelt. Der erste Blick auf die Konstruktionen nationaler Geschichte entlang des Ausstellungsrundgangs hat gezeigt, dass mittels dieses narrativen Zugangs in erster Linie das Leben innerhalb heterosexueller Familienstrukturen und das Arbeiten in Städten oder auf dem Land in unterschiedlichen Schichten Bedeutung findet. Familie und Arbeit sind zwei wesentliche Leitmotive der Ausstellung. Bei den Betrachtungen der Ausstellungsgestaltung, der Objektkonstellationen und Ausstellungstexte zeigte sich, dass weibliche und männliche Akteur*innen quantitativ gesehen ungefähr gleich häufig sichtbar sind. Allerdings wurde deutlich, dass mit den Präsentationen zu verschiedenen Themenfeldern die Konstruktion einer vorwiegend heteronormativen Ordnung einhergeht. In den folgenden vertiefenden Analysen der Leitmotive Familie und Arbeit werde ich diesen Konstruktionen nachgehen und untersuchen, welche Bedeutungen das Ausstellungsnarrativ zu den Geschlechterkonstruktionen bildet und als selbstverständliche Vorstellungen von Geschlecht im Diskurs um die Nation zu-sehengibt. Die Untersuchung der Leitmotive legt den Fokus nicht auf die Frage, ob die Themen der Leitmotive umfassend und ‚richtig‘ vermittelt werden, sondern auf die Frage nach geschlechtlichen Markierung der Leitmotive Arbeit und Familie die durch die spezifischen Repräsentationsweisen der Ausstellung entstehen.

Das Leitmotiv Familie: „Einheit in der Vielheit“78

Die Entscheidung der Ausstellungsmacher*innen, unterschiedlichste Themen im nationalen Narrativ mittels Familiendarstellungen zu repräsentieren, baut auf eine lange Tradition von Familienmetaphern im Kontext nationalstaatlicher Entwicklungen und Verstetigungen auf. Karen Hagemann hat auf die Funktion des Konzeptes familiärer Bindungen zur Vermittlung und Verstetigung einer gemeinsamen Zugehörigkeit und Loyalität gegenüber der Nation hingewiesen, die zur Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft und deren Legitimierung insbesondere nach der französischen Revolution eingesetzt wurde. Die Identifizierung der Nation als Familie habe der Konstruktion kollektiver Identität und Loyalität gedient. Der Prozess der Nationenbildung ging mit der Ausdehnung von Bezugsrahmen einher und musste regionale und soziale Grenzen überwinden, um einheitliche Zugehörigkeiten bilden zu können. Mittels bekannter Zugehörigkeitsstrukturen aus dem familiären Kontext sei dieser Prozess gestärkt und das nationale Projekt legitimiert worden (Hagemann 2000: 77). Die jeweiligen Familiensymboliken waren immer auch stark gegendert. Metaphern wie ‚Vater Staat‘ oder ‚Mutter der Nation‘ dienten, laut Ida Blom, nicht nur der Vermittlung von Zugehörigkeitsgefühlen, sie gingen zudem einher mit der Herausbildung von Geschlechterhierarchien (Blom 2000: 8). Gegenderte Familienmetaphern trugen und tragen bis heute zu einer Verstetigung eines binären Geschlechtermodells mit unterschiedlichen Aufgaben für die Nation bei. Blom erläutert in ihren Arbeiten zu Nationalismen im 19. Jahrhundert, dass die zu dieser Zeit vorherrschende Konzeption von Nation als klassenübergreifende Heimat konzipiert wurde, welche von einem starken Staat geschützt werden sollte. Während Männern die militärische Verteidigung zukam, sollten Frauen als

78 Hagemann (2000: 79)

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Mütter der Nation die vermeintlich nationale Kultur bewahren, indem sie diese an zukünftige Generationen vermitteln (Blom 1996: 3f.). Gerade das Bild der Mutter wurde als Symbol Grenzen überwindender kollektiver Identität eingesetzt. So wird die dänische Nationalallegorie ‚Mor Danmark‘ (Mutter Dänemark) häufig zusammen mit Allegorien einzelner dänischer Regionen als ihren Kindern dargestellt. Besonders bekannt ist die allegorische Darstellung Südjütlands (Nordschleswig) als ‚Südjütländisches Mädchen‘ und Tochter der ‚Mutter Dänemarks‘, welche zur Zeit der Auseinandersetzungen um territoriale Zugehörigkeiten Südjütlands beziehungsweise Nordschleswigs zwischen Dänemark und Deutschland ein häufiges Motiv war (Jebsen 2015: 177– 179). In der Ausstellung „Danmarkshistorier“ finden sich zwar keine dieser explizit nationalisierten Familienmetaphern und Allegorien, sie können jedoch als Ausgangpunkt für die starke Positionierung von Familie als ein Leitmotiv in der Ausstellung verstanden werden. Entlang der drei Erzählstränge zu Staat, Gesellschaft und Individuum des Ausstellungskonzeptes werden Familiendarstellungen in unterschiedlicher Weise zur Vermittlung eingesetzt. Der von Hagemann (2000) und Blom (1996, 2000) erläuterte Gedanke der Verbindung vielfältiger Menschen aus unterschiedlichen Regionen und sozialen Zugehörigkeiten unter dem vereinheitlichenden Dach der Familienmetapher wird in den Repräsentationen der Ausstellung fortgesetzt. Das Ausstellungsziel, vielfältige Lebensweisen innerhalb der dänischen Geschichte zu zeigen und gleichzeitig einen Gedanken von Gleichheit zu vermitteln, wird durch die Darstellung von Familien zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Regionen und aus unterschiedlichen sozialen Schichten umgesetzt. Bereits durch die Gestaltung des Ausstellungsführers wird dem Thema Familie die Funktion eines Leitmotivs der Ausstellung zugeschrieben. Für die Titelseite sind drei Bilder von Familien aus unterschiedlichen Zeiten zu einer Art Collage zusammengefügt worden. Die Zeitabschnitte der Ausstellung „Absolutismus in Dänemark“, „Volk und Nation“ sowie „Wohlfahrtsgesellschaft“ werden durch Familiendarstellungen repräsentiert (Abb. 18). Dadurch wird der Gedanke der Gleichzeitigkeit von Vielfalt und Einheit vermittelt. Die Bilder verweisen durch unterschiedliche Kleidung und Positionierung der Personen auf historische und soziale Unterschiede. Die Familienkonstellationen sind jedoch sehr ähnlich. Auf allen drei Bildern sind Familien zu sehen, die dem Konzept der bürgerlichen Kernfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und zwei bis drei Kindern, entsprechen. Um diese Form der Homogenität zu erreichen, wurden die Bilder für die Collage in bestimmten Zuschnitten abgedruckt.

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Abbildung 18: Titelseite des Ausstellungsführers

© Nationalmuseet (2003)

Für das Bild zu dem Zeitabschnitt über den Absolutismus wurde nur ein bestimmter Ausschnitt eines Gemäldes verwendet, dass eigentlich eine zehnköpfige Kaufmannsfamilie von 1769 zeigt (Nationalmuseet 2003: 9). In der Bildcollage sind nur noch die Eltern und drei der eigentlich acht Kinder zu sehen. Das zweite Bild stammt aus dem späten 19. Jahrhundert und zeigt das Foto eines Farmbesitzers mit seiner Frau und zwei Kindern (Nationalmuseet 2003: 181) und das dritte Bild zeigt ebenfalls eine Familie mit zwei Kindern. Während die ersten beiden Bilder eine patriarchale Familienordnung vermitteln, bei der der Mann jeweils steht und die weiteren Familienmitglieder vor ihm sitzen, wird mit dem letzten Bild ein Wandel in den Positionierungen der Personen und somit der Geschlechterverhältnisse präsentiert. Auf diesem Bild sitzt der Mann in der Mitte und hat ein Kind auf dem Schoß, während die Frau oberhalb von ihm an seinem Stuhl lehnt. Dieses Bild ist allerdings keine Privatfotografie, sondern ein Bild, welches für eine Wahlkampfkampagne in den 1960er Jahren aufgenommen wurde (NM: R 237). Es bietet somit eher Aufschluss über ein Familienideal zu

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dieser Zeit, als über das tatsächliche Zusammenleben in Familien. 79 Besucher*innen, die den Ausstellungsführer vorab lesen, werden über diese Bild- und Gestaltungszusammenhänge jedoch nicht informiert. Durch die Bildcollage wird das Konzept der bürgerlichen, heteronormativ geordneten Kleinfamilie als selbstverständliche Form des Zusammenlebens zu allen Zeiten bestimmt. Während mit der Bildcollage auf der Titelseite die bürgerliche Kleinfamilie als Kontinuum von Gleichheit in Vergangenheit und Gegenwart bestimmt wird, findet sich auf der letzten Seite des Ausstellungsführers ein Bild, welches die Familie auch als zukunftstragend repräsentiert. In einem Textabschnitt mit dem Titel „Dänen im Jahr 2000“ wird erläutert, dass die Kleinfamilie weiterhin die Hauptlebensform in Dänemark sei (Nationalmuseet 2003: 248). Dazu ist ein Foto abgebildet, auf dem ein Tablett mit Geschirr und einer kleinen dänischen Fahne zu sehen ist. Laut Text handelt es sich um ein Frühstückstablett, welches Eltern zur Geburt ihres Kindes im Krankenhaus serviert bekommen. In der Bildunterschrift heißt es „Ein neuer Däne ist geboren!“ (ebd.: 249). Das Bild des Frühstückstabletts mit dem Geschirr für zwei und der dänischen Fahne verbindet die Familie mit der kollektiven Zugehörigkeit zur Gruppe der Dän*innen. Die Bestimmung des Kindes als neuer Däne in der Bildbeschriftung verknüpft diese kollektive Zugehörigkeit mit der Zukunft und vermittelt gleichzeitig konservative Vorstellungen von Familie als natürliche Einheit, in die ein Mensch hineingeboren wird. Alternative Formen familiärer Zugehörigkeiten wie Adoption oder gewählte Bezugspersonen fallen dadurch aus der musealen Konzeption von Familie heraus. Es zeigt sich bereits, dass die Ausstellung mit dem Leitmotiv Familie Ideen von nationaler Zusammengehörigkeit und fortwährendem Bestehen der kollektiven Identität vermittelt. Mit den Präsentationen zum Leitmotiv Familie gehen spezifische Geschlechterkonstruktionen einher, die ich im Folgenden entlang der von den Ausstellungsmacher*innen gesetzten Struktur der Ausstellung als Geschichte von Staat, Gesellschaft und Individuum untersuchen werde.

VERGESCHLECHTLICHTE POSITIONIERUNGEN VON FAMILIENMITGLIEDERN Die Konzeption der Ausstellung, unterschiedliche Lebensweisen von Individuen zu den unterschiedlichen Zeiten der ausgestellten Geschichte zu vermitteln, wird

79 Für eine ausführlichere Besprechung dieses Bildes und der Wahlkampagne siehe das Kapitel zur Repräsentation staatlicher Familienpolitik.

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nur selten mittels Präsentationen vom Leben einzelner Menschen umgesetzt. Weder finden sich viele Präsentationen bekannter Persönlichkeiten – wie in der Ausstellung des Deutschen Historischen Museums – noch finden sich ausführliche Präsentationen individueller Lebensgeschichten aus der Bevölkerung. An einigen Stellen werden zwar biographische Angaben zu früheren Bewohner*innen der ausgestellten Interieurs gemacht. So zum Beispiel über die Komtesse Birgitte Eleonore Rantzau, die 1793 ein kleines Landgut bewohnte, aus dem drei Räume ausgestellt sind (NM: R 211-213, Landgut Lille Hesbjerg) oder über den Tischler Diedrich Schäffer, der von 1735-1745 mit seiner Familie in einem Kopenhagener Apartment lebte (NM: R 217-221, Ein Kopenhagener Apartment). In einem Großteil der Displays werden die Menschen jedoch als Teil von Familienverbänden präsentiert und unterschiedlichen Kollektividentitäten wie zum Beispiel Männer, Frauen, Kinder, Arbeiter oder Bauern zugeordnet. Ein erstes Display, in dem ‚Familie‘ explizit Thema ist, befindet sich im Rundgang in einem Raum, in dem das Leben in der Stadt dargestellt wird (NM: R 214). Ein Thementext mit dem Titel „Leben in Stadt und Handelsstadt“ bietet zunächst statistische Angaben zu Bevölkerungszahlen von Städten im 17. und 18. Jahrhundert. Der inhaltliche Fokus des Textes liegt in der Folge auf Erwerbstätigkeiten in Handwerk und Handel. Entsprechend sind in diesem Raum bis auf ein Display alle übrigen dem Zunftwesen und dem Handel auf Märkten gewidmet. Trotz der Dominanz der Themen Handwerk und Handel in den Exponat- und Textpräsentationen, befindet sich direkt gegenüber vom Raumeingang und somit als Blickfang gestaltet eine Vitrine, die laut Titel der Displaytexttafel dem Thema „Familie und Haushalt“ (NM: R 214) gewidmet ist (Abb. 19). In dem Displaytext wird die Bedeutung von Haushalt und Familie in der Frühen Neuzeit erläutert. Sowohl Wohnraum als auch Werkstatt oder Gewerberäume seien zu dieser Zeit häufig im selben Haus gewesen. Der Mann wird als Haushaltsvorstand und zuständig für den Erwerb beschrieben, die Frau sei laut Text für den Haushalt zuständig gewesen und habe häufig auch im Geschäft des Mannes mitgearbeitet. Als Beispiel erläutert der Text, dass manche Frauen die Produkte ihrer Ehemänner verkauften oder Witwen das Geschäft ihrer Ehemänner weiterführen konnten. Auf der Textebene wird eine gemeinschaftliche Nutzung des Hauses für Wohnen und Gewerbe von Frauen und Männern beschrieben. Diese Textinhalte werden in der Grafik einer Haushaltstafel, die unterhalb des Displaytextes angebracht ist, weiter ausdifferenziert und visualisiert. In zwei Reihen sind die verwandtschaftliche Familie sowie die Angestellten des Haushaltes abgebildet. Die jeweiligen Informationen zu den Personen weisen ihnen bestimmte Positionen im Haushalt zu. Dabei werden auch Geschlechterhierar-

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chien vermittelt. Während der Mann in der oberen Reihe als Sattelmacher und Haushaltsoberhaupt bestimmt wird, findet sich bei der daneben abgebildeten Frau hingegen nur die Bezeichnung „Ehefrau von“. Die im Text beschriebene Aufgabe der Frau als Hausfrau oder ihre Mitarbeit im Gewerbe des Mannes werden jedoch nicht aufgeführt. Für den Mann fehlt hingegen eine Benennung als ‚Ehemann von‘. Die hier visualisierten Personendaten stammen laut Angabe der Tafel aus einer Volkszählung von 1801. Es ist anzunehmen, dass dort keine Angaben über die Tätigkeiten der Ehefrau vermerkt wurden und die Ausstellungsmacher*innen die Angaben direkt übernommen haben. Durch die einfache Übernahme dieser Angaben ohne weitere Kontextualisierungen wird eine Reduzierung der Geschlechterposition von Frauen auf die Rolle der Ehefrau in den damaligen statistischen Erhebungen reproduziert, anstatt diese als zeitgenössisch zu reflektieren. Dadurch wird einerseits eine Selbstverständlichkeit von Männern als autarken Personen reproduziert und andererseits eine Heterogenität der Lebenssituationen von Frauen ausgeblendet. In der unteren Reihe dieser Tafel sind die Angestellten abgebildet. Auch in dieser Reihe sind zuerst die männlichen Personen abgebildet und dann die weiblichen. Durch diese Anordnung wird eine Hierarchisierung der Angestellten vorgenommen, die den männlichen Angestellten mehr Bedeutung zuschreibt, ohne dass diese (An)Ordnung begründet wird. Die Hierarchie zwischen männlichen und weiblichen Personen wird dadurch als selbstverständlich vermittelt. Die Personenbeschreibungen der Angestellten geben Auskunft über deren Aufgabe im Haus, deren Alter und deren Familienstand. Sie werden somit einerseits als zugehörig zum Haushalt des Sattelmachers und andererseits als zugehörig zu einer ‚eigenen‘ Familie vermittelt. Mittels dieser Grafik konzipiert die Ausstellung zweierlei Hierarchien als selbstverständliche gesellschaftliche Ordnungen: die zwischen verwandtschaftlicher Familie als Arbeitgeberin und Angestellten sowie zwischen Männern und Frauen. Diese schriftliche und grafische Repräsentation von Haushalt und Familie in der frühen Neuzeit vermittelt einen Forschungsstand aus der Geschlechtergeschichte zum gemeinschaftlichen Leben von Frauen und Männern wie Heide Wunder (1992) es in ihrer umfassenden Studie zum Leben von Frauen in der frühen Neuzeit herausgearbeitet hat. Sie hat mit dem Begriff des „Ehe- und Arbeitspaars“ darauf hingewiesen, dass gerade in Haushalten von Handwerkern, Kaufleuten und Bauern in der Regel beide Eheleute gemeinsam Verantwortung für das jeweilige Wirtschaften der Familie trugen (ebd.: 98).

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Abbildung 19: Haushalt und Familie (NM: R 214)

Foto: Lisa Spanka, September 2014

Die Vitrine ist auf den ersten Blick entsprechend der Erläuterungen Wunders zu Familie und Arbeit unter einem Dach eingerichtet und in zwei Seiten unterteilt. Auf der einen Seite sind Exponate aus dem Feld der heute als Haushalts- und Sorgearbeit bestimmten Tätigkeiten angeordnet: es sind ein Babyfläschchen, Kochgeschirr, ein Wascheimer, ein Bügeleisen, ein Nähkästchen sowie ein Haushaltsbuch ausgestellt. Ebenfalls in diesem Teil der Vitrine sind ein Halstuch und eine Haube platziert worden, die im Objekttext einer „Stadtfrau“ zugeschrieben werden (NM: R 214, Haushalt und Familie, OT 7). Durch die Zusammenstellung von Gegenständen aus dem Bereich der Haushaltsarbeit mit Bekleidungsstücken weiblicher Personen wird das Tätigkeitsfeld Haushalt weiblich konnotiert. In der linken Hälfte der Vitrine sind auf drei Ebenen Exponate zu sehen, die in den Objekttexten der Erwerbsarbeit von Frauen zugeordnet werden. Ganz oben in der Vitrine sind das Gewerbeschild einer Hebamme (ebd., OT 1) sowie ein Korb mit Tüchern angebracht. Auf einer kleinen Texttafel in dieser Vitrinenhälfte wird dazu die Professionalisierung des Hebammenwesens im 17. und 18. Jahrhundert mittels der Einführung eines Ausbildungssystems erläutert. In einer Reihe unter dem Hebammengewerbeschild und dem Korb hängen verschiedene

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silberne Plaketten, die laut Objekttext beim Eintritt in eine Zunft von neuen Mitgliedern an den Zunftpokal angebracht wurden. Auf den für diese Vitrine ausgewählten Plaketten sind sowohl der Name des Mannes als auch der seiner Frau eingraviert. Das sollte, laut Objekttext, die Mitarbeit der Frau im Familienbetrieb symbolisieren (NM: R 214, Haushalt und Familie, OT 2). Auf dem Boden der Vitrine steht ein Henkelkorb mit einem weißen Tuch. Dieser wird im Objekttext als ein Korb zum Verkauf von Waren auf der Straße bestimmt. Dazu wird erklärt, dass Frauen die Produkte ihrer Männer verkauften und Soldatenfrauen sowie alleinstehende Frauen die Möglichkeit hatten, selbsthergestellte Waren auf der Straße zu verkaufen (ebd., OT 3). Durch die Objektauswahl und deren Erläuterungen in den Objekttexten werden in dieser Hälfte der Vitrine sowohl vielfältige Felder der Erwerbstätigkeit von Frauen veranschaulicht als auch vielfältige Lebenssituationen von Frauen im 17. und 18. Jahrhundert benannt. Es wird ein differenziertes Bild der Lebensumstände unterschiedlicher weiblicher Personen gezeigt. All dies wird allerdings unter dem Displaytitel „Familie und Haushalt“ zusammengefasst, wodurch das Handlungsfeld weiblicher Personen im häuslichen und familiären Bereich verortet wird. Darüber hinaus birgt die Objektauswahl für dieses Display eine Leerstelle bezüglich männlicher Personen im Haushalt. Exponate, die auf das Leben und Arbeiten von männlichen Personen im Haushalt hinweisen, wie zum Beispiel Kleidungsstücke, sind nicht ausgestellt. Während auf der Textebene dieser Thementafel zwar beschrieben wird, dass der Mann das Oberhaupt des Haushaltes war und sich sowohl die Gewerberäume beziehungsweise die Werkstatt als auch der Familienwohnraum im selben Haus befanden, fehlt eine Repräsentation des Zusammenlebens im Haus durch Exponate. Es sind keine Exponate zur Arbeit und zum Leben von männlichen Personen im Haushalt ausgestellt. Einzig die Zunftplaketten verweisen auf die gemeinsame Tätigkeit von Eheleuten im innerhäußlichen Betrieb, der Objekttext dazu vereindeutigt die Plaketten in diesem Display jedoch als Zeugnis für die Mitarbeit von Frauen im Betrieb. Während also sowohl die Erwerbstätigkeit als auch die Haushaltsarbeit von Frauen ausschließlich in der Vitrine zum Haushalt verortet werden, sind männliche Personen in dieser Vitrine weitestgehend unsichtbar. Die im Displaytext erläuterte Gemeinschaft von Arbeit und Leben der gesamten Familie in einem Haus wird einseitig durch eine Verortung der Tätigkeiten von Frauen im Haus repräsentiert. Die Ausstellung reproduziert dadurch zugleich Vorstellungen vom Haushalt als reinem Frauenort sowie eine Verortung weiblicher Handlungsfelder in den privaten Bereich. Die Auslagerung männlicher Akteure aus dem häuslichen Bereich wird durch weitere (An)ordnungen und Vitrinen in dem Raum verstärkt und fortge-

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führt. Objekte, die auf das Handeln männlicher Akteure hinweisen, sind in den Displays ausgestellt, die das Zunftwesen präsentieren. In diesen Vitrinen sind zudem keinerlei Hinweise oder Beschreibungen zu weiblichen Personen und deren Tätigkeiten zu finden. Zu einem Display mit dem Titel „Zunftfeste“ (NM: R 214) ist zwar ein Zunftpokal ausgestellt, an dem Plaketten hängen, wie sie in dem Display mit dem Titel „Familie und Haushalt“ (ebd.) zu sehen sind. Den Beschreibungen der Objekttexte zufolge sind auf diesen Plaketten jedoch keine Namen von Frauen eingraviert. Das Zunftwesen wird durch diese Ausstellungsweise als ausschließlich männlicher Bereich bestimmt. Für viele Zünfte ist dies sicherlich historisch richtig. Die Repräsentationen des Zunftwesens führen jedoch in der Kombination mit der Repräsentation von Haushalt und Familie zu einer binären Trennung von Räumen entlang der Kategorie Geschlecht und weist männlichen und weiblichen Personen ausschließlich unterschiedliche Orte als Handlungsfelder zu. Damit wird eine geschlechtlich markierte Aufteilung von Handlungsräumen als selbstverständlich vermittelt, die in der Zeit der frühen Neuzeit gerade erst ihre Anfänge fand und auch zu späteren Zeiten nicht flächendeckend bestand. Wunder hat in ihrer Arbeit aufgezeigt, dass in der frühen Neuzeit sowohl in gehobenen bürgerlichen Schichten als auch in ärmeren Schichten keine Trennung eindeutig vergeschlechtlichter Orte bestand. Während das bürgerliche Paar freie Zeit gemeinsam im Haus verbracht habe, seien Paare in ärmeren Schichten gemeinsam in der außerhäuslichen Lohnarbeit tätig gewesen (Wunder 1992: 94). Dies spricht sowohl gegen eine Vorstellung vom Haus als reinem Frauenort als auch gegen eine ausschließlich männliche Konnotation des außerhäuslichen Raumes, wie sie in der Ausstellung vermittelt werden. Durch diese (An)Ordnungen wird der Prozess der Ausdifferenzierung eines binären Geschlechtersystems nicht als solcher sichtbar gemacht, sondern eine Geschlechterordnung mit einer zweigeschlechtlichen Trennung von Handlungsorten als immer schon dagewesene Ordnung normalisiert. Alternativ hätten die Ausstellungsmacher*innen in der Vitrine zum Haushalt Objekte einstellen können, die auf männliche Akteure verweisen, oder die Zunftplaketten mit den Namen der Ehefrauen in den Vitrinen zum Zunftwesen ausstellen können. Das Hebammenschild und die Erklärung zur Hebammenausbildung hätten zudem in einer Vitrine zur Professionalisierung der Arbeitswelt in der frühen Neuzeit eingerichtet werden können, die Wunder ebenfalls in ihrer Studie über das Leben von Frauen in der frühen Neuzeit herausgearbeitet hat (ebd.: 139–144).

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FAMILIE UND GESELLSCHAFT: DIE HOMOGENISIERUNG SOZIALER UNTERSCHIEDE Der zweite Erzählstrang im Konzept der Ausstellung soll die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse und Strukturen in den unterschiedlichen Zeiten der ausgestellten Geschichte vermitteln. Im Abschnitt über den Absolutismus wird entsprechend die Ständegesellschaft präsentiert (NM: R 205) sowie das Leben in Stadt und Land (NM: R 208a, R 210, R 214) vermittelt. In dem Abschnitt über die Nationenbildung werden das Leben von Erwachsenen und Kindern im Bürgertum, auf dem Land sowie das Leben in einer aufkommenden Industriegesellschaft (NM: R 228, R 231, R 233) dargestellt und im Abschnitt über den entstehenden Wohlfahrtsstaat wird die Klassengesellschaft und deren Wandel zu einer vermeintlich einheitlich mittelständischen Gesellschaft präsentiert (NM: R 235, R 237). All diese unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen werden häufig mittels Familiendarstellungen repräsentiert. Hagemanns Ausführungen über die Funktion von Familienmetaphern zur Vermittlung einer Einheitlichkeit vielfältiger Lebenssituationen in den Nationenbildungsprozessen des 19. Jahrhunderts lassen sich auf die Familiendarstellungen der Ausstellung übertragen (Hagemann 2000: 79). Entgegen des formulierten Anspruchs, Vielfalt zu vermitteln, sind die Familiendarstellungen in der Ausstellung recht homogen und vereinfachend gehalten. Die im vorangegangenen Abschnitt herausgearbeiteten Ergebnisse zu den Geschlechterkonstruktionen in den Präsentationen des Lebens verschiedener Familienmitglieder setzen sich auch im Kontext des Erzählstrangs über die unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen fort. Das Leben im Bürgertum, auf dem Land, in der proletarischen Klasse sowie das Leben in armen und prekären Verhältnissen wird durchgehend mittels Darstellungen heterosexueller Familien repräsentiert. In einem Raum, der dem gesellschaftlichen Wandel zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewidmet ist (NM: R 234), wird dies besonders deutlich, da ein Vergleich von unterschiedlichen Klassenzugehörigkeiten gezeigt wird. Unter dem Titel „Gesellschaft im Wandel“ wird in einem Thementext zunächst auf ein wirtschaftliches Wachstum und technologische Neuentwicklungen zu dieser Zeit hingewiesen. Davon ausgehend werden eine zunehmende Land-Stadt-Migration sowie der Ausbau der Sozialgesetzgebung beschrieben. Darauffolgend werden das Bürgertum, die Landwirte, die Arbeiter sowie die Kleinbauern und Landarbeiter als unterschiedliche Klassen bestimmt und jeder dieser Gruppen wird eine politische Partei als Interessensvertretung zugeordnet. Die so definierten Gruppen werden jeweils ausschließlich in männlicher Form benannt, was die gesellschaftliche Ordnung der Klassen männlich konnotiert. Dieser Vergeschlechtli-

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chung der sozialen Gruppen entsprechend werden im letzten Absatz des Thementextes die Forderungen von Frauen nach Wahlrecht und die Einführung des Wahlrechts für Frauen und Bedienstete separat dargestellt. Frauen werden dadurch als eigene Gruppe jenseits der zuvor beschriebenen Klassen bestimmt. In dem Aufbau des Textes wird zudem eine Hierarchisierung der Themen vorgenommen, durch die Frauen als nachrangige Akteurinnen bestimmt werden. Der Raum ist länglich und recht dunkel, an beiden Längsseiten des Raumes sind Vitrinen aufgestellt, in denen zwei Themenfelder repräsentiert werden. Während auf der linken Seite Veränderungen und Neuerungen der Zeit präsentiert werden, wie die Einführung des Frauenwahlrechts, neue Denkströmungen, das neue Medium Film sowie die Erweiterung der Sozialgesetzgebung, wird auf der rechten Seite des Raumes eine Art gesellschaftlicher ‚Ist-Zustand‘ vermittelt. In großen, schaufensterartigen Wandvitrinen sind dazu mehrere Wohnrauminszenierungen zu sehen, die die in dem Thementext (NM: R 234, Gesellschaft im Wandel) benannten Klassen „Bürgertum“, „Arbeiter“, „Hofbesitzer“ sowie „Kleinbauern und Landarbeiter“ repräsentieren (Abb. 20). Die Zuordnung der einzelnen Wohnraumensembles zu je einer der im Text vorgestellten Klassen wird über die Titel der Displaytafeln sowie je einer Infografik mit der Darstellung eines exemplarischen Haushaltes vermittelt. In jedem der vier Displays sind in ähnlicher Weise Möbel und Zierobjekte sowie Kleidungsstücke so angeordnet, dass der Eindruck entsteht, in vier verschiedene Wohnstuben zu blicken. Eine Differenzierung der Wohnräume sowie deren Zuordnung zu einer der jeweils genannten Klassen werden durch unterschiedliche Tapezierungen der Wände, die Menge der Exponate und deren Materialität geschaffen. So vermittelt die Ausstellung einen unterschiedlichen Wohlstand der hier repräsentierten Klassen vom Bürgertum bis zur Klasse der Landarbeiter. Die Klassengesellschaft um 1900 wird durch diese Präsentation von Wohninterieurs und Familienkonstellationen im Kontext der privaten Sphäre repräsentiert. Trotz unterschiedlich wertvoller Ausstattungen wird so eine Homogenität der Klassen hinsichtlich eines Lebens in Familienverbänden konstruiert. Sowohl die Displaytexte als auch die Objekt(an)ordnungen schaffen zudem eine vereinfachende und verallgemeinernde Perspektive auf die Klassengesellschaft und die jeweiligen Akteur*innen. In allen Vitrinen werden neben dem Mobiliar auch Objekte gezeigt, die durch Objektgruppentexte bestimmten Personen zugeordnet sind. Sie repräsentieren jeweils einen Mann, eine Frau und Kinder als Mitglieder der dargestellten Familien. Die Darstellungen zu diesen Personen vermitteln für alle Klassen eine homogene Geschlechterordnung. In den Beschreibungen der Personen auf der Textebene wird eine Hierarchisierung der Personen nach Geschlecht vorgenommen, bei der der Mann durchgehend als Repräsentant der je-

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weils vorgestellten Klasse und als Hauptverdiener beschreiben wird. In dem Displaytext zum Bürgertum heißt es zum Beispiel: „Der Hausherr war das Familienoberhaupt und der Alleinverdiener. Er wählte die konservative Partei Højre und las die Zeitung Berlinske Tidene oder Nationaltidene“ (NM: R 234, Das Bürgertum).

Für Bauern heißt es in ähnlicher Weise: „Der Bauer wurde zum Landbesitzer; politisch unterstützte er die liberale Partei [Venstre, L.S.]“ (ebd., Der Hofbesitzer).

So wird auf der Textebene anhand scheinbar exemplarischer Beschreibungen eine starke Verallgemeinerung vorgenommen, die alle männlichen Personen einer Klasse auf dieselbe Position festlegt. Die Unterschiede zwischen den Klassen sowie eine Klassenzugehörigkeit werden dabei auf die jeweilige Berufstätigkeit des Mannes, dessen Zuordnung zu einer Partei sowie das Lesen einer bestimmten Zeitung reduziert. Als Vater und Privatperson wird er hingegen nicht vermittelt. Dadurch entsteht sowohl eine männliche Konnotation der gesellschaftlichen Ordnung als auch eine Verengung der Handlungsfelder männlicher Personen auf den öffentlichen Bereich. Mögliche Unterschiede innerhalb einer Klasse werden ausgeblendet. Die Präsentationen weiblicher Personen und deren Lebensumstände sind hingegen differenzierter, zum Teil aber auch widersprüchlich. Sie werden als Ehefrau und Mutter sowie je nach Klassenzugehörigkeit als Hausfrau und/oder Erwerbstätige präsentiert. Ihre Zugehörigkeit zu einer Klasse wird allerdings durchgehend über die Position des Mannes bestimmt. Eine Klassenzugehörigkeit qua Geburt und somit auch von alleinstehenden Personen ist hingegen unsichtbar. Vor dem Hintergrund des Themas „Gesellschaft im Wandel“ kann dies als Ausstellungsstrategie hinsichtlich einer Vermittlung von Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs gedeutet werden, gleichzeitig werden weiblichen Personen jedoch eigenständige Identitätspositionen abgesprochen.

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Abbildung 20: Raumansicht Gesellschaft im Wandel (NM: R 234)

Foto: Lisa Spanka, September 2012

Abbildung 21: Die Arbeiterfamilie (NM: R 234)

Foto: Lisa Spanka, September 2012

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Für einen detaillierteren Blick auf die Geschlechterkonstruktionen im Kontext der vereinheitlichenden Repräsentation von gesellschaftlichen Unterschieden durch das Leitmotiv Familie werde ich im Folgenden das Display zur „Arbeiterfamilie“ (NM R 234) (Abb. 21) ausführlicher besprechen. Die Wohnrauminszenierung zur Arbeiterfamilie steht vom Rundgang aus gesehen in chronologischer Richtung an zweiter Stelle der vier Displays zur Klassengesellschaft. In dem Text der Displaytafel werden die Lebensumstände und Wohnverhältnisse von Arbeiterfamilien um 1900 beschrieben, wobei auch in diesem Displaytext durch die Bezeichnungen „der Arbeiter“ und „die Arbeiterfrau“ ein verallgemeinernder Singular zu Homogenisierungen führt. Der erste Textabschnitt ist der Darstellung des Lebens „des Arbeiters“ gewidmet. Es wird das Bemühen der Gewerkschaften erläutert, das Selbstbewusstsein von Arbeitern zu stärken. Dementsprechend wird in diesem Absatz ein Arbeiter beschrieben, der partei- und gewerkschaftspolitisch aktiv war. „Der politisch gesinnte Arbeiter war nüchtern, brachte seinen Lohn nach Hause und verbrachte die knappe Freizeit mit seiner Frau und den Kindern zu Hause oder im Schrebergarten.“ (NM: R 234, Die Arbeiterfamilie)

In dieser Formulierung wird nicht nur das Ideal eines politisch aktiven Arbeiters beschrieben, sondern auch eine Geschlechterordnung vermittelt, in der die Frau nur als Teil der Freizeitaktivität des Mannes vorkommt und somit objektiviert wird. Der zweite Abschnitt des Displaytextes ist der Wohnsituation der „Arbeiterfamilie“ gewidmet. Laut Text richteten sich viele Arbeiterfamilien nach bürgerlichem Vorbild mit großen Massivholzmöbeln ein, obwohl die typische Arbeiterwohnung klein und feucht gewesen sei. Im letzten Abschnitt dieses Textes werden prekäre Lebensumstände in der Arbeiterklasse beschrieben. Auch diese werden auf ein bestimmtes Verhalten des Mannes zurückgeführt: „In anderen Familien versoff der Mann seinen Wochenlohn und überließ das Instandhalten der Wohnung seiner Frau und den Kindern.“ (ebd.)

Dazu wird im Weiteren erläutert, dass ältere Kinder arbeiteten oder auf die Geschwister aufpassten und die Mutter sich „für schlechtbezahlte Arbeit abrackern musste“ (ebd.; Hervorhebung L.S.). Die mögliche Erwerbstätigkeit von Frauen wird durch diese Formulierung an das Verhalten des Mannes gekoppelt und problematisiert. Während die Frau eines politisch aktiven Arbeiters nur im Kontext von Freizeitaktivitäten genannt und objektiviert wird, bestimmt die Ausstellung die Erwerbstätigkeit von Frauen hingegen als Folge eines devianten Verhal-

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tens des Mannes und als Nothandlung. In der Gegenüberstellung eines „politisch gesinnten Arbeiters“ und eines „Mannes, der seinen Wochenlohn versoff“ wiederholt die Ausstellung Konstruktionen einer erfolgreichen, verantwortlichen Männlichkeit, die von Jürgen Martschukat und Olaf Stieglitz als Bestandteil der Herausbildung des Wohlfahrtskapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert beschrieben wird. Dabei seien Alkoholkonsum negativ konnotiert und eine Verantwortlichkeit für Familie und Gesellschaft als Teil erfolgreicher männlicher Identität bestimmt worden (Martschukat/Stieglitz 2005: 136f.). Die Darstellung weiblicher Erwerbstätigkeit ausschließlich als Folge männlichen (Fehl-)Verhaltens ist Teil dieser Männlichkeitskonstruktionen. Entgegen der im Displaytext beschriebenen feuchten und engen Wohnverhältnisse wird durch die Objekt(an)ordnungen in dieser Vitrine eine gepflegte und gut situierte Wohnsituation zu-sehen-gegeben. Mit Schnitzereien verzierte dunkle Holzmöbel, eine grün-weiß gemusterte Schmucktapete und eine verzierte Lampe repräsentieren eine finanziell besser gestellte Arbeiterfamilie. Dekorative Erinnerungsteller an den Wänden, Vasen, Geschirr und Ziergegenstände verweisen auf das Vermögen von Geld und Freizeit, die für die Pflege und Dekoration eines Wohnraums eingesetzt werden müssen. Prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen werden hingegen ausgeblendet. Die Repräsentation einer Arbeiterklasse, die gut organisiert war und sich etwas leisten konnte, wird durch einige Exponate sowie Beschreibungen zur Funktion von Arbeiterbaugenossenschaften veranschaulicht. Die Exponate befinden sich an einer Seite der Vitrine und sind von der Wohnrauminszenierung abgegrenzt positioniert (Abb. 21, rechts im Bild). An einer untapezierten Stellwand ist eine dunkelbraune Holztafel angebracht, die für eine Baugenossenschaft wirbt. Davor liegt auf einem kleinen Podest ein Bebauungsplan. Auf einer kleinen Texttafel wird erläutert, dass Baugenossenschaften den Bau von bezahlbaren Häusern für Arbeiter organisierten. Dadurch wird auf die Möglichkeit verwiesen, Eigentum zu erwerben, und somit eine Handlungsmacht der Arbeiter repräsentiert, die eigenen Verhältnisse zu verbessern. Im vorderen Bereich der Vitrine befinden sich weitere Podeste mit kleineren Exponaten, die durch kleine Texttafeln einzelnen Familienmitgliedern zugeordnet sind. Die Positionierung und Zuordnung dieser Objektgruppen sind hinsichtlich der Geschlechterkonstruktion bedeutsam. Zwei Podeste stehen sowohl vor dem Bereich mit den Exponaten zur Baugenossenschaft als auch vor dem Bereich der Wohnrauminszenierung. Die so platzierten Objekte werden durch die Überschrift einer Texttafel einem Mann zugeordnet. Ein Hut, ein Gewerkschaftsmitgliedsbuch sowie eine Tageszeitung verweisen auf die bereits in den Texten beschriebenen gewerkschaftlich und politisch interessierten und aktiven

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Arbeiter und positionieren diese sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. In dem Text auf der kleinen Texttafel wird das zeitgenössisches Ideal eines Arbeiters vermittelt. Der Titel des Textes lautet „Der gute Arbeiter“ (NM: R234), im Text heißt es jedoch verallgemeinernd, die meisten Arbeiter seien zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Gewerkschaften organisiert gewesen. In einem Nebensatz wird zwar einschränkend erläutert, dass ungelernte Arbeiter seltener in der Gewerkschaft waren, der weitere Text geht jedoch nicht ausführlicher auf diese Gruppe ein. Es wird stattdessen eine detaillierte Beschreibung politisch aktiver Arbeiter vorgenommen: Sie hätten die Tageszeitung Sozialdemokraten gelesen und die sozialdemokratische Partei gewählt. Sie seien ordentlich gekleidet gewesen und hätten sich gewünscht, dass ihre Frauen nach bürgerlichem Vorbild nicht außerhalb des Hauses arbeiteten. Die eigentliche Arbeit und die damit verbundenen Lebensbedingungen von Arbeitern sind hingegen weder auf der Textnoch auf der Objektebene repräsentiert. Das Zusammenspiel von Objekt(an)ordnung und Textebene konstruiert einen Arbeiter, der diesem Idealbild entspricht, anstatt es als ein Ideal zu reflektieren. Damit geht die positive Bewertung von Ordnung und politischer Aktivität einher, die durch die Beschreibung von ordentlicher Kleidung, gepflegtem Hut und dem zusammenpassenden Mobiliar repräsentiert wird. Diese Repräsentation steht in starkem Kontrast zu anderen Beschreibungen der Industrie- und Klassengesellschaft, bei denen vor allem die schwierigen Lebensbedingungen von Arbeiter*innen und eine Kritik am System der Industrialisierung thematisiert werden. So zum Beispiel in den Werken des dänischen Schriftstellers Martin Andersen Nexø (1869-1954), der in einem Display zu philosophischen und literarischen Strömungen der Zeit im selben Raum vorgestellt wird. Nexø wird in diesem Display als Autor der Arbeiterklasse bezeichnet, der mit seinen Werken „Pelle der Eroberer“ (1910) und „Ditte Menschenkind“ (1921) international bekannt geworden sei. Auf die Inhalte dieser Werke wird jedoch nicht näher eingegangen (NM: R 234, Nexø). In ihnen hatte Nexø die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen der Arbeiterklasse beschrieben (Keel 2004). Statt auf den Weltruhm des Autors zu verweisen, hätten die Ausstellungsmacher*innen die gesellschaftlichen Kontexte, in denen die Werke Nexøs entstanden waren, nennen und diese in Bezug zu der Vitrine über die Klassengesellschaft und insbesondere zu der Darstellung der Arbeiterfamilie setzen können. Die Motivationen und Hintergründe der gewerkschaftlichen und politischen Aktivität von Arbeitern, ihre prekären Verhältnisse zu verbessern, bleiben jedoch in diesem Raum weitestgehend unsichtbar. Nur in den Präsentationen zum Leben der „Arbeiterfrau“ werden Lebensumstände thematisiert, die dem idealisierten Bild der Arbeiterklasse widersprechen.

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Diese Darstellungen führen zu Brüchen in den Repräsentationen des Leitmotivs Familie. Ein Podest mit Exponaten, die durch eine Texttafel der „Arbeiterfrau“ (NM: R 234) zugeschrieben werden, ist in der Mitte des Displays und des Wohnraumensembles positioniert und verortet die Arbeiterfrau somit im privaten Bereich. Die Exponate selbst verweisen hingegen auf Aktivitäten im außerhäuslichen, öffentlichen Bereich. Zu sehen sind ein Hut mit Federschmuck, ein Schultertuch sowie ein Henkelkorb. Dies sowie der Inhalt des Objektgruppentextes führen zu einer Positionierung der Arbeiterfrau zwischen privatem und öffentlichem Bereich. Mit dem Titel des Objektgruppentextes wird die einseitige Konstruktion weiblicher Personen als Ehefrauen aus dem Displaytext fortgesetzt. Anstatt sie als selbstständig handelndes Subjekt zu beschreiben wird eine mögliche Erwerbstätigkeit von Frauen in dem Objektgruppentext nur als Unterstützung der Familie oder als Ergänzung des Einkommens des Mannes beschrieben. Als Erwerbsmöglichkeiten für Frauen werden das Waschen oder Putzen in bürgerlichen Haushalten sowie Näharbeiten genannt. Letzteres wird ausführlich beschrieben: Der Kauf einer Nähmaschine, so heißt es, sei eine Investition gewesen, damit die Frau Kleidung für die Kinder nähen sowie ein zusätzliches Einkommen einbringen konnte. In der hinteren Ecke der Vitrine ist eine solche Nähmaschine ausgestellt (Abb. 21, links im Bild). Sie ist allerdings in das Interieur des Wohnraumes integriert und erscheint mehr als Teil des gut gepflegten Mobiliars, denn als Repräsentation der Erwerbstätigkeit von Frauen der Arbeiterklasse. Die Objekt(an)ordnung spiegelt die im Text erläuterte Notwendigkeit der Erwerbstätigkeit kaum wider. Das gepflegt wirkende und ordentlich zusammengestellte Mobiliar verschleiert die oftmals hochprekären Arbeits- und Lebensbedingungen von Näherinnen und erzeugen stattdessen das Bild einer gemütlichen Wohnatmosphäre, aus der die Frau in gepflegter Bekleidung, wie dem federgeschmückten Hut, heraustreten konnte. Studien wie die von Karin Hausen zur „Sozialgeschichte der Nähmaschine“ (1980) haben jedoch die Prekarität von Heimarbeiterinnen eindrücklich dargelegt. Hausen zu folge kann eine Nähmaschine nicht einfach als Investition in ein zusätzliches Familieneinkommen verstanden werden, sondern muss als Symbol für die Ausbeutung von Arbeiterinnen in der Industriearbeit gedeutet werden. Sie erläutert, dass Heimarbeit von Näherinnen sowohl dringend benötigte Einnahmequelle für Familien gewesen sei, als auch eine der wenigen Erwerbsmöglichkeiten für alleinstehende Frauen und Witwen. Mit den häufig nur durch Ratenzahlung erworbenen Nähmaschinen musste nahezu rund um die Uhr gearbeitet werden, um ein Einkommen zu erlangen, mit welchem diese Raten bezahlt und das Auskommen gesichert werden konnte (ebd.: 752–755). Nexø beschreibt in seinem Werk „Ditte Menschenkind“

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eine ebensolche Zwangslage. Die Protagonistin Ditte verliert ihre Nähmaschine und somit die bereits gezahlten Raten sowie ihre Einnahmequelle aufgrund von Zahlungsrückständen (hier Nexø 1995: Teil 5). Es ist daher anzunehmen, dass die von Hausen beschriebenen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Näherinnen auch auf den dänischen Kontext übertragbar sind. Für eine differenziertere Darstellung der Arbeits- und Lebensbedingungen in der Arbeiterklasse hätte die Ausstellung diese Thematik in den Objekt(an)ordnungen aufgreifen können. Hausens Untersuchung und Nexøs Romandarstellungen berücksichtigend erscheint die in der Ausstellung inszenierte gepflegte Wohnsituation als Widerspruch zu den Lebensbedingungen vieler Arbeiter*innen im 19. Jahrhundert. Das Leitmotiv Familie dient einer Ausstellungsstrategie, in der Unterschiede zwar gezeigt werden, jedoch überwiegend anhand von positiven Beispielen. Diese Ausstellungsentscheidungen führen zu der Vermittlung eines stark idealisierten Bildes der Arbeiterklasse, mit welchem diese als nach bürgerlichem Vorbild lebende Gruppe repräsentiert wird. Ähnliche Idealbilder werden in den anderen Displays für die „Hofbesitzer“ und „Landarbeiter“ (NM: R 234) konstruiert. Damit gehen Konstruktionen von Handlungsvorbildern einher, die zu diesem vermeintlich guten Leben führen. Die Möglichkeit klassenübergreifender guter Lebensumstände wird mit einer Normalität des Zusammenlebens in heterosexuell geordneten Familienkonstellationen und einer vergeschlechtlichten Arbeitsteilung verknüpft. Über die unterschiedlichen sozialen Schichten hinweg wird ein kongruentes Bild männlicher Personen geschaffen, nach dem diese politisch organisiert sowie Familienoberhäupter und Hauptverdiener waren. Für weibliche Personen wird zwar ein differenzierteres Bild konzipiert, welches aber auch von einer Ambivalenz geprägt ist. Einerseits wird ein zeitgenössisches Ideal vom ausschließlichen Handeln im häuslichen Bereich vermittelt und gleichzeitig wird auf die Notwendigkeit weiblicher Erwerbstätigkeit verwiesen. Die Erwerbsarbeit der Frau wird dabei als relational zum Handeln des Mannes dargestellt. Nur wenn sein Einkommen nicht ausreichte, musste die Frau arbeiten, so die Botschaft der Ausstellung. Mit dieser Konzeption weiblicher Erwerbstätigkeit als abhängig vom Handeln eines Mannes und als reiner Nothandlung wird einerseits das Leben in Familien als allgemeingültige Lebensform vorausgesetzt, andererseits reproduziert die Ausstellung dadurch Positionen ökonomischer Theorien, die Erwerbsarbeit von Frauen nur als Ausnahme oder Sekundärerwerb bestimmen (Maier 1994: 19). Diese widersprüchlichen Darstellungen der Handlungsfelder männlicher und weiblicher Personen führe ich auf das Bemühen der Ausstellung zurück, einerseits das Leben von weiblichen Personen differenziert zu repräsentieren, gleichzeitig aber an einem mutterzentrierten Familienkonzept festzuhalten. Vor dem

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Hintergrund der Überlegungen zum Einsatz von Familienmetaphern für die Konstruktion von nationaler Einheit, dienen die ungebrochenen Darstellungen des Mannes als Hauptverdiener und Versorger als Personifizierung staatlichen Erfolgs und gesellschaftlichen Wohlstands innerhalb einer paternalistischen Geschlechterordnung. Die fehlende Präsentation prekären Lebens sowie ein Fokus auf partei- und gewerkschaftspolitische Aktivitäten der männlichen Personen verknüpfen die Entstehung einer gut versorgten Gesellschaft mit männlicher Handlungsmacht.

GESCHLECHTERKONSTRUKTIONEN DURCH DIE REPRÄSENTATION STAATLICHER FAMILIENPOLITIK Während in den bisher diskutierten Displays die Darstellungen von Familie zu vergeschlechtlichten Positionierungen von Familienmitgliedern sowie zur vereinheitlichenden Repräsentation von gesellschaftlichen Strukturen und Unterschieden dienten, verschiebt sich der Fokus der Familiendarstellungen zum Ende der Ausstellung. Im Kontext der Repräsentation des Wohlfahrtsstaates und dessen Politiken wird Familie als Ziel und Nutznießerin dieser Politiken repräsentiert. Das Narrativ der Ausstellung stellt die Geschichte Dänemarks als kontinuierliche Entwicklung zu einer wohlfahrtsstaatlich versorgten und demokratisch organisierten Gesellschaft dar und vermittelt staatliche Interventionen als Unterstützung für die Ermöglichung individueller Lebensentwürfe. Diese individuellen Lebensentwürfe werden auch in den Abschnitten zum 20. Jahrhundert mehrheitlich durch Präsentationen von Personen vermittelt, die in heteronormativen Familienstrukturen leben. Dabei wird ein Fortschrittsnarrativ präsentiert, welches eine Entwicklung von der Klassengesellschaft im 19. Jahrhundert (NM: R 234) bis zum Leben einer mittelständischen Gesellschaft im Wohlfahrtsstaat als Abschluss und Höhepunkt der ausgestellten Geschichte (NM: R 237) entwirft. Hierzu sind in drei Räumen die Thementitel so gewählt, dass sie eine sich ins Positive steigernde Entwicklung repräsentieren. Beginnend mit „Gesellschaft im Wandel“ (NM: R 234) über „Krieg, Krise und Fortschritt“ (1910er-1940er) (NM: R235) bis zu „Wiederbewaffnung, Wohlfahrt und Wohlstand“ (1950er) (NM: R 236). Im Eingangsbereich des darauffolgenden und letzten Ausstellungsraumes (NM: R 237) wird diese Aufzählung fortgesetzt und durch den Titel einer Thementafel „Gute

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Zeiten besser machen“80 noch gesteigert. Der Raum zum Thema „Wiederbewaffnung, Wohlfahrt und Wohlstand“ sowie der erste Raumteil des letzten Raumes sind zudem in der gleichen Farbe gestrichen, wodurch die Kontinuität des Narrativs zusätzlich gestützt wird und die Themenabfolge als logische Folge von Ereignissen in der dänischen Geschichte vermittelt wird. So wird eine Art Evolution des Wohlfahrtsstaates konstruiert und als Erfolgs- und Fortschrittsgeschichte repräsentiert. Das Leitmotiv Familie bildet ein wichtiges Vermittlungselement in der Erzählung des Wohlfahrtsstaates. Der Wohlfahrtsstaat wird insbesondere anhand zeitgenössischer familienpolitischer repräsentiert, die mittels einiger Wahlplakate visualisiert werden (Abb. 22). Der Thementitel „Gute Zeiten besser machen“ wurde von einer Wahlkampfkampagne der dänischen Sozialdemokraten für die Parlamentswahlen von 1960 übernommen (Danmarkshistorien 2015a), für die auch die Plakate hergestellt wurden. Sowohl auf der Textebene als auch auf der Objekt- und Bildebene wird das Verhältnis von Staat und Familie als positiv und unterstützend bestimmt. Dabei wird trotz der Beschreibung gesellschaftlicher und staatlicher Veränderungen an einem Familienbild festgehalten, in dem Frauen primär als Hausfrauen und Mütter gedacht werden. Die Wahlplakate vermitteln zum einen, woher der Thementitel stammt, und zum anderen, dass der Titel Ausdruck des damaligen Zeitgeistes ist. Auf den Plakaten sind Motive zu den politischen Themen Steuern, Arbeit, Bildung und Familie abgebildet. Sowohl auf einem Plakat mit dem Slogan „Sicherheit durch Beschäftigung“ als auch auf einem Plakat mit dem Slogan „Sicherheit für die Familie“ sind Familienbilder gewählt worden, die eine bürgerliche Kleinfamilie und heteronormative Geschlechterordnung repräsentieren. Auf dem Plakat „Sicherheit für die Familie“ ist das Familienbild zu sehen, welches auf dem zuvor bereits diskutierten Titelbild des Museumsführers den dritten Zeitabschnitt der Ausstellung repräsentiert. So bestimmt die Ausstellung ein für eine Wahlkampagne konzipiertes idealisiertes Familienbild der 1960er Jahre als repräsentativ für die dänische Gesellschaft von 1915 bis 2000. Die abgebildete Familie wird als fröhliche Gemeinschaft gezeigt. Vater, Mutter und Kinder sind vor einem im 80 Interessant ist hier die Ähnlichkeit der Darstellungsweisen und Ausstellungstexte mit denen der Ausstellung des DHM zu den 1960er Jahren. Während im DHM unter dem Titel „Alle sollen besser Leben“ die zeitgenössische Wirtschaftspolitik und neue Konsummöglichkeiten vermittelt werden (vgl. das Kapitel zu Konsum im DHM), präsentiert das Nationalmuseum unter dem Titel „Gute Zeiten besser machen“ die familienund arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu dieser Zeit. Für beide Thementitel wurden zeitgenössische Zitate ausgewählt, durch die ein ähnlicher Zeitgeist in Deutschland und Dänemark sichtbar wird.

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Anschnitt erkennbaren Fernsehgerät zu sehen. Der Besitz eines Fernsehgerätes war in den 1960er Jahren jedoch noch relativ selten – die Ausstellung selbst spricht in einem vorangegangenen Raumabschnitt von 400.000 Geräten 81 im Jahr 1960 (NM: R 236, Die Konsumgesellschaft, OT 1). Die auf dem Plakat vermittelte Normalität einer Familie vor dem Fernseher, muss daher als Teil der idealisierten Familiendarstellung der Wahlkampagne „Gute Zeiten besser machen“ verstanden werden und nicht als Normalität in der dänischen Gesellschaft. Während auf dem Plakat mit dem Titel „Sicherheit für die Familie“ (NM: R 237, Gute Zeiten besser machen), die gesamte Familie dem häuslichen Bereich und der Freizeit zugeordnet wurde, vermittelt die Kampagne das Thema Arbeit mit einer Präsentation der ‚Einverdiener‘-Familie und der damit einhergehenden zweigeschlechtlichen Trennung nach häuslicher und öffentlicher Sphäre. Auf dem Wahlplakat mit dem Titel „Sicherheit durch Beschäftigung“ ist eine weibliche Person mit einem Säugling auf dem Arm und einem kleinen Kind an ihrer Seite zu sehen, die einer sich entfernenden männlichen Person mit Aktentasche nachwinkt. Dadurch wird die Frau als Mutter im häuslichen Bereich repräsentiert, als deren Gegenpol der im außerhäuslichen Bereich arbeitende Mann dargestellt wird. Abbildung 22: Wahlplakate

Abbildung 23: Die Vororte

Foto: Lisa Spanka, September 2014

Foto: Lisa Spanka, September 2014

81 1960 hatte Dänemark rund 4,5 Mio. Einwohner*innen (Danmarkshistorien 2015b).

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Durch die Hängung dieser Plakate wird ein für einen Wahlkampf geschaffenes Idealbild der familiären Ordnung der 1960er Jahre als repräsentativ für diese Zeit bestimmt. Weder sind Plakate anderer Parteien aufgehängt noch wird reflektiert, dass es sich bei den Bildern um für Werbezwecke gestaltete Familiendarstellungen handelt. Die Ausstellung gibt damit den von der damals regierenden Partei gewählten Wahlslogan „Gute Zeiten besser machen“ als Zeitgeist wieder und schreibt die auf den Plakaten vermittelte vergeschlechtlichte Ordnung von Familie und Arbeit fort. Der in den Plakaten vermittelte Tenor einer wohlhabenden und staatlich gut versorgten Gesellschaft wird in das Narrativ von kontinuierlich wachsendem Wohlstand überführt. In dem Thementext wird die Politik der sozialdemokratischen Regierung (1953-1968) entsprechend als Sorge für Familien positiv dargestellt. Es wird in erster Linie über einen Wandel auf dem Arbeitsmarkt sowie über die staatliche Familienpolitik der 1960er Jahre berichtet und das staatliche Interesse an der Familie beschrieben: „Durch Berichte über die Arbeitsmarktpolitik und Stadtentwicklungspläne, durch die Initiierung einer Schulreform und Beratungen zu den Themen Schwangerschaft, Säuglingsversorgung und Haushalt rückte die Familie in den Fokus staatlicher Interessen.“ (NM: R 237, Gute Zeiten besser machen)

Dabei wird betont, dass sich durch die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sowohl Familienstrukturen als auch der geschlechtlich geteilte Arbeitsmarkt langsam geändert hätten. Die Beschreibung von Familienpolitik wird hier im Kontext sich wandelnder Familienstrukturen dargestellt, die wiederum an Veränderungen der Handlungsfelder weiblicher Personen geknüpft werden. Eine Abbildung auf dieser Texttafel visualisiert die im Text beschriebenen Veränderungen in den Familien jedoch ausschließlich als Frauenthema. Das Bild stammt aus einer Broschüre des Hauswirtschaftsrates der dänischen Regierung von 1957. Es ist eine Frau zu sehen, die mit einem Bein in einer Wohnung steht und mit dem anderen Bein in einer Fabrik. Die Bildunterschrift lautet „Bist Du auch erwerbstätig?“. Die Erwerbstätigkeit von Frauen wird ausschließlich über die Problematik der Doppelbelastung durch Haushalt und Erwerbstätigkeit repräsentiert. In der musealen Erzählung stehen weibliche Personen im Zentrum der Vermittlung des Verhältnisses von Familie und Arbeit in den 1960er Jahren. Dadurch wird zwar die geschlechtliche Arbeitsteilung problematisiert, ohne jedoch auf die Rolle des Mannes einzugehen. Die Doppelbelastung der Frau durch Familienarbeit und Erwerbsarbeit wird differenziert dargestellt, führt aber zu einer einseitigen Konstruktion von Familie als Frauenort. Der Mann als Vater wird

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abwesend gemacht. Eine Thematisierung der in den 1960er Jahren unangetasteten Position des Mannes als Hauptverdiener hätte aufzeigen können, dass ein Wandel von Geschlechterpositionen und Familienstrukturen nicht allein ein Frauenthema ist. Durch die Entscheidung der Ausstellung, ausschließlich über weibliche Personen zu berichten, wird ein frauenzentriertes Familienkonzept wiederholt und fortgesetzt. Die Objekt(an)ordnungen in einer angrenzend aufgestellten Vitrine unterstützt die Konstruktion von Familie als weiblich konnotiertes Feld. In der Vitrine sind zwei Displaythemen mit den Titeln „Die Vororte“ und „Kinderleben“ zusammengestellt worden (NM: R 237) (Abb. 23). Familie ist zwar in den Displaytiteln nicht explizit benannt, wird jedoch implizit über die Textinhalte sowie durch die Zuordnung einer Infografik mit dem Titel „Die Kernfamilie“ (ebd.) als Thema der Displays bestimmt. In der Darstellung der „Kernfamilie“ auf der Infografik sind entsprechend der in den Ausstellungstexten beschriebenen Veränderungen in der Familie andere Informationen angegeben als in den vorangegangenen Ausstellungsabschnitten. Der Mann wird nicht mehr als „Familienoberhaupt“ oder „Haushaltsvorstand“ bezeichnet und die Frau nicht mehr als „Ehefrau von“. Beide Erwachsenen werden als berufstätig beschrieben, wobei der Frau zusätzlich die Bezeichnung „Hausfrau“ zugeordnet ist. Auf dieser Tafel wird eine veränderte Geschlechterordnung auf beide erwachsenen Personen bezogen, wohingegen die Displaytexte sich auf die Veränderungen der Positionierung weiblicher Personen konzentrieren und die Objekt(an)ordnungen eine Geschlechterordnung reproduzieren, in der Haushaltsarbeit weiblich und Erwerbsarbeit männlich konnotiert ist. Die Exponate, die das Leben der Frau zwischen Beruf und Familie repräsentieren, sind ausschließlich Gegenstände aus dem Bereich der Haushaltsarbeit, die Exponate, die dem Mann zugeordnet sind, repräsentieren diesen ausschließlich als berufstätigen. Zwar sind die Exponate, die dem Mann zugeordnet sind, anders als in vorangegangenen Ausstellungsabschnitten, zusammen mit Exponaten, die Kinder repräsentieren, in einer Vitrine angeordnet, allerdings ist die Vitrine in zwei Hälften unterteilt, in denen durch die jeweiligen Objekt(an)ordnungen weiterhin eine geschlechtliche Trennung von Handlungsfeldern vermittelt wird. Von vorne gesehen sind in der linken Hälfte der Vitrine die Objekte ausgestellt, die den Haushalt repräsentieren, und auf der rechten Seite Objekte, die ein außerhäusliches Berufsleben sowie das Leben von Kindern repräsentieren. Haushalt und Haushaltsarbeit sind durch Fotos, Ratgeberbroschüren sowie Themenund Objekttexte weiblichen Personen zugeordnet. Auf den Fotos ist der Bau eines Wohnblocks, ein Mann und eine Frau im Supermarkt sowie ein an der Wand befestigtes Geschirrabtropfgitter zu sehen. Neben letztgenanntem Foto wurde der

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Bauplan einer Küchenzeile aufgehängt und dazwischen ist ein Handtuchhalter angebracht, auf dem ein Lappen und eine Spülbürste hängen. In einem zugehörigen Objekttext heißt es, dass die Wohnungen in der Nachkriegszeit stark nach den Bedürfnissen der Frauen ausgerichtet worden seien und die Bauplaner die Doppelbelastung der Frau durch Erwerbsarbeit und Familie in die Planungen miteinbezogen hätten (NM: R 237, Die Vororte, OT 2). Unterhalb dieser Wandinstallation stehen zwei Podeste mit weiteren Exponaten. Auf einem liegen zwei Exemplare der bereits angesprochenen Broschüre des staatlichen Hauswirtschaftsrates. Eine ist aufgeschlagen auf einer Seite mit dem Titel „Zeit- und Arbeitsersparnis“. Das zweite Exemplar der Broschüre ist auf einer Seite aufgeschlagen, die das Bild zeigt, welches auch auf der zuvor besprochenen Thementafel abgedruckt ist. Neben den Broschüren sind Messer, Dosenöffner sowie Töpfe und Geschirr ausgestellt. In einem Objekttext mit dem Titel „Rationalisierte Haushaltsarbeit“ (ebd., OT 1) wird dazu erläutert, dass der Hauswirtschaftsrat Hausfrauen Empfehlungen zur Zeitersparnis bei der Haushaltsarbeit gab. Die ausgestellten Objekte werden als von diesem Rat empfohlene Küchenutensilien bestimmt. Die in den Themen- und Displaytexten beschriebene Erwerbstätigkeit der Frau und deren Doppelbelastung in Beruf und Haushalt wird auf der Objekteebene ausschließlich über Haushaltsgegenstände und die Darstellung staatlicher Maßnahmen zur Unterstützung vermittelt. Die Objekt(an)ordnungen visualisieren die Inhalte der Themen- und Displaytexte nur indirekt und halten an Konventionen fest, die weibliches Leben und Handeln in erster Linie mit dem häuslichen Bereich und reproduktiven Tätigkeiten verknüpfen. Roswitha Muttenthaler hat darauf verwiesen, dass solche Ausstellungsentscheidungen die Hausarbeit ungebrochen der Frau zuschreiben (Muttenthaler/Wonisch 2010: 101). Familie und Haushalt werden in der Ausstellung als weibliche Sphäre (re-)konstruiert und normalisiert. Zudem wird durch die Präsentation staatlicher Maßnahmen der Familienpolitik der Staat als Versorger der weiblich konnotierten Familie repräsentiert und ein patriarchales Verhältnis zwischen Staat und Familie positiv konnotiert. Der Displaytext mit dem Titel „Die Vororte“ (NM: R 237) trägt zu dieser alleinigen Verortung weiblicher Personen im Haushalt bei. Es wird zwar zunächst beschrieben, dass Frauen und Männer in der Industrie angestellt waren, im Folgenden werden jedoch vor allem die staatlichen Maßnahmen zum Ausgleich der knapperen Zeit von Frauen für Haushaltsarbeit beschrieben. So wird zum einen betont, dass der Staat die Erwerbstätigkeit der Frauen unterstützte und gleichzeitig wird ein frauenzentriertes Familienleitbild rekonstruiert und fortgeschrieben, nach welchem eine zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen als Problem erscheint. Die staatliche Familienpolitik wird somit auch auf der Textebene als

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Sorgen für die weibliche Bevölkerung positiv hervorgehoben. War es in den Darstellungen der Familie in der Klassengesellschaft der Ehemann, an dessen Handlungen es hing, ob die Frau arbeiten musste, wird hier der Wohlfahrtsstaat als Unterstützer weiblicher Erwerbstätigkeit repräsentiert. Die alleinige Zuständigkeit von Frauen für die Haushalts- und Sorgearbeit bleibt dabei jedoch unangetastet. So wird die Rolle des Mannes weder im Text noch in den Objekt(an)ordnungen hinsichtlich eines Wandels familiärer Geschlechterordnungen thematisiert. Vielmehr bleiben die Repräsentationen zur Position des Mannes in der Familie auf dessen Erwerbstätigkeit fokussiert. Die Objekte, die ein außerhäusliches Berufsleben repräsentieren, sind durch Objekttexte ausschließlich männlich konnotiert. Es handelt sich um Schriftstücke, die eine Strukturierung des Lebens männlicher Personen durch die Erwerbstätigkeit vermitteln. Zu sehen sind Urkunden, Telegramme und Karten, die zu Arbeitsjubiläen, Geburtstagen und Renteneintritt verschickt wurden. Der Titel eines Objekttextes lautet entsprechend „Der Versorger“ (NM: 237, Die Vororte, OT 6). Trotz der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen, so der Text, galt der Mann weiterhin als Versorger der Familie. Mit diesem Objekttext bietet die Ausstellung eine Reflektion heteronormativer Zuschreibungen innerhalb des Konzeptes Familie an. Diese wird jedoch weder auf der Objektebene noch in den ausführlicheren Display- und Thementexten weiter thematisiert und sichtbar. Das Infragestellen der Konstruktion von Männlichkeit als verantwortungstragend sowie deren Verortung im außerhäuslichen Feld bleibt somit recht vage. Wie in den Familiendarstellungen vorangegangener Ausstellungsabschnitte wird Männlichkeit ausschließlich über Vorstellungen von Männern als Alleinverdienern im Familienkontext repräsentiert. Weitere Reflektionen über heteronormative Geschlechterordnungen und deren Prozesshaftigkeit finden sich ebenfalls in Objekttexten. Ein Objekttext hat den Titel „Mädchen- und Jungenwelt“ (ebd., OT 3) und verweist auf eine geschlechtsspezifische Ordnung von Spielzeug. Der Text erläutert, dass Mädchen zu der Zeit dem Vorbild der Mutter folgen sollten, um Mütter und Hausfrauen zu werden. Die Spielsachen, die dazu ausgestellt sind, sind Papier-Anziehpuppen und eine Puppe (ebd., OT 3a und 3b). Die vorgesehene Aufgabe für Jungen sei damals hingegen die Rolle des „Familienversorgers und -beschützers“ gewesen (ebd., OT 3c und 3d). Hierzu sind ein Spielzeug-LKW und ein Gesellschaftsspiel ausgestellt. Der zugehörige Displaytext verweist im ersten Abschnitt ebenfalls auf die Funktion von Spielen, Kinder auf ihre zukünftigen Aufgaben im Erwachsenenleben vorzubereiten. Die in der Vitrine nach männlich und weiblich geordneten Spielsachen werden somit hinsichtlich eines Erlernens von Geschlechterdualismen und geschlechtlicher Arbeitsteilung reflektiert.

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Dies geschieht allerdings nur anhand der Repräsentationen der Kinder. In den Repräsentationen des Erwachsenenlebens werden eine heteronormative Geschlechterordnung und eine binäre geschlechtliche Arbeitsteilung kaum als Konstruktionen reflektiert. Eine Vermittlung von Geschlecht als erlernte Identitätskategorie scheint nur in den Repräsentationen von nicht mündigen Mitgliedern der nationalen Gesellschaft möglich. Die geschlechtliche Aufgabenteilung der erwachsenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen wird hingegen als Normalität rekonstruiert. Die Repräsentationen männlicher Akteure sind recht statisch, die Position der Frau wird allerdings häufiger problematisiert. Die Repräsentation weiblicher Akteurinnen als primär Hausfrauen und Mütter wird bis zum Ende des Ausstellungsrundgangs in den Vordergrund der Darstellungen gesetzt und normalisiert, wodurch eine Erwerbstätigkeit von Frauen als erklärungsbedürftig erscheint. Mit Blick auf den gesamten Ausstellungsrundgang und das formulierte Ziel der Ausstellung, vielfältige dänische Geschichten zu zeigen, ist zu bemerken, dass ab dem Ausstellungsabschnitt zu den 1910er bis 1940er Jahren (NM: R 235) keine Vergleiche mehr zwischen Klassen beziehungsweise Schichten gezeigt werden. Wie im DHM setzt die Ausstellung für das 20. Jahrhundert den Fokus auf Akteur*innen einer gesellschaftlichen ‚Mittelschicht‘, die als Normalität konstruiert wird und mittels derer der zunehmende Wohlstand im Wohlfahrtsstaat repräsentiert wird. Die Familienbilder, die in diesen Abschnitten sichtbar werden, sind Kleinfamilien mit geschlechtsspezifischen Aufgabenteilungen. Aus dieser Perspektive ist es nicht falsch, die Erwerbstätigkeit der ‚Hausfrau‘ im Abschnitt der 1960er Jahre als Novum und Problem zu vermitteln. Allerdings wird dadurch ausgeblendet, dass es bereits zu früheren Zeiten aus unterschiedlichsten Gründen erwerbstätige Frauen gab. Die Historiker Søren Hein Rasmussen und Peter Yding Brunbech (2009) haben zwar erläutert, dass die Rate weiblicher Erwerbstätiger in den 1950er Jahren die niedrigste im 20. Jahrhundert war, aber darauf hingewiesen, dass es nicht nur danach einen Anstieg weiblicher Erwerbstätiger gab, sondern auch in der Zeit davor bereits mehr Frauen erwerbstätig waren. Das ausschließliche Benennen des Anstiegs weiblicher Erwerbstätigkeit in den 1960er Jahren blendet auch vorangegangene Präsentationen der Ausstellung zu Frauen in der Fabrikarbeit, zum Hebammenwesen oder zur Arbeit der Frau im Familienbetrieb aus und es entsteht ein widersprüchliches Bild weiblicher Erwerbstätigkeit im Leitmotiv Familie. Gaby Porter (1996: 112f.) hat darauf hingewiesen, dass solche Brüche und Widersprüche in musealen Darstellungen zu weiblicher Erwerbstätigkeit auf ein Festhalten an stereotypen Idealbildern zurückzuführen seien, nach denen Frauen kontinuierlich als Hausfrauen und Mütter bestimmt würden. Der ausschließliche Blick der Ausstel-

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lung auf heteronormativ organisierte Kleinfamilien der Mittelschicht als Familienkonzept des Wohlfahrtsstaates reproduziert eben diesen Blick auf weibliche Akteurinnen. Die mutterzentrierte Familienpolitik des dänischen Wohlfahrtsstaates wird vor diesem Hintergrund als selbstverständliche Konsequenz und positive Errungenschaft der 1960er Jahre vermittelt, anstatt sie als Teil und Ergebnis einer heteronormativen Ordnung zu reflektieren und zu problematisieren.

ZUSAMMENFASSUNG Familie ist in der Vergangenheit bereits als eine bedeutsame nationale Metapher herausgearbeitet worden, mit welcher seit der Zeit der Aufklärung eine symbolische Einheit der vermeintlich nationalen Gemeinschaft konstruiert wurde und wird. In der Ausstellung des dänischen Nationalmuseums dient das Leitmotiv Familie entsprechend dieser historischen Vorbilder der Vermittlung einer rahmenden Einheit der vielfältigen Geschichten. Die Darstellungen von Familien werden eingesetzt, um historische, soziale und regionale Unterschiede der in Dänemark lebenden Menschen anhand eines bekannten Konzeptes einheitlich zu vermitteln. In den Analysen hat sich allerdings gezeigt, dass mit den Familienrepräsentationen eine vereinfachende Vereinheitlichung der vielfältigen Lebensweisen konstruiert wird, die heteronormativ geprägt ist. Dän*innen, so vermittelt die Ausstellung, lebten zu allen Zeiten in heteronormativ geprägten Kleinfamilienkonstellationen. Andere Formen des Zusammenlebens wie zum Beispiel alleinerziehende und homosexuelle Eltern, Mehrgenerationenkonzepte, das Zusammenleben von Freund*innen, Geschwistern oder in Wohngemeinschaften sind hingegen weitestgehend unsichtbar oder werden als abweichend repräsentiert. In dem Erzählstrang zum Leben von Individuen reduziert die Ausstellung individuelle Lebensweisen mittels Familienrepräsentationen auf heteronormative Lebensweisen, nach denen Frauen und Kinder im häuslichen Bereich und Männer als Versorger im außerhäuslichen, öffentlichen Raum verortet sind. Statt Darstellungen zu Einzelpersonen zu zeigen, werden dabei überwiegend kollektive Kategorien wie Mann, Frau oder Kind in stereotyper Weise rekonstruiert. Damit geht die Vermittlung einer geschlechtlichen Arbeitsteilung einher, die als Normalität und Ausgangspunkt für familiäres Wohlergehen und gute Lebensumstände bestimmt wird. Diese geschlechtlichen Rollenverteilungen werden nahezu ahistorisch gleichbleibend in allen Zeitabschnitten der Ausstellung vermittelt. Nur an einigen Stellen bietet die Ausstellung auf der Ebene der Display- und Ob-

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jekttexte Reflektionen zur sozialen Verfasstheit und Prozesshaftigkeit von Geschlechterpositionen an. Während männliche Personen unhinterfragt und unveränderlich als Hauptverdiener und Versorger der Familie beschrieben und durchgehend mittels Objekten, die dem öffentlichen Bereich zugeordnet sind, repräsentiert werden, wird für weibliche Personen ein differenzierteres aber auch oft ambivalentes Bild gestaltet, bei dem sich die Bedeutungsbildungen der Textebene und der Objektebene zum Teil widersprechen. In den Raum-, Display-, und Objekttexten wird zwar auf unterschiedliche Lebensbedingungen und -entwürfe von Frauen zu allen Zeiten hingewiesen, die Objekt(an)ordnungen repräsentieren hingegen überwiegend den häuslichen Bereich als Handlungsfeld weiblicher Personen. Damit reproduziert die Ausstellung ein Verständnis von Familie, welches auf die Rolle der Frau als Mutter und Hausfrau konzentriert und somit weiblich konnotiert ist. Die kontinuierliche Benennung der Frau als Mutter und eine gleichzeitige NichtBenennung männlicher Personen als Väter auf der Textebene tragen zur Konstruktion eines frauenzentrierten Familienkonzeptes bei. Diese Konstruktionen einer binären Geschlechterordnung entlang der Kategorien ‚Öffentlich‘ und ‚Privat‘ und die Konzentration auf Frauen als familialisierte Akteurinnen werden durch die räumlichen (An)Ordnungen der Objekte mitgetragen. Die Familienpräsentationen sind überwiegend im Kontext von Wohnrauminszenierungen positioniert, womit das Motiv Familie selbst ausschließlich in der privaten Sphäre verortet wird. Im Kontext des nationalen Narrativs einer zunehmend gutversorgten und demokratischen Gesellschaft wird die so konzipierte Familie als ideales Lebensmodell mit einem Versprechen von Wohlstand verbunden. Beate Kortendiek (2008: 435) hat auf gängige Bedeutungsbildungen hinsichtlich der Familie als Synonym für Glück und Geborgenheit verwiesen. In der Ausstellung wird dies ebenfalls sichtbar gemacht und gleichzeitig mit Handlungsvorgaben für die Familienmitglieder verknüpft. In dem Themenstrang zur Gesellschaft sind die Darstellungen der einzelnen Familienmitglieder und ihrer geschlechtsspezifischen Aufgaben mit recht homogenen Darstellungen unterschiedlicher sozialer Lebensumstände verknüpft. Zwar sind Arbeiter*innen und Tagelöhner*innen als ärmere Schichten repräsentiert. Es wird jedoch ein idealisiertes Bild dieser Schichten vermittelt, in dem der Gedanke von Glück und Geborgenheit mitschwingt. Die Botschaft, die die Ausstellung damit vermittelt, ist die der Notwendigkeit eines Handelns entsprechend der vermittelten Ideale sowie einer Lebensplanung innerhalb eines konservativen Familienmodells, um das in der Ausstellung vermittelte ‚gute Leben‘ erreichen zu können.

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Im Erzählstrang einer kontinuierlichen Zunahme von Demokratisierung und Wohlstand wird die Familie als Kern und im Zentrum des Interesses von Staat und Nation vermittelt. Für das gesellschaftliche Wohlergehen und die Zukunft des nationalen Kollektivs werden zum einen Formen guten Handelns repräsentiert und zum anderen das Agieren des Staates als Unterstützer des durch die Individuen und Gesellschaft geschaffenen guten Lebens bestimmt. Aus geschlechterkritischer Perspektive ist dieses Narrativ problematisch, da die familiäre Versorgung in Form von heteronormativen Geschlechterordnungen und geschlechtlicher Arbeitsteilung repräsentiert und als Ausgangspunkt für Wohlstand bestimmt wird. Andere Lebensweisen werden hingegen nur im Kontext von sozialer Not oder Rebellion gezeigt. Sie fungieren damit als negative Vorbilder, anstatt als Repräsentationen vielfältiger Lebensweisen.

Das Leitmotiv Arbeit: Mit Arbeitsteilung zu Wohlstand

Das Leitmotiv Arbeit ist im nationalen Narrativ der Ausstellung eng mit dem Leitmotiv Familie verschränkt. In der Untersuchung des Leitmotivs Familie zeigte sich, dass in der Verschränkung der beiden Leitmotive eine vergeschlechtlichte Arbeitsteilung als bedeutsames Thema hervorgehoben wird und dass spezifische Geschlechterkonstruktionen damit einhergehen. Diese enge Verbindung der Thematisierung von Familie und Arbeit steht in einer langen Tradition volkskundlicher Forschung. So ist es nicht überraschend, dass in der überwiegend alltagsgeschichtlichen Ausstellung die Repräsentationen von (familiärem) Zusammenleben und Arbeit mit einander verwoben sind. Während ich zunächst die Repräsentationen zum Leitmotiv Familie untersucht habe, sollen im Folgenden die Präsentationsweisen zum Leitmotiv Arbeit auf ihre Geschlechterkonstruktionen analysiert werden. Aufgrund der engen Verschränkung der beiden Leitmotive werde ich dabei jeweils auch auf Ergebnisse aus der Leitmotivuntersuchung zum Thema Familie eingehen. Sowohl die Erforschung als auch die Musealisierung von Arbeit waren Teil der identitätsstiftenden Praktiken im Kontext der Nationenbildungsprozesse seit dem 18. und 19. Jahrhundert. Insbesondere die Volkskunde hat sich mit landwirtschaftlicher Arbeit und Gerätekunde befasst, so dass Ingeborg WeberKellermann et al. auch von einer Volkskunde der Arbeit sprechen (WeberKellermann et al. 2003: 143). Im Zuge der Nationenbildungen des 19. Jahrhunderts trug die Volkskunde wesentlich zur Bestimmung und Konstituierung von Gruppenidentitäten bei, indem sie vermeintliches Brauchtum sowie Traditionen und Arbeitsweisen untersuchte, um „das ganze Wesen einer Nation“ zu erfassen (Bausinger et al. 1999: 4). Museen waren maßgeblich an diesen gruppenkonstituierenden Prozessen beteiligt und stellten ebenfalls häufig Arbeitsabläufe und -geräte aus. Zum Beispiel wollten die skandinavischen Freilichtmuseen des 19. Jahrhunderts, zu denen

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auch das Dänische Volksmuseum mit seinem Freilichtmuseum in Lyngby gezählt werden kann, das Leben der Bevölkerung erkunden und präsentieren. Andreas Kuntz betont, dass sie „mehr als andere Museen an ‚Arbeit‘ und Gerät im Zusammenhang des Volkslebens interessiert [waren, L.S.]“ (Kuntz 1983: 106; Hervorhebung im Original). Er verweist auf die nationenkonstituierende Bedeutung dieser Museen. Die funktionale Betrachtung von Arbeitsgeräten in diesen Museen sei Teil der Nationalerziehung gewesen, die Arbeitsbräuche und -geräte als bedeutsam für eine vermeintlich gemeinsame Volkskultur vermitteln sollte (Kuntz 1983: 106). Die Planung der Kunst- und Industrieausstellung in Kopenhagen Ende des 19. Jahrhunderts sowie die Pläne des damaligen Tivolidirektors Bernhard Olsen, dazu eine Abteilung zur bäuerlichen Arbeit zu gestalten, können vor diesem Hintergrund ebenfalls als Teil nationenkonstituierender Bestrebungen verstanden werden. Die zuvor besprochenen Sammlungspraktiken im daraus entstandenen Dänischen Volksmuseum verdeutlichen dies ebenfalls. Auch in den 1970er Jahren war Arbeit ein wesentliches Feld volkskundlicher Forschung. In einem Vorwort zu einer Neuauflage des Buches „Grundzüge der Volkskunde“ (Erstauflage 1978) weist Kaspar Maase auf den Zeitgeist der 1970er Jahre hin und beschreibt eine Verschiebung der Zielsetzung volkskundlicher Forschung zu dieser Zeit. Die Autoren Hermann Bausinger, Utz Jeggle, Gottfried Korff und Martin Scharfe hätten die Volkskunde als Teil einer Machtkritik verstanden und wollten Alltagsthemen hinsichtlich des Gefälles von Gegensätzen zwischen ‚Oben‘ und ‚Unten‘ untersucht wissen. Arbeit und Klassenunterschiede seien vor diesem Hintergrund ein zentrales Untersuchungsinteresse gewesen, so Maase (in Bausinger et al. 1999: VII–XXI). Die vielen Einrichtungen von Museen zur Geschichte der Arbeiterbewegung in dieser Zeit, wie zum Beispiel auch das 1983 gegründete Arbejdermuseum (Arbeitermuseum) in Kopenhagen, können als Teil dieser machtkritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit verstanden werden. Maase weist jedoch darauf hin, dass Bausinger et al. in ihrem Band ausschließlich dem Erwerb dienende Tätigkeiten als Feld volkskundlicher Forschung diskutiert hätten, wodurch häuslich-private Tätigkeiten aus dem Feld der Arbeit ausgeschlossen worden seien (ebd.: XI). Dies führt zu einer geschlechtlichen Konnotation von Arbeit, die in der Frauen- und Geschlechterforschung als problematisch bestimmt wurde. Die Kodierung des Feldes Arbeit als reine Produktivarbeit habe eine Ungleichheit der Teilhabe entlang der Kategorie Geschlecht zur Folge (Teubner 2008: 492). Diese Ungleichheit vollzieht sich auf zwei Ebenen. Zum einen wird reproduktive Arbeit, wie Haushaltsarbeit, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen, aus dem Feld der Arbeit ausgeschlossen und zum anderen wird das Feld der Erwerbs- und Produktivarbeit entlang ei-

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ner binären Geschlechterordnung strukturiert. Damit gehen unterschiedliche Bewertungen von Tätigkeiten männlicher und weiblicher Personen einher, die sich bis heute auch in einer schlechteren Entlohnung von erwerbstätigen Frauen ausdrücken.82 Jürgen Martschukat und Olaf Stieglitz (2005: 134) haben entsprechend erläutert, dass sich die geschlechtsspezifische Wahrnehmung und Wertschätzung von Erwerbsarbeit in polarisierenden Beschreibungen manifestiere, wie „qualifizierte, heroische männliche Arbeit“ oder „geringqualifizierte weibliche Tätigkeiten“. Die unterschiedlichen Bewertungen von Arbeit drückten sich nicht nur in Lohnunterschieden aus, sondern trügen maßgeblich zur Konstitution unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten an Arbeitsplätzen bei. Geschlecht ist demnach nicht einfach eine vorgelagerte Kategorie, auf deren Grundlage unterschiedlich bewertet wird, sondern wird durch solche Bewertungsprozesse immer wieder neu konstituiert und festgeschrieben. Die Eingrenzung des Arbeitsbegriffs auf das Feld der Erwerbsarbeit haben Roswitha Muttenthaler und Regina Wonisch (2010: 90) auch in Arbeits- und Industriemuseen vorgefunden. Sie benennen die Bemühungen, Museen zu demokratisieren, sowie die neue Alltags- und Mentalitätengeschichte seit den 1970er und 1980er Jahren als Hintergrund für eine vermehrte Auseinandersetzung mit Arbeit in Museen. Ausgehend von dem Bedürfnis, Industriekultur zu bewahren, rückte jedoch trotz zeitgleich international geführter feministischer Debatten um Haushaltsarbeit als Arbeit83, vorwiegend die abhängige Lohnarbeit in den Fokus dieser Musealisierungsprozesse. Reproduktive Arbeit war selten Thema dieser Ausstellungen, was laut Muttenthaler zu einer einseitigen Geschlechterperspektive in Arbeitsmuseen geführt habe. Zudem würden die Präsentationsweisen von Erwerbsarbeit stark divergieren. Während Männerdomänen im Feld der Arbeit nicht als vergeschlechtlicht thematisiert würden, stünden bei Präsentationen der Erwerbsarbeit von Frauen Geschlechterreflektionen häufig im Vordergrund (ebd.: 90f.). In der Ausstellung „Danmarkshistorier“ sind unter dem Begriff Arbeit zunächst Präsentationen zu Tätigkeiten der Beschaffung von Nahrungs- und Versorgungsmitteln zusammengefasst. In der Chronologie des Rundgangs zeichnet die Ausstellung dazu eine Entwicklung von der landwirtschaftlichen Subsistenzarbeit bis zur abhängigen Erwerbsarbeit nach und präsentiert überwiegend Berufsfelder wie Handwerk, Handel, Industrie- oder Büroarbeit. Haushalts- und Sorge82 Die international agierende Initiative „Equal pay day“ spricht für Deutschland von einem Lohnunterschied von ca. 21 %. In Dänemark sind es rund 15 % (jeweils 2015) (equalpay.wiki 2018). 83 Vgl. dazu u. a. Aulenbacher/Wetterer (2012: S. 7f.).

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arbeit sind im Unterschied zum Leitmotiv Familie in den Displays zum Leitmotiv Arbeit nur marginal sichtbar. Die damit einhergehende Konstruktion geschlechtsspezifischer Tätigkeitsfelder wird dabei nicht reflektiert, sondern als selbstverständlich vermittelt. Zwar werden in den Präsentationen zur Erwerbsarbeit sowohl männliche als auch weibliche Personen als Akteur*innen vermittelt. Die jeweiligen Repräsentationen unterscheiden sich jedoch in Quantität und Qualität. Einen ersten Eindruck dieser geschlechtsspezifischen Repräsentationen von Erwerbsarbeit erlangten Besucher*innen bis 2017 bereits im ersten einführenden Raum der Ausstellung (NM: R 201).84 In der Vitrine mit dem Displaytitel „Verschiedene Leben“ (ebd.) werden nicht nur unterschiedliche Lebensentwürfe mittels binärer Gegenüberstellungen präsentiert,85 ein Großteil der gezeigten Objekte stammt zudem aus dem Bereich der Erwerbstätigkeit. Verschiedene Lebensweisen werden somit durch die Darstellung verschiedener Erwerbstätigkeiten repräsentiert. Diese Gleichsetzung von Leben und Erwerbstätigkeit führt zu einer Bestimmung von Erwerbstätigkeit als bedeutsamstes Feld menschlicher Handlung und betont sie als Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit für das Leben. Die Objekt(an)ordnung in der Vitrine führt zum einen zu einer männlichen Konnotation von Erwerbstätigkeit und zum anderen zu einer Verschränkung von vergeschlechtlichter Erwerbstätigkeit und Klassenzuschreibungen. Insgesamt sind neun Objekte ausgestellt, mittels derer die Erwerbstätigkeit männlicher Akteure repräsentiert wird. Nur drei Gegenstände verweisen hingegen auf weibliche Personen im Zusammenhang mit Erwerbstätigkeit. Allerdings vermitteln nicht alle dieser Exponate eine aktive Erwerbstätigkeit weiblicher Personen. Zu sehen sind die Haube eines Dienstmädchens aus dem 19. Jahrhundert, ein Paar schwarze Lackschuhe und eine Zeitschrift mit dem Titel „House & Garden“. Als eine Form der Dienstbekleidung kann die Haube leicht als Repräsentation der Erwerbstätigkeit von Frauen dekodiert werden und der Objekttext erläutert entsprechend, dass Frauen vom Land sowie aus der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert häufig als Dienstmädchen arbeiteten, einige aber auch die Arbeit in der Fabrik wählten, um unabhängiger zu sein (ebd., OT 5). Die Lackschuhe und die Zeitschrift werden vermutlich weniger eindeutig mit dem Feld der Erwerbstätigkeit in Verbindung gebracht. Erst durch das Lesen des Objekttextes wird eine Verbindung zu der Thematik der Erwerbstätigkeit hergestellt. Es wird erläutert, dass viele Frauen in den 1960er Jahren in den Arbeitsmarkt eingetreten seien: Manche, so der Text, um Karriere zu machen, andere, um „gewöhnliche Lohnar84 Bei einem abschließenden Besuch in der Ausstellung im Sommer 2017 befand sich der Einführungsraum im Umbau (vgl. Fußnote 73). 85 Vgl. die Besprechung des Ausstellungsrundgangs.

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beit“ zu verrichten, wieder andere hätten es jedoch vorgezogen, ihrem Mann für seine Karriere den Rücken frei zu halten und das Heim repräsentativ einzurichten (ebd., OT 14). Diese Objekt-Textkonstellationen vermitteln zwar eine Bandbreite von Lebensentwürfen weiblicher Personen zu unterschiedlichen Zeiten. Alle Objekttexte beschreiben die Erwerbstätigkeit jedoch als Wahlmöglichkeit von weiblichen Personen und nennen Gründe für die Erwerbstätigkeit von Frauen. Die Dienstbotinnenhaube repräsentiert die notwenige Frauenerwerbstätigkeit in ärmeren Schichten des 19. Jahrhunderts, die als Wahl zwischen Hausanstellung und Fabrikarbeit beschrieben wird. Die Schuhe und die Zeitschrift repräsentieren die Lebensentwürfe von Frauen im 20. Jahrhundert und bestimmen diese als Wahlmöglichkeit zwischen Anstellung, Karriere und Haushalt. Eine Diskussion dieser Unterschiede als zeit- und klassenbedingte bleibt jedoch aus. Unterschiedliche Bedingungen von Erwerbstätigkeiten sowie Gründe für einen Wandel in der Anzahl erwerbstätiger Frauen, wie zum Beispiel Fluktuationen, Krisen und Verdrängungen von Frauen aus dem Arbeitsmarkt, werden ebenso wenig genannt. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Frauen vorwiegend erwerbstätig waren und sind, um sich Wünsche nach mehr Einkommen, Unabhängigkeit oder Karriere zu erfüllen. Im Unterschied dazu werden zu den Exponaten, die die Erwerbstätigkeit von Männern repräsentieren, keine Gründe für deren Erwerbstätigkeit genannt. Die Erwerbstätigkeit von männlichen Personen aller sozialen Schichten wird dadurch als Selbstverständlichkeit vermittelt. Die Ausstellung reproduziert damit eine Zweigeschlechterordnung der Erwerbstätigkeit, nach der die Felder Industrie, Handwerk, Handel männlich konnotiert sind und die Anwesenheit weiblicher Personen in diesen Feldern einer Erklärung bedürfen. Ausgehend von diesen ersten Überlegungen und Untersuchungsergebnissen, werde ich im Folgenden die Geschlechterkonstruktionen im Leitmotiv Arbeit anhand der Repräsentationen von Arbeitsteilung und Erwerbsarbeit besprechen. Abschließend werde ich untersuchen, ob in der Repräsentation von Arbeitslosigkeit als Krisensituation die Geschlechterkonstruktionen divergieren.

HETERONORMATIVE WISSENSORDNUNGEN DURCH DARSTELLUNGEN VON ARBEITSTEILUNG Die Frauen- und Geschlechterforschung hat eine geschlechtliche Arbeitsteilung als wesentliches Element der Herausbildung der modernen Zweigeschlechterordnung bestimmt und auf Hierarchiebildungen hingewiesen, die damit einher-

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gehen. Angelika Wetterer erläutert mit Bezug auf Regine Gildemeister entsprechend, die „Arbeitsteilung [ist, L.S.] eine der wichtigsten und grundlegendsten Ressourcen zur Herstellung von zwei Geschlechtern (und ihrer ungleichen sozialen Lage) […]“ (Gildemeister 2001, zit. nach Wetterer 2012: 45). Dennoch wird eine Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern Mann und Frau bis heute mehrheitlich als Folge von als natürlich gedachten Unterschieden zwischen den Geschlechtern verhandelt und untersucht. Auch in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ wird Arbeitsteilung kaum hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine spezifische gesellschaftliche Ordnung sowie für die Konstitution von Geschlechterhierarchien thematisiert und überwiegend im Feld des Privaten als Arbeitsteilung innerhalb von Familien vermittelt. In den Displays zum Leitmotiv Arbeit wird das Thema Arbeitsteilung nur wenig berücksichtigt. Dennoch ist bereits in einem der ersten Räume des Ausstellungsrundgangs ein Display mit dem Titel „Arbeitsteilung auf dem Bauernhof“ (NM: R 208A) positioniert, in dem die landwirtschaftliche Subsistenzarbeit der dänischen Agrargesellschaft des 18. Jahrhunderts vermittelt wird. Das Display befindet sich in einem Raumabschnitt in dem laut Thementafel „Dorf und Bevölkerung“ dargestellt werden (ebd.). Im Text der Thementafel wird das Thema Arbeitsteilung in einen weiteren Kontext des Lebens auf dem Land gesetzt. Zunächst wird in dem Thementext das Leben auf dem Land in verallgemeinernder Weise beschrieben. Neben der Darstellung von typischen Dorfgrößen, Bevölkerungszahlen und Einkommensquellen, wird erläutert, dass rund 80 % der Dänen damals auf dem Land gelebt hätten. Durch diese Angabe statistischer Daten als Form der musealen Wahrheitsrede wird vermittelt, dass die Darstellungen der Ausstellung aussagekräftig für das Leben einer Mehrheit der dänischen Bevölkerung im 18. Jahrhundert sind, und es wird ihnen eine Allgemeingültigkeit zugeschrieben. Davon ausgehend wird in diesem Text die Selbstversorgung der Menschen auf dem Land beschrieben und erläutert, dass je nach Hofgröße nur wenige Produkte auf Märkten gekauft wurden. Diese bäuerliche Selbstversorgung wird in dem Display mit dem Titel „Arbeitsteilung auf dem Bauernhof“ dargestellt. Auf der Textebene wird Arbeitsteilung zunächst als ein Mitarbeiten aller Bewohner*innen auf dem Hof bestimmt. In weiteren Ausführungen wird diese Deutung jedoch ausschließlich als eine Aufteilung von Aufgaben nach den Geschlechtern Frau und Mann reduziert. Damit einher geht eine Homogenisierung der jeweiligen Kategorie, die weitere Differenzkategorien wie Alter, Klasse oder Behinderung ausblendet. Besucher*innen erfahren in diesen Beschreibungen zur Arbeitsteilung weder etwas über die Arbeitsteilung und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen zum Beispiel Hofherrin und Mägden noch über generationale Aufgabenteilungen. Zwei weite-

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re Displaytexttafeln mit den Titeln „Frauenarbeit“ und „Männerarbeit“ sowie zwei Infografiken führen diese bipolare Einteilung der Aufgaben auf dem Hof weiter aus. In den Texten heißt es zum Beispiel: „[…] die alltäglichen Aufgaben der Frau waren das Kochen, Putzen, Melken sowie die Kinderbetreuung und Pflege von Kranken und Alten.“ (NM: R 208A, Frauenarbeit)

oder: „[…] er [der Mann, L.S.] gründete den Hof, war der Repräsentant des Haushaltes in der Dorfgemeinschaft. Er sollte die Arbeit auf Feld, im Stall und der Scheune beaufsichtigen und war für die großen Tiere verantwortlich.“ (ebd., Männerarbeit)

Die Infografiken visualisieren die Differenzierung von „Männerarbeit“ und „Frauenarbeit“ zusätzlich. Zu sehen sind zwei Grafiken, die Jahreszyklen mit Unterteilungen nach täglichen, monatlichen und jahreszeitenabhängigen Tätigkeiten von Männern und Frauen darstellen. Den Erläuterungen in den Displaytexten wird dadurch zusätzlich ein wissenschaftlicher Duktus verliehen, der die Aussagen authentifiziert. Abbildung 24: Arbeitsteilung auf dem Bauernhof (NM: R 208A)

Foto: Lisa Spanka, September 2014

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Zu dieser Bestimmung von Arbeitsteilung auf dem Land sind in einer großen Lförmigen Vitrine eine Vielzahl von Exponaten zu sehen (Abb. 24). Sie stehen je nach Größe einzeln auf dem Vitrinenboden, auf kleinen Podesten oder sind an der Rückwand der Vitrine angebracht. Durch die helle Vitrinenauskleidung und die vereinzelte Positionierung der Objekte wirkt die Präsentation nüchtern und sachlich. Es gibt weder glorifizierende Hervorhebungen durch besondere Beleuchtungen oder Platzierungen bestimmter Objekte, noch werden Arbeitsabläufe sichtbar gemacht. Statt szenischer Nachstellungen mit Figurinen, wie sie an anderen Stellen der Ausstellung zu finden sind,86 sind die Objekte in klassifikatorischer Weise ausgestellt. Durch kleine Texttafeln werden die Exponate in zwei Gruppen eingeteilt. In der linken Hälfte der Vitrine sind laut der Texte Gegenstände zur „Zubereitung von Speisen“ und in der rechten Hälfte der Vitrine Gegenstände zur „Kleidungsherstellung und -pflege“ zu sehen. Im Zusammenhang mit den Erläuterungen der Displaytexte können diese Objektgruppen als Repräsentanten für „Frauenarbeit“ gedeutet werden. Repräsentanten dessen, was als „Männerarbeit“ beschrieben wird fehlen hingegen in dieser Vitrine. Das Thema Arbeitsteilung wird dadurch in erster Linie weiblich konnotiert. Im Zusammenspiel mit der übrigen Raumgestaltung setzt sich eine weibliche Konnotation der präsentierten Themen fort. Displays mit den Titeln „Bauernstube“ und „Volkskunst“ zeigen das Wohnen sowie vermeintliche Traditionen der Landbevölkerung (beide NM: R 208A). Die Exponate sind durch Objekttexte mehrheitlich weiblichen Personen zugeordnet; so zum Beispiel Haarschmuck und Hauben, die laut der Objekttexte von Frauen zu bestimmten Festen getragen wurden (ebd., Kopfbedeckungen, OT 2). So wird das Thema „Dorf und Bevölkerung“ durch die Repräsentationsweisen der Themen Wohnen, Tradition und Arbeitsteilung weiblich konnotiert. Während das Thema Arbeitsteilung zunächst eine Differenzierung nach männlichen und weiblichen Personen vermittelte, dient es im Zusammenspiel mit den übrigen Displays in diesem Raum einer Konstruktion von Weiblichkeit, die den Konzepten Bevölkerung, Tradition und häuslicher Arbeit zugeordnet wird. Entsprechend der Konstruktion des Feldes Dorfbevölkerung als weiblich, finden sich Repräsentationen zu den im Display „Arbeitsteilung“ auf der Textebene beschriebenen „Aufgaben der Männer“ erst im nächsten Raum des Rundgangs (NM: R 210). Die Displaytexttafel mit dem Titel „Männerarbeit“ (NM: R 208A) (Abb. 24, am rechten Bildrand) befindet sich direkt neben dem Durchgang zu diesem nächsten Raum und fungiert dadurch als Verbindung und Überleitung zwischen den beiden Räumen. In diesem Raum lautet der Titel einer Thementafel „Die Agrargesellschaft“ (NM: R 210). Die hier eingerichteten Dis86 Vgl. zum Beispiel NM: R 214, Markthandel.

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plays mit Titeln wie „Dorfregierung und gemeinschaftliche Landwirtschaft“, „Verschiedene Bauern“, „Neue landwirtschaftliche Methoden“ sowie „Kleinbauern und Tagelöhner“ sind zwar nicht explizit als Repräsentation von Männerarbeit bezeichnet, zeigen jedoch genau die Aufgabenfelder, die im vorangegangenen Raum als „Männerarbeit“ bestimmt wurden. In drei Vitrinen sind Exponate zu sehen, die die dörfliche Verwaltung sowie die landwirtschaftliche Arbeit repräsentieren. Weibliche Akteurinnen sind hier im Unterschied zum vorangegangenen Raum kaum sichtbar. Die dörfliche Verwaltung, die Erwerbstätigkeiten verschiedener Bauern sowie landwirtschaftliche Techniken werden in den Texten und Objekt(an)ordnungen zwar vermeintlich geschlechtsneutral präsentiert, durch die Kontextualisierung der Displaytexte zu „Frauen- und Männerarbeit“ im vorangegangenen Raum (NM: R 208A) sind sie jedoch implizit männlich konnotiert. Die Ausstellung vermittelt unter dem Titel „Agrargesellschaft“ eine Bestimmung von Gesellschaft, Öffentlichkeit und Verwaltung als vermeintlich neutrale Bereiche, die implizit jedoch als männliche Handlungsfelder bestimmt werden. Das Themenfeld der Arbeitsteilung trägt durch diese Gestaltungsweisen auf zwei Ebenen zu der Konstruktion einer Zweigeschlechterordnung bei. Zum einen wird am Beispiel der Arbeitsteilung auf dem Land Arbeit entlang der Kategorie Geschlecht ausdifferenziert. Arbeitsteilung wird dabei jedoch nicht als Teil der Hervorbringung von Geschlechterdifferenz reflektiert, sondern setzt diese als selbstverständlich voraus. Wetterer hat für die Arbeitsforschung darauf hingewiesen, dass durch solche Herangehensweisen an das Feld der geschlechtlichen Arbeitsteilung eine Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit reproduziert werde, nach der es selbstverständlich Frauen und Männer gäbe, die jeweils unterschiedliche Dinge tun (Wetterer 2012: 44). Auch in der Ausstellung werden durch die thematischen und die räumlichen Anordnungen gängige Setzungen einer gesellschaftlichen Ordnung reproduziert, die eine Zweigeschlechterordnung als Voraussetzung für die geschlechtliche Arbeitsteilung als selbstverständlich bestimmt. Zum anderen dient das Display zur Arbeitsteilung auf dem Hof der Vermittlung einer Wissensordnung, in der Männlichkeit dem Bereich Gesellschaft und Weiblichkeit dem Bereich Bevölkerung zugeordnet ist. Die Ausstellung wiederholt durch diese Gestaltungsweisen Geschlechterkonstruktionen, die in der feministischen Nationalismusforschung als gegenderte Ordnungen der Nation bestimmt wurden. Unter anderem Ida Blom hat am Beispiel des Gegensatzes zwischen Frauentracht und Herrenanzug erläutert, dass solche Repräsentationen dazu beitrügen, eine zweigeschlechtliche nationale Ordnung zu konstruieren, in

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der Männlichkeit für die Ordnung des modernen Staates steht und Weiblichkeit für die Reproduktion und Erhaltung nationaler Traditionen (Blom 2000: 14). Durch die Setzung dieses Displays direkt zu Beginn der Ausstellung wird eine Zweigeschlechterordnung mit unterschiedlichen Handlungsfeldern männlicher und weiblicher Personen eingeführt, die in späteren Ausstellungsabschnitten als selbstverständlich wiederholt und fortgeführt wird; so zum Beispiel in dem bereits besprochenen Display zu „Familie und Haushalt“ (NM: R 214) oder in Gegenüberstellungen von Handlungsfeldern männlicher und weiblicher Akteur*innen im Bürgertum (NM: R 225, Frauenleben, Männerleben).

UNTERSCHIEDLICHE (BE-)DEUTUNGEN VON ERWERBSARBEIT Der Großteil der Displays zum Leitmotiv Arbeit ist dem Bereich der Erwerbsarbeit gewidmet. Es werden verschiedene Formen der Erwerbsarbeit wie zum Beispiel Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Fabrik- und Büroarbeit vermittelt und sowohl historische als auch soziale Unterschiede dargestellt. Ein weiterer Schwerpunkt der Darstellungen liegt zudem auf der Vermittlung der Organisierung von Erwerbstätigen in Interessensverbänden. Arbeitsabläufe und die Tätigkeit des Arbeitens sind hingegen kaum zu sehen. Mit der Fokussierung auf Erwerbsarbeit im Leitmotiv Arbeit folgt die Ausstellung einer analytischen Aufteilung von Arbeit in die Felder Erwerbsarbeit und unbezahlte Haushaltsarbeit, die sich in der ökonomischen Theoriebildung seit dem 19. Jahrhundert durchgesetzt hat und eine Verdrängung der Haushaltsarbeit aus dem Feld der Arbeit mit sich brachte. Damit gehen hierarchische Geschlechterkonstruktionen einher. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Friederike Maier (1994: 19f.) erläutert, dass in der Folge die Erwerbsarbeit ein männlich konnotiertes Feld wurde, in dem erwerbstätigen Frauen bis heute häufig ein Ausnahmecharakter zugeschrieben werde. Bei der Untersuchung des Leitmotivs Familie habe ich diese Form der unterschiedlichen Bedeutungsbildung männlicher und weiblicher Erwerbstätigkeit als Teil der Geschlechterkonstruktion der Ausstellung bereits festgestellt und die Ambivalenz der Repräsentation von familiärer Arbeitsteilung und der darin vorrangig vermittelten Positionierung von Frauen als Ehefrauen und Mütter herausgearbeitet. Das Leitmotiv Arbeit ist durch die Schwerpunkte der Präsentationen auf Erwerbsarbeit sowie die Organisierung in Interessensvertretungen stark männlich konnotiert. Männlichkeit wird dabei entsprechend von Arbeiteridealen des 19. Jahrhunderts konstruiert, nach denen der Mann die Existenz der Familie

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sicherte, gewerkschaftspolitisch engagiert war und einen geregelten Tagesablauf hatte. Martin Wörner hat die Konzeption dieses Idealbildes von Arbeitern in seiner Untersuchung über den Unterhaltungs- und Belehrungscharakter der großen Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts als ein Instrument der nationenkonstituierenden Prozesse dieser Zeit bestimmt, mittels dessen das Bürgertum die Arbeiter in das nationale Projekt integrieren wollte (Wörner 1999: 4f.). Die Ausstellung „Danmarkshistorier“ greift diese Konzeptionen einer idealen Arbeitermännlichkeit auf und setzt sie fort.87 Trotz dieser Dominanz männlicher Konnotationen im Leitmotiv Arbeit sind in einigen Displays zur Erwerbsarbeit sowohl weibliche als auch männliche Akteur*innen repräsentiert und es wird auf der Textebene das Geschlechterverhältnis am Arbeitsplatz thematisiert. In den Displays, in denen weibliche Akteurinnen repräsentiert sind, werden ihr Handeln und ihre Arbeitsbedingungen durchaus differenziert dargestellt. So sind zum Beispiel in einem Display mit dem Titel „Die Angestellten“ (NM: R 234) im Abschnitt zum 20. Jahrhundert sowohl Frauen als auch Männer als neue Berufsgruppe der Büroangestellten repräsentiert und es wird deren jeweilige Situation am Arbeitsplatz beschrieben. Auch in einem Raum über die Industrialisierung im 19. Jahrhundert (NM: R 233) sind Frauen und Männer als Arbeiter*innen repräsentiert. Ähnlich wie im zuvor untersuchten Feld der Arbeitsteilung wird in diesen Darstellungen eine vergeschlechtlichte Arbeitsteilung in der Erwerbsarbeit als selbstverständliche Ordnung der Arbeit vermittelt. Die Gestaltungsweisen der jeweiligen Displays führen zudem zu einer unterschiedlichen Bewertung der Arbeit von männlichen und weiblichen Personen. Um diese unterschiedlichen Geschlechterkonstruktionen – Erwerbstätigkeit als männliches Feld sowie vergeschlechtlichte Arbeitsteilung und Bewertung von Arbeit – näher zu beleuchten, werde ich im Folgenden einen Themenraum zur Industriearbeit im 19. Jahrhundert (ebd.) ausführlicher besprechen. Die Thementexttafel in diesem Raum trägt den Titel „Die Industriegesellschaft organisiert sich“ und wie der Titel vermuten lässt, werden neben der Präsentation von Arbeitsfeldern und -bedingungen verschiedener Akteuer*innen auch die gewerkschaftliche und parteipolitische Organisierung und Auseinandersetzungen mit Arbeitgeber*innen in dieser Zeit präsentiert. Neben Displays zur Arbeit von Frauen und Kindern in der Fabrik und zur Organisation und Technisierung von 87 Ein Beispiel ist das Display zur „Arbeiterfamilie“ (NM: R 234), welches ich im Kapitel zum Leitmotiv Arbeit besprochen habe. Hier habe ich darauf hingewiesen, dass die Ausstellung das Ideal des Arbeiters zwar als solches benennt, zugleich aber in den Repräsentationen der Arbeiterfamilie nicht damit bricht oder es hinterfragt, sondern dieses Ideal als Normalität konstruiert.

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Arbeit in der Fabrik sind in diesem Raum Displays zur Internationalen Arbeiterorganisation, zu den großen Streiks im 19. Jahrhundert und zu parteipolitischen Aktivitäten in dieser Zeit (an)geordnet. Damit werden in diesem Raum Perspektiven auf das Thema Arbeit zu-sehen-gegeben, die in der Tradition der in den 1970er und 1980er Jahren gegründeten Arbeitermuseen stehen und die eine starke Konzentration auf männliche Akteure mit sich bringen. Es werden weniger Arbeitsabläufe präsentiert, sondern überwiegend die politischen Aktivitäten rund um das Feld der abhängigen Erwerbsarbeit. Im Eingangsbereich des Raumes ist eine Stellwand so positioniert, dass ein Flur entsteht, durch den die Besucher*innen gehen müssen, um in den Raum zu gelangen. An der Stellwand sind verschiedene Lagepläne sowie Zeichnungen von Fabrikgeländen und -gebäuden aufgehängt. Eine ebenfalls dort angebrachte Displaythementafel mit dem Titel „Die Fabrik“ (NM: R 233) beschreibt den Arbeitsalltag in der Fabrik. Es wird erläutert, dass am Eingang zur Fabrik die Pünktlichkeit kontrolliert worden sei und die Fabrikregeln aushingen. Für die Besucher*innen wird durch die Positionierung der Stellwand und die Beschreibungen des Fabrikeingangs der Eintritt in den Raum wie der Eintritt in eine Fabrik gestaltet. Nachdem die Besucher*innen diese Eingangssituation passiert haben, befinden sie sich in einem Raum, in dem einige große Maschinenteile die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auf der rechten Seite im Raum sind das Schwungrad einer Dampfmaschine sowie eine Drehbank aufgestellt (Abb. 25). An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand ist vor einem großen Wandbild ein Industriewebstuhl platziert. Auf dem Wandbild ist eine Zeichnung eines Fabriksaals vergrößert abgedruckt (Abb. 26). Der Webstuhl steht für die von einem hohen Anteil weiblicher Erwerbstätiger geprägte Textilindustrie, die Drehbank sowie das Schwungrad repräsentieren die Stahlindustrie, in der mehrheitlich männliche Arbeiter beschäftigt waren.88 Die Ausstellungskuratorin Annette Vasstrøm bestätigt im Gespräch (2012b) den Eindruck dieser nach Geschlecht zugeordneten Darstellungen von Fabrikarbeit: Es sei ein Ziel der Ausstellungsgestaltung gewesen, in diesem Raum die Fabrik als Arbeitsplatz für Männer und Frauen zu präsentieren.

88 In der dänischen Textilindustrie gab es von Beginn an einen hohen Frauenanteil. In den Jahren 1872 bis 1914 stieg er von zunächst 53,4 % auf 67,3 % an. Im Vergleich dazu lag der Frauenanteil in den Belegschaften der Eisen- und Metallindustrie in diesen Jahren durchgehend unter 10 % und zu Beginn sogar nur bei 1,3 % (Christensen 2002: 327).

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Abbildung 25: Kraft und Präzision (NM: R 233)

Foto: Lisa Spanka, September 2014

Abbildung 26: Frauen in der Fabrik (NM: R 233)

Foto: Lisa Spanka, September 2014

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In dem Text der Thementafel mit dem Titel „Die Industriegesellschaft organisiert sich“ (NM: R 233) wird entsprechend erläutert, dass „Tausende Männer und Frauen Industriearbeiter [wurden, L.S.]“. Die explizite Benennung von Männern und Frauen verdeutlicht das von den Ausstellungsmacher*innen genannte Ziel, die Fabrik als Arbeitsplatz von Männern und Frauen zu vermitteln. Fabrikarbeit wird zunächst nicht einseitig geschlechtlich konnotiert. Es wird allerdings eine Zweigeschlechterordnung innerhalb des Feldes Fabrikarbeit sichtbar, der ich in einer genaueren Betrachtung der beiden Displays, denen die Maschinen zugeordnet sind, nachgehen möchte. Der Webstuhl ist Teil eines Displays mit dem Titel „Frauen in der Fabrik“. Die Vermutung, dass der Webstuhl die Textilindustrie repräsentiert und Frauen dadurch als Arbeiterinnen sichtbar gemacht werden, wird durch die explizite Benennung von Frauen in dem Displaytitel bestätigt. Das Wandbild visualisiert dies zusätzlich. Auf ihm sind überwiegend weibliche Personen als Arbeiterinnen in einer industriellen Weberei zu sehen. Henrietta Lidchi (1997) hat den Einsatz solcher Bilder als Teil musealer Realitätskonstruktionen bestimmt. Ihr zufolge dienen Wandbilder häufig einer Authentifizierung von durch Text und Objekte vermittelte Themen, um Besucher*innen von deren Realität zu überzeugen (ebd.: 171). Durch die Benennung von Frauen im Titel des Displays und den Einsatz des Wandbildes werden Besucher*innen explizit auf die Existenz weiblicher Arbeiterinnen hingewiesen und die Deutungsvielfalt der ausgestellten Objekte wird durch diese weibliche Konnotation eingeschränkt. Nicht die Funktionsweise des Webstuhls, dessen technische Beschaffenheit oder Arbeitsabläufe in der Textilindustrie werden hier repräsentiert, sondern der Umstand, dass Frauen in der Fabrik arbeiteten. In dem Displaytext wird eine große Bandbreite an Aspekten zur Arbeit von Frauen in der Fabrik aufgeführt. Es heißt dort, die Textilindustrie sei der Hauptarbeitsort von Frauen in der Industrie gewesen und dass Frauen für die Unternehmer billige Arbeitskräfte darstellten, gleichzeitig habe die Arbeit in der Industrie für Frauen aber auch eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit bedeutet. Zudem wird darauf hingewiesen, dass Arbeiterinnen eine eigene Gewerkschaft gegründet hätten, da die bestehenden Gewerkschaften nicht auf die spezifischen Belange der Frauen eingegangen seien (NM: R 233, Frauen in der Fabrik). In einer Vitrine sind Exponate ausgestellt, die sowohl den Arbeitsalltag als auch die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiterinnen repräsentieren. Neben Arbeitsgeräten wie Webschiffchen sind ein Mitarbeiterinnenregister, eine Lohndose sowie eine Quittung über die Zahlung des Mitgliedsbeitrags für die Gewerkschaft der Weberinnen ausgestellt. Zu dieser Quittung wird im Objekttext erneut auf die Gründung einer eigenen Gewerkschaft durch die Arbeiterin-

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nen der Webindustrie hingewiesen (NM: R 233, Frauen in der Fabrik, OT 2). Auf diese Quittung wird zusätzlich auch in dem Ausstellungsführer hingewiesen, so dass Besucher*innen besonders auf dieses Thema aufmerksam gemacht werden (Nationalmuseet 2003: 10). Der gewerkschaftlichen Organisierung der Arbeiterinnen wird somit sowohl auf der Textebene als auch auf der Objektebene besondere Bedeutung zugesprochen. Die Schwerpunktlegung auf das Thema gewerkschaftliche Organisierung in der Erwerbsarbeit wird somit auch in den Repräsentationen weiblicher Erwerbstätiger umgesetzt. Ein Erinnerungsalbum mit Ansichten der Fabrik, welches aufgeschlagen auf dem Boden der Vitrine liegt, vermittelt einen weiteren Aspekt zum Arbeitsalltag in einer Fabrik: die Bindung an eine*n Arbeitgeber*in. Der Objekttext erklärt, dass die Arbeiterinnen dieses Erinnerungsalbum dem Besitzer der Fabrik zum 25. Hochzeitstag geschenkt hätten (NM: R 233, Frauen in der Fabrik, OT 6). Dadurch wird zum einen das Privatleben eines Fabrikbesitzers und seiner Frau sichtbar, zum anderen werden die „Frauen in der Fabrik“ in einen persönlichen Bezug zum Arbeitgeber gesetzt. Erinnerungsalben dienten im 19. Jahrhundert auch als Familienchroniken und zur Bekräftigung von Freundschaften. Sie wurden in der Vergangenheit auch als Zeichen für den Rückzug des Bürgertums ins Private gedeutet (Göhmann-Lehmann 1994: 16-18).89 In der dänischen Ausstellung wird mit dem Album eine Identifikation der Arbeiterinnen mit dem Arbeitgeber repräsentiert. Das Album verweist auf Anerkennungs- und Treuebekundungen seitens der Arbeiterinnen und konnotiert die Arbeit von Frauen mit Attributen wie Loyalität und Fürsorge. Für sich betrachtet ist das Display „Frauen in der Fabrik“ Teil der Repräsentationen weiblicher Erwerbstätigkeit. Die Textilindustrie wird dabei als weiblich konnotierter Arbeitsplatz vermittelt. Mit Mitteln der realistischen Darstellung und der expliziten Nennung von Frauen als Akteurinnen wird das vermittelte Wissen vereindeutigt und authentifiziert. Die Objekt-Text-Konstellationen bestimmen die Fabrikarbeit von Frauen als Arbeit in der Textilindustrie und repräsentieren diese als von vielfältigen Facetten geprägt. Von der Beschreibung der Arbeitsbedingungen, dem Verhältnis zu Arbeitgeber*innen bis zur eigenen Organisierung wird für Arbeiterinnen ein Bild gezeichnet, welches diese als unabhängige und aktive, aber auch finanziell benachteiligte Personen repräsentiert. Im Kontext des Raumensembles ist dieses Display jedoch das einzige von insgesamt acht Displays, welches Frauen als Akteurinnen der Industriegesellschaft repräsentiert. Ein weiteres Display widmet sich der Arbeit von Kindern in der Fab89 Im DHM sind solche Freundschafts- und Familienbücher entsprechend ausgestellt, um den Rückzug des Bürgertums ins Privatleben zur Biedermeier-Zeit zu vermitteln (DHM: D 4.10.5).

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rik, alle übrigen Displays sind nicht explizit nach Akteur*innen benannt, allerdings stark männlich konnotiert. Eines dieser Displays trägt den Titel „Kraft und Präzision“ und fällt durch einen nahezu gleichen Aufbau wie das Display mit dem Titel „Frauen in der Fabrik“ auf. Es besteht ebenfalls aus größeren Maschinenteilen, einer Vitrine, die die gleiche Form hat wie die Vitrine des Displays „Frauen in der Fabrik“ und einer Displaytexttafel. Einige Unterschiede in den Gestaltungsweisen der Displays tragen jedoch zu einer Konstruktion von Geschlechterdifferenz und ungleichen Bewertungsbildungen bei. Die Arbeit von Männern wird ästhetisiert dargestellt und mit dem Konzept des Fortschritts verknüpft, wohingegen die Arbeit von Frauen durch Mittel der realistischen Darstellung expliziert und verifiziert wird. Im Unterschied zu dem Displaytitel „Frauen in der Fabrik“ verweisen die Begriffe „Kraft und Präzision“ zunächst nicht explizit auf bestimmte Akteur*innen. Die inhaltlichen Ausführungen in dem Displaytext schildern die Entwicklungen neuer Technologien: „Die Maschinenkraft war nicht der einzige Grund für die steigende Produktivität in der Industrie. Ein industrielles Produkt ging durch viele Hände, welche jeweils spezialisierte Aufgaben ausführten. Dadurch wurde die Produktion rationalisiert und effizienter.“ (NM: R 233, Kraft und Präzision)

Auch in dem übergeordneten Thementext wird ein Fortschrittsdenken als Zeitgeist beschrieben und Wachstum, Präzision und Struktur als neue Ideale der Gesellschaft im 19. Jahrhundert bestimmt. Die Wiederholung der Begriffe Kraft, Präzision und Effizienz in diesem Displaytext verknüpft die als zeitgenössischen Ideale bestimmten Begriffe mit der in diesem Display vermeintlich geschlechtsneutral repräsentierten Industriearbeit. Durch die Objekt(an)ordnungen werden die zunächst abstrakt erscheinenden Begriffe allerdings ausschließlich männlichen Akteuren zugeschrieben. Die Exponate in der Vitrine stammen, den Objekttexten nach, aus dem Bereich der Stahlindustrie. Neben Werkzeugteilen sind Fotos von männlichen Arbeitern und Lehrlingen (ebd., OT 1 und 2) in und vor einer Fabrik zu sehen sowie der Lehrvertrag, der Lehrlingsbrief und das Mitgliedsbuch der Metallarbeitergewerkschaft von einer Person namens Ejnar Friis (ebd., OT 3-5). Des Weiteren ist das Modell einer Dampfmaschine ausgestellt, welches laut Objekttext als Spielzeug für einen Jungen gebaut wurde (ebd., OT 8). Die als Ideale der Industriegesellschaft bestimmten Begriffe ‚Kraft‘ und ‚Präzision‘ werden somit männlich konnotiert und männliche Arbeit wird mit Fortschritt verknüpft und positiv bewertet,

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die mitunter harte Arbeit sowie schlechte Arbeitsbedingungen sind hingegen nicht sichtbar. Die ausgestellten Maschinenteile unterstützen die Konstruktion einer erfolgreichen und kraftvollen Männlichkeit. Im Unterschied zu dem ausgestellten Webstuhl in dem Display „Frauen in der Fabrik“ sind in dem Display „Kraft und Präzision“ nur einzelne Maschinenteile zu sehen, die in einer Art Collage zusammengestellt wurden. Muttenthaler und Wonisch (2010: 90) haben darauf hingewiesen, dass solche Ästhetisierungen ausgestellter Maschinenteile zu einer besonderen Hervorhebung von Themen oder Displays im Raum führen und die Exponate als wertvoll oder bedeutsam erscheinen lassen. Dadurch werde ein Eindruck von Mächtigkeit und Ehrfurcht vermittelt. Die Stahlindustrie wird durch diese ästhetisierende Präsentation der Maschinenteile und die im Text hervorgehobenen Ideale Kraft, Präzision, Effizienz und Spezialisierung heroisiert und zugleich männlich konnotiert. Während im Display „Frauen in der Fabrik“ die Akteurinnen in ihrer Geschlechterposition im Vordergrund stehen, wird im Display „Kraft und Präzision“ der Fokus auf Fortschritt und Technologie gesetzt, zu denen nicht explizit eine Personengruppe genannt wird, implizit jedoch eine männliche Konnotation vorherrscht. Die Präsentationen in den Displays vermitteln zwar ein differenziertes Bild weiblicher Erwerbstätigkeit in der Industrie und betonen die Handlungsfähigkeit weiblicher Akteurinnen, Männlichkeit wird jedoch mittels konventioneller und heroisierender Vermittlungsmodi in stereotyper Weise als bedeutsam und machtvoll (re-)konstruiert. Geschlechtsspezifische Positionierungen männlicher Akteure im Feld der Industriearbeit werden dabei nicht reflektiert. Durch diese Gestaltungsweisen entstehen Zuweisungen, die eine hierarchische Zweigeschlechterordnung mit unterschiedlichen Bewertungen der jeweiligen Arbeit (re-)produzieren. Die Bemühungen der Ausstellungsmacher*innen um die Berücksichtigung beider Geschlechter im häufig männlich assoziierten Feld der Industriearbeit sind somit nur zum Teil erfolgreich. Die Ausstellungsmacher*innen brechen zwar das verbreitete Bild auf, nach dem Arbeiter*innen immer männlich sind, wiederholen jedoch zugleich unterschiedliche Bewertungen von Arbeit, die sich bis heute zum Beispiel in hohen Lohnunterschieden von Frauen und Männern ausdrücken. Alternativ hätten zum Beispiel die Bedeutung neuer Technologien sowohl für die Textil- als auch die Stahlindustrie vermittelt werden können und auch der industrielle Webstuhl als Arbeitsmittel zur effizienten und rationalisierten Massenproduktion von Textilien präsentiert werden können.

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ARBEITSLOS SIND NUR DIE MÄNNER? In den Displays zum Leitmotiv Arbeit überwiegen Darstellungen zur Erwerbstätigkeit von Menschen. Von den Displays zu Kaufleuten und Handwerkern bis zu Displays, in denen ärmere Schichten der Gesellschaft wie „Tagelöhner“ oder „Landarbeiter“ (NM: R 210, R 234) repräsentiert sind, oder in einem Display zum Thema „Armut in der Stadt“ (NM: R 224) wird vorrangig vermittelt, wie diese Menschen lebten und ihr Auskommen verdienten. In einigen Raum- oder Displaytexten wird zwar auf Armut und oder ärmliche Lebensverhältnisse hingewiesen, die Objekt(an)ordnungen lassen jedoch nur vage auf Elend und Not schließen. Häufig wird der Thematisierung von Armut eine Präsentation staatlicher Gegenmaßnahmen, wie die Einführung eines neuen Sozialgesetzes beigefügt (NM: R 234, Von der Armenhilfe). Es überwiegt die Botschaft, dass Menschen in Dänemark unabhängig sozialer Zugehörigkeiten erwerbstätig waren und relativ gut leben konnten. Das Thema Arbeitslosigkeit ist in der Ausstellung entsprechend nur marginal sichtbar und als zeitlich begrenztes Phänomen vermittelt. Im letzten Ausstellungsraum (NM: R 237) wird zum Beispiel in einem Display mit dem Titel „Fitness in den armen Achtzigern“ für die 1980er Jahre ein Rückgang des Wirtschaftswachstums beschrieben und auf die Gegensätze einer einerseits auf Lifestyle orientierten Jugend sowie einer hohen Arbeitslosenzahl hingewiesen. Die Objekt(an)ordnungen dieses Displays repräsentieren jedoch ausschließlich den im Displaytext thematisierten ‚Lifestyle‘, sowie die erste Eheschließung eines schwulen Paares als besondere Errungenschaft dieser Zeit. Arbeitslosigkeit ist auf der Objektebene nicht repräsentiert. In unmittelbarer Nähe zu diesem Display befinden sich zwei Displays, die die Schließung eines großen Kaufhauses (ebd., Das Kaufhaus in der Nørrgade) und einer Werft (ebd., Der Letzte macht das Licht aus) präsentieren. Es kann angenommen werden, dass diese Schließungen die Entlassung von Angestellten und deren Arbeitslosigkeit zur Folge hatten, explizit wird Arbeitslosigkeit allerdings auch in diesen Displays nicht zu-sehen-gegeben. In der gesamten Ausstellung gibt es nur ein einziges Display, in dem das Thema Arbeitslosigkeit explizit vermittelt wird (Abb. 27). Es befindet sich ebenfalls im dritten und letzten Zeitabschnitt der Ausstellung, in einem Raum der der Zeit vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gewidmet ist (NM: R 235). Auch wenn es das einzige Display zum Thema Arbeitslosigkeit ist, werde ich es in meine Untersuchung mit einbeziehen, um zu prüfen, ob mit der Präsentation einer Krisensituation im Feld der Arbeit andere Geschlechterkonstruktionen einhergehen als die bisher ermittelten.

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Abbildung 27: Arbeitslosigkeit (NM: R 235)

Foto: Lisa Spanka, September 2012

Der Großteil der Displays in diesem Raum ist der Freizeit und Unterhaltungskultur in der Zwischenkriegszeit gewidmet. Exponate zum Ersten und Zweiten Weltkrieg sind zusammen in einer Vitrine angeordnet und auch das Display mit dem Titel „Arbeitslosigkeit“ ist zusammen mit einem Display über die Regierungszeit der Sozialdemokratischen Partei (1924-1926 sowie 1929-1942) in einer Vitrine untergebracht. In dem Raumensemble überwiegt der Eindruck der Moderne der 1920er und 1930er Jahre. Entsprechend werden durch einen Lautsprecher zeitgenössische Radiobeiträge wie Musik, Kriegsberichte und politische Ansprachen eingespielt. Etwa die Hälfte des ca. 12-minütigen Einspielers besteht aus fröhlicher Musik, so dass Besucher*innen häufig eine lockere, fröhliche Atmosphäre erleben, wenn sie den Raum betreten. In dem Display zum Thema Arbeitslosigkeit wurde entsprechend auf konkrete Darstellungen von Armut und Elend als Folge von Arbeitslosigkeit verzichtet. Der Fokus der Präsentation liegt stattdessen auf Darstellungen zur Arbeitssuche und zu Behelfsarbeiten. Arbeitslose werden ausschließlich als Personen dargestellt, die entweder Arbeit suchen oder alternative Arbeiten ausführten, ihre Lebensumstände zu dieser Zeit bleiben hingegen unsichtbar. Die in derselben Vitrine eingerichtete Präsentation zur Regierungszeit der Sozialdemokratischen Partei und des damaligen Ministerpräsidenten Thorvald Staunings (1873-1942)

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mit dem Displaytitel „Dänemark dem Volke“ thematisieren die Reformen dieser Regierungszeit, die bis heute als Grundlage des dänischen Wohlfahrtsstaates gelten (Sørensen 2013). So wird das Thema Arbeitslosigkeit in die Konzeption einer dänischen Wohlstandsgeschichte eingebunden, an der Menschen durch Arbeit und der Staat durch seine Politik beteiligt sind. In dem Text der Displaythementafel wird das Thema Arbeitslosigkeit zunächst anhand von statistischen Daten veranschaulicht. Es heißt dort: „Die Weltwirtschaftskrise von 1929 erreichte auch Dänemark. Am Neujahrsabend 1932 waren 43,5 % arbeitslos – die größte Zahl in der dänischen Geschichte.“ (NM: R 235, Arbeitslosigkeit)

Durch die Verwendung der Prozentzahl als Subjekt des Satzes vermeiden die Ausstellungsmacher*innen genauere Angaben zur Personengruppe der Arbeitslosen. Es wird nicht erläutert, ob sich die Prozentzahl auf alle erwerbsfähigen Dän*innen bezieht oder nur auf eine bestimmte Gruppe von Personen. Differenziertere Angaben sind in dem Ausstellungsführer nachzulesen. Hier heißt es, dass 1932 31,7 % der Gewerkschaftsmitglieder arbeitslos waren, die Zahl der Arbeitslosen jedoch weit höher gewesen sein muss, da nicht alle Menschen in Gewerkschaften organisiert gewesen seien (Nationalmuseet 2003: 214). Eine Aussage über Zahlen nach Geschlecht fehlt. Die Bestimmung der Arbeitslosigkeit als Folge der Weltwirtschaftskrise sowie als höchste Arbeitslosenrate in der dänischen Geschichte enthält zwei Botschaften, die für die Frage nach den Repräsentationen von Nation bedeutsam sind. Zum einen wird das Ausmaß der Arbeitslosigkeit als einzigartig und somit einmalig in der dänischen Geschichte bestimmt, ohne jedoch auf unterschiedliche Bewertungshorizonte zu unterschiedlichen Zeiten hinzuweisen. Zum anderen wird die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit nicht auf innenpolitische oder wirtschaftliche Prozesse in Dänemark zurückgeführt, sondern ausschließlich auf den externen Faktor Weltwirtschaftskrise. Nicht die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen, sondern Dänemark als Land wird dadurch als Opfer dieser Krise repräsentiert. Allerdings wird nicht das Bild eines leidenden Opfers oder prekärer Verhältnisse vermittelt, sondern auf Gegenmaßnahmen durch die Regierung hingewiesen. Die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen werden sowohl in dem Display als auch in dem Ausstellungsführer als aktive Personen dargestellt, die verschiedenen Tätigkeiten nachgingen. Diese seien auf „neue Branchen“ ausgewichen, heißt es in dem Displaytext sowie in dem Ausstellungsführer (ebd.: 214). Diese „neue Branchen“ werden in dem Displaytext als Lumpensammeln, das Anbieten von Reparaturen oder Verkauf von selbstgemachten Dingen auf der Straße ausdiffe-

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renziert (NM: R 235, Arbeitslosigkeit). Die Bezeichnung „neue Branchen“ ist ein Euphemismus für Behelfsarbeiten und trägt zu einer positivistischen Perspektive auf das Thema Arbeitslosigkeit im Kontext einer nationalen Narration bei, nach der es in Dänemark allen Menschen gut gehe. Die Ausstellung vermittelt hier erneut das Bild einer aktiven und dadurch erfolgreichen Bevölkerung, welches sich als Identifikationsangebot durch die gesamte Ausstellung zieht. Die für dieses Display ausgewählten Exponate repräsentieren die in den Ausstellungstexten als „neue Branchen“ bezeichneten Tätigkeiten. Zu sehen sind Gegenstände zum Abfalldurchsuchen, Exponate, die den Straßenverkauf repräsentieren, Dokumente, Fotos sowie Plakate von Kampagnen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit (Abb. 27). Eines dieser Plakate hängt an der Rückwand der Vitrine. Auf diesem ist im Vordergrund eine männliche Person mit einem Bündel über der Schulter zu sehen. Die Person entfernt sich von einem Haus und winkt zurück. Im Fenster des Hauses sind eine Frau und ein Kind zu sehen, die dem Mann nachwinken. Alle Personen lachen und wirken dadurch zufrieden. Im oberen Teil des Plakates steht der Slogan: „Arbeitslosigkeit mit Arbeit bekämpfen“. Es handelt sich bei dem Plakat um ein Kampagnenplakat der Landesgesellschaft zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit (L.A.B.) 90 und zeigt eine Idealvorstellung, nach der allein der Mann arbeiten geht und die Frau mit den Kindern zu Hause bleibt. Erklärungen zu diesem Plakat und der Situation der Menschen zu dieser Zeit fehlen. Durch die alleinige Präsentation eines durch eine Kampagne vermittelten zeitgenössischen Familienideals werden in diesem Display andere Lebensverhältnisse und -bedingungen in der Wirtschaftskrise ausgeblendet. Sichtbar gemacht wird eine Situation, in der trotz Arbeitslosigkeit allein der Mann handeln muss, um die Familie zu ernähren. Aktivitäten weiblicher Personen bleiben weitestgehend unsichtbar. In dem Display ist die Frau auf dem Plakat der L.A.B. die einzig sichtbare weibliche Person. Diese ist jedoch als Hausfrau und Mutter dargestellt und nicht als Arbeitslose oder Arbeitsuchende. Auf dem Boden der Vitrine sind ein Foto sowie einige schriftliche Dokumente ausgestellt. Auf dem Foto sind männliche Personen zu sehen, die in einer langen Schlange stehen. Der Objekttext erläutert, dass die Personen auf eine Vermittlung von Arbeit in Deutschland warten würden (NM: R 235, Arbeitslosigkeit, OT 5). Bei den Dokumenten handelt es sich um Reiseunterlagen und Briefe, die laut Objekttext einem dänischen Maurer gehörten, der während des Krieges in 90 Landsforenigen til Arbejdsløshedens Bekæmpelse (L.A.B.). Die L.A.B. setzte sich dafür ein, Menschen durch Tätigkeiten wie das Lumpensammeln oder Reparaturarbeiten Erwerbsmöglichkeiten zu organisieren. Weitere Informationen zu dieser Organisation finden sich in dem Onlinelexikon der dänischen Stadt Horsens (Horsensleksikon 2012).

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Deutschland gearbeitet habe (ebd., OT 6). Während aus dem Displaytext noch kein Hinweis auf eine bestimmte Personengruppe als Arbeitslose hervorging, werden durch die Auswahl der Exponate ausschließlich männliche Personen als Akteure der Arbeitslosigkeit bestimmt. Durch diese einseitigen Präsentationsweisen zur Arbeitslosigkeit entsteht eine Reduktion weiblicher Lebensentwürfe auf die der Hausfrau und Mutter, die durch einige Exponate in dem zweiten Display in dieser Vitrine unterstützt werden. Hier sind direkt neben den Dokumenten, die die Arbeitssuche von Männern in Deutschland repräsentieren, einige Aufklärungsschriften zur Verhütung und zu Schwangerschaftsabbrüchen ausgestellt. Auf einer kleinen Texttafel werden diese Broschüren unter dem Titel „Freiwillige Mutterschaft?“ zusammengefasst. Dazu werden die Aktivitäten der Autorin Thit Jensen91, des Arztes J. H. Leunbach92 sowie der Kommunistin Marie Nielsen 93 zur Befürwortung von Abtreibungen und sexueller Aufklärung beschrieben. Im Rahmen dieses Displays, welches der Regierungszeit der Sozialdemokratischen Partei in den 1920er Jahren gewidmet ist, kann die Thematik des „Rechts auf Abtreibung“ als Repräsentation eines Freiheits- und Selbstbestimmungsdiskurses von Frauen gelesen werden. Im Zusammenhang mit dem Display zur „Arbeitslosigkeit“ sowie durch weitere Erläuterungen in einem Objekttext wird jedoch vermittelt, dass die Aufklärungsarbeit über Verhütungsmittel von gebildeten Personen und Institutionen gezielt an Personen der Arbeiter*innenklasse herangetragen wurde (NM: R 235, Dänemark dem Volke, OT 6). Dadurch wird das Thema Arbeitslosigkeit für Frauen nicht als Problem mangelnder eigener Arbeit vermittelt, sondern im Kontext einer Konstruktion von Frauen als gebärenden Personen repräsentiert, die sich ein Kind nicht leisten können. Ob dies die Folge einer eigenen Arbeitslosigkeit, oder der von männlichen Angehörigen, oder aufgrund von Armut in der Arbeiterklasse so ist, wird nicht thematisiert. Es bleibt hier den Besucher*innen überlassen, wie sie die Thematik der Abtreibungsbefürwortung kontextualisieren. Mit den Präsentationsweisen zum Thema Arbeitslosigkeit rekonstruiert die Ausstellung eine Geschlechterordnung, in der nur die Männer als Arbeitslose und zugleich Familienernährer gelten, während Frauen ausschließlich als Hausfrauen und potentielle Mütter zu-sehen-gegeben werden. Trotz der Darstellungen 91 Thit Jensen (1876-1957) war eine dänische Autorin und Gründerin der „Organisation für sexuelle Aufklärung“ (Forening for Seksuel Oplysning). 92 Jonathan Høegh von Leunbach (1884-1955) war ein dänischer Arzt und setzte sich für sexuelle Aufklärung, Geburtenkontrolle und freie Abtreibungen ein. 93 Marie Nielsen (1875-1951) war Mitglied der kommunistischen Partei Dänemarks (Danmarks Kommunistiske Parti) und setzte sich mit der Aufklärungsvereinigung für Arbeiterfrauen (Arbejderkvindernes Oplysningsforening) für freie Abtreibungen ein.

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von Frauen als Fabrikarbeiterinnen (NM: R 233), Haushaltsangestellte (NM: R 234) oder im Kampf um Berufsausbildungen (ebd.) in den vorherigen Räumen, beginnt mit der Auslassung von Frauen als Arbeitslose eine Dethematisierung von Frauen im Feld der Erwerbstätigkeit. Die Frage nach der Arbeitslosigkeit von Frauen stellt sich nicht, wenn diese ausschließlich als Hausfrauen und Mütter repräsentiert werden. Dadurch entsteht eine Leerstelle in der Narration der Ausstellung zum Thema Frauen und Erwerbstätigkeit, an die die Darstellungen im Display zur Familie in den 1960er Jahren(NM: R 237, Die Vororte) anknüpfen. Die dort vermittelte Aussage, Frauen seien in den 1960er Jahren als ‚neue‘ Gruppe der Erwerbstätigen auf den Arbeitsmarkt gelangt, baut auf einer Ausblendung erwerbstätiger Frauen aus dem Feld der Arbeitslosigkeit auf. Eine mögliche Entwicklung von erwerbstätigen Frauen hin zu ausschließlichen Hausfrauen aufgrund von Entlassungen und Verdrängung vom Arbeitsmarkt in Krisenzeiten wird dabei ebenso wenig reflektiert, wie eine verstärkte Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften in Kriegszeiten. Die Präsentationsweisen der Ausstellung repräsentieren Arbeit als selbstverständlich männlich konnotiertes Feld, anstatt geschlechterspezifische Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu thematisieren und so eine Reflektion von wechselseitigen Konstruktionsprozessen von Geschlecht und Arbeit anzuregen. Reflektionen zu den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und der hohen Arbeitslosigkeit in dieser Zeit auf Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, wie sie im DHM sichtbar wurden, fehlen in der dänischen Ausstellung. Die Präsentation des kontinuierlich entstehenden Wohlfahrtsstaates mit einer kontinuierlich gutversorgten und aktiven, heteronormativ geprägten Bevölkerung wird nicht gebrochen.

ZUSAMMENFASSUNG Im Kontext nationaler Identitätsbildungen hat die Auseinandersetzung mit dem Feld der Arbeit eine lange Tradition und wurde sowohl in der volkskundlichen Forschung als auch mittels musealer Repräsentationen geführt. Die Erforschung und Präsentation von Arbeitspraktiken dienten besonders in den volkskundlichen Museen des 18. und 19. Jahrhunderts, aber auch in späteren musealen Darstellungen der Bildung und Disziplinierung von Gruppenidentitäten und im Speziellen nationalen Identitäten. Damit einher gingen immer auch geschlechtsspezifische Konstruktionen von Arbeit, die eine Zweigeschlechterordnung als natürlich gegeben voraussetzten und eine selbstverständliche hierarchische Arbeitsteilung

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und unterschiedliche Bewertungen von Arbeit entlang der Kategorie Geschlecht zur Folge hatten und haben. In der mit volkskundlichen Konzepten arbeitenden Ausstellung „Danmarkshistorier“ finden sich die in der Forschung diskutierten geschlechtsspezifischen Zuschreibungen von Arbeit wieder. In den Displays zum Leitmotiv werden diejenigen Tätigkeiten als Arbeit bestimmt, die der (Selbst-)Versorgung der Menschen dienten und dienen, wobei ein Großteil der Displays der Erwerbsarbeit gewidmet ist. Ein weiterer Schwerpunkt der Präsentationen zum Leitmotiv Arbeit liegt auf der Organisierung in Interessensverbänden. Diese Perspektive auf Arbeit wirkt sich auf die Geschlechterkonstruktionen aus. Es werden überwiegend männliche Akteure sichtbar, die in Zünften, Gilden oder Gewerkschaften organisiert waren. Allgemein formulierte Aussagen über Erwerbsformen und gewerkschaftliche Aktivitäten sind dadurch männlich konnotiert. Durch die Präsentation der Erwerbstätigkeit weiblicher Personen in gesonderten Displays und deren explizite Benennung als ‚Frauen, die arbeiten‘ wird das unterstützt. Den Umstand einer geringeren Vertretung und Aktivität von Frauen im Feld der bezahlten Arbeit setzt die Ausstellung durch diese Darstellungsweisen als selbstverständlich fort und konstruiert eine Trennung unterschiedlicher Sphären entlang einer binären Geschlechterordnung. Die Ausstellung setzt dadurch implizit eine Zweigeschlechterordnung als gegeben voraus und wiederholt in den Präsentationsweisen zum Leitmotiv Arbeit Konstruktionen von Zweigeschlechtlichkeit sowie die ungleiche Bewertung der Arbeit männlicher und weiblicher Akteur*innen. Vor diesem Hintergrund dient die zuerst untersuchte Darstellung von Arbeitsteilung in der Ausstellung nicht allein der Wissensvermittlung über die Selbstversorgung durch subsistenzwirtschaftliche Arbeit auf dem Land in der frühen Neuzeit. Die Objekt(an)ordnungen repräsentieren eine binär gegenderte Wissensordnung, in der die Bereiche Gesellschaft, Verwaltung und außerhäusliche Tätigkeiten männlich und Konzepte wie Volk, Tradition und häusliche Arbeit weiblich konnotiert sind. Die Konstruktion dieser binären Trennung wird durch die räumliche Trennung der jeweiligen Objektpräsentationen in der Ausstellung mitkonstruiert. In der Auswertung der Displays zur Erwerbsarbeit zeigte sich eine differenzierte Vermittlung der Arbeitsbedingungen weiblicher Akteurinnen sowie eine facettenreiche Darstellung von deren Handlungsmöglichkeiten bei expliziter Zuschreibung als Gruppe der Frauen. Gleichzeitig konstruiert die Ausstellung Erwerbsarbeit implizit als männliche Sphäre und repräsentiert sie mit ästhetisierenden und heroisierenden Gestaltungsmitteln. Im Narrativ der wirtschaftlich und demokratisch erfolgreichen Nation werden männliche Personen damit als Haupt-

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akteure bestimmt und ihre Tätigkeiten werden mit Konzepten wie Fortschritt, Kraft und Präzision als bedeutsamer bewertet als die Tätigkeiten weiblicher Personen. Diese (Re-)Konstruktionen einer ungleichen Zweigeschlechterordnung der Arbeit setzen sich in der Präsentation von Arbeitslosigkeit fort. Zum einen werden Frauen als Erwerbstätige dethematisiert und als arbeitslose Personen unsichtbar gemacht. Weiblichkeit wird dadurch privatisiert und auf die Konzepte Mutter und Hausfrau reduziert. Die im Leitmotiv Arbeit konzipierte erfolgreiche Männlichkeit wird in den Darstellungen zur Arbeitslosigkeit hingegen nicht gebrochen. Die Ausstellung beschränkt sich in den Objekt-Text-Konstellationen auf eine Repräsentation aktiver Männlichkeit, die auch im Falle von Arbeitslosigkeit weiterhin für die Existenzsicherung der Familie zuständig ist. Der Begriff der ‚neuen Branchen‘ als Bezeichnung für das Lumpensammeln oder Reparaturarbeiten führt zu einer positiven Aufwertung dieser ausschließlich männlichen Personen zugeschriebenen Tätigkeiten. Mit diesen Formen der Darstellung reproduziert die Ausstellung Vorstellungen von Arbeit, die mit geschlechtsspezifischen Bewertungen und Zuordnungen einhergehen. Erwerbstätigkeit von Frauen wird als Zuverdienst oder als Mittel zur Selbstverwirklichung und Erlangung von Unabhängigkeit repräsentiert, was eine Selbstverständlichkeit der Nicht-Existenz weiblicher Arbeitslosigkeit mit sich bringt. Die Erwerbstätigkeit männlicher Personen wird hingegen als Selbstverständlichkeit der Existenzsicherung repräsentiert und bedarf keiner Begründungen. Das Leitmotiv Arbeit ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich männlich konnotiert. Der Fokus der nationalen Erzählung liegt auf der Vermittlung einer erfolgreichen und aktiven Mitgestaltung der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte durch männliche Akteure.

Politiken des Ausstellens im Nationalmuseum

Die Sammlungen des Nationalmuseums werden sowohl von der Museumsleitung als auch von den Ausstellungsmacher*innen der Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ als Besitz einer als dänisch bestimmten Gemeinschaft verstanden und sollen dieser zu-sehen-gegeben werden. Die Untersuchung der Ausstellungspraxis hat gezeigt, dass dieses Zu-Sehen-Geben von Sammlungsbeständen zur Konstruktion spezifisch vergeschlechtlichter nationaler Identitäten beiträgt. Um dem Ziel näherzukommen, die Ausstellungspraxis als Teil des Dispositivs musealer Politiken zu deuten und die in den Untersuchungen herausgearbeiteten nationalisierten Geschlechterkonstruktionen als Ergebnis dieser Politiken zu verstehen, führe ich abschließend die Ergebnisse der einzelnen Analyseschritte zusammen. Der Blick in die Museums- und Ausstellungsgeschichte hat den Stellenwert des Nationalmuseums in der dänischen Kulturpolitik verdeutlicht. Als zentrales Museum für die Kulturgeschichte Dänemarks, mit dem Auftrag, auch andere Museen im Land bei ihrer Arbeit zu unterstützen, kommt dem Nationalmuseum im Diskurs um nationale Selbstvergewisserungen eine Sprecher*innenposition mit großer Reichweite zu. Konzipiert als Universalmuseum mit Sammlungen und Ausstellungen zur dänischen Geschichte sowie Ausstellungen ethnographischer Bestände bestimmt das Museum Dänemark als Nation mit Weltgeltung beziehungsweise – mit Pomian (1992: 25) gesprochen – als am Universalen beteiligt. Die Repräsentationen der Sammlungen als Schätze der Nation und das Anliegen, der Bevölkerung diese Schätze als ihren Besitz zu vermitteln, sind Teil der Konstruktion eines nationalisierten ‚Wirs‘, welches als Bezugsrahmen für Identifikationen fungieren soll. Denn gerade das Zu-Sehen-Geben eines gemeinsamen Besitzes dient der Stärkung eines Gemeinschaftsgefühls auch in Krisenzeiten und darüber hinaus (Dori 2010). Erhöhte staatliche Zuwendungen für die museale Arbeit jeweils zu Krisenzeiten bestätigen diese Überlegungen. Der Pla-

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nungszeitraum der Ausstellung „Danmarkshistorier“ in den 1980er und 1990er Jahren war ebenfalls geprägt von starken Veränderungen. Das Ende des Kalten Krieges und eine Ausweitung europäischer Einflussnahme gingen in Dänemark mit einem Erstarken rechter Strömungen einher, die das Neuaushandeln eines ‚Dänisch-Seins‘ mit sich brachte. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Wissensproduktionen zu Nation und Geschlecht in der Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ als Teil der musealen Praxen, die der Vermittlung eines ‚Wir-Gefühls‘ dienen. Der Auftrag, die volkskundlich geprägten Sammlungsbestände des Nationalmuseums zu einer Chronologie dänischer Geschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart zusammenzuführen, folgte dem Gedanken, dass sich eine Zeitgeschichte und damit die Nähe des Gezeigten zur Gegenwart besonders als Identifikationsrahmen für Fortschreibungen und Neuaushandlungen eines ‚Dänisch-Seins‘ eigne. Die volkskundliche Sammlung wurde in eine chronologische Ausstellung überführt, so dass ich von einer Ethnografie der dänischen Geschichte spreche. Die Konzepte Staat, Gesellschaft und Individuum dienten den Ausstellungsmacher*innen als Bezugsrahmen für die Gestaltung der verschiedenen Ausstellungsräume und bilden drei Erzählstränge, mittels derer eine Verschränkung von Alltags- und Staatsgeschichte präsentiert werden sollte. Diese Konzeptionierung hat weitreichende Folgen für die Praktiken des Zu-Sehen-Gebens in der Ausstellung. Bausinger hat die volkskundliche Bestimmung von etwas als Alltag auch als Mittel zur Beschwörung von Nähe und Beständigkeit beschrieben und spricht von einer „Veralltäglichung“ bestimmter Prozesse, die darüber als normal bestimmt würden (Bausinger 1984: 61-64). Die in dem Rundgang gestaltete Ethnografie dänischer Geschichte mittels Darstellungen zum Alltag führt somit zu der Konstruktion einer Normalität des Dargestellten. Das Ausstellen von Alltagsgegenständen bietet ebenso wie das Vermitteln von Zeitgeschichte die Möglichkeit des Wiedererkennens und einer Identifikation der Besucher*innen mit dem Gezeigten. Die chronologische Anordnung dieser Ethnografie des Alltags dient der Vermittlung einer Kontinuität der kollektiven Gemeinschaft und eines ‚Wir-Gefühls‘. Darin enthalten ist eine Narration zunehmender Demokratisierung und wachsenden Wohlstands, die kaum Brüche enthält und zu einer positivistischen Erzählung der dänischen Geschichte führt. Die Ausstellungsmacher*innen folgten feministischen und postkolonialen Positionen und Forderungen nach mehr Repräsentation in musealen Ausstellungen. Entsprechend geschichtswissenschaftlicher Ansätze, Geschichte als plural zu verstehen (Daniel 1997; Hausen 1998; Opitz-Belakhal 2010), betonen sie zudem den Anspruch, vielfältige Geschichten zu zeigen. Der erste Ausstellungsraum ist diesem Vorhaben gewidmet und vermittelt durch eine Porträtgalerie zu-

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nächst den Eindruck, es würden in der Ausstellung heterogene Akteur*innen und Lebensentwürfe repräsentiert. In dem darauffolgenden Ausstellungsrundgang findet die Idee der vielfältigen Geschichten und der Normalität unterschiedlicher Lebensentwürfe jedoch nur eingeschränkt Umsetzung. Der Ansatz, vielfältige Geschichten zu zeigen, wird auf stereotypisierende Darstellungen von Akteur*innen reduziert, wodurch feststehende Identitätspositionen entlang einer binären Geschlechterordnung vermittelt werden. Die Ausstellung repräsentiert dabei überwiegend weiße, gesunde, Erwachsene im erwerbs- und gebärfähigen Alter, die in heterosexuellen (Familien-)Beziehungen leben. Ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen, nicht-weiße Menschen oder homosexuelle Menschen sind hingegen nur marginal sichtbar. In der Erzählung von der Nation als erfolgreichem Projekt wird die Heterogenität von Lebensbedingungen und -entwürfen stark verengt. Die von mir ermittelten Leitmotive der Ausstellung Familie und Arbeit haben als Untersuchungsfelder volkskundlicher Forschung und als Medien nationaler Repräsentationen eine lange Tradition. Auseinandersetzungen zu beiden Feldern dienten und dienen der Bestimmung und Definition von Einheit und Gruppenidentität über gesellschaftliche Unterschiede hinweg. Entsprechend eng sind in der Ausstellung die Repräsentationen beider Leitmotive miteinander verknüpft. Mit der Übernahme zweier im Kontext der Nationenkonstruktion traditionsreicher Konzepte übernimmt die Ausstellung auch lang tradierte Geschlechterkonstruktionen und führt diese fort. Eine Zweigeschlechterordnung der Gesellschaft mit getrennten Handlungsfeldern für Frauen und Männer wird als selbstverständliche Realität repräsentiert und nicht hinsichtlich ihrer historischen Gewordenheit hinterfragt. Das Haus und der Haushalt sind als primäre Handlungsfelder von Frauen vermittelt, wohingegen die Erwerbstätigkeit und der öffentliche Raum überwiegend männlich konnotiert sind. Diese Geschlechterordnung wird nicht einfach als Normalität rekonstruiert, sie wird vielmehr als ideale Lebensform im Kontext der Erzählung der zunehmend wohlhabenden Gesellschaft bestimmt. Das Leitmotiv Familie trägt zu der Homogenisierung von Akteur*innen innerhalb des Konzeptes der vielfältigen Geschichten bei. Es werden zwar unterschiedliche Akteur*innengruppen repräsentiert, allen gemeinsam ist jedoch, laut Ausstellung, das Leben in Familien. Familie wird dabei als heteronormative Lebensgemeinschaft dargestellt, die aus Vater, Mutter und leiblichen Kindern besteht. Als Vater bleiben männliche Akteure jedoch in den Familienrepräsentationen der Ausstellung weitestgehend unsichtbar. Eine als erfolgreich bestimmte Männlichkeit konstituiert sich in den Repräsentationen der Erwerbstätigkeit. Familie wird dadurch weiblich konnotiert. Begleitet wird diese vergeschlecht-

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lichte Bestimmung von Familie durch eine vergeschlechtlichte Repräsentation des Staates. Im Narrativ des kontinuierlich entstehenden Wohlfahrtsstaates wird der Staat besonders auf der Ebene der Raum- und Displaytexte als Versorger der Familie repräsentiert und männlich konnotiert. So vermittelt die Ausstellung eine patriarchale Ordnung, nach der der Staat entsprechend einer Vaterkonstruktion für das Wohlergehen einer weiblich konnotierten Familie verantwortlich gezeichnet wird. Im Leitmotiv Arbeit wird diese weitestgehend als Erwerbsarbeit codiert, damit gehen ein Ausschluss der Haushaltsarbeit und Pflege von Familienmitgliedern aus dem Feld der Arbeit sowie eine unterschiedliche Bewertung der Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen einher. Die Repräsentationsweisen von Erwerbsarbeit bringen binäre Geschlechterpositionen hervor. Unterschiedliche Bewertungen von Erwerbsarbeit werden als Folge geschlechtlicher Positionen repräsentiert und nicht als Teil der Konstruktion von Geschlechterdifferenz. Die Repräsentationen zum Leitmotiv Arbeit (re-)konstruieren Wissensordnungen der Zweigeschlechtlichkeit, die eine Arbeitsteilung zwischen den Identitätspositionen Mann und Frau als selbstverständlich bestimmen. Die Codierung des Feldes Arbeit als Erwerbsarbeit führt zu einer überwiegend männlichen Konnotation des Leitmotivs Arbeit in der Ausstellung, die sich in den Repräsentationen zu Arbeitslosigkeit fortsetzt und mit einer Dethematisierung von Frauen als Erwerbstätigen einhergeht. Die Ausstellung bietet zwar, entsprechend ihres Anspruchs vielfältige Geschichten zu zeigen, häufig differenzierte Darstellungen von Handlungsfeldern historischer Akteurinnen. Allerdings führt das Mehr an Sichtbarkeit der Akteurinnen in dieser Ausstellung nicht zu einer Hinterfragung konventioneller bürgerlicher Geschlechterpositionierungen im Konstrukt der Zweigeschlechtlichkeit. Schaffer (2008) folgend deute ich die vermehrte Sichtbarkeit der Akteurinnen als „ambivalente Sichtbarkeit“, denn die Akteurinnen sind in der Ausstellung durchgehend hinsichtlich ihrer Geschlechterposition repräsentiert. Das Handeln der repräsentierten Akteure wird hingegen als allgemeingültig und unabhängig von Geschlecht bestimmt. Die Darstellungen zu beiden Leitmotiven reproduzieren somit eine Differenz zwischen den Identitätspositionen Mann und Frau, und ordnen diese getrennten gesellschaftlichen Orten zu. Zwar wird in einigen Displays auf gesellschaftliche Bedingtheiten der Lebensentwürfe von Männern und Frauen hingewiesen, gleichzeitig führt die Ausstellung jedoch eine heteronormative Geschlechterkonstruktion fort und normalisiert diese. Konzepte wie Tradition, Region und Nation sowie Bevölkerung und Familie sind weiblich konnotiert. Die Bereiche Staat, Gesellschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit sowie Arbeit sind hingegen männlich konnotiert.

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Besonders deutlich zeigte sich dies in Darstellungen von Arbeitsteilung, die in beiden Leitmotiven repräsentiert wird. Eine zweigeschlechtliche Arbeitsteilung sowohl in der Familie als auch im Feld der Arbeit wird normalisiert und in die Konzeption der Nation als Einheit vielfältiger Lebensweisen eingeschrieben. Der Ausstellungsduktus, das Zu-Sehen-Gegebene als historische Kontinuitäten und Selbstverständlichkeiten zu vermitteln, verbindet die Erzählung zunehmender Demokratisierung und wachsenden Wohlstands für alle Dän*innen mit heteronormativen Geschlechterkonstruktionen und einer vergeschlechtlichten Arbeitsteilung. Der Bestimmung einer Nation wird somit ein Geschlechterdualismus eingeschrieben, nach dem jedes Mitglied der Nation eine bestimmte Geschlechtsidentität mit entsprechenden Aufgaben für die Nation hat. Trotz des Narrativs der vielfältigen Geschichten und Lebensweisen stehen mehrheitlich heteronormative Lebensentwürfe als Identifikationsangebote für Besucher*innen im Vordergrund. Ich möchte zur Bewertung der Ausstellungspolitiken hinsichtlich der Konstruktionsweisen von Geschlecht und Nation daher vorschlagen, von einem Konzept des „flexiblen Normalismus“ (Link 2006: 357362) zu sprechen, mittels dessen die Vielfalt der dänischen Geschichten und Akteur*innen in eine heteronormative Ordnung eingebunden und so vereinheitlicht wird.

Ergebnisse im Vergleich

Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation in den untersuchten Museen

Der Frage nach den (Re-)Konstruktionen von Geschlecht und Nation in und durch Museen folgend, wurden in den vorangegangenen Kapiteln das Deutsche Historische Museum sowie das dänische Nationalmuseum zunächst separat untersucht. Mit dieser Forschungsfrage gingen Überlegungen hinsichtlich der Bedeutungsbildungen jeweils spezifischer Museumspraxen innerhalb diskursiver Aushandlungen zu den Identitätskategorien Nation und Geschlecht einher. Anhand einer vergleichenden Diskussion der Untersuchungsergebnisse gehe ich diesen Überlegungen im Folgenden weiter nach. Zunächst werden dazu die jeweils spezifischen nationalen Narrativbildungen und die damit einhergehenden Geschlechterkonstruktionen in den Präsentationen der Leitmotive hinsichtlich der jeweils ermittelten Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation besprochen. Entsprechend der Überlegungen, dass die repräsentierten Anwesenheiten immer auch Abwesenheiten konstituieren, werden in den darauffolgenden Teilkapiteln die Abwesenheiten und Differenzbildungen beider Ausstellungen diskutiert.

KONSTRUKTIONEN VON NATION IN POLITIK- UND ALLTAGSGESCHICHTE Die exemplarische Untersuchung der Ausstellung „Danmarkshistorier 16602000“ im Nationalmuseum sowie der Ausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ im DHM erfolgte aufgrund zweierlei Vorüberlegungen. Zum einen sollte die Wahl zweier Museen, die im staatlichen Auftrag nationale Geschichte vermitteln, ermöglichen, einen Vergleichsrahmen schaffen, in dem zwei kulturpolitische Sprecher*innenpositionen im Diskurs zu Nation und Ge-

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schlecht mit ähnlicher Reichweite untersucht werden konnten. Zum anderen wurden die untersuchten Ausstellungen bewusst aufgrund ihrer unterschiedlichen Konzeptionen der nationalen Geschichten ausgewählt, um Schlüsse über die Bedeutung spezifischer Nationenkonstruktionen für die Geschlechterkonstruktionen und damit über deren Interdependenz ziehen zu können. Zunächst wurden daher sowohl die institutionellen Rahmenbedingungen der Museen als auch die Ausstellungskonzeptionen und -gestaltungen hinsichtlich der Konstruktion von Nation untersucht. Zwar arbeiten sowohl das DHM als auch das Nationalmuseum mit chronologischen Ausstellungskonzeptionen, die (An)Ordnungen der Geschichtsdarstellungen unterscheiden sich allerdings hinsichtlich ihrer Bestimmung von Nation und sind von den institutionellen Rahmenbedingungen, Sammlungspraktiken und Diskursen zum Zeitpunkt der Ausstellungsplanung geprägt. Die Konstruktion von Nation durch die Museen ist in raum- und zeitspezifische Macht/Wissen-Konstellationen eingebunden und die jeweiligen Bedeutungsbildungen der Museums- und Sammlungsgeschichten sowie der kulturpolitischen Rahmenbedingungen prägen die gegenwärtigen Ausstellungspraxen. Um solche Einlagerungen vergangener Bedeutungsbildungen in gegenwärtige Bedeutungsbildungen zu benennen, wurde der Begriff der Vergegenwärtigung herangezogen, mit dem der zeitlichen Dimension der musealen Konstruktionsprozesse Ausdruck verliehen wird. Die Vergegenwärtigungen beider Museen zum Konzept Nation finden über jeweils zeitgenössische Versuche neuer Zugänge zu nationalen Erzählungen als Ausgangspunkte für die Ausstellungskonzeptionen statt. In den 1980er Jahren zum Ende des Kalten Krieges rückten Bemühungen um ein geeintes Europa ins Zentrum deutscher Politik. Im DHM wurde entsprechend deutsche Geschichte im europäischen Kontext konzipiert und eine transnationale Multiperspektive für die Erzählung der nationalen Geschichte gewählt. Diese Form der Multiperspektivität führe ich auch auf die im Deutschland der 1980er Jahre vorherrschende Umstrittenheit des Vorhabens, nationale Geschichte auszustellen, zurück. Während sich um die Gründung und Ausstellungsplanung des DHM ein Streit um das Anrufen von Nation als Bezugsrahmen entfaltete, war ein Berufen auf die Nation zur Eröffnung des Museums 2006 bereits wieder salonfähig geworden. In den Folgejahren wurde das Konzept der europäischen Multiperspektivität auf die deutsche Geschichte zum Teil aufgeweicht. In der Zeit meiner Untersuchung von 2012 bis 2017 wurden zum Beispiel Objekte entnommen sowie das Eingangsund Ausgangssetting auf die nationale Erzählung zugespitzt. Das dänische Nationalmuseum mit seiner langen Geschichte war und ist als Institution zur Stiftung nationaler Identität weniger umstritten. Es sollte im 19.

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Jahrhundert in einer Zeit, in der Dänemark zunehmend an Territorien und Einfluss verlor, die Nation weiterhin als Nation mit Weltgeltung vergegenwärtigen. Zwar formulierten die Ausstellungsmacher*innen eine Unabhängigkeit von politischen Zielsetzungen, gleichzeitig erlebte das Nationalmuseum jedoch jeweils besondere politische und finanzielle Aufmerksamkeit in Zeiten, in denen die nationale Idee Krisen erlebte. Der Auftrag für die Konzeption der Ausstellung „Danmarkshistorier“ kam zu Beginn der 1990er Jahre, als die Nationalstaatlichkeit durch Europäisierungsprozesse ins Wanken zu geraten schien und zugleich repräsentationspolitische Forderungen von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen an Museen gestellt wurden. Die Ausstellungsplaner*innen entwickelten vor diesem Hintergrund ebenfalls eine Form von Geschichtspluralität, indem sie das Ziel verfolgten, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen als Akteur*innen der dänischen Geschichten sichtbar zu machen. Im Unterschied zu der ‚externen‘ Multiperspektivität im DHM verstehe ich diese Form der Geschichtspluralität bezogen auf die Konzeptionierung von Nation als ‚interne‘ Multiperspektivität auf Geschichte. Das Konzept Vielfalt als Prämisse nationaler Selbstvergewisserung zu bestimmen, geht in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ jedoch mit starken Homogenisierungen einher und die daraus entstehenden Sichtbarkeiten sind häufig ambivalent oder gar widersprüchlich. Entsprechend dieser unterschiedlichen Rahmenbedingungen werden in den Ausstellungen „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ und „Danmarkshistorier 1660-2000“ recht unterschiedliche nationale Narrative aufgerufen. Im DHM wird das Besondere der Geschichte betont – sowohl im negativen Sinne einer Geschichte der Brüche sowie hinsichtlich der Verantwortung für zwei Weltkriege und den Holocaust als auch im positiven Sinne der Superlative deutscher Innovationen und wirtschaftlicher Erfolge. Als Grundlage für Identifikations- und Bezugsrahmen werden territoriale Grenzziehungen und eine gemeinsame Sprache bestimmt. Die räumliche Ordnung der Haupt- und Nebenwege unterteilt und hierarchisiert die Geschichtserzählung in eine Haupterzählung mit optionalen Vertiefungsangeboten. Entlang des Hauptweges prägen Politikund Herrschaftsgeschichte die Narration der Ausstellung. Das Nationalmuseum wurde in den Anfangszeiten als ein Universalmuseum konzipiert und bestimmt Dänemark bis heute als Nation von universaler Gültigkeit. Landesgeschichte und Ethnografie gehen entsprechend in den Ausstellungen des Museums miteinander einher. Die Ausstellung „Danmarkshistorier“ mit ihrem Konzept der vielfältigen Geschichten verfolgt vor diesem Hintergrund eine flexible Normalisierung bestimmter Lebensentwürfe. Dies zeigt sich auch in den räumlichen Ordnungen des Rundgangs, die keine Hierarchisierungen von Themen und Akteur*innen durch Haupt- und Nebenwege bilden. Während die

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Ausstellung des DHM politikgeschichtlich konzipiert ist, ist das Narrativ der Ausstellung „Danmarkshistorier“ als volkskundlich geprägte Alltagsgeschichte gestaltet. Durch diese Konzeptionen vergegenwärtigen die Ausstellungen unterschiedliche Realitäten nationaler Geschichte und prägen die Art und Weise, wie in den Ausstellungen Geschlecht als Identitätsposition (re-)konstruiert wird. So bestimmen die Ausstellungsentscheidungen unterschiedliche Akteur*innen als mehr oder weniger bedeutsam für die nationale Geschichte. In der politik- und herrschaftsgeschichtlichen Erzählung des DHM stehen der Staat sowie männliche Eliten als die Nation bestimmende Akteur*innen im Vordergrund. Der Schwerpunkt der Ausstellung auf politische Programme, wirtschaftliche Entwicklungen sowie die Aufteilung der Ausstellungsräumlichkeiten in Hauptweg und Nebenräume führen zu einer dominanten Sichtbarkeit männlicher Personen. Herrscher, Politiker und Unternehmer werden als Vorbilder bestimmt, welche in der Präsentation als Ahnenabfolgen ein abstraktes beziehungsweise distanziertes ‚Wir-Gefühl‘ im Sinne eines Berufens auf ‚große‘ Vorfahren vermitteln. In der Ausstellung „Danmarkshistorier“ wurde der Fokus auf die Gesellschaft und darin agierende soziale Gruppen gelegt. Dänemark wird dabei als kleines Land mit homogener Bevölkerung bestimmt. Dem liegt ein integrativer Nationengedanke zugrunde, der in der alltagsgeschichtlichen Konzeption vermittelt wird. Es wird ein ‚Wir-Gefühl‘ konzipiert, mittels dessen sich Besucher*innen selbst als Teil der Geschichte identifizieren sollen. Die ausgestellten Alltagsgegenstände bieten entsprechend Wiedererkennungswerte, die dieses ‚Wir‘ ansprechen. Hier sind Akteur*innen unterschiedlichen Geschlechts und aus unterschiedlichen Schichten und Regionen zwar ähnlich häufig sichtbar, die jeweiligen Repräsentationsweisen bewirken jedoch eine Homogenisierung innerhalb der nationalen Erzählung. Häufig setzt die Ausstellung auf Darstellungsweisen, die ich nach Muttenthaler als „stereotype Bildkanons“ (2010: 91) bewerte, und die dem Anspruch, Vielfalt zu zeigen, nicht gerecht werden. Dies ist unter anderem auch auf die für die Konzeption herangezogene Theorie der Lebensformenanalyse (Højrup 1995) zurückzuführen, nach der Staats- und Alltagsgeschichte als miteinander verwoben gezeigt werden sollten. Sichtbar gemacht wird auf dieser Grundlage jedoch nur ein kleiner Ausschnitt gesellschaftlichen Lebens. Es sind jeweils diejenigen Akteur*innen zu sehen, die eine Stimme hatten, durch Objekte in die Sammlung eingeschrieben wurden und somit in der Ausstellung Vergegenwärtigung finden konnten. Auch in der Dauerausstellung des DHM gibt es Bereiche, die der Alltagsgeschichte gewidmet sind. Es sind zwar weitaus weniger als die politikgeschichtlichen und sie sind überwiegend in den Nebenwegen positioniert, jedoch zeigt ein

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Blick in diese Bereiche, dass Alltag ähnlich konzipiert wird wie im Nationalmuseum. Insbesondere sind Kultur-, Freizeit- und Konsumrepräsentationen erstaunlich ähnlich gestaltet. Sowohl im DHM als auch im Nationalmuseum finden sich Vitrinen, in denen Alltagsgegenstände wie große Produktschauen (an)geordnet sind. Diese Produktschauen repräsentieren in beiden Ausstellungen einen Wohlstand der Gesellschaft und sind Teil von Erfolgsgeschichten hinsichtlich zunehmender Demokratisierung, wirtschaftlichen Aufschwungs und wohlfahrtsstaatlicher Entwicklungen. Damit gehen Legitimationen und Tradierungen jeweils nationalisierter Identitätskonstruktionen einher, die als Identifikationsangebote fungieren. Exponate wie Haushaltsgeräte, Einrichtungsgegenstände, Rundfunkempfangsgeräte oder Freizeitutensilien bieten Widererkennungswert und sind entlang heteronormativer Markierungslinien angeordnet. Die Vermittlung einer zunehmenden politischen Teilhabe an den jeweils als national bestimmten historischen Entwicklungen dient ebenfalls als wirkungsvolles Identifikationsangebot. Ida Blom hat hierzu erläutert, dass sich Personen, die sich als Teil eines größeren Ganzen begreifen und dieses mitgestalten können, besonders für dessen Erhalt und Zukunft einsetzen (Blom 2000: 19). Ebensolche Überlegungen wurden in der Gründungszeit des DHM angeführt, um das Projekt der Einrichtung eines Geschichtsmuseums zu legitimieren. Ebenfalls vermitteln beide Ausstellungen – wenn auch in unterschiedlicher Weise – nationale Mythen und jeweils zeitgenössische Idealvorstellungen von Lebensentwürfen als historische Normalitäten. So werden in beiden Ausstellungen häufig Plakate oder Werbemittel ausgestellt, die solche Ideale zu bestimmten Zeiten propagierten. Die Ausstellungen bieten wenig Reflektionen dazu an und stellen solche Objekte vorwiegend aus, um bestimmte Ereignisse zu vermitteln. Im dänischen Museum wird dadurch die heteronormative Kleinfamilie zum selbstverständlichen Lebensentwurf, im DHM wird wirtschaftlicher Erfolg mit der Selbstverständlichkeit eines Lebens des heteronormativ geordneten Mittelstands verknüpft. Dadurch werden Frauen und Männer als einzige historische und ausstellungswürdige Akteur*innen bestimmt, während andere Geschlechter und Sexualitäten nur marginal oder gar nicht sichtbar gemacht werden. Geschlecht war weder im DHM noch im Nationalmuseum explizit als zu reflektierende Kategorie in die Ausstellungsgestaltung eingebunden. In der Untersuchung der jeweiligen Nationenkonstruktionen wurde jedoch deutlich, dass Geschlecht als wesentliches Strukturierungselement der musealen (An)Ordnungen mitläuft. Dies drückte sich unter anderem in Ausstellungskritiken aus, die zum einen die Ausstellung im DHM als Männergeschichte bestimmten und zum anderen monierten, die dänische Ausstellung zeige Geschichte als mit Frauenaugen gesehen. Die Feststellung einer Übervorteilung männlicher Personen oder eines

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Mangels an Geschichten weiblicher Personen ist jedoch zu einfach und oberflächlich. Die Untersuchung von Geschlechterkonstruktionen in den Repräsentationen der jeweils spezifischen Leitmotive ergab differenziertere Ergebnisse.

DIE NATIONALISIERTEN GESCHLECHTERKONSTRUKTIONEN DER LEITMOTIVE Der Frage nach den vergeschlechtlichten Konstruktionen der nationalen Geschichtserzählungen bin ich mittels der Untersuchung der jeweils spezifischen Themenschwerpunkte der Ausstellungen nachgegangen. Der Literatur- und Musikwissenschaft folgend, habe ich die Themen als Leitmotive bestimmt, die in den Ausstellungen wiederholt repräsentiert sind und in besonderer Weise die Erzählung prägen. Sie können somit als Charakteristika der musealen Erzählungen zur Nation verstanden und als solche untersucht werden. Anhand der jeweiligen Leitmotive konnten Zusammenhänge und Kontinuitäten in den jeweiligen Vergegenwärtigungen der nationalen Erzählungen ermittelt und deren Bedeutungsbildungen zur Kategorie Geschlecht herausgearbeitet werden. Vor diesem Hintergrund zielte die Analyse der Leitmotive nicht darauf ab, zu klären, ob die Präsentationen zu einem Leitmotiv ein Thema umfassend und entsprechend gegenwärtiger Forschungsergebnisse vermitteln. Sie folgte stattdessen der Frage, wie die im jeweiligen nationalen Narrativ der Ausstellungen spezifischen Leitmotivpräsentationen zu spezifischen Geschlechterkonstruktionen beitragen. Aufgrund der unterschiedlichen Konzeptionen der nationalen Geschichtsdarstellung in den beiden Ausstellungen ist es nicht überraschend, dass für beide Ausstellungen jeweils unterschiedliche Themen als Leitmotive ermittelt wurden. In dem politikgeschichtlichen Narrativ der Ausstellung des DHM stellen die Themen Krieg und Wirtschaft zwei Leitmotive der nationalen Erzählung dar, wohingegen in der alltagsgeschichtlichen Ausstellung des Nationalmuseums die Themen Familie und Arbeit als Leitmotive fungieren. Sowohl die Leitmotive Krieg und Wirtschaft als auch die Leitmotive Familie und Arbeit korrespondieren miteinander und erfüllen spezifische Funktionen innerhalb der nationalen Erzählung. Die Geschlechterkonstruktionen der jeweiligen Leitmotive sind daher eng miteinander verbunden und tragen zu den jeweiligen nationalisierten Geschlechterkonstruktionen der Ausstellungen bei. Im DHM dienen die Leitmotive Krieg und Wirtschaft sowohl der Vermittlung einer Geschichte der Brüche als auch der Vermittlung einer Erfolgsgeschichte von zunehmendem Wohlstand. Entsprechend der politik- und herrschaftsgeschichtlichen Perspektive ist die museale Aufbereitung beider Themen

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überwiegend männlich konnotiert. Krieg wird in sachlicher und distanzierter Weise vor allem als Technik- und Manövergeschichte vermittelt, die mit einer Konstruktion unversehrter Männlichkeit einhergeht. In den Displays, die als Repräsentationen des Leitmotivs Wirtschaft untersucht wurden, wird mehrheitlich eine Unternehmens- und Innovationsgeschichte sichtbar, die Entwürfe erfolgreicher, omnipotenter Männlichkeit befördert. Diese Konstruktion von erfolgreicher Männlichkeit im Leitmotiv Wirtschaft geht mit einer vergeschlechtlichten Klassenkonstruktion einher. Während die erfolgreiche Männlichkeit durch Darstellungen einer bürgerlichen Oberschicht repräsentiert wird, ist eine soziale Unterschicht sowie Elend und Leid überwiegend weiblich konnotiert. Damit geht eine Hierarchisierung der Bedeutungszuweisung von Männlichkeit und Weiblichkeit für die nationale Erzählung einher. Gerade die Konzeption des Ausstellungsnarrativs als Politik- und Herrschaftsgeschichte sowie die Repräsentation der Geschichte als Besonderer hebt Akteur*innen einer männlich konnotierten Oberschicht als besonders bedeutsam hervor. Die am Hauptweg platzierten Themen sind zudem mehrheitlich mittels Präsentationen einzelner männlicher Persönlichkeiten dargestellt. In den Nebenwegen des Ausstellungsrundgangs finden sich für beide Leitmotive auch Präsentationen aus dem Feld der Alltags- und Kulturgeschichte. Die Displays zu Themen wie Kriegsalltag, Konsum oder Freizeit sind geprägt von Konstruktionen einer heteronormativen Ordnung, in der Weiblichkeit als unterstützend und nutznießend und Männlichkeit als das nationale Projekt prägend und gestaltend vermittelt wird. Diese heteronormativen Geschlechterkonstruktionen im DHM werden in Darstellungen von Krisen aufgebrochen. In Displays zu Kriegsniederlagen oder wirtschaftlichen Einbrüchen wird eine verletzte Männlichkeit zu sehen gegeben, die ein konstitutives ‚Anderes‘ zu der sonst mehrheitlich als erfolgreich konstruierten Männlichkeit bildet. Die Handlungen weiblicher Akteurinnen werden in den Darstellungen zur Krise als Ausnahmehandlungen und als Reaktion auf eine nicht-erfolgreiche Männlichkeit vermittelt. Die Präsentationen von Krisen im DHM bestimmen mögliche Veränderungen von Geschlechterordnungen somit als Ausnahme und Problem. Dadurch wird eine heteronormative Geschlechterordnung und -hierarchie als positiv und wünschenswert bestimmt. Im Nationalmuseum sind die Präsentationen der Leitmotive Familie und Arbeit eng miteinander verschränkt und vermitteln für die Konstruktion eines ‚nationalen Wir‘ ideale Lebens- und Handlungsweisen. Das Leitmotiv Familie erfüllt vor diesem Hintergrund zwei Funktionen. Zum einen bildet es einen vereinheitlichenden Rahmen für die Vermittlung der ‚internen Multiperspektivität‘ auf die als national bestimmten Geschichten. Die Heterogenität der in der Ausstellung dargestellten sozialen und regionalen Akteur*innengruppen wird

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durch ihre Repräsentationen als Familien vereinheitlicht. Dies führt zu starken Homogenisierungen der jeweiligen Lebensbedingungen und -entwürfe und schreibt heterosexuelle Kleinfamilienkonstellationen als zeit- und ortsunabhängige, allgemeingültige Lebensform fest. Zum anderen weist eine überwiegend weibliche Konnotation des Leitmotivs die Familie als primäres Handlungsfeld weiblicher Akteurinnen im nationalen Gefüge aus. Diese Verknüpfung von Familie und Weiblichkeit wird als selbstverständliche Grundlage gesetzt, von der alternative Familien- und Lebensentwürfe abgegrenzt werden und als erklärungsbedürftig erscheinen. Das Leitmotiv Arbeit und insbesondere die überwiegende Präsentation von Erwerbsarbeit als Arbeit bildet einen Gegenpol zur Konstruktion der Familie als weiblicher Sphäre und ist als männliche Sphäre vermittelt. Die männlich konnotierten Präsentationen von Erwerbsarbeit als Teil des Erfolgsnarrativs von zunehmendem Wohlstand in Dänemark führen dazu, dass diese Erfolgsgeschichte männlich konnotiert ist. Die Leitmotive Familie und Arbeit tragen beide zu einer Homogenisierung der vielfältigen Geschichten bei. Zum einen hinsichtlich eines Lebens in heterosexuellen bürgerlichen Familien und zum anderen durch die Vermittlung einer durch alle Schichten hinweg bestehenden Erwerbstätigkeit männlicher Akteure. Beide Leitmotive tragen zudem zur Vermittlung einer heteronormativen Ordnung der vielfältigen Geschichten bei, die männlichen und weiblichen Akteur*innen jeweils Haupthandlungsfelder zuweist. Während Familie als genuin weiblich bestimmt wird, ist Arbeit vorwiegend männlich konnotiert. Dadurch wird unter anderem die Erwerbstätigkeit weiblicher Akteurinnen als erklärungsbedürftig und Ausnahme beziehungsweise Neuheit vermittelt. Trotz der unterschiedlichen Leitmotive, die die jeweilige Geschichtserzählung der Ausstellungen prägen, stellen alle vier Leitmotive für die Konstruktion von Nation bedeutsame Institutionen dar. Foucault (1983) hat in seinen Ausführungen zum Sexualitätsdispositiv und der Bestimmung einer Bio-Politik als Handlungsmaxime moderner Nationen zwei neue Techniken als konstitutiv für diese Nationen bestimmt: die „Menschenakkumulation“ und die „Kapitalakkumulation“ (ebd.: 136). Ausgehend von Foucaults Erläuterungen lässt sich eine Parallelität der Bedeutungsbildungen der Leitmotive für die Vermittlung nationalisierter Identifikationsangebote in beiden Ausstellungen ausmachen. Krieg und Familie sind jeweils die dominanteren Leitmotive der beiden Ausstellungen und können den Feldern der Reproduktion und Verteidigung der Mitglieder einer Nation zugeordnet werden. Sie repräsentieren somit Techniken der „Menschenakkumulation“.

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Der Institution Familie wurde im 18. und 19. Jahrhundert sowohl die Stiftung von Gleichheit unter unterschiedlichen Mitgliedern einer als national bestimmten Gemeinschaft zugeschrieben (Hagemann 2000), als auch die Aufgabe der Reproduktion der Mitglieder dieser Gemeinschaft, sei es durch Geburten oder durch deren Versorgung. Die Repräsentationen der heteronormativ geordneten Kleinfamilie als Normalität zu allen Zeiten in der Ausstellung des Nationalmuseums folgen diesen im 18. und 19. Jahrhundert geprägten Familienkonzepten. Im DHM wird Krieg durch die sachlich-technischen Repräsentationen sowie den Fokus auf einer unversehrten Männlichkeit als selbstverständlicher Teil der Bildung und Entwicklung von Nation vermittelt, für die sich deren männliche Mitglieder im Militär einsetzen können. Mit den Präsentationsweisen dieser Leitmotivthemen reproduzieren beide Ausstellungen stereotype Geschlechterkonstruktionen im Kontext nationaler Kollektivbildungen, die eine lange Geschichte haben. Ida Blom hat für die Nationenbildungsprozesse des 19. Jahrhunderts eine Zuweisung von spezifischen Aufgaben an die Geschlechter Mann und Frau beschrieben. Sie erläutert, dass Frauen die Aufgabe des „Leben-Schaffens“ für die Nation zukam (Blom 2000: 16). Die Familienpräsentationen in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ mehrheitlich weiblich zu konnotieren, basiert auf diesem Gedanken und vergegenwärtigt vergeschlechtlichte Rollenzuweisungen. ‚Männern‘ kam, laut Blom, hingegen die Aufgabe der Verteidigung der Nation im Krieg und im schlimmsten Falle das Sterben für die Nation zu (Blom 2000: 15). Im DHM ist Krieg entsprechend männlich konnotiert, wobei überwiegend der militärische Einsatz für die Nation zu-sehen-gegeben wird. Das Sterben für die Nation ist nur an einigen wenigen Stellen der Ausstellung sichtbar. Die Leitmotive Familie und Krieg tragen somit beide auf ihre jeweilige Weise dazu bei, die Konstruktion nationaler Identität entsprechend einer heteronormativen Ordnung zu vergeschlechtlichen. Heterosexualität ist in dieser Ordnung die unbedingte Voraussetzung für eine Aufgabenteilung hinsichtlich des ‚Leben-Schaffens‘ sowie des ‚Leben-Schützens‘ und somit für das Fortbestehen einer Nation. Die Leitmotive Wirtschaft und Arbeit prägen jeweils nationale Erfolgsnarrative und vermitteln positive Identifikationsangebote. Die überwiegend repräsentierte Unternehmensgeschichte im Leitmotiv Wirtschaft und die überwiegende Konzentration auf Erwerbsarbeit im Leitmotiv Arbeit können beide als Repräsentanten der von Foucault beschriebenen Technik der „Kapitalakkumulation“ gedeutet werden und tragen zu den in beiden Ausstellungen vermittelten Erfolgsgeschichten eines zunehmenden Wohlstands der nationalen Gemeinschaft bei. Trotz der unterschiedlichen Konzeptionen nationaler Geschichte sind die Leitmotive Wirtschaft und Arbeit in beiden Ausstellungen überwiegend männ-

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lich konnotiert, wodurch Männlichkeit, Erfolg und Wohlstand vor dem Hintergrund der Nationenkonstruktion miteinander verschränkt werden. Die ermittelten Leitmotive stellen einen Kanon von ‚Rechten und Pflichten‘ für die Bildung und den Erhalt von Nation dar. In den Ausstellungen wird Besucher*innen dadurch vermittelt, dass nationalisierte Subjekte ausschließlich Männer und Frauen sind, denen jeweils spezifische Aufgaben in unterschiedlichen Handlungsfeldern zukommen. In der Ermittlung und Untersuchung von Leitmotiven als verdichteten Aussagen zur nationalisierten Konstruktion von Geschlecht wurde deutlich, dass die Leitmotive zwar entsprechend der jeweiligen Ausstellungsnarration unterschiedlich sind, jedoch ähnliche Zwecke erfüllen und ähnliche Geschlechterkonstruktionen beinhalten. Ausgehend von der Überlegung, dass Leitmotive spezifische Charakteristika einer nationalen Erzählung bilden und dadurch Zusammenhänge und Verdichtungen schaffen, deute ich die in den Leitmotivuntersuchungen ermittelten Geschlechterkonstruktionen als interdependent mit den Nationenkonstruktionen. In beiden Ausstellungen wird eine heteronormative Ordnung der Nation als selbstverständliche Ordnung (re-)konstruiert. Wirtschaft, Arbeit und Krieg sind entsprechend langer Forschungs- und Vermittlungstraditionen als Handlungsfelder männlicher Akteure zu-sehen-gegeben, in denen die Präsenz weiblicher Akteurinnen einer Begründung bedarf. Die weibliche Konnotation von Familie basiert ebenfalls auf langen Traditionen, die in der Ausstellung des Nationalmuseums vergegenwärtigt werden. In beiden Ausstellungen wird Männlichkeit somit als bedeutsamer für das Wohlergehen der nationalen Gemeinschaft bestimmt als Weiblichkeit. Diese Repräsentationen sind Teil diskursiver Aushandlungen von Geschlecht im nationalen Kontext, die bis heute dazu führen, dass sowohl die Positionierung von Frauen in öffentlichen Räumen wie Wirtschaft, hier zum Beispiel ihr Einsatz in Aufsichtsräten, Politik oder Militär kontrovers diskutiert wird und zugleich eine Positionierung von Männern im Privaten als positiv allerdings eher als optional verhandelt wird. Mit diesen konventionellen Geschlechterkonstruktionen geht in beiden Ausstellungen eine Ausblendung vielfältigerer Geschlechterentwürfe ebenso einher, wie zum Teil widersprüchliche Darstellungen hinsichtlich der Positionierungen weiblicher Akteurinnen. Diese werde ich im Folgenden aufzeigen.

BRÜCHE, WIDERSPRÜCHE UND UNSICHTBARKEITEN Die bisher herausgearbeiteten und diskutierten Sichtbarkeiten nationalisierter Geschlechterordnungen im DHM und im Nationalmuseum sind Teil eines Zu-

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sammenspiels von Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten, die durch die Praxis der Repräsentation hergestellt werden. Sie zeigen auf, welche Identitätspositionen zur Zeit der Ausstellungsplanungen und -einrichtungen diskursiv verhandelt und anwesend beziehungsweise abwesend gemacht wurden. Ivan Karp und Steven D. Lavine haben in der Einführung des Sammelbandes „Exhibiting Cultures“ (2006) erläutert, dass jede Entscheidung, ein bestimmtes Element in der Ausstellung zu betonen, auch eine Entscheidung sei, etwas anderes herabzuspielen und damit bestimmte Wahrheiten legitimiert sowie andere ignoriert würden (ebd.: 1). Somit geben sowohl die Sichtbarkeiten als auch die Unsichtbarkeiten in den Ausstellungen Auskunft über die jeweils gewünschten und ungewünschten Realitäten nationalisierter Geschlechter zum Zeitpunkt der Ausstellungsplanungen. Im Folgenden werde ich die Abwesenheiten und Unsichtbarkeiten der beiden Ausstellungen besprechen sowie auf Widersprüche und Brüche in den Narrativen eingehen, die in dem Spiel der Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten ebenfalls entstehen und Teil der musealen Konstruktionen von Nation und Geschlecht sind. Bereits die Überführung alter Sammlungsbestände in gegenwärtige Ausstellungskonzeptionen führt zu Einlagerungen alter Bedeutungsbildungen in neue Narrative. Henrietta Lidchi hat darauf verwiesen, dass die Sammlungen von Museen als „historisches, soziales und politisches Ereignis“ zu verstehen seien, die Realitäten schaffen (Lidchi 1997: 185). Das Ansinnen beider Museen, nationale Geschichte multiperspektivisch zu vermitteln, wird zum Beispiel durch die jeweiligen Bedeutungsbildungen der Sammlungen zum Teil unterlaufen. So verwiesen die Ausstellungsmacher*innen beider Ausstellungen in Gesprächen mit mir darauf, dass bestimmte Themen nicht ausgestellt werden könnten, da entsprechende Objekte fehlten.94 Fehlende Objektbestände führen nicht nur zu Unsichtbarkeiten bestimmter Themen, sie führen auch zu ‚Übersetzungslücken‘ zwischen den Bedeutungsbildungen der Textebenen und den Bedeutungsbildungen der Objektebenen, wodurch Brüche im Narrativ oder widersprüchliche Repräsentationen entstehen. Gerade im dänischen Museum wurden in den Ausstellungstexten Geschlechterverhältnisse oft differenziert besprochen und als im Wandel befindlich dargestellt, in den Objekt(an)ordnungen blieben die Konstruktionen von Geschlechterverhältnissen jedoch häufig statisch – so zum Bei94 Im Nationalmuseum habe ich mehrere Gespräche mit der leitenden Kuratorin der Ausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ Annette Vasstrøm geführt (2012a, b; 2014). Im DHM konnte ich mit der derzeitigen Projektleiterin der Dauerausstellung Sabine Beneke (2012, 2014) sowie mit Hans-Jörg Czech (2014) sprechen, der zur Zeit der Einrichtung der Dauerausstellung Projektleiter war. Die Gespräche wurden in Notizen festgehalten oder aufgenommen und transkribiert.

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spiel bei der Thematisierung einer zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen und der daraus entstehenden Doppelbelastung von Frauen, die ausschließlich mittels Gegenständen aus dem Feld der Haushaltsarbeit repräsentiert wird. Diese Objekt(an)ordnung führt trotz der textlichen Vermittlung zur Erwerbstätigkeit von Frauen zu einer einseitigen Vergegenwärtgung von als weiblich bestimmten Personen als Hausfrauen. In beiden Ausstellungen erreichte das Vorhaben, Nation multiperspektivisch zu vermitteln, keine Repräsentation offener Identitätskonzepte. In der Ausstellung „Danmarkshistorier“ finden sich überwiegend Repräsentationen von Kollektivsubjekten, wie Bürgertum, Handwerker, Arbeiter und Frauen als homogene Gruppen. In der Dauerausstellung des DHM sollte mittels der europäischen Multiperspektive eine Meistererzählung vermieden werden. Aufgrund der Hierarchisierung der Ausstellung durch Haupt- und Nebenwege wurde das jedoch nur bedingt erfüllt. Darstellungen einer deutschen Kriegs- und Wirtschaftsgeschichte stehen im Vordergrund der Narration. Trotz dieser multiperspektivischen Konstruktion von Nation ist in beiden Ausstellungen eine bedeutsame Leerstelle in den Konzepten zu benennen, die dazu führt, dass Geschlechterverhältnisse nicht in ihrer Komplexität vermittelt, beziehungsweise als bedeutsame Struktur nationaler Konstruktionen ausgeblendet werden. Die Ausstellungsmacher*innen beider Museen haben Geschlechtergeschichte nicht explizit als Thema in ihre Konzeptionen aufgenommen, sondern ihre Konzeptionen nationaler Geschichte als allgemeingültige Geschichte bestimmt. Während Nation als Konstrukt reflektiert wurde und die gewählten Multiperspektiven einem konventionellen Tradieren von Nation entgegenwirken sollten, ist Geschlecht nicht als Konstrukt reflektiert worden. Medick und Trepp (1998: 7) weisen auf die Problematik solcher Geschlechtsblindheiten für die Geschichtsschreibung hin und erläutern, dass sich in einer als allgemeingültig denkenden Geschichtswissenschaft häufig eine Reproduktion dominanter Wertungen und Denkmuster vollziehe. Karin Hausen (1998: 39) verweist zudem darauf, dass mit dem Auftrag, nationale Identität zu vermitteln, immer eine Vereinheitlichung von Geschichte einhergehe, die vielfältige Akteur*innenpositionen ausblende. Diese Überlegungen für die Geschichtswissenschaft und -schreibung müssen auf die musealen Geschichtsnarrative übertragen werden. In beiden Ausstellungen herrschen Repräsentationen vor, die eine Zweigeschlechterordnung reproduzieren, anstatt Geschlecht als Konstrukt zu reflektieren. Muttenthaler und Wonsich (2006: 240) haben darauf hingewiesen, dass ohne eine explizite Reflektion der Konstruiertheit von Identitätskategorien in Ausstellungen Ein- und Ausschlüsse als natürlich und immer schon da gewesen erscheinen.

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Die europäische Multiperspektivität der Ausstellung im DHM ist zum Beispiel in den Rahmen einer Politik- und Herrschaftsgeschichte eingebettet, deren Zuschnitt Akteur*innen jenseits dieser Sphären als historisch relevante Subjekte ausblendet, ohne dies zu benennen. Entlang der (An)Ordnungen von Themen an Haupt- und Nebenwegen werden zudem bestimmte Themen als weniger bedeutsam für die nationale Erzählung bestimmt. So werden Frauen und gesellschaftliche Unterschichten als Akteur*innen häufiger anonymisiert und in den Nebenwegen zu-sehen-gegeben. Die Ausstellung privilegiert dadurch eine männlich konnotierte Oberschicht als Subjekt der Geschichte und wiederholt tradierte Geschlechterordnungen innerhalb nationaler Narrationen. In der Ausstellung „Danmarkshistorier“ gibt es zwar keine so starke Hierarchisierung von Themen und Akteur*innen durch räumliche (An)Ordnungen, dennoch wird das Vorhaben, eine Vielfalt von dänischen Geschichten zu repräsentieren, in der Konzeption einer volkskundlichen Alltagsgeschichte mit den Erzählsträngen Staat, Gesellschaft und Individuum nur holzschnittartig umgesetzt. Durch den alltagsgeschichtlichen Zugang sind zwar vielfältigere Akteur*innen sichtbar als in der Ausstellung des DHM, durch deren Darstellungen als homogene Gruppen entstehen jedoch häufig Stereotypisierungen. Hausen hat darauf verwiesen, dass gerade Konzepte kollektiver Identität wie Klasse, Schicht, Gesellschaft oder Öffentlichkeit, die im Nationalmuseum zur Vermittlung einer Multiperspektive herangezogen wurden, einen Geschlechter-Bias enthalten, der häufig unreflektiert reproduziert werde (Hausen 1998: 52). So sind in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ weibliche Akteurinnen primär dem Handlungsfeld der Familie zugeordnet. In anderen Handlungsfeldern, wie der Arbeit, sind sie hingegen häufig nur als relational zu männlichen Akteuren repräsentiert. Die stärkere Sichtbarkeit weiblicher Akteurinnen in der dänischen Ausstellung muss daher als ambivalent hinsichtlich einer emanzipatorischen Bedeutungsbildung bewertet werden. Die Geschichtskonzeptionen beider Ausstellungen blenden nicht-reproduktive Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten wie Homo-, Trans- und Intersexualität als Teil der jeweiligen nationalisierten Kollektividentität aus. Homosexualität wird zum Beispiel nur als alternative Lebensform der 1970er und 1980er Jahre repräsentiert (DHM: D 9.9.2) (NM: R 237, Fitness in den armen Achtzigern). Durch diese Zuschreibung erscheint sie nur als temporär relevant und außerhalb des nationalisierten Kollektivs. Auch ein Handeln, welches nicht heteronormativen Geschlechtervorstellungen entspricht, wird in den Ausstellungen unsichtbar gemacht. So bestimmt die Dauerausstellung des DHM zum Beispiel

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die auf einem Gemälde abgebildete Elisabeth Charlotte von der Pfalz95 als Tochter, als Ehefrau und als Schwägerin von männlichen Personen, die in vielen Briefen über das Leben am französischen Hof geschrieben habe. Die Herzogin wird dadurch ausschließlich entsprechend stereotyper Vorstellungen von Weiblichkeit repräsentiert: die briefeschreibende, adelige Ehefrau (DHM: D 3.2.1, OT). In einer Sonderausstellung des DHM und des Schwulen Museums* mit dem Titel „Homosexualität_en“ (26.06.2015 – 01.12.2015) (DHM online 2018d) wurde dasselbe Gemälde hingegen zur Repräsentation eines Bruchs mit vorherrschenden Geschlechternormen ausgestellt. Im Objekttext zu dieser Ausstellung wurde eine Briefpassage zitiert, in der Elisabeth Charlotte von der Pfalz ihr Unbehagen gegenüber weiblichen Handlungsnormen geäußert hatte. Zudem wird im Objekttext erläutert, dass sie auf der Jagd lieber Männerkleidung getragen habe (Bosold et al. 2015: 23). Hier zeigt sich, wie spezifische Zuschnitte von Ausstellungsthemen die Geschlechterkonstruktionen prägen und zu jeweils einseitigen Sichtbarkeiten führen. Zu einer Ausblendung nicht-reproduktiver Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten trägt auch die Konzeption der Fortschrittsnarrative von zunehmendem Wohlstand bei, die mit Repräsentationen idealer Lebens- und Handlungsweisen einhergehen. Laut Hausen (1998: 49) wird die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung entlang einer Zweigeschlechterordnung als wesentlicher Bestandteil wohlfahrtsstaatlicher Entwicklungen angesehen. Die Verschränkung von Zweigeschlechterordnung und Wohlfahrtsstaat findet sich in beiden Ausstellungen wieder. In den Narrativen von wohlfahrtsstaatlichen Erfolgen werden heteronormative Zuordnungen als allgemeingültig und selbstverständlich vermittelt. Damit gehen Ausblendungen und Vernachlässigungen bestimmter Themen einher, die der Erzählung von kontinuierlich zunehmendem Wohlstand entgegenstehen. Sowohl in der Ausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ als auch in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ ist die geringe Repräsentation von Armut, Elend, Krankheit, und Behinderung konstitutiv für die Erzählung von zunehmendem Wohlstand und Konstruktionen einer Zweigeschlechterordnung. Im Nationalmuseum sind Themen, die Brüche im Fortschrittsnarrativ des demokratischen Wohlfahrtsstaates darstellen, nur im Kontext von positiv bewerteten Neuerungen und Entwicklungen repräsentiert. So sind körperliche Leiden und Krankheit aufgrund von Armut nur im Zusammenhang mit der Einführung neuer Sozialgesetze zu deren Behebung dargestellt (NM: R 234, Von der Armenhilfe zur Sozialgesetzgebung). Im DHM sind Krankheit, Behinderung und 95 Elisabeth Charlotte von der Pfalz (1652-1722): Herzogin von Orleans und Schwägerin von König Ludwig XIV. von Frankreich.

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Elend ebenfalls nur an wenigen Stellen der Ausstellung sichtbar. Sie werden im Kontext von Repräsentationen von Krisen wie Krieg und Finanzkrisen zu-sehengegeben und dienen der Darstellung eines katastrophalen ‚Anderen‘, welches zu der Konstitution einer gesunden und zugleich heteronormativen Normalität des nationalisierten ‚Selbst‘ beiträgt. Die Konzeption von Nation als erfolgreichem Wohlfahrtsstaat blendet in beiden Ausstellungen Situationen und Erfahrungen von Mangel aus und bestimmt eine heteronormativ geordnete, weiße Mittel- und Oberschicht als Subjekte des jeweiligen als national bestimmten Kollektivs. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Ansätze, nationale Geschichte multiperspektivisch zu vermitteln, nicht automatisch zu einer Repräsentation von Geschlechtervielfalt führen. Das war auch nicht Ziel der Ausstellungen, allerdings hatten zumindest die Ausstellungsmacher*innen von „Danmarkshistorier“ das Anliegen, die Geschichtskonzeption geschlechtergerecht zu gestalten.

Mehr als Geschlecht und Nation: Weitere Interdependenzen musealer Identitätskonstruktionen

Nicht nur die Museen und ihre Ausstellungen tragen durch ihre jeweiligen Zuschnitte der nationalen Geschichten zu Ausblendungen und Privilegierungen bestimmter Identitätspositionen bei, auch die Entscheidung, in meiner Arbeit die Konstruktionen der Konzepte Geschlecht und Nation und deren gegenseitige Verschränkung zu untersuchen, führt zu einer Ausblendung vielfältigerer Interdependenzen von Identitätspositionen. In den Analysen wurde zwar auf Konstruktionen weiterer Identitätskonzepte hingewiesen, diese wurden jedoch nicht vertieft untersucht. Geschlecht und Nation sind allerdings nicht nur gegenseitig interdependent, sondern kontextuelle Kategorien, die immer in Interaktion mit weiteren Identitätskonzepten wie Klasse, race und Alter entstehen und bestehen (Blom 1996: 16). In meiner Untersuchung habe ich mich auf die exemplarische Untersuchung der interdependenten Konstruktionen von Geschlecht und Nation beschränkt, um eine ausführliche und tiefgehende Analyse bewerkstelligen zu können. Im Folgenden sollen dennoch einige Überlegungen hinsichtlich der in meiner Arbeit nicht vertieft betrachteten Konstruktionen weiterer Identitätskonzepte dargestellt werden, die unabdingbar mit den Konstruktionen nationalisierter Geschlechterpositionen einhergehen. Die Konstruktionen zu den Konzepten Klasse, race, (Leistungs-)Fähigkeit und Alter sind in beiden Ausstellungen sehr einseitig, da in beiden Ausstellungen überwiegend weiße, unversehrte, männliche und weibliche Personen im erwerbs- und gebärfähigen Alter als Akteur*innen der nationalen Erzählung repräsentiert werden. Davon abweichende Sichtbarkeiten sind seltener und häufig in stereotypisierender Weise zu-sehen-gegeben. Diese sind allerdings ebenfalls

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konstitutiv für die Konstruktion einer weißen, heteronormativen und leistungsfähigen nationalen Gesellschaft in beiden Ausstellungen. Die Kategorie Klasse ist in den Ausstellungen in unterschiedlicher Weise Teil der vergeschlechtlichten Konstruktionen von Nation. Im Nationalmuseum ist der Vergleich sozialer Unterschiede – sei es in der Ständegesellschaft oder der Klassengesellschaft – wesentlicher Bestandteil des Vorhabens, vielfältige Geschichten zu zeigen. Der Konstruktion dieser sozialen Felder ist eine heteronormative Ordnung immanent, die in einen engen Zusammenhang mit den jeweiligen Narrativen einer erfolgreichen, demokratischen Nation gestellt wird. Unter dem vereinheitlichenden Vergleichsrahmen Familie sind für alle Schichten und Stände ähnliche Geschlechterkonstruktionen entlang einer geschlechtlichen Arbeitsteilung konzipiert worden. Klasse wird dadurch als eine auf die Berufstätigkeit des Mannes bezogene Positionierung bestimmt. Eine Klassenzuordnung der übrigen Familienmitglieder erfolgt in der Ausstellung entsprechend relational zu der Positionierung des Mannes. Damit wird Stand oder Klasse nicht als qua Geburt feststehend bestimmt, sondern aufgrund von Berufszugehörigkeiten. Vor diesem Hintergrund wird den Besucher*innen vermittelt, dass soziale Unterschiede an das Handeln von Personen gebunden sind und von diesen auch verändert werden können. Die sowohl von Tony Bennett (1995) als auch von Martin Wörner (1999) dargestellte Funktion von Museen und Messen, insbesondere eine Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert hinsichtlich bürgerlicher Ideale zu bilden, wird in der Ausstellung „Danmarkshistorier“ fortgesetzt und vermittelt die Botschaft, dass alle Mitglieder dieser Wohlfahrtsgesellschaft ein gutes Leben führen können, wenn sie auf bestimmte Weise handeln. Im DHM wird Klasse hingegen entlang einer Zweigeschlechtergrenze konstruiert. Mehrheitlich ist eine männlich konzipierte Oberschicht politischer, militärischer und unternehmerischer Akteure als die Nation gestaltende Gruppe zusehen-gegeben. Soziale Unterschichten und gesellschaftlich Benachteiligte werden weniger und überwiegend in den Nebenwegen der Ausstellung präsentiert. In diesen Präsentationen fällt eine weibliche Konnotation auf. So wird in der Ausstellung des DHM eine Hierarchie zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit auf eine Hierarchie zwischen Ober- und Unterschicht übertragen, in der die männlichen Eliten als bedeutsamer für die nationale Erzählung bestimmt werden. In beiden Ausstellungen ist Alter ausschließlich als erwerbs- und gebärfähiges Alter oder als Kindesalter sichtbar, wohingegen ältere Menschen wie Rentner*innen oder Großeltern weder im Nationalmuseum noch im DHM zu-sehengegeben werden. Dadurch beschränken sich die Sichtbarkeiten zu der Kategorie Alter auf Mitglieder einer Kernfamilie, in der die Erwachsenen als Gestal-

Ergebnisse im Vergleich | 321

ter*innen der Gegenwart der Nation gedeutet werden können und Kinder als zukünftige Generationen der Nation sichtbar werden. In der Ausstellung des DHM, in der Familie nicht als wesentliches Motiv des Narrativs fungiert, sind Kinder hingegen kaum sichtbar. Die Konstruktionen zu (Leistungs-)Fähigkeit im Sinne einer körperlichen Gesundheit und Unversehrtheit entstehen durch mehrheitlich als gesunde und unversehrt sichtbar gemachte Akteur*innen. Sichtbarkeiten von Menschen mit Verletzungen, Behinderungen oder Krankheiten werden nur vereinzelt, wohl aber gezielt zur Stützung der Narrative nationaler Wohlstandsgeschichten eingesetzt. In beiden Ausstellungen werden Verletzungen, Behinderungen und Krankheit als negatives, nicht-wünschenswertes ‚Anderes‘ des nationalen ‚Selbst‘ vermittelt. Dieses nationale ‚Selbst‘ ist als zweigeschlechtlich bestimmt und fähig, entsprechend einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung Aufgaben zu übernehmen. Im DHM wird Krankheit und Verletzung als Krise und somit als Ausnahme konstruiert, im Nationalmuseum ist Krankheit und Behinderung ausschließlich als Folge von Armut bestimmt und wird nur in Verbindung mit der Darstellung von staatlichen Interventionen zur Behebung der Armut vermittelt. So stützen die Repräsentationen von körperlicher (Leistungs-)Fähigkeit in beiden Ausstellungen ein Narrativ, in welchem Gesundheit und Nicht-Behinderung als Normalität von Wohlstandsgesellschaften konstruiert werden. Die Konstruktion des nationalen ‚Selbst‘ als weiß entsteht ebenfalls überwiegend implizit durch eine fehlende Repräsentation heterogener Akteur*innen. Allerdings wird in vereinzelten Displays ein konstitutives ‚Anderes‘ zu-sehengegeben, welches die mehrheitlich weißen Positionierungen als Normalität bestimmen. Trotz der prominenten Platzierung des Gemäldes der Kinderfrau Neky im ersten Raum der Ausstellung „Danmarkshistorier“ (NM: R 201) sind die entlang des Rundgangs präsentierten Akteur*innen in der Ausstellung des Nationalmuseums mehrheitlich weiß. Einzig ein Raum zum Kolonialismus (NM: R 216) sowie ein Display im letzten Raum des Rundgangs mit dem Titel „Neue Dänen“ (NM: R 237) verweisen auf vielfältigere Identitätspositionen hinsichtlich der Kategorie race in der als dänisch bestimmten Geschichte. Die Zuschreibungen, die in diesen Präsentationen vorgenommen werden, setzen jedoch ein ‚Nicht-weiß-Sein‘ mit einem ‚Nicht-Dänisch-Sein‘ gleich. So markiert die Bezeichnung „neu“ in der Displayüberschrift „Neue Dänen“ die in dieser Vitrine präsentierten Akteur*innen als nicht selbstverständliche Akteur*innen der dänischen Geschichte. Sie werden stattdessen in dem Displaytext als aus Pakistan kommende Familie beschrieben. Im Sinne der flexiblen Normalisierung werden die Akteur*innen durch das Attribut „neu“ als ‚Andere‘ markiert und gleichzeitig durch die Darstellung als Familie in die Konstruktion der weißen dänischen

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Gesellschaft eingebunden. Durch die Positionierung dieses Displays im Zeitabschnitt zu den 1980er und 1990er Jahren im letzten Raum des Ausstellungsrundgangs (NM: R 237) sowie durch den Verweis, dass hier etwas ‚Neues‘ gezeigt wird, entsteht der Eindruck, es habe zuvor keine Einwanderung und keine nicht durch Geburt als Dän*innen bestimmte Menschen in Dänemark gegeben. Die Geschichte Dänemarks als Kolonialmacht wird dadurch ausgeblendet. In der Ausstellung ist die Kolonialgeschichte entsprechend auf ein Raumensemble beschränkt, welches überwiegend dem Thema Handel gewidmet ist (NM: R 216). Dadurch stehen auch in diesen Darstellungen weiße Personen als handelnde Akteur*innen im Vordergrund. Entsprechend einer positivistischen Repräsentation dänischer Staatlichkeit wird Sklaverei nur im hinteren Teil des Raumes zusehen-gegeben und in Verbindung mit ihrer Beendigung durch Dänemark als erster Kolonialregierung thematisiert. Das Gewaltregime Sklaverei wird kaum als rassistische Struktur reflektiert und nicht-weiße Menschen werden überwiegend objektiviert repräsentiert. ‚Schwarz-sein‘ wird in der Ausstellung durch einseitige Präsentationen von Einwanderung, Dienstbotinnen-Sein und Opfertum als das ‚Andere‘ der aktiven weißen Gesellschaft vermittelt. Diese Abgrenzung zwischen einem weißen Selbst innerhalb der dänischen Geschichte und einem nicht-weißen Anderen außerhalb der dänischen Geschichte wird auch durch die museale Ordnung des Nationalmuseums gestützt, in welcher zum einen dänische Geschichte gezeigt wird und zum anderen die ethnographischen Sammlungen ahistorisch und in eigenen Ausstellungen präsentiert sind. In dem Narrativ des DHM ist die als nationales ‚Wir‘ bestimmte Oberschicht und in den letzten Epochenabschnitten die Mittelschicht ebenfalls durchgehend als weiß konstruiert. Im Sinne des Konzeptes der Vermittlung deutscher Geschichte als Besonderer im europäischen Kontext werden nicht-weiße Akteur*innen als von außen kommend und gegenüber einem weißen ‚Selbst‘ als fremd repräsentiert. In verschiedenen Displays werden sowohl zeitgenössische rassistische Abwertungen als auch Exotisierungen eines vermeintlich ‚Anderen‘ wiederholt.96 In den Epochenabschnitten zur Reformation (DHM: E 2) und zu der Zeit absolutistischer Regierungen (DHM: E 3) verweisen zum Beispiel bereits zwei Displaytitel auf Konstruktionen eines feindseligen Fremden. Titel wie „Osmanische Bedrohung“ (DHM: D 2.2.3) oder „Türken vor Wien“ (DHM: T 3.3) stellen ausschließlich die Sicht des als national bestimmten ‚Selbst‘ dar, anstatt eine Multiperspektive zu bieten. Im Epochenabschnitt zur Kaiserzeit und dem Ersten Weltkrieg (beides DHM: E 5) findet sich hingegen eine (Re-)Kon96 Zum Einsatz rassistischer Abwertungen und exotisierender Annäherungen als Mittel, vermeintlich ‚rassische‘ Differenz sichtbar zu machen. Vgl. u.a. Hall (2004a) oder Danielzik/Bendix (2010).

Ergebnisse im Vergleich | 323

struktion von Exotisierungen des ‚Anderen‘. Zum Thema Kriegsgefangenschaft sind ausschließlich nicht-deutsche Kriegsgefangene zu-sehen-gegeben. Auf zwei Gemälden sind zwei nicht-weiße Personen zu sehen, die in einem Objekttext als „exotisch anmutende Kriegsgefangene“ (DHM: D 5.11.7, OT) bezeichnet werden. Die Ausstellung übernimmt hier die zeitgenössischen Zuschreibungen und markiert die als Gefangene repräsentierten Personen als ‚Andere‘, anstatt den Begriff der ‚Exotik‘ als Mittel zur rassistischen Konstruktion eines ‚Anderen‘ zu reflektieren. Die Darstellung der exotisierten nicht-weißen Kriegsgefangenen stützt zudem die Konstruktion einer weißen Männlichkeit als unversehrt und erfolgreich, da diese nicht als Gefangene sichtbar gemacht wird. Mit diesen Repräsentationen nicht-weißer Akteur*innen – zunächst als Bedrohung und später als Gefangene – legitimiert das DHM Ausgrenzungen und Unterdrückungen eines als ‚fremd‘ markierten ‚Anderen‘, anstatt jeweils zeitgenössische Denkweisen als rassistisch zu reflektieren. Die deutsche Beteiligung an kolonialen Machtausübungen und Inbesitznahmen werden entsprechend nur in einem einzelnen Display sichtbar gemacht. In diesem Display werden ebenfalls hierarchische Positionierungen weißer Akteur*innen gegenüber Schwarzen Akteur*innen (re-) konstruiert (DHM: D 5.10.1). 97 Die hier angebotenen Ausführungen bieten nur einen kleinen Einblick in die vielfältigen Verschränkungen der Identitätskonstruktionen und Differenzbildungen national-historischer Ausstellungen. Sie sollten aber aufzeigen, dass Identitätskonstruktionen immer weitreichend und umfassend verschränkt sind. Analysen entlang einiger weniger Identitätskategorien, wie ich sie vorgenommen habe, können als Ausschnitte und exemplarische ‚Tiefenbohrungen‘ dienen, um die Komplexität von Identitätskonstruktionen sowie deren Bedingtheit durch jeweils aktuelle Diskurse aufzuzeigen.

97 Die fehlenden oder nur unzulänglich gestalteten Repräsentationen deutscher Kolonialgeschichte im DHM wurden von dem Projekt „Kolonialismus im Kasten“ ausführlicher untersucht und kritisiert, so dass ich mich hier auf einen Verweis zu der Projektseite beschränke. Die beteiligten Historikerinnen haben als Intervention in die Ausstellung einen Audioguide mit alternativen Perspektiven auf die in der Ausstellung konzipierten Displays zur Kaiserzeit konzipiert, der von der Webseite des Projektes heruntergeladen werden kann (kolonialismusimkasten 2017).

Abschließende Überlegungen

Antworten

Ausgangspunkt für diese Untersuchung war die Frage nach aktuellen Aushandlungen von Geschlecht und Nation vor dem Hintergrund von Debatten um eine Geschlechterdekonstruktion sowie um den Bedeutungsverlust der Nation auf der einen Seite und einem gleichzeitigen Erstarken rechts-konservativer und nationalistischer Strömungen in Europa auf der anderen Seite. Insbesondere ein Berufen auf Nation als Bezugsrahmen für kollektive Identitätsbildungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Museen haben bis heute eine bedeutsame Sprecher*innenposition in diesem Aushandlungsfeld, wie die zu Beginn dieser Arbeit dargestellten Neugründungen und -planungen weltweit zeigen. Für die vorliegende Untersuchung wurden Museen daher als Repräsentanten eines offiziellen Diskurses bestimmt und hinsichtlich ihrer spezifischen Bedeutungsbildungen zu Geschlecht und Nation analysiert. Anhand des Deutschen Historischen Museums und seiner Ausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ sowie des Dänischen Nationalmuseums und seiner Dauerausstellung „Danmarkshistorier 1660-2000“ wurden jeweils spezifische Formen der Bedeutungsbildungen und Vermittlungsprozesse von Nation und Geschlecht durch Museen herausgearbeitet und der Beitrag dieser Museen zu den Aushandlungen von Geschlecht und Nation in ihrer Interdependenz diskutiert. Die Untersuchung der beiden Museen und ihrer Ausstellungen sowie der Vergleich der Ergebnisse haben gezeigt, dass die jeweiligen Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation in den Ausstellungen durch ein Zusammenspiel vielfältiger bedeutungsbildender Ebenen entstehen und als zeit- und ortsgebunden verstanden werden müssen. Insbesondere Repräsentationen von Geschichte stellen normalisierende Bedeutungen für die Gegenwart her und bieten Aufschluss über das, was zum Zeitpunkt einer Ausstellungsplanung und -einrichtung sag- und zeigbar war. Museale Bedeutungsbildungen sind allerdings immer auch geprägt von den Diskursen der jeweiligen Sammlungs- und Konzeptionszeiten.

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In der Untersuchung hat sich gezeigt, dass die Repräsentationsweisen der Ausstellungen gerade durch das Zusammenspiel vergangener musealer Praktiken, vergangener Bedeutungsbildungen sowie gegenwärtiger Aushandlungen entstehen. Aufgrund spezifischer Sammlungsgeschichten lagern sich in Ausstellungen immer auch Wissensordnungen vergangener Zeiten ab. Die jeweiligen gegenwärtigen gesellschaftlichen Aushandlungen prägen wiederum die Zusammenstellungen der Sammlungsbestände zu neuen Narrativen. Die in dieser Arbeit untersuchten Museen wurden ausgewählt, weil ihre Arbeit von unterschiedlichen Geschichten sowie diskursiven Kontexten geprägt sind und sie in ihren Ausstellungen unterschiedliche Konzeptionen nationaler Geschichte vermitteln. Während in Dänemark die Vorstellung einer kleinen und homogenen Nation vorherrscht, ist das Konzept Nation als Bezugsrahmen in Deutschland lange Zeit umstritten gewesen und gewinnt erst seit einigen Jahren wieder an Akzeptanz. Ausgehend von repräsentationspolitischen Forderungen nach heterogeneren Ausstellungen setzen beide Ausstellungen in ihren Narrativen Formen der Multiperspektivität auf die als national bestimmte Geschichte ein. Weder die ‚externe‘ Multiperspektive des DHM noch die ‚interne‘ Multiperspektive des Nationalmuseums führten allerdings zu einer Vermittlung und Reflektion von nationaler Identität als heterogen und diskursbedingt. Zudem hat sich gezeigt, dass trotz der jeweils unterschiedlichen Ansätze, Nation multiperspektivisch zu vermitteln, die Geschlechterkonstruktionen in beiden Ausstellungen sehr ähnlich sind. Beide Ausstellungen halten an einer Zweigeschlechterordnung mit konventionellen Repräsentationen von Männlichkeit und Weiblichkeit fest. Die Ermittlung von Leitmotiven in beiden Ausstellungen und deren vertiefende Analysen brachten differenzierte Ergebnisse sowohl hinsichtlich nationalisierter Geschlechterkonstruktionen als auch hinsichtlich einer Vergeschlechtlichung nationaler Bezugsrahmen durch die jeweils spezifischen Ausstellungspraxen. So zeigte sich, dass im DHM Darstellungen männlicher Akteure und deren Handlungen dominierten. In der Vergangenheit wurde das DHM bereits für diese überwiegend männlich konnotierte Geschichtskonzeption in seiner Dauerausstellung kritisiert. Entsprechend lag ein besonderes Augenmerk der weiteren Analyse auf der Art und Weise, in der Männlichkeit in der Ausstellung konstruiert wird, sowie auf der Untersuchung von Zuschreibungen und Bewertungen, die durch die männlichen Konnotationen entstehen. Eine weiße Männlichkeit der Oberschicht wird nach wie vor als für die Gesellschaft und Nation relevanteste Identitätsposition vermittelt und mit Attributen wie Macht, Aktivität und Erfolg verknüpft. Als einzige weitere Geschlechterposition werden weibliche Akteurinnen zu-sehen-gegeben. Diese Repräsentationen nehmen zwar weitaus weniger

Abschließende Überlegungen | 329

Raum ein, sind allerdings konstitutiv für die Konstruktion einer dichotomen Zweigeschlechterordnung innerhalb der nationalen Erzählung der Dauerausstellung des DHM. Die Macher*innen der Ausstellung im Dänischen Nationalmuseum folgten zwar feministischen Forderungen nach mehr Sichtbarkeit weiblicher Akteurinnen, allerdings wird durch die dort ausschließlichen Repräsentationen männlicher und weiblicher Personen ebenfalls eine Zweigeschlechterordnung konstruiert, die in der Ausstellung mit ungleichen Bewertungen der jeweils dargestellten Handlungen einhergeht. Entgegen der zu Beginn dieser Untersuchung geäußerten Annahme, dass eine stärker etablierte Geschlechtergerechtigkeit in Dänemark sowie der Ansatz, vielfältige Geschichten zu zeigen, offenere Geschlechterkonzeptionen nach sich ziehen könnte, werden konventionelle Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und eine geschlechtliche Arbeitsteilung als selbstverständlich vermittelt. Geschlecht wird in dieser Ausstellung zwar häufiger explizit thematisiert als in der Ausstellung des DHM, allerdings überwiegen in den Darstellungen Gegenüberstellungen sowie Vergleiche von Männlichkeit und Weiblichkeit, wodurch Vorstellungen von Geschlechterdifferenz und heteronormative Wissensordnungen (re-)konstruiert werden. Die Leitmotivuntersuchungen folgten der Frage, in welcher Weise für das jeweilige nationale Narrativ als bedeutsam bestimmte Themen geschlechtlich konnotiert sind. So sollte die Frage nach der Vergeschlechtlichung musealer Nationenkonstruktionen nachgegangen werden. In der Ausstellung des Nationalmuseums wurden die Themen Arbeit und Familie als Leitmotive ermittelt und untersucht, in der Ausstellung des DHM die Themen Wirtschaft und Krieg. Der Vergleich der Untersuchungsergebnisse zeigte, dass die Setzung dieser Themen als Schwerpunkte in den jeweils nationalen Narrativen der Ausstellungen langen Traditionen folgen, die diese Felder als sinnstiftende Institutionen in nationalen Vergemeinschaftungsprozessen etablierten. Diese vergeschlechtlichten Sinnstiftungen dienten im 19. Jahrhundert der Legitimierung einer bürgerlichen Ordnung, in der das nationale Subjekt als männlich bestimmt und Männlichkeit als die Nation gestaltend gedeutet wurde. Weiblichkeit wurde in diesen Sinnstiftungen hingegen als die Nation erlebend sowie erhaltend bestimmt. Durch das erneute Abrufen solcher Narrative aktualisieren die Ausstellungen Vorstellungen einer natürlichen Zweigeschlechterordnung der als national bestimmten Gemeinschaft. Die musealen Bedeutungsbildungen zu den Leitmotiven (re-)produzieren eine Feminisierung von Familie sowie eine Konstruktion von Wirtschaft, Arbeit sowie Krieg als männliche Felder. Weder die Auswahl dieser Themenfelder als Schwerpunkte noch die Konstruktion einer Zweigeschlechterordnung wird in den Ausstellungen als Teil langer Traditionen nationalisierender Bedeutungsbil-

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dungen reflektiert. So wird trotz des Anspruchs, Geschichte multiperspektivisch zu vermitteln, eine nationalisierte Zweigeschlechterordnung mit ungleichen Bewertungen der darin enthaltenen Akteure und Akteurinnen sowie ihrer Handlungen als selbstverständlich fortgeschrieben. Gemessen an dem zu Beginn dieser Untersuchung dargestellten Forschungsstand und den Debatten zur Rolle von Museen in einer globalisierten Zeit ist es überraschend, dass die Konzeptionen zu Nation und Geschlecht in den Ausstellungen beider Museen so starr bleiben. In beiden Museen wird eine heteronormative Ordnung als tragende Struktur für Wohlstand bestimmt, die eine weiße Ober- und Mittelschicht als Ideal der nationalen Gemeinschaft konstruiert. Ausgehend von den Überlegungen, dass Repräsentationen etwas Anwesend machen, was als Ausdruck eines zeit- und ortsgebundenen Bedürfnisses gedeutet werden kann, können die Repräsentationen einer Zweigeschlechterordnung im Kontext nationaler Wohlstandsnarrative als Ausdruck eines Bedürfnisses nach Beständigkeit von Wohlstand und zweigeschlechtlicher Ordnung gedeutet werden. Dies geht allerdings einher mit Unsichtbarkeiten und Ausblendungen unterschiedlichster Lebensentwürfe und der Vereinfachung und Homogenisierung komplexer, hybrider und interdependenter Identitätspositionen. Der Vergleich zu den Leerstellen und Brüchen in den Ausstellungen hat verdeutlicht, dass die Konstruktionen von Geschlecht und Nation zwar immer auch Aussagen zu weiteren Identitätskategorien beinhalten, diese allerdings zu Differenzbildungen und Ausgrenzungen entlang der Kategorien race, Klasse, (Leistungs-)Fähigkeit sowie Alter führen. So sind beide Ausstellungen als Marker für aktuelle identitätspolitische Macht-/Wissen-Produktionen zu verstehen, die nicht nur Auskunft darüber geben, was eine Gesellschaft hinsichtlich der Kategorien Geschlecht und Nation vergegenwärtigen möchte, sondern auch wie auf spezifische Weise bestehende Machtpositionierungen (re-)produziert werden.

Situierte Wissensproduktionen II: Methodenreflektion

Das in dieser Arbeit angewendete methodische Vorgehen wurde aus einer diskurtheoretischen Fragestellung und Forschungsperspektive heraus entwickelt. Mit dem Ziel, die musealen Bedeutungsbildungen als Ergebnisse eines Zusammenspiels vielfältiger Ebenen zu untersuchen und der Frage nach interdependenten Konstruktionen von Identitätskategorien folgend, wurde ein Verfahren umgesetzt, in dem sowohl institutionelle Macht-/Wissen-Konstellationen von Museen diskursanalytisch hinterfragt wurden als auch semiotisch geprägte Analysen der Ausstellungs(an)ordnungen vorgenommen wurden. Im Folgenden soll eine Reflektion zu den Schwierigkeiten dieses Unterfangens vorgenommen werden, aber auch aufgezeigt werden, welche Erkenntniswege das für diese Untersuchung entwickelte Verfahren ermöglichte. Eine Schwierigkeit in dieser Untersuchung stellte der Umgang mit den Analysekategorien Geschlecht und Nation vor dem Hintergrund der dekonstruktivistisch geprägten Fragestellung dar. Während die Kategorien Nation und Geschlecht als Ergebnis gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse und davon ausgehend als veränderlich bestimmt wurden, fiel die Untersuchung an einigen Stellen auf ein Beziehen auf Geschlecht und Nation als feste Bezugsgrößen und Ausgangspunkte zurück. Teil dieser Schwierigkeit ist die in dem Kapitel „Situierte Wissensproduktionen I“ dargelegte Positionierung der Forscherin sowie der Museen und ihrer Ausstellungen innerhalb der Diskurse, die Geschlecht und Nation als Grundlage fixer Identitätspositionen herstellen. So war es häufig schwierig, den Blick auf die Kategorie Geschlecht offen zu halten. Da in Museen Geschlecht als Kategorie nur selten reflektiert wird, entsteht der Eindruck, es werde eine feste historische Realität der Handlungen und Lebensweisen von Männern und Frauen vermittelt. In der Untersuchung befördert dies ein Zurückfallen auf eine einfache Prüfung der Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit dieser Darstel-

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lungen, anstatt die Bedeutung dieser Darstellungen für spezifische Konstruktionsweisen von Geschlecht zu hinterfragen. Gaby Porter hat dies als besondere Herausforderung ihrer genderkritischen Forschungen im Museum beschrieben. „I struggled to maintain a reading based on masculinity and femininity as fragile constructions, and resist the appeal to experiences and essences, to biology and the body, to ‚real‘ women and men.“ (Porter 1996: 115)

Der Titel ihres Artikels „Seeing through solidity“ (1996) kann als Vorschlag für ein Umgehen mit dieser Herausforderung verstanden werden. Um ein ‚durch die vermeintliche Festigkeit musealer Materialität blicken‘ zu erreichen, habe ich die Leitmotivuntersuchungen vorgenommen. Verstanden als thematische Verdichtungen der musealen Bedeutungsbildungen zur Nation konnten vergeschlechtlichende Repräsentationen herausgearbeitet werden, ohne ausschließlich die Darstellungsweisen von Männern und Frauen in den Blick zu nehmen. Diese Form der Annäherung an vergeschlechtlichende Bedeutungsbildungen zur nationalen Erzählung stellte sich als wichtiges Instrument heraus, um den musealen Konstruktionen zu folgen und deren Regelhaftigkeiten sowie Brüche herauszuarbeiten anstatt in einem reinen Prüfen von vermeintlich historischer Korrektheit verhaftet zu bleiben. Die Schwierigkeiten, die Porter für Untersuchungen von Geschlecht beschrieben hat, gelten auch für die Untersuchung anderer Kategoriebildungen in Museen. So wurde zu Beginn dieser Arbeit Nation zwar als imaginiert bestimmt und es wurde untersucht, wie Museen zu dieser Vorstellung von Nation als Bezugsrahmen für kollektive Identitätsbildungen beitragen. Gleichzeitig diente die Annahme von Deutschland und Dänemark als sich unterscheidende und voneinander abgrenzbare Einheiten als Grundlage für die Auswahl der untersuchten Museen und ihrer Ausstellungen. Hier dienten die Untersuchungen der jeweiligen diskursiven und institutionellen Rahmenbedingungen der Museen dazu, die Gewordenheit der jeweils als Unterschiede wahrgenommenen Positionierungen von Deutschland und Dänemark herauszuarbeiten und als Ergebnisse historischer Prozesse sichtbar zu machen. Für das Anliegen, diskursanalytisch zu arbeiten, stellt ein transnationaler Vergleich eine weitere Herausforderung dar. Schließlich verfügt ein*e Forscher*in aufgrund der eigenen zeit- und ortsgebundenen Positionierung im Diskurs nicht über die gleichen Wissensvorräte und -zugänge hinsichtlich der jeweiligen Untersuchungsgegenstände. In der Untersuchung wurde diesem Umstand damit begegnet, die Auswertungen durch Informationen aus zusätzlichen Quellen und der Literatur zu untermauern. In größer angelegten Projekten wäre es si-

Abschließende Überlegungen | 333

cher sinnvoll, die Untersuchungen mit mehreren Forscher*innen durchzuführen und gegenseitig abzugleichen. In dieser Arbeit stellte die Kombination verschiedener Methoden sowie die Untersuchung verschiedener Ebenen der Bedeutungsbildung in den Museen die Möglichkeit dar, Ergebnisse durch mehrere Analyseschritte zu ermitteln und miteinander in Beziehung zu setzen sowie abzugleichen. Die Verbindung diskursanalytischer und semiotischer Verfahren mit historischen und ethnographischen Perspektiven auf die Museen und ihre Ausstellungen ermöglichte eine Erfassung der vielschichtigen Bedeutungsbildungen. Entsprechend des Verständnisses vom Museum als Dispositiv wurden sowohl die Bedeutungen der institutionellen Rahmungen für die Objekt(an)ordnungen untersucht als auch die Bedeutungsbildungen einzelner Sammlungsbestände und Objekte im Kontext der institutionellen Positionierungen der Museen diskutiert. Die Untersuchungen der musealen Rahmenbedingungen stellten dabei wichtige Bezugspunkte für die Analysen der Ausstellungskonzeptionen sowie einzelner Displays dar und ermöglichten Überlegungen hinsichtlich der Konstruktionsweisen der Ausstellungen zu den Kategorien Geschlecht und Nation. Die erste Auswertung der Ausstellungsbotschaften zum Konzept Nation anhand der als persönlich erlebt gekennzeichneten Rundgangsdarstellungen zeigte Eindrücke aus einer Besucher*innenperspektive auf. Die Auswertung der Objekt(an)ordnungen und Ausstellungstexte sollte gewährleisten, dass die Ergebnisse aus der Rundgangsbegehung nicht beliebig sind. Die anschließenden Analysen zu Geschlechterkonstruktionen in den ermittelten Leitmotiven ermöglichten eine vertiefte Auseinandersetzung mit den jeweils spezifischen Formen der Vergeschlechtlichung der Nationenkonstruktionen beider Museen. Die abschließende Zusammenführung der Ergebnisse in einem Vergleich verdeutlichte, dass die musealen Bedeutungsbildungen auch von unsichtbaren und unreflektierten Festlegungen geprägt sind, die aus einem Zusammenspiel von vergangenen und gegenwärtigen diskursiven Aushandlungen und musealen Praxen entstehen.

Weiterdenken

In dieser Arbeit wurde deutlich, dass beide untersuchten Museen in ihren Ausstellungen kaum zu einer Flexibilisierung von Identitätsvorstellungen zu Geschlecht und Nation beitragen. Sowohl die Museums- und Sammlungsgeschichten als auch der Auftrag, nationale Identität zu stiften, führten in den Ausstellungen zu einer normalisierenden Repräsentation heteronormativer Wissensordnungen im Kontext nationaler Identitätsstiftung. Die Ergebnisdiskussion sowie die vorangegangene Methodenreflektion verdeutlichten, dass die jeweilige Ausstellungspraxis durch die institutionellen Rahmenbedingungen nationaler Museen stark vorgeprägt ist. Der Auftrag und das Anliegen, Identität zu stiften, führte in beiden Ausstellungen zu einseitigen Darstellungen verschiedener Personen und ihrer Handlungen. Weder die Einführung multiperspektivischer Ansätze noch eine Erhöhung der Sichtbarkeit bestimmter Identitätspositionen, konnte diese einseitigen Darstellungen aufbrechen. Jede geschaffene Sichtbarkeit birgt die Gefahr, neue Differenzbildungen und Unsichtbarkeiten hervorzubringen. Es scheint so, als könnten Nationalmuseen nur wenig dazu beitragen, Identität als hybrides und fluides Konstrukt zu repräsentieren. Dies wurde insbesondere in der Ausstellung des dänischen Museums deutlich, in der das Anliegen formuliert wurde, vielfältige Geschichten vermitteln zu wollen. Stattdessen wurden homogene Kollektividentitäten konstruiert. Das geschaffene Mehr an Sichtbarkeit weiblicher Personen bestimmte diese einerseits als anders als männliche Personen und andererseits als homogene Gruppe der Frauen. Eine Heterogenität der Lebensentwürfe innerhalb unterschiedlicher Personengruppen sowie von Geschlechtsidentitäten wurde kaum aufgezeigt. Dem Anliegen folgend, Identität als heterogen und prozesshaft zu begreifen und zu repräsentieren, könnte aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchung geschlossen werden, die Institution Nationalmuseum müsse besser aufgelöst werden. Das Konzept Nationalmuseum scheint jedoch trotz aller theoretischen und zum Teil auch praktischen Bemühungen, Nation zu dekonstruieren, weiterhin

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sehr beliebt zu sein und mit einer Auflösung dieser Institution durch Regierungen ist wohl nicht zu rechnen. Im Gegenteil: Es werden weiterhin solche Häuser geplant, gegründet und eingerichtet. Sowohl das Nationalmuseum als auch das DHM haben zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit (2017/2018) angekündigt, die hier untersuchten Dauerausstellungen zu überarbeiten beziehungsweise ganz neu zu gestalten. So bleibt am Ende der Untersuchung die Frage, ob und wie Nationalmuseen ihre Ausstellungen gestalten könnten, ohne Homogenisierungen und Ausschlüsse fortzuschreiben oder neu zu implementieren. Es war nicht das Anliegen dieser Arbeit, alternative Konzepte für die Ausstellungen zu entwickeln, oder Vorschläge für Änderungen zu machen. An einigen Stellen in der Analyse wurden dennoch Überlegungen hinsichtlich alternativer Bedeutungsbildungen zu Themen geäußert, um aufzuzeigen, wie die jeweils gewählte Perspektive auf ein Thema eine spezifische Bedeutungsbildung zu Geschlecht und Nation hervorbringt. Mit einem Blick auf die mögliche Zukunft von Nationalmuseen sowie auf die geplanten Neukonzeptionen der hier besprochenen Ausstellungen möchte ich zum Abschluss doch einige Überlegungen anstellen, die sich aus meiner Untersuchung und deren Ergebnissen erschließen. Deutlich wurde, dass die Bedeutungsbildungen musealer Ausstellungen nicht allein in der (An)ordnung von Objekten und Texten im Ausstellungsraum entstehen. Ein Reflektionsprozess über die Bedeutungsbildungen zu Geschlecht und Nation sollte bereits in der Planungszeit von Museen und Ausstellungen beginnen, vergangene Sammlungspraxen und bestehende -bestände müssen in den Blick genommen werden und in die Auseinandersetzungen um Ausstellungskonzepte, -gestaltung, Objektauswahl sowie das Verfassen von Texten mit einbezogen werden. Wesentlicher Bestandteil dieser Auseinandersetzung sollte sein, wer mit welchen Voraussetzungen und Hintergründen an der Museums- und Ausstellungsarbeit beteiligt ist, sein kann und einbezogen wird. Einige Ideen und Beispiele für Umsetzungen reflektierender Wissensproduktionen und Möglichkeiten, Identität als ein fluides Konstrukt zu vermitteln, finden sich bereits in der Geschichts- und Museumswissenschaft sowie in der musealen Praxis. Es gibt verschiedene Vorschläge, wie Ausstellungen nicht einfach als Orte der einseitigen Wissensproduktionen und -vermittlung konzipiert werden können, sondern als Orte, an denen die Besucher*innen sich und ihre Umwelt reflektieren können. Gerade die Vielschichtigkeit musealer Bedeutungsbildungen bietet schließlich auch das Potential, die komplexen Bedingungen gesellschaftlicher Realitäten in reflektierender Weise und mit verschiedenen Zugängen und Angeboten zu vermitteln. Roswitha Muttenthaler und Regina Wonisch (2002: 106) fordern in Anlehnung an Irit Rogoff zum Beispiel dazu auf, die Bedeutungsbildungen und Wir-

Abschließende Überlegungen | 337

kungen musealer Repräsentationen im Rahmen der Ausstellungen durch zusätzliche Gestaltungselemente oder Texte kenntlich zu machen. So könne die dominante Sprecher*innenposition von Museen offengelegt werden und die museale Praxis als Konstruktionsleistung reflektiert werden. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Publikum sowie mit Personen, deren Leben und Erfahrungen Gegenstand einer Ausstellung werden sollen, bietet die Möglichkeit, die Deutungshoheit von Museen aufzubrechen. Tony Bennett verwies bereits 1995 darauf, dass Museen dem „autoritativen Sprechen“ – vom Expertenkuratorium zum ‚unwissenden‘ Publikum – entgegenwirken könnten, indem Kurator*innen mit dem Publikum zusammenarbeiten (ebd.: 104f.). Diese Ideen wurden bisher in großen Museen, wie den Nationalmuseen, jedoch kaum umgesetzt. Es wird zwar mittlerweile weitgehend mit Zeitzeug*innenwissen sowie Erfahrungsberichten gearbeitet, ein partizipatives Ausstellen findet sich jedoch selten. In kleineren Häusern gab und gibt es hingegen bereits Ausstellungen, die in Zusammenarbeit mit Laien gestaltet wurden. Diese Verfahren laufen mittlerweile unter Begriffen wie Partizipatives Ausstellen oder Co-Creation (Simon 2011). So werden zum Beispiel Menschen dazu aufgefordert, Gegenstände, die sie mit einem Thema verbinden, für Ausstellungen zur Verfügung zu stellen oder die Einrichtung von Ausstellungen mit zu planen. Ein Beispiel für eine reflektierende und partizipative Ausstellung bietet das voralberg museum in Österreich. In der Ausstellung „voralberg. ein making of…“ wird explizit aufgezeigt, dass Geschichte das Ergebnis gesellschaftlicher Aushandlungen ist. Entsprechend wird die Geschichte Voralbergs nicht chronologisch narrativ vermittelt, sondern mittels Themeninseln. Mit dem Konzept eines Geschichtslabors wurde seit Eröffnung der Ausstellung 2013 mit Fachleuten und Publikum über die Gestaltung sowie die Inhalte diskutiert. 2015 wurde die Ausstellung anhand dieser Reflektionsprozesse neuaufbereitet (voralberg museum 2015).98 Einen weiteren Ansatz für reflektierende Ausstellungsgestaltungen bietet eine Konzentration auf Objektgeschichten. Søren Kjørup (2010: 108) sieht in der expliziten Auseinandersetzung mit Objektgeschichten und deren Bedeutungsbildungen eine Möglichkeit, Nation als Konstrukt zu reflektieren. Anstatt kohärente chronologische Erzählungen zu gestalten, schlägt er vor, die Objekte in den Mittelpunkt zu stellen und unterschiedliche Wissensproduktionen zu diesen Objek98 Die Ausstellung konnte ich nicht selbst besichtigen. Den Hinwies auf die Ausstellung erhielt ich von Carolin Krämer, die Mitglied im Kolloquium „Dinge, Moden, Museen – Schwerpunkt Materielle Kultur“ am Institut für Materielle Kultur der Universität Oldenburg ist. Die Informationen über die Ausstellung stammen von der Webseite des Museums.

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ten zu thematisieren. Sharon Macdonald (2003: 9) hat mit Bezug auf Ayse Caglar darauf verwiesen, dass ein Sichtbarmachen von Objektgeschichten und Sammlungsbiografien auch die Möglichkeit bietet, vom Objekt aus die Beziehungen zum Individuum aufzuzeigen. So könnten Identitäten in ihrer Hybridität vermittelt werden, anstatt homogenisiert zu werden. In diesem Sinne könnte die Strategie des DHM, die Objekte für sich sprechen zu lassen, umgewandelt werden in ein ‚die Geschichten der Objekte erzählen‘. In der 2015 im DHM und im Schwulen Museum* gezeigten Sonderausstellung „Homosexualität_en“ (26.06.2015 – 01.12.2015) (DHM online 2018d) wurden bereits Formen der Partizipation und Objektfokussierung angewendet. Unterschiedliche Personen hatten Gegenstände für die Ausstellung zur Verfügung gestellt, die sie an ihr ‚Coming-Out‘ erinnern. Diese Objekte wurden zu Beginn der Ausstellung in Vitrinen gezeigt. In Audio- oder Videobeiträgen erzählten die Objektgeber*innen ihre Geschichten dazu. Im dänischen Museum wurde am 30. November 2017 eine Ausstellung eröffnet, die ebenfalls Ansätze von Partizipation und Objektgeschichten mit einander verbindet. In der Ausstellung „Dein Ding – unsere Geschichte“ (Din ting – vores historie) werden die Jahre 2000 bis 2017 anhand von einzelnen Dingen repräsentiert. Das Museum hatte zuvor dazu aufgerufen, Dinge vorzuschlagen, die die Menschen in Dänemark für ein Erzählen von Geschichten über Dänemark als bedeutsam erachten (Natmus online 2018g). Auch für diese neuen Ansätze musealer Ausstellungspraxis bleibt es jedoch notwendig die daraus hervorgehenden Ausstellungen hinsichtlich ihrer Formen der Vergegenwärtigungen von Identitätspositionen wie Geschlecht, Nation, Klasse usw. zu reflektieren. Bei der Ausstellung „Dein Ding – unsere Geschichte“ steht schließlich, wie der Titel vermuten lässt, weiterhin die Idee einer gemeinsamen Geschichte, die durch ein Objekt repräsentiert werden kann und soll, im Fokus. Um erneute Ausblendungen, Homogenisierungen und Festschreibungen von Identitäten zu vermeiden, wäre es im Sinne einer umfassenden Reflektion der unterschiedlichen Ebenen der musealen Praxis notwendig zu klären, wer sich von Aufrufen zur Beteiligung an Ausstellungsgestaltungen angesprochen fühlt und seine Geschichte zeigen kann und wer nicht. Zudem könnte eine Form der Sichtbarmachung der „situierten Wissensproduktionen“ (Haraway 2004) durch die Ausstellungen veranschaulichen, dass die Aussagen zu Identität in der Ausstellung jeweils orts- und zeitgebundene Ideen sind. Dies kann über reflektierende Textelemente aber auch durch Gestaltungen, die unterschiedliche Objektkontexte und -bedeutungen zu-sehen-geben erreicht werden, oder indem die Objektpräsentationen flexibel gestaltet werden und auswechselbar sind. Sicherlich bedeutet das einen hohen Arbeitsaufwand und wird vermutlich nicht in aller Konsequenz umgesetzt werden, diese abschließenden Überlegungen sollten al-

Abschließende Überlegungen | 339

lerdings aufzeigen, dass auch neue Ansätze musealer Praxis einer kontinuierlichen Reflektion der Macht/Wissen-Produktionen bedürfen.

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Bernadette Collenberg-Plotnikov (Hg.)

Das Museum als Provokation der Philosophie Beiträge zu einer aktuellen Debatte Januar 2018, 286 S., kart., zahlr. Abb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4060-1 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4060-5

Andrea Kramper

Storytelling für Museen Herausforderungen und Chancen 2017, 140 S., kart., zahlr. Abb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-4017-5 E-Book PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4017-9 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4017-5

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Museum NÖKU-Gruppe, Susanne Wolfram (Hg.)

Kulturvermittlung heute Internationale Perspektiven 2017, 222 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3875-2 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3875-6

Carmen Mörsch, Angeli Sachs, Thomas Sieber (Hg.)

Ausstellen und Vermitteln im Museum der Gegenwart 2016, 344 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-3081-7 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3081-1

Robert Gander, Andreas Rudigier, Bruno Winkler (Hg.)

Museum und Gegenwart Verhandlungsorte und Aktionsfelder für soziale Verantwortung und gesellschaftlichen Wandel 2015, 176 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3335-1 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3335-5

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