Leistungsorientierte Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen im deutschen Hochschulsystem: Ein nationaler Vergleich [1 ed.] 9783428511211, 9783428111213

Am Beispiel der Universität Hannover, der TU Dresden, der TU Berlin, der TU München und der RWTH Aachen stellt Thomas Sc

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Leistungsorientierte Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen im deutschen Hochschulsystem: Ein nationaler Vergleich [1 ed.]
 9783428511211, 9783428111213

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THOMAS SCHRÖDER

Leistungsorientierte Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen im deutschen Hochschulsystem

Abhandlungen zu Bildungsforschung und Bildungsrecht Herausgegeben von Frank-Rüdiger Jach und Siegfried Jenkner

Band 13

Leistungsorientierte Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen im deutschen Hochschulsystem Ein nationaler Vergleich

Von

Thomas Schröder

Duncker & Humblot . Berlin

Der Fachbereich Geowissenschaften und Geographie der Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 1433-0911 ISBN 3-428-11121-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @ Internet: http://www.duncker-humbloLde

Vorwort An der Abteilung Wirtschaftsgeographie des Geographischen Instituts der Universität Hannover wurde im Zeitraum zwischen 1997 und 2002 ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsprojekt zum Thema "Leistungsorientierte Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen in Hochschulsystemen im internationalen und interregionalen Vergleich" durchgeführt. Die vorliegende Arbeit stellt die Ergebnisse der abschließenden zweiten Forschungsphase dar, deren Schwerpunkt die Untersuchung von leistungsorientierten Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen im deutschen Hochschulsystem ist. Die Durchführung der Erhebungen und Befragungen an den ausgewählten Hochschulen basierte auf der Bereitschaft zur Unterstützung und Mitarbeit der daran beteiligten Personen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Ludwig Schätz!, der mir wertvolle Anregungen zum konzeptionellen Aufbau der Arbeit gab und bei der Anbahnung von Kontakten zu den befragten Hochschulen behilflich war. Großen Dank schulde ich Herrn Dr. Ingo Liefner, der mir in zahlreichen intensiven Gesprächen vielfältige Ratschläge zur Durchführung der Befragungen sowie zur Auswertung der Ergebnisse lieferte. Für den freundschaftlichen und kollegialen Beistand möchte ich mich auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung Wirtschaftsgeographie bedanken. Hervorheben möchte ich dabei insbesondere Herrn Dr. Peter Elspaß sowie Herrn Matthias· Ullrich. Für die Korrektur des Manuskripts danke ich Herrn Henning Kroll. Ein spezieller Dank gilt Herrn Markus Neteler und Herrn Mark Heisterkamp, die mir bei bei Fragen zum Textsatzsystem lhTEX hilfreich zur Seite standen. Ohne die Bereitschaft der zahlreichen Gesprächspartner, sich offen und kritisch zu Fragen der Hochschulsteuerung zu äußern, wäre die Durchführung der empirischen Erhebungen nicht möglich gewesen. Für die informativen Gespräche möchte ich mich bei ihnen bedanken. Als zentrale Ansprechpartner an den Hochschulen möchte ich die Unterstützung durch Herrn Dr. Gerhard Möller (TU München), Herrn Dr. Christian Hünicken (TU Berlin), Herrn Heinz-Herbert Kaußen (RWTH Aachen), Herrn Dr. Klaus Rammelt (TU Dresden) und Herrn lan Gerken (Universität Hannover) hervorheben. Ihre Mithilfe hat den Zugang zu Daten und Informationen ermöglicht und die Kontaktaufnahme zu den Gesprächspartnern maßgeblich erleichtert.

Vorwort

6

Ausdrücklich betonen möchte ich auch die Unterstützung meiner Ausbildung durch meine Eltern, ohne die die vorliegende Arbeit nicht zu Stande gekommen wäre. Dafür bin ich ihnen zu großem Dank verpflichtet. Abschließend möchte ich Melanie Gerberding dafür danken, dass sie mir jederzeit mit motivierenden Worten zur Seite stand und so den Abschluss dieser Arbeit maßgeblich vorantrieb. Hannover, im Oktober 2003

Thomas Schröder

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Problemstellung und Aufbau der Arbeit. . . . . . .

H. Veränderte Rahmenbedingungen als Ursache von Hochschulreformen B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen . . . . I.

Besondere Merkmale von Hochschulen und Hochschulsystemen 1. Hochschulsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Unterschiede zwischen Unternehmen und Hochschulen 11. Ansätze zur Begründung der staatlichen Finanzierung von Hochschulen . . . . . . . . . . . . .

19 19 21 26 26 26 28 36

1. Öffentliche und meritorische Güter

37

2. Externe Effekte. . . . . . . . 3. Verfolgung politischer Ziele

39 43

III. Die Steuerung von Hochschulen 1. Koordinations- und Steuerungsmechanismen in Hochschulen. a) Steuerung durch den Staat . . . b) Steuerung über Marktelemente c) Steuerung über Quasimärkte . . 2. Kriterien und Formen der Steuerung von Hochschulen. a) Inputorientierte Steuerung . b) Outputorientierte Steuerung aa) Formelmodelle . . . . . bb) Zielvereinbarungen . . . 3. Indikatoren in Forschung und Lehre. a) Strukturierung von Indikatoren . b) Anforderungen an Indikatoren. . IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen. I. Agency-Theorie . . . . . . . . . . .

a) Grundaussagen . . . . . . . . . . b) Kritik an der Agency-Theorie . c) Übertragung der Agency-Theorie auf Hochschulen. 2. Motivation und Anreize. a) Motivation . . . . . . b) Anreize und Anreizstrukturen .

45 45 45 50 54 55 55 56 57 60 61 62 64 65 65 65 70 72 77 77 79

8

Inhaltsverzeichnis V. Hypothesenbildung . . . .

82

C. Empirische Vorgehensweise

84

1. Erhebungsmethoden . . .

84

11. Auswahl der Fallstudien .

85

III. Auswahlkriterien . . . . . IV. Auswahl der Interviewpartner und Methodik der Datenerhebung V. Vorgehensweise bei der Auswertung. .

D. Das deutsche Hochschulsystem . . . . . . 1.

Strukturierung des Hochschulsystems .

II. Rechtliche Stellung der Hochschulen . . .. III. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems . . . 1. Expansion der Studierendenzahlen . . . . . . . . . . . 2. Struktur und Entwicklung der Hochschulfinanzierung

86

94 96 100 100 102 103 103 106

3. Veränderung von Auslastung und Ausstattung am Beispiel der Betreuungs-, Ausstattungs- und Auslastungsrelation . . . . . . . . .

112

IV. Finanzierungsmodalitäten des Hochschulsystems . . . . . . . . . . .

115

1. Aufbau, Aufstellung und Bewilligung des Hochschulhaushalts .

115

2. Mittelverteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . .

116

3. Rechtliche Grundlagen der Hochschulfinanzierung . . . . . . . .

116

4. Globalhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 120

V. Wettbewerb und Differenzierung im deutschen Hochschulsystem ..

E. Darstellung der Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . .

124

1. Niedersachsen - Universität Hannover . . . . . . . . 2. Universität Hannover . . . . . .

124 124 127

a) Strategische Ausrichtung ..

128

1. Hochschulpolitik des Landes Niedersachsen . .

b) Organisationsstrukturen ...

130

c) Finanzierung. . . . . . . . .

131

d) Forschungsaktivitäten . . ..

137

e) Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen .

137

aa) Leistungsorientierte Ressourcensteuerung . . . . . .

137

bb) Zentraler Stellenpool und monetäre Flächenbewertung .

142

I. Hochschulpolitik des Freistaats Sachsen

143 143

2. Technische Universität Dresden

144

a) Strategische Ausrichtung ..

145 146 150 153

II. Sachsen - Technische Universität Dresden .

b) Organisationsstrukturen. c) Finanzierung . . . . . . . d) Forschungsaktivitäten ..

Inhaltsverzeichnis

9

e) Einbindung in die Region. . . . . . . . . . . . . . . . . .

154

Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen .

156

aa) Mittelverteilungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . .

158

f)

bb) Einbeziehung der Flächennutzung in die Mittelverteilung

164

cc) Personalmittel und Exkursionsmittel. . . . . . . . . .

165

dd) Zusätzliche Flexibilisierung der verfügbaren Mittel.

165

g) Reformaktivitäten . . . . . . . . .

166

III. Berlin - Technische Universität Berlin ..

166

1. Hochschulpolitik des Landes Berlin .

166

2. Technische Universität Berlin

169

a) Strategische Ausrichtung.

171

b) Organisationsstrukturen .

171

c) Finanzierung.. . . . . .

172

d) Forschungsaktivitäten . .

173

e) Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen .

178

aa) Mittelverteilungsverfahren ...

178

bb) Budgetierungsregelungen ...

181

IV. Bayern - Technische Universität München

184

1. Hochschulpolitik des Freistaats Bayern. . . .

184

2. Technische Universität München. .

187

a) Strategische Ausrichtung.

189

b) Organisationsstruktur .

189

c) Finanzierung . . . . . .

193

d) Forschungsaktivitäten .

195

e) Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen .

196

aa) Mittelverteilungsverfahren .. .

196

bb) Zielvereinbarungen . . . . . . .

199

V. Nordrhein-Westfalen - RWTH Aachen ..

200

1. Hochschulpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen . . . . .

200

2. Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen .

204

a) Strategische Ausrichtung. . . . . .

204

b) Organisations struktur .

206

c) Finanzierung. . . . . .

206

d) Forschungsaktivitäten .

208

e) Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen .

209

aa) Mittelverteilungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . .

209

bb) Stellenbewertungsmodell . . . . . . . . . . . . . . .

211

cc) Weitere Instrumente zur F1exibilisierung des Mitteleinsatzes ..

213

Inhaltsverzeichnis

10

VI. Gegenüberstellung der Hochschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218

1. Finanzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218

2. Entscheidungsstrukturen und Auswirkungen auf die Steuerung.

225

3. Staatliche Einflussnahme auf die Hochschulen. . . . .

226

4. Vergleich der angewandten Steuerungsmechanismen .

227

5. Einbindung der Miuelverteilungsmodelle in die Hochschulentwicklung . . . . . . . .

.... 230

6. Zusammenhang zwischen landesweiten Steuerungsmodellen und der hochschulinternen Ausgestaltung der Modelle. 7. Abschließende Typisierung der Fallstudien. F. Steuerungswirkungen . . . . . . . . . . . I.

Steuerung durch Hochschulleitungen

11. Steuerung von Wissenschaftlern . . .

232 233 236 236 240

1. Eignung leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren für die Steuerung und Entwicklung von Hochschulen. . . . . .

. 240

2. Steuerungseinfluss und Auswirkungen des Einsatzes leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren . . . . .

250

G. Ergebnisse und politische Handlungsempfehlungen

256

I. Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse . .

256

11. Wettbewerb als Voraussetzung wirksamer Steuerungsmaßnahmen.

262

111. Zusammenfassende Bewertung leistungsorientierter Steuerungsverfahren

265

IV. Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266

1. Handlungsempfehlungen für Hochschulträger . . .

267

2. Handlungsempfehlungen für die Hochschulebene .

268

3. Handlungsempfehlungen für die Fachbereichsebene

270

V. Weiterer Forschungsbedarf

270

H. Anhang. . . . . . . . . . . . . .

273

I. Tabellen und Abbildungen.

273

11. Gesprächspartner .

277

Literaturverzeichnis .

280

Stichwortverzeichnis.

304

Abbildungsverzeichnis Abbo 1:

Aufbau eines Hochschulsystems

Abbo 2:

Kombination divisionaler und funktionaler Organisationsstrukturen

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27

0

30

Abbo 3:

Principal-Agent-Beziehungen im Hochschulbereich

Abbo 4:

Gesamte DFG-Bewilligungenje Hochschule (in Mioo DM) im Zeitraum

Abbo 5:

DFG-Bewilligungen je Hochschule in den Ingenieurwissenschaften (in

Abbo6:

Entwicklung der Zahl der Studierenden, der Studienanfänger, der Studienplätze und Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie der

1996 bis 1998

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Mioo DM) im Zeitraum 1996 bis 1998

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73

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98 99

Ausgaben der Länder für den Aufgabenbereich Hochschulen zwischen 1972 und 1999

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Abb. 7:

Aufgliederung der Hochschuleinnahmen nach Drittmitteln, Grundmit-

Abb. 8:

Herkunft der Einnahmen der Universität Hannover

Abbo9:

Aufgliederung des Hochschulbudgets der Universität Hannover nach

teln und Verwaltungseinnahmen

Ausgabearten

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Abbo 10:

Aufgliederung der Drittmitteleinnahmen der Universität Hannover nach

Abb. 11:

Mittelverteilungsmodell der Universität Hannover

Abbo 12:

Herkunft der Einnahmen der TU Dresden

Abbo 13:

Aufgliederung des Hochschulbudgets der TU Dresden

Abbo 14:

Aufgliederung der Drittmittel der TU Dresden nach Mittelgebern

Abbo 15:

Modell der Mittelverteilung an der TU Dresden

Abbo 16:

System der leistungsbezogenen Mittelverteilung im Bundesland Berlin

Mittelgebern

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nach Ausgabearten

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108 132 133 133

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160

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169

Abbo 17:

Herkunft der Einnahmen der TU Berlin

Abbo 18:

Aufgliederung des Hochschulbudgets der TU Berlin nach Ausgabearten 174

Abbo 19:

Aufgliederung der Drittmittel der TU Berlin nach Mittelgebern

Abbo 20: Abbo 21:

System der Mittelverteilung an der TU Berlin Bayerisches Mittelverteilungsmodell

Abbo 22:

Herkunft der Einnahmen der TU München

Abbo 23:

Aufgliederung des Hochschulbudgets der TU München nach Ausgabe-

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arten

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174 175

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181 185 193

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194

12

Abbildungsverzeichnis

Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26:

Aufgliederung der Drittmittel der TU München nach Mittelgebern Mittelverteilungsmodell der TU München . . . . . . . . . . . . . Herkunft der Einnahmen der RWTH Aachen . . . . . . . . . . .

195 197 207

Abb. 27:

207

Abb.28:

Aufgliederung des Hochschulbudgets der RWTH Aachen nach Ausgabearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgliederung der Drittmittel der RWTH Aachen 2000

Abb.29:

nach Mittelgebern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelverteilungsmodell der RWTH Aachen . . . . . .

Abb.30: Abb. 31:

208 210

Aufteilung der Drittmitteleinnahmen im hochschulübergreifenden Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Verteilung und Konzentration der Drittmitteleinnahmen auf die Fakultäten der Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Tabellenverzeichnis Tab. 1:

Strukturierung von Indikatoren nach ihren spezifischen Charakteristika.

63

Tab. 2:

Rangplatz der Fallstudien, gemessen an der Höhe der gesamten 91

Tab. 3:

DFG-Bewilligungen für die Zeiträume 1991-1995 und 1996-1998 ... Rangplatz der Fallstudien, gemessen an der Höhe der DFG-Bewilligungen für den Wissenschafts bereich Ingenieurwissenschaften in

Tab. 4:

den Zeiträumen 1991-1995 und 1996-1998 . . . . . . . . . . An den Fallstudien befragte Lehr- und Forschungsdisziplinen . . . . ..

93 95

Tab. 5:

Hochschularten und Studierende im WS 1998/99 . . . . . . . . . . . . 101

Tab. 6:

Anteile von Bund und Ländern an den staatlichen Ausgaben für Bildung

Tab. 7:

im Aufgabenbereich Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Veränderung der Relation zwischen Drittmitteln und Grundmitteln im deutschen Hochschulsystem - Drittmitteleinnahmen je 100 DM Grundmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Tab. 8:

Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13:

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten der Zahl der Studierenden und Studienanfänger, der Stellen für wissenschaftliches Personal, der Studienplätze, der Ausgaben der Hochschulen sowie der Ausgaben der Länder für den Hochschulbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Veränderung der Wachstumsraten zwischen 1993 und 1999 gegenüber dem Vorjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Entwicklung der Betreuungs-, Finanzierungs- und Auslastungsrelation im deutschen Hochschulsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozentuale Verteilung der Studierenden, Drittmittel und Professoren nach Wissenschaftsbereichen an der Universität Hannover. . . . . .. Belastungs- und inputorientierte Kennzahlen der Universität Hannover. Leistungsorientierte Kennzahlen der Universität Hannover . . . . . . .

113 128 135 136

Tab. 14:

Formelparameter des Mittelverteilungsmodells der TG 71/81 an der Universität Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Tab. 15:

Prozentuale Verteilung der Studierenden, Drittmittel und Professoren nach Wissenschaftsbereichen an der TU Dresden . . . . . . . . . . . . 145 Belastungs- und inputorientierte Kennzahlen der TU Dresden im Studienjahr 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Tab. 16: Tab. 17: Tab. 18:

Leistungsorientierte Kennzahlen der TU Dresden . . . . Einnahmen- und Ausgabenstruktur der TU Dresden 2000

149 150

14

Tabellenverzeichnis

Tab. 19:

Verwendete Formelparameter bei der Verteilung der Mittel für For-

Tab. 20:

schung und Lehre an der TU Dresden 163 Gewichtungsfaktoren der TU Dresden zur Berechnung der Sachmittel und der Exkursionsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

Tab. 21:

Prozentuale Verteilung der Studierenden, Drittmittel und Professoren

Tab. 22:

nach Wissenschaftsbereichen an der TU Berlin. . . . . . . . . . . . .. 170 Konsumtive Zuschüsse des Landes Berlin an die TU Berlin in Tsd. DM 172

Tab. 23: Tab. 24: Tab. 25:

Belastungs- und inputorientierte Kennzahlen der TU Beriin . . . . . . . 176 Leistungsorientierte Kennzahlen der TU Berlin . . . . . . . . . . . . . 177 Beispielrechnung zur Ermittlung des Budgets der Lehr-, Forschungs-

Tab. 26:

und Investitionsmittel des Fachbereichs A . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Verwendete Formelparameter bei der Verteilung der Lehr-, Forschungs-

Tab. 27:

und Investitionsmittel, Bibliotheksmittel, Lehrauftragsmittel und sonstigen Sachmittel an der TU Berlin . . . . . . . . . . . . Fächerbezogene Gewichtungen bei der Mittelverteilung

182

an der TU Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 28: Tab. 29: Tab. 30: Tab. 31: Tab. 32: Tab. 33: Tab. 34: Tab. 35: Tab. 36: Tab. 37:

183 bayerischen Ver. . . . . . . . . . 187 und Professoren . . . . . 188 Belastungs- und inputorientierte Kennzahlen der TU München 191 Leistungsorientierte Kennzahlen der TU München . . . . . . . 192

Übersicht über die Formelparameter des landesweiten teilungsmodells der Mittel für Forschung und Lehre . Prozentuale Verteilung der Studierenden, Drittmittel nach Wissenschaftsbereichen an der TU München . .

Übersicht über die Formelparameter des Verteilungsmodells der Mittel für Forschung und Lehre an der TU München . . . . . . . . . . . . . . 199 Gewichtung der Absolventen nach Studiendauer bei der Mittelverteilung 202 Berechnungsanteile und Gewichtungsverhältnisse bei der Verteilung der Mittel der TG 94 in NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Übersicht über die Formelparameter des Verteilungsmodells für die Mittel der TG 94 des Landes Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . 203 Prozentuale Verteilung der Studierenden, Drittmittel und Professoren nach Wissenschaftsbereichen an der RWTH Aachen . . . . . . . . . . . 205 Fächerspezifische Gewichtung und Berechnungsanteile der FormeIparameter des Verteilungsmodells der RWTH Aachen . . . . . . . . . . . . 212

Tab. 38:

Übersicht über die Formelparameter des Verteilungsmodells der Mittel für Forschung und Lehre an der RWTH Aachen . . . . . . . . . . . . . 212

Tab. 39:

Parameter und Gewichtungen des Stellenbewertungsmodells an der

Tab. 40:

RWTH Aachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belastungs- und inputorientierte Kennzahlen der RWTH Aachen

213 216

Tab. 41:

Leistungsorientierte Kennzahlen der RWTH Aachen. . . . . . .

217

Tabellenverzeichnis Tab. 42:

15

Tab. 43:

Anteil der in Mittelverteilungsmodellen leistungs- und belastungsorientiert verteilten Summen am Landeszuschuss . . . . . . . . . . Finanzdaten und Studienzahlen der Hochschulen im Vergleich

Tab. 44:

Gegenüberstellung der funktionalen Anteile der Verteilungsmodelle der

Tab. 45:

Fallstudien (in %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Gegenüberstellung der in den Verteilungsmodellen der Fallstudien ver-

Tab. 46:

wendeten Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Gegenüberstellung der Gewichtung der Parameter in den Verteilungs-

219 219

modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Tab. 47:

Bedeutung verschiedener Ziele, die nach Ansicht der Hochschulleitung mit dem Einsatz von leistungsorientierten Ressourcensteuerungsverfahren angestrebt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Tab. 48: Tab. 49:

Bedeutung verschiedener Maßnahmen zur Stärkung der Position der Hochschule aus Sicht der Hochschulleitungen . . . . . . . . . . . . . . 239 Bedeutung strategischer Ziele für die Entwicklung der wissenschaftli-

Tab. 50:

chen Einrichtung, Zahl der Gesprächspartner. . . . . . . . . . . . . . . 241 Eignung der Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung

Tab. 51:

Tab. 52:

zur Verwirklichung unterschiedlicher Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . 243 Eignung der Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung zur Verwirklichung unterschiedlicher Ziele differenziert nach wissenschaftlichen Disziplinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Einfluss der leistungsorientierten Ressourcensteuerung auf die Tätigkeiten auf Fachbereichsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

Tab. 53:

Tab. 54: Tab. 55: Tab. 56: Tab. 57:

Bedeutung verschiedener Ziele, die nach Ansicht der Gesprächspartner auf Fachbereichsebene mit dem Einsatz von leistungsorientierten Ressourcensteuerungsverfahren angestrebt werden. . . . . . . . . . . . . . Anteil der Personal ausgaben an den Gesamtausgaben der Bundesländer für Hochschulen 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studierende, Studienanfänger, Studienplätze und Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter 1972-1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgliederung der Hochschuleinnahmen nach Grundmitteln, Drittmitteln und Verwaltungseinnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständige Organe der hochschulinternen Mittelverteilung in den Bun-

250 273 274 275

desländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

Abkürzungsverzeichnis

AM

Akademische Mitarbeiter

B

Belastung

BayHSchG

Bayerisches Hochschulgesetz

BbgHG

Brandenburgisches Hochschulgesetz

BerlHG

Berliner Hochschulgesetz

BHO

Bundeshaushaltsordnung

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BLK

Bund-Länder-Kommission

BMBF

Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMBFf

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie

BMBW

Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft

BMC

Benchmarking Club Technischer Universitäten

BMI

Bundesministerium des Innem

BremHG

Bremisches Hochschulgesetz

BSTMWFK

Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

BWK

Bibliothekswesenkommission

CHE

Centrum für Hochschulentwicklung

CNW

Curriculamormwert

DFG

Deutsche Forschungsgemeinschaft

DM

Deutsche Mark

ETH

Eidgenössische Technische Hochschule

EU

Europäische Union

EXA

bestandene Hauptprüfungen

FG

Forschergruppe

FGU

Fächergruppe

Fo

Forschung

FS

Fachserie

GG

Geistes- und Gesellschaftswissenschaften

GGe

Grundgesetz

Abkürzungsverzeichnis GK

Graduiertenkolleg

GKm

Gemeinsame Kommission

GKSt

Gemeinsame Kommission für das Studium

Gr

Grundausstattung

GW

Geisteswissenschaften

GWT

Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer der TU Dresden

HBFG

Hochschulbauförderungsgesetz

HG

Hochschulgesetz

HGrG

Haushaltsgrundsätzegesetz

HHG

Hessisches Hochschulgesetz

HIS

Hochschul-Informations-System GmbH

HL

Hochschullehrer

HmbHG

Hamburgisches Hochschulgesetz

HNF

Hauptnutzftäche

HRG

Hochschulrahmengesetz

HRK

Hochschulrektorenkonferenz

HSG

Hochschulgesetz

HSG-LSA

Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt

HSP

Hochschulsonderprogramm

IGK

Internationales Graduiertenkolleg

IHK

Industrie- und Handelskammer

IT

Informationstechnologie

IuK

Information und Kommunikation

IW

Ingenieurwissenschaften

KapVO

Kapazitätsverordnung

KLR

Kosten- und Leistungsrechnung

L

Leistung

Le

Lehre

LHG

Landeshochschulgesetz

LHK

Landeshochschulkonferenz

LHO

Landeshaushaltsordnung

MHH

Medizinische Hochschule Hannover

Mio.

Millionen Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen

MSF MSWF

Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen

NC

Numerus Clausus

17

Abkürzungsverzeichnis

18

NHG

Niedersächsisches Hochschulgesetz

NMWK

Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

NRW

Nordrhein-Westfalen

NW

Naturwissenschaften

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development

PIZ

Patentinformationszentrum

ProfBesReformGes

Professorenbesoldungsreformgesetz

R.

Reihe

RSZ

Regelstudienzeit

RWTH

Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule

SächsHG

Sächsisches Hochschulgesetz

SFB

Sonderforschungsbereich

SHEK

Sächsische Hochschulentwicklungskommission

SMWK

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst

SS

Sommersemester

STUD

Studierende

TEE

Technology-Enabled Education

TG

Titelgruppe

ThürHG

Thüringisches Hochschulgesetz

TiHo

Tierärztliche Hochschule Hannover

Tsd.

Tausend

TU

Technische Universität

TUB

Technische Universität Berlin

TUD

Technische Universität Dresden

TUDIAS

Technische Universität Dresden Institute of Advanced Studies

TUM

Technische Universität München

u.

und

UG

Universitätsgesetz

UH

Universität Hannover

VW

Volkswagen

WMD

Wissenschaftliche Mitarbeiter aus Drittmitteln

WRK

Westdeutsche Rektorenkonferenz

WS

Wintersemester

ZEvA

Zentrale Evaluationsagentur

zv

zukünftig zu verlagern

ZVS

Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen

A. Einleitung I. Problemstellung und Aufbau der Arbeit Dem deutschen Hochschulsystem wird von Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit häufig mangelnde Effizienz sowie unzureichende Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit vorgeworfen. Als Ursache dafür werden neben inadäquaten Organisations- und Entscheidungsstrukturen vor allem eine unzureichende Leistungsorientierung und fehlende Anreizstrukturen der Finanzierung der Hochschulen genannt. Um die Hochschulen diesen Erfordernissen anzupassen, wird der Einsatz leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren und finanzieller Anreize sowohl zwischen Hochschulen als auch hochschulintern empfohlen. Es wird davon ausgegangen, dass über die leistungsorientierte Vergabe finanzieller Mittel eine Steuerung der ochschulentwicklung in Richtung eines Hochschulprofils und eine Leistungssteigerung bei den Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern hervorgerufen wird. Allerdings sind die Kenntnisse über die tatsächlich im deutschen Hochschulsystem eingesetzten Steuerungsverfahren und die darüber erzielten Steuerungswirkungen noch unzureichend erforscht. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, anhand eines nationalen Vergleichs einzelner Hochschulen zu untersuchen, welche Formen leistungsorientierter Ressourcensteuerung im deutschen Hochschulsystem gegenwärtig praktiziert werden, welche Wirkungen von ihnen auf die Hochschulen und Wissenschaftler ausgehen und inwieweit über ihren Einsatz eine Steuerung der Hochschulentwicklung erfolgen kann. Die Ergebnisse wurden im Rahmen des DFG-geförderten Forschungsprojekts "Leistungsorientierte Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen in Hochschulsystemen im internationalen und interregionalen Vergleich" erarbeitet. Zu diesem Zweck wurden die Steuerungsverfahren und Anreizstrukturen an fünf deutschen Hochschulen miteinander verglichen und Befragungen auf Ebene der Hochschulleitung und der Fachbereiche bzw. Fakultäten durchgeführt. Bezogen auf ausländische Hochschulsysteme liegt eine große Auswahl an Publikationen über die Anwendung leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren und den Einsatz von Anreizstrukturen zwischen Staat und Hochschulen und innerhalb von Hochschulen vor (vgl. Atkinson und Massy 1996; Böhm 2000; Clark 1998; Franck 2000; Goedegebuure et al. 1993; HIS 1997b; Liefner 2001;

20

A. Einleitung

McPherson und Schapiro 1993; Musselin 1999; Sporn 1999). Im Gegensatz dazu beschränken sich Betrachtungen auf Ebene des deutschen Hochschulsystems überwiegend auf theoretische Ausführungen. Die empirische Erfassung und Analyse bestehender Steuerungsverfahren und Anreizstrukturen sowie der tatsächlich von ihnen ausgehenden Wirkungen wurde bislang vernachlässigt. Zudem findet eine gleichzeitige Berücksichtigung sowohl der von Hochschulträgern als auch der hochschulintern angewandten Steuerungs verfahren nicht statt. In den meisten Fällen beschränken sich die Untersuchungen entweder auf die staatlichen oder aber auf die hochschulintern praktizierten Verfahren (vgl. Albers 1999; Alewell 1993; Arnrhein 1998; Daniel 1996; Donges et al. 1993; Frackmann 1987; Frackmann 1997; HIS 1997c; Höd11994; MWF 1997; Witte 1999; Ziegele 1996; Ziegele und Müller-Böling 2000). Darüber hinaus umfassen sie in der Regellediglich einen Ausschnitt der Hochschule, beispielsweise eine wissenschaftliche Disziplin, einen Fachbereich oder sind auf einen Teilaspekt der Steuerungsverfahren begrenzt (vgl. Eisenberg 1999; Hofman 1998; Hartmann 1998; Hübner und Rau 2001; Bachorski 1998; Behrens 1996; BMBW 1980; Löther und Plöger 2000). Die durchgeführten Befragungen und Erhebungen bleiben auf das deutsche Hochschulsystem beschränkt. In welcher Form und mit welchem Ergebnis in ausländischen Hochschulsystemen leistungsorientierte Verfahren zur Steuerung von Hochschulen zum Einsatz kommen, wird in der Studie von Liefner (2001) behandelt, die ebenfalls als Teil des o.g. DFG-geförderten Forschungsprojekts entstanden ist. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit erarbeiteten Ergebnisse orientierten sich an den folgenden Fragestellungen: 1. Welche leistungsorientierten Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizmechanismen werden von den ausgewählten Bundesländern und Hochschulen angewandt? 2. Führte die Gestaltung der Mittelverteilungsverfahren und Anreizstrukturen zwischen Staat und Hochschulen zu Auswirkungen auf die Ausgestaltung der hochschulintern angewandten Verfahren? 3. Wie wird von Hochschulen und Wissenschaftlern auf Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung und Anreizsysteme reagiert? 4. Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit im deutschen Hochschulsystem leistungsorientierte Ressourcensteuerungsverfahren sowie Anreizsysteme wirksam werden? Die anhand der Fragestellungen gewonnen Erkenntnisse bilden die Grundlage eines besseren Verständnisses des Einsatzes und der Gestaltung von leistungsorientierten Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen. Darauf aufbauend kann die Wirkungsweise der Steuerungsverfahren verbessert und die Gefahr unerwünschter Fehlsteuerungen verringert werden.

II. Veränderte Rahmenbedingungen als Ursache von Hochschulreformen

21

Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Die theoretischen Grundlagen werden in Kapitel B. (S. 26 bis 83) vermittelt. Darin werden die besonderen Merkmale von Hochschulen und Hochschulsystemen erarbeitet und Ansätze zur Begründung der staatlichen Finanzierung des Hochschulsektors vorgestellt. Darüber hinaus werden die in Hochschulen vorhandenen Formen der Steuerung sowie Motivations- und Anreizstrukturen erläutert. Anhand der Übertragung der Agency-Theorie auf den Hochschulbereich wird die Wirkungsweise von Steuerungsverfahren analysiert. Die Kapitel c., D. und E. bilden den empirischen Teil dieser Arbeit. In Kapitel C. und D. (S. 84 bis 123) wird die methodische Vorgehensweise der Erhebungen dargestellt, die Beschreibung des deutschen Hochschulsystems und die Betrachtung der Modalitäten der Hochschulfinanzierung vorgenommen. Daran schließt das Kapitel E. (S. 124 bis 235) an, in dem die Beschreibung der Fallstudien (Universität Hannover, TU Dresden, TU Berlin, TU München, RWTH Aachen) und die Analyse der von ihnen praktizierten Steuerungsverfahren vorgenommen wird. Die Ergebnisse der Befragungen, die an den Hochschulen durchgeführt wurden, werden in Kapitel F. (S. 236 bis 255) vorgestellt. Den Abschluss bildet das Kapitel G. (S. 256 bis 272), in dem die vergleichende Bewertung der angewendeten Steuerungsverfahren und die Herleitung von Handlungsempfehlungen für den Einsatz leistungsorientierter Steuerungsverfahren erfolgt.

11. Veränderte Rahmenbedingungen als Ursache von Hochschulreformen - Der Übergang zur Wissensgesellschaft Mit der Veränderung der Rahmenbedingungen haben sich die gesellschaftlichen Erwartungen und Ansprüche an die Hochschulen grundlegend verändert. Daraus resultiert die Notwendigkeit der Durchführung von Hochschulreformen. Ursache dieser Entwicklung sind verschiedene Aspekte, auf die im folgenden eingegangen wird.Seit Beginn der 70er Jahre vollzieht sich ein Transformationsprozess, der einen fundamentalen Wandel der sozialen und ökonomischen Struktur der Gesellschaft zur Folge hat. Die Industriegesellschaft befindet sich im Übergang zur Wissensgesellschaftl , in der Wissen 2 die zentrale ökonomische Ressource darstellt. Die Anwendung von Wissen erfolgt in allen Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens und wird in der Wissensgesellschaft zum konstitutiven Mechanismus. Die Identität dieser Gesellschaftsformation ist durch Wissen bestimmt (vgl. Stehr 1994, S. 28 f.).Der Transformationsprozess bewirkt eine Modifikation der gesellschaftlichen Ansprüche, der Nachfrage und somit der Anforderungen, denen sich die Hochschulen ausgesetzt sehen. Die Zunahme. des Rechtfertigungsdrucks auf die Hochschulen ist u.a. auf die veränderte Rolle des I

2

Mit Wissensgesellschaften befassen sich beispielsweise Bell 1973; Stehr 1994; Beck et al. 1996. Definition von Wissen vgl. Foray und Lundvalll996, S. 19; Bell 1976, S. 180 f.

22

A. Einleitung

Staates, die desolate Lage der öffentlichen Haushalte, die Zunahme außeruniversitärer Wissensproduzenten sowie die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von Wissen zurückzuführen (vgl. Delanty 1998, S. 15). Von den Hochschulen wird in zunehmendem Maße Rechenschaft über deren Tätigkeiten gefordert, da das gesellschaftliche Interesse an Forschungsergebnissen und deren Anwendung gestiegen ist. Entwicklung und Fortschritt werden in der Wissensgesellschaft durch die Anwendung des neuesten verfügbaren Wissens bestimmt sowie durch das Ausmaß und die Geschwindigkeit, in dem es generiert wird. In der Wissensgesellschaft ist die Wirtschaft intensiv und in wachsendem Ausmaß in die Produktion, Verbreitung und Anwendung von Wissen eingebunden (vgl. Foray und Lundvalll996, S. 12). Dies wird besonders bei den zukunftsträchtigen Wachstums branchen, z.B. im Bereich der Bio- und Gentechnologie sowie in der Informations- und Kommunikationstechnologie deutlich. Auch die übrigen Bereiche der Wirtschaft stützen sich zunehmend auf wissenschaftliche Erkenntnisse, da in Industrienationen mit hohen Lohnkosten nur die fortwährende Verbesserung von Produkten durch wissensbasierte Innovationen und Entwicklungen wirtschaftlichen Akteuren einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber Konkurrenten ermöglicht. Durch die Intensivierung der Beziehungen zwischen Gesellschaft und Wirtschaft einerseits und Wissenschaft andererseits erlangt Wissen, also wissenschaftliche Erkenntnis, den Stellenwert sowohl eines Produktionsfaktors als auch einer Ware, die gehandelt werden kann (vgl. de Weert 1999, S. 52). Der Übergang zur Wissensgesellschaft ist gekennzeichnet durch die zunehmende Geschwindigkeit, mit der Wissen entsteht, sich verbreitet, aber auch veraltet. Unterstützt wird dieser Prozess durch die Entwicklung neuer Informationsund Kommunikationstechnologien. So ermöglicht beispielsweise die weltweite Vernetzung durch das Internet die schnelle und kostengünstige Verbreitung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Durch den Einsatz computergestützter Entwicklungsverfahren verringert sich der Zeitraum, der zur Entwicklung und Herstellung neuer Produkte benötigt wird. Dadurch kommt es zu einer Verkürzung der Produkt-Lebenszyklen durch permanente Produktinnovationen (vgl. Foray und Lundvall 1996, S. 14). Die beschleunigte Entstehung und damit verbunden die ebenso schnelle Veralterung des Wissens bedingen, dass sich die in wissensintensiven Bereichen Beschäftigten in einem permanent wandelnden Arbeitsumfeld befinden. Damit ihre Kenntnisse dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen, bedürfen sie kontinuierlicher Weiterbildung. Zudem müssen sie die Fähigkeit besitzen, sich eigenständig neue Erkenntnisse zu erarbeiten sowie flexibel auf neue Sachverhalte zu reagieren. Innerhalb der wissensbasierten Gesellschaft ist die Kompetenz, Wissen zu erwerben und umzusetzen, entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von Individuen, Firmen und Regionen (v gl. Foray und Lundvalll996, S. 16 f.). Mit der wachsenden Geschwindigkeit der Wissensentstehung und Veralterung ist die Erfordernis lebenslangen Lernens verbunden. Der Erwerb von Wissen

11. Veränderte Rahmenbedingungen als Ursache von Hochschulreformen

23

bleibt nicht auf die Zeit des Studiums beschränkt, sondern stellt einen kontinuierlichen Bestandteil des weiteren Berufslebens dar. Damit gewinnt neben der Vermittlung von Wissen an Studierende die berufsbegleitende Weiterbildung durch Hochschulen an Bedeutung. Studierende weisen zudem immer weniger durch das Studium vorgezeichnete berufliche Laufbahnen auf. Die Berufsbiographien Beschäftigter sind verstärkt durch Karrierebrüche und unerwartete Seiteneinstiege in neue Berufsfelder gekennzeichnet. Die lebenslange Vollzeitbeschäftigung wird ersetzt durch Phasen der Beschäftigung in Angestelltenverhältnissen, der Selbstständigkeit, der Teilzeitbeschäftigung oder aber auch durch Phasen der Nichtbeschäftigung, die beispielsweise zur Weiterbildung genutzt werden (vgl. Scott 1999, S. 17 f.). Flexibilität, Unternehmertum und Selbstständigkeit stellen somit wichtige Eigenschaften dar, die die Hochschulen den Studierenden in Zukunft verstärkt vermitteln müssen. Dazu zählt ebenso die Fähigkeit zu eigenständigem Lernen sowie die Fähigkeit zur Kooperation in interdisziplinären Arbeitszusammenhängen (vgl. Solga 1998, S. 21). Es steigt die Nachfrage nach Lern- und Studienangeboten, die nach Bedarf abrufbar sind. Hochschulen werden daher zukünftig vermutlich modularisierte, aufeinander aufbauende Abschlüsse anbieten, die ein Studium verschiedener Altersgruppen ermöglichen. Eine Folge dieser Entwicklung ist möglicherweise die Steigerung des Angebots an Aufbaustudiengängen und berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten an Hochschulen. Die Aus- und Weiterbildung an Hochschulen wird zukünftig durch stärkeren Wettbewerb geprägt sein, u.a. weil die Hochschule nicht mehr alleiniger Vermittler von Wissen ist. Durch die Tatsache, dass die Produktion von Wissen und insbesondere die Wissensvermittlung einen ertragreichen und wachsenden Wirtschaftszweig darstellt, etablieren sich zunehmend weitere Wissensvermittler. Dazu zählen Privatuniversitäten, firmeneigene Akademien (Corporate Universities), Managementakademien sowie sonstige private Bildungsanbieter und Fortbildungseinrichtungen (vgl. Deiser 2000; Hilse 2001; Kraemer 2000; BMBF 2001a, S. 18). Durch die fortschreitende Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien entstehen zudem neue Lernformen (lTgestütztes Lernen, ELearning, Technology-Enabled Education (TEE)) (vgl. BMBF 2001b). Das Fernstudium (Distance Leaming) gewinnt durch das Medium Internet erheblich an Bedeutung und führt zur Entstehung neuer Formen der Wissens vermittlung. Zudem unterliegt der Hochschulsektor einem Internationalisierungstrend, in dessen Folge Hochschulen weltweit miteinander konkurrieren. Aufgrund dieser Faktoren müssen Hochschulen demnach konkurrenzfähige Strukturen entwickeln, um im verschärften Wettbewerb bestehen zu können. Auch bei dem Prozess der Entstehung neuen Wissens ruft der Übergang zur Wissensgesellschaft Veränderungen hervor. So sind neue Formen der Wissensgenerierung entstanden, bei denen in zunehmendem Maße durch die Kooperation von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, industriellen Forschungslaboren und Unternehmen Wissen und Innovationen generiert

24

A. Einleitung

werden (vgl. de Weert 1999, S. 57). Der zunehmende Konkurrenzdruck zwingt Unternehmen durch Innovationen einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber ihrer Konkurrenz aufzubauen. Damit es zu erfolgreichen Innovationen kommt, müssen funktionsfähige Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Wissensproduzenten, Wissensvermittlern und Wissensanwendern existieren (vgl. Charles und Goddard 1997, S. 4). Weiterhin verursacht die Transformation der Gesellschaft erhebliche Auswirkungen auf Organisationen und Institutionen. Es erfolgen Veränderungen der gesellschaftlichen und soziologischen Grundlagen sowie der Bedingungen institutionellen Handeins (vgl. Beck 1996, S. 31). Infolge dessen wandelt sich auch das Verhältnis der Hochschulen zu ihrer Außenwelt, also ihr Verhältnis gegenüber Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Durch das Vordringen von Wissen in alle Lebensbereiche hat sich zwar die Bedeutung der Hochschulen ausgeweitet, zugleich haben sich jedoch auch die Ansprüche an die Hochschulen verändert. In diesem Sinne sind Hochschulen weniger autonom in ihrem Handeln geworden, da von Außen konkrete Anforderungen an sie gestellt werden. Die gestiegene Relevanz wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Lösung gesellschaftlicher Probleme hat dazu geführt, dass die traditionelle Vorstellung über die wissenschaftliche Freiheit von Forschung und Lehre eine Neubewertung erfährt (vgl. Scott 1999, S. 20). Die individuelle Autonomie der Hochschulforscher sowie die institutionelle Autonomie der Hochschulen werden in Frage gestellt. Dies wiederum wirkt sich auf die Inhalte akademischer Forschung und Lehre aus, die sich zunehmend der Frage nach ihrer Relevanz ausgesetzt sehen (vgl. Mittelstraß 2000, S. 732). Der Druck auf die Hochschulen, ihre Leistungen zu rechtfertigen und verstärkt gesellschaftliche Probleme zu lösen, hat dementsprechend zugenommen. Darüber hinaus sehen sich Hochschulen einer immer stärkeren Konkurrenz außeruniversitärer Wissensproduzenten ausgesetzt. Dadurch entsteht auch ein neuer Maßstab der Bewertung der Forschung, die an Hochschulen durchgeführt wird. Besonders in den Disziplinen, in denen die Generierung neuen Wissens eine hohe Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung besitzt und in die Innovation neuer Produkte mündet, nimmt die Konkurrenz durch externe Anbieter zu und forciert den Wettbewerb um Qualität und Quantität der Forschung. Das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen hat sich in Deutschland in den letzten Jahren grundlegend geändert. Anstelle einer aktiven staatlichen Steuerung beschränkt sich der Staat zusehends auf regulierende Eingriffe. Die Beschränkung auf die Rechtsaufsicht löst die bisherige staatliche Strategie der Detailsteuerung der Hochschulen ab. Die Aufgaben des rechtlichen Steuerungsinstrumentariums werden durch marktähnliche Steuerungsinstrumente ersetzt (siehe Abschnitt c), S. 54). Für die Hochschulen ist damit eine Steigerung ihrer institutionellen Autonomie verbunden. Sie erhalten mehr Entscheidungskompetenzen und sind freier in ihren Handlungsoptionen in Bezug auf die Administration und die Steuerung der Hochschulentwicklung. Die Aufgabe des Hochschulmanagements

II. Veränderte Rahmenbedingungen als Ursache von Hochschulreformen

25

wird in zunehmendem Ausmaß von den Ministerien an die Hochschulleitungen delegiert. Allerdings ist diese Zunahme an institutioneller Autonomie mit einer Abnahme der wissenschaftlichen Autonomie, also der Wissenschaftsfreiheit verbunden. Der Legitimationsbedarf der Hochschulen, d.h. die Rechtfertigung über Quantität und Qualität der erbrachten Leistungen in Forschung und Lehre nimmt zu. Mit dem Rückzug des Staates aus der aktiven Hochschulsteuerung ist auch die Abnahme seines Anteils an der Finanzierung der Hochschulen verbunden. Hier ist ein Zusammenhang mit der desolaten Lage der öffentlichen Haushalte zu sehen. Während der Staat in Deutschland ursprünglich alleiniger Finanzgeber der Hochschulen war (siehe Abschnitt D., S. 100), macht die zunehmende Verschuldung der öffentlichen Haushalte eine Politik der Konsolidierung notwendig, die auf eine Begrenzung der öffentlichen Ausgaben abzielt (vgl. Bach und Vesper 2000, S. 221). Davon bleibt auch der Hochschulsektor nicht ausgeschlossen, der Einsparmöglichkeiten ausfindig machen muss. Dadurch wird das "Produkt" der Hochschulen, also Forschung und Lehre, einer genaueren Betrachtung in Hinblick auf Effizienz und Effektivität unterzogen. Die Hochschulen müssen durch Nachweis ihrer Leistungen ihre finanziellen Ansprüche legitimieren und zudem die ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel effektiver und effizienter einsetzen. Da die Höhe der Mittel, die der Staat den Hochschulen zur Verfügung stellt, abnimmt, sind diese gezwungen, sich zunehmend neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Durch veränderte Rahmenbedingungen ergibt sich ein Bedarf, die Entwicklung der Hochschulen den oben dargestellten Veränderungen anzupassen. Hochschulen, die aufgrund adäquater Organisations- und Finanzierungsstrukturen flexibel auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren können, werden in der Lage sein, sich gegenüber anderen Hochschulen einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Darüber hinaus hat sowohl die Ressourcenausstattung als auch die Form der hochschulinternen Ressourcensteuerung Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Inwieweit Hochschulen auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können, hängt maßgeblich von der Wirksamkeit leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren und den vorliegenden Anreizmechanismen in Hochschulen ab. Sie ermöglichen zum einen eine Steuerung der Hochschulaktivitäten im Falle des Eintretens veränderter Rahmenbedingungen, zum anderen stärken sie grundsätzlich die Konkurrenz- und Weubewerbsfähigkeit einer Hochschule.

B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen Die theoretischen Ausführungen sind in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil (Abschnitt 1., S. 26 bis 35) erfolgt die Beschreibung des Aufbaus von Hochschulsystemen sowie die Erläuterung der besonderen Eigenschaften von Hochschulen. Der zweite Teil (Abschnitt H., S. 36 bis 45) widmet sich der Frage, inwieweit die staatliche Finanzierung der Hochschulen erforderlich ist. Inhalt des dritten Teils (Abschnitt III., S. 45 bis 65) sind in Hochschulsystemen existierende Koordinations- und Steuerungsmechanismen sowie die Form ihrer Ausgestaltung. Welche Motive dem Handeln der Wissenschaftler im Hochschulsystem zugrunde liegen und wie dementsprechend Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizmechanismen ausgestaltet sein müssen, ist Gegenstand des vierten Teils dieses Kapitels (siehe Abschnitt IV., S. 65 bis 82).

I. Besondere Merkmale von Hochschulen und Hochschulsystemen 1. Hochschulsysteme Der Begriff des Hochschulsystems beschreibt die Einbindung der Gesamtheit der Hochschulen einer bestimmten Region oder eines Staates in ein durch spezifische finanzielle, rechtliche, gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen charakterisiertes Umfeld. Das Handeln der Hochschulen wird bestimmt durch ein System von Interaktionen mit den sie finanzierenden und regulierenden Institutionen, privaten Geldgebern sowie gesellschaftlichen und politischen Interessenvertretern, aber auch durch die Wechselbeziehungen und die Aufgabenteilung mit den anderen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen innerhalb des Hochschulsystems (vgl. Liefner 2001, S. 22). Die Rahmenbedingungen innerhalb eines Hochschulsystems bestimmen maßgeblich den Handlungsspielraum und den Grad der Autonomie, den die Hochschulen besitzen. Dadurch werden zum einen die Möglichkeiten zur Umsetzung der eigenen Ziele festgelegt. Zum anderen wirken sie sich auf das Ausmaß des Einflusses aus, den die Umwelt auf die Aufgaben und Zielsetzungen der Hochschulen ausübt. In der Abbildung 1 wird die Stellung der Strukturelemente Hochschulen, Staat und Gesellschaft zueinander sowie die zwischen ihnen erfolgenden Interaktionen innerhalb eines Hochschulsystems verdeutlicht. Zur Vereinfachung wurde

I. Besondere Merkmale von Hochschulen und Hochschulsystemen

27

STAAT

Steuerungs- und Lenkungsfunktion

HOCHSCHULEN)

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wissenschaftliche Dienstleistungsfunktion

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(GESELLSCHAFT

J

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung I: Aufbau eines Hochschulsystems

die Darstellung auf diese drei Strukturelemente reduziert. Die Strukturelemente selbst als auch die Wirkungsbeziehungen zwischen ihnen sind jedoch weitaus differenzierter als dargestellt und setzen sich jeweils aus einer Vielzahl von Akteuren zusammen, die durch diverse Interaktionen miteinander in Verbindung stehen. Daher bedürfen sie der folgenden ergänzenden Erläuterungen: Hochschulen: Innerhalb eines Hochschulsystems existieren mehrere Hochschulen, die sich durch ihre horizontale sowie ihre vertikale Differenzierung erheblich voneinander unterscheiden können. Die Hochschulen stehen über Mechanismen wie Kooperation, Konkurrenz und Wettbewerb miteinander in Verbindung. Darüber hinaus wirken auch Hochschulen ausländischer Hochschulsysteme auf die Hochschulen ein und stehen mit ihnen in Wechselbeziehungen.

28

B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Staat: Dieses Strukturelement umfasst hochschulpolitische Akteure auf Ebene des Bundes sowie des Landes. Der Staat stellt den Hochschulen finanzielle Mittel bereit, mit denen diese Leistungen in Forschung und Lehre für die Gesellschaft erbringen. Neben den Instrumenten Finanzierung und Planung bedient sich der Staat zusätzlich rechtlicher Eingriffe, um steuernd auf die Ziele und Leistungen der Hochschulen einzuwirken. Da er finanzielle Mittel bereitstellt, beansprucht der Staat Mitspracherechte und Gestaltungsfunktionen (vgl. Alewelll993, S. 36) und stellt so sicher, dass seine forschungs- und bildungspolitischen Ziele Eingang in die Hochschulen finden (siehe Abschnitt a), S. 45). Die rechtlichen Rahmenbedingungen und planerischen Vorgaben von staatlicher Seite begrenzen die Handlungsautonomie der Hochschulen (siehe Abschnitt 11., S. 102 ff.). Gesellschaft: Sie stellt das heterogenste Strukturelement innerhalb eines Hochschulsystems dar. In ihr sind Akteure zusammengefasst, die unterschiedliche Erwartungen gegenüber den Hochschulen haben. Dazu zählen Verbände, Interessengruppen, die Wirtschaft und Privatpersonen. Sie weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sie gegenüber den Hochschulen eine spezifische Nachfrage nach Leistungen in Forschung und Lehre artikulieren und somit die Position eines Nachfragenden gegenüber den Hochschulen einnehmen. Diese Nachfrage kann unterschiedlichster Natur sein, beispielsweise nach Lehrangeboten von Seiten der Studierenden sowie nach konkreten Forschungsergebnissen durch die Wirtschaft oder durch Interessenverbände. Einfluss üben diese Akteure auf verschiedene Art und Weise auf die Hochschulen aus. Zum einen erfolgt die Einflussnahme direkt über die Teilnahme an der Finanzierung der Hochschulen, beispielsweise über Steuergelder oder Drittmittel. Indirekt nehmen sie ihre Interessen wahr, indem sie diese über politische Gruppierungen vertreten lassen, die diese wiederum an die politische Ebene des Landes oder des Bundes weiterleiten, also an das Strukturelement des Staates. 2. Unterschiede zwischen Unternehmen und Hochschulen Um die Leistungsfähigkeit von Hochschulen zu steigern und die Durchführung von Lehre und Forschung effizienter und effektiver zu gestalten, werden in zunehmendem Maße die Übertragbarkeit unternehmerischer Konzepte auf Hochschulen und die Anwendung von Marktmechanismen vorgeschlagen 3 . Zwischen Hochschulen und Unternehmen existieren jedoch Unterschiede, die im Folgenden dargestellt werden. Sie begrenzen eine Übertragung betriebs wirtschaftlicher Lösungsstrategien zur Organisation, Steuerung und Finanzierung der Hochschulen. 3 Siehe dazu Teichler 1998, S. 9 ff.; Hanft 2000b, S. 17 ff.; Nullmeier 2000, S. \05 f.; Winston 1999, S. \3 ff.; Brinckmann 1998, S. 58 ff. und 1\3 ff.; Kieser 1999, S. 284 ff.; Ehrenberg 1999, S. 99 ff.; Franck 2000, S. 20 f.; Neumann 2000, S. 48 f.; Bartölke und Grieger 2000, S. 78 ff.

I. Besondere Merkmale von Hochschulen und Hochschulsystemen

29

1. Zielsetzung - For Profit vs. Nonprofit

In ihrer Gesamtheit haben privatwirtschaftliche Unternehmen den Zweck, die Deckung fremden Bedarfs durch die Erstellung von Gütern und die Bereitstellung von Dienstleistungen zu erreichen. Sie sind zudem durch die Merkmale wirtschaftlicher Selbstständigkeit und die freiwillige Übernahme des Marktrisikos gekennzeichnet. Dem Handeln der Unternehmen liegt die langfristige Gewinnmaximierung zugrunde (vgl. Wöhe 2000, S. 2, 12 und 119). Im Gegensatz dazu bestehen Hochschulen, um durch Forschung und Lehre das vorhandene Wissen zu wahren, weiterzuentwickeln und auf berufliche Tätigkeiten vorzubereiten, soweit in ihnen die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und wissenschaftlicher Methoden erforderlich ist (vgl. BMBF 1999b, S. 17, §2). Zudem soll durch die wissenschaftliche Ausbildung das vorhandene Wissen an breite Kreise der Gesellschaft vermittelt werden (vgl. Neumann 2000, S. 43). Außerdem stellen Hochschulen einen Ort der Entwicklung der Persönlichkeit dar und nehmen Aufgaben der allgemeinen Bildung wahr (vgl. Brinckmann 1998, S. 26). Das Merkmal wirtschaftlicher Selbstständigkeit ist bei Hochschulen nicht vorhanden. Es wird einerseits durch die Form der Finanzierung der Hochschulen (siehe Abschnitt 2., S. 106) sowie durch zahlreiche gesetzliche Vorgaben und staatliche Reglementierungen eingeschränkt (siehe Abschnitt 11., S. 102). Entgegen der Zielsetzung privatwirtschaftlicher Unternehmen streben Hochschulen keine Gewinnmaximierung an. Das gilt sowohl für öffentliche als auch weitgehend für private Hochschulen (vgl. Clotfelter und Rothschild 1993b, S. 21; Franck 2000, S. 21; Winston 1999, S. 14). Die Zielsetzung der Hochschulen weicht folglich von den Zielen privater Unternehmen ab. Dies hat zur Folge, dass betriebswirtschaftliche Steuerungsmodelle, die für die Steuerung gewinnmaximierender Unternehmen entwickelt wurden, bei ihrer Übertragung auf den Hochschulbereich an Grenzen stoßen und nur bedingt anwendbar sind. 2. Organisationsstrukturen

Hochschulen weisen in ihren Organisationsstrukturen und den damit gekoppelten Entscheidungs- und Weisungsrechten Unterschiede gegenüber Unternehmen auf (siehe auch Abschnitt 11., S. 102). Während die Struktur von Unternehmen entweder funktional oder divisional strukturiert ist, sind in Hochschulen, in Abhängigkeit von den jeweiligen Aufgabenbereichen, beide Organisationsforrnen anzutreffen. Die Aufgaben der Forschung und Lehre sind divisional nach Fachbereichen organisiert. Funktional nach Funktionsbereichen sind hingegen diejenigen Einrichtungen organisiert, die die Erfüllung der Aufgaben in Forschung und Lehre unterstützen, indem sie entsprechende Dienstleistungen anbieten. Zu diesen Serviceeinrichtungen zählen die Hochschulverwaltung und zentrale Einrichtungen, wie z.B. Bibliotheken, Rechenzentren, Fachsprachenzentren, etc. (diese Organisationsstruktur wird auch deutlich in der Abbildung 2.).

30

B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

divisionale OrganisationsstruklUr

funktionale Organisationsstruktur

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 2: Kombination divisionaler und funktionaler Organisationsstrukturen

Für den wissenschaftlichen Bereich ist eine ausgeprägte horizontale Differenzierung kennzeichnend, die sich an wissenschaftlichen Disziplinen orientiert. Die organisatorische Grundeinheit bilden die Fachbereiche4 , die mit der Durchführung der Aufgaben in Forschung und Lehre beauftragt sind. Innerhalb der Fachbereiche setzt sich die Gliederung fort in operative Einheiten, wozu Institute, Abteilungen und Lehrstühle zählen (vgl. Clark 1983, S. 37). Sowohl für die Fachbereiche als auch für die darunter angesiedelten Einheiten sind zwei Merkmale spezifisch. Zum einen konzentrieren sie sich auf ihre jeweilige wissenschaftliche Disziplin und befassen sich daher mit sehr unterschiedlichen Inhalten. Zum anderen besteht zwischen ihnen ein geringer Grad der Interdependenz. Die Tatsache, dass die wissenschaftlichen Disziplinen über zum Teil sehr unterschiedliche Arbeitsformen und Wissenschaftskulturen verfügen, wirkt sich für die Organisation der Hochschule zusätzlich desintegrierend aus (vgl. Pellert 2000, S. 44). Weick (1976, S. 1 ff.) bezeichnet die Art der Verbindung der Fachbereiche als eine Form loser Kopplung. Diese Form der Organisation soll primär sicherstellen, dass der Grad der Freiheit, auf den die organisatorischen Grundeinheiten bei der Ausübung ihrer Aufgaben von Forschung und Lehre angewiesen sind, gewährleistet wird 5 . Allerdings erschwert diese für den wissenschaftlichen 4 In manchen Hochschulen bilden an Stelle der Fachbereiche die Fakultäten die organisatorische Grundeinheit. Im Folgenden wird synonym der Begriff Fachbereich verwendet. 5 Vorzüge dieser Form der Organisation werden sowohl in Weicks Beitrag (1976, S. 1 ff.), als auch von Hödl und Zegelin (1999, S. 252 f.) sowie von Hanft (2000b, S. 17 f.) dargestellt.

I. Besondere Merkmale von Hochschulen und Hochschulsystemen

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Bereich der Hochschulen spezifische Organisationsstruktur eine hochschul übergreifende Zielbildung und Steuerung. Zusätzlich erschwerend wirkt sich der hohe Grad der Spezialisierung der einzelnen Einheiten aus. Innerhalb hierarchisch strukturierter Unternehmen erhalten nachgeordnete Entscheidungsträger von einer bzw. mehreren übergeordneten Instanzen Weisungen (vgl. Laux und Liermann 1997, S. 187 ff.). Unternehmen werden einheitlich von der obersten Entscheidungsebene, also der Unternehmensleitung, zentral gesteuert, die die Unternehmensziele an die nachgeordneten Entscheidungsebenen weiterleitet. In Hochschulen sind hingegen lediglich die Dienstleistungseinrichtungen nach hierarchischen Organisationsmodellen strukturiert und der Hochschulleitung nachgeordnet. Die Fachbereiche stellen dagegen eine eigene dezentrale Entscheidungsebene in den Hochschulen dar, die nicht direkt den Weisungen der Hochschulleitung unterstellt ist. Sie verfügen über weitreichende Entscheidungskompetenzen, die die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre garantieren sollen. Da Leitungsentscheidungen und Managementfunktionen im Wissenschaftsbereich eine enge Kopplung an die fachliche Arbeit erfordern, sind die Entscheidungen in Hochschulen dezentralisiert auf die Ebene der Fachbereiche bzw. der nachgeordneten Einheiten. Diese Anordnung der Entscheidungskompetenz folgt dem Prinzip, dass Entscheidungen auf den Ebenen zu treffen sind, auf denen die fachliche Kompetenz und die notwendigen Informationen vorliegen. Neben den Fachbereichen gibt es weitere Einrichtungen, die an der Steuerung und Zielbildung der Hochschulen beteiligt sind. Dazu zählen die zentralen Kollegialorgane, wie z.B. Senat, Konvent, Konzil, Kuratorium, etc., die bei Fragen der Grundordnung der Hochschulen, Wahl der Hochschulleitung, Änderung institutioneller Strukturen, usw. über Kontrollfunktionen und zum Teil auch über Entscheidungsrechte verfügen (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 251 ff.; Alewelll993, S. 72 ff.). Demzufolge treffen in Hochschulen Funktionsträger unterschiedlicher Ebenen Entscheidungen, die zum Teil keine einheitlichen Ziele verfolgen. Daraus resultieren mehrere Probleme: Wissenschaftler identifizieren sich in der Regel mit ihrer Fachdisziplin, jedoch weniger mit der Organisation und den Zielen der Hochschule als organisatorische Einheit. Sie sehen sich als Vertreter eines Faches, nicht jedoch als Mitarbeiter der Hochschule. Dementsprechend gibt es ein geringes Interesse, sich für diese zu engagieren (vgl. Pellert 2000, S. 43). Kooperation und Koordination eigener Aktivitäten mit denen anderer wissenschaftlicher Disziplinen geschieht nur auf freiwilliger Basis (vgl. Blum 1993, S. 143). Die dezentrale Anordnung von Entscheidungskompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen bewirkt, dass zum Teil sehr unterschiedliche Zielvorstellungen über die strategische Entwicklung der Hochschule koordiniert und abgestimmt werden müssen. Die Tatsache, dass Entscheidungen auf mehreren Ebenen getroffen werden und zum Teil durch Kollegialorgane erfolgen, kann darüber hinaus bewirken, dass die Verantwortung für die Folgen von Entscheidungen nicht einwandfrei bestimmten Personen zuzuordnen ist. Gerade für die zielgerichtete Steuerung der Hochschule ist

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

das Zusammenfallen von Entscheidungskompetenz und Verantwortung jedoch eine wichtige Voraussetzung (siehe Abschnitt 2., Punkt 2, S. 29 ff.).

3. Besonderheiten des Produktionsprozesses Die Erstellung von Leistungen in Forschung, Lehre sowie von Dienstleistungen in Hochschulen unterscheidet sich durch spezifische Merkmale vom Produktionsbetrieb eines Unternehmens. Bei der Leistungserstellung existiert eine Kuppelproduktion von Forschung und Lehre (v gl. AleweIl 1993, S. 23; Clark 1983, S. 25; Färber 2000, S. 170; Kieser 1999, S. 285; Lüdeke 1985, S. 98; Neumann 2000, S. 44). Allerdings ist eine Kuppelproduktion von Forschung und Lehre nicht der Regelfall, sondern von bestimmten Bedingungen, wie beispielsweise den Lehr- und Forschungsinhalten sowie der Praxisorientierung der Wissenschaftler abhängig. Darüber hinaus führt die Produktion von Forschung und Lehre nicht nur zu positiven Wechsel wirkungen, sondern kann ebenso eine gegenseitige Beeinträchtigung zur Folge haben. Dieser Fall tritt ein, wenn beispielsweise Lehraufgaben die Ausübung der Forschung und umgekehrt Forschungstätigkeiten die Ausübung der Lehre behindern und einschränken (vgl. Altmiks 1999, S. 200; Backes-Gellner 1989, S. 53 ff.; Brinkmann 1991, S. 60 ff.; Franck und Opitz 2000, S. 277 ff.). Entscheidend wirkt sich das Vorliegen einer Kuppelproduktion darauf aus, dass eine eindeutige Trennung der Produktionsprozesse von Forschung und Lehre nur eingeschränkt oder unter unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. Eine klare Zuordnung entstandener Kosten, entweder für den Bereich der Forschung oder der Lehre, gestaltet sich daher schwierig. Eine getrennte Finanzierung dieser Leistungen wird dadurch eingeschränkt. Diese Aussage gilt in erster Linie für die gegenwärtigen Rahmenbedingungen im deutschen Hochschulsystem. Tätigkeiten lassen sich selten eindeutig den Bereichen Forschung und Lehre zuordnen. Eine generelle Möglichkeit zur Trennung der Aufgabenbereiche von Forschung und Lehre wird von dieser Aussage nicht ausgeschlossen. Als Beispiel für die vollständige Trennung von Forschung und Lehre können ausländische Hochschulsysteme dienen, in denen es einerseits überwiegend auf Forschung ausgerichtete Hochschulen gibt und andererseits Hochschulen, die sich ausschließlich der Lehre widmen. Die hier angenommene Existenz einer Kuppelproduktion ist insofern problematisch, da die Betrachtungen in Abschnitt 11. (S. 36) zeigen, dass Lehre und Forschung unterschiedliche Gütereigenschaften aufweisen und daher verschiedene Formen der Finanzierung, also einerseits staatlich und andererseits privat, sinnvoll erscheinen lassen. Auch bei einer qualitativen und quantitativen Bewertung der Leistungen durch Indikatoren muss der Aspekt der Kuppelproduktion Berücksichtigung finden. Die Bewertung und Interpretation eines Lehrleistungsindikators lässt sich dementsprechend nicht ohne Berücksichtigung der ihn beeinflussenden Forschungsindikatoren zufriedenstellend vornehmen (siehe Ab-

I. Besondere Merkmale von Hochschulen und Hochschulsysternen

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schnitt 3., S. 61). Ein weiterer Aspekt, der Hochschulen in der Bereitstellung von Leistungen und Diensten von Unternehmen unterscheidet, ist, dass Studierende sowohl als Nachfrager von Leistungen gegenüber den Hochschulen auftreten, als auch gleichzeitig aktiv an der Erstellung dieser Leistungen mitwirken (vgl. van Lith 1995, S. 41 ff.; Winston 1999, S. 17; Frank 2001, S. 2; Gundlach 2000, S. 27). Da Studierende sowohl Nachfrager als auch Teil des Produktionsprozesses sind, beeinflussen sie somit gleichzeitig die Qualität der von ihnen nachgefragten Leistungen. Der Einfluss der Studierenden auf die Qualität der Leistungen wird auf das Vorhandensein von "Peer Effects" zurückgeführt (vgl. Clotfelter 1999, S. 5; Franck und Opitz 2000, S. 279; Winston 1999, S. 17). Der individuelle Erfolg eines Studierenden ist dabei abhängig von der Leistungsbereitschaft der Kommilitonen (Peers 6 ) sowie von deren Talent und Leistungsstand. Dieser Zusammenhang basiert auf der Annahme, dass Studierende mit- und voneinander lernen, sich gegenseitig motivieren und dementsprechend zu einer hohen Leistung antreiben. Die Qualität, die das Studium eines Studierenden aufweist, wird in Folge dessen in hohem Maße von seinen Kommilitonen beeinflusst. Daraus lässt sich schließen, dass eine Vorauswahl der Studierenden eine wichtige Größe ist, die die spätere Qualität der Leistungen sowohl der Studierenden, aber auch der Hochschule in Forschung und Lehre beeinflusst. 4. Wissenschaftliche Zeithorizonte Die Durchführung wissenschaftlicher Tätigkeiten an Hochschulen ist im Vergleich zu unternehmerischen Vorhaben an wesentlich breiteren Zeithorizonten orientiert und eher langfristig ausgerichtet. Lange Zeiträume sind in der Forschung zudem mit der Ungewissheit über die zu erzielenden Ergebnisse verbunden. Dies gilt insbesondere für die Grundlagenforschung. Ein Unternehmen, das am Markt operiert, plant seine Aktivitäten eher für kürzere Zeiträume. Kerber (1998, S. 337) folgert daraus, dass eine unternehmerische Ausrichtung, beispielsweise der Forschung, aufgrund der Kurzsichtigkeit des Marktes (höhere Zeitpräferenz) und des erhöhten Risikos durch ungewissen Ausgang (vgl. Kerber 1998, S. 338) zu einem Marktversagen führt (siehe Abschnitt 11., S. 36). In Hochschulen müssen Entscheidungen über die Durchführung und Finanzierung sowohl kurzfristiger und gegenwartsbezogener Projekte, als auch langfristig ausgerichteter Forschungsvorhaben getroffen werden. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommene Entscheidung kann dabei erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Ausstattung bestimmter Aufgabenfelder haben. 6 Der hier verwendete Ausdruck "Peers" beruht auf der von Clotfelter, Franck und Opitz sowie Winston zugrundegelegten Begriffsdefinition. Demnach sind "Peers" die Kommilitonen von Studierenden. Unter dem Begriff "Peers" werden in anderem Zusammenhang auch Gutachter bei Evaluationsverfahren bezeichnet. Dabei handelt es sich um externe Hochschullehrer, denen als externe Wissenschaftler und Experten die Aufgabe obliegt, eine Bewertung und Evaluation der Arbeit ihrer Fachkollegen vorzunehmen. Diese Begriffsdefinition ist im vorliegenden Kontext jedoch nicht gemeint.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Diese "Intertemporalität der Wissenschaft" (AleweIl 1993, S. 27) hat zur Folge, dass die Entscheidungen, die innerhalb von Hochschulen über Aus- oder Abbau bestimmter Disziplinen oder Teilgebiete zu treffen sind, sehr langfristige Auswirkungen haben können und aufgrund dessen einer entsprechenden Prüfung unterzogen werden müssen. Die unternehmerische Freiheit der Universität, sofern sie überhaupt gegeben ist (siehe Punkt 1, S. 29), ist durch die langen Planungszeiträume und die dadurch gebundenen Ressourcen in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt. 5. Personenabhängigkeit des Wissens

Kennzeichnend für Hochschulen ist, dass das Wissen in hohem Maße personengebunden ist (vgl. Kappier, Laske und Meister-Scheytt 1999, S. 630). Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern und in besonderem Maße bei den Professoren handelt es sich um Experten, deren Wissen in der Regel auf eine wissenschaftliche Disziplin konzentriert ist und innerhalb dieser wiederum einen hohen Grad der Spezialisierung aufweist. Dies hat zur Folge, dass diese Personen aufgrund ihres hohen Professionalisierungsgrades und ihrer Spezialisierung hochschulintern nur sehr bedingt für andere Tätigkeiten eingesetzt werden können. Für die Hochschulen hat dies nicht unerhebliche Auswirkungen auf die flexibilität des Einsatzes der Beschäftigten sowie deren hochschulinterne Mobilität. Im Gegensatz zu Unternehmen besitzen Hochschulen daher nur sehr begrenzte Möglichkeiten, eine Umstrukturierung vorzunehmen, indem eine Umverteilung von Aufgaben vorgenommen wird, bzw. eine Zuweisung neuer Arbeitsfelder erfolgt. Die ausgeprägte Personenabhängigkeit der Durchführung von Aufgaben in Forschung und Lehre hat des Weiteren zur Folge, dass die dafür beauftragten Personen monopolähnliche Wissensbestände aufbauen und aufweisen. Die Informationen darüber, ob die erbrachten Leistungen inhaltlich optimal erfolgen, liegen somit auf der untersten organisatorischen Ebene der Hochschule und zwar auf Ebene der Institute, bzw. Lehrstühle vor (siehe Punkt 2, S. 29) (vgl. Liefner 2001, S. 26). Daraus folgt, dass in Hochschulen, abweichend zu Unternehmen, eine Steuerung durch ein Management bzw. ein Leitungsgremium erschwert ist. 6. Bewertungsmaßstäbe - Messbarkeit von Qualität

Um die Leistungen an Hochschulen bewerten, bzw. Maßstäbe für das Erreichen von Qualität, Effizienz und Effektivität anlegen zu können, müssen vorab definierte Ziele vorliegen, die zur Messung der Zielerreichung herangezogen werden. Wie bereits in Punkt 1 (S. 29) dargestellt, verfolgen Hochschulen im Gegensatz zu gewinnorientierten Unternehmen, nicht das Ziel der Gewinnmaximierung, was dadurch als Bewertungsmaßstab wegfällt. Die im §2 des Hochschulrahmengesetz (HRG) (vgl. BMBF 1999b, S. 17) aufgeführten Aufgaben sind sehr allgemein gehalten und nicht präzise genug formuliert, um sie als Maßstab der Zielerreichung heranziehen zu können (vgl. Altmiks 1999, S. 200 f.).

I. Besondere Merkmale von Hochschulen und Hochschulsystemen

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§2 Aufgaben (1) Die Hochschulen dienen entsprechend ihrer AufgabensteIlung der Pflege

und der Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat.Sie bereiten auf berufliche Tätigkeiten vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und wissenschaftlicher Methoden oder die Fähigkeit zu künstlerischer Gestaltung erfordern. (3) Die Hochschulen fördern die Weiterbildung ihres Personals. (7) Die Hochschulen fördern den Wissens- und Technologietransfer. Quelle: BMBF 1999b, S. 17

Hochschulen weisen u.a. aufgrund der horizontalen Differenzierung nach wissenschaftlichen Disziplinen (siehe Punkt 2, S. 29) und den unterschiedlichen Interessen ihrer Mitglieder sehr differenzierte und zum Teil sogar einander widersprechende Ziele auf. Dementsprechend liegen sowohl Zielpluralität, als auch Zielkonftikte vor (vgl. Kappier, Laske, Meister-Scheytt 1999, S. 629 und 635). Ein weiteres Problem der Leistungsmessung ist, dass die Qualität der Leistungen in der Regel gar nicht oder nur durch einen nicht gerechtfertigten, hohen Arbeitsund Kostenaufwand zu erheben ist (vgl. Franck und Opitz 2000, S. 273). Daraus ergeben sich Probleme einer Bewertung und einer daraus abgeleiteten Steuerung und Kontrolle hochschulinterner Prozesse. "Das Kernproblem aller Steuerungsund Kontrollversuche dürfte das Problem der Definition und Feststellung von Qualität sein. Begrenzt kann man sich zwar auch hier quantitativer Indikatoren bedienen (z.B. eingeworbene Drittmittel, Zitations- und Publikationsindizes, ordinales Ranking), doch ist sowohl in der Lehre wie in der Forschung weder der Qualitätsgrad noch die Qualitätsart einer wissenschaftlichen Leistung zuverlässig quantitativ zu messen. Insofern bleibt nur die verbale Umschreibung oder das Qualitätsurteil " ... vom Fachmann (oder Komitees) abgegeben und vom kundigen Leser ausgewertet. .. "(AlewellI993, S. 161 f.). Auch in diesem Punkt stößt man auf hochschul spezifische Gegebenheiten, die eine Übertragung von Mechanismen und Instrumenten aus dem Bereich der Wirtschaft erschweren. Für die oben dargestellten Punkte lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Hochschulen im Vergleich zu Privatunternehmen erhebliche Unterschiede aufweisen. Daraus zu folgern, dass Lösungen zur Steuerung, die sich in der Betriebswirtschaftslehre als erfolgreich herausgestellt haben, generell für Hochschulen abzulehnen sind, wäre nicht richtig. Die Betrachtungen dieses Abschnitts verdeutlichenjedoch, dass bei einer Übertragung unternehmerischer Finanzierungs-, Organisations- und Steuerungsverfahren auf Hochschulen deren spezifische Eigenschaften in geeigneter Weise zu berücksichtigen sind.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

11. Ansätze zur Begründung der staatlichen Finanzierung von Hochschulen Die Finanzierung der Hochschulen erfolgt in Deutschland zum größten Teil staatlich (siehe Abschnitt 2., S. 106), wodurch faktisch ein staatliches Angebotsmonopol besteht. Daraus ergibt sich die Frage, mit welcher Begründung eine öffentliche Finanzierung und Bereitstellung von Forschung und Lehre erfolgt und nicht einem privaten Bildungsmarkt überlassen wird. Grundsätzlich kann eine Intervention des Staates stets dann sinnvoll sein, wenn ein Marktversagen vorliegt, d.h. der Marktmechanismus entweder aufgrund des Fehlens konstitutiver Voraussetzungen 7 nicht angewendet werden kann oder aber gesellschaftspolitisch unerwünschte Ergebnisse hinsichtlich der Allokation, Distribution oder der Stabilität zur Folge hat (vgl. Nowotny 1999, S. 33). Als Begründung der staatlichen Hochschulfinanzierung werden in erster Linie die Allokations- sowie die Distributionsfunktion herangezogen. Als Allokationsfunktion wird die Korrektur marktwirtschaftlicher Ineffizienz verstanden. Mit der Distributionsfunktion wird die Korrektur der marktwirtschaftlichen Verteilung bezeichnet (vgl. Straubhaar und Winz 1992, S. 52). Entsprechend dieser Argumentation macht Marktversagen die staatliche Finanzierung erforderlich. Marktversagen kann, wie erwähnt, verschiedene Ursachen haben 8 . Die Begründung von Marktversagen im Hochschulbereich konzentriert sich auf die spezifischen Eigenschaften der durch die Hochschulen angebotenen Güter und Dienstleistungen und leitet daraus die Notwendigkeit staatlicher Aktivitäten ab. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwieweit es sich bei den Leistungen der Hochschulen um öffentliche bzw. meritorische Güter handelt und inwieweit externe Effekte von ihnen ausgehen. Dementsprechend werden im Folgenden die einzelnen, von den Hochschulen erbrachten Leistungen, also Forschung und Lehre, in Hinblick darauf untersucht, ob bei einer Bereitstellung durch den Markt ein Marktversagen zu erwarten ist. Aufgrund des unterschiedlichen Charakters der von den Hochschulen produzierten Güter und Dienstleistungen werden diese für die Analyse untergliedert. Eine Differenzierung zwischen Grundlagenforschung, anwendungsorientierter Forschung sowie wissenschaftlicher Ausbildung der Studierenden, kurz der Lehre, stellt dafür einen sinnvollen Ansatz dar (vgl. Neumann 2000, S. 43).

7 Dazu zählen z.B. die Existenz natürlicher Monopole oder das Fehlen von Verfügungs- und Eigentumsrechten. 8 Für verschiedene Begrundungsansätze von Marktversagen siehe Nowotny 1999, S. 33 ff.; Fritsch, Wein, Ewers 1999, S. 91 ff.; Musgrave et al. 1994, S. 68 ff.

11. Ansätze zur Begründung der staatlichen Finanzierungvon Hochschulen

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1. Öffentliche und meritorische Güter

Die staatliche Finanzierung der Hochschulen wird u.a. daraus abgeleitet, dass es sich bei den Aufgaben der Forschung und Lehre, die die Hochschulen erbringen, um öffentliche Güter handelt. Sie lassen sich dadurch charakterisieren, dass einerseits niemand von ihrem Konsum ausgeschlossen werden kann (Nichtanwendbarkeit des Ausschlussprinzips) und andererseits keine Rivalität beim Konsum vorliegt (nichtrivalisierender Konsum) (vgl. Fritsch, Wein, Ewers 1999, S. 344). Treffen diese bei den Eigenschaften für ein bestimmtes Gut zu, so ist die Funktionsfähigkeit des Marktprinzips nicht gegeben und eine staatliche Bereitstellung wird notwendig (vgl. Ewers 1996, S. 5). Im Gegensatz zu privaten Gütern werden öffentliche Güter nicht vom Markt bereitgestellt, da die Nutzer, von Ausnahmen abgesehen, nicht bereit wären, für den Konsum einen entsprechenden Beitrag zu zahlen 9 . Bei meritorischen Gütern handelt es sich um Produkte und Dienstleistungen, die zwar durch den Markt bereitgestellt werden könnten, jedoch nicht mit einem ökonomisch oder gesellschaftspolitisch gewünschten Ergebnis (vgl. Nowotny 1999, S. 39 ff.). Eine Bereitstellung durch den Staat erfolgt, da mit ihnen Gesellschaftsbedürfnisse gedeckt und staatliche Zielsetzungen verfolgt werden (vgl. Musgrave et al. 1994, S. 89). Im Gegensatz zu öffentlichen Gütern kann bei meritorischen Gütern durchaus das Ausschlussprinzip angewendet werden. Trotzdem wird eine staatliche Bereitstellung vorgezogen. Sie wird damit begründet, dass die Konsumenten nach Auffassung staatlicher Entscheidungsträger ein Gut in zu geringem Maße nachfragen würden, wenn es durch den Markt bereitgestellt werden würde (vgl. Fritsch, Wein, Ewers 1999, S. 342). Als Ursache für die zu geringe Nachfrage nach Gütern wird die verzerrte Rationalität der Konsumenten angeführt. Deren Ursache ist wiederum darin zu sehen, dass die Konsumenten aufgrund unvollständiger oder falscher Informationen und zu kurzer Zeithorizonte falsche Nutzungsentscheidungen treffen (vgl. Nöwotny 1999, S. 39 ff.). Somit dient Nichtrationalität der Konsumenten als Begründung für einen staatlichen Eingriff. Folglich impliziert die staatliche Finanzierung bei meritorischen Gütern die Korrektur der individuellen Interessen der Nutzer (vgl. Head 1974, S. 216). Durch die staatliche Finanzierung werden die meritorischen Güter subventioniert, wodurch erreicht werden soll, dass die Präferenzen der Konsumenten korrigiert werden und zu einer gesteigerten Nachfrage nach einem meritorischen Gut führen (vgl. Fritsch, Wein, Ewers 1999, S. 342). Die Einordnung eines Gutes zur Gruppe der meritorischen Güter ist von der jeweiligen Auffassung der staatlichen Entscheidungsträger abhängig, welche Funktionen und Aufgaben der öffentliche Sektor ihrer Meinung nach erfüllen 9 Öffentliche Güter sind beispielsweise Umweltschutzmaßnahmen, Straßenbeleuchtung, Sicherheit, Leuchttürme, Hochwasserschutz, etc.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

soll (siehe Abschnitt 3., S. 43). Daher unterliegt die Einordnung von Produkten und Dienstleistungen in die Gruppe meritorischer Güter zeitlichen Veränderungen, die durch wandelnde gesellschaftliche Prioritäten bedingt sind (vgl. Nowotny 1999, S. 40). Bei der Definition meritorischer Güter ist die Entscheidung der staatlichen Entscheidungsträger sowohl von allokativen, als auch von distributiven Aspekten geleitet. Sie wird aber auch durch die Annahme der Existenz positiver externer Effekte aufgrund einer staatlichen Finanzierung von Forschung und Lehre beeinflusst und geleitet (siehe Abschnitt 2., S. 39). Grundlagenforschung: Sie weist Eigenschaften eines öffentlichen, bzw. meritorischen Gutes auf. Einerseits können die Ergebnisse der Grundlagenforschung nicht unmittelbar in wirtschaftlich relevante Aktivitäten umgesetzt werden, da Anwendungsmöglichkeiten im Voraus schwer oder gar nicht abzuschätzen sind bzw. erst nach vielen Jahren ersichtlich werden. Dadurch ist es für den Produzenten nicht möglich, die aufgewendeten Kosten über die Vermarktung der Ergebnisse zu decken. Es würde kein funktionsfähiger Markt für Grundlagenforschung entstehen. Als Folge dessen würden grundlagenorientierte Forschungsergebnisse nur zufällig anfallen oder es würde nur in einem Ausmaß Grundlagenforschung betrieben werden das genügt, um in der anwendungsorientierten Forschung weitere Fortschritte erzielen zu können. Im Gegensatz dazu wird durch die staatliche Finanzierung der Grundlagenforschung erreicht, dass sie überhaupt durchgeführt wird, deren Ergebnisse allgemein zugänglich sind und einer breiten Anwendung zugeführt werden können. Ohne eine staatliche Finanzierung ist davon auszugehen, dass Grundlagenforschung in einem nicht ausreichenden Maß betrieben werden würde. Die genannten Gründe sprechen somit für ihre staatliche Finanzierung (vgl. Ewers 1996, S. 5 ff. und Neumann 2000, S. 43 ff.). Anwendungsorientierte Forschung: Im Gegensatz zur Grundlagenforschung lässt sich die staatliche Finanzierung der anwendungsorientierten Forschung nicht mit dem Vorliegen eines öffentlichen bzw. meritorischen Guts rechtfertigen, da die Ergebnisse der anwendungsorientierten Forschung durch Patentierung zu marktfähigen Gütern werden, auf die das Ausschlussprinzip angewendet werden kann (Neu mann 2000, S. 43 ff.). Der Produzent von Forschungsergebnissen kann somit die Kosten seiner Forschungstätigkeiten über die Vermarktung der Ergebnisse decken. Da es sich also bei der anwendungsorientierten Forschung nicht um ein öffentliches Gut handelt, kann von diesem Standpunkt aus eine staatliche Finanzierung nicht gerechtfertigt werden (vgl. Ewers 1996, S. 6). Lehre: Sie stellt kein öffentliches Gut dar, da das Ausschlussprinzip angewendet werden kann. Auch wenn das Verfahren des Numerus Clausus (NC) aus Gründen der Kapazitätsauslastung praktiziert wird und nicht zum Ziel des Ausschlusses nichtzahlender Konsumenten, so handelt es sich doch um die praktische Anwendung des Ausschlussprinzips. Das Verfahren macht es einem Teil der Studierwilligen temporär unmöglich, einen bestimmten Studiengang aufzu-

11. Ansätze zur Begründung der staatlichen Finanzierungvon Hochschulen

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nehmen. Außerdem wird das Ausschlussprinzip im Hochschulalltag durch die Begrenzung der Teilnehmerzahlen in Lehrveranstaltungen, wie z.B. Seminaren oder Übungen, praktiziert. Eine Bereitstellung von Lehrleistungen unter Anwendung des Ausschlussprinzips, ist in einem privat finanzierten Bildungsmarkt ohne größere Probleme zu realisieren. Das Beispiel des Numerus Clausus zeigt darüber hinaus, dass Rivalität um die Teilnahme an Studiengängen existiert. Zudem verdeutlicht der Besuch eines überfüllten Seminars oder einer Übung, dass ab einer bestimmten Teilnehmerzahl durchaus Rivalität des Konsums einsetzt, die sich in einer Verschlechterung der Qualität der Lehrveranstaltung äußert. Daher stellt das Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden bei der Evaluation von Hochschulen ein wichtiges qualitatives Kriterium dar. Die Entscheidung, ob man die staatliche Finanzierung der Lehre der Hochschulen durch die Zuordnung zur Gruppe der meritorischen Güter rechtfertigen kann, ist umstritten. Eine Begründung, die diese Argumentation unterstützt, ist der Verweis auf mangelnde Informationen, z.B. über den Vorteil eines Studiums sowie den langen Zeitraum, bis ein finanzieller Nutzen eines Studiums eintritt, die den Nachfragern eine Entscheidung zur Aufnahme eines Studiums erschweren. Marktversagen wird somit auf mangelnde Nachfragesouveränität zurückgeführt, der wiederum Informationsmängel als Ursache zugrunde liegen. Unter diesen Annahmen können die Lehrleistungen der Hochschulen durchaus als meritorisches Gut eingestuft werden. Kerber (1998, S. 350) wendet dagegen ein, dass auf einem privaten Bildungsmarkt ausreichend Informationen zur Verfügung bereitgestellt werden, da die Anbieter von Ausbildungsleistungen einen hohen Anreiz hätten, dass die Konsumenten sich für und nicht gegen die Aufnahme eines Studiums entschieden. Van Lith (1985, S. 133) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gerade im Gegenteil das Fehlen eines Wettbewerbs unter den Bildungseinrichtungen, also den Hochschulen, Ursache des Informationsmangels ist. Mangelnde Nachfragesouveränität ist unter diesen Gesichtspunkten kein überzeugendes Argument für die staatliche Finanzierung der Lehre. Aus der Argumentation lässt sich schließen, dass die Finanzierung der Lehrleistungen der Hochschulen nicht mit Argumenten des Marktversagens begründet werden kann. Die Charakteristika der Lehre schließen deren private Bereitstellung über einen privaten Bildungsmarkt grundsätzlich nicht aus.

2. Externe Effekte Ein weiteres Argument zur Begründung der staatlichen Finanzierung von Hochschulen ist die Existenz externer Effekte. Sie liegen vor, wenn die Lage eines Wirtschafts subjekts durch die Aktivitäten eines anderen Wirtschaftssubjekts positiv oder negativ beeinflusst wird, ohne dass dafür eine Gegenleistung in Form einer Bezahlung, bzw. Entschädigung erfolgt. Externe Effekte führen zu einer Fehlallokation von Ressourcen (vgl. Nowotny 1999, S. 43 ff.; Head 1974, S.190).

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Im Falle negativer externer Effekte übersteigen die gesamten gesellschaftlichen Kosten die internen Kosten, die ein Produzent bzw. Konsument trägt. Bei negativen externen Effekten wälzt der Produzent die ihm entstehenden Kosten auf andere Akteure ab. Er bezieht nur die von ihm zu tragenden, internen Kosten in die Kostenkalkulation der Produktion ein. Deshalb entsprechen die internen Kosten sowie die darauf beruhenden Preise nicht den tatsächlich anfallenden volkswirtschaftlichen Kosten. Dadurch kommt es zu einer Fehlallokation in Form einer zu hohen Produktion bei zu niedrigen Preisen und folglich zu einem zu hohen Verbrauch. Ein staatlicher Eingriff wird bei negativen externen Effekten deshalb notwendig, um den Verursachern negativer externer Effekte die Kosten anzulasten, das heißt, sie zu internalisieren (vgl. Nowotny 1999, S. 43-45). Bei der Existenz positiver externer Effekte übersteigt der gesamte gesellschaftliche Nutzen bzw. Ertrag einer Maßnahme den Nutzen des Produzenten bzw. des Konsumenten, ohne dass Dritte, die von dieser Maßnahme profitieren, eine marktmäßige Gegenleistung erbringen (vgl. Ewers 1996, S. 7). Positive externe Effekte führen dazu, dass nicht ausschließlich dem Produzenten, bzw. Nutzer einer Maßnahme, die dadurch entstehenden Vorteile zufallen. Auch für Dritte, bzw. die Gesellschaft, fallen zusätzliche Erträge ab (vgl. Straubhaar und Winz 1992, S. 60). Im Falle positiver externer Effekte werden dem Nutzenstifter, der das positive externe Effekte hervorrufende Gut produziert, bzw. nachfragt, nicht die gesamten durch seine Produktion, bzw. Nachfrage, entstandenen Kosten entgolten. Dies hat zur Folge, dass das von ihm bereitgestellte, bzw. angebotene Gut zu einem zu niedrigen Preis und in zu geringer Menge hergestellt, bzw. konsumiert wird. Auf der anderen Seite wird der Dritte, der von den positiven externen Effekten profitiert, eine zu hohe Produktionsmenge bei gleichzeitig zu niedrigen Preisen nachfragen. Dadurch kann es zu einer Fehlallokation von Ressourcen kommen, die staatliche Eingriffe erforderlich macht (vgl. Fritsch, Wein und Ewers 1999, S. 107). Die staatlichen Entscheidungsträger streben durch die Subventionierung der Produktion eines Gutes, dessen Produktion mit möglichen positiven externen Effekten verbunden ist, eine gesamtwirtschaftlich erwünschte Ausweitung der Produktion und Nachfrage an. Durch die Subventionierung wird dem Nutzenstifter der durch seine Produktion bzw. Nachfrage generierte zusätzliche gesellschaftliche Ertrag entgolten (vgl. Nowotny 1999, S. 44 f.). Die Theorie der externen Effekte bietet vielfältige Optionen, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der staatlichen Hochschulfinanzierung zu analysieren. Entsprechend der bereits für meritorische Güter praktizierten Vorgehensweise werden die einzelnen Güter und Dienstleistungen, die von den Hochschulen bereitgestellt werden, auf das Vorhandensein externer Effekte und die damit verbundene Zweckmäßigkeit staatlicher Finanzierung analysiert. Grundlagenforschung: Mit der Durchführung von Grundlagenforschung sind positive externe Effekte verbunden (vgl. Färber 2000, S. 169 f.). Durch die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse stehen die Erkenntnisse potenziellen An-

11. Ansätze zur Begründung der staatlichen Finanzierungvon Hochschulen

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wendern kostenlos zur Verfügung (vgl. Liefner 2001, S. 27). Zwar wäre es möglich, die Ergebnisse der Grundlagenforschung durch entsprechende patentrechtliehe Bestimmungen exklusiv dem Forscher zu überlassen, damit dieser darüber ein entsprechendes Einkommen realisieren kann, aber wie bereits im vorhergehenden Abschnitt erwähnt (siehe Abschnitt 1., S. 38), ist eine Deckung der aufgewendeten Kosten der Grundlagenforschung über die Vermarktung der Ergebnisse nicht möglich. Eine Einschränkung der Verwertung und Anwendung der Forschungsergebnisse würde vermutlich höhere gesellschaftliche Kosten verursachen, als die vollständige staatliche Finanzierung der Grundlagenforschung (vgl. Schuetze 1999, S. 642). Diese Annahme wird dadurch unterstützt, dass der Staat ein Interesse daran hat, dass die Ergebnisse der Grundlagenforschung bestmöglich ausgeschöpft werden und somit das Potenzial positiver externer Effekte, das mit der Verbreitung der Ergebnisse zur Verfügung steht, ausgenutzt wird (vgl. Ewers 1996, S. 5). Ohne eine staatliche Finanzierung würde in einem nur unzureichenden Maß Grundlagenforschung durchgeführt werden, da für Private keine entsprechenden Anreize zu deren Durchführung vorliegen.

Anwendungsorientierte Forschung: Der Produzent anwendungsorientierter Forschung kann durch die Forschungsergebnisse eine vollständige Internalisierung der von ihm aufgewendeten Kosten erzielen (vgl. Ewers 1996, S. 6). Dies wird durch die Patentierung der Ergebnisse erzielt, die dadurch zu marktfähigen Gütern werden (vgl. Neumann 2000, S. 44). Anwendungsorientierte Forschung erzeugt keine positiven externen Effekte. Eine selbst nur zum Teil staatlich getragene Finanzierung der anwendungsorientierten Forschung würde im Gegenteil dazu führen, dass Forschungsaufträge, die normalerweise durch interne Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Wirtschaft durchgeführt werden, an die subventionierten Hochschulen vergeben und ausgelagert werden. Das hätte zur Folge, dass der Staat die Kosten der Erforschung und Entwicklung marktfähiger Produkte subventionieren würde, wodurch ihm zusätzliche Kosten entstünden. Dies käme einer indirekten Subventionierung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten der Unternehmen gleich. Lehre: Besteht bei den Argumenten für oder wider eine staatliche Finanzierung der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung eine weitestgehend einheitliche Auffassung, so divergieren die Ansichten bei der Frage, inwieweit die Lehraufgaben der Hochschulen staatlich finanziert werden sollten, um so stärker. Frackmann (1987, S. 61) verweist darauf, dass positive externe Effekte der Hochschulleistungen dazu herangezogen werden, um die Leistungen zum öffentlichen Gut zu deklarieren und somit eine staatliche Finanzierung zu rechtfertigen. Der Bildung werden produktivitätssteigernde, also positive, externe Effekte zugeschrieben, die sowohl den zukünftigen Arbeitgebern als auch der gesamten Gesellschaft zu Gute kommen (vgl. Frackmann 1987, S. 61 ff.; Kerber 1998, S. 347 ff.; Färber 2000, S. 168). Als Hauptargument für die staatliche Bereitstellung von Bildung und in diesem Sinne auch von Leistungen in der Leh-

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

re wird angeführt, dass deren marktmäßige Bereitstellung u.a. deshalb versage und zu einer zu geringen Nachfrage führe, weil die Nachfrager nicht in der Lage seien, den gesamten Nutzen ihres Erwerbs zu internalisieren (vgl. van Lith 1985, S. 30). Nach markttheoretischen Überlegungen wird eine allokative Effizienz dann erreicht, wenn die Externalitäten weitgehend internalisiert werden. In Hinblick darauf haben u.a. van Lith (1985, S. 31 ff.) sowie Ewers (1996, S. 7) und Lüdeke (1985, S. 98 ff.) gezeigt, dass die Aufwendungen der Inanspruchnahme von Lehrleistungen durchaus vollständig den Nachfragern zugeordnet, also internalisiert werden können. Eine staatliche Finanzierung lässt sich aber nur dann rechtfertigen, wenn die positiven externen Effekte durch die einzelnen Bildungsnachfragenden nicht internalisiert werden können (vgl. Straubhaar und Winz 1992, S. 60 f.). Damit verliert die für die staatliche Finanzierung der Lehre herangezogene Argumentation, dass durch die akademische Ausbildung individuell nicht internalisierbare positive externe Effekte entstehen, an Bedeutung. Diese Begründung ist nicht in der Weise zu interpretieren, dass damit die Bedeutung der Hochschulbildung für den Produktivitätsfortschritt und das Wachstum der Wirtschaft bestritten wird (vgl. van Lith 1985, S. 38). Entscheidend ist jedoch die Feststellung, dass die Studierenden die Vorteile einer Hochschulausbildung vollständig internalisieren können. Die Diskussion, ob die akademische Bildung positive externe Effekte hervorrufe, lässt auftretende negative externe Effekte staatlicher Finanzierung der Hochschulen in den Hintergrund treten. Mit der kostenlosen Bereitstellung der Hochschulbildung sind negative externe Effekte verbunden (vgl. van Lith 1985, S. 44). Sie kommen dadurch zustande, dass die Kosten der akademischen Ausbildung auf andere Personen, und zwar die Steuerzahler verlagert werden, die nicht, wie die Studierenden, einen direkten Nutzen aus der Ausbildung ziehen können. Entsprechend der Ergebnisse der obigen Analyse positiver externer Effekte der Lehre, dass die staatliche Finanzierung der Lehrleistungen keinen zusätzlichen gesamtgesellschaftlichen Nutzen erzeugt, entstehen somit negative externe Effekte für die Steuerzahler. Dieser Aspekt hat eine nicht zu unterschätzende distributive Komponente. Van Lith (1985, S. 126 ff.) verweist auf das Beispiel amerikanischer Untersuchungen, die negative Verteilungseffekte durch die steuerliche Finanzierung der Hochschulen nachweisen. Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland kommt Grüske (1994, S. 121) in seiner Studie über die Verteilungseffekte der öffentlichen Hochschulfinanzierung zu einem ähnlichen Ergebnis. Die durch die Hochschulausbildung erworbenen Qualifikationen, die wesentlich zu einem höheren Einkommen der Akademiker beitragen, werden zu beträchtlichen Teilen von Nichtakademikern mit geringeren Lebenseinkommen finanziert (vgl. Timmermann 1994, S. 152; Färber 2000, S. 192). Gerade in Hinblick auf den distributiven Ansatz der staatlichen Finanzierung, der die Korrektur der Verteilung von Vermögen und Einkommen mit dem Ziel eines fairen und gerechten Verteilungsstands realisieren soll, lässt sich somit eine ausschließlich

11. Ansätze zur Begründung der staatlichen Finanzierungvon Hochschulen

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staatlich finanzierte Bereitstellung von Leistungen der Lehre in den Hochschulen schwer begründen (vg1. Musgrave et a1. 1994, S. 6). 3. Verfolgung politischer Ziele

Die vorangegangenen Überlegungen erachten bei der Existenz externer Effekte sowie dem Vorhanden sein öffentlicher und meritorischer Güter aufgrund von Marktversagen einen staatlichen Eingriff für notwendig. Die nachfolgenden Argumente begründen eine staatliche Finanzierung hingegen mit der Verfolgung politischer Ziele. Wie bereits erwähnt, beeinflussen politische Ziele zudem die Einordnung von Leistungen der Hochschulen zur Gruppe meritorischer Güter (siehe Abschnitt 1., S. 37). Hinter einer staatlichen Finanzierung zur Verfolgung politischer Ziele stehen sowohl allokative, als auch distributive Überlegungen. Politische Zielsetzungen stellen eine eher allgemeine Begründung der Beteiligung des Staates an der Hochschulfinanzierung dar. Die politischen Zielsetzungen, die der Finanzierung der Hochschulen zugrunde liegen, haben unterschiedliche Ursachen. Chancengleichheit: Mit der Verwirklichung der Chancengleichheit soll das sozialpolitische Ziel der Schaffung sozialer Gerechtigkeit gefördert werden. Staatliche Aktivitäten werden unternommen, um die Ausgangspositionenjunger Menschen für ihre weitere Entwicklung aneinander anzugleichen (vg1. van Lith 1991, S. 118 ff.). Da der Bildungsgrad unmittelbar die Höhe des Erwerbseinkommens beeinflusst, soll durch eine hohe Partizipation an der staatlich finanzierten Hochschulbildung die Einkommensvarianz verringert werden (vg1. Grüske 1994, S. 71). Diese politische Zielsetzung, die als Sozialfunktion der Hochschule bezeichnet werden kann, hat allerdings gegenwärtig nur noch eine geringe Bedeutung (vg1. Daxner 1999, S. 41; Witte 1999, S. 129 ff.; Hödl und Zege1in 1999, S.97). Regionalökonomische Wirkungen: Ein weiterer Anlass der staatlichen Finanzierung von Hochschulen ist die Verfolgung regionalökonomischer Zielsetzungen. Von Hochschulen gehen regionalökonomische Wirkungen für die sie umgebende Region aus lO (siehe Abschnitt 11., S. 21 ff.). Insbesondere während der Phase der Hochschulexpansion in den 60er und 70er Jahren und der damit verbundenen Neugründung von Hochschulen wurden bei der Standortentscheidung gezielt strukturpolitische Erwägungen berücksichtigt, um die Entwicklung strukturschwacher Räume zu unterstützen (vg1. Becker 1984, S. 26 ff.). Zu diesem Zeitpunkt standen als Entscheidungskriterien die von den Ausgaben der Hochschulen ausgehenden Nachfrageeffekte im Vordergrund, von denen posi10 Ein Überblick über Studien zur regionalökonomischen Bedeutung von Hochschulen in Deutschland findet sich bei Blume und Fromm (2000, S. 7).

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

tive Beschäftigungs- und Einkommenseffekte erwartet wurden. Dadurch wurde den Hochschulen eine aktive Rolle in der Förderung strukturschwacher Räume zugewiesen (vgl. Blume und Fromm 2000a, S. 1). In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion ist die Bedeutung von Nachfrageeffekten in den Hintergrund getreten. Statt dessen ist der Wissenstransfer, also die Funktion der Hochschulen im Prozess der Wissensinkubation und der Wissensvermittlung in den Vordergrund gerückt. Hochschulen erzeugen demnach aufgrund ihrer wissenschaftlichen Tätigkeiten innovative Aktivitäten, die als positive externe Effekte der Wissensproduktion, oder so genannte "Wissensspillover" bezeichnet werden (vgl. Backhaus 2000, S. 33). Unternehmen, die für Innovationsprozesse auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen sind, treten zunehmend als Nachfrager nach Forschungsleistungen auf bzw. kooperieren mit Hochschulen im Forschungsprozess. Im Innovationsprozess nehmen Hochschulen weitere wichtige Funktionen wahr, da sie der lokalen Wirtschaft über ihre in- und ausländischen wissenschaftlichen Kontakte Zugang zu nationalen und internationalen Forschungsergebnissen ermöglichen 11. Zudem formen die Absolventen der Hochschulen einen Pool hochqualifizierter Arbeitskräfte, auf den die regionale Wirtschaft zugreifen kann. Durch Unternehmensausgründungen aus den Hochschulen werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Wissenschaftler und Mitarbeiter der Hochschulen nehmen außerdem in verstärktem Maße Beratungstätigkeiten wahr (vgl. Delanty 1998, S. 17). Hochschulen haben insofern auf vielfältige Weise Einfluss auf regionalökonomische Prozesse.

Staatliches Ausbildungsinteresse: Ein zusätzliches Argument der staatlichen Finanzierung ist die Option konkreter Einflussnahme und Kontrolle bezüglich der Anforderungsprofile ausgewählter Studiengänge. Dies gilt insbesondere für Studiengänge mit staatlichen Abschlussprüfungen, die häufig auf eine spätere Beschäftigung in bestimmten Berufssegmenten abzielen. Dazu zählen beispielsweise Lehramtsstudien, Rechtswissenschaften oder Medizin. Durch staatliche Finanzierung in diesem Bereich behält sich der Staat das Recht vor, detailliert die Anforderungen an die Absolventen festzulegen (vgl. Rollmann 1987, S. 44). Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass eine staatliche Finanzierung von Hochschulen in Teilbereichen, wenn auch nicht überall, sinnvoll sein kann. Alternative Formen der Finanzierung von Hochschulen werden als Bestandteil der Hochschulreform diskutiert. Dazu zählen beispielsweise die Finanzierung durch eine Umwandlung der Hochschulen in Stiftungen (siehe Abschnitt 1., S. 125) sowie eine Beteiligung der Studierenden durch Studiengebühren. Da ein Fortschritt in diesen Bemühungen gegenwärtig noch nicht auszumachen ist, wird nachfolgend die staatliche Finanzierung von Hochschulen als gegeben angese11 Einen Überblick über die Funktion und Bedeutung von Hochschulen im Innovationsprozess bieten Revilla Diez 2000; Fritsch und Schwirlen 1998; Charles und Goddard 1997; Beise und Stahl 1999.

III. Die Steuerung von Hochschulen

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hen. Daraus ergibt sich, dass der Staat ein Interesse an einer Steuerung der Hochschulen hat, um die zweckmäßige Verwendung der von ihm bereitgestellten Ressourcen zu gewährleisten. Auf den Aspekt der Steuerung wird dementsprechend im Folgenden näher eingegangen.

IH. Die Steuerung von Hochschulen 1. Koordinations- und Steuerungsmechanismen in Hochschulen

Die Koordination und Steuerung von Hochschulen wird nach Clark (1983, S. 136 ff.) durch unterschiedliche Kräfte, und zwar durch den Staat, den Markt und die akademische Oligarchie vorgenommen. Je nach Ausgestaltung des jeweiligen Hochschulsystems nehmen diese Kräfte eine verschieden starke Bedeutung ein. Im deutschen Hochschulsystem übt der Markt in Relation zum Staat einen relativ schwachen koordinierenden und steuernden Einfluss aus (vgl. Abschnitt D., S. 100). Angesichts der in Abschnitt 11., (S. 21 ff.) dargestellten Veränderungen, denen sich Hochschulen ausgesetzt sehen, wird zunehmend in Frage gestellt, ob den damit verbundenen Herausforderungen mit einer primär staatlichen Koordination und einer durch rechtliche Instrumentarien geprägten Steuerung adäquat begegnet werden kann. Analog dazu wird erwartet, dass mit einer stärkeren Koordination über den Markt die gegenwärtigen Probleme der Hochschulen besser bewältigt werden können. In diesem Abschnitt wird dargestellt, welche jeweiligen Vor- und Nachteile die Koordination und Steuerung durch den Staat, bzw. über den Markt mit sich bringen. Clark beschränkt sich in seiner Darstellung auf die o.g. Kräfte. In der Realität existieren jedoch nicht rein staatlich, bzw. ausschließlich durch den Markt koordinierte Hochschulsysteme. Es handelt sich vielmehr um Mischformen, bei denen die verschiedenen Elemente in unterschiedlichem Ausmaß Einfluss nehmen. Neben Markt, Staat und akademischer Oligarchie werden zudem weitere Akteure wirksam (vgl. Teichler 1998, S. 19-21), auf die in dieser Arbeit nicht näher eingegangen wird. Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf die Koordinationsmechanismen Staat und Markt. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Gegenüberstellung des rechtlichen Steuerungsinstrumentariums des Staates einerseits, und Märkten, die durch Wettbewerb und Marktkräfte koordiniert werden, andererseits. Aufbauend auf den Nachteilen, die mit einer rein staatlichen, bzw. ausschließlich durch Märkte koordinierten Hochschullandschaft verbunden sind, wird als Alternative die Steuerung über Quasimärkte vorgestellt. a) Steuerung durch den Staat Staatliche Steuerung und Koordination existiert in allen Hochschulsystemen. In Abschnitt 11. (S. 36 ff.) wurde gezeigt, dass staatliche Eingriffe beispielsweise

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

im Bereich der Grundlagenforschung vorgenommen werden, damit diese in ausreichendem Maße betrieben wird. Die staatliche Einflussnahme erfolgt aus dem Interesse des Staates, forschungs- und bildungspolitische Ziele in den Hochschulen zu verfolgen (siehe Abschnitt I., S. 26 ff.). Durch die staatliche Steuerung und Koordination soll erzielt werden, dass die vom Staat bereitgestellten finanziellen Mittel zweckmäßig eingesetzt werden (vgl. Liefner 2001, S. 29). Der Staat nimmt somit die Funktion eines Treuhänders der Gesellschaft gegenüber den Hochschulen wahr (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 139). Bei den in Abschnitt E., ab S. 124 beschriebenen Fallstudien, handelt es sich ausschließlich um deutsche Hochschulen, weshalb sich die folgenden Ausführungen auf Deutschland konzentrieren. Das deutsche Hochschulsystem unterlag bis zu Beginn tiefgreifender Hochschulreformen Anfang der 90er Jahre einer ausgeprägten staatlichen Steuerung. Anhand einer Beschreibung des deutschen Hochschulsystems vor diesem Zeitpunkt werden im Folgenden die Merkmale eines Systems staatlicher Steuerung und Koordinierung exemplarisch erläutert. Dabei werden einzelne Komponenten herausgegriffen, anhand derer verdeutlicht wird, in welcher Art und Weise der Staat in einem staatlich gesteuerten System Einfluss nimmt. Analog zum Aufbau anderer Untersuchungen (vgl. Frackmann 1987, S. 34 ff.; Liefner 2001, S. 29 ff.; Karpen 1989a), wird anhand der Elemente Finanzierung, Budgetierung, Planung, Kontrolle und Entscheidungsstrukturen ein staatlich koordiniertes Hochschulsystem dargestellt. An die Diskussion der einzelnen Elemente schließt sich eine Kritik des staatlichen Steuerungssystems im jeweiligen Teilbereich an . • Finanzierung: Da sich die Hochschulen in staatlicher Trägerschaft befinden, werden sie vom Staat finanziert. Private Hochschulen sind, gemessen an der Zahl der dort Studierenden, zu vernachlässigen (vgl. Abschnitt D., S. 100). Der bedeutendste Posten neben den staatlichen Haushaltsmitteln sind Drittmittel, also Mittel, die hochschulinterne Einrichtungen für die Durchführung grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung von privaten, vornehmlich aber von öffentlichen Mittelgebern erhalten. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Finanzierungsquellen, die jedoch von geringer Bedeutung sind. Die Erzielung von Einnahmen durch Sponsoring ist ein weitgehend unbekanntes bzw. nicht praktiziertes Instrument. Erträge aus Kapitalanlagen (Stiftungen) sowie aus Grundund Immobilienbesitz belaufen sich ebenso wie die Einnahmen aus Spenden auf geringe Beträge (vgl. Helberger 2000, S. 221 ff.). Finanzielle Erlöse aus dem Verkauf von Gütern und Diensten werden in größerem Ausmaß nur VOn den klinischen Abteilungen der Hochschulen durch die Behandlung von Patienten erzielt. Da die Studierenden lediglich Beiträge zu Verwaltungskosten und Studiendienstleistungen zahlen, fallen Studiengebühren als Einnahmequelle weg. Abgesehen von Drittmitteln privater Geldgeber, die bereits in nennenswertem Maß eingeworben werden, erhalten die Hochschulen somit ihre finanziellen Ressourcen, mehrheitlich in Form von Haushaltsmitteln und öffentlichen Drittmitteln, fast ausschließlich vom Staat.

III. Die Steuerung von Hochschulen

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• Budgetierung: So wird das Verfahren bezeichnet, nach dem das Budget einer Hochschule bemessen wird. Die Budgetierung umfasst darüber hinaus die Kriterien der Zuweisung finanzieller Mittel zwischen Staat und Hochschulen sowie die Methoden der hochschulinternen Mittelverteilung. Aufgrund ihrer Rechtsform als Körperschaften des öffentlichen Rechts und staatliche Einrichtungen unterliegen die Hochschulen den Haushaltsvorschriften der öffentlichen Verwaltung, also dem Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) sowie den Landeshaushaltsordnungen (LHO) (vgl. Karpen 1989b, S. 223; Frackmann und de Weert 1993, S. 85). Die Bemessung der Hochschulbudgets erfolgt durch Beschluss des Haushaltsplans durch die Landesparlamente. Die Gültigkeit des Haushaltsplans und somit der Planungszeitraum erstreckt sich jeweils auf ein Haushaltsjahr. Die Höhe des Budgets orientiert sich am Haushaltsansatz des Vorjahres und wird in der Regel inkrementeIl fortgeschrieben. Das Budget weist eine detaillierte Gliederung in Form von Titeln und Stellen auf. Die Hochschulen sind verpflichtet, einen Stellenplan aufzustellen und bekommen die finanziellen Mittel dementsprechend in Form von Stellen zugewiesen. Das verbleibende Budget ist in Form von Titeln untergliedert, die jeweils einer speziellen Zweckverwendung unterliegen (vgl. Frackmann 1987, S. 149 ff.; Paff 1998, S. 32). Die Flexibilität des Mitteleinsatzes ist durch diesen Ausschluss der Verwendung für andere Zwecke ebenso eingeschränkt, wie durch das Verbot der Übertragbarkeit der Mittel in das folgende Haushaltsjahr. Der Grundsatz der lährlichkeit führt dazu, dass nicht verbrauchte Mittel am Ende des Haushaltsjahres wieder an das Finanzministerium zurückfließen 12 . Durch diese Regulierungen, sind die Hochschulen in der Flexibilität ihres Handeins in erheblichem Ausmaß eingeschränkt. Das Verfahren der inkrementellen Haushaltsaufstellung und Fortschreibung des Budgets ist mit dem Problem verbunden, dass eine Diskussion und Kritik der einzelnen Ausgabenposten nicht erfolgt. Zusätzlich führt das Verfahren dazu, dass von Reallokationsmöglichkeiten nur unzureichend Gebrauch gemacht wird (vgl. Buttler 1998a, S. 236) . • Planung: Im staatlichen Hochschulsystem stellt die Finanzplanung das Kernelement der Planungen dar, da Kapazitäts-, Bau-, Personal- und Ausstattungsplanung ohne entsprechende finanzielle Ressourcen nicht realisierbar sind (vgl. Karpen 1989b, S. 225 ff.). Auf Ebene des Hochschulsystems erfolgt eine Planung für verschiedene Teilbereiche. Die erforderlichen Ausbildungskapazitäten werden mit Prognosen über die Entwicklung der Zahl der Studierenden ermittelt (vgl. Peisert und Framheim 1997, S. 59 ff.). Allerdings sind verlässliche Aussagen daraus schwer abzuleiten. Verdeutlicht werden kann das am Beispiel nega12 Zu den Haushaltsgrundsätzen und den Verfahren der Mittelzuweisung siehe Behrens 1996, S. 19 ff.; BMBW 1980, S. 17 ff.; Frackmann und de Weert 1993, S. 85; Karpen 1989a, S. 70 ff.; Kreutz-Gers 1997, S. 25; Paff 1998, S. 37 ff.; Zeh 1973, S. 37 ff.; Witte 1999, S. 91 ff.; Rollmann 1987, S. 91 ff.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

tiver Erfahrungen mit dem Öffnungsbeschluss l3 . Die Planungen im Bereich der baulichen und der personellen Kapazitäten unterliegen Überlegungen hinsichtlich der erwarteten Zahl Studierwilliger, dem Bedarf des Beschäftigungssystems an Absolventen sowie dem finanziellen Spielraum. Aus ihnen leiten sich wiederum Überlegungen für die Bau-, Personal- und Ausstattungsplanung ab. Auch in diesem Bereich stellt sich die Vorhersage eines zukünftigen Bedarfs problematisch dar, da die genannten Einflussgrößen schwer im Voraus zu bemessen sind, sich zum Teil gegenseitig widersprechen und somit kein einheitliches Planungsziel vorliegt. Eine Planung an Hochschulen, verstanden als eine strategische Planung, die die Stärken und Schwächen analysiert und aufgrund der Einschätzung der Marktchancen eine zukünftige Ausrichtung der Hochschule verfolgt, existiert nicht (vgl. Frackmann 1989, S. 101). Über das Angebotsspektrum können die Hochschulen nicht selbst bestimmen. Statt dessen genehmigt die Ministerialbürokratie sowohl die angebotenen Studiengänge als auch die Prüfungsordnungen. Damit soll ein ausgewogenes Studienangebot sichergestellt, die Gleichwertigkeit von Studien- und Prüfungsleistungen sowie von Studienabschlüssen gewährleistet und somit die Mobilität der Studierenden durch die Option des Hochschulwechsels ermöglicht werden. Eine Differenzierung und Profilbildung der Hochschulen ist daher nicht möglich. Die Zahl der angebotenen Studienplätze wird über Kapazitätsverordnungen festgelegt (vgl. Müller 1989, S. 74 ff.). Die Hochschulen haben zudem keinen Einfluss auf die Auswahl der Studienbewerber. Des Weiteren trifft die Landesregierung die Entscheidung über die Einrichtung oder Auflösung von Fachbereichen oder Instituten. Auch die innere Organisation der Hochschulen, also die Entscheidungsstrukturen, sind durch Ländergesetze festgelegt (vgl. Frackmann und de Weert 1993, S. 83) . • Kontrolle: Im staatlich koordinierten Hochschulsystem hat die Kontrollfunktion eine wichtige Bedeutung. Die Kontrolle des Einsatzes finanzieller Mittel erfolgt in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wird durch die Überprüfung und Bewilligung des Haushaltsplans eine Kontrolle in Hinblick darauf vorgenommen, ob die eingereichten Haushaltsvoranschläge der Hochschulen nach den gültigen Kriterien eine Zuweisung finanzieller Mittel rechtfertigen (vgl. Zeh 1973, S. 42 f.). Zum anderen erfolgt nach Ablauf des Haushaltsjahres mit Hilfe des kameralistischen Rechnungswesens eine Kontrolle der Mittelverwendung nach den Kriterien Gesetzmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit 13 Der Öffnungsbeschluss wurde am 4. November 1977 von den Regierungschefs von Bund und Ländern verabschiedet. Ihm liegt die Annahme zugrunde, dass der starke Anstieg der Zahl der Studierenden, der so genannte ,,studentenberg", eine demographisch bedingte Übergangsentscheidung sei und die Zahl der Studierenden wieder abnehmen werde. Von dieser Annahme ausgehend wurde ein paralleler Ausbau der Kapazitäten nicht für notwendig erachtet, was sich jedoch im Nachhinein als Fehleinschätzung herausstellte (vgl. HRK 1996, S. 3 ff.; WRK 1988, S. 23).

III. Die Steuerung von Hochschulen

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(vgl. Rollmann 1987, S. 108). Unter Anwendung des kameralistischen Rechnungswesens wird überprüft, inwieweit im Haushaltsplan veranschlagte Mittel tatsächlich eingenommen bzw. ausgegeben wurden, bzw., ob sie entsprechend der Landeshaushaltsordnung ordnungsgemäß verbucht bzw. belegt wurden (vgl. BMBW 1980, S. 23). Da die Kameralistikjedoch lediglich eine EinnahmenAusgabenrechnung ist, ergeben sich bei der Überprüfung der Kriterien Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit Probleme (vgl. dazu ausführlich Rollmann 1987, S. 108 ff.; Zeh 1973, S. 51 ff.). Das kameralistische Rechnungswesen ermöglicht darüber hinaus keine Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag und bildet zudem einen Wertverlust durch den Verbrauch von Ressourcen und Vermögen nicht ab. Wichtige Informationen, wie Z.B. Kostenarten, Kostenträger und KostensteIlen, die für die strategische Planung der Hochschulen wichtige Informationen darstellen, können mit Hilfe des kameralistischen Rechnungswesens nicht erhoben werden . • Entscheidungsstrukturen: Wie bereits in Abschnitt 2., auf S. 29 beschrieben, weisen Hochschulen eine Aufteilung der Organisationsstruktur in zentrale und dezentrale Einheiten auf. Die Hochschulleitung ist mit der strategischen Steuerung der Hochschule betraut, wohingegen die organisatorischen Grundeinheiten, also die Fachbereiche, operative Aufgaben im Bereich von Forschung und Lehre wahrnehmen. Darüber hinaus existieren in den Hochschulen Kollegialorgane (z.B. Konzil, Konvent, Senat), die ebenfalls über weitreichende Entscheidungskompetenzen verfügen. Durch das Fehlen einer klaren Abgrenzung hinsichtlich operativer und strategischer Entscheidungskompetenzen entsteht eine Situation, die eine Zuordnung, auf welcher Ebene welche Entscheidungen getroffen werden, erschwert (vgl. Alewell 1993, S. 69). Die Kollegialorgane nehmen im Vergleich zu den Leitungsorganen nicht nur Kontrollbefugnisse wahr, sondern verfügen zusätzlich auch über Exekutivbefugnisse. Eine klare Trennung in Exekutivorgane einerseits und Kontrollgremien andererseits ist damit nicht gewährleistet. Die Kollegialstrukturen führen außerdem dazu, dass bei kollektiv getroffenen Entscheidungen keine persönliche Verantwortung durch Einzelne übernommen wird. Eine Zuordnung von Entscheidungskompetenzen und Übernahme von Verantwortlichkeit für die damit verbundenen Ergebnisse ist nicht in allen Bereichen möglich (vgl. Buttler 1998a, S. 237 f.). Darüber hinaus werden in Kollegialorganen Entscheidungen häufig auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner getroffen und haben deshalb nicht optimale Resultate zur Folge. Die Hochschulleitung sowie die Dekane der Fachbereiche verfügen darüber hinaus über unzureichende Entscheidungskompetenzen, um Maßnahmen zur strategischen Lenkung der Hochschule bzw. zur operativen Steuerung der Fachbereiche, vornehmen zu können. Weitere Einschränkungen ihrer Handlungsoptionen erfahren Hochschulen durch Eingriffe des Ministeriums bzw. der Landesregierung. Diese nehmen Einfluss auf die Organisationsstrukturen, auf die Struktur der Fachbereiche, die Zusammensetzung der Gremien, die Genehmigung von Studiengängen und die Be-

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

rufung von Professoren. Dadurch wird die Autonomie der Hochschulen in erheblichem Maße eingeschränkt. Sollen Hochschulen selbständig agieren, so müssen klare Entscheidungs-, Organisations- und Verantwortungsstrukturen vorhanden sein und eine verringerte Abhängigkeit von Entscheidungen des Staates vorliegen.

b) Steuerung über Marktelemente

Die Vorteile einer marktwirtschaftlichen Steuerung der Hochschulen wird damit begründet, dass die Existenz von Preismechanismen sowie die Koordination durch Märkte und Wettbewerb zu einer besseren Allokation vorhandener Ressourcen führt und die Abstimmung von Angebot und Nachfrage besser verwirklicht, als das durch staatliche Steuerung und Planung erreicht werden kann. Mit der marktmäßigen Koordination der Hochschulen ist die Erwartung verbunden, dass Forschung und Lehre in höherem Maße zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft beitragen. Zudem wird davon ausgegangen, dass Marktkräfte eher in der Lage sind, Effektivität und Effizienz der Hochschulen zu erhöhen, als das durch regulative staatliche Steuerung der Fall ist. Zudem ist mit der Koordination über Märkte die Hoffnung verbunden, dass sich die Hochschulen verstärkt an externen gesellschaftlichen Interessen orientieren (vgl. Neave 1997, S. 161 f.). In einem durch Märkte koordinierten Hochschulsystem nimmt die Funktion des Wettbewerbs an Bedeutung zu. Auch in staatlich koordinierten Hochschulsystemen ist Wettbewerb ein bekanntes Element. Auf der Ebene der Hochschulen gibt es einen Wettbewerb um finanzielle Ressourcen, insbesondere öffentliche und private Drittmittel, renommierte Wissenschaftler, Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs, begabte Studierende und um die Teilnahme an nationalen und internationalen Forschungsprojekten. Die Wissenschaftler stehen untereinander in einem Wettbewerb um neue Forschungsergebnisse, öffentliche und private Drittmittel und die Verbesserung der eigenen Ausstattung. Außerdem konkurrieren sie um Studierende, wissenschaftliche Reputation und Rufe an Hochschulen sowie Forschungsaufträge und talentierten wissenschaftlichen Nachwuchs. Als ein besonderes Merkmal des deutschen Hochschulsystems ist zudem hervorzuheben, dass die föderale Struktur, in der die Landesregierungen für die Wissenschaftspolitik verantwortlich sind, an sich bereits ein wettbewerbsförderndes Element darstellt. So existiert beispielsweise ein Wettbewerb der Bundesländer um Reformmaßnahmen im Hochschulbereich, die auf eine höhere Leistungsfähigkeit der Hochschulen abzielen. Im Vergleich zu einem staatlich koordinierten Hochschulsystem ist die Existenz von Wettbewerb kein neues Element. Entscheidend ist vielmehr die Zunahme an Wettbewerb sowie seine veränderte Bedeutung als Steuerungsinstrument. Wettbewerb ist das entscheidende Steuerungsinstrument und

III. Die Steuerung von Hochschulen

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tritt an die Stelle des vorherigen rechtlichen Steuerungsinstrumentariums (v gl. Hoffacker 2000, S. 87 ff.). Anhand der bereits in Abschnitt a) (S. 45 ff.) verwendeten Elemente Finanzierung, Budgetierung, Planung, Kontrolle und Entscheidungsstrukturen werden die Eigenschaften eines idealtypisch über Märkte koordinierten Hochschulsystems dargestellt. Daran anschließend erfolgt eine Kritik an einer Steuerung durch Märkte, die zum Abschnitt c), auf S. 54 überleitet, der sich mit der Steuerung von Hochschulen über Quasimärkte befasst . • Finanzierung: Im Vergleich zu einem staatlich gesteuerten Hochschulsystem ist der Anteil öffentlicher Mittel zur Finanzierung der Hochschulen in einem über Märkte gesteuerten System weitaus geringer. Weitere Einnahmequellen der Hochschulen sind Studiengebühren, Drittmittel aus der öffentlichen Forschungsförderung und der Privatwirtschaft, Einnahmen durch Sponsoring, Erträge der Kapitalanlagen aus Stiftungen, Einkünfte aus Dienstleistungen, wie beispielsweise Fortbildungsveranstaltungen und Beratungstätigkeiten und Erträge aus Besitz, Verkauf und Vermietung von Grundstücken und Immobilien. Die Finanzierung der Hochschulen in einem markt- und preisgesteuerten Hochschulsystem unterscheidet sich von einem staatlichen Hochschulsystem folglich nicht nach der Art der Finanzierungsquellen, sondern nach dem relativen Gewicht der einzelnen Einnahmequellen zueinander. Die nichtöffentlichen Mittel nehmen einen weitaus größeren Anteil ein. Um die Drittmittel sowie die Einnahmen aus Sponsoringverträgen und Stiftungen stehen die Hochschulen untereinander in Konkurrenz. Da die Studien gebühren den Hochschulen als Einnahmen zur Verfügung stehen, existiert ein Wettbewerb um die Studierenden, der zu einer verbesserten Informationspolitik der Hochschulen über ihre Leistungen und Studienangebote führt, aber auch die Ausbildung unterschiedlicher Profile der Hochschulen befördert. Durch den Wettbewerb der Hochschulen um die Studierenden bildet sich ein Preismechanismus, der die Abstimmung von Studienangeboten und der Nachfrage durch die Studierenden vornimmt. Die Zunahme des Anteils nichtöffentlicher Quellen zur Finanzierung der Hochschulen führt allerdings auch dazu, dass beispielsweise Drittmittelgeber, wie die Europäische Union (EU), zunehmend richtungsbestimmenden Einfluss auf die Forschungstätigkeiten an den Hochschulen ausüben (vgl. Hoffacker 2000, S. 41; EIspaß 2001, S. 102 ff.) . • Budgetierung: Da der Anteil öffentlicher Mittel in einem durch Märkte gesteuerten Hochschulsystem erheblich kleiner ist als im staatlich gesteuerten Hochschulsystem, werden auch erheblich weniger Ressourcen über Budgetierungsverfahren verteilt. Die Höhe des Budgets wird nicht mehr inkrementeIl fortgeschrieben. An die Stelle der Fortschreibung der Budgets tritt eine Vergabe finanzieller Ressourcen anhand eines Kontraktmanagements. Öffentliche Mittel werden nach Abschluss von Zielvereinbarungen (siehe Abschnitt bb), S. 60) zwischen den Ministerien und den Hochschulen vergeben. Die Zusage der Mittel ist dabei an das

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Erreichen von Ergebnissen gebunden, die von den Hochschulen in einem festgelegten Zeitraum erzielt werden sollen und vom Ministerium kontrolliert werden. Die zukünftige Höhe des Budgets orientiert sich somit an Leistungsparametern, bzw. an In- und Outputindikatoren (siehe Abschnitt 3., S. 61). Um die öffentlichen Mittel, die zentral vom Ministerium vergeben werden, konkurrieren die Hochschulen. Die Veränderung der Leistungen der einzelnen Hochschule kann somit Auswirkungen auf die absolute Höhe des öffentlichen Finanzierungsanteils am Hochschulbudget zur Folge haben. Bei der Bewirtschaftung der Mittel haben die Hochschulen erhebliche Freiheiten und sind somit in der Lage, sie nach eigenen Zielsetzungen zu verwenden, oder auch Rücklagen zu bilden. Das Budget wird in Form einer Globalsumme zugewiesen, die keinen Einschränkungen hinsichtlich des Verwendungszwecks bzw. einer zeitlichen Ausgabenbefristung unterliegt, wodurch die Hochschulen eine Ausgabenautonomie aufweisen . • Planung: Die Hochschulen verfügen über Planungsautonomie und werden daher nicht von staatlichen Planungen in ihren Aufgaben und Entscheidungen eingeschränkt. Entscheidungen im Bereich der Kapazitäts-, Bau-, Personal- und Ausstattungsplanung werden durch die Erhebung von Kosten- und Leistungsdaten mit Hilfe eines Hochschulcontrollings unterstützt. Dieses liefert die Daten, um die Bereiche identifizieren zu können, in denen Verbesserungen notwendig sind. Planung ist strategisch orientiert und zielt vor allem darauf ab, Schwächen zu beseitigen und Stärken zu intensivieren. Die Hochschulen betreiben strategische Planung, um ein Profil zu entwickeln und sich gegenüber anderen Hochschulen zu differenzieren, um Wettbewerbs vorteile zu erlangen bzw. Marktnischen zu besetzen. Das Angebot der Hochschulen wird maßgeblich durch die Nachfrage bestimmt. Es erfolgt keine staatliche Planung mehr durch rechtliche Vorgaben. Die Funktion rechtlicher Vorschriften ist durch Mechanismen des Wettbewerbs ersetzt worden. Der Staat beschränkt sich auf seine Aufsichtsfunktion . • Kontrolle: Im Bereich der Finanzierung erfolgt die Kontrolle der Hochschulen nicht mehr nach den Grundsätzen des kameralen Rechnungswesens sondern ist durch betriebswirtschaftliche Kontrollmechanismen ergänzt bzw. ersetzt worden. Die Kontrolle der Ausgaben erfolgt anhand einer Kosten- und Leistungsrechnung, die die Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag sowie die Zuordnung von Ausgaben zu einzelnen Kostenstellen, -arten und -trägern ermöglicht. Wie bereits unter dem Punkt Budgetierung dargestellt, wird eine Kontrolle der Tätigkeiten durch den Abschluss von Ziel vereinbarungen umgesetzt. Durch die Anwendung von Controllinginstrumenten verfügen die Entscheidungsträger innerhalb der Hochschulen über eine umfassende Datenbasis zur Unterstützung ihrer Entscheidungen, aber auch zur Kontrolle der Leistungen einzelner Organisationseinheiten. Diese Informationen können sowohl zur Kontrolle, als auch zur Planung herangezogen werden. Eine Kontrolle der Hochschulen durch die Ge-

III. Die Steuerung von Hochschulen

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seIlschaft wird außerdem gewährleistet, indem aufsichtsratsähnliche Organe, wie Z.B. Hochschulräte geschaffen werden . • Entscheidungsstrukturen: Sie sind klar nach strategischen und operativen Aufgabenfeldern getrennt. Die Kompetenzen sind eindeutig verteilt. Es wird unterschieden zwischen Exekutivorganen einerseits und Kontrollorganen andererseits. Es erfolgt eine eindeutige Zuordnung von Entscheidungsbefugnissen und einer daran gekoppelten Ressourcenverantwortung. Dies ermöglicht, dass die Verantwortungsbereiche und insbesondere die operative sowie die strategische Entscheidungsebene innerhalb der Hochschulen eindeutig abgegrenzt sind. Kollegialorgane nehmen nur Kontrollfunktionen wahr.

Den erwähnten Vorteilen, die mit der Einführung einer Steuerung über Märkte verbunden sind, stehen vielfältige Einwände und Kritik gegenüber. Sie basieren auf der Annahme, dass es zu Fehlsteuerungen durch die Anwendung der Koordinationsinstrumente des Marktes kommt. Dazu zählt die Verfehlung verteilungsund wachstumspolitischer Ziele, die sich in einer zu niedrigen Akademikerquote sowie einer Benachteiligung Studierwilliger aus finanzschwachen Elternhäusern manifestiert (vgl. Liefner 2001, S. 34). Ein weiteres Problem wird in der Tendenz des Marktes zu Ungleichgewichten gesehen, was zu einer sich ständig verstärkenden Asymmetrie der Ausgangslage für die Mitteleinwerbung der Hochschulen und dadurch zu kumulativen Selbstverstärkungseffekten bei der Anstellung qualifizierten akademischen Personals sowie wissenschaftlichen Nachwuchses führen kann (v gl. Hoffacker 2000, S. 98; Hoare 1995, S. 308). Als Folge dessen ist denkbar, dass sich ein erhebliches Qualitätsgefälle zwischen den Hochschulen entwickelt (Hödl und Zegelin 1999, S. 188). Bisherige Annahmen lassen zudem nicht darauf schließen, dass Marktmechanismen im Hochschulbereich Effektivität, verstanden als das Erreichen wünschenswerter Ziele garantieren, ohne dass auf zusätzliche Steuerungseingriffe verzichtet werden kann. Darüber hinaus müssen Markteinftüsse nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Qualität führen. Bei der Anwendung von Marktmechanismen besteht außerdem die Gefahr, dass jene Ziele in den Vordergrund treten, die besser geeignet sind, mit ökonomischen Strategien verwirklicht zu werden und deren Verfolgung einen größeren Erfolg verspricht (vgl. Hoffacker 2000, S. 101 und 103; Schuetze 1999, S. 641). Eng mit diesem Kritikpunkt ist die Annahme verbunden, dass beispielsweise die Grundlagenforschung zunehmend von der anwendungsorientierten Forschung in den Hintergrund gedrängt werden könnte, da ein Anwendungsbezug der Forschung kurzfristig betrachtet eher zu verwertbaren Ergebnissen führt. Aus den vorhergehenden Betrachtungen wird ersichtlich, dass es problematisch ist, die Hochschulen vollständig einem deregulierten Markt und freien Wettbewerb auszusetzen. Alternativ kann statt dessen angestrebt werden, Elemente des Wettbewerbs zu stärken und somit eine Koordination durch Kräfte des Marktes zu erreichen, allerdings unter Beibehaltung der bisherigen Rahmenbedingun-

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

gen staatlicher Verantwortung und Finanzierung (vgl. Brinckmann 1998, S. 114). Dies entspricht im Prinzip einer Steuerung über Quasimärkte, die im folgenden Abschnitt beschrieben wird. c) Steuerung über Quasimärkte

Aus der Kritik der vorgestellten Koordinationsmechanismen der staatlichen Steuerung einerseits und der durch Wettbewerb und Marktkräfte erfolgenden Koordination andererseits leitet sich die Erkenntnis ab, dass eine Kombination der Vorteile beider Mechanismen sinnvoll ist (vgl. Liefner 2001, S. 34). In Quasimärkten werden die Vorteile wettbewerblicher Koordination unter Beibehaltung der durch staatliche Finanzierung und Aufsicht geprägten Rahmenbedingungen genutzt. Der Schaffung von Quasimärkten liegt die Annahme zugrunde, dass für die von Hochschulen erbrachten Leistungen kein realer Markt existiert, auf dem sich durch die Abstimmung von Angebot und Nachfrage Preise herausbilden (vgl. Hoffacker 2000, S. 97). Auf diese Tatsache wurde bereits in Abschnitt 1., auf S. 38, in Zusammenhang mit der Finanzierung der Grundlagenforschung hingewiesen. Der Preis als Knappheitsindikator scheidet aus, da die Mehrheit der Hochschulleistungen gegenwärtig unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird (vgl. Monopolkommission 2000, S. 27) (siehe Abschnitt a), S. 46). Da kein funktionierendes Marktprinzip existiert, sehen sich insbesondere die Anbieter öffentlicher Leistungen, in diesem Fall die staatlichen Hochschulen, dem Problem ausgesetzt, mit welcher Menge (Quantität) und in welcher Art (Qualität) die Bereitstellung von Leistungen vorgenommen werden soll. Auf Quasimärkten wird durch die Schaffung funktionaler Äquivalente, die eine monetäre Bewertung von Leistungen widerspiegeln, eine marktähnliche Situation geschaffen. Sie versetzt die Nachfrager nach Leistungen und Diensten der Hochschulen in die Lage, ihre Präferenzen zu signalisieren und ermöglicht dadurch den Anbietern, das Angebot der Nachfrage anzupassen (vgl. Hoffacker 2000, S. 95). Angebot und Nachfrage werden aufeinander abgestimmt und es entwickelt sich ein Preismechanismus für verschiedene Leistungen. Auf Quasimärkten tritt der Staat als Nachfrager nach Hochschulleistungen auf und nimmt die monetäre Bewertung von Leistungen vor, indem er sie mit Preisen versieht. Dadurch ist es ihm möglich, die Steuerung und Entwicklung der Hochschulen unter Einbeziehung marktmäßiger Koordinationsmechanismen vorzunehmen. Dieses Verfahren wird insbesondere im Bereich der Mittelverteilung, durch Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung angewandt (siehe Abschnitt b), S. 56). Dabei wird die Zuweisung finanzieller Mittel an die Erfüllung von Leistungsindikatoren gekoppelt (siehe Abschnitt 3., S. 61). Bei Bereitstellung eines bestimmten Leistungsangebotes erhält die Hochschule einen entsprechenden Betrag, der den Preis dieser Leistung darstellt. Die Hochschulen haben die Möglichkeit, ihr Angebot an Lehr- und Forschungsleistungen, also ih-

III. Die Steuerung von Hochschulen

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ren Leistungskatalog, selbst zu definieren und dafür ein entsprechendes Budget zur Verfügung gestellt zu bekommen. Sie stehen dabei im Wettbewerb um die Leistungsangebote anderer Hochschulen, mit denen sie um die begrenzten Mittel konkurrieren. Der Staat hat zudem die Möglichkeit, private Personen in die Lage zu versetzen, als Nachfrager nach Leistungen der Hochschulen aufzutreten. Dies erfolgt beispielsweise durch die Vergabe einer begrenzten Anzahl von Bildungsgutscheinen an die Studierenden, mit denen sie Studienangebote an den Hochschulen bezahlen können. Den Hochschulen wird bei Einlösung der Gutscheine ein festgelegter Betrag zur Verfügung gestellt, mit dem sie die Finanzierung der Lehrleistungen vornehmen. Da die Studierenden bei der Wahl des Studienplatzes verstärkt das Studienangebot hinsichtlich seiner Qualität und der damit verbundenen Berufsaussichten vergleichen, werden die Hochschulen bestrebt sein, ihr Angebot offenzulegen, die Qualität zu verbessern oder auch Strategien der Differenzierung und Profilbildung zu verfolgen, um Schwerpunkte im Angebot zu setzen. Die Hochschulen konkurrieren somit in einem Markt um Studierende bzw. die Mittel, die sie für die Ausbildung der Studierenden erhalten. Die Bildungsgutscheine wirken sich somit positiv auf die Allokation der finanziellen Mittel aus und wirken wie Studiengebühren, indem sie wichtige Informationen über Nachfrage- und Angebotsbedingungen liefern. Im deutschen Hochschulsystem findet dieses Verfahren bislang keine Anwendung, bildet jedoch einen festen Bestandteil der Hochschulreformdiskussion (vgl. Donges et al. 1993, S. 43; Frackmann 1987, S. 75; Henke 1998, S. 15; Hödl und Zegelin 1999, S. 207; Keller 2000, S. 367; Monopolkommission 2000, S. 60; Ziegele 1997, S. 65 f.). 2. Kriterien und Formen der Steuerung von Hochschulen

In dem vorangehenden Abschnitt 1. (S. 45 ff.) wurden die verschiedenen Koordinationsmechanismen Staat, Markt und Quasimärkte dargestellt. Neben der grundsätzlichen Frage, welcher Koordinationsmechanismus vorliegt, bzw. Anwendung findet, kann zudem nach verschiedenen Kriterien und Formen der Steuerung unterschieden werden, auf die nachfolgend eingegangen wird. a) Inputorientierte Steuerung

Die inputorientierte Steuerung ist das klassische Steuerungsverfahren eines staatlich koordinierten Hochschulsystems. Anhand eingesetzter Inputs (Kosten) werden den Hochschulen Ressourcen, beispielsweise in Form von Räumen, Personalstellen und finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt, mit denen sie ihre Leistungen finanzieren. Diese Form der Steuerung orientiert sich an vorliegenden inputorientierten Kennziffern, wie beispielsweise der Zahl der Studierenden, der

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Zahl der Professoren und des wissenschaftlichen Personals sowie an der Lehrkapazität (vgl. Kreutz-Gers 1997, S. 23). Eine wichtige Hilfsgröße bei der Bemessung des Inputs stellt der fächerspezifische Curricularnormwert (CNW) dar, der der Nachfrage eines Studierenden nach Lehrleistungen entspricht. Dieser ursprünglich für die Kapazitätsermittlung errechnete Wert wird bei der inputorientierten Finanzierung der Hochschulen herangezogen, indem man ihn in Relation zum vorhandenen Lehrangebot setzt. An die dadurch ermittelte Auslastung eines Faches (Über- oder Unterauslastung), wird die personelle, finanzielle und räumliche Ausstattung der Hochschulen gekoppelt (vgl. Müller, 1989, S. 75). Da die Hochschulen in staatlich koordinierten Hochschulsystemen ihr Leistungsangebot jedoch nur langsam an Veränderungen anpassen, führt die inputorientierte Steuerung zu einem Inkrementalismus der Mittelzuweisung, also zu einer Fortschreibung der Haushaltsansätze des Vorjahres. Dies hat zur Folge, dass Umstrukturierungen erschwert sind und Innovationen verhindert werden (vgl. Kreutz-Gers 1997, S. 23). Das Bestreben der einzelnen Akteure, die Höhe ihres Budgets beizubehalten, führt zu einer Manifestation der Strukturen. Kritik an der inputorientierten Steuerung basiert auf der Tatsache, dass die Hochschulen auch nichtmonetäre und qualitative Ziele verfolgen, die im Gegensatz zu monetären und quantitativen Zielen nicht adäquat mit diesem Steuerungsverfahren verfolgt werden können (vgl. Schencker-Wicki 2000, S. 122). Inputorientierte Steuerung führt zu Unwirtschaftlichkeit, da ein Verhältnis zwischen Input und Output nicht hergestellt wird und zudem eine Auseinandersetzung mit den Zielen nicht erforderlich macht, also eine mangelnde Zielorientierung vorliegt. Ein inputorientiertes Verfahren kann sogar dazu führen, dass die Zahl der Studierenden, die sich durch eine Verlängerung der Studienzeit erhöht, finanziell honoriert wird (vgl. Buttler 1998a, S. 236). Da bei der inputorientierten Finanzierung vorliegende Kosten als Maßstab der Finanzierung herangezogen werden, bestehen folglich Anreize, die Kosten zu erhöhen (Budgetmaximierung), statt sie zu senken (vgl. Kerber 1998, S. 355).

b) Outputorientierte Steuerung Im Gegensatz zur inputorientierten Steuerung wird bei der outputorientierten Steuerung eine Lenkung anhand von Ergebnis-, bzw. Leistungsgrößen vorgenommen. Grundlage der Zuweisung staatlicher Ressourcen an die Hochschulen sowie für die hochschulinterne Mittelverteilung sind bereits erbrachte sowie vorab definierte, in Zukunft zu erbringende Leistungen. Der Begriff der outputorientierten Steuerung ist gleichzusetzen mit einer leistungsorientierten Steuerung und wird im Folgenden synonym verwendet. Während die inputorientierte Steuerung von der Bereitstellung entsprechender Leistungen mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Mittel ausgeht, wird bei der outputorientierten Steuerung der Erhalt von Ressourcen nur in Abhängigkeit eines vereinbarten oder bereits erzielten Ergeb-

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nisses gewährt. Dadurch wird ein direkter Zusammenhang zwischen der Definition von Leistungszielen, deren Erfüllung, ihrer Kontrolle und der daran gekoppelten Zuweisung finanzieller Mittel erzielt (vgl. Brinckmann 1998, S. 155). Outputorientierte Steuerung kann sowohl über Formelmodelle, als auch durch Zielvereinbarungen erfolgen. Die Durchführung von Leistungsvergleichen, die Erhebung von Indikatoren sowie die Überprüfung der Zielvereinbarungen macht die Einrichtung eines Controllings notwendig (vgl. Behrens 1996, S. 231 ff.).

aa) Formelmodelle Bei Formelmodellen erfolgt die Mittelverteilung anhand der Berechnung des Budgets durch eine Auswahl von Parametern, also Indikatoren 14. Die Ressourcenzuweisung kann sowohl zwischen Hochschulen als auch hochschulintern nach diesem Verfahren vorgenommen werden. Die Formeln setzen sich aus einer Zahl von Indikatoren (siehe Abschnitt 3., S. 61) zusammen, die die staatlich definierten Ziele repräsentieren und mit entsprechenden Preisen und Gewichten versehen sind. In Abhängigkeit von der Erfüllung der Formelparameter berechnet sich die Höhe des Hochschulbudgets, bzw. das Budget der hochschulinternen Organisationseinheit, auf die das Mittelverteilungsverfahren angewendet wird. Die Budgethöhe passt sich somit automatisch an die Veränderung der Parametergrößen an. Das Verfahren der leistungsorientierten Mittelverteilung übernimmt vielfältige Funktionen. Die im Modell verwendeten Parameter veranschaulichen, welche Ziele vom Staat bzw. von der Hochschulleitung erwünscht und entsprechend honoriert werden. Durch die Verdeutlichung der Zielvorstellungen haben sowohl die Hochschulen als auch die hochschul internen Organisationseinheiten die Möglichkeit, ihre Aktivitäten und strategischen Planungen auf diese langfristig angelegte, verlässliche Grundlage abzustimmen. Die für die einzelnen Parameter festgelegten Preise entsprechen der politischen Bedeutung der mit ihnen verknüpften Ziele. Durch die Bewertung von Leistungen und Handlungsergebnissen entsteht ein Preismechanismus. Analog zu den Überlegungen in Abschnitt c), auf S. 54 ff., übernimmt der Staat in diesem Fall die Funktion eines Nachfragers, der für verschiedene Leistungen unterschiedliche Preise in Abhängigkeit der politischen Zielsetzungen zahlt (vgl. Keller 2000, S. 358). Dieses Verfahren initiiert einen Wettbewerb der Hochschulen bzw. der Organisationseinheiten untereinander, da diese um die begrenzten, zur Verteilung stehenden Ressourcen konkur14 Es liegen unterschiedliche Begriffe für diese Form der Mittelverteilung vor, wie z.B. leistungsund belastungsorientierte Mittelverteilung sowie pararnetrisierte, indikatorengestützte, erfolgsabhängige, regelgebundene oder formelgebundene Mittelverteilung. Im Weiteren wird synonym der Begriff leistungsorientierte Ressourcensteuerung verwendet, der auch das Verfahren der Zielvereinbarung umfasst.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

rieren. Den Akteuren werden somit einerseits Anreize geboten, die Parameter zu verfolgen und andererseits, Leistungssteigerungen anzustreben, um ihre relative Position gegenüber den Konkurrenten zu verbessern. Durch die Anwendung der leistungsorientierten Ressourcensteuerung wird anhand der Ergebnisse, also durch einen Leistungsvergleich, prinzipiell die Marktposition der Hochschulen bzw. der Organisationseinheiten ermittelt. In Abhängigkeit vom Leistungsverhalten bildet sich eine Art Rankingliste heraus, mit deren Hilfe die Verteilung der Mittel gesteuert, bzw. vorgenommen wird (vgl. Hoffacker 2000, S. 89). Die leistungsorientierte Ressourcensteuerung initiiert dementsprechend einen Wettbewerb, der zu Anstrengungen der Hochschulen führt, ihre Wettbewerbsposition, beispielsweise durch Qualitätssteigerungen zu verbessern. Infolge dieser Bemühungen um höhere Qualität der angebotenen Leistungen und Dienste kann es zu einer Differenzierung der Angebotsstruktur der Hochschulen kommen (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 173 f.). Mit dem Einsatz von Modellen der leistungsorientierten Ressourcensteuerung wird Effizienz, also ein optimales Verhältnis von Aufwand zu Ertrag angestrebt. Der Mittelgeber ist bestrebt, dass mit den vorhandenen finanziellen Mitteln der größte Nutzen erzielt wird. Es sollen jene Hochschulen, bzw. Organisationseinheiten Mittel erhalten, die diese am besten verwenden, d.h. damit zusätzliche Leistungen erzielen. Er orientiert sich dabei an Indikatoren erreichten Erfolgs, an die eine Erwartung an zukünftige Erfolge geknüpft wird (vgl. Albers 1999, S. 586). Es werden also Anreize zur Leistungssteigerung geschaffen, indem in der Vergangenheit erzielte Leistungen finanziell belohnt werden (vgl. Kreutz-Gers 2000, S. 264). Wettbewerb unter den Hochschulen und Organisationseinheiten dient folglich als Mittel der Leistungssteigerung und wird über die Verteilung der Mittel nach Leistungskriterien verwirklicht. Ein erheblicher Vorteil, der mit einem solchen automatischen Verteilungsverfahren verbunden ist, ist das Wegfallen aufwändiger, periodisch wiederkehrender, politischer Aushandlungsprozesse, um die Höhe und Aufteilung der Budgets (vgl. AIbers 1999, S. 584). Die Bemessungsgrundlage für die Höhe des Budgets basiert auf einem transparenten Verfahren, das auf nachvollziehbaren Kriterien basiert. Aufgrund dessen wird dem Verfahren von Seiten der Akteure erhöhte Akzeptanz entgegengebracht. Dadurch besitzen Mittelverteilungsmodelle konftiktverringernde Eigenschaften. Mit dem Übergang von der inputorientierten staatlichen Koordination zur outputorientierten Koordination der Hochschulen über Quasimärkte entfallen Haushaltskontrollen von staatlicher Seite. Da der Staat nach wie vor seine Entscheidungen legitimieren muss, bedarf es neuer Mechanismen der Kontrolle, bzw. der Legitimation von Hochschulbudgets. Die leistungsorientierte Ressourcensteuerung nimmt diese Legitimationsfunktion wahr, indem sie die Höhe der Budgets an nachvollziehbaren Kriterien bemisst. Mittelverteilungsmodelle können sich nach dem Ausmaß unterscheiden, mit dem sie zur Bemessung des Haushalts herangezogen werden. Modelle, die den gesamten Haushalt einer Hochschule einbeziehen, sind eher die Ausnahme. Da-

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gegen sind partielle Modelle, die lediglich auf einen Teilbereich des Haushalts, beispielsweise die Mittel für Forschung und Lehre, ohne Einbeziehung der Personalmittel, angewendet werden, im deutschen Hochschulsystem verbreitet (das gilt auch für die in Abschnitt E., S. 124 ff. untersuchten Fallstudien). Die Modelle differenzieren sich weiterhin nach den jeweils verwendeten Parametern. Obwohl es sich bei der leistungsorientierten Ressourcensteuerung primär um ein outputorientiertes Verfahren handelt, beinhalten die meisten Modelle sowohl Input- als auch Outputindikatoren (siehe Abschnitt 3., S. 61 ff.). Sie umfassen also Be1astungs- und Leistungskriterien, weshalb die leistungsorientierte Ressourcensteuerung mitunter auch als leistungs- und belastungsorientierte Ressourcensteuerung bezeichnet wird. Die meisten Modelle verfügen über einen belastungsund einen leistungsbezogenen Teil I 5 • Der belastungs orientierte Teil bildet das Ausmaß der Aufgabenwahrnehmung ab. Dadurch soll eine Grundfinanzierung gewährleistet werden, wohingegen vom leistungsbezogenen Teil Anreizwirkungen ausgehen (vgl. Wissenschaftlicher Beirat 1998, S. 24; Hödl und Zegelin 1999, S. 174). Ein grundlegendes Problem der leistungsorientierten Verteilungsmodelle ist, dass sie Parameter verwenden, die Leistungsgrößen der Vergangenheit abbilden. Für die Finanzierung innovativer Aktivitäten, z.B. zur Einrichtung neuer wissenschaftlicher Schwerpunkte, ist dieses Verfahren der Mitte1verteilung nicht geeignet. Es gehen keine Innovationsanreize von ihm aus (Wissenschaftlicher Beirat 1998, S. 23). Des Weiteren ist sicherzustellen, dass die Leistungsbewertung unter Berücksichtigung der Ausgangssituation, also beispielsweise der materiellen und personellen Ausstattung erfolgt. Mittelverteilungsmodelle, die die Voraussetzungen für die Leistungserbringung nicht abbilden, können zu Verzerrungen durch Fehlinterpretationen führen. So können sie zur Folge haben, dass eine Umverteilung zugunsten der Einrichtungen und Wissenschaftler erfolgt, die aufgrund langfristig entstandener Ausstattungsbedingungen über eine günstigere Ausgangslage verfügen (vgl. Behrens 1996, S. 228; Hödl 1994, S. 155). Aus den Kritikpunkten wird ersichtlich, dass die leistungsorientierte Mittelverteilung durch Indikatorenmodelle auf ergänzende Instrumente angewiesen ist, um Fehlsteuerungen zu vermeiden oder Innovationsanreize zu setzen. Zur umfassenden Bewertung und Beurteilung liefern Evaluationen wichtige Ergebnisse und werden insbesondere für die Bewertung qualitativer Aspekte herangezogen. Ein weiteres ergänzendes Instrument stellen Zielvereinbarungen dar, die im Folgenden thematisiert werden.

15 Der Begriff belastungsorientiert wird in dieser Arbeit synonym zu den ebenfalls gängigen und gleichbedeutenden Bezeichnungen aufgaben-, bedarfs· und volumenorientiert verwendet.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

bb) Ziel vereinbarungen Ziel vereinbarungen 16 stellen ein Instrument dar, mit dem zukünftige Vorhaben finanziert werden. Mittelverteilungsmodelle nehmen eine Bewertung vergangener Leistungen vor, an die die Ressourcenzuweisung gekoppelt ist. Es handelt sich um eine nachfolgende (ex post) Steuerung und Finanzierung. Innovative Maßnahmen bedürfen hingegen einer vorhergehenden (ex ante) Finanzierung. Zielvereinbarungen können auf verschiedenen Ebenen, beispielsweise zwischen Staat und Hochschule, Hochschulleitung und Fachbereichen sowie zwischen Fachbereich und Instituten im Rahmen von Verhandlungsprozessen geschlossen werden. Es handelt sich um diskretionäre, also einzelfall bezogene Vereinbarungen, die an die Zuweisung finanzieller Ressourcen geknüpft sind. Mögliche Inhalte sind beispielsweise Vereinbarungen über qualitative Veränderungen, die über die primär quantitativ ausgerichteten Mittelverteilungsmodelle nicht ausreichend berücksichtigt werden. Zielvereinbarungen können innovative Ziele, wie z.B. die Einrichtung neuer Forschungs- oder Studien schwerpunkte umfassen. Weitere mögliche Ziele sind das Vorhalten von Ausbildungskapazitäten in Studienfächern, die zeitweise eine zu geringe Nachfrage aufweisen sowie eine verstärkte internationale Ausrichtung von Lehre und Forschung. Zum anderen handelt es sich um ein Instrument, mit dessen Hilfe korrektiv eingegriffen werden kann, sofern Fehlsteuerungen auftreten (vgl. Wissenschaftlicher Beirat 1998, S. 37). Dazu zählen beispielsweise unerwünschte Umverteilungswirkungen durch Mittelverteilungsmodelle, die durch eine unzureichend Einbeziehung der Ausgangssituation hervorgerufen werden (siehe Abschnitt aa), S. 59). Eine weitere unbeabsichtigte Wirkung beruht auf dem Matthäus-Effekt (vgl. Merton 1985, S. 147 ff.; Witte 1999, S. 73 f.). Dieser besagt, dass erfolgreichen Wissenschaftlern, sobald sie über eine hohe Reputation aufgrund zurückliegender wissenschaftlicher Leistungen verfügen, dauerhaft Vorteile entstehen. Diese Vorteile äußern sich beispielsweise dadurch, dass sie besseren Zugang zu Forschungsressourcen erhalten und wissenschaftliche Beiträge leichter in renommierten Fachzeitschriften publizieren können. Dieser Effekt kann die Chancengleichheit der Wissenschaftler beeinträchtigen. Zielvereinbarungen stellen in diesem Fall ein Instrument dar, dass die Chancen aussichtsreicher Nachwuchswissenschaftler erhöht, indem mit ihnen Vereinbarungen getroffen werden, die ihnen den notwendigen Ressourcenzugang ermöglichen, um Spitzenleistungen verwirklichen zu können. Bei Zielvereinbarungen wird zwischen dem Mittelgeber und dem Mittelempfänger vereinbart, dass innerhalb eines festgelegten Zeitraums bestimmte Zie16 Synonym zum Begriff ,,zielvereinbarungen", finden auch die Begriffe "Management by Objectives" (vgl. Amrhein 1998, S. 81 und 93 ff.; Gaugier 1998, S. 704 ff.) und "Kontraktmanagement" (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 228 ff.; Timm 2000, S. 62 ff.; Reichwald 1997, S. 9) Verwendung.

III. Die Steuerung von Hochschulen

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le erreicht werden. An diese Zusage wird die Vergabe der finanziellen Mittel geknüpft. Dementsprechend wird bereits während, jedoch spätestens bei Auslaufen der Ziel vereinbarung eine Kontrolle bzw. Evaluation durchgeführt, welcher gegenwärtige Entwicklungsstand vorliegt, bzw. ob die vereinbarten Ziele tatsächlich erreicht wurden. Auf Basis dieser Ergebnisse wird entschieden, ob die Zielvereinbarungen und damit die Finanzierung fortgeführt oder abgebrochen wird, bzw. ob es zum Abschluss neuer Zielvereinbarungen kommt. Mit der Nichterfüllung von Zielvereinbarungen sind Sanktionen verknüpft. Zielvereinbarungen stellen somit eine Übereinkunft zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer dar. Auf diese Konstellation wird ausführlich in Abschnitt 1. (S. 65 ff.) eingegangen. Ein Vorteil von Zielvereinbarungen ist, dass die Zuweisung finanzieller Mittel nicht mit zeitlicher Verzögerung erfolgt, sondern zu dem Zeitpunkt, zu dem sie benötigt werden. Dies ist insbesondere für solche Vorhaben von Bedeutung, die aufgrund vorab notwendiger Investitionen mit einem hohen Finanzvolumen nicht aus eigenen Mitteln des Wissenschaftlers bzw. seiner Organisationseinheit vorfinanziert werden können. Die Mittel für Zielvereinbarungen entstammen zentralen Finanzpools, die sowohl auf Ebene des Ministeriums als auch auf Ebene der Hochschulleitung angesiedelt sein können. Um mit der Vereinbarung von Zielen den gewünschten Erfolg und eine Steuerung erzielen zu können, müssen sie präzise formuliert sein und vor allem operationalisierbar sein. Zielvereinbarungen sollten drei Dimensionen umfassen. Dazu zählen der Zielinhalt, das Zielausmaß sowie ein begrenzter Umsetzungszeitraum für die Verwirklichung der Ziele (vgl. Gaugier 1998, S. 707). Durch Zielvereinbarungen kann die mit Mittelverteilungsmodellen erfolgende Grobsteuerung präzisiert und verfeinert werden (vgl. Brinckmann 1998, S. 153). Das Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung zeigt, dass Mittelverteilungsmodelle und Zielvereinbarungen einen wichtigen Beitrag liefern, um eine zielorientierte Steuerung der Hochschulen vorzunehmen und notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen, um Wettbewerbsmechanismen wirksam werden zu lassen. Eine erhebliche Schwierigkeit bei der Anwendung der outputorientierten Steuerung liegt darin, die entscheidenden Größen als Bewertungsmaßstab heranzuziehen und zu beurteilen, inwieweit diese tatsächlich die abzubildenden Leistungen adäquat widerspiegeln. Die Eigenschaften von Indikatoren sowie die Problematik der Bedeutung und Aussagekraft von Indikatoren wird dementsprechend im folgenden Abschnitt thematisiert. 3. Indikatoren in Forschung und Lehre

Mit dem Einsatz von Indikatoren in Forschung und Lehre sind verschiedene Funktionen verknüpft. Indikatoren liefern zum einen Informationen für Allokationsentscheidungen und für strategische Planungen. Zudem dienen sie zur Kontrolle der Verwendung finanzieller Mittel und somit der Legitimation des

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Mitteleinsatzes. Schließlich wird über die mit ihnen gekoppelten Leistungsanreize (siehe Abschnitt a), S. 68) eine Steuerung des Leistungsverhaltens herbeigeführt. Eine zunehmend wichtige Funktion von Leistungsindikatoren ist, dass sie eine kritische Reflexion der angebotenen Leistungen durch die Hochschulakteure hervorruft. Dadurch werden hochschulinterne Diskussionen angestoßen, die eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung der Leistungen (Qualitätssicherung) sowie zur Unterstützung von Selbststeuerungsprozessen sind (vgl. Frackmann 1997, S. 216). Die Verwendung von Indikatoren in Hochschulen ist durch ein Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit einer Beurteilung einerseits und der Schwierigkeit der Definition von Leistung und Erfolg in Forschung und Lehre andererseits gekennzeichnet (vgl. Frackmann 1997, S. 202 f.). Das ist darauf zurückzuführen, dass für Leistung und Erfolg im Hochschulbereich keine umfassende Definition, also kein Vergleichsmaßstab vorliegt (vgl. Behrens 1996, S. 228). Ursächlich dafür ist, dass die Messung wissenschaftlicher Leistungen nach ihrer Art, ihrem Umfang und dem Inhalt sowohl innerhalb als auch zwischen den fachlichen Disziplinen stark differiert (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 292; Hornbostel 2000, S. 73). Dem Einwand, dass Leistung und Erfolg nicht durch Indikatoren messbar sind kann gegenübergestellt werden, dass mit Indikatoren nicht der Anspruch verbunden ist, die wissenschaftliche Leistung selbst zu messen. Indikatoren sind vielmehr quantifizierbare Hilfsgrößen, über die Rückschlüsse auf Leistungen im Hochschulbereich vorgenommen werden (vgl. Altmiks 1999, S. 189). Eine wesentliche Funktion, die Leistungsindikatoren für die Steuerung des Hochschulsystems übernehmen, wird anhand des Vergleichs von Wissenschaftsindikatoren mit ökonomischen Indikatoren dargestellt. Wissenschaftsindikatoren und ökonomische Indikatoren weisen einen grundlegenden Unterschied auf. Ökonomische Indikatoren haben bereits eine marktmäßige monetäre Bewertung erfahren. Dadurch verfügen sie über eine standardisierte Vergleichsgröße in Form eines Geldäquivalents, die sich durch Märkte herausbildet. Im Gegensatz dazu bildet sich im Hochschulsystem bei staatlicher, bzw. über Quasimärkte erfolgender Steuerung keine ebenbürtige Vergleichsgröße heraus. Diese Funktion übernehmen Wissenschaftsindikatoren, indem sie standardisierte Vergleichsgrößen konstruieren, um wissenschaftliche Erfolge und Leistungen zu quantifizieren (vgl. Hornbostel1997, S. 325 f.). Wie bereits in Abschnitt c) (S. 54 ff.) erwähnt, treten Leistungsindikatoren somit an die Stelle von Marktpreisen, wodurch sie die Voraussetzung für eine Steuerung von Hochschulen über Quasimärkte schaffen (vgl. Körber-Weik 1998, S. 160).

a) Strukturierung von Indikatoren Eine gängige Form der Strukturierung von Indikatoren orientiert sich an dem Prozess, der die Erstellung von Leistungen der Hochschulen in Forschung und

III. Die Steuerung von Hochschulen

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Lehre beschreibt. So nimmt Altmiks (1999, S. 190) eine Untergliederung nach Input-, Prozess- und Outputindikatoren vor. Liefner (2001, S. 38 ff.) differenziert nach Input-, Throughput- (Prozessindikatoren) und Outputindikatoren, während Ziegele (1997, S. 69) und Hödl (1994, S. 148 ff.) ihre Betrachtungen auf Inputund Outputindikatoren begrenzen.

Tabelle 1 Strukturierung von Indikatoren nach ihren spezifischen Charakteristika

-

leistungsorientierte Drittmittel Patente wissenschaftliche Preise Studiendauer Promotionen Habilitationen Absolventen

qualitative - Studiendauer - Zahl der Absolventen unter Berücksichtigung der Drop-Out-Quote - Auslastung (Bewerbungen je Studienplatz; Studierende je Studienplatz) - Herkunft der Drittmittel - wissenschaftliche Preise und Auszeichnungen

-

belastungsorientierte Studierende Studienanfänger Lehrexporte und Lehrimporte angebotene Veranstaltungen (SWS)

strukturelle - Studierende / wissenschaftliche Mitarbeiter - Budget/Student - Anteil Studierender in der Regelstudienzeit zur Gesamtzahl der Studierenden - Zahl der angebotenen Studienplätze/ Nachfrage durch Studien anfänger - Anteil Studentinnen in Relation zur Gesamtzahl Studierender

Quelle: Liefner 2001, S. 40; Ziegele 1997, S. 70; Ziegele 1996, S. 7 ff.; Daniel 1996, S. 17 und 28, eigene Zusammenstellung

Im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit, die Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen in den Mittelpunkt stellt, ist diese Form der Strukturierung nicht zweckmäßig. Die Differenzierung nach Input- und Outputindikatoren orientiert sich an dem Prozess, bei dem Leistungen in Forschung und Lehre erbracht werden. Prozessindikatoren sind für Leistungsbewertungen und für Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung jedoch nur begrenzt geeignet (vgl. Altmiks 1999, S. 191). Eine Untergliederung nach Funktionen, die mit der Verwendung der Indikatoren verfolgt wird, erscheint zweckmäßig. Demnach wird eine Differenzierung in belastungs- und leistungsorientierte Indikatoren vorgenommen. Belastungsorientierte Indikatoren dienen der Allokationsfunktion, also der Bemessung der Ausstattung in Abhängigkeit der Aufgabenübernahme in Forschung und Lehre. Über leistungsorien-

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

tierte Indikatoren werden hingegen Leistungsanreize gesetzt, die auf die Beeinflussung und somit eine Steuerung des Verhaltens abzielen. Die Tabelle 1, auf S. 63, stellt eine Auswahl verschiedener Indikatoren dar, die nach ihrer Funktion geordnet sind. Zusätzlich zu den leistungs- und belastungsorientierten Indikatoren gibt es zwei weitere Gruppen von Indikatoren. Die qualitativen Indikatoren sowie die Strukturindikatoren stellen ergänzende Informationen bereit, die einerseits eine differenziertere Beurteilung der organisatorischen Einheiten ermöglichen und zum anderen wichtige Auskünfte liefern, die beispielsweise für strategische Planungen verwendet werden können. In der Tabelle 1 wurde eine Möglichkeit der Untergliederung verwendet. Neben der bereits erwähnten Differenzierung nach Input-, Throughput- und Outputindikatoren gibt es weitere Formen der Untergliederung, wie beispielsweise die Unterteilung nach Forschungsund Lehrindikatoren (vgl. Franck und Opitz 2000, S. 273 ff.; Hödl und Zegelin 1999, S. 290 ff.). Nachteil dieser Untergliederung ist, dass beide Prozesse in Form einer Kuppelproduktion miteinander verbunden sein können und eine klare Trennung und Messung beider Aufgabengebiete damit erschwert ist (siehe Abschnitt 2., S. 32). b) Anforderungen an Indikatoren

Geknüpft an die Funktionen Information, Legitimation und Steuerung, die mit dem Einsatz von Indikatoren verfolgt werden, sind bestimmte Kriterien an deren Verwendung zu stellen 17. Die folgende Auflistung stellt wichtige Anforderungen an die Indikatoren zusammen, die bei der Auswahl berücksichtigt werden sollten. Die Indikatoren müssen: -

leicht zu erheben, also ohne großen zusätzlichen Aufwand verfügbar sein, vergleichbar und in ihrer Aussage eindeutig sein, bei allen Beteiligten auf ein Mindestmaß an Akzeptanz stoßen, so ausgewählt sein, dass sie keine unerwünschten Anpassungseffekte hervorrufen (die Steigerung der Absolventenzahlen sollte beispielsweise nicht zu einer unbeabsichtigten Senkung des Niveaus der Abschlussprüfungen und somit zu einer Qualitätsverschlechterung führen), - in ihrer Ausprägung beeinflussbar sein und die mit ihnen intendierten Anreizwirkungen hervorrufen, sofern es sich um leistungsorientierte Indikatoren handelt, - das Ausmaß der Übernahme von Aufgaben in Forschung und Lehre adäquat abbilden, sofern es sich um belastungsorientierte Indikatoren handelt,

17 Auf die Vor- und Nachteile einzelner Indikatoren wird nicht näher eingegangen. Mit dieser Thematik befassen sich u.a. Ziegele 1996; Ball und Wilkinson 1994; Hombostel 1997 und Weingart 1995.

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

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- in einer verlässlichen und korrekten Weise gemessen und interpretiert werden können, - die unterschiedlichen disziplinspezifischen Rahmenbedingungen durch Einbeziehung von fächerabhängigen Gewichtungen angemessen berücksichtigen, - klar nach Belastungs- und Leistungsindikatoren unterschieden werden, da mit Leistungsindikatoren Anreize verknüpft sind, wohingegen mit Belastungsindikatoren keine verknüpft sein sollen. Die Hauptkritik am Einsatz von Indikatoren zur Bewertung von Leistungen in Forschung und Lehre basiert auf dem Einwand, dass die erbrachten Leistungen in ihrer Darstellung auf wenige Faktoren reduziert werden und die Indikatoren mehrheitlich mengenorientierte, quantitative Größen abbilden. Auf dieser Grundlage eine Gesamtbeurteilung wissenschaftlicher Prozesse vorzunehmen, wird als unzureichend betrachtet (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 294). Um darauf aufbauende Fehlsteuerungen zu vermeiden und den qualitativen Aspekt ausreichend zu berücksichtigen, ist die Anwendung weiterer Maßnahmen, wie beispielsweise die Durchführung von Lehrevaluationen, Zertifizierungen, Akkreditierungen, Peer Reviews, Begutachtungen und die Erstellung von Leistungsberichten erforderlich.

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen In Abschnitt III. (S. 45 ff.) wurde die leistungsorientierte Ressourcensteuerung als eine mögliche Form zur Koordination und Steuerung von Hochschulen vorgestellt. Im Folgenden wird anhand der Agency-Theorie die Funktions- und Wirkungsweise von Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung erklärt und die davon ausgehenden und zu erwartenden Wirkungen vorgestellt. Darauf folgt eine Übertragung der theoretischen Annahmen und Befunde auf empirische Beobachtungen in Hochschulen. Um die Wirkungsweise leistungsorientierter Steuerungsverfahren zu verdeutlichen, wird schließlich auf die Gestaltung von Anreiz- und Motivationsstrukturen eingegangen.

1. Agency- Theorie a) Grundaussagen Die Agency-Theorie (auch als Agenturtheorie bezeichnet) ist ein aus der "Neuen Institutionenökonomik"18 stammender theoretischer Erklärungsansatz. Er behandelt die vertragliche Ausgestaltung der Delegation von Aufgaben und 18 Einen Überblick über die Institutionenökonomik bieten beispielsweise Richter und Furubotn 1999; Erlei, Leschke und Sauerland 1999.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Entscheidungskompetenzen zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer. Die Theorie dient somit zur Erklärung der Funktionsweise vertraglicher Auftragsbeziehungen und den damit verbundenen Steuerungs-, Kontroll-, Anreiz- und Motivationsmechanismen sowie der Herleitung einer effizienten vertraglichen Ausgestaltung. Innerhalb der Agency-Theorie werden zwei Ansätze unterschieden. Zum einen existiert der normative Ansatz (Principal-AgentTheorie), in dem mit Hilfe mathematischer Methoden und formaler Entscheidungsmodelle optimale Vertragslösungen hergeleitet werden. Dieser Ansatz ist nicht an der Empirie ausgerichtet. Im Gegensatz dazu steht der nichtmathematisch und empirisch orientierte positive Ansatz (positive Agency-Theorie). Er dient dazu, in der Realität zu beobachtende Ausgestaltungen von Auftragsverhältnissen zwischen Principal und Agent zu erklären (v gl. Richter und Furubotn 1999, S. 166; Ebers und Gotsch 1995, S. 195; Wenger und Terberger 1988, S. 506; Eisenhardt 1989, S. 59; Kleine 1995, S. 28; Feldmann 1995, S. 50; Arrow 1991, S. 38). Für die weiteren Ausführungen wird auf den positiven Ansatz zurückgegriffen. Aufgrund seiner empirischen Ausrichtung ist er geeignet, Principal-Agent-Beziehungen, die in der Praxis, also in diesem Fall im Hochschulbereich existieren, zu erklären. Dabei werden vorliegende vertragliche Ausgestaltungen und deren Steuerungs- und Koordinationsproblematik untersucht sowie der Einsatz von Anreiz- und Motivationsmechanismen zur Lösung der entstehenden Probleme analysiert (vgl. Feldmann 1999, S. 139, 140 und 149). In der positiven Agency-Theorie werden Auftragssituationen behandelt, in denen ein Auftraggeber (Principal) Aufgaben und Entscheidungskompetenzen an einen Auftragnehmer (den Agent) delegiert. Der Anlass für die Delegation ist in den Vorteilen zu sehen, die mit der Arbeitsteilung verbunden sind. Innerhalb von Wirtschaft und Gesellschaft bewirkt die Arbeitsteilung die Spezialisierung des Wissensbestandes einzelner Akteure. Für den Auftraggeber ist es vorteilhaft, Aufgaben und Entscheidungskompetenzen an einen Auftragnehmer zu delegieren, da dieser aufgrund des Erwerbs speziellen Wissens und dem damit verbundenen Informations- und Wissensvorsprung, die an ihn delegierten Aufgaben besser erfüllen kann als der Principal. Dadurch entsteht eine arbeitsteilige Vertragsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Principal-AgentBeziehung), die durch einen asymmetrischen Informationsstand der beiden Vertragspartner gekennzeichnet ist. Neben dieser Annahme asymmetrisch verteilter Informationen zwischen Principal und Agent liegen der Theorie die weiteren Annahmen zugrunde, dass Individuen verschiedene Ziele verfolgen und bestrebt sind, ihren eigenen Nutzen durch opportunistisches Handeln, also gegebenenfalls auch auf Kosten anderer, zu erhöhen (vgl. Richter und Furubotn 1999, S. 2 f.). Darüber hinaus wirkt sich die unterschiedlich hohe Risikoneigung der Vertragspartner auf die Ausgestaltung der Vertragsbeziehung aus. Während davon ausgegangen wird, dass der Agent risikoavers eingestellt ist, weist der Principal im Gegensatz dazu meistens eine risikoneutrale Einstellung auf. Beim Abschluss

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

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eines Vertragsverhältnisses erfolgt eine Risikoteilung zwischen Principal und Agent. Aus den unterschiedlichen Risikoneigungen folgt jedoch, dass beide Vertragspartner verschiedene Handlungsoptionen vorziehen (vgl. Dietl1993, S. 135; Feldmann 1995, S48 f.). Außerdem ist das Ergebnis der Vertragsbeziehung nicht ausschließlich von den Handlungen des Agent abhängig. Es wirken zusätzliche Größen, wie z.B. die Aktivitäten weiterer Akteure, exogene Umwelteinflüsse und Zufallsgrößen auf das Ergebnis ein (vgl. Feldmann 1995, S. 49; Fritsch, Wein und Ewers 1999, S. 273). Die Delegation von Aufgaben und Kompetenzen hat zur Folge, dass der Agent durch seine Tätigkeiten und Entscheidungen nicht nur das eigene Nutzenniveau, sondern auch das des Principal beeinflusst (vgl. Diet11993, S. 133). Aufgrund des Informationsvorsprungs des Agent ist der Principal jedoch nicht in der Lage, dessen Leistungen angemessen zu beurteilen und festzustellen, ob dieser die Aufgaben in seinem Sinne, also nach Maßgabe des Principal erfüllt. Entsprechend der oben genannten Verhaltensannahmen wird davon ausgegangen, dass der Agent nicht bestmöglich die Interessen des Principal verfolgt. Stattdessen ist er bestrebt, den eigenen Nutzen zu maximieren (vgl. Richter und Furubotn 1999, S. 163). Je weniger Informationen dem Principal über die Handlungsalternativen, die Motivation und die tatsächlich durchgeführten Tätigkeiten des Agent vorliegen, desto größer ist das Risiko, dass der Agent die eigenen Interessen unter Abweichung von den Zielen des Principal, also zu dessen Nachteil verfolgt. Mit Hilfe des verwendeten theoretischen Ansatzes wird die vertragliche Ausgestaltung der arbeitsteiligen Auftragsbeziehung untersucht, die dem Principal unter Berücksichtigung der genannten Annahmen die Verwirklichung eines optimalen Nutzenniveaus ermöglicht. Sie analysiert folglich, wie durch Einsatz von Anreizund Kontrollmechanismen sowie durch die Verwendung von Informationssystemen der Agent angehalten werden kann, im Sinne des Principal zu handeln und dessen Ziele zu verfolgen (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 195; Amrhein 1998, S.46). Im theoretischen Grundmodell werden verschiedene Formen asymmetrischer Informationsverteilung unterschieden (vgl. Dietl 1993, S. 137; Wenzier 1997, S. 98 f.; Richter und Furubotn 1999, S. 163 f.). Im Weiteren wird ausschließlich auf den Typ der "hidden action" eingegangen, bei dem eine Informationsasymmetrie nach Vertragsabschluss, also während der Leistungserfüllung bis zum Ende des Vertragszeitraums vorliegt. Deren Ursache ist, dass der Principal aufgrund unzureichender Fachkenntnis nicht in der Lage ist, die Tätigkeiten des Agent zu beurteilen. Sie kann auch darauf beruhen, dass dem Principal sowohl die Handlungsalternativen, als auch das Verhalten des Agent aufgrund mangelnder Informationen verborgen bleiben. Er kann daher nicht kontrollieren und beurteilen, ob der Agent den eigenen Nutzen unter Vernachlässigung der Interessen des Principal maximiert (vgl. Dietl 1993, S. 138). Das Streben nach Nutzenmaximierung kann den Agent dazu verleiten, diese Situation auszunutzen, indem er seine Leistungen reduziert oder Ressourcen für die Verfolgung der eigenen Ziele einsetzt.

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Die Folge dieses asymmetrischen Informationsstandes ist mit Nachteilen für den Principal verbunden, da dieser mit einem sub optimalen Ergebnis des von ihm zur Bearbeitung an den Agent delegierten Auftrags rechnen muss (v gl. Ebers und Gotsch 1995, S. 199). Das grundlegende Problem der Principal-Agent-Beziehung ist folglich, durch geeignete Maßnahmen den Agent dazu zu bewegen, die an ihn delegierten Aufgaben entsprechend den Vorstellungen des Principal auszuführen. Durch die Einbeziehung der folgenden Mechanismen in die vertragliche Ausgestaltung der Principal-Agent-Beziehung kann diesem Problem begegnet werden: • Direkte Verhaltenssteuerung Es besteht die Möglichkeit, das Verhalten des Agent direkt zu beeinflussen. Dabei gibt der Principal Verhaltensnormen, also Anweisungen für die Ausübung der an den Agent delegierten Tätigkeiten vor. Durch Kontrollen ermittelte Abweichungen von den Normen werden sanktioniert. Es kann sowohl zwischen expliziten als auch impliziten Verhaltens normen unterschieden werden. Explizite Verhaltensnormen geben eindeutig vor, welche Aufgaben nach welcher Methode ausgeführt werden sollen. Gegen die Vorgabe von Verhaltensnormen ist einzuwenden, dass es dem Principal aufgrund der bestehenden Informationsasymmetrie schwerfallen dürfte, diese hinreichend präzise zu formulieren. Gerade in Tätigkeitsbereichen, die sich durch komplexe Sachverhalte und nicht standardisierte Arbeitsabläufe auszeichnen, ist die Vorgabe von Normen nicht sinnvoll. Im Gegensatz dazu gibt der Principal bei impliziten Verhaltensnormen dem Agent ein Ziel vor, bzw. vereinbart es mit ihm. Der Agent wiederum handelt nach diesen Zielvorgaben und wählt nach eigenem Ermessen die Tätigkeiten, die am besten zur Erfüllung des Ziels beitragen (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 200 f.; Laux 1990, S. 2 f.; Wenger und Terberger 1988, S. 507) . • Anreize Anreize stellen eine weitere Möglichkeit zur Behebung des Principal-AgentProblems dar. Durch die Konzeption eines geeigneten Anreizsystems soll das Verhalten des Agent in der Weise beeinflusst werden, dass er die Ziele des Principal bestmöglich verfolgt. In ökonomischen Anreizsystemen ist die Verfolgung der Ziele des Principal für den Agent mit einem Anreiz, beispielsweise einer Belohnung verbunden. Da der Agent bestrebt ist, seinen eigenen Nutzen zu maximieren, muss ein Anreizsystem so ausgestaltet sein, dass sich der Nutzen des Agent erhöht, sofern er die Ziele des Principal verfolgt. Anreizsysteme führen demgemäß zu einer positiven Korrelation zwischen dem Nutzenniveau des Principal und dem des Agent. Anreize stellen folglich ein Instrument zur Steuerung des Verhaltens des Agent dar (vgl. Laux und Liermann 1997, S. 486). Der Einsatz und die Gestaltung von Anreizsystemen wird um so bedeutender, je impliziter die Verhaltensnormen sind, die dem Agent vom Principal vorgegeben werden und je größer die Handlungsspielräume des Agent sind (vgl. Wenzier 1997, S. 102; Dietl 1993, S. 148). Implizite Verhaltensnormen erschweren den Nach-

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

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weis von Fehlentscheidungen, wodurch der Einsatz von Sanktionen schwer begründet werden kann. Der Einsatz von Anreizen gewinnt dadurch an Bedeutung. Darüber hinaus ist mit dem Einsatz von Anreizen der Vorteil verbunden, dass das Ausmaß notwendiger Kontrollen reduziert wird (vgl. Laux und Liermann 1997, S. 483). Durch eine Ergebnisbeteiligung kann der Agent bewegt werden, die Aufgaben nach den Vorstellungen des Principal auszuführen. Dabei erfolgt eine ergebnis-, bzw. erfolgsabhängige Belohnung des Agent aufgrund einer Bemessungsgrundlage, von der die Belohnung abhängt. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die Bemessungsgrundlage einfach zu beobachten und zu erheben ist, und dass der Agent durch seine Handlungen die Bezugsgrößen direkt beeinflussen kann (vgl. Laux 1990, S. 2; Dietl 1993, S. 150). Wie bereits erwähnt, wird das Ergebnis der Handlungen des Agent von weiteren exogenen Größen beeinflusst. Das resultiert in dem Problem, dass vom Ergebnis der Handlungen des Agent nur bedingt auf sein Aktivitätsniveau geschlossen werden kann und somit dem Principal die Bewertung der Leistungen des Agent erschwert wird. Diese Einschränkung ist bei der Auswahl einer Bemessungsgrundlage zu beachten . • Infonnationssysteme Der Aufbau bzw. die Verbesserung von Informationssystemen stellt eine weitere Maßnahme dar, um das Verhalten des Agent zu beeinflussen. Dabei verschafft sich der Principal durch die Verbesserung seiner Informationsstrukturen, also z.B. durch Berichtssysteme, Informationen über die Tätigkeiten des Agent. Dadurch verringert sich die Informationsasymmetrie zwischen Principal und Agent und die Handlungen und Entscheidungen des Agent nehmen an Transparenz zu. Folglich werden die Möglichkeiten des Agent eingeschränkt, Handlungsoptionen zu verfolgen, die nicht zur Verwirklichung der Ziele des Principal beitragen (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 201; Fritsch, Wein und Ewers 1999, S. 278; Eisenhardt 1989, S. 61; Feldmann 1999, S. 135). An Informationssysteme sind allerdings sehr hohe Anforderungen bezüglich einer umfassenden Einbeziehung der Tätigkeitsbereiche des Agent zu stellen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Agent sich auf Tätigkeiten in solchen Bereichen konzentriert, die einer Beobachtung unterliegen, während er seine Tätigkeiten in den Bereichen reduziert, die nicht vom Informationssystem abgedeckt werden (vgl. Whynes 1993, S. 444) . • Agenturkosten Die oben genannten Möglichkeiten einer Steuerung des Agent stellen alternative Möglichkeiten dar, die Eingang in die Ausgestaltung der Vertragsbeziehung zwischen Principal und Agent nehmen können. Welche der Maßnahmen letztendlich Berücksichtigung findet, wird anhand der entstehenden Agenturkosten beurteilt. Unter Agenturkosten sind die Kosten zusammengefasst, die bei der Delegation von Aufgaben aufgrund der bestehenden Informationsasymmetrie zwischen Agent und Principal entstehen. Bei der Delegation von Aufgaben besteht zwischen einem Idealzustand, der durch vollständige Information beider Vertragspartner gekennzeichnet ist und einem Zustand, bei dem zwischen Princi-

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

pal und Agent eine Informationsasymmetrie vorliegt, eine Kostendifferenz. Diese Kostendifferenz, also die durch die Abweichung vom Idealzustand entstehenden Ausgaben, werden als Agenturkosten (Agency-Costs) bezeichnet. Agenturkosten entstehen u.a. durch die Beschaffung von Informationen und die Kontrolle der Tätigkeiten des Agent (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 197 f.; Feldmann 1999, S. 135; Dietl1993, S. 135; Wenger und Terberger 1988, S. 508). Da Informationen nicht kostenlos verfügbar sind, wird der Principal nur in dem Maße Ausgaben für den Erwerb von Informationen tätigen, solange der erwartete zusätzliche Nutzen die aufgewendeten Kosten übersteigt (vgl. Fritsch, Wein, Ewers 1999, S. 279; Eilers 1998, S. 53). Die Entstehung von Kosten in Abhängigkeit von den eingesetzten Anreiz-, Informations- und Kontrollmechanismen stellt demnach eine weitere Größe dar, die die Ausgestaltung der Vertragsbeziehung maßgeblich beeinflusst. b) Kritik an der Agency-Theorie

Grundsätzliche Kritik an der Agency-Theorie richtet sich gegen die zugrundeliegenden Annahmen, die zu einer gewissen Realitätsfeme führen. So haben die im Rahmen der normativen Agency-Theorie mathematisch hergeleiteten Modellergebnisse häufig komplizierte Entlohnungsfunktionen zum Ergebnis. Die vorgeschlagenen Verfahren der Entlohnung finden in der Praxis zudem viel seltener Anwendung, als es die Theorie unterstellt. Festlöhne nehmen beispielsweise im Vergleich zu erfolgsabhängigen Formen der Belohnung einen sehr großen Umfang ein (vgl. Feldmann 1999, S. 149; Erlei, Leschke und Sauerland 1999, S. 166; Gedenk 1998, S. 24). Ein weiterer Einwand besteht gegen die Annahme, dass der Principal vor Vertragsabschluss ausreichend informiert sei, sodass mögliche, aus dem opportunistischen Verhalten des Agent auftretende Probleme bereits im Voraus absehbar seien und der Principal ihnen mit einer entsprechenden vertraglichen Ausgestaltung durch Motivations-, Informations- und Kontrollmechanismen begegnen kann. Ein Widerspruch besteht darin, dass eine asymmetrische Informationsverteilung einerseits zu Problemen, wie dem der "hidden action" in einer Principal-Agent-Beziehung führt. Auf der anderen Seite soll der Principaljedoch vorab ausreichend Informationen besitzen, um zukünftige Handlungen des Agent antizipieren und diesen vertraglich entgegenwirken zu können (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 205 f.; Althaus 1997, S. 145). Beanstandung findet auch die Konstellation der theoretisch modellierten Principal-AgentBeziehung. So handelt es sich in der Realität oftmals nicht um eine Beziehung zwischen einem Principal und einem Agent. Gerade im Fall von Organisationen besteht häufig eine Linie aneinandergereihter Principal-Agent-Beziehungen, die hierarchisch geordnet ist. So kann eine Ebene sowohl Agent der nächsthöheren hierarchischen Ebene, gleichzeitig aber auch Principal der nachgeordneten Ebene sein. Dadurch erschwert sich die vertragliche Ausgestaltung innerhalb solcher

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

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Organisationen erheblich (vgl. Erlei, Leschke und Sauerland 1999, S. 162). In der Realität existiert außerdem eine Vielzahl von Beziehungen zwischen einem Principal und mehreren Agents. Dementsprechend wurden Modelle entwickelt, die multiple Principal-Agent-Beziehungen abbilden (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 206). Der Einsatz mehrerer Agenten hat für den Principal den Vorteil, dass er bei ähnlichen vereinbarten Tätigkeitsfeldern relative Leistungsvergleiche vornehmen kann. Die dadurch mögliche Aufstellung von Rangordnungen ermöglicht es ihm, Anreize nicht an der absoluten Höhe des Handlungsergebnisses zu bemessen, sondern die Belohnung am Durchschnitt der erbrachten Leistungen aller Agents auszurichten (vgl. Erlei, Leschke und Sauerland 1999, S. 164). Ein zusätzlicher Kritikpunkt ist, dass die Belohnungsfunktionen und die mit dem Verhalten des Agent verbundenen Motive zu einseitig von monetären Kriterien abhängig gemacht werden (vgl. Ossadnik, Lange und Bruns 1998, S. 10). Dabei wird unzureichend berücksichtigt, dass das Ausmaß der Tätigkeit und die Leistungsfähigkeit eines Agent auch von anderen Faktoren, wie z.B. intrinsischer Motivation, Arbeitsethos, dem Streben nach Einfluss sowie dem Erwerb von Autonomie und Gestaltungsfreiräumen geprägt sein kann (siehe Abschnitt 2., S. 77). Die Überbetonung der monetären Belohnung kann somit zu Fehleinschätzungen über die Steuerungsmöglichkeit des Verhaltens des Agent und folglich zu einer verfehlten und somit wirkungslosen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses führen. Während monetäre Veränderungen sofort wirksam werden, indem der Agent beispielsweise eine geringere Entlohnung erhält, werden soziale Formen der Belohnung, wie z.B. ein Reputationsgewinn oder -verlust erst nach längerer Zeit wirksam (vgl. Gedenk 1998, S. 25; Arrow 1991, S. 50). . Gerade der zeitliche Aspekt der vertraglichen Vereinbarung findet in den Modellen der Agency-Theorie unzureichend Berücksichtigung. Während PrincipalAgent-Beziehungen in der Theorie gewöhnlich als Ein-Perioden-Verträge modelliert werden, handelt es sich in der Realität oft um vertragliche Beziehungen, die über mehrere Vertrags perioden bestehen. Bei mehrfachen Vertragsperioden gewinnen neben den kurzfristigen, die langfristigen Interessen für Principal und Agent an Bedeutung (vgl. Eilers 1998, S. 45). So kann das Interesse des Agent am Abschluss einer weiteren Vertragsperiode beispielsweise zu einer Reduzierung seiner opportunistischen Verhaltensweisen führen (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 206 f.). Außerdem erhält der Principal durch den Vergleich zu vergangen Vertragsperioden die Möglichkeit, die vom Agent aufgewendeten Anstrengungen und erbrachten Leistungen, besser einschätzen und bewerten zu können. Im Gegenzug hat der Agent die Möglichkeit, sich Reputation gegenüber dem Principal zu erwerben, die wiederum in die vertragliche Ausgestaltung eingeht (vgl. Erlei, Leschke, Sauerland 1999, S. 163 und 164). Insbesondere bei mehrjährigen Principal-Agent-Beziehungen gewinnt eine weitere Komponente an Bedeutung. Dabei handelt es sich um die Entwicklung von Vertrauen zwischen Principal und

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Agent, welches zur Stabilität und Kontinuität des Vertrags verhältnisses beiträgt (vgl. Van der Meulen 1998, S. 400; Feldmann 1999, S. 153). Ungeachtet der angeführten Kritik bleibt festzuhalten, dass die AgencyTheorie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von AuftraggeberAuftragnehmer-Beziehungen liefert. Besonders in ihrem Erklärungsgehalt empirisch vorliegender Auftragsbeziehungen und institutioneller Regelungen liegt ihre Stärke (vgl. Feldmann 1999, S. 140 und 267). Die Theorie verdeutlicht, dass zwischen Principal und Agent ein Zielkonflikt vorliegt. Sie macht dementsprechend Vorschläge, wie durch bestimmte Formen vertraglicher Vereinbarungen die Interessen von Principal und Agent aneinander angenähert werden können (vgl. Ebers und Gotsch 1995, S. 205). c) Übertragung der Agency-Theorie auf Hochschulen

Die Agency-Theorie wurde anfänglich primär auf die vertragliche Ausgestaltung von Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen in Unternehmen angewendet (vgl. Arrow 1991; Jensen und Meckling 1976; Pratt und Zeckhauser 1991; Ross 1973). Im Zuge ihrer Weiterentwicklung wurde sie auf andere Bereiche, u.a. auch auf Hochschulen übertragen (siehe beispielsweise Amrhein 1998; Buttler 1998b, S. 37; Goudriaan und de Groot 1991; Küpper 1997, S. 130 f.; Liefner 2001; Reichwald und Koller 1998; Van der Meulen 1998; Whynes 1993). Im Hochschulbereich existiert eine Vielzahl von Auftraggeber-AuftragnehmerBeziehungen, die sowohl zwischen als auch innerhalb verschiedener Organisationsebenen bestehen (siehe Abbildung 3, S. 73). So stellt der Staat den Hochschulen finanzielle Mittel zur Verfügung mit denen sie Studien angebote bereitstellen und Forschung betreiben. Die Hochschulleitung beauftragt wiederum die einzelnen Fachbereiche und somit die Wissenschaftler mit der Durchführung von Aufgaben in Forschung und Lehre, beispielsweise einen bestimmten Studiengang anzubieten. Hierbei handelt es sich um Auftragsbeziehungen zwischen verschiedenen organisatorischen Ebenen. Darüber hinaus existieren auch Principal-AgentBeziehungen innerhalb von Organisationsebenen, beispielsweise wenn ein Fachbereich (Principal) einen anderen Fachbereich (Agent) mit der Erstellung von Lehrleistungen beauftragt. In einem Forschungsprojekt, das auf der Kooperation zweier Wissenschaftler aufbaut, befinden sich die Wissenschaftler sowohl in der Rolle des Principal als auch in der des Agent gegenüber dem Kooperationspartner (vgl. Dietl 1993, S. 134). In Abhängigkeit von der jeweiligen Situation kann es sich bei ein und derselben Person bzw. Einrichtung sowohl um den Agent als auch um den Principal handeln. Die Hochschulleitung ist, indem sie die Durchführung von Lehr- und Forschungsaufgaben an Fachbereiche delegiert, als Principal tätig. Im Gegenzug wird sie jedoch vom Staat mit der Leitung, also dem Management, der Hochschule betraut und nimmt in Folge dessen die Stellung eines Agent ein. Weitere Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen beste-

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IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

hen zwischen der Hochschulleitung und den ihr untergeordneten administrativen und nichtwissenschaftlichen Einrichtungen. Der Kanzler beauftragt die in der Verwaltung tätigen Mitarbeiter mit administrativen Aufgaben. Darüber hinaus werden Aufgaben von der Hochschulleitung an die zentralen Einrichtungen (Serviceeinrichtungen, wie z.B. Bibliotheken, Rechenzentren, Fachsprachenzentren, etc.) delegiert. Bei einer Übertragung der Agency-Theorie auf den Hochschulbe-

(WissensChafts-, bzw. Kultusministerium (Staat)

J

Leitung der Hochschule, Bereitstellung von Studienangeboten, Forschungstätigkeiten

Vertretung der Interessen

I

der Fachbereiche gegenüber den staatlichen Einrichtungen



( Hochschulleitung )

~. . . . . . . . . . . . . .~

(Dekan) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Aufgaben in Forschung und Lehre

Vertretung der Interessen des Fachbereichs

( Fachbereiche bzw. Fakultäten

I

Durchführung von Verwaltungstätigkeiten

Angebot ergänzender Serviceleistungen für Lehre und Forschung

Zentrale Einrichtungen: [ Rechenzentrum, Bibliothek, Fremdsprachenzentrum

J

(. Zentrale (Hochschulverwaltung

Lehrangebote,

' " Forschung

t

( Wissenschaftler) Forschung, Gutachten, sonstige Dienstleistungen

(außeruniversitäre Auftraggeber, Firmen, Interessenverbände

lzoB.

: (Principal)

J



Delegation von Aufgaben

(Agent)

,-----------

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 3: Principal-Agent-Beziehungen im Hochschulbereich

reich gilt es, die dort vorliegenden besonderen Rahmenbedingungen ausreichend zu berücksichtigen, In Bezug auf Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung wird der Schwerpunkt der Betrachtungen auf die Principal-Agent-

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Beziehung zwischen Staat und Hochschulen einerseits und der Hochschulleitung und den Professoren andererseits gelegt. Auftragsbeziehungen im wissenschaftlichen Bereich sind durch eine erhebliche Informationsasymmetrie zwischen Principal und Agent gekennzeichnet. Bei Wissenschaftlern handelt es sich um Experten, die ein hohes Maß an personenbezogenem Fachwissen besitzen (siehe Abschnitt 2., S. 34). Selbst innerhalb ihrer wissenschaftlichen Disziplin weisen sie sich durch Spezialkenntnisse aus. Dadurch ist es für den Staat bzw. die Hochschulleitung als Principal fast unmöglich, die wissenschaftlichen Leistungen der einzelnen Wissenschaftler nach fachlichen Kriterien zu bewerten. Neben einer hohen fachlichen Spezialisierung kennzeichnet die Forscher ein ausgeprägtes Streben nach Autonomie und Freiheit (vgl. Sporn 1996, S. 42). Darüber hinaus identifizieren sie sich primär mit ihrer Fachdisziplin, in geringerem Maße jedoch mit der Organisation und den Zielen der Hochschule bzw. des Staates (vgl. Abschnitt 2., S. 31). Das Interesse von Wissenschaftlern und Hochschulen besteht nicht darin, die Ziele der sie finanzierenden Institutionen zu verfolgen, sondern sich innerhalb des Wissenschaftssystems zu positionieren und zu etablieren (vgl. Van der Meulen 1998, S. 400). Diese Grundhaltung ist als eine wesentliche Ursache für Zielkonftikte zwischen Staat und Hochschulen sowie zwischen Principal und Agent innerhalb von Hochschulen zu sehen. Zudem besitzen die Wissenschaftler ein verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Autonomie und Freiheit in Forschung und Lehre (Artikel 5, Abs.3 GGe) (vgl. Jarass und Pieroth 1997, S. 154). Aufgrund dessen verfügen sie über einen großen Handlungsspielraum, den sie zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen nutzen können (vgl. Küpper 1997, S. 130). In Abschnitt 1. (S. 68 ff.) wurden verschiedene Maßnahmen genannt, um die Tätigkeiten des Agent auf die Ziele des Principal auszurichten. Die vorgestellten Instrumente dienen dazu, das Vertragsverhältnis von Principal und Agent auszugestalten und deren jeweilige Nutzenfunktionen einander anzugleichen. Zu diesem Zweck schlägt die Agency-Theorie die Vorgabe von Verhaltensnormen, den Einsatz von Anreizmechanismen und den Ausbau von Informationssystemen vor. Im Bereich der Hochschulen existieren entsprechende Instrumente, die im Folgenden vorgestellt werden. - Die Vorgabe von Verhaltensnormen im Hochschulbereich beschränkt sich auf implizite Verhaltensnormen. Der Einsatz von expliziten Verhaltensnormen ist aufgrund der stark ausgeprägten Informationsasymmetrie und der bereits erwähnten fachlichen Spezialisierung der Wissenschaftler nicht sinnvoll. Demgegenüber erfolgt ein Einsatz impliziter Verhaltensnormen in Form von Ziel vereinbarungen (siehe Abschnitt bb), S. 60). Zielvereinbarungen sind demnach Vereinbarungen, die zwischen Staat und Hochschulen sowie zwischen Hochschulleitung und Wissenschaftlern getroffen werden. Dabei werden konkrete Ziele vereinbart, die innerhalb eines Zeitraumes vom Agent, also von der Hochschule bzw. von den Wissenschaftlern, erfüllt werden sollen. Mit welchen Maßnahmen

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

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und Methoden sie die Ziele verwirklichen, ist ihnen unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen normalerweise freigestellt. Zielvereinbarungen stellen somit die ganzheitliche Übertragung von Aufgaben an den Agent dar (vgl. Reichwald und Koller 1998, S. 41). Im Gegenzug stellt der Principal, also der Staat bzw. die Hochschulleitung, zu diesem Zweck finanzielle Mittel oder eine materielle Ausstattung zur Verfügung. Nach Ablauf des vereinbarten Vertragszeitraums, findet eine Überprüfung der Zielerreichung statt. Wurden die angestrebten Ziele nicht erfüllt, so kann dies zu Sanktionen von Seiten des Principal führen. Zumindest wirkt sich das Ergebnis jedoch auf die Ausgestaltung und den Abschluss neuer Ziel vereinbarungen aus. Das Ausmaß der Zielerreichung stellt in diesem Fall den entscheidenden Bewertungsmaßstab dar. - Als weiteren Mechanismus empfiehlt die Agency-Theorie den Einsatz von Anreizen. Besondere Schwierigkeiten sind bei der Ausgestaltung von Anreizen damit verbunden, eine geeignete Bemessungsgrundlage zu finden, an die eine Belohnung geknüpft werden kann. In Hochschulen ergibt sich dadurch ein Problem, dass wissenschaftliche Ergebnisse in ihrer Bedeutung schwer zu bewerten sind und der Aufwand der Wissenschaftler nur indirekt gemessen werden kann (vgl. Van der Meulen 1998, S. 402). Die Agency-Theorie schlägt als Anreiz beispielsweise eine erfolgsabhängige Belohnung vor. Diese Möglichkeit bietet sich in Hochschulen bislang nicht, da einerseits eine Gewinnbeteiligung aufgrund der nicht gewinnorientierten Zielsetzung von Hochschulen nicht erfolgen kann (vgl. Abschnitt 2., S. 29), andererseits der Einsatz erfolgsabhängiger Belohnungsschemata aufgrund des öffentlichen Dienstrechts nur eingeschränkt möglich ist (vgl. Küpper 1997, S. 138; Böhm 2000; Rüegg 1985, S. 86). Das Gehalt der Wissenschaftler ist von vornherein festgelegt, was eine Kopplung von Leistung und Belohnung verhindert (vgl. Whynes 1993, S. 439). Damit Anreize, die mit leistungsabhängigen Entlohnungsfunktionen verbunden sind, wirksam werden, ist eine Veränderung der Finanzierungsmodalitäten notwendig. Ein Schritt in diese Richtung stellt das Professorenbesoldungsreformgesetz (ProfBesReformG) dar, dass die Einführung einer leistungsorientierten Professoren besoldung vorsieht, die mit einer flexiblen Bezahlungsstruktur verknüpft ist (vgl. BMI 2001). Da Professoren neben inflexiblen Löhnen eine Anstellung auf Lebenszeit besitzen, bestehen für den Principal nur begrenzte Sanktionsmöglichkeiten. Es handelt sich um sehr langfristige Principal-Agent-Beziehungen, die lediglich von Seiten der Wissenschaftler verändert werden können, indem sie beispielsweise einen Ruf an eine andere Hochschule annehmen. Die Lebenszeitbeschäftigung führt zu einem Unabhängigkeitsverhältnis der Wissenschaftler, das außerdem mit mangelndem Einfluss des Principal, also des Staates bzw. der Hochschulleitung, auf die Leistungsbereitschaft der Forscher einher geht. Zusammenfassend wird ersichtlich, dass monetäre Modelle zur direkten individuellen Belohnung, die aus dem Bereich der Wirtschaft stammen, in Hochschulen nur eingeschränkt Anwendung finden können. Diese Aussage bezieht sich jedoch lediglich auf direkte

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

monetäre Belohnungsverfahren. Modelle der Ressourcensteuerung führen hingegen zu einer indirekten monetären Belohnung der Wissenschaftler, indem ihnen eine bessere Ausstattung zur Verfügung gestellt wird oder sie zusätzliche Mittel zur Durchführung von Forschungsaufgaben erhalten .. Solche Belohnungsinstrumente, die indirekt wirken, sind in Hochschulen in Form der Ressourcensteuerungsverfahren durchaus vorhanden. Weiterhin muss beachtet werden, dass die Motivation der Wissenschaftler neben finanziellen Belohnungen von weiteren Größen bestimmt wird. Auf diesen Aspekt wird in Abschnitt a) (S. 77 ff.) ausführlich eingegangen. Anreize in Hochschulen müssen dementsprechend auf die spezifischen Motivationsstrukturen ausgerichtet sein. Um unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen in Hochschulen trotzdem zu gewährleisten, dass der Agent die Aufgaben des Principal nach dessen Vorstellungen ausführt, werden ökonomische Anreizmodelle in Form von Formelmodellen verwendet (siehe Abschnitt aa), S. 57). Sie machen die Höhe der zugewiesenen Mittel von der erbrachten Leistung abhängig. Da eine fachliche Bewertung wissenschaftlicher Leistungen nur eingeschränkt möglich ist, macht sich der Principal die Tatsache zu Nutze, dass eine multiple Principal-AgentBeziehung vorliegt (siehe Abschnitt b), S. 71). Aufgrund dessen kann der Staat, bzw. die Hochschulleitung eine relative Leistungsbewertung der Tätigkeiten der Hochschule, bzw. der Wissenschaftler anhand ausgewählter Indikatoren vornehmen. Die Indikatoren, die mit Preisäquivalenten versehen sind, bieten sowohl den Hochschulen, als auch den Wissenschaftlern Leistungsanreize, bestimmte Aktivitäten zu verfolgen. - Infonnationssysteme werden in der Agency-Theorie schließlich als weiteres Instrument betrachtet, mit dem der Principal eigennütziges Handeln des Agent einschränken kann. Der Aufbau eines Hochschulcontrollings, die Ergänzung der bisherigen kameralistischen Haushaltsrechnung durch eine Kosten- und Leistungsrechnung, die Erhebung zusätzlicher Kennziffern, ebenso wie die Durchführung von Evaluationen bzw. Peer Reviews können dem Principal zusätzliche Informationen erschließen. Diese Maßnahmen können neben anderen Zwecken (z.B. zur Finanz- und Strukturplanung) auch zur Kontrolle und Beobachtung der Tätigkeiten von Wissenschaftlern genutzt werden. Zusammenfassend lässt. sich festhalten, dass die Übertragbarkeit der AgencyTheorie auf Hochschulen durch die vor Ort gegebenen Rahmenbedingungen eingeschränkt wird. Jedoch hat die Agency-Theorie verdeutlichen können, welche Funktion einzelne Maßnahmen der leistungsorientierten Ressourcensteuerung in Hochschulen übernehmen. Für die Anwendung der genannten Instrumente bleibt anzumerken, dass die von Wissenschaftlern erwarteten Leistungen nicht vom Principal vorgeschrieben werden können. Grundlage von Lehre und Forschung sowie von Leistung und Erfolg im Wissenschaftsbereich sind sowohl kreative Ideen als auch fachliche Kompetenzen. Bei der Vorgabe von Verhaltensnormen

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

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und dem Einsatz von Anreizinstrumenten und Informationssystemen besteht stets die Gefahr, dass eine dadurch hervorgerufene Überregulierung der wissenschaftlichen Aktivitäten eher zu Demotivierung als zu einer Leistungssteigerung der Wissenschaftlerführen kann (vgl. Buttler 1998a, S. 234). 2. Motivation und Anreize In Abschnitt 1., auf S. 65, wurde das grundlegende Problem der Delegation von Aufgaben zwischen Principal und Agent erläutert. Daraus ergab sich die zentrale Frage, welche Anreizstrukturen den Agent am ehesten dazu veranlassen, die Interessen und Ziele des Principal zu verfolgen (vgl. Van der Meulen 1998, S. 400). In der Kritik an der Agency-Theorie wurde bereits aufgegriffen, dass in den der Theorie zugrunde liegenden Annahmen zu einseitig von einer Motivation durch monetäre Anreize ausgegangen wird (siehe Abschnitt b), S. 71). Die Tatsache, dass Wissenschaftler beispielsweise in hohem Maß nach Freiheit und Autonomie streben (siehe Abschnitt c), S. 74), lässt hingegen vermuten, dass ihrem Handeln zusätzlich weitere bzw. andere Motivationsmechanismen zugrunde liegen. Damit Anreize wirksam werden, müssen sie auf die Motivation der Akteure abgestimmt sein. Die Wirksamkeit von Anreizen hängt nicht alleine davon ab, ob der Entscheidungsträger in der Lage ist, diese zu erkennen und zu interpretieren. Entscheidend ist seine Motivation, nach diesen Anreizen zu handeln. Demzufolge existiert zwischen Anreiz und Motivation ein enger Zusammenhang. Um eine adäquate Beurteilung und Ausgestaltung von Anreizsystemen in Hochschulen vornehmen zu können, wird nachfolgend auf die in Hochschulen vorliegenden Motivationsstrukturen sowie die Existenz verschiedener Anreizformen eingegangen. a) Motivation Motivation ist die Grundlage zielorientierten Verhaltens. Die Kenntnis über sie ist Voraussetzung für eine Verhaltenssteuerung von Auftragnehmern (vgl. Hartmann 1998, S. 41). Es wird zwischen verschiedenen Formen der Motivation unterschieden. Während monetäre Belohnungen einen externen Anreiz darstellen und somit von außerhalb, also extrinsisch, motivierend wirken (extrinsische Motivation), können Handlungen auch intrinsisch motiviert sein. Intrinsische Motivation liegt vor, wenn die Handlung auf einem inneren Anlass beruht und nicht mit einer externen Belohnung verbunden ist. Die Tätigkeit wird in diesem Fall um ihrer selbst willen vorgenommen (vgl. Frey 1992, S. 162, Gerecke 1999, S. 128 f.). Die Tätigkeit von Wissenschaftlern ist durch intrinsische Motivation gekennzeichnet, die sich beispielsweise im Streben nach neuen wissenschaftlichen

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Erkenntnissen äußert. Das Engagement in wissenschaftlichen Organisationen, unentgeltliche Beratungstätigkeiten und die starke Identifikation der Wissenschaftler mit den fachlichen Inhalten ihrer Aktivitäten sind Hinweise auf eine zugrundeliegende intrinsische Motivation. Die Tätigkeiten von Wissenschaftlern zeichnen sich zudem durch spezifische Charakteristika aus, die für intrinsisch motivierte Tätigkeiten kennzeichnend sind. Dazu zählt beispielsweise die selbstständige Ausübung der Tätigkeiten unter Auswahl geeigneter Arbeitsmethoden, die Vielseitigkeit der einzusetzenden Qualifikationen sowie der Erhalt von Rückmeldungen über die Arbeitsergebnisse, in diesem Fall durch das Wissenschaftssystem (vgl. Schanz 1991b, S. 14; Frey 1992, S. 175). Allerdings ist eine eindeutige Zuordnung, ob die Ausübung einer Tätigkeit auf intrinsischer oder extrinsischer Motivation beruht, nicht problemlos möglich. Eine Tätigkeit kann ursprünglich intrinsisch motiviert sein, führt jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Vorteil in Form einer externen Belohnung. So wird die erfolgreiche Beantragung eines Sonderforschungsbereichs (SFB) aus einem persönlichen Forschungsinteresse des Wissenschaftlers möglicherweise dessen Reputation erhöhen. Dies kann wiederum dazu führen, dass sich neue Kooperationsmöglichkeiten eröffnen und dadurch die Beantragung von Drittmitteln erleichtert wird. Der Reputationsgewinn des Wissenschaftlers kann zur Folge haben, dass dessen Position in Berufungs- und Bleibeverhandlungen gestärkt wird und somit finanzielle Vorteile für ihn entstehen. Für den Principal ist dadurch nicht in allen Fällen erkenntlich, ob beispielsweise gezielt eingesetzte Anreize oder aber die bereits vorhandene intrinsische Motivation ein bestimmtes Handlungsergebnis hervorgerufen haben (vgl. Frey 1997, S. 21). Bei einer Steuerung durch Anreizsysteme ist entscheidend, welche Auswirkungen Anreize auf die Motivation haben. Anreize können die ursprüngliche Motivation sowohl verstärken als auch verringern (vgl. Frey 1997, S. 19) . • Die intrinsische Motivation eines Agent wird reduziert, wenn er sich durch externe Interventionen, beispielsweise in Form von Anreizen und Kontrolle, in der selbstständigen Ausübung seiner Tätigkeiten eingeschränkt sieht. Das Empfinden, einer externen Kontrolle zu unterliegen, kann zur Substitution der intrinsischen durch extrinsische Motivation und damit zu einem Verdrängungseffekt, führen (vgl. Frey 1992, S. 166; Gerecke 1999, S. 130). Wenn die Tätigkeiten des Agent in hohem Maße intrinsisch motiviert sind, kann die Einführung externer Belohnungen zu einer Abnahme der intrinsischen Motivation führen. Dies ist dann der Fall, wenn der Agent empfindet, dass der Principal dessen vorheriges Engagement nicht ausreichend würdigt und anerkennt. Die externe Belohnung von Seiten des Principal unterläuft dabei die intrinsische Motivation des Agent.

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

79

• Ein Verstärkungseffekt wird hingegen erzielt, wenn der Agent externe Anreize in der Weise auslegt, dass der Auftraggeber damit seine bisherigen Aktivitäten unterstützt und honoriert. Wird beispielsweise ein Anreiz bzw. die damit verbundene Entlohnung als adäquat angesehen, so verstärkt sie das Engagement des Agent (vgl. Frey 1997, S. 90). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Verhaltenssteuerung, beispielsweise über Anreizsysteme, in ausreichendem Maße die vorhandenen Motive der Auftragnehmer zu berücksichtigen hat, um unerwünschte Steuerungswirkungen zu vermeiden. Insbesondere im Bereich wissenschaftlicher Betätigung, in dem die Auftragnehmer eine hohe intrinsische Motivation aufweisen, ist die Gefahr, durch externe Einwirkungen von Seiten des Principal eine Demotivierung der Akteure hervorzurufen, gegeben. b) Anreize und Anreizstrukturen Analog zur Existenz intrinsischer und extrinsischer Motivation existieren ihnen entsprechende Anreize. In Abhängigkeit von den Bedürfnissen, die durch Anreize gedeckt werden, unterscheidet man zwischen extrinsischen und intrinsischen Anreizen (vgl. Laux und Liermann 1997, S. 488). Intrinsische Anreize gehen von der Struktur und den Eigenschaften der Tätigkeit aus, die vom Principal an den Auftragnehmer delegiert werden. Weist eine Aufgabe z.B. Merkmale wie selbstständiges Arbeiten, die freie Auswahl der anzuwendenden Arbeitsmethoden, abwechslungsreiche Arbeitsinhalte, einen hohen Grad der Verantwortung und eine Rückkopplung über die Ergebnisse der Tätigkeit auf, so kann in der Aufgabe selbst bereits ein Anreiz liegen (vgl. Schanz 1991 b, S. 15). Der Anreiz geht unmittelbar von den Arbeitsinhalten aus. Um den von einer Aufgabe ausgehenden Anreiz zu erhöhen, kann beispielsweise eine Diversifizierung der Arbeitsinhalte aber auch die Zuweisung erweiterter Handlungskompetenzen, beispielsweise die vollständige Übernahme aller Arbeitsschritte der Tätigkeit, vorgenommen werden (vgl. Laux und Liermann 1997, S. 489). Im Gegensatz zu intrinsischen Anreizen wird der Auftragnehmer bei extrinsischen Anreizen durch eine Belohnung in seinem Verhalten beeinflusst, die nicht vom Arbeitsinhalt selbst ausgeht. Als Belohnung werden sowohl materielle als auch immaterielle äußere, also extrinsische, Anreize eingesetzt. Im Hochschulbereich existieren Belohnungen in Form einer Verbesserung der materiellen Ausstattung für die Durchführung von Forschungsvorhaben sowie in Form einer Steigerung des Einkommens durch die Berufung auf eine höher dotierte Professur. Auch der Erhalt zusätzlicher Ressourcen, also von Stellen und Räumen sowie von Investitions- und Sachmitteln, stellt Anreize dar (vgl. Küpper 1997, S. 138). Zukünftig werden zudem verstärkt Anreize von einer leistungs abhängigen Entlohnung ausgehen (siehe Professorenbesoldungsreformgesetz in Abschnitt c), S. 75). Immaterielle Anreize stellen u.a. Reputationsgewinne sowie die Gewährung von Forschungsfreisemestern dar.

80

B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Die Wirksamkeit sowie die Akzeptanz von Anreizen ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Die folgenden Aspekte gilt es bei der Formulierung von Anreizen bzw. der Konzeption von Anreizsystemen zu berücksichtigen. • Anreize müssen Anreizkompatibilität aufweisen. Die Formulierung von Anreizen muss in der Art erfolgen, dass das Verhalten des Agent so weit wie möglich mit dem Nutzen des Principal kompatibel ist. Nur wenn der Anreiz das Verhalten des Agent in der Weise ändert, dass der Principal einen Nutzen gewinn erzielt, soll auch dem Agent ein Nutzen aus der Verfolgung des Anreizes entstehen (vgl. Laux 1990, S. 277; Rousek 1998, S. 20; Trost 1995). • Die individuelle Motivation des Agent muss bei der Konzeption von Anreizsystemen berücksichtigt werden, um Verstärkungseffekte zu erzielen und Verdrängungseffekte zu vermeiden. Andernfalls besteht das Risiko, dass mit dem Einsatz von Anreizen unerwünschte Effekte erzielt werden. Ein Anreiz kann in diesem Zusammenhang als Gegenstück zur Motivation betrachtet werden. Eine Wirkung kann nur dann erzielt werden, wenn Anreiz und Motivation zueinander passen (vgl. Schanz 1991b, S. 16). Es gilt auch zu beachten, dass die Präferenzen der Auftragnehmer temporären Veränderungen unterliegen. So wirken etwa monetäre Anreize sehr unterschiedlich, beispielsweise in Abhängigkeit von der bereits erreichten Karrierestufe, von den jeweiligen Lebensumständen und dem erreichten Lebensabschnitt (vgl. Arnrhein 1998, S. 68). Je nach gewünschter Wirkung und adressierter Zielgruppe sind diese Bedingungen beim Einsatz von Anreizen zu berücksichtigen. • Die Kopplung der Anreize an individuelle Leistungen ist notwendig, damit zwischen Arbeitsaufwand und Belohnung ein Zusammenhang hergestellt wird. Ist der Leistungsbeitrag eines Einzelnen am Gesamtergebnis nur schwer einzuschätzen, so gewinnt die Verwendung von Indikatoren (vgl. Abschnitt 3., S. 61 ff.) als Bemessungsgrundlage der Leistungsbeurteilung an Bedeutung (vgl. Amrhein 1998, S. 71). • Anreizgerechtigkeit ist eine notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit und vor allem für die Akzeptanz von Anreizen. Ein Agent muss erkennen können, dass er durch seinen Arbeitseinsatz die gleiche Belohnung erfahren kann wie ein anderer Agent. Empfindet er eine Benachteiligung, ist mit einer Verweigerungshaltung zu rechnen. Somit muss die Relation zwischen eigener Leistung und erfolgter Belohnung einerseits und der Leistung anderer Agents und deren erzielter Belohnung andererseits gerechtfertigt erscheinen (vgl. Rousek 1998, S. 20; Schanz 1991b, S. 25). • Der Einsatz von Anreizen kann zur Veränderung des Tätigkeitsschwerpunkts des Agent führen. Er wird verstärkt den Tätigkeiten nachgehen, die über Anreize mit einer Belohnung verbunden sind. Dementsprechend ist davon auszu-

IV. Steuerung, Motivation und Anreize in Hochschulen

81

gehen, dass die Bereiche vernachlässigt werden, die nicht mit einer Belohnung über Anreize verbunden sind. • Die Wirkung und Akzeptanz von Anreizen unterliegt verschiedenen Einflussfaktoren. Dazu zählen sowohl das Arbeitsethos bestimmter Berufsgruppen als auch historisch bedingte und international differierende Einstellungen gegenüber Anreizen, die die Arbeitsmotivation beeinflussen. So ist davon auszugehen, dass in Bezug auf die Reaktion auf Anreize kulturabhängige Unterschiede bestehen (vgl. Schanz 1991b, S. 19). Je nach Einsatzort sind beim Einsatz der gleichen Anreize somit unterschiedliche Wirkungen zu erwarten (vgl. Liefner 2001, S. 64). • Letztendlich ist die Transparenz eines Anreizsystems entscheidend für seine Wirksamkeit. So muss den Beteiligten von vornherein klar sein, welche Belohnung sie für ihre Anstrengung zu erwarten haben, damit sie ihre Aktivitäten dementsprechend ausrichten. Die Relation zwischen erbrachter Leistung und der mit dem Anreiz verbundenen Belohnung ist für den Agent die entscheidende Größe, an der er sich orientiert (vgl. Ossadnik, Lange und Bruns 1998, S. 11). Ob ein Anreiz wirksam wird, hängt somit von der "AnstrengungsResultats-Erwartung" ab (vgl. Schanz 1991b, S. 20). Darüber hinaus begünstigt Transparenz die Akzeptanz und die Wirksamkeit eines Anreizsystems. Ist es zu kompliziert aufgebaut, so besteht die Gefahr, dass Anreize nicht als solche erkannt werden. Insbesondere die Ausprägung der Bemessungsgrundlage einer Belohnung sollte intersubjektiv überprüfbar sein (vgl. Arnrhein 1998, S. 71; Rousek 1998, S. 19). • Schließlich sind an Anreizsysteme Kriterien der Effizienz zu stellen. Dies gilt um so mehr, da gerade mit ihrem Einsatz in Hochschulen, beispielsweise in Form von Formelmodellen, die Effizienz des Mitteleinsatzes gesteigert werden soll. Effizienz, bezogen auf Anreizsysteme, bedeutet, dass die mit ihrem Einsatz verbundenen Kosten nicht höher ausfallen dürfen, als die mit ihnen erzielten Erträge. Kosten werden durch die Konzeption und Implementierung des Anreizsystems, durch die Kontrolle der Bemessungsgrundlagen sowie durch die finanziellen Aufwendungen für die Belohnungen verursacht. Erträge hingegen entstehen, indem das Anreizsystem den Agent veranlasst, seine Verhaltensweisen auf das Organisationsziel auszurichten und dementsprechend bessere Entscheidungen zu treffen (vgl. Rousek 1998, S. 19 f.; Laux und Liermann 1997, S. 497 f.). Die in diesem Abschnitt behandelten Inhalte lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. Innerhalb von Hochschulen existieren zahlreiche PrincipalAgent-Beziehungen. Die Aufgaben, die an Agents delegiert werden, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Spezialisierung aus, wodurch der Einsatz von Anreiz mechanismen und leistungsorientierten Belohnungen für deren Steuerung an

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B. Theoretische Grundlagen der Steuerung von Hochschulen

Bedeutung gewinnt. Die Agency-Theorie veranschaulicht, in welcher Form sich Leistungsanreize und Belohnungsmechanismen auf das Verhalten von Auftragnehmern auswirken. Die Auseinandersetzung mit den Motivationsstrukturen von Wissenschaftlern hat jedoch gezeigt, dass die Ausgestaltung von Anreizmechanismen in Hochschulen nicht allein nach monetären Gesichtspunkten erfolgen kann, sondern die spezifischen Motivationsstrukturen der Wissenschaftler und die gegebenen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen hat.

V. Hypothesenbildung Die vorangehenden theoretischen Ausführungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Sowohl für eine staatliche als auch für eine private Finanzierung der Hochschulen gibt es aussagekräftige Argumente. Unabhängig von den jeweiligen Begründungen wird für die weiteren Betrachtungen die im deutschen Hochschulsystem dominierende Form der staatlichen Trägerschaft angenommen (siehe Abschnitt D., S. 100). Für die Finanzierung, Koordination und somit die Steuerung der Hochschulen bieten sich unabhängig von der Trägerschaft unterschiedliche Steuerungsmechanismen an. So können auch innerhalb der zugrunde gelegten staatlich getragenen Hochschulen marktmäßige, also durch Marktkräfte und Wettbewerb geprägte bzw. an Quasimärkten orientierte, Mechanismen Anwendung finden. Allerdings ist bei deren Anwendung in ausreichendem Maße zu berücksichtigen, dass sich Hochschulen in ihren Organisations-, Planungs-, Entscheidungs- und Finanzierungsstrukturen durch besondere Eigenschaften auszeichnen, die eine Übertragung rein marktmäßiger und wettbewerblich orientierter Mechanismen verhindern. Die Agency-Theorie liefert für den in dieser Arbeit behandelten Forschungsgegenstand einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Wirkungsweise leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren sowie von Anreizstrukturen, auch wenn ihre Übertragbarkeit auf das Hochschulsystem durch die spezifischen Eigenschaften von Hochschulen sowie die Motivationsmuster von Wissenschaftlern eingeschränkt wird. Mit der Anwendung von Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung sowie dem Einsatz von Anreizmechanismen ist beabsichtigt, dass die den Hochschulen zur Verfügung stehenden Mittel effizient und effektiv verteilt und eingesetzt werden. Zudem ist davon auszugehen, dass Wissenschaftler ihre Aktivitäten an den Parametern der Ressourcensteuerungsverfahren sowie an Anreizmechanismen ausrichten und somit eine zielgerichtete Steuerung innerhalb von Institutionen erfolgt. Aufgabe der Agency-Theorie ist es in diesem Zusammenhang, zu zeigen, welche institutionellen Arrangements, also Mechanismen für den Einsatz in Hochschulsystemen, existieren und welche Erwartungen an ihren Einsatz geknüpft sind.

V. Hypothesenbildung

83

Wie bereits erwähnt, ist die Anwendung sowie die Wirksamkeit von Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung und von Anreizmechanismen im deutschen Hochschulsystem unzureichend erforscht (siehe Abschnitt I., S. 19 ff.). Ausgehend von den Erkenntnissen, die die Agency-Theorie geliefert hat, werden Hypothesen formuliert, an denen sich der Gang der weiteren Untersuchung, also der Aufbau der empirischen Erhebungen sowie die Auswertung der Ergebnisse orientiert. Mit Hilfe des theoretischen Hintergrunds der Agency-Theorie werden folglich die im deutschen Hochschulsystem vorliegenden Mechanismen der leistungsorientierten Ressourcensteuerung sowie Anreizstrukturen erklärt, sowie Möglichkeiten für deren Optimierung analysiert. Neben der Beschreibung der bei den Erhebungen an den Hochschulen vorgefundenen Mechanismen bildet die Untersuchung der Reaktionen, die durch die praktizierten Verfahren bei den Wissenschaftlern hervorgerufen werden, einen Schwerpunkt der Untersuchung. Die Hypothesen werden aus den Erkenntnissen, die in Kapitel B. gewonnen wurden, abgeleitet. • Veränderte Anreizstrukturen und Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung bewirken eine Veränderung des Verhaltens der Wissenschaftler, • der Einsatz von Anreizmechanismen und Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung ermöglicht sowohl eine Steuerung der Hochschulentwicklung als auch eine Steuerung des Verhaltens der Wissenschaftler, • das Verfahren der Mittelverteilung sowie das Vorliegen von Anreizstrukturen zwischen Staat und Hochschulen wirkt sich auf die Existenz und Ausgestaltung der hochschulintern angewendeten Verfahren und Anreizsysteme aus, • die Reaktion der Wissenschaftler auf die Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung und auf Anreizsysteme ist disziplinenabhängig und wird darüber hinaus von Faktoren, wie z.B. dem Grad der Aktivitäten bei der Einwerbung von Drittmitteln und der Unabhängigkeit von staatlichen Mitteln beeinflusst, • die gegenwärtigen Rahmenbedingungen innerhalb des deutschen Hochschulsystems schränken die Wirksamkeit der Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung sowie von Anreizstrukturen ein, • Leistungsanreize können in Hochschulen wirksam werden, allerdings nur unter Berücksichtigung bestimmter Rahmenbedingungen, • der Einsatz von Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen bewirkt sowohl zwischen den Hochschulen als auch hochschulintern eine Steigerung des Wettbewerbs um finanzielle Mittel und führt dadurch zu einer Leistungssteigerung.

c.

Empirische Vorgehensweise I. Erhebungsmethoden

Die vorliegende Arbeit basiert auf einem Fallstudien-Ansatz unter Anwendung von Intensivinterviews als Erhebungsmethode. Die Auswahl von Fallstudien entspricht einem explorativen und zugleich qualitativen Ansatz, wohingegen durch die Verwendung teilstandardisierter Fragebögen bei den Erhebungen auf Hochschulebene quantitative Methoden Anwendung finden. Für die Auswahl der Fallstudien sowie der Interviewpartner wurden unterschiedliche Auswahlverfahren vorgenommen, auf die in den beiden Abschnitten 11. (S. 85 ff.) und IV. (S. 94 ff.) eingegangen wird. Für die Verwendung eines Fallstudienansatzes können unterschiedliche Gründe ausschlaggebend sein. Er ist allgemein dann zweckmäßig, wenn durch eine Konzentration auf Fallstudien, die sich entweder durch Erfolg, Misserfolg oder auch durch Andersartigkeit gegenüber anderen Beispielen abheben, neue Erkenntnisse gewonnen werden, die zur Lösung eines Problems bzw. zur Beantwortung einer Fragestellung beitragen (vgl. Patton 1990, S. 53 f.). So kann anhand der Auswahl einiger weniger Beispiele ermittelt werden, wie die Übertragung eines Verfahrens oder einer Problemstellung auf andere Fälle erfolgen sollte, welche Auswirkungen damit verbunden sind und inwieweit eine Veränderung der Rahmenbedingungen notwendig ist. Ein Fallstudienansatz, der auf mehreren Fallstudien aufbaut, arbeitet individuelle Differenzen zwischen den einzelnen Fällen heraus. Dadurch kann verdeutlicht werden, dass die gleiche Problemstellung, in Abhängigkeit von den jeweils vorliegenden Rahmenbedingungen, mitunter sehr unterschiedliche Lösungsstrategien erfordert. Der Einsatz von Fallstudien ist hilfreich, um umfassende Informationen zu einzelnen Beispielen zu sammeln. Dies gilt insbesondere dann, wenn die dadurch gewonnenen Informationen einen größeren Erkenntnisgewinn versprechen als die standardisierte Erhebung von Merkmalen über eine größere Menge von Untersuchungseinheiten hinweg. Bei einer standardisierten Erhebung können zwangsläufig individuelle Merkmale der Untersuchungsgegenstände in nur geringem Maße berücksichtigt werden. Der Vorteil einer Anwendung des Fallstudienansatzes ergibt sich aus den Zielen der vorliegenden Arbeit. Innerhalb des deutschen Hochschulsystems existieren sowohl zwischen Hochschulträgern und Hochschulen als auch innerhalb

H. Auswahl der Fallstudien

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der Hochschulen unterschiedliche Verfahren der Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen. Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, ausgewählte Verfahren miteinander zu vergleichen und außerdem die von ihnen ausgehenden Wirkungen zu untersuchen (vgl. Abschnitt 1., S. 20). Da Ressourcensteuerungsverfahren in den meisten Hochschulen erst seit einigen Jahren Anwendung finden, ist es sinnvoll, jene Hochschulen herauszugreifen, die entweder bereits seit längerer Zeit Erfahrungen mit reformierten Steuerungsverfahren besitzen oder aber besonders weitreichende und innovative Reformansätze aufweisen. Obwohl alle in den Fallstudien untersuchten Hochschulen Reformen der Finanzierungs- und Steuerungsmechanismen vornehmen und somit der gleichen Problemstellung gegenüberstehen zeigen die Untersuchungen, dass die Hochschulen in Abhängigkeit der ihnen gesetzten Rahmenbedingungen unterschiedliche Verfahren entwickeln und anwenden (siehe Abschnitt E., S. 124 ff.). Eine Totalerhebung der Ressourcensteuerungsverfahren an deutschen Hochschulen ist problematisch, da dies eine erhebliche Standardisierung des Erhebungsinstrumentariums voraussetzt. Das hätte jedoch die Vernachlässigung der spezifischen Eigenschaften der einzelnen Hochschulen und der daran angepassten Steuerungsverfahren zur Folge. Um die Wirkungsweise dieser Verfahren jedoch differenziert bewerten zu können, sind Kenntnisse insbesondere über das Zusammenwirken der charakteristischen Eigenschaften sowohl der Hochschulen als auch der dort angewendeten Steuerungsverfahren notwendig. Die Bearbeitung anhand von Fallstudien ermöglicht dementsprechend, die Rahmenbedingungen der untersuchten Hochschulen in ausreichendem Maß zu berücksichtigen und die Erhebungen auf die vor Ort angewandten Steuerungsverfahren abzustimmen.

11. Auswahl der Fallstudien Die Auswahl von Hochschulen als Fallstudien wurde durch ein gezieltes Auswahlverfahren vorgenommen, bei dem bewusst vorab festgelegte und intersubjektiv nachvollziehbare Kriterien ausschlaggebend waren. Ein gezieltes Auswahl verfahren eignet sich insbesondere bei hypothesen- und theorietestenden Untersuchungen (vgl. Kromrey 1998, S. 262). Dieses Vorgehen ist demzufolge auch für die vorliegende Untersuchung geeignet, die sich ebenfalls an der Überprüfung von Hypothesen orientiert (vgl. Abschnitt v., S. 83). Die Grundgesamtheit, aus der heraus die Auswahl der Fallbeispiele erfolgte, bilden alle Hochschulen des deutschen Hochschulsystems, die der in Abschnitt 1., auf S. 102 zugrundeliegenden Begriffsdefinition entsprechen. Dazu zählen die insgesamt 82 Universitäten und Technische Hochschulen in staatlicher Trägerschaft. Die Auswahl der Fallbeispiele orientiert sich in starkem Ausmaß an der Zielsetzung der Untersuchung, Verfahren leistungsorientierter Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen im deutschen Hochschulsystem zu vergleichen und die von

86

C. Empirische Vorgehensweise

ihnen ausgehenden Wirkungen zu untersuchen (vgl. Abschnitt 1., S. 19 ff.). Eine weitere Einengung der untersuchten Gruppe von Hochschulen wurde durch Festlegung von Auswahlkriterien erzielt, die in Abschnitt III. erläutert werden. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurden fünf Hochschulen in die Untersuchung aufgenommen. Dazu zählen die Technische Universität München (TUM), die Technische Universität Berlin (TUB), die Rheinisch Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), die Technische Universität Dresden (TUD) und die Universität Hannover (UH). Mit der Auswahl dieser Hochschulen wird erreicht, dass sowohl Hochschulen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen einbezogen werden als auch ein breites Spektrum unterschiedlicher Steuerungsverfahren und Anreizsysteme abgebildet wird.

III. Auswahlkriterien Vergleichbarkeit: Um eine größtmögliche Vergleichbarkeit der Fallstudien zu erreichen, ist eine Auswahl von Hochschulen mit ähnlichen Fächerstrukturen zu treffen. Dieser Aspekt ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das Ausmaß der staatlichen Finanzierung, die Höhe der Einnahmen, Ausgaben und Investitionen der Fallstudien miteinander verglichen werden sollen. Hochschulen, die einen Schwerpunkt in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern besitzen, haben geringere Summen zur Finanzierung der laufenden Kosten aufzubringen, als primär naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete Hochschulen. Letztere haben erheblich höhere finanzielle Aufwendungen für Investitionen und laufende Betriebskosten, beispielsweise für Großgeräte, Forschungslabore und experimentelle Apparaturen zu decken. Dieser Effekt macht sich ebenfalls beim Umfang der beantragten Drittmittel bemerkbar, der in Abhängigkeit von der wissenschaftlichen Disziplin sehr unterschiedliche Ansätze zur Durchführung von Forschungsprojekten erfordert. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Arbeit Hochschulen mit einer schwerpunktmäßigen Ausrichtung auf technische sowie naturwissenschaftliche Disziplinen ausgewählt. Dadurch wird eine bessere Vergleichbarkeit der Fallstudien gewährleistet. Durchführung von Reformmaßnahmen: Ein weiteres Auswahlkriterium sind bereits erfolgte Reformmaßnahmen, um sicherzustellen, dass zum Zeitpunkt der Erhebung daraus resultierende Erfahrungen an den Hochschulen vorlagen. Dies entspricht einer Zielsetzung dieser Arbeit, ein Spektrum verschiedener Reformmaßnahmen der Finanzierungsstrukturen im deutschen Hochschulsystem aufzuzeigen, um die Bandbreite der Möglichkeiten, die bei Reformen bestehen, zu verdeutlichen. Durch die Beurteilung praktizierter Reformen kann ein Erkenntnisgewinn für zukünftige Anpassungen und Verbesserungen im Hochschulsystem erzielt werden. Die Auswahl von Hochschulen, die bereits in ihrem Reformprozess weiter fortgeschritten sind, signalisiert darüber hinaus, dass es sich um Hoch-

III. Auswahlkriterien

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schulen handelt, die, unter Voraussetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen, aus eigenem Interesse heraus neue Wege der Finanzierung und Steuerung beschreiten, um die ihnen daraus entstehenden Vorteile zu nutzen. Dies stellt sicher, dass es sich bei den Fallstudien um innovative Hochschulen handelt, die die sich ihnen bietenden Möglichkeiten konstruktiv nutzen und dementsprechend auch als Beispiel für innovative, reformfreudige und damit zukünftig leistungsfähige und wettbewerbsfähige Hochschulen gelten. Hochschultypen: Die Auswahl der Fallstudien orientiert sich zusätzlich daran, ein möglichst umfassendes Spektrum verschiedener Typisierungen von Hochschulen einzubeziehen. Die Hochschulen und die entsprechend entwickelten Reformvorhaben im Bereich der Finanzierung und Steuerung stehen dementsprechend für einen konkreten Hochschultypus, der durch bestimmte Rahmenbedingungen und individuelle Kriterien charakterisiert ist. Dazu zählen beispielsweise deren Stellung gegenüber anderen Hochschulen innerhalb des Bundeslandes und der Bundesrepublik, ihre finanzielle Ausstattung durch den Hochschulträger, die regionalökonomische Bedeutung sowie die Entscheidungs- und Organisationsstrukturen innerhalb der Hochschule. Teilnahmebereitschaft: Ein wichtiges Kriterium der Aufnahme in die Untersuchung war eine von der Leitung der potenziellen Fallstudien signalisierte Bereitschaft, die Durchführung der Erhebungen zu unterstützen. Ohne die organisatorische Mitarbeit der Hochschulen und die Bereitstellung statistischen Datenmaterials ist die vergleichende Darstellung der Steuerungs- und Anreizsysteme und die Durchführung von Interviews vor Ort nicht möglich. Die Teilnahmebereitschaft der Hochschulen wird durch verschiedene Aspekte beeinflusst.

- Durch Offenlegung statistischen Datenmaterials über die Finanz- und Ausstattungssituation der Hochschule, die zudem vergleichbaren Hochschulen gegenübergestellt wird, besteht bei vielen Hochschulen die Befürchtung, dass die Hochschulträger solche Situationen zu ihrem Nachteil nutzen, um weitere vermutete Einsparpotenziale zu lokalisieren. Diese Befürchtung ist dem Umstand beizumessen, dass die Bundesländer einen nach wie vor andauernden Sparkurs bei der Finanzierung der Hochschulen verfolgen. Sofern ein Vergleich mit anderen Hochschulen nicht in ausreichendem Maße eine Einbeziehung der bei den Hochschulen vorherrschenden Rahmenbedingungen vornimmt kann insbesondere die Gegenüberstellung von Ausstattungs-, Finanzierungs- und Betreuungsrelationen zu einer Fehlinterpretation der Informationen und Daten führen. Folglich ist ein Großteil von Hochschulen gegenüber einer Teilnahme an dieser Art von Untersuchungen eher zögerlich bzw. sogar ablehnend eingestellt. Ursachen für diese Haltung liegen außerdem im Konfliktpotenzial von Verfahren der leistungsorientierten Ressourcensteuerung begründet. Sowohl zwischen Hochschulen und Hochschulträger als auch innerhalb der Hochschulen existieren vielfältige Ängs-

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C. Empirische Vorgehensweise

te und Vorurteile bezüglich der Anwendung von leistungsorientierten Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen. Gerade von Seiten derjenigen, die in Zukunft diesen Verfahren unterliegen sollen bzw. bereits unterliegen sind Befürchtungen verbreitet, dass die Reformen vornehmlich zur weiteren Kürzung finanzieller Mittel dienen. Die Durchführung von Befragungen führt zu einer intensivierten Auseinandersetzung mit der Thematik innerhalb der Hochschule, was verstärkte Kritik an den geplanten Veränderungen der Verfahren von Seiten der Fachbereiche und Institute zur Folge haben kann. Durch das daraus entstehende Konfiiktpotenzial kann die Partizipation einer Hochschule an entsprechenden Untersuchungen von den Hochschulakteuren, insbesondere der Hochschulleitung als negativ bewertet werden. Dieser Sachverhalt verdeutlicht, welche bedeutende Rolle der Faktor Vertrauen bei der Umsetzung von Reformen der Finanzierungsstrukturen und von Anreizsystemen in deutschen Hochschulen einnimmt. Als Folge dessen bestehen an deutschen Hochschulen nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten bei der Durchführung dieser Art von Forschungsvorhaben. Zum Teil kann dies auch eine Begründung dafür liefern, weshalb sich gegenwärtig in Deutschland kaum Forscher oder Institutionen auf empirischer Ebene mit alternativen Steuerungsmodellen und Anreizstrukturen in Hochschulen befassen. Unterschiedliche Bundesländer und deren Reformpolitik: Grundsätzlich wurde bei der Auswahl darauf geachtet, Hochschulen verschiedener Bundesländer einzubeziehen. Aufgrund variierender Rahmenbedingungen, beispielsweise der Höhe der staatlichen Finanzierung (vgl. Müller-Merbach 2001, S. 13-16) oder rechtlicher Bestimmungen, haben die Hochschulen zum Teil sehr unterschiedliche Handlungsspielräume, was die Reform der Anreiz- und Finanzierungsstrukturen angeht. Durch die Auswahl der besten technischen Hochschulen verschiedener Bundesländer und deren Gegenüberstellung können Unterschiede der Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Konsequenzen wirkungsvoll herausgearbeitet werden. Bei der Auswahl der Fallstudien wurde darauf geachtet, dass sich die Hochschulpolitik des Bundeslandes, das Träger der Hochschule ist, ebenfalls durch Reformbemühungen auszeichnet. Damit soll insbesondere die zweite Fragestellung untersucht werden (vgl. Abschnitt 1., S. 20), die sich der Frage widmet, inwieweit zwischen der Ausgestaltung der Verfahren der Ressourcensteuerung und den Anreizstrukturen auf Landesebene sowie auf Hochschulebene ein Zusammenhang besteht. Eine Beschreibung der Hochschulpolitik des Bundeslandes sowie der durchgeführten Hochschulreformen findet sich in den Beschreibungen der einzelnen Fallstudien in Abschnitt E. (S. 124). Wissenschaftliche Stellung und Reputation: Eine wichtige Voraussetzung zur Auswahl der Hochschulen ist, dass diese auf wissenschaftlichem Gebiet erfolgreich sind und dementsprechend zur Gruppe der Spitzenhochschulen innerhalb Deutschlands zählen. Unter wissenschaftlicher Reputation wird hohe quantitati-

III. Auswahlkriterien

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ve Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig hohem wissenschaftlichen Niveau verstanden. Es wird in diesem Zusammenhang von der Annahme ausgegangen, dass wissenschaftliche Höchstleistungen auf funktionsfähige Entscheidungs-, Leitungsund Organisationsstrukturen und somit auch auf wirkungsvolle Verfahren der Ressourcensteuerung und Anreizsysteme angewiesen sind und dadurch maßgeblich unterstützt werden. Umgekehrt ist davon auszugehen, dass Hochschulen, die eine hohe Reputation aufweisen, dementsprechend über zweckmäßige Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen verfügen. Mit der Messung der wissenschaftlichen Stellung und Reputation einer Hochschule sind unterschiedliche Probleme verbunden (vgl. Hornbostel 1997, S. 11 ff.). Es bedarf vor allem differenzierter Kriterien und Indikatoren, anhand derer eine Hochschule bewertet wird. Zu den Wissenschaftsindikatoren zählen u.a. Begutachtungen und Evaluationen durch qualifizierte Gutachter, so genannte Peer Reviews, wissenschaftliche Auszeichnungnen und Preise, Publikations- und Zitationsindizes sowie Drittmitteleinwerbungen. Diese Indikatoren sind unterschiedlich geeignet, die wissenschaftliche Stellung und Bedeutung einer Hochschule widerzuspiegeln. Publikations- und Zitationsindizes beziehen sich in starkem Ausmaß auf Aktivitäten einzelner Wissenschaftler. Ihre Aussagekraft hängt zudem erheblich vom Publikationsverhalten der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen ab und ist mit verschiedenen Problemen, wie Z.B. der Bewertung unterschiedlicher Publikationsformen oder der Bildung von Zitierkartellen verbunden (vgl. Kraft 1998, S. 264 ff.; Hornbostel 1997, S. 237 ff.). Dies trifft ebenso auf wissenschaftliche Preise und Auszeichnungen zu, da diese in erster Linie Errungenschaften einzelner Wissenschaftler würdigen. Eine Ausnahme bilden Preise und Auszeichnungen, die an Hochschulen vergeben werden. Dazu zählen z.B. die Auszeichnungen "best practice-Hochschule" des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) und "ReformUniversitäten" des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Damit werden durch das CHE Hochschulen ausgezeichnet, die ganzheitliche, innovative Reformprozesse auf Hochschulebene eingeleitet und weitgehend umgesetzt haben (vgl. Müller-Böling 2000, S. 2). Der Stifterverband fördert mit seiner Auszeichnung Hochschulen, die sich als reformfreudig und reformtüchtig erwiesen haben und in denen Modellversuche für Hochschulreformen erfolgreich umgesetzt werden (vgl. Stifterverband 2000, S. 90 ff.). Allerdings lassen diese Auszeichnungen keine Rückschlüsse auf die wissenschaftliche Stellung und Reputation der Hochschule zu. Das Problem bei einer Beurteilung durch Peer Reviews besteht darin, dass für die Gesamtheit der deutschen Hochschulen ein solches Verfahren nicht praktiziert wird. Vergleichende Evaluationen von Hochschulen erfolgen eher auf Ebene der Bundesländer oder durch Vergleiche einer kleinen Gruppe von Hochschulen. Für die Bewertung wissenschaftlicher Leistungen, die als Grundlage für die Auswahl der Fallstudien auf Bundesebene herangezogen werden sollen, sind sie deshalb nicht geeignet.

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C. Empirische Vorgehensweise

Anders verhält es sich mit dem Indikator Drittmitteleinwerbungen. Dieser kann zumindest auf dem Gebiet der Forschungsaktivitäten als Indikator der wissenschaftlichen Stellung einer Hochschule und damit zur Auswahl der Fallstudien dienen. Hornbostel führt dafür im Wesentlichen zwei Gründe an. Zum einen ist die Durchführung größerer Forschungsvorhaben ohne Drittmittel normalerweise nicht mehr möglich. Zum anderen ist die Bewilligung von Drittmitteln, in Abhängigkeit vom Drittmittelgeber, an qualitative Kriterien geknüpft (vgl. Hornbostel 1997, S. 212 f.). Eine Bewilligung erfolgt in der Regel erst nach Abschluss eines Begutachtungsprozesses durch wissenschaftliche Experten. Dies trifft in besonderem Maße auf Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu. Somit liefern Drittmitteleinwerbungen einerseits Informationen über die Forschungsaktivitäten einer Einrichtung, gemessen an der absoluten Höhe der eingeworbenen Drittmittel. Zum anderen dienen sie als qualitatives Urteil über die bewilligten Forschungsanträge (vgl. Hornbostel 1997, S. 212). Für die vorliegende Untersuchung liefern Drittmittelstatistiken darüber hinaus Informationen über Schwerpunktsetzungen der Hochschulen in bestimmten Wissenschaftsbereichen. Weisen Fachbereiche einer Hochschule im relativen Vergleich gegenüber Fachbereichen der gleichen Disziplin an anderen Hochschulen hohe Drittmitteleinwerbungen auf, so weist dies auf einen Forschungsschwerpunkt in diesem Fachbereich an der Hochschule hin. Die Verwendung des Drittmittelindikators ist für die Auswahl von Fallstudien aus praktischen Gründen vorteilhaft, da für die von der DFG bewilligten Drittmittel ein bundesweiter statistischer Vergleich vorliegt. Auch wenn die DFG sich auf die Förderung der Grundlagenforschung spezialisiert hat, können deren Bewilligungen als repräsentative Größe für die Forschungsaktivitäten der AntragssteIler an verschiedenen Hochschulen dienen. Dies gilt vor allem deshalb, weil die DFG-Mittel zum Ende der 90er Jahre ca. 40% aller von den Hochschulen eingeworbenen Drittmittel ausmachten. Demnach bilden die in der DFG-Statistik abgebildeten Bewilligungen einen relevanten Teil der deutschen Hochschulforschung ab (vgl. DFG 2000a, S. 9). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch die Verwendung der DFG-Bewilligungen die anwendungsorientierten Forschungsaktivitäten unberücksichtigt bleiben, ist dieses Vorgehen dennoch praktikabel, da eine umfassende Forschungsstatistik, die eine Einbeziehung aller Drittmittelgeber vornimmt, auf Ebene der deutschen Hochschulen nicht existent ist (vgl. DFG 1997, S. 9). Zum Vergleich der Drittmitteleinwerbungen und der daraus für die Fallstudien abgeleiteten wissenschaftlichen Stellung und Bedeutung wurde auf zwei Publikationen der DFG zurückgegriffen: "Bewilligungen nach Hochschulen" für den Zeitraum 1991 bis 1995 und "DFG-Bewilligungen an Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen 1996 bis 1998" (vgl. DFG 1997; DFG 2000a). In ihnen wird die Verteilung der DFG-Bewilligungen für die beiden Zeiträume differenziert nach Hochschulen, Fächergruppen und Regionen dar-

III. Auswahlkriterien

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gestellt. Die Abbildung 4 auf S. 98 stellt die gesamten DFG-Bewilligungen an die Hochschulen im Zeitraum 1996 bis 1998 dar. Berücksichtigt wurden in der Darstellung alle Hochschulen, deren Mittelaufkommen in diesem Zeitraum mehr als 60 Mio. DM betrug. Die Tabelle 2 bildet die Summe der insgesamt von der DFG an die untersuchten Fallstudien bewilligten Fördermittel und den sich daraus ergebenden Rangplatz für die Zeiträume 1991-1995 und 1996-1998 ab. 1m Tabelle 2

Rangplatz der Fallstudien, gemessen an der Höhe der gesamten DFG-Bewilligungen für die Zeiträume 1991-1995 und 1996-1998

Hochschule RWTH TUM TUB UH TUD I

Rangplatz 1 3 9 16 35

1991-1995 Bewilligungsvolumen! 296,7 275,5 212,6 170,5 79,7

o pro

Jahr2 59,3 55,1 45,5 34,1 15,9

Rangplatz 2 3 16 21 24

1996-1998 Bewilligungsvolumen! 188,2 181,5 131,8 110,3 92,8

o pro Jahr2 62,7 60,5 43,9 36.8 30,9

in Mio. DM

2 durchschnittliches jährliches Bewilligungsvolumen, gerundet auf eine Stelle hinter dem Komma

Quelle: DFG 1997, S. 40; DFG 2000a, S. 47, 63 und 73, eigene Darstellung, z. T. eigene Berechnungen

Untersuchungszeitraum 1991-1995 bewilligte die DFG an Wissenschaftler in 89 Hochschulen insgesamt 7,2 Mrd. DM (~ 1,44 Mrd. DM pro Jahr). Zwischen 1996 und 1998 betrug das Fördervolumen 6,05 Mrd. DM (~ 2,02 Mrd. DM pro Jahr) (vgl. DFG 1997, S. 19; DFG 2000a, S. 27 und 34). Die durchschnittliche jährliche Höhe der Bewilligungssummen in der Tabelle 2 beruht nicht ausschließlich auf der Veränderung der Zahl der gestellten Anträge je Hochschule und der Höhe der tatsächlichen Bewilligungssummen. Sie ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die meisten Hochschulen der neuen Bundesländer im Zeitraum zwischen 1996 und 1998 in verstärktem Maße DFG-Drittmittel einwarben, sodass sie ihren Rangplatz verbessern konnten. Die insgesamt zur Förderung verfügbaren Mittel, die zu Beginn der 90er Jahre in erster Linie auf die Hochschulen der alten Bundesländer verteilt waren, haben dementsprechend eine regionale Umverteilung erfahren. Die RWTH Aachen, die TU München, die TU Berlin und die Universität Hannover weisen im Vergleich zu den anderen Hochschulen des Forschungsrankings sowohl ein absolut überdurchschnittliches Bewilligungsvolumen als auch ein relativ überdurchschnittliches Bewilligungsvolumen in Relation zur Zahl der hauptberuflich tätigen Wissenschaftler auf (Mittelwert aller Hochschulen: 72,9 Mio. DM für den Zeitraum 1996 bis 1998). Die TU Dresden weist ein

92

C. Empirische Vorgehensweise

absolut überdurchschnittliches Bewilligungsvolumen auf, das jedoch relativ zur Zahl der hauptberuflich tätigen Wissenschaftler unterdurchschnittlich ist. In der Gruppe mit sowohl absolut als auch relativ überdurchschnittlichen Bewilligungsvolumina sind eine große Zahl von Hochschulen vertreten, deren Schwerpunkt in den Technikwissenschaften liegt. Dazu zählen neben den bereits genannten Fallstudien die Hochschulen Karlsruhe, Stuttgart, Darmstadt, Braunschweig und Erlangen-Nürnberg (vgl. DFG 2000a, S. 53 ff.). Im Vergleich zu den Bewilligungssummen anderer Hochschulen sind die für diese Untersuchung ausgewählten Fallstudien in der Spitzengruppe der Hochschulen angesiedelt. Die relativ unterdurchschnittliche Position der TU Dresden, gemessen an den Bewilligungen in Relation zu den hauptberuflich tätigen Wissenschaftlern, ist charakteristisch für die Hochschulen der neuen Bundesländer. Abgesehen von den Hochschulen Freiberg und Chemnitz weisen alle Hochschulen der neuen Bundesländer ein relativ zur Zahl der hauptberuflich tätigen Wissenschaftler unterdurchschnittliches Bewilligungsvolumen auf. Der Aufholprozess, durch den die TU Dresden ihre Stellung bei den insgesamt bewilligten DFG-Mitteln vom 35. auf den 24. Rang zwischen dem ersten und dem zweiten Betrachtungszeitraum verbessern konnte deutet jedoch an, dass sie sich gegenwärtig im Feld der Spitzenuniversitäten innerhalb der deutschen Hochschullandschaft etabliert. Von den insgesamt 6,05 Mrd. DM Bewilligungsvolumen der DFG im Zeitraum 1996-1998 entfallen 704,6 Mio. DM auf die fünf Fallstudien. Dies entspricht einem Anteil von 11,65% der gesamt in diesem Zeitraum bewilligten Drittmittel. Um die wissenschaftliche Stellung der untersuchten Fallstudien gerade in Hinblick auf die schwerpunktmäßig vergleichbaren Hochschulen zu unterstreichen, wird ihre Position mit Hochschulen verglichen, die ebenfalls einen ingenieurwissenschaftlichen Schwerpunkt aufweisen. Die Abbildung 5 auf S. 99 stellt zu diesem Zweck die DFG-Drittmitteleinwerbungen der Hochschulen im Bereich der Ingenieurwissenschaften für den Zeitraum 1996 und 1998 dar. Berücksichtigt wurden alle Hochschulen, die dabei ein Mittelaufkommen von mehr als 10 Mio. DM hatten. Diese Darstellung, ebenso wie die Tabelle 3 auf S. 93, verdeutlichen, dass die Fallstudien unter fachlich ähnlich strukturierten, also ingenieurwissenschaftlich ausgerichteten Hochschulen eine Spitzenposition inne haben. Zwischen 1996 und 1998 belegten alle untersuchten Hochschulen gemessen an den höchsten Bewilligungsvolumina im Wissenschafts bereich Ingenieurwissenschaften einen Platz unter den ersten zehn Hochschulen. Für den Zeitraum 1991-1995 machten die an sie bewilligten Drittmittel in Höhe von 598 Mio. DM 35,7% der insgesamt in diesem Bereich zur Verfügung stehenden Gelder aus. Im Zeitraum 1996-1998 belief sich der Betrag auf 409,4 Mio. DM und sank damit auf 27,5%.

III. Auswahlkriterien

93

Tabelle 3

Rangplatz der Fallstudien, gemessen an der Höhe der DFG-Bewilligungen für den Wissenschaftsbereich Ingenieurwissenschaften in den Zeiträumen 1991-1995 und 1996-1998 Hochschule

Rangplatz

RWTH TUM TUB UH TUD

I 5 6 4 14

~

1991-1995 Bewilli%-Anteil 2 gungs volumen! 222,3 13,3 111,3 6,6 98,7 5,9 114,8 6,9 3,0 50,9 598,0 35,7

Rangplatz 1 4 6 5 10

1996-1998 Bewilligungs%-AnteiI 2 volumen! 137,8 9,3 81,8 5,5 67,8 4,6 71,0 4,8 51,0 3,4 409,4 27,6

I in Mio. DM 2 %-Antei! der insgesamt für den Wissenschaftsbereich Ingenieurwissenschaften von der DFG bewilligten Förder-

mittel.

Quelle: DFG 1997, S. 28 und 41; DFG 2000a, S. 34 und 71, eigene Darstellung

Die TU Berlin und die TU München weisen neben diesem ingenieurwissenschaftlichen Schwerpunkt zudem auch eine Spitzenstellung im Wissenschaftsbereich der Naturwissenschaften auf. Die TU München liegt im Zeitraum 19961998 mit Bewilligungen in Höhe von 46,9 Mio. DM an vierter Stelle, die TU Berlin nimmt mit 43,2 Mio. DM den siebten Platz unter den Hochschulen mit den höchsten Bewilligungsvolumina in den Naturwissenschaften ein. Die Universität Hannover (20. Platz), die RWTH Aachen (21.) und die TU Dresden (29.) liegen mit Bewilligungsvolumen zwischen 22 und 28 Mio. DM im Mittelfeld dieses Wissenschaftsbereichs. Die Einordnung der Fallstudien anhand ihres DFG-Bewilligungsvolumens verdeutlicht, dass es sich bei ihnen um Hochschulen handelt, die besonders forschungsstark sind und erfolgreich DFG-Drittmittel einwerben. Ihre Stärken liegen primär in den technischen und ingenieurwissenschaftlichen Fächern, bei der TU Berlin und der TU München zusätzlich im Bereich der Naturwissenschaften. Das hohe Bewilligungsvolumen an den Hochschulen ist ein Indikator für die quantitativ bedeutende Forschungsarbeit und aufgrund der Begutachtung der gestellten Anträge auch Ausdruck eines qualitativ hohen Forschungsniveaus. Für den Bereich der Lehre eine Einordnung der Fallstudien zu treffen ist aufgrund nicht existierender Evaluationen und Vergleiche auf bundesweiter Ebene nicht möglich.

94

C. Empirische Vorgehensweise

Die Auswahl anhand der Kriterien Vergleichbarkeit, bereits durchgeführte Reformmaßnahmen, unterschiedliche Hochschultypen, Teilnahmebereitschaft, Reformpolitik der Bundesländer sowie wissenschaftliche Stellung und Reputation hat zur Folge, dass die untersuchten Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen der Fallstudien nicht repräsentativ sind. Die Ergebnisse können somit nicht auf auf das deutsche Hochschulsystem übertragen werden. Dieses Vorgehen entspricht jedoch der bereits in Abschnitt III., auf S. 86, präzisierten Zielsetzung dieser Arbeit, lediglich einen Ausschnitt aller deutschen Hochschulen zu betrachten.

IV. Auswahl der Interviewpartner und Methodik der Datenerhebung [Auswahl der Interviewpartner und Methodik der Datenerhebung] Zur Erhebung der Steuerungsverfahren an den Hochschulen sowie zur Ermittlung der damit verbundenen Wirkungen wurden Intensivinterviews durchgeführt. Diese Form des Interviews ist durch nichtstandardisierte Fragen und durch geringe Strukturierung der Anordnung der Fragen gekennzeichnet (vgl. Wessei 1996, S. 132 f.; Friedrichs 1990, S. 224 ff.). In den Interviews wurden teilstandardisierte Fragebögen verwendet. Dadurch wurde ermöglicht, die Inhalte der Befragungen auf die jeweiligen, an der Hochschule an gewandten Verfahren der Ressourcensteuerung anzupassen. Die Befragungen fanden auf unterschiedlichen Ebenen innerhalb der Hochschulen statt. Mit Angehörigen der Hochschulleitung und Mitarbeitern der Hochschulverwaltung wurden Gespräche geführt, in denen Details über die Verfahren der Ressourcensteuerung und die Anreizstrukturen an der Hochschule ermittelt wurden. Inhalte der Befragung auf dieser Ebene konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Ausgestaltung der Steuerungsverfahren, Profilbildungsprozesse und Ziele der Hochschulentwicklung sowie Ursachen für eine Veränderung der Ressourcensteuerungsverfahren und für die Schaffung von Anreizstrukturen. Des Weiteren waren sowohl die Akzeptanz und Reaktion der Fachbereiche aufgrund der durchgeführten Hochschulreformen und die daraus resultierenden Probleme als auch der Wettbewerb im Hochschulsystem Bestandteil der Interviews. Auf Ebene der Fachbereiche bzw. Institute wurden Interviews durchgeführt, um dort existierende Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen zu identifizieren und um die Auswirkungen der veränderten Steuerungs- und Anreizmechanismen auf die Wissenschaftler zu erheben. Der Tabelle 4, auf S. 95 kann entnommen werden, welche Disziplinen bei den Fallstudien befragt wurden. Es wurden primär technische und naturwissenschaftliche Disziplinen ausgewählt. Darüber hinaus wurden, wenn auch in geringerem Ausmaß, geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer in die Befragung integriert,

IV. Auswahl der Interviewpartner und Methodik der Datenerhebung

95

um deren Standpunkt bei der Bewertung der Ressourcensteuerungsverfahren und Anreizstrukturen ausreichend zu berücksichtigen.

Tabelle 4 An den Fallstudien befragte Lehr- und Forschungsdisziplinen

Befragte Disziplinen Erziehungswissenschaften Geschichte, Philosophie, Sozialwissenschaften Literatur- und Sprachwissenschaften Rechtswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Biologie Life Sciences I Chemie Mathematik Physik Bauingenieurwesen Elektrotechnik Informatik Maschinenbau Prozesswissenschaft2

UH

TUM

TUB

RWTH

TUD

x

x

x x

x x

x x x x x x

x x x x x x

x x x x x x x x x x x x x

x

x x x

x x

x x x x x

x x x x x x

1 Ernährung, Landnutzung. Umwelt (an der TU München) lLebensmittelwissenschaften und Biotechnologie (an der TU Berlin) 2 bestehend aus: Verfahrenstechnik, Umwelttechnik, Werkstoffwissenschaften, Lebensmittelwissenschaften. Biotechnologie

Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Liefner (2001, S. 73)

Um vergleichbare Fachdisziplinen zu interviewen, wurde vorab eine Auswahl getroffen, an welche Fachbereiche an den einzelnen Fallstudien eine Anfrage gestellt werden sollte. Anschließend wurde die Hochschulleitung gebeten, mögliche Gesprächspartner in diesen Fachbereichen zu benennen. Die Auswahl der Interviewpartner auf Ebene der Fachbereiche erfolgte nach vordefinierten Auswahlkriterien. Nach Möglichkeit sollten die Gesprächspartner bereits eine frühere oder gegenwärtige Tätigkeit in Hochschulgremien aufweisen können. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass sie sich bereits in der Vergangenheit mit der Thematik "Leistungsorientierte Ressourcensteuerung und Anreizstrukturen" auseinandergesetzt hatten. Zudem sollten bei ihnen Kenntnisse über das hochschulintern angewandte Verfahren der Ressourcensteuerung vorliegen. Zu Gremientätigkeiten zählen u.a. die Ausübung des Amts des Dekans, Mitgliedschaft

96

C. Empirische Vorgehensweise

in der Hochschulleitung als Vizepräsident oder Präsident bzw. Rektor oder Prorektor sowie möglicherweise die Mitarbeit in Planungsgruppen oder Entwicklungskommissionen der Hochschule. Eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung der Interviews war die konstruktive Auseinandersetzung der Gesprächspartners mit der Thematik und Aufgeschlossenheit gegenüber darauf bezogenen Fragestellungen. Nach diesen Gesichtspunkten erfolgte die Auswahl. Eine Übersicht der Gesprächspartner findet sich im Anhang 11., auf S. 277 ff. Aufgrund dieser Vorgehensweise handelt es sich auch bei der Auswahl der Gesprächspartner nicht um ein zufallsgesteuertes Verfahren. Für die Repräsentativität der vorgestellten Erkenntnisse bedeutet das, dass die Aussagen zur Akzeptanz der angewendeten Steuerungs verfahren und deren Auswirkungen nicht auf alle deutschen Hochschulen übertragbar sind. Zusätzlich zu den Ergebnissen der Befragungen wird auf sekundärstatistisches Material zurückgegriffen. Insbesondere der statistische Vergleich der Fallstudien stützt sich auf Datengrundlagen, die von den befragten Hochschulen zur Verfügung gestellt wurden. Zur Beschreibung des deutschen Hochschulsystems in Abschnitt D. auf S. 100 ff. und der Fallstudien in Abschnitt E., auf S. 124 ff. wurden sekundärstatistisches Material und Publikationen des Statistischen Bundesamts, der DFG, der HRK, des Wissenschaftsrats, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Bund-Länder-Kommission sowie der Kultus- und Wissenschaftsministerien der Länder ausgewertet. Die Erhebungen an den Hochschulen verteilten sich auf den Zeitraum vom Juni 2000 bis zum Oktober 2001. Parallel fand eine Auswertung der bereits erfolgten Interviews und des vorhandenen sekundärstatistischen Materials statt. Die Befragungen an den Hochschulen wurden in fünf, jeweils ca. eineinhalb Wochen dauernden, Erhebungsphasen durchgeführt. Insgesamt wurden 67 Gesprächspartner befragt.

V. Vorgehensweise bei der Auswertung Die Auswertung gliedert sich in die folgenden Teile: • In Abschnitt D. (S. 100 bis 123) erfolgt die Beschreibung des deutschen Hochschulsystems. Dabei stehen vor allem Aspekte der Entwicklung der personellen, finanziellen und räumlichen Ausstattung seit Anfang der 70er Jahre bis heute im Vordergrund. Zudem wird auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und Finanzierungsmodalitäten eingegangen. • Die vergleichende Gegenüberstellung der Fallstudien ist Bestandteil des Kapitels E. (S. 124 bis 235). Neben einer Beschreibung der Hochschulen erfolgt die Analyse der angewendeten Steuerungsverfahren und vorhandenen Anreizstrukturen. Ergänzend wird eine Darstellung der Hochschul-

V. Vorgehensweise bei der Auswertung

97

politik des Landes vorangestellt, in dessen Trägerschaft sich die jeweilige Hochschule befindet. • Die Auswertung der Befragungen, die auf Ebene der Hochschulleitung sowie auf Ebene der Fachbereiche bzw. Fakultäten durchgeführt wurden, ist Bestandteil des Kapitels F. (S. 236 bis 255). Das Ziel der Befragungen lag auf der Ermittlung der Akzeptanz und Wirkungsweise des Einsatzes leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren. • Den Abschluss der Auswertung bildet die vergleichende und bewertende Gegenüberstellung der Steuerungsverfahren und Anreizstrukturen der Fallstudien in Kapitel G. (S. 256 bis 272). Aufbauend auf den Ergebnissen der Untersuchungen werden außerdem Handlungsempfehlungen für den Einsatz leistungorientierter Ressourcensteuerungsverfahren abgeleitet.

C. Empirische Vorgehensweise

98

Mio.DM

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

München (U) RWTH Aachen TU München Heidelberg SIUltgart Tübingen Hamburg (U) Erlangen-Nümberg Berlin (HU) Würzburg GÖllingen Bonn Berlin (FU) Karlsruhe Freiburg TU Berlin

Mainz Marburg Köln Bochum Uni Hannover

TU Darmsladl Münster

TU Dresden Frankfurt Düsseldorf Kiel Braunschweig Bielefeld Konstanz Bremen

Gießen Saarbrücken Ulm

Dargestellt sind alle Hochschulen, die im angegebenen Zeitraum insgesamt DFG-Drittmitteleinwerbungen in Höhe von mehr als 60 Mio. DM aufzuweisen hatten. Quelle: DFG 2000a, S. 63 und 64, eigene Darstellung

Abbildung 4: Gesamte DFG-Bewilligungen je Hochschule (in Mio. DM) im Zeitraum 1996 bis 1998

V. Vorgehensweise bei der Auswertung

99

Mio.DM 0

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 11 0 120 130 140 150

RWTH Aac hen Stuttgan Karlsruhe TU München Un i Hannover TU Berlin

I I

I I

Erlangen-Nürnbcrg TU Darmstadt Braunschweig TU Dresden Donmund Clausthal Chemnitz Hamburg- Harbu rg Duisburg Bochum Kaisers lautern Padcrborn Frei berg Bremen Magdeburg Saarbrücken Hamburg (U) Ulm Essen Kassel II menau

------•

Dargestellt sind alle Hochschulen, die im angegebenen Zeitraum in den Ingenieurwissenschaften DFG-Drittmitteleinwerbungen in Höhe von mehr als 10 Mio. DM aufzuweisen hatten. Quelle: DFG 2000a, S. 71 und 72, eigene Darstellung

Abbildung 5: DFG-Bewilligungen je Hochschule in den Ingenieurwissenschaften (in Mio. DM) im Zeitraum 1996 bis 1998

D. Das deutsche Hochschulsystem Die Veränderung der finanziellen, personellen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen der Hochschulen seit Anfang der 70er Jahre und somit der Wandel des deutschen Hochschulsystems, der in diesem Abschnitt dargestellt wird, macht die Formulierung neuer Steuerungsansätze und die Durchführung von Reformvorhaben notwendig. Um die Hochschulen wettbewerbsfähig und leistungsstark zu gestalten, sind Reformen unumgänglich. Allerdings haben sich diese an den gesetzlichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen zu orientieren. Auf sie wird in diesem Abschnitt näher eingegangen. Daneben ist die Herleitung einer Begriffsdefinition von "Hochschulen" anhand der Struktur des deutschen Hochschulsektors Bestandteil dieses Abschnitts.

I. Strukturierung des Hochschulsystems Unter dem Begriff "Hochschulen" werden allgemein alle nach Landesrecht anerkannten Hochschulen zusammengefasst. Darunter fallen Universitäten, Gesamthochschulen, Pädagogische Hochschulen, Theologische Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachhochschulen und Verwaltungsfachhochschulen in staatlicher und nichtstaatlicher Trägerschaft. In der vorliegenden Arbeit bleiben nichtstaatliche Initiativen im Hochschulbereich unberücksichtigt, da sie in ihren Finanzierungsstrukturen, ihrer Trägerschaft, ihren Organisationsstrukturen sowie ihrem Fächerspektrum erhebliche Unterschiede zu den staatlichen Hochschulen aufweisen (vgl. BMBF 1998). Darüber hinaus sind sie gemessen an der Zahl der dort eingeschriebenen Studierenden ein kleines Segment der deutschen Hochschullandschaft. Zwar nahm die Zahl der nichtstaatlichen Initiativen von 62 im Jahr 1992 auf 75 im Jahr 1998 zu (vgl. BMBF 2000b, S. 139). Trotzdem entsprechen die ca. 40.000 Studierenden an nichtstaatlichen Hochschulen (vgl. BMBF 1998, S. 5) lediglich einem Anteil von 2,2% der insgesamt 1.801.233 im Wintersemester 1998/99 an den deutschen Hochschulen Studierenden (vgl. BMBF 2000b, S. 147 ff.). Zu den nichtstaatlichen Initiativen zählen neben denen in kirchlicher Trägerschaft auch die Privathochschulen. Ihre Zahl hat sich seit dem Wintersemester 1992/93 von 19 auf 38 im Wintersemester 1999/2000 verdoppelt. Die Zahl der an privaten Hochschulen Studierenden liegt mit 20.121 im Wintersemester 1998/99 bei ca. 1,1 % aller Studierenden (vgl. Statistisches Bundesamt 1999b, S. 13).

1. Strukturierung des Hochschulsystems

101

Tabelle 5

Hochschularten und Studierende im WS 1998/99 Hochschulart

Universitäten Gesamthochschulen,Pädagogische und Theologische Hochschulen

Anzahl staatlich anerkannter Hochschulen % davon in gesamt nichtstaatstaatlicher licher Träger- Trägerschaft schaft

Studierende gesamt

%

115

33,43

89

26

1.335.032

74,12

Kunsthochschulen

46

13,37

44

2

29.771

1,65

Fachhochschulen

183

53,20

139

44

436.430

24,23

gesamt

344

100,00

269

75

1.801.233

100,00

Quelle: BMBF 2oo0b, S. 139 und 147

Wie die Tabelle 5 zeigt, existierten im Wintersemester 1998/99 in Deutschland insgesamt 344 Hochschulen, von denen sich 269 (78,2%) in staatlicher und 75 Hochschulen (21,8%) in nichtstaatlicher Trägerschaft befanden. Betrachtet man die Hochschulen nach der Zahl der an ihnen eingeschriebenen Studierenden, so sind die Kunsthochschulen größenmäßig eher unbedeutend, da an ihnen lediglich 1,65% der Studierenden studieren. Einen weitaus größeren Anteil nehmen die stark auf Lehre und Praxisbezug orientierten Fachhochschulen ein, an denen 24,23% der Studierenden eingeschrieben sind. Zusammen den größten Block bilden die Universitäten, Gesamthochschulen, Pädagogischen und Theologischen Hochschulen mit 74,12% aller Studierenden. Die Universitäten, Gesamthochschulen, Pädagogischen und Theologischen Hochschulen wurden in Tabelle 5 zu einer Gruppe zusammengefasst. Davon bilden die Universitäten, zu denen auch die Technischen Hochschulen zählen, den traditionellen Kern des Hochschulsystems. Sie umfassen insgesamt 92 Einrichtungen, von denen sich 10 in nichtstaatlicher Trägerschaft befinden (vgl. Peisert, Framheim 1997, S. 32). Die Universitäten zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit der Durchführung von Forschung und Lehre beauftragt sind. Ihre Aufgaben sind somit die Vermittlung von Wissen aber auch die Generierung neuer wis-

102

D. Das deutsche Hochschulsystem

senschaftlicher Erkenntnisse. Somit erfüllen sie im Gegensatz zum Fachhochschulsektor den Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre, der dem Idealtypus der Hochschule nach Humboldtscher Tradition entspricht (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 53 ff.). In der vorliegenden Arbeit werden ausschließlich die Universitäten und Technischen Hochschulen als Teilbereich des deutschen Hochschulsektors berücksichtigt. Wie bereits oben erläutert, werden ausschließlich die staatlichen Hochschuleinrichtungen in die Betrachtung einbezogen. Der Begriff "Hochschule" wird in dieser Arbeit folglich synonym für die Universitäten und Technischen Hochschulen in staatlicher Trägerschaft verwendet.

11. Rechtliche Stellung der Hochschulen Die rechtliche Stellung der Hochschulen spiegelt ihr Verhältnis zum Staat wider. Die staatlichen Hochschulen sind in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen (vgl. BMBF 1999b, S. 36, §58). Hochschulen verwalten ihre akademischen Angelegenheiten eigenständig (Akademische Selbstverwaltung). Den dort tätigen Wissenschaftlern wird ein Recht auf Freiheit von Forschung und Lehre durch den Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes verbürgt (vgl. Jarass und Pieroth 1998, S. 154). Hieraus begründet sich der Anspruch der Hochschulen auf Autonomie im Bereich von Forschung und Lehre sowie der eigenverantwortlichen Regelung ihrer akademischen Aufgaben. Des Weiteren nehmen die Hochschulen staatliche Aufgaben wahr, wozu unter anderem die Personal- und Wirtschaftsverwaltung zählen. Die Hochschulen unterstehen bei diesen Angelegenheiten der staalichen Rechtsaufsicht, also dem jeweils zuständigen Kultus-, bzw. Wissenschaftsministerium. Daraus ergibt sich die spezielle Konstellation, dass die Hochschulen in wissenschaftlichen Angelegenheiten autonome Entscheidungsbefugnisse besitzen, jedoch aufgrund der staatlichen Aufsicht im Bereich der Personal- und Wirtschaftsverwaltung nicht autonom über Personal und Finanzen entscheiden können. Dementsprechend sind die staatlichen Hochschulen geprägt von einem Dualismus akademischer Selbstverwaltung und staatlicher Wirtschafts- und Personalverwaltung (vgl. BMBW 1980, S. 11). Die Hochschuladministration hat demzufolge zwei Aufgabengebiete abzudecken, die durch eine zu einer Einheit zusammengefasste Administration wahrgenommen werden müssen (vgl. Karpen 1989b, S. 51). Dieses Nebeneinander von akademischer Selbstverwaltung und staatlicher Rechtsaufsicht wird zusätzlich dadurch erschwert, dass eine klare Trennung beider Bereiche im gegenwärtigen Hochschulsystem nicht vorhanden ist. Beispiele dafür sind u.a. Berufungsverhandlungen und Personalentscheidungen, die Veränderung von Studien- und Prüfungsordnungen sowie die Einrichtung bzw. Auflösung von Fachbereichen (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 217). In diesen Fällen übt der Staat durch seine Rechtsaufsicht Einfluss auf Entscheidungen aus, die in

III. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems

103

erster Linie akademische Angelegenheiten darstellen. Dadurch wird der Handlungsspielraum der Hochschulen entscheidend eingeschränkt. Seit seiner Novellierung im August 1998 bietet das HRG die Möglichkeit, Hochschulen auch in anderer Rechtsform zu errichten (vgl. BMBF 1999b, S. 36): § 58 Rechtsfonn und Selbstverwaltungsrecht

I) Die Hochschulen sind in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen. 2) Sie können auch in anderer Rechtsform errichtet werden.

Besonders das Bundesland Niedersachsen ist in diesem Zusammenhang bestrebt, die Hochschulen in die alternative Rechtsform einer Stiftung zu überführen (vgl. Helberger 2000) (siehe dazu ausführlich Abschnitt 1., S. 124).

111. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems 1. Expansion der Studierendenzahlen

Die Entwicklung des deutschen Hochschulsystems ist zwischen 1972 und 1999 durch eine erheblich Expansion der Zahl der Studierenden gekennzeichnet. In den alten Bundesländern belief sich die Zahl der Studienanfänger im Wintersemester(WS) 1960/61 auf 24.489 Studienanfänger, im WS 1977/78 auf 137.414 (+461 % gegenüber 1960) und im WS 1989/90 auf 210.836 (+53,4% gegenüber 1977/78). Die Zahl der Studierenden betrug im alten Bundesgebiet im WS 1960/61246.939, im WS 1977/78905.897 (+266,85% gegenüber 1960/61) und im WS 1989/90 1.504.563 (+66,1 % gegenüber 1977/78). Im Wintersemester 199912000 nahmen 246.633 Personen ein Studium auf, die Zahl der Studierenden belief sich auf 1.773.956 (Statistische Übersicht siehe Tabelle 55, Seite 274). Diese Entwicklung ist graphisch in der Abbildung 6 (S. 104) dargestellt und wird durch die Indexbildung mit den zugrundeliegenden Werten verdeutlicht. Als Basisjahr wurde 1977 gewählt, da in diesem Jahr der für die weitere Entwicklung und den Ausbau der Hochschulen entscheidende "Öffnungsbeschluss" getroffen wurde 19 . Bedingt durch die Wiedervereinigung im Jahr 1990 hat sich die Erhebungsgrundlage verändert. Daher umfasst die Darstellung für die Jahre 1972 bis 1989 19 Am 4. November 1977 wurde der "Öffnungsbeschluss" von den Regierungschefs von Bund und Ländern verabschiedet. Er besagt, dass trotz einer weiteren Verknappung der Ressourcen und der zunehmenden Zahl potenzieller Studienanfanger ein Ausbau der Kapazitäten im Hochschulbereich nicht notwendig sei. Mit einem zeitlich befristeten Überlastprogramm von Seiten der Hochschulen sollte der "Studentenberg", der als eine demographisch bedingte Übergangserscheinung eingeschätzt wurde, bewältigt werden. Ohne entsprechende personelle und finanzielle Aufstockung der Ressourcen wurde einer größeren Zahl Studierender die Zulassung zum Studium ermöglicht (vgl. HRK 1996, S. 3 ff.; WRK 1988, S. 23).

104

D. Das deutsche Hochschulsystem

Zahlen für das alte Bundesgebiet, wohingegen ab 1992 einheitlich Werte für Gesamtdeutschland dargestellt sind. Für die Übergangsperiode von 1989 bis 1992 (grau hinterlegte Fläche) lagen keine aufgeschlüsselten Daten vor. Die abgebildete Zahl der Studierenden und der Studienanfänger bezieht sich in diesem Zeitraum bereits auf Gesamtdeutschland, wohingegen sich die Stellen für wissenschaftliches Personal, die Ausgaben der Länder und die Studienplätze erst ab 1992 auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken. Dadurch ist eine vergleichende Gegenüberstellung dieser beiden Gruppen für den Zeitraum von 1989 bis 1992 aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsgrundlage nicht möglich. 210r-~::::~;:~::::::::::::::::~--------~--------~~~=-------~ 200 190 180

.-.- Studierende ___ SlUdierende im I.Hochschulsemester .... Stellen flir wissenschaftliches Personal ___ Studienplätze -+- reale Aus aben der Länder

170

160

150 140 130 120

110 100 90 80

70

IBasisjahr 1977=100 I

1) Reale Ausgaben der Länder für den Aufgabenbereich Hochschulen, in Preisen von 1991. Deflationiert mit BIp·

Deflatoren. Das Basisjahr 1977 wurde durch Interpolation mit den Werten von 1975 und 1980 ermittelt (zur Anwendung dieses Verfahrens siehe BLK 2000, S. 22; BLK 2001, S. 19) 2) Als Erhebungsgrundlage für die Studierenden und Studienanfänger dienen zwischen 1972 und 1989 die alten Bundesländer. Ab 1990 werden Werte inklusive der neuen Bundesländer dargestellt. Die Erhebungsgrundlage für die Stellen für wissenschaftliches Personal, für Studienplätze und Ausgaben der Länder bilden von 1972 bis 1991 die alten Bundesländer, ab 1992 werden Werte inklusive der neuen Bundesländer dargestellt. Ein direkter Vergleich der Zahl der Studierenden und StudienanHinger mit den anderen Größen ist im Zeitraum zwischen 1989 und 1992, der in der Abbildung grau hinterlegt ist, daher nicht möglich.

Quelle: Statistisches Bundesamt, verschiedene Jahrgänge FS 11: Reihen 4.1 und 4.4; Peisert und Framheim 1997, S. 65; BMBF 1999a, S. 19. BMBF 2000a, S. 19.; BLK verschiedene Jahrgänge des Bildungsfinanzberichts

Abbildung 6: Entwicklung der Zahl der Studierenden, der Studienanfänger, der Studienplätze und SteHen der wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie der Ausgaben der Länder für den Aufgabenbereich Hochschulen zwischen 1972 und 1999

III. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems

105

Wie die Abbildung 6, auf S. 104, zeigt, driften seit 1977 das Wachstum von Studierenden und Studienanfängern einerseits und das Wachstum der Stellen für wissenschaftliches Personal und der räumlichen Studienplätze20 andererseits stark auseinander. Bereits 1983 war die Zahl der Studierenden um 39,9% und die Zahl der Studienanfänger um 41,3% gegenüber dem Ausgangswert von 1977 angestiegen. Die Zahl der räumlichen Studienplätze nahm hingegen bis 1983 nur um 4,7% zu, die Stellen für wissenschaftliches Personal lediglich um 4,1 %. Bis 1989 erreichte die Zahl der Studierenden eine Marke von 66,1% gegenüber dem Ausgangswert, die Zahl der Studienanfänger lag 53,4% über dem Wert von 1977. Die Zahl der Studienplätze konnte bis 1989 immerhin auf einen Wert von 10,1% gegenüber 1977 ausgebaut werden, während die Zahl der Stellen für wissenschaftliches Personal mit einem Wert von 5,8% über dem Basisjahr 1977, so gut wie unverändert geblieben war. Durch den Prozess der Wiedervereinigung und der damit verbundenen Integration der Hochschulen der neuen Bundesländer konnte das unausgeglichene Verhältnis zwischen Studienanfängern und Studierenden einerseits und den vorhandenen Studienplätzen und den wissenschaftlichen Stellen andererseits nicht verringert werden. 1992 lag die Zahl der Studierenden 102,5%, die Zahl der Studienanfänger 77 ,8%, die Anzahl der Stellen für wissenschaftliches Personal 45,7% und die Zahl der Studienplätze 32,1 % über dem Ausgangswert von 1977. Bis 1999 nahm die Zahl der Studierenden gegenüber dem Ausgangswert von 1997 auf 105,1 % und somit gegenüber 1992 geringfügig um 2,6 Prozentpunkte ab, die Zahl der Studienanfänger stieg um 1,7 Prozentpunkte auf 79,5% weiter leicht an. Die Zahl der Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter blieb mit einem Wert von 46% gegenüber 1977, im Vergleich zum Jahr 1992 nahezu unverändert, jedoch konnte die Zahl der Studienplätze mit 48,2% um 16,1 Prozentpunkte gegenüber 1992 gesteigert werden. Erst seit 1993 macht sich ein Trend bemerkbar, der eine Verringerung der Relation zwischen Studierenden und Studienanfängern auf der einen Seite und der an Hochschulen vorhandenen Stellen für wissenschaftliches Personal und der räumlichen Studienplätze andererseits erkennen lässt. Nach wie vor ist das Verhältnis zwischen räumlicher und personeller Ausstattung der Hochschulen und der Inanspruchnahme durch Studierende durch ein erhebliches Missverhältnis gekennzeichnet (Datengrundlage, siehe Tabelle 55, S. 274). Auf die Entwicklung der finanziellen Ausstattung, die in der Abbildung 6 anhand der Ausgaben der Länder dargestellt ist, wird in Abschnitt 2. eingegangen. Es lässt sich zusammenfassen, dass der Zuwachs der Studierenden kein Übergangsphänomen gewesen ist. Die Unterausstattung der Hochschulen, gemes20 Pro Studienplatz ist eine nach Fachrichtungen differenzierte Hauptnutzfläche (HNF) erforderlich. Das ist die Fläche, die zur Ausbildung eines Studenten in Lehre und Forschung in einem bestimmten Studiengang erforderlich ist (vgl. Peisert und Framheim 1997, S. 64 und Müller 1989, S.79).

106

D. Das deutsche Hochschulsystem

sen an ihrer Ausstattung mit wissenschaftlichem Personal und den vorhandenen räumlichen Studienplätzen in Relation zur tatsächlichen Zahl der Studierenden hat sich dadurch zu einem dauerhaften Problem entwickelt, das die Hochschulen maßgeblich bei der Ausübung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre beeinträchtigt. In folgenden Abschnitt 2. wird auf diesen Aspekt mit dem Schwerpunkt der Betrachtung der finanziellen Ausstattung der Hochschulen eingegangen.

2. Struktur und Entwicklung der Hochschulfinanzierung Aufgrund der Tatsache, dass Hochschulen staatliche Einrichtungen darstellen (siehe Abschnitt 11., S. 102), sind sie auf die Bereitstellung von Gebäuden und Geräten sowie von finanziellen Mitteln zur Durchführung der ihnen angetragenen Aufgaben in Forschung und Lehre durch den Staat angewiesen. Im Gegenzug hat dieser als Geldgeber ein begründetes Interesse, die Verwendung der von ihm bereitgestellten Gelder zu kontrollieren (vgl. Hödl und Zegelin 1999, S. 137). Die Finanzierung der Hochschulen erfolgt durch ihre Eigenschaft als staatliche Einrichtungen primär aus öffentlichen Quellen. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik sind die Bundesländer Träger der staatlichen Hochschulen und steuern dementsprechend den größten Teil zur Finanzierung des Hochschulbereichs bei. Die Grundfinanzierung (Grundmittel) für die Durchführung der Aufgaben von Forschung und Lehre, zu denen im wesentlichen die Personalund Sachmittel zählen, werden über die Landeshaushalte finanziert. Während die Finanzierung der Hochschulen Ländersache ist, sind der Neubau und Ausbau von Hochschulgebäuden Bestandteil der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau von Bund und Ländern (Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau nach Artikel 91a Grundgesetz (GGe), Hochschulbauförderungsgesetz (HBFG). Die Gemeinschaftsaufgabe wird zu jeweils 50% von Bund und Ländern finanziert. Der Bund beteiligt sich zudem bei größeren Investitionen, z.B. der Anschaffung von Großgeräten an der Finanzierung der Hochschulen. Durch die Beteiligung an der Finanzierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt der Bund die Forschung an Hochschulen. Der Finanzierungsanteil des Bundes an den Gesamteinnahmen der DFG belief sich im Jahr 2000 auf 58,1 % (vgl. DFG 2000b, S. 16 und 17). Die Mittel der DFG kommen zu fast 90% der Forschung an Hochschulen zugute (vgl. BMBFT 1998, S. 90). Weitere Mittel des Bundes fließen in Hochschulsonderprogramme (HSP). Ebenso wie die Mittel des HBFG stammen auch die Gelder für Hochschulsonderprogramme zu jeweils 50% von Land und Bund. Die jeweiligen Anteile, die Bund und Länder an den staatlichen Ausgaben zur Finanzierung der Hochschulen beisteuern, werden in der Tabelle 6 dargestellt. Seit Anfang der 70er Jahre hat sich eine deutliche Verschiebung der Finanzierungsanteile in Richtung der Länder ergeben. Sie stellen mittlerweile mehr als

III. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems

107

95% der Ausgaben der öffentlichen Hand für den Hochschulbereich zur Verfügung. Die Finanzierung der Hochschulen ist dementsprechend durch einen Rückzug des Bundes aus der Hochschulfinanzierung gekennzeichnet.

Tabelle 6 Anteile von Bund und Ländern an den staatlichen Ausgaben für Bildung im Aufgabenbereich Hochschulen

Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1991 19922 1995 1996 1997 1998 I

Staatliche Ausgaben für Hochschulen I Bund 985 1.339 868 1.071 1.321 2.185 2.431 2.468 2.397 2.348 2.340

Länder 5.873 12.247 16.882 20.345 29.028 29.427 38.683 44.828 46.150 46.820 47.690

%-Anteil Bund 14,4 9,9 4,9 5,0 4,4 6,9 5,9 5,2 4,9 4,8 4,7

Länder 85,6 90,1 95,1 95,0 95,6 93,1 94,1 94,8 95,1 95,2 95,3

in Mio. DM 2 ab 1992 inklusive neuer Bundesländer.

Quelle: BMBF verschiedene Jahrgänge der Grund- und Strukturdaten

Die Grundmittel, die den Hochschulen zur Finanzierung der laufenden Aufgaben in Forschung und Lehre (Personal- und Sachausgaben) von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden, werden durch Verwaltungseinnahmen und die Einwerbung von Drittmitteln ergänzt. Die Untergliederung in Verwaltungseinnahmen, Drittmittel und Grundmittel in den weiteren Ausführungen dieses Abschnitts basiert auf der, durch die amtliche Statistik vorgegebenen Kategorisierung. "Verwaltungseinnahmen sind Einahmen, die die Hochschule durch Verkauf oder Bereitstellung von Leistungen mit Ausnahme von Forschungsleistungen erzielt. Sie können im Rahmen spezieller Ermächtigungen für Lehre und Forschung verwendet werden. Drittmitteleinnahmen sind sämtliche Einnahmen, die nicht Verwaltungseinnahmen und nicht Mittel der Grundausstattung sind. Sie werden eingeworben und in den Hochschulhaushalt eingestellt bzw. von der Hochschule auf Verwahrkonten verwaltet. Grundmittel sind das Komplement zu den Verwaltungseinnahmen und den Drittmitteln. Sie werden vom Staat bereitgestellt, um den Hochschulhaushalt auszugleichen. Die Grundmittel decken somit alle Aus-

D. Das deutsche Hochschulsystem

108

gaben der Hochschule, soweit sie nicht durch Verwaltungseinnahmen und Drittmittel finanziert sind." (Wissenschaftsrat 2000b, S. 83). Die Abbildung 7 stellt die prozentuale Zusammensetzung der Einnahmen der Hochschulen für den Zeitraum von 1991 bis 1999 für das gesamte Bundesgebiet dar. 70o/c

64.02

63.67

61.61

61.42

61.41

61.21

59.88

60o/c

59.35

59.40

50% 40')( I-27.95

30%

200/0 I-100/c -

0'7c

28.58

.0

I 1991

30.05

29.99

r-

30.21

r---

29.89

31.27

30.92

r---

,..--

r---

t--

-

7.75 t--

1 1 1 1 1 1

I

1992

o Drittmittel

t-8.41

1993

8.53

1994

• Grundmittel

8,38

1995

t-8.90

1996

9.19

o Verwaltungseinnahmen

1997

31. 02

-

9.38

1998

rr

9.59

--j

-!

-!

1999

Quelle: Statistisches Bundesamt verschiedene Jahrgänge der Fachserie 11, Reihe 4.3.2 und Reihe 4.5, eigene Darstellung. Durch Rundungen ergeben die Summen z.T. nicht 1000/0.

Abbildung 7: Aufgliederung der Hochschuleinnahmen nach Drittmitteln, Grundmitteln und Verwaltungseinnahmen

Die Abbildung 7 veranschaulicht, dass die Grundmittel, die zur Grundfinanzierung der laufenden Ausgaben der Hochschulen von den Ländern bereitgestellt werden, in Relation zu den Drittmitteln und Verwaltungseinnahmen abnehmen. Die Verwaltungseinnahmen stiegen zwischen 1991 und 1999 von 27,95% auf 31,02% an. Ebenso wuchsen die Drittmitteleinnahmen von 8,04% auf 9,59% an. Die Grundmittel hingegen nahmen an den Gesamteinnahmen der Hochschulen von 64,02% im Jahr 1991 auf 59,4% im Jahr 1999 ab. In Preisen von 1995 lag die reale durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Drittmittel mit 6,5% und der Verwaltungseinnahmen mit 5,5% zwischen 1991 und 1999 höher als die Wachstumsrate der Grundmittel, die 3,21 % betrug (eigene Berechnungen, Datengrundlage siehe Tabelle 56, S. 275). Die Tabelle 7 (S. 109) bildet die Zunahme der Drittmitteleinnahmen gegenüber den Grundmitteln ab. Sie zeigt, wie sich das Verhältnis zwischen eingewor-

III. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems

109

benen Drittmitteln je 100 DM Grundmitteln seit 1980 verändert hat. Abgesehen von einem minimalen Rückgang im Jahr 1990 ist eine permanente Zunahme der Relation von DM 8,03 im Jahr 1980 auf DM 16,14 für 1999 ersichtlich. Die Drittmitteleinnahmen nehmen demzufolge einen immer bedeutenderen Stellenwert als Finanzierungsquelle der Hochschulen ein.

Tabelle 7

Veränderung der Relation zwischen Drittmitteln und Grundmitteln im deutschen Hochschulsystem - Drittmitteleinnahmen je 100 DM Grundmittel Jahr DM Drittmittel je 100 DM Grundmittel 1

1980

1985

1989

1990

1993'

1996

1999

8,03

10,23

12,99

12,93

13,65

14,54

16,14

ab 1993 gesamtes Bundesgebiet

Quelle: Grundmittel der Hochschulen: Statistisches Bundesamt 200la, S. 18; Statistisches Bundesamt 1997, S. 19; Drittrnitteleinnahmen: Statistisches Bundesamt 1999a, S. 30; Drittmittel: Wissenschaftsrat 1993, S. 55 und Wissenschaftsrat 1986, S. 66 (Datengrundlage siehe Tabelle 56, S. 275)

Diese Vergleiche zeigen, dass die Hochschulen in immer stärkerem Maße Drittmittel einwerben. Die ungenügenden staatlichen Finanzierungsanteile führen dazu, dass die Hochschulen zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre in immer stärkerem Maße auf die Einwerbung von Drittmitteln und die Erwirtschaftung von Verwaltungseinnahmen angewiesen sind. Ihre Funktion als Grundfinanzierung der Hochschulaufgaben in Forschung und Lehre erfüllen die Grundmittel nur noch unzureichend. Die Finanzierung durch die Hochschulträger reicht zur Deckung der laufenden Ausgaben der Hochschulen nicht mehr aus (vgl. Wissenschaftsrat 2000b, S. 15). Ursprünglich dienten Drittmittel zusätzlich zum regulären Hochschulhaushalt der Förderung von Forschung und Lehre. Angesichts der dargestellten Entwicklung folgert Behrens (1996, S. 15), dass Drittmittel ihren ursprünglichen Zweck der Zusatzausstattung für Forschung und Nachwuchsförderung verloren haben. Sie sind vielmehr Bestandteil der für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben notwendigen Grundausstattung der Hochschulen geworden (vgl. Behrens 1996, S. 15 f.). Als problematisch ist diese Entwicklung zu bewerten, da Drittmittel in starkem Ausmaß von konjunkturellen Schwankungen abhängen und nicht als sicherer Bestandteil des Haushalts der Hochschulen eingeplant werden können. Zudem kann die verstärkte Abhängigkeit von Drittmitteln eine Anpassung der Forschungsvorhaben an die Ausrichtung der Förderprogramme und deren aktuelle Inhalte verursachen (vgl. Elspaß 2001, S. 102). Die Finanzierung der deutschen Hochschulen bleibt, ähnlich wie die personelle und räumliche Ausstattung (vgl. Abschnitt 1., S. 103 ff.), weit hinter der

110

D. Das deutsche Hochschulsystem

Zunahme der Studierendenzahlen und somit der Auslastung der Hochschulen zurück. Von Mitte der 60er bis zur Mitte der 70er Jahre erfolgte ein überproportionales Wachstum der Hochschulausgaben gemessen am Bruttosozialprodukt sowie der öffentlichen Ausgaben insgesamt. Anlass dafür war die Expansion der Studierendenzahlen und der gesellschaftliche Bedeutungszuwachs von Wissenschaft und Forschung (vgl. Peisert und Framheim 1997, S. 56). Die Entwicklung seit Mitte der 70er Jahre ist durch eine zunehmende Unterfinanzierung der Hochschulen gekennzeichnet. Dieser Sachverhalt wird in der Abbildung 6, auf S. 104 veranschaulicht. Obwohl sich die Zahl der Studierenden seitdem erheblich erhöhte, wurde eine entsprechende Anpassung der finanziellen Ausstattung der Hochschulen nicht vorgenommen. Die realen Ausgaben der Länder für den Aufgabenbereich Hochschulen wurden in Relation zu den gestiegenen Studentenzahlen kaum angehoben. Die Ausgaben sind ebenso wie die Zahl der Studienplätze und der Stellen für wissenschaftliches Personal seit Anfang der 80er Jahre von der Entwicklung der Zahl der Studierenden abgekoppelt. Die Tabelle 8 auf S. 111 stellt die Wachstumsraten verschiedener hochschulstatistischer Kenngrößen gegenüber. Analog zu den bereits in diesem Abschnitt und in Abschnitt III., auf S. 103 ff. gemachten Aussagen, verdeutlicht sie die ungleiche Entwicklung von personeller, räumlicher und finanzieller Ausstattung der Hochschulen im Verhältnis zur Zunahme der Studierenden und Studienanfänger. Die Zahl der Studierenden ist zwischen 1975 und 1989 um jährlich durchschnittlich 4,29% gewachsen. Abgesehen vom Zeitraum 1980-85 nahm auch die Zahl der Studienanfänger mit hohen Wachstumsraten zu. Zwischen 1985 und 1989 wurde mit 5,30% die höchste Zunahme bei den Studienanfängern erreicht. Demgegenüber lag die Wachstumsrate der Stellen für wissenschaftliches Personal stets unter 0,7%. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Studienplätze beträgt zwischen 1975 und 1990 1,27%. Die finanzielle Ausstattung der Hochschulen wird anhand der real getätigten Ausgaben der Hochschulen sowie der realen Ausgaben der Länder für den Aufgabenbereich Hochschulen dargestellt. Die realen Ausgaben der Hochschulen nahmen zwischen 1980 und 1985 um jährlich durchschnittlich 1,6% zu, zwischen 1985 und 1990 um 3,12%. Die Höhe der realen Ausgaben der Länder steigerten sich zwischen 1975 und 1980 um 2,06%, zwischen 1980 und 1985 nur noch um 0,35% und zwischen 1985 und 1990 wieder um 1,85%. Die Wachstumsraten bei den realen Ausgaben der Länder bleiben hinter den Wachstumsraten bei den Studierenden zurück. Vergleicht man die realen Ausgaben der Länder für den Hochschulbereich mit den, von den Hochschulen getätigten realen Ausgaben, so fällt auf, dass die Ausgaben der Hochschulen in stärkerem Maße zunahmen als die von den Ländern zugewiesenen Mittel. Aufgrund dessen besteht in den Hochschulen ein wachsender Bedarf, auf andere Quellen, wie z.B. Drittmittel und Verwaltungseinnahmen, aus-

III. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems

111

Tabelle 8

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten der Zahl der Studierenden und Studienanränger, der Stellen für wissenschaftliches Personal, der Studienplätze, der Ausgaben der Hochschulen sowie der Ausgaben der Länder für den Hochschulbereich Zeitraum} Studierende Studienanfänger Stellen für wiss. Personal Studienplätze reale Ausgaben2 der Hochschulen reale Ausgaben I der Länder für den Aufgabenbereich Hochschulen

1975-80 4,39 4,54 0,54

1980-85 5,22 1,02 0,16

1985-89 3,00 5,30 0,48

1985-90

-3 -3

0,63

1992-99 -0,48 0,13 0,02

-4

1,83

1,32 1,60

0,50

-4

0,68 3,12

1,66 1,50

2,06

0,35

-4

1,85

0,94

} Die Daten von 1975 bis 1990 umfassen das Gebiet der alten Bundesländer. Ab 1992 sind Werte für das gesamte Bundesgebiet dargestellt. 2 Reale Ausgaben der Länder und Hochschulen von 1975 bis 1990 in Preisen von 1991. Für den Zeitraum von 1992 bis 1999 in Preisen von 1995. Deflationiert mit dem BIP-Deflator. 3 Da die Zahl der Studierenden und der Studienanranger bereits ab 1990 die Studierenden der neuen Bundesländer umfasst, führt die Betrachtung des Zeitraums 1985 bis 1990 zu nicht aussagekräftigen Wachstumsraten. Daher beschränkt sich die Darstellung auf den Zeitraum 1985-1989. 4 Für diese Jahre lagen keine Werte vor.

Quelle: Statistisches Bundesamt, verschiedene Jahrgänge der Fachserie 11, Reihen 4.1, 4.4 und 4.5; BMBF 1999a; BMBF 2000a; BLK, verschiedene Jahrgänge des Bildungsfinanzberichts; Peisert und Framheim 1997, S. 65

zuweichen. Für den Zeitraum von 1992 bis 1999 sind die gleichen Kenngrößen für das gesamte Bundesgebiet inklusive der neuen Bundesländer in der letzten Spalte der Tabelle 8 abgebildet. In diesem Zeitraum hat sich die Situation durch eine Abnahme der Zahl der Studierenden geringfügig entspannt. Die Zahl der Studienanfänger ist fast unverändert geblieben. Die personelle Ausstattung, gemessen an den Stellen für wissenschaftliches Personal, blieb in diesem Zeitraum mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 0,02% fast unverändert. Demgegenüber nahm die Zahl der räumlichen Studienplätze um 1,66% zu. Die Ausgaben der Länder für den Aufgabenbereich Hochschulen stiegen um 0,94% an. Sie bleiben jedoch weiterhin hinter der Wachstumsrate der Ausgaben der Hochschulen zurück, die zwischen 1992 und 1999 1,5% betrug. Die Tabelle 9 bildet die Entwicklung der Kenngrößen für die letzte Phase von 1992 bis 1999 anhand detaillierter Zahlen ab. Während die Zahl der Studierenden kontinuierlich, jedoch mit geringen Raten zwischen 1993 und 1999 abnimmt,

112

D. Das deutsche Hochschulsystem

Tabelle 9 Veränderung der Wachstumsraten zwischen 1993 und 1999 gegenüber dem Vorjahr Jahr Studierende Studienanfanger Stellen für wiss. Personal Studienplätze reale Ausgaben 1 der Hochschulen reale Ausgaben 1 der Länder für den Hochschulbereich I

1993 1,79 -4,69 -0,07

1994 0,28 -3,92 -0,07

1995 -0,78 -1,93 -0,07

1996 -1,07 1,97 -0,09

1997 -0,76 0,98 -0,09

1998 -1,25 2,16 0,05

1999 -1,51 6,84 0,51

1,43 2,00

1,41 1,84

1,39 2,62

2,14 1,85

2,09 0,44

1,67 0,23

1,46 1,55

2,23

0,23

2,42

2,25

-1,31

-1,23

2,07

in Preisen von 1995, deftationiert mit dem Preisindex für den Staats verbrauch.

Quelle: Statistisches Bundesamt, verschiedene Jahrgänge: Fachserie 11, Reihen 4.1, 4.4 und 4.5; BMBF 1999a; BMBF 2000a; BLK verschiedene Jahrgänge des Bildungsfinanzberichts

weist die Zahl der Studienanfänger nach einer anfänglichen Abnahme zwischen 1993 und 1995, im Jahr 1999 mit 6,84% eine hohe Wachstumsrate auf. Die Zahl der Stellen für wissenschaftliches Personal weist gegenüber einer anfänglichen Abnahme zum Ende des Zeitraums eine Zunahme auf. Allerdings sind die Veränderungsraten so gering, dass sie faktisch einer Stagnation gleichzusetzen sind. Die Studienplätze weisen ein durchgehendes Wachstum auf, das sich zwischen 1 und 2% bewegt. Die Entwicklung der Ausgaben der Hochschulen sowie der Ausgaben der Länder lassen keine klare Aussage über einen Entwicklungstrend zu. Beide Größen unterliegen jährlichen Schwankungen. Die realen Ausgaben der Länder nehmen in den Jahren 1997 und 1998 sogar wieder ab. Unter Einbeziehung dieser Informationen kann von einer Trendwende bei der staatlichen Finanzierung nicht gesprochen werden. Die Wachstumsraten der Ausgaben der Länder bleiben langfristig betrachtet stets unterhalb der Wachstumsraten der Ausgaben der Hochschulen. Dadurch verschlechtert sich die finanzielle Situation der Hochschulen weiter. Auch die abnehmende Zahl der Studierenden kann für das bestehende Missverhältnis zwischen Auslastung der Hochschulen und deren finanzieller Ausstattung kaum Entspannung bringen. 3. Veränderung von Auslastung und Ausstattung am Beispiel der Betreuungs-, Ausstattungs- und Auslastungsrelation

Die divergierende Entwicklung zwischen der Expansion der Studierendenzahlen auf der einen und der räumlichen, finanziellen und personellen Ausstattung

III. Auslastung und Ausstattung des Hochschulsystems

113

auf der anderen Seite wird in der Tabelle 10 dargestellt. Sie verdeutlicht anhand ausgewählter Relationen die Entwicklung der Betreuung, Finanzierung und Auslastung im Hochschulbereich. Tabelle 10

Entwicklung der Betreuungs-, Finanzierungs- und Auslastungsrelation im deutschen Hochschulsystem Jahr 1975 1980 1985 1989 19922 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Studierende je Stelle wiss. Personal 10,79 13,02 16,67 18,40 16,28 16,58 16,64 16,53 16,36 16,25 16,04 15,72

Ausgaben der Länder je Student in DMI 18.750 16.749 13.215

-3

12.794 12.809 12.813 13.205 13.645 13.589 13.607

-3

Studierende je Studienplatz 1,25 1,41 1,71 1,88 1,91 1,92 1,90 1,86 1,80 1,75 1,70 1,65

I in Preisen von 1991, deftationiert mit BIP·Deftatoren. 2 ab 1992 inklusive neuer Bundesländer 3 kein Wert vorliegend. Durch die Wiedervereinigung bedingte Umstellungen der Erhebungsgrundlagen führen zum Aussetzen der Zeitreihen zwischen 1990 und 1991.

Quelle: Statistisches Bundesamt, verschiedene Jahrgänge der Fachserie 11, Reihen 4.1, 4.4 und 4.5; BMBF 1999a; BMBF 2000a; BLK, verschiedene Jahrgänge: Bildungsfinanzbericht; Peisert und Framheim 1997, S. 65

Das Verhältnis der Studierenden je Stelle wissenschaftliches Personal spiegelt die Betreuungsrelation im Hochschulbereich wider. Auch unter der Annahme, dass nicht das gesamte wissenschaftliche Personal in der Lehre tätig ist und auch nebenberuflich an Hochschulen Beschäftigte, wie beispielsweise Lehrbeauftragte die Lehrtätigkeit verstärken kann diese Relation einen Vergleichswert der Betreuungsrelation in Hochschulen liefern. Zwischen 1975 bis 1989 hat sich dieses Verhältnis um 70,5% von 10,79 auf 18,40 erhöht. Der Betreuungsaufwand ist für das wissenschaftliche Personal dementsprechend gestiegen. Gleichbedeutend kann davon ausgegangen werden, dass sich die Betreuung der Studierenden insgesamt verschlechtert hat. Die Relation hat sich aufgrund der Wiedervereinigung etwas entspannt und weist 1992 einen Wert von 16,28 auf. Sowohl der bereits in Tabelle 9 auf S. 112 dargestellte Ausbau der Studienplätze als auch die Abnahme der Zahl der Studierenden, haben zur Verbesserung der Betreuungsrelation beigetragen, die 1999 auf 15,72 gesunken ist.

114

D. Das deutsche Hochschulsystem

Setzt man die realen Ausgaben der Länder in Relation zur Zahl der Studierenden, so ergibt sich eine Verhältniszahl, anhand derer die Höhe der finanziellen Aufwendungen in Anbetracht der Auslastung beurteilt werden kann. Für den Zeitraum zwischen 1975 und 1989 machen die Zahlen deutlich, dass die Finanzierung der Hochschulen durch die Länder mit der starken Zunahme der Studierendenzahlen nicht Schritt halten konnte. Die Werte nehmen von 1975 bis 1985 kontinuierlich von DM 18.750 auf DM 13.215 ab. 1985 weist dieser Wert somit nur noch 70,5% seiner Ausgangsgröße des Jahres 1975 auf. Es wird deutlich, dass die Finanzierung der Hochschulen in diesem Zeitraum eine erhebliche Schieflage gegenüber dem tatsächlichen Bedarf eingenommen hat. Bedingt durch aufholende Wachstumsraten der Länderausgaben für den Aufgabenbereich Hochschulen, in Kombination mit abnehmenden Studierendenzahlen (vgl. Tabelle 9, S. 112), sind die Ausgaben der Länder je Student zwischen 1992 und 1999 von DM 12.794 auf DM 13.607 gestiegen. Jedoch konnte das Niveau des Jahres 1975 nicht mehr annähernd erreicht werden. Als dritte Größe wird die Zahl der Studierenden je Studienplatz abgebildet. Sie verdeutlicht, welcher Überlastsituation die Hochschulen ausgesetzt sind. Zwischen 1975 und 1993 nahm dieses Verhältnis von 1,25 auf 1,92 zu. 1993 mussten sich dementsprechend annähernd zwei Studierende einen flächenbezogenen Studienplatz teilen (vgl. Fußnote 20, S. 105). Bedingt durch die Abnahme der Zahl der Studierenden sowie den Ausbau der Studienplätze (vgl. Tabelle 9, S. 112) konnte sich diese Relation seit dem Höchststand von 1993 auf 1,65 im Jahr 1999 verringern. Die durch die Betrachtung der Betreuungs-, Finanzierungs- und Auslastungsrelationen gewonnenen Erkenntnisse stützen den bereits in dem voran gehenden Abschnitt 1. und in diesem Abschnitt gemachten Befund, dass die Hochschulen seit Mitte der 70er Jahre einer Überlastsituation ausgesetzt sind. Kenntnisse über diese Situation stellen eine wichtige Voraussetzung dar, wenn die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und die Qualität des Studiums in Zusammenhang mit Reformmaßnahmen diskutiert werden. Die Beurteilung gegenwärtiger Leistungen der Hochschulen sowie die Formulierung zukünftiger Ansprüche an ihre Aufgaben haben die bestehende Ausstattung ausreichend zu berücksichtigen. Ein weiterer für die Betrachtungen wichtiger Aspekt ist die Aufgliederung der Ausgabenstruktur. 1998 machten die Personalausgaben 61,3% der gesamten Ausgaben der Hochschulen Deutschlands aus, während 11,7% auf Investitionsausgaben und 27% auf die übrigen laufenden Ausgaben entfielen (vgl. Statistisches Bundesamt 2001b, S. 394). Die Personalausgaben nehmen somit den größten Anteil an den Ausgaben ein. Dieser Aspekt ist von Bedeutung, da die an späterer Stelle dargestellten Verteilungsmodelle die Einbeziehung der Personalausgaben in leistungsorientierte Vergabeverfahren mehrheitlich unberücksichtigt lassen. Allerdings gilt es dabei zu beachten, dass der Anteil der Personalausga-

IV. Finanzierungsmodalitäten des Hochschulsystems

115

ben an den Gesamtausgaben der Hochschulen in den einzelnen Bundesländern stark variiert. Diesen Sachverhalt verdeutlicht die Tabelle 54 (S. 273).

IV. Finanzierungsmodalitäten des Hochschulsystems In diesem Abschnitt werden die Verfahren vorgestellt, nach denen die Zuweisung finanzieller Mittel vom Land an die Hochschulen erfolgt. Die Finanzierungsmodalitäten an den deutschen Hochschulen unterliegen aufgrund der Anwendung von Reformen gegenwärtig starken Veränderungen. Aufgrund dessen gibt es nicht nur eine Methode der Mittelzuweisung sondern abhängig von der Länderpolitik, unterschiedliche Verfahren. Anhand der Beschreibung der bis vor wenigen Jahren in allen Bundesländern gültigen Grundsätze der Finanzierung, sowie der in verschiedenen Bundesländern bereits reformierten Zuweisungskriterien, wird das Spektrum der unterschiedlichen Alternativen vorgestellt.

1. Aufbau, Aufstellung und Bewilligung des Hochschulhaushalts Das Budget einer Hochschule ist Teil des Landeshaushalts und wird als "Kapitel" bezeichnet. Dieses Kapitel ist wiederum Teil des übergeordneten "Einzelplans", der das Budget des zuständigen Ministeriums, normalerweise des Wissenschafts-, Bildungs- oder Kultusministeriums, darstellt. Das Kapitel einer Hochschule gliedert sich nach Ausgabenkategorien, und zwar nach "Titeln" und "Stellen" (Personal). Die Titel weisen eine Zweckverwendung auf. Dadurch ist für die Verwaltung einer Hochschule eindeutig festgelegt, wofür mit den Mitteln eines Titels Ausgaben getätigt werden dürfen (vgl. Frackmann 1987, S. 149 ff.; Paff 1998, S. 32). Die Aufstellung des Haushalts wird als "aufsteigendes Verfahren" bezeichnet, da dabei die Organisationsebenen von unten nach oben durchlaufen werden. Aufgrund der Anmeldungen, die die Institute und Fachbereiche an die Hochschulleitung machen, stellt diese den Haushalt auf und leitet ihn an das zuständige Ministerium, im Folgenden als Wissenschaftsministerium bezeichnet, weiter (vgl. Behrens 1996, S. 35 ff.; Karpen 1989b, S. 165 ff.). Dieses Verfahren, ebenso wie die spätere hochschulinterne Mittelverteilung, wird als "interne Budgetierung" bezeichnet. Danach beginnt die "externe Budgetierung", d.h. das Verfahren zwischen Hochschule und dem Hochschulträger (vgl. Behrens 1996, S. 36). Das Wissenschaftsministerium prüft die Voranschläge der Hochschulen und führt mit ihnen Haushaltsverhandlungen durch. Auf dieser Grundlage wird der Haushaltsvoranschlag erstellt und an das Finanzministerium weitergeleitet. Nach gegebenenfalls notwendigen Änderungen intergriert dieses den Haushalt des Wissenschaftsministerium in den Landeshaushalt und bringt diesen Entwurf des Haushaltsplans zusammen mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes in den Landtag

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D. Das deutsche Hochschu1system

ein. Nachdem der Gesamthaushalt vom Landtag beschlossen worden ist, erfolgt die Zuweisung der Mittel an die Hochschulen.

2. Mittelverteilungsverfahren Als "absteigendes Haushaltsverfahren" wird die Verteilung der Mittel zwischen Wissenschaftsministerium und Hochschulen sowie die sich daran anschließende Verteilung bis auf die unterste Hochschulebene bezeichnet. Die Bundesländer haben dafür unterschiedliche Verfahren entwickelt. Während zum Teil formelbasierte Verteilungsmodelle Anwendung finden oder Zielvereinbarungen zwischen Ministerium und Hochschulen die Höhe des Budgets beeinflussen, werden andernorts die von der Landesregierung beschlossenen Hochschulbudgets direkt der Hochschule zugewiesen und unterliegen keinen Verteilungskriterien. In Kapitel E. (S. 124 ff.) wird für die einzelnen Fallstudien das Verteilungsverfahren der Sitzländer beschrieben. Die dort für fünf verschiedene Bundesländer vorgestellten Zuweisungskriterien und -praktiken bieten einen Überblick über deren mögliche Ausgestaltung im deutschen Hochschulsystem. Aufgrund dessen wird an dieser Stelle nicht näher auf die Verteilungsverfahren zwischen Ministerien und Hochschulen eingegangen. Nachdem die Hochschulen ihr Budget erhalten haben, erfolgt die hochschulinterne Verteilung der Mittel. Durch die jeweiligen Landeshochschulgesetze der Bundesländer wird geregelt, weIche Instanz innerhalb der Hochschulen diese Aufgabe übernimmt. Die Zuständigkeit in den Hochschulen der einzelnen Bundesländer kann der Tabelle 57 auf S. 276 entnommen werden. WeIche Verfahren dabei Anwendung finden, kann sowohl von Bundesland zu Bundesland als auch innerhalb eines einzelnen Bundeslandes, z.T. von Hochschule zu Hochschule, unterschiedlich sein. Das Verteilungsverfahren und die Verwendung der finanziellen Mittel unterliegen verschiedenen rechtlichen Grundlagen. Bevor näher auf die hochschulinterne Mittelverteilung eingegangen wird, sollen diese im nächsten Abschnitt kurz vorgestellt werden.

3. Rechtliche Grundlagen der Hochschulfinanzierung Die Verwendung der finanziellen Mittel ist durch verschiedene Gesetze geregelt. In den Hochschulen gelten die Haushaltsvorschriften, an die auch andere öffentliche Einrichtungen gebunden sind. Dazu zählt das staatliche Haushaltsrecht, das im Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und der Landeshaushaltsordnung (LHO) festgelegt ist (vgl. Behrens 1996, s. 18 ff.). Im Haushaltsgrundsätzegesetz sind die für Hochschulen verbindlichen Haushaltsgrundsätze enthalten. Sie werden nachfolgend kurz dargestellt, da sie die Verwendung der Mittel innerhalb der Hochschulen regeln und sich dadurch auf deren Finanzautonomie auswirken.

IV. Finanzierungsmodalitäten des Hochschulsystems

117

• Der Grundsatz der zeitlichen Spezialität (Jährlichkeit) schränkt die Verwendung finanzieller Mittel für einen festgelegten Zeitraum ein. Mittel, die nach Ablauf des Bewilligungszeitraums nicht verausgabt wurden, dürfen nicht mehr verwendet werden und fallen wieder an das Finanzministerium zurück. • Der Grundsatz der sachlichen Spezialität besagt, dass Mittel nur für einen bestimmten Zweck verausgabt werden dürfen. Dieser Zweck wird für einen bestimmten Posten, einen so genannten Haushaltstitel, festgelegt (vgl. Abschnitt 1.). Sind die Mittel erschöpft, so dürfen keine weiteren Ausgaben für den festgelegten Zweck, beispielsweise aus anderen Titeln, erfolgen. • Der Grundsatz der Bruttoveranschlagung (Bruttoprinzip ) legt fest, dass die Einnahmen und Ausgaben aus Gründen der Haushaltsklarheit nicht verrechnet werden dürfen (Saldierungsverbot) und im Haushalt in voller Höhe und voneinander getrennt veranschlagt werden. • Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit umfasst zwei inhaltliche Bestimmungen. Wirtschaftlichkeit soll dadurch erzielt werden, dass eine optimale Zweck-Mittel-Relation, entweder durch einen möglichst geringen Einsatz von Mitteln (Minimalprinzip) oder das Erreichen des bestmöglichen Ergebnisses mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln (Maximalprinzip ) verwirklicht wird. Das Ziel der Sparsamkeit soll durch die Beschränkung der Ausgaben auf das unbedingt Notwendige realisiert werden. Die Verausgabung nicht verbrauchter Mittel am Jahresende ist nicht zulässig, es existiert dementsprechend keine Übertragbarkeit der Mittel in das nächste Haushaltsjahr (vgl. Behrens 1996, S. 19 ff.; BMBW 1980, S. 17 ff.; Frackmann et al. 1993, S. 85; Karpen 1989b, S. 70 ff.; Kreutz-Gers 1997, S. 25; Paff 1998, S. 37 ff.). Die Haushaltsgrundsätze sind wesentliche Bestandteile des kameralistischen Rechnungswesens, welches in Hochschulen angewendet wird. Am kameralistischen Rechnungswesen wird in erster Linie kritisiert, dass keine Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag erfolgt. Statt Ausgaben und Einkünfte gegenüberzustellen werden Posten getrennt aufgeführt und lediglich geprüft, ob eine rechtmäßige Verausgabung der im Haushaltsplan vorgesehenen Mittel erfolgt (vgl. Behrens 1996, S. 227). Des Weiteren ist die Kameralistik inputorientiert, da lediglich die eingehenden Größen, wie z.B. Sach-, Personal- und Investitionsmittel, registriert werden. Ausgangsgrößen, die durch die Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag ermittelt werden, finden keine Betrachtung. Dieser Ansatz wird als ungeeignet für wirtschaftliches Handeln angesehen (vgl. Ziegele und Krasny 1997, S. 39). Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträger werden bei der kameralistischen Buchführung nur unzureichend erfasst, ein Werteverzehr durch

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D. Das deutsche Hochschulsystem

Verbrauch von Ressourcen und Vermögen wird nicht abgebildet (vgl. Freudenberg 1994, S. 408). Frühe Reformen der Finanzierungsstrukturen zielten in erster Linie darauf ab, Einschränkungen, die durch die Anwendung der Haushaltsgrundsätze und der Kameralistik bestanden, abzubauen. Damit sollte den Hochschulen ein effektiver, effizienter und flexibler Einsatz der finanziellen Mittel ermöglicht werden. Aufgrund dessen wurde an einer Vielzahl von Hochschulen die Kameralistik durch eine Kostenrechnung ergänzt und z.T. vollständig durch die kaufmännische Buchführung ersetzt. Darüber hinaus wurden Flexibilisierungsmaßnahmen ergriffen, um die Regelungen des Haushaltsgrundsätzegesetzes abzuschwächen. Dazu zählen die folgenden Instrumente: • Durch Übertragbarkeit wird der Grundsatz der zeitlichen Spezialität verändert. Mittel, die im laufenden Haushaltsjahr nicht verausgabt wurden, können ins nächste Haushaltsjahr übertragen und später verwendet werden. Dadurch können die Hochschulen die ihnen zugewiesenen Mittel flexibler einsetzen. Das Flexibilisierungsinstrument der Übertragbarkeit ist als Anreiz zu verstehen, mit dem der sparsame Umgang mit finanziellen Ressourcen belohnt wird, indem gesparte Mittel nicht wieder an das Land zurückfließen sondern der Hochschule im nächsten Jahr zur Verfügung stehen. Dieses Instrument trägt zudem der Tatsache Rechnung, dass das Haushaltsjahr nicht mit dem akademischen Jahr zusammenfällt und die Laufzeiten von Studiengängen und Forschungsprojekten eine längerfristige Finanzplanung erfordern (vgl. Behrens 1996, S. 22 ff.; Karpen 1989b, S.71). • Das Instrument der Deckungsfähigkeit ermöglicht die Verausgabung der Mittel eines Titels für Ausgaben in einem anderen Titel, d.h. für einen anderen als den im Haushaltsplan vorgesehenen Zweck. Damit wird der Grundsatz der sachlichen Spezialität durchbrochen. Differenziert wird zwischen einseitiger und gegenseitiger Deckungsfähigkeit. Bei ersterer können Mittel eines Titels A nur zur Deckung von Mehrausgaben in einem Titel B verwendet werden. Umgekehrt ist es jedoch nicht möglich, die Mittel des Titels B für Mehrausgaben in Titel A einzusetzen. Dafür wäre eine gegenseitige Deckungsfähigkeit von Titel A und B erforderlich. Durch die Gewährung von Deckungsfähigkeit soll der flexiblere Einsatz finanzieller Mittel erreicht werden. Hochschulen erlangen dadurch die Kompetenz, die Mittel entsprechend ihres jeweiligen Bedarfs einzusetzen. Häufig werden mehrere Titel, die einem einheitlichen Zweck dienen, zu einer Titelgruppe zusammengefasst. Innerhalb der Titelgruppe können die darin zusammengefassten Titel für gegenseitig deckungsfähig erklärt werden.

IV. Finanzierungsmodalitäten des Hochschulsystems

119

4. Globalhaushalte Neben der Flexibilisierung durch die o.g. Instrumente hat sich die Finanzierung der Hochschulen durch Einführung von Globalhaushalten grundlegend geändert. Sie führten zur Verschiebung von Kompetenzen zwischen Ministerien und Hochschulen, in Bezug auf die Verwendung des Budgets. Die ursprüngliche Zuweisung finanzieller Mittel an die Hochschulen erfolgte zweckgebunden, indem die einzelnen Ausgabearten detailliert nach Titeln gegliedert waren (Grundsatz der sachlichen Spezialität). Einige Bundesländer haben in den letzten Jahren dieses Verfahren dahingehend verändert, dass die Hochschulen ihre Finanzzuweisung ohne Zweckbindung, d.h. in Form einer Pauschal-, bzw. Globalsumme, erhalten. Dieser so genannte Globalhaushalt geht einher mit einer eigenverantwortlichen hochschulinternen Verteilung der finanziellen Mittel. Haushaltstechnisch ist mit der Globalisierung der Hochschulhaushalte eine Reduzierung der Zahl von Titeln auf eine einzige Ausgabensumme verbunden. Daneben existieren weiterhin Verfahren, bei denen eine Reduzierung auf wenige Einnahmeund Ausgabetitel mit gegenseitiger oder einseitiger Deckungsfähigkeit erfolgt (vgl. Behrens 1996, S. 128). Letztere werden jedoch nicht als Globalhaushalt bezeichnet. Entscheidende Auswirkung eines Globalhaushalts ist die Flexibilisierung der Hochschulhaushalte und die Stärkung der Entscheidungskompetenz der Hochschulen bei der Mittelverwendung. Im Vergleich zu den o.g. Flexibilisierungmaßnahmen, wie z.B. den Instrumenten der Deckungsfähigkeit, Übertragbarkeit und der Bildung von Titelgruppen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich beim Globalhaushalt lediglich um eine Kombination dieser Instrumente handelt. Der bedeutende Unterschied gegenüber einem Globalhaushalt besteht jedoch darin, dass die Flexibilisierungsinstrumente die Lockerung der Verwendung der Mittel bewirken, wobei Budgethöhe und -struktur vorab weiterhin durch politische Entscheidungen fixiert werden. Im Gegensatz dazu ist die Budgetstruktur beim Globalhaushalt nicht Gegenstand politischer Entscheidungen sondern unterliegt der alleinigen Kompetenz der Hochschulen (vgl. Ziegele 1997, S. 65). Statt die Struktur zu beschließen, beschränkt sich das parlamentarische Budgetrecht auf die Festlegung der Höhe des Haushalts. Der Einsatz von Globalhaushalten ist aufgrund dessen mit dem Problem verbunden, dass Kriterien zur Festlegung der relativen Höhe seines Betrages nicht vorliegen. Dem wird von Seiten des Staates in der Weise begegnet, dass das Globalbudget inkrementalistisch bestimmt wird, d.h., dass sich die Höhe des Budgets am Vorjahr orientiert und fortgeschrieben wird. Daraus ergeben sich allerdings zwei grundlegende Probleme. Zum einen erfolgt keine Legitimation der Höhe des Globalhaushalts von Seiten der Hochschule. Um die durch den Globalhaushalt erlangte Finanzautonomie auf der Ausgabenseite sicherzustellen, muss die Hochschule das Globalbudget in Abhängigkeit von den durch sie erbrachten Leistungen rechtfertigen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Höhe des

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D. Das deutsche Hochschulsystem

Budgets willkürlichen Kürzungen des Staates ausgesetzt ist. Deshalb wird in Zusammenhang mit der Einführung von Globalhaushalten die Notwendigkeit eines rationalen Systems zur Bestimmung der Budgethöhe betont (vgl. Müller-Böling und Ziegele 1998, S. 1 und 2). Diese Aufgabe wird zukünftig in stärkerem Maße Formelmodellen oder auch dem Instrument der Zielvereinbarungen zufallen (vgl. Abschnitt aa), S. 57 ff. und Abschnitt bb), S. 60 ff.). Zum anderen gilt als weiterer Kritikpunkt an der inkrementelIen Fortschreibung der Höhe des Globalhaushalts die damit verbundene, fehlende Setzung von Anreizen. Die zugewiesene Summe ist von den Leistungen der Hochschule unabhängig. Abgesehen von inflationsausgleichenden Steigerungen erhält sie jeweils die gleiche Budgethöhe zugewiesen. Es existiert dementsprechend kein besonderer Anreiz für die Hochschule, entsprechende Leistungen zu erbringen. Hier liegt analog zu den in Abschnitt 1., auf S. 65 ff. gemachten Ausführungen ein Principal-Agent-Problem zwischen dem Land als Auftraggeber und der Hochschule als Auftragnehmer vor. Der Staat ist folglich bestrebt, ein Verfahren zur Bestimmung der Höhe des Globalbudgets zu bestimmen. Dadurch wird ein Rahmen geschaffen, der durch Anreize und Sanktionen das Handeln der Hochschulen beeinflusst. Über die Höhe der Zuweisung erfolgt eine Steuerung, indem Leistungen belohnt oder Fehlleistungen sanktioniert werden (vgl. Müller-Böling und Ziegele 1997, S. 11 f.). Der flexibilisierende Effekt eines Globalhaushaltes wird dadurch eingeschränkt, dass der größte Teil der finanziellen Mittel, der den Hochschulen zur Verfügung steht, von vonherein durch Personalausgaben gebunden ist (siehe Tabelle 54, S. 273).

v.

Wettbewerb und Differenzierung im deutschen Hochschulsystem

Im Gegensatz zu Hochschulsystemen anderer Länder, wie beispielsweise denen der USA oder Großbritanniens, ist das deutsche Hochschulsystem durch ein hohes Maß an Einheitlichkeit geprägt. Die Ursachen dafür liegen vor allem in einem erheblichen staatlichen Einfluss begründet. Bis in die 60er Jahre hinein war der Hochschulbereich ohne gesetzliche Normierungen ausgekommen. 1969 erhielt der Bund Kompetenz zur Rahmengesetzgebung, wodurch die Einheitlichkeit des Hochschulbereichs gewährleistet werden sollte. Seinen Abschluss fand diese Entwicklung mit der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes (HRG), welches 1976 in Kraft trat. Es stellt einen einheitlichen, länderübergreifenden, gesetzlichen Rahmen für das Hochschulwesen dar. Das HRG umfasst Regelungen zur Organisation und Verwaltung der Hochschulen, bezieht jedoch auch die Hochschulzulassung, die Personalstruktur und den Aufbau von Hochschulgremien ein (vgl. Peisert und Framheim 1997, S. 10). Durch die Schaffung des Hochschulrahmengesetzes wurde das deutsche Hochschulsystem einer umfassenden Normierung unterzogen. Dadurch sollte Chancengleichheit erzielt

V. Wettbewerb und Differenzierung im deutschen Hochschulsystem

121

werden, indem die Vergleichbarkeit der Hochschulabschlüsse ermöglicht wurde und ein Wechsel des Studienortes durch Vereinheitlichung der Hochschulen erleichtert wurde. Die Nivellierung der Hochschullandschaft und die Einschränkung der Autonomie der Hochschulen waren die Folge und verhinderten faktisch eine Differenzierung der Hochschulen und das Entstehen von Wettbewerb zwischen ihnen. Die ursprünglichen politischen Bestrebungen, die zur Schaffung des HRG führten, sind seit dessen Beschluss gegenüber anderen Zielen in den Hintergrund getreten. Die Umsetzung der gegenwärtig verfolgten hochschulpolitischen Ziele, zu denen u.a. die Verbesserung der wissenschaftlichen Leistungen, der effiziente und effektive Einsatz finanzieller Mittel sowie die Steigerung der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen zählen, wird durch das HRG eingeschränkt. Die gesetzliche Normierung der Hochschulen steht dem zur Verwirklichung der Ziele erforderlichen Wettbewerb unter den Hochschulen, ihrer Differenzierung und einer Übertragung von Handlungsautonomie entgegen. Dementsprechend wurde das HRG 1998 in einer umfassenden Reform weitreichend dereguliert. Dadurch wurden von Seiten des Bundes notwendige gesetzliche Voraussetzungen geschaffen, um Wettbewerb im deutschen Hochschulsystem zu ermöglichen. Weitere wichtige Rahmenbedingungen für die Entstehung eines funktionsfähigen Wettbewerbs sind nach wie vor nur unzureichend im deutschen Hochschulsystem gegeben. So schränken die Länder als Träger der Hochschulen deren Autonomie weiterhin maßgeblich ein. Insbesondere der flexible Einsatz finanzieller Mittel wird durch rechtliche Bestimmungen begrenzt (vgl. Abschnitt 3., S. 116 ff.). Zu den weiteren Hemmnissen eines Wettbewerbs in Hochschulen zählt das öffentliche Dienstrecht, das ein flexibles und leistungsorientiertes System für die Besoldung der an Hochschulen Beschäftigten verhindert. Dadurch ist es nach wie vor nicht möglich, durch differenzierte Gehälter einen Wettbewerb um qualifizierte Wissenschaftler zu führen. Auch die weitreichenden Befugnisse des zuständigen Ministeriums, die sich beispielsweise auf die Genehmigung von Studiengängen und Prüfungs ordnungen erstrecken, führen zur Einschränkung der Handlungsautonomie der Hochschulen und verhindern deren Bestrebungen, spezifische Profile zu entwickeln. Um das Leistungsniveau der Absolventen und des wissenschaftlichen Nachwuchses zu steigern und sich darüber Wettbewerbs vorteile gegenüber anderen Hochschulen zu sichern, wird von den Hochschulen die Notwendigkeit betont, selbstständig über die Auswahl der Studienbewerber entscheiden zu können. Gegenwärtig sind die Möglichkeiten der Auswahl durch die Hochschulen begrenzt. In den zulassungsbeschränkten Fächern werden den Hochschulen die Studienanfänger von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) zugeteilt. Aufgrund der Kapazitätsverordnung wird lediglich errechnet, wieviele Studien-

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D. Das deutsche Hochschulsystem

plätze eine Hochschule in einem Studienfach aufweist und zu welchem Ausmaß diese Kapazität ausgeschöpft ist. Eine Auswahl, die die Motivation der Studienbewerber, die Beweggründe für die Bewerbung an einer bestimmten Hochschule sowie die Einbeziehung qualitativer Kriterien berücksichtigt, wird gegenwärtig nicht praktiziert oder lediglich für einige wenige Studienangebote modellhaft praktiziert. Von einer eigenständigen Auswahl der Studienbewerber durch die Hochschulen wird nicht nur die qualitative Verbesserung der Studienabschlüsse erwartet. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass ein Auswahlverfahren, das die Auseinandersetzung der Studienbewerber mit ihren Studienzielen erforderlich macht, eine Senkung der Abbruchsquoten hervorruft und somit die Studienerfolgsquote erhöht. Eine Ausnahme bei der Auswahl der Studienanfänger bilden die musischen und künstlerischen Studiengänge, die das Bestehen einer Aufnahmeprüfung vor Aufnahme des Studiums erforderlich machen. Für die nicht zulassungsbeschränkten Studiengänge besteht freie Wahlmöglichkeit des Studienortes durch die Studienanfänger. Der Einführung von Studiengebühren wird zur Schaffung eines Wettbewerbs im Hochschulsystem ebenfalls große Bedeutung beigemessen. Dazu führt die Annahme, dass ein direkter Einkommenseffekt durch Gebühren die Hochschulen veranlasst, ihr Angebot zu differenzieren, publik zu machen und für dessen qualitative Verbesserung zu sorgen (vgl. Abschnitt b), S. 51). Sie sind in Folge dessen bestrebt, ihre Attraktivität zu steigern. Der Wettbewerb um die Studierenden fördert die Differenzierung der Hochschullandschaft durch die Schaffung spezieller Studienangebote, die sich gegenüber denen anderer Hochschulen absetzen. Für den Studienbewerber erhöht sich das Informationsangebot, wodurch ihm bereits vor Aufnahme des Studiums Erkenntnisse über die inhaltliche Ausrichtung der Studiengänge an verschiedenen Hochschulen vorliegen. Eine Diversifizierung von Hochschulen, wie sie in anderen Ländern beispielsweise durch die Spezialisierung auf Forschungs- oder Lehrtätigkeiten erfolgt, ist im deutschen Hochschulsystem nicht vorhanden. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass die, in §2 des HRG als Aufgaben der Hochschulen genannte, "Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung" für alle Hochschulen gleichermaßen gilt. Zwar gibt es zwischen den einzelnen universitären Einrichtungen qualitative Unterschiede, diese sind jedoch der Öffentlichkeit in der Regel nicht bekannt. Differenzierung wird darüber hinaus erschwert, da Zielbildungsprozesse und strategische Überlegungen in den Hochschulen, wenn überhaupt, erst in Ansätzen vorhanden sind. Eine Ursache dafür liegt einerseits in den geringen Gestaltungsspielräumen, die den Hochschulen vom Staat zugestanden werden. Andererseits sind die gegenwärtigen Organisationsstrukturen der Hochschulen nicht darauf ausgerichtet, einheitliche Strategien zur zukünftigen Entwicklung einer Hochschule zu entwerfen. Wie bereits in Abschnitt 2. auf den S. 28 ff. dargestellt, ist

V. Wettbewerb und Differenzierung im deutschen Hochschulsystem

123

aufgrund der starken Konzentration der wissenschaftlichen Einheiten auf ihre eigene Disziplin und den geringen Interdependenzen zwischen ihnen eine Identifikation mit der Institution der Hochschule und eine gemeinschaftliche Zielbildung erschwert. Da sich die Hochschulen in der Vergangenheit aufgrund eines fehlenden Wettbewerbs zudem nicht als Einheit präsentieren mussten, konnte dadurch in nur geringem Maße eine "Corporate Identity" entwickelt werden bzw. entstehen. Ein weiteres Hemmnis der Differenzierung stellen die Entscheidungsstrukturen der Hochschulen dar, die eher auf Selbstverwaltung als auf strategische Führung ausgerichtet sind (vgl. Abschnitt 2., S. 28 ff.). Gerade bei strukturverändernden Maßnahmen, die mit dem Abbau einzelner Bereiche einer Hochschule zu Gunsten anderer innerhalb der Hochschule verbunden sind, sind die gegenwärtig vorherrschenden Gremienstrukturen nur bedingt geeignet, Entscheidungen herbeizuführen. Um einen Konsens zu erzielen, werden in den Gremien Beschlüsse häufig auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners getroffen. Durch die primäre Verfolgung eigener Interessen wird es den dort beteiligten Vertretern erschwert, die für die Institution der Hochschule vorteilhaften Entscheidungen zu treffen, wenn diese den eigenen Interessen entgegen stehen. Aufgrund dessen ist die Funktionsfähigkeit neuer Steuerungs- und Finanzierungsmodelle in hohem Maße auch davon abhängig, inwieweit es gelingt, funktionsfähige Entscheidungsstrukturen in Hochschulen zu schaffen.

E. Darstellung der Fallstudien Die Darstellung der einzelnen Fallstudien ist Inhalt dieses Abschnitts. Im Rahmen der Untersuchung wurden Erhebungen an der Universität Hannover, der TU München, der TU Berlin, der RWTH Aachen und an der TU Dresden durchgeführt. Im Folgenden werden die einzelnen Fallstudien vorgestellt. Der Aufbau orientiert sich zur besseren Vergleichbarkeit an einem einheitlichen Schema. Zu Anfang wird die Hochschulpolitik des Hochschulträgers vorgestellt, die sowohl die finanziellen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der untersuchten Hochschule bestimmt. Daran anschließend wird kurz ein historischer Abriss über die Entwicklung der Hochschule gegeben. Weitere Punkte in der Darstellung der Fallstudien bilden die strategischen Planungen, die Organisationsstrukturen, die Grundlagen der Finanzierung, die Forschungsaktivitäten und die regionalen Verflechtungen der Hochschule. Daran anschließend werden die Steuerungsverfahren und Anreizstrukturen, die in den Hochschulen angewendet werden, vorgestellt.

I. Niedersachsen - Universität Hannover 1. Hochschulpolitik des Landes Niedersachsen

Das Land Niedersachsen ist Träger von 20 Hochschulen mit ca. 25.000 Beschäftigten (Personalstellen) und ungefähr 138.400 Studierenden. Die Niedersächsische Landesregierung ist bestrebt, die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu steigern und ihnen zu diesem Zweck mehr Flexibilität und Eigenverantwortung einzuräumen (vgl. NMWK 2001e, S. 5). Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Umwandlung der Hochschulen in Landesbetriebe. Am 01.01.1995 wurde dazu ein Modellvorhaben zur globalen Steuerung von Hochschulhaushalten gestartet. Seitdem werden die Universität Oldenburg, die TU Clausthal und die Fachhochschule Osnabruck als Landesbetrieb gemäß § 26 Abs.l LHO geführt (LHO, vgl. Niedersächsisches Finanzministerium 2001, S. 15). Im Rahmen dieses Modellversuchs wurde die kameralistische Haushaltsführung von der kaufmännischen Buchführung abgelöst. Zudem erhielten die Hochschulen globale Zuführungen zu laufenden und investiven Zwecken. Statt eines herkömmlichen Haushaltsplans verfügten die Hochschulen nun über einen Wirtschaftsplan und erhalten lediglich fünf Zuschusstitel (vgl. Ziegele und Krasny 1997, S. 39 ff.). Dadurch war es den Modellhochschulen möglich,

I. Niedersachsen - Universität Hannover

125

Stellen und Mittel flexibel und entsprechend des jeweiligen Bedarfs einzusetzen (vgl. NMWK 2001e, S. 5). Mit der Umwandlung der Hochschulen in Landesbetriebe strebt die Landesregierung an, betriebswirtschaftliehe Steuerungsinstrumente in der Haushaltswirtschaft zu verankern (vgl. Universität Göttingen 2001). Mittlerweile arbeiten bereits alle staatlichen Hochschulen in Niedersachsen als Landesbetriebe, allerdings noch nicht vollständig unter Einsatz der kaufmännischen Buchführung (vgl. NMWK 200Ia). Sowohl die Umstellung auf Landesbetriebe als auch die Einführung der kaufmännischen Buchführung erfolgte am 01.01.1999 zusätzlich zu den Modellhochschulen an weiteren sieben Fachhochschulen sowie einer Hochschule. Im Rahmen des Projekts "Uni 2001" wurden weitere acht Hochschulen des Landes Niedersachsen am 01.01.200 I auf Landesbetriebe mit kaufmännischem Rechnungswesen umgestellt, unter anderem auch die Universität Hannover. Die Umstellung auf eine kaufmännische Buchführung war an den betreffenden Hochschulen mit der Einführung von Globalhaushalten verbunden. Um qualitative Verbesserungen in der Lehre zu erzielen, hat Niedersachsen 1995 mit der flächendeckenden Begutachtung (Evaluation) von Lehre und Studium an allen Hochschulen begonnen. Zur Organisation dieses Verfahrens wurde die "Zentrale Evaluationsagentur" (ZEvA) geschaffen (vgl. NMWK 2001e, S. 5). Um exzellente Wissenschaftler aus dem In- und Ausland nach Niedersachsen zu holen, stellt die Landesregierung für die Jahre 2002 bis 2004 insgesamt 100 Mio. DM aus Forschungsmitteln und dem Niedersächsischen Vorab der Volkswagen-Stiftung bereit. Diese Mittel sollen im Rahmen des Programms "Braingain" ("Köpfe gewinnen") bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen eingesetzt werden, mit dem die niedersächsischen Hochschulen in die Lage versetzt werden sollen, mit Spitzenhochschulen um Nachwuchswissenschaftler konkurrieren zu können (vgl. NMWK 200Ib). Als weiterer Schritt zur Steigerung von Flexibilität und Eigenverantwortung der Hochschulen hat das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur die Reform des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) auf den Weg gebracht. Der Entwurf des neuen NHG schafft die Voraussetzungen dafür, Hochschulen in die Trägerschaft von Stiftungen des öffentlichen Rechts umzuwandeln (vgl. NMWK 2001c, S. 36 ff.). Der Vorteil dieser Umwandlung wird darin gesehen, dass die von Stiftungen getragenen Hochschulen dann rechtlich vollkommen eigenständige Institutionen werden und somit nicht länger staatliche Anstalten oder nachgeordnete Behörden sind. Sie erhalten dadurch mehr Autonomie, da der Staat auf eine Vielzahl von Genehmigungsvorbehalten (z.B. die Einrichtung von Studiengängen) verzichtet und die Dienstherrnfähigkeit an die Stiftung abgibt. Durch den Übertritt in die Trägerschaft einer Stiftung werden die Hochschulen Eigentümer der von ihnen genutzten Gebäude und Grundstücke. Aus dem Stiftungsvermögen soll ein wachsender Beitrag zur Finanzie-

126

E. Darstellung der Fallstudien

rung der Hochschulen stammen, auch wenn der Großteil der Finanzierung der Hochschulen weiterhin durch den Staat erfolgen soll (vgl. NMWK 2001c, S. 36). Der Entwurf zur Änderung des NHG zielt auf eine erhebliche Reduzierung der Regelungsdichte des Hochschulrechts und eine Professionalisierung der Entscheidungsprozesse im Rahmen der Selbstverwaltung ab. Dadurch werden die Hochschulen in die Lage versetzt, ihre Mittel flexibel und zweckmäßig einzusetzen. Einen wichtigen Bestandteil bildet dabei der Einsatz von Zielvereinbarungen sowie die globalisierte Zuweisung finanzieller Mittel (vgl. NMWK 2001c, S. 26 ff.). Ende 2001 wurden zwischen dem durch das MWK vertretenen Land Niedersachsen und den Hochschulen für die Jahre 2002 und 2003 Zielvereinbarungen geschlossen. Sie dienen zur Erprobung eines neuen Steuerungsinstruments und sind ohne konkrete Auswirkungen auf den Haushalt der Hochschulen. Von Kritikern des neuen Hochschulgesetzes wird u.a. befürchtet, dass der Staat sich durch die Errichtung von Stiftungshochschulen sukzessive aus der Finanzierung der Hochschulen zurückzieht. Ein schneller Anstieg des Stiftungsvermögens durch Einwerbung privaten Kapitals und durch Spenden wird aufgrund der gegenwärtig in Deutschland eher schwach ausgeprägten Stiftungskultur bezweifelt. Darüber hinaus wird vermutet, dass mit einer Überführung der Gebäude in das Eigentum der Stiftung auch die Bauunterhaltung an die Hochschulen fällt, woraus ein erhebliches finanzielles Risiko erwachsen kann. Außerdem wird bemängelt, dass der Staat sich auch bei den Stiftungshochschulen eine erhebliche Einflussnahme vorbehält. Darauf weist beispielsweise die Konstruktion des Stiftungsrats hin. Unter den insgesamt sieben Mitgliedern befindet sich ein Vertreter des Senats der Hochschule sowie ein Vertreter des Fachministeriums. Die weiteren fünf Mitglieder sollen vornehmlich Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur sein, die im Einvernehmen mit dem Senat der Hochschule vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur bestellt werden und von diesem aus wichtigem Grund auch entlassen werden können. Somit entstammt lediglich der Vertreter des Senats der Stiftungshochschule. Trotz dieser Kritik, die von unterschiedlichen Seiten geäußert wird (vgl. NMWK 2001d, S. 42 ff.) ist das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur bestrebt, das neue NHG zügig zu verabschieden und umzusetzen. Es lässt sich abschließend festhalten, dass Niedersachsen bereits vergleichsweise früh damit begonnen hat, veränderte Finanzierungs- und Organisationsstrukturen in den Hochschulen zu implementieren. Die geplante Veränderung des NHG, insbesondere die damit verbundene Option zur Einrichtung von Stiftungshochschulen zeigt, dass Niedersachsen bestrebt ist, auf dem Gebiet der Hochschulreformen bundesweit eine Vorreiterrolle einzunehmen.

I. Niedersachsen - Universität Hannover

127

2. Universität Hannover Die Universität Hannover ging aus der "Höheren Gewerbeschule" hervor, die 1831 ihren Betrieb aufnahm. 1847 erfolgte die Umbenennung in "Polytechnische Schule", im Jahr 1879 erhielt sie die Bezeichnung "Königliche Technische Hochschule". 1880 gliederte sich die Hochschule in fünf Abteilungen, und zwar Architektur, Bauingenieurwesen, Chemie & Elektrotechnik, Maschineningenieurwesen und Allgemeine Wissenschaften, 1899 erlangte sie das Promotionsrecht. Strukturelle Veränderungen traten im Jahr 1968 mit der Integration der Pädagogischen Hochschule für Gewerbelehrer ein und waren verbunden mit der Umbenennung in "Technische Universität". Zum gleichen Zeitpunkt erfolgte die Gründung der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften. 1973 entstand die Fakultät für Rechtswissenschaften, 1974 die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Im Zuge des neuen Hochschulgesetzes wurde 1978 die Pädagogische Hochschule Niedersachsen integriert, es erfolgte die Umbenennung in "Universität Hannover" (vgl. Universität Hannover 1997b, S. 14 ff.). Ursprünglich handelte es sich bei der Universität Hannover um eine Hochschule mit technischem Schwerpunkt. Erst seit 1968 wurde das Fächerspektrum erweitert und umfassend ausgebaut, so dass die Universität heutzutage nach traditionellen Vorstellungen nicht mehr den technischen Hochschulen zuzuordnen ist. Der ehemalige technische Schwerpunkt macht sich dennoch durch die besondere Leistungsfähigkeit dieses Fächerspektrums, beispielsweise bei den Drittmitteleinwerbungen bemerkbar (siehe Tabelle 13, S. 136). Gemessen an der Zahl der Studierenden ist die Universität Hannover mit 26.987 Studierenden (WS 2000/01) die größte Hochschule Niedersachsens, gefolgt von der Universität Göttingen mit knapp 20.000 und der TU Braunschweig mit ca. 13.500 Studierenden (vgl. NMWK 2001e, S. 59). Mit 130 grundständigen Studien- und Teilstudiengängen liegt an der Universität Hannover ein sehr breites Studienangebot vor (vgl. Universität Hannover 2000a, S. 9). Die Gesamtheit der ingenieur- und naturwissenschaftlichen, planerischen, rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen sowie geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die angeboten werden, und insbesondere die daraus entstehenden Kooperationspotenziale zeichnen das Profil der Universität Hannover aus. Die Zahl der Beschäftigten der Universität Hannover beläuft sich auf insgesamt ca. 3.400 Beschäftigte, davon sind ca. 700 Drittmittelbeschäftigte. Die Zahl der Professoren beläuft sich auf ca. 410. Von den Beschäftigten sind abzüglich der Professoren ca. 1.300 in Forschung und Lehre, 1.700 Beschäftigte in Technik und Verwaltung tätig (vgl. Universität Hannover 2001a). Die Studierenden sind an der Universität Hannover ungleich auf die wissenschaftlichen Disziplinen verteilt (siehe Tabelle 11, S. 128). In den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern sind dreimal so viele Studierende wie in den Ingenieurwissenschaften eingeschrieben. Die Zahl der Studierenden in den Natur-

E. Darstellung der Fallstudien

128

Tabelle 11

Prozentuale Verteilung der Studierenden, Drittmittel und ProfessorensteIlen nach Wissenschaftsbereichen an der Universität Hannover Wissenschaftsbereich I Biologie und Medizin Geistes- und Sozialwissenschaften Ingenieurwissenschaften Naturwissenschaften gesamt

StudierendeL 8,6 56,3 18,9 16,2 100,0

DrittmitteI' 8,4 5,7 72,6 13,3 100,0

Professuren4 10,8 39,4 28,0 21,8 100,0

Der Einteilung nach Wissenschaftsbereichen liegt die DFG-Fächersystematik zu Grunde (vgl. DFG 1997, S. 63-66). Da eine detaillierte Aufgliederung der Daten Z.T. nicht vorliegt, erfolgt eine Zuordnung der Studierenden, Drittmittel und Professuren anhand der Einordnung der Fachbereiche nach Wissenschafts bereichen. Dadurch kann es zu geringfügigen Verschiebungen der jeweiligen Anteile kommen. Diese Einschränkung trifft ebenso auf die Tabellen 15 (S. 145), 21 (S. 170), 29 (S. 188) sowie 36 (S. 205) zu. 2 WS 2000/200 I 3 Rechnungsjahr 1999 I

4

Planstellen für C4-, C3- und C2-Professuren, Stand: 01.01.2000

Quelle: Universität Hannover

2oooa, eigene Berechnungen

wissenschaften bleibt knapp unter der der Ingenieurwissenschaften. Den kleinsten Posten macht die Wissenschaftsgruppe BiologielMedizin aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) und die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) die Studiengänge der Tier- bzw. der Humanmedizin angeboten werden und deshalb medizinische Fächer nicht im Fächerkanon der Universität Hannover vertreten sind. a) Strategische Ausrichtung Die Strategie der Universität Hannover ist gekennzeichnet durch den Erhalt aller großen Fächergruppen. Als Entwicklungsziele der Bereiche Forschung und Lehre innerhalb der Universität Hannover gelten: zum einen die Bereitstellung eines auf Interdisziplinarität angelegten Studien- und Weiterbildungsangebots, das sich in fachspezifischer Gewichtung an den Anforderungen der Praxis orientiert. Darüber hinaus die Entwicklung einer begrenzten Zahl international anerkannter Schwerpunkte (z.B. Produktionstechnik, Mikroelektronik, Physik). Des Weiteren die Verstärkung der Forschungskooperationen mit außeruniversitären Akteuren, beispielsweise zwischen produktionstechnischen Instituten der Universität und Partnern aus der Industrie, die Zunahme interdisziplinärer Forschungsprojekte, insbesondere zwischen ingenieurwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Weitere Ziele stellen die Wahr-

I. Niedersachsen - Universität Hannover

129

nehmung der Ausbildungsfunktion für die Region Hannover durch Bereitstellung kultureller Beiträge und wissenschaftlicher Dienstleistungen, die Verbesserung der Lehrqualität aufgrund der Erfahrungen aus Lehrevaluationen sowie die Schaffung studiengangsspezifischer Betreuung und Studienberatung dar. Im Bereich der Lehre wird die Einhaltung internationaler Mindesstandards angestrebt. Schließlich wird die Erhöhung der Attraktivität der Universität für deutsche und ausländische Studierende, beispielsweise durch Einführung neuer Vertiefungsrichtungen, neuer Studienangebote und die Ermöglichung international anerkannter Abschlüsse (Bachelor und Master) und die Erhöhung der Zahl der Studienanfänger in den Natur- und Ingenieurwissenschaften durch neu eingerichtete Studiengänge, wie z.B. Angewandte Informatik oder Wirtschaftsingenieur verfolgt (Universität Hannover 2000a, S. 9 und Universität Hannover 2001b). Diese Ziele sind zum Teil Inhalt des Leitbilds, das im Sommersemester 1997 erarbeitet und verabschiedet wurde und seitdem fortlaufend weiterentwickelt wird (vgl. Universität Hannover 1997a, S. 10). Das zukünftig angestrebte Profil der Universität Hannover ist weder das einer Universität, mit einem möglichst breiten Fächerspektrum mit vielen "Orchideenfächern", noch das einer Universität, die sich auf die Ingenieur- und Naturwissenschaften beschränkt. Um den Funktionen Bildung, Ausbildung, Dienstleistung und Forschung für die Region erfolgreich nachzukommen, wird ein breites Fächerspektrum als notwendig erachtet. Daher zielt die Strukturpolitik der Hochschulleitung auch auf einen Erhalt aller großen Wissenschaftsbereiche an der Universität (vgl. Universität Hannover 2001c). Entsprechend des Leitbilds setzt sich die Universität Hannover zum Ziel, "die Stärkung der Region durch Bereitstellung kultureller Beiträge und wissenschaftlicher Dienstleistungen" voranzutreiben und dadurch die regionale Einbindung ihrer Aktivitäten zu fördern. Eine bedeutende Funktion, die die Universität Hannover für die umgebende Region wahrnimmt, ist die Bereitstellung eines qualifizierten Arbeitskräfteangebots. Ein bedeutender Anteil der Ausbildungsleistung der Universität kommt regionalen Arbeitgebern zugute (vgl. Schätzl 1998a, S. 3 f.). Ein Gewinn für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit der Region entsteht insbesondere durch die Gründung neuer Unternehmen durch Absolventen der Hochschule. Zwischen 1997 und 2000 durchlief die Universität Hannover einen "Modernisierungsprozess", zu dessen Schlüsselprojekten der Aufbau eines Marketingkonzepts, die Einführung einer leistungsorientierten Ressourcensteuerung (siehe Abschnitt e), S. 137) und die Beschleunigung von Geschäftsprozessen, beispielsweise im Prüfungswesen sowie bei Berufungsverfahren gehören. Das Marketingkonzept beinhaltet neben einer einheitlichen Präsentation nach Außen den Einsatz von Marketingmaßnahmen bei bestimmten Zielgruppen, u.a. bei potenziellen Studierenden, Alumni und Sponsoren. Die leistungsorientierte Ressourcensteuerung zielt auf einen flexibleren Ressourceneinsatz ab. Um sich im zukünftig verstärkenden Wettbewerb der Hochschulen behaupten zu können, verfolgt

130

E. Darstellung der Fallstudien

die Universität Hannover eine Strukturpolitik, die die Bildung von "Centers of Excellence" fördert. Dazu zählt z.B. die Einrichtung des "Learning Lab Lower Saxony", einem Projekt, in dem in Kooperation mit der TU Braunschweig, der HBK Braunschweig, der Universität Karlsruhe und der Universität Mannheim innovative Lerntechnologien entwickelt werden. Neben seiner interdisziplinären Ausrichtung ist das Leaming Lab zudem in ein internationales Netzwerk eingebunden, an dem u.a. die Stanford University in den USA sowie drei schwedische Universitäten beteiligt sind (vgl. Universität Hannover 2001c). Ein weiteres "Center of Excellence" entsteht durch die Einrichtung eines fachbereichsübergreifenden Studien- und Forschungsschwerpunkts "Nanoelektronik" durch die Fachbereiche Physik sowie Elektro- und Informationstechnik (vgl. Universität Hannover 2001d). Da die Kapazitäten der technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen in Niedersachsen auf mehrere Hochschulen verteilt sind, haben sich die Universität Hannover, die TU Braunschweig und die TU Clausthal im "Consortium Technicum" zusammengeschlossen, um ihre Kräfte zu bündeln, ihre fachlichen Schwerpunktsetzungen abzustimmen und gemeinsam den Wettbewerb mit anderen Hochschulen zu bestreiten, also ihre Entwicklungsstrategien gemeinsam zu koordinieren. Umgesetzt wird diese Strategie beispielsweise mit der gemeinsamen Durchführung von Forschungsprojekten, beispielsweise SFB. Zudem findet ein Lehraustausch zwischen den Hochschulen statt, um eine Erweiterung des Lehrangebots für die Studierenden zu erzielen (vgl. Universität Hannover 2001e). Um den Anteil ausländischer Studierender zu erhöhen, der sich im WS 200012001 an der Universität Hannover auf ca. 11,6% belief, hat diese ihre Marketing-Aktivitäten im Ausland verstärkt. Neben den osteuropäischen Ländern sind vor allem auch die ostasiatischen Länder Ziel der Bemühungen um qualifizierte Studierende. b) Organisationsstrukturen Die Universität Hannover gliedert sich in 16 Fachbereiche (siehe Tabelle 12, S. 135), welche wiederum ca. 160 Institute, bzw. Seminare umfassen (vgl. Universität Hannover 2000a, S. 100). Die Leitung erfolgt durch den Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und den Kanzler. Der Präsident leitet die Universität, ihm obliegt deren Vertretung. Er erarbeitet u.a. Vorschläge zur Entwicklung der Hochschule, bestimmt die Verfahren zur zentralen Raumverteilung und zur zentralen Beschaffung von Sachbedarf. Er trifft im Rahmen der Entwicklungsplanung und der Beschlüsse des Senats die laufenden Entscheidungen zur Zuordnung von Stellen, Ausstattungen, Ausgabemitteln und Verpftichtungsermächtigungen. Die Vizepräsidenten und der Kanzler beraten und unterstützen den Präsidenten in der Wahrnehmung seiner Aufgaben. Der Kanzler ist der ständige Vertreter des Präsidenten in Rechts- und Verwaltungs angelegenheiten und vertritt ihn als Vorsitzender der Haushaltskommission.

I. Niedersachsen - Universität Hannover

131

Zu den Gremien der Universität Hannover zählen das Konzil und der Senat. Das Konzil, dem 133 Mitglieder angehören, tagt mindestens einmal jährlich. Zu seinen Aufgaben zählen u.a. die Wahl des Präsidenten und seiner Stellvertreter. Es kann Empfehlungen zu allen Aufgaben der Hochschule beschließen. Der Senat, dem 13 stimmberechtigte Mitglieder angehören, tagt mehrmals während der Vorlesungszeit. Er entscheidet in allen die gesamte Hochschule betreffenden oder über einen Fachbereich hinausgehenden Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat beschließt über die Entwicklungsplanung der Hochschule, insbesondere ihre Zielvorstellungen, deren Rangfolge und die zur Verwirklichung der Ziele wesentlichen Ausstattungsmaßnahmen. Des Weiteren entscheidet er über die Anmeldung des Haushaltsbedarfs der Hochschule für den Haushaltsplan, Grundsätze und Richtlinien für die Verteilung der Ausgabemittel, Verpflichtungsermächtigungen, Planstellen und andere Stellen sowie die Einrichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von Einrichtungen der Hochschule einschließlich ihrer Organisationsstruktur und ihrer Aufgaben. Der Senat koordiniert darüber hinaus, soweit dies erforderlich ist, die Tätigkeit der Fachbereiche, der gemeinsamen Kommissionen, der wissenschaftlichen Einrichtungen, Betriebseinheiten, Arbeitsgruppen und Zentren. Durch die Reform des NHG ist eine Veränderung der Organisationsstrukturen vorgesehen. Zukünftig soll die Hochschule in eigener Verantwortung von einem Präsidium geleitet werden. Diesem Präsidium werden neben dem Präsidenten ein weiterer hauptamtlicher Vizepräsident sowie weitere hauptamtliche oder nebenamtliche Vizepräsidenten angehören, deren Anzahl durch die Grundordnung der Universität bestimmt wird. Zahlreiche Entscheidungskompetenzen, die gegenwärtig noch beim Senat liegen, sollen an das Präsidium abgetreten werden. Dazu zählt die Entscheidung über Finanzen, Mittelvergabe, Errichtung, Änderung oder Aufhebung von Fachbereichen, die Einführung von Studiengängen sowie die Rechtsaufsicht über die Hochschule. Der Präsident soll zukünftig die Rechtsaufsicht über die Professoren erhalten, die sich bislang das Ministerium vorbehält. Die Aufgaben des Senats werden sich zukünftig auf eine verstärkte Kontrollfunktion und ein umfassendes Informationsrecht beschränken. Das Konzil soll vollständig aufgelöst werden (vgl. NMWK 2001c, S. 26 ff.). c) Finanzierung

Das Gesamtbudget der Universität Hannover belief sich 1998 auf DM 395.335.202. Davon stammten DM 289.624.457 (73,3%) aus dem Landeszuschuss, die Summe der Einnahmen betrug DM 105.710.746 (26.7%), wovon die Drittmittel wiederum DM 100.926.000 und damit einen Anteil von 25.5% am Gesamtbudget ausmachten (siehe Abbildung 8, S. 132). Die Ausgabenstruktur war 1998 derart gegliedert, dass von den gesamten Ausgaben in Höhe von DM 395.335.202 persönliche Verwaltungsausgaben (Personalmittel)

132

E. Darstellung der Fallstudien

DM 299.796.245 (75,8%) einnehmen, auf die sächlichen Verwaltungsausgaben (Sachmittel) DM 76.701.009 (19,4%) entfallen, Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen DM 15.504.125 (3,9%) einnehmen und die sonstigen Ausgaben DM 3.760.034 (0,9%) umfassen (siehe Abbildung 9). Damit ist der größte Ausgabenblock der der Personalmittel, welcher ca. 3/4 aller Ausgaben umfasst. Die Mittel für Forschung und Lehre, die in der Titelgruppe (TG) 71/81 zusammengefasst sind, beliefen sich 1998 auf DM 41.432.228. Damit nimmt diese Titelgruppe an den gesamten Ausgaben einen Anteil von 10,5% ein. Von dieser Summe gingen DM 18.175.394 in das Mittelverteilunsverfahren ein. Dies entspricht einem Anteil von 4,6% des Gesamtbudgets. Dieser Aspekt ist vor allem in Hinblick auf die Wirkungen des Mittelverteilungsmodells (siehe Abschnitt e), S. 137) von Bedeutung.

'-----'lB

c A: 25,5% Drittmittel B: 1,2% sonstige Einnahmen C: 73,3% Landeszuschuss Quelle: Niedersächsisches Finanzministerium 1998

Abbildung 8: Herkunft der Einnahmen der Universität Hannover 1998

Die Drittmitteleinnahmen der Universität Hannover umfassten 1999 insgesamt 98,627 Mio. DM. Davon stammten 19,2% von der DFG (TG 62, ohne DFG-Mittel für SFB), 13,2% aus Mitteln der Sonderforschungsbereicheder DFG (TG 64), 23,2% der Drittmitteleinnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für laufende Zwecke, Übertragungseinnahmen und Zuschüssen Dritter (TG 63), 23,6% aus eigenem Erwerb, d.h. Einnahmen aus Forschungsaufträgen und anderen Aufträgen Dritter (TG 65),19,1% Zuweisungen des Bundes zur Wissenschaftsförderung für laufende Ausgaben (TG 67) sowie 1,7% Einnahmen aus Veranstaltungen der Weiterbildung (TG 77). Zu der TG 63 zählen auch die EUDrittmittel, die 8,5% aller 1999 eingeworbenen Drittmittel ausmachen. Ebenso wie die anderen Hochschulen Niedersachsens hatte die Universität Hannover in den letzten Jahren erhebliche Einsparaufiagen zu erfüllen. Zwischen

1. Niedersachsen - Universität Hannover

133

CD

A

A: B: C: D:

75,8% Personalmittel 19,4% Sachmittel 3,9% Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen 0,9% sonstige Ausgaben

Quelle: Niedersächsisches Finanzministerium 1998

Abbildung 9: Aufgliederung des Hochschulbudgets der Universität Hannover nach Ausgabearten 1998

F

c

A: 19,2% DFG-Mittel ohne SFB B: 23,2% Zuweisungen und Zuschüsse für lfd. Zwecke, Übertragungseinnahmen und Zuschüsse Dritter, darunter 8,5% EU-Mittel C: 13,2% DFG-SFB D: 23,6% eigener Erwerb E: 19,1% Zuweisungen des Bundes F: 1,7% Einnahmen aus Weiterbildungsveranstaltungen Quelle: unveröffentlichte Daten des Dezernats für Finanzen der Universität Hannover

Abbildung 10: Aufgliederung der Drittmitteleinnahmen der Universität Hannover nach Mittelgebem 1999

134

E. Darstellung der Fallstudien

1995 und 1998 war die Universität Hannover im Rahmen des "Hochschulstrukturkonzepts zur Konsolidierung des Landeshaushalts" verpflichtet, 214 Stellen zu je DM 60.000 einzusparen. Der Haushalt der Universität umfasste 1998 ein Volumen von ca. 395 Mio. DM, von denen im selben Haushaltsjahr insgesamt 13,278 Mio. DM eingespart werden mussten. Für die Haushaltsjahre 1999 und 2000 wurde wie bereits in den Vorjahren ein Doppelhaushalt verabschiedet. 1999 belief sich das Haushaltsvolumen auf ca. 403 Mio. DM (vgl. Universität Hannover 2000a, S. 10), von denen die Universität Hannover erneut 12,1 Mio. DM einzusparen hatte. Auch für das Haushaltsjahr 2000 waren erneut weitere Einsparungen in Höhe von 7,8 Mio. DM vorgeschrieben. Am 17.09.1997 unterzeichneten der Niedersächsische Ministerpräsident und der Vorsitzende der Landeshochschulkonferenz (LHK) Niedersachsen eine "Gemeinsame Erklärung über eine Innovationsoffensive an den niedersächsischen Hochschulen". Während die Landesregierung sich verpflichtet, bis 2002 keine weiteren Haushaltskürzungen im Hochschulsystem vorzunehmen, obliegt den Hochschulen die Durchführung innovativer Maßnahmen. Diese Innovationsoffensive wurde mit einem Finanzvolumen von insgesamt 54 Mio. DM ausgestattet, wovon die Hochschulen und das Land jeweils die Hälfte der Summe bereitstellen (Universität Hannover 1998, S. 12). An der Universität Hannover wurden in diesem Zusammenhang 10 Innovationsprojekte eingerichtet, die Hochschule hatte zudem 4 Mio. DM für hochschulinterne Umschichtungen und ca. 2 Mio. DM für einen Forschungs- und Berufungspool aufzubringen. Die Innovationsschwerpunkte sind in erster Linie in ingenieurwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Bereichen eingerichtet worden (vgl. Universität Hannover 2000a, S. 16 0. Im Jahr 2000 wurde erneut ein Innovationsbündnis zwischen der Landesregierung und der LHK geschlossen, das eine Sicherung der Hochschulfinanzierung auf gleichem Niveau bis zum Jahr 2006 gewährleistet. Dieser Innovationspakt 11 sieht vor, dass die Hochschulen von weiteren Kürzungen und Minderausgaben ausgenommen sind. Im Gegenzug verpflichten sich die Hochschulen, hochschulintern und hochschulübergreifend Umschichtungen zu Gunsten von Innovationen in Lehre und Forschung vorzunehmen (vgl. NMWK 2001f).

1.448 652 1.379 886 842 1.209 1.802 1.100 1.002 669 809 2.264 3.798 3.334 2.743 2.481 569 26.987

Mathematik und Informatik Physik Chemie Geowissenschaften und Geographie Biologie Architektur Bauingenieur- und Vermessungs wesen Maschinenbau Elektro- und Informationstechnik Gartenbau Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung Literatur- und Sprachwissenschaften Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften Erziehungswissenschaften Rechtswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Arbeitswissenschaften 6 gesamt

315 135 264 173 128 182 279 166 197 163 94 303 480 406 288 441 53 4.067

Studienanfanfanger 2

371

1

24 35 21 24 18 12 22 33 49 23 18

10

26 21 20 14

Professuren j

46 32 39 21 14 31 71 88 73 30 14 16 27 I 11 23 43 6 685

wiss.Lehrpersonal 4

2 54 42 20 21 9 132 300 66 42 15 0 14 3 3 19 5 747

Drittmittelpersonal 5

Quelle: Universität Hannover 2000a, z.T. eigene Berechnungen

I

im WS 2000/01; 2 im WS 1999/2000, ohne Studienanfanger mit angestrebter Abschlussart Promotion; 3 Planstellen für C4- und C3-/C2-Professuren, Stand: 01.01.2000; 4 Planstellen für Hochschuldozenten, wiss. Assistenten, wiss Mitarbeiter (auf Dauer und auf Zeit), ohne Professuren, Stand: 01.01.2000; 5 Beschäftigte aus Mitteln Dritter (wissenschaftliches und nichtwissenschaftliches Personal, Summe Personen), Stand: 01.01.2000; 6 Arbeitswissenschaften stellt keinen Fachbereich dar. Es handelt sich um das interdisziplinäre Weiterbildungsstudium Arbeitswissenschaft für Fachkräfte aus Industrie und Verwaltung, das keinem Fachbereich zugeordnet ist und deshalb separat aufgeführt wird.

Studierende I

Fachbereich

Tabelle 12 Belastungs- und inputorientierte Kennzahlen der Universität Hannover

VI

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I

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z

'92.748

-

260 5.971 4.340 1.735 1.813 1.058 17. 177 40.045 9.090 4.374 1.565 119 1.499 1.860 532 1.310

Mathematik und Informatik Physik Chemie Geowissenschaften und Geographie Biologie Architektur Bauingenieur- und Vermessungswesen Maschinenbau Elektro- und Informationstechnik Gartenbau Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung Literatur- und Sprachwissenschaften Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften Erziehungswissenschaften Rechtswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Arbeitswissenschaften gesamt

-

397

4 32 94 14 31 8 29 ·65 21 21 3 10 19 8 20 18

Promotionen 2

24

0 3 I 2 I 0 2 2 0 4 0 I 5 I 0 2

Habilitatiqnen 3

-

3.519

183 63 111 80 140 178 261 234 160 78 99 374 321 738 263 236

Absolventen 4 20 12 23 25 35 22 17 10 10 14 31 60 63 21 60 41 81 26

Studenten: Personal 5

-

249,99

Drittmitteleinnahmen pro Professur6 10,00 284,33 217,00 123 ,93 181,30 44,08 490,77 1.906,90 378,75 243,00 130,42 5,4 1 45,42 37,96 23,13 72,78

Quelle: Universität Hannover 2000a und unveröffentlichte Daten, z. T. eigene Berechnungen

I

in Tsd. DM, Rechnungsjahr 1999, dargestellt sind nur die Drittmitteleinnahmen der fachlichen Einrichtungen. Zusammen mit den Einnahmen der zentralen und sonstigen Einrichtungen ergibt sich ein Drittmittelbudget von insgesamt 98.615 Tsd. DM.; 2 3 4 Studienjahr 1999; 5 Personal umfasst das Lehrpersonal: Summe der Personen auf Planstellen für Hochschuldozenten, wiss. Assistenten, wiss Mitarbeiter (auf Dauer und auf Zeit), zuzüglich der Planstellen für Professuren. Summe der Spalten Professuren und wiss. Lehrpersonal der Tabelle 12; 6 in Tsd. DM, Haushaltsjahr 1999

12 13 14 15 16 17

11

I 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Drittmitteil

Fachbereich

Tabelle 13 Leistungsorientierte Kennzahlen der Universität Hannover

I

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2

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I rn I CI

w

0\

-

I. Niedersachsen - Universität Hannover

137

d) Forschungsaktivitäten

Forschungsaktivitäten werden zunehmend über Drittmittel finanziert. Dieser Trend hat sich an der Universität Hannover in den zurückliegenden Jahren verstärkt. Belief sich der Beitrag der Drittmitteleinnahmen am Gesamtbudget 1992 auf 22,1 %, so stieg er bis zum Jahr 1998 auf 25,5% an. 1999 machten die Drittmitteleinnahmen ca. 24,5% des Gesamthaushalts aus und waren damit gegenüber dem Vorjahr geringfügig zurückgegangen (unveröffentlichte Daten der Universität Hannover). Die Höhe der" Drittmitteleinwerbungen ist sehr ungleich auf die Fachbereiche verteilt (siehe Tabelle 13, S. 136). An erster Stelle liegt mit ca. 40 Mio. DM der Fachbereich Maschinenbau. Das entspricht einem Anteil von 43,2% aller von den fachlichen Einrichtungen eingeworbenen Drittmittel. An zweiter Stelle folgt der Fachbereich Bauingenieur- und Vermessungswesen mit ca. 17 Mio. DM (18,5%), gefolgt von den Fachbereichen Elektro- und Informationstechnik mit 9,1 Mio. DM (9,8%), Physik mit knapp 6 Mio. DM (6,4%) sowie Gartenbau mit 4,4 Mio. DM (4,7%) und Chemie mit 4,3 Mio. DM (4,7%) Drittmitteln. Die höchsten Drittmittel werden demzufolge von den Ingenieurwissenschaften eingeworben, erst mit einigem Abstand folgen die Naturwissenschaften, die sich wiederum von den Geistes- und Sozialwissenschaften absetzen. Die drei Fachbereiche mit den höchsten Drittmitteleinwerbungen, die Fachbereiche Maschinenbau, Bauingenieur- und Vermessungs wesen sowie Elektro- und Informationstechnik werben bereits 71,5% der gesamten Drittmittel der Universität Hannover ein. Diese Schwerpunktbildung, vor allem in den technischen Wissenschaftsdisziplinen, spiegelt sich auch in der Ansiedlung von Sonderforschungsbereichen wider. An der Universität Hannover waren zu Beginn des Jahres 2002 drei Sonderforschungsbereiche eingerichtet, der SFB 326 (Maschinenbau), der SFB 489 (Maschinenbau) und der SFB 407 (Physik). Neben diesen direkt an der Hochschule eingerichteten SFB ist der Fachbereich Maschinenbau der Universität Hannover zudem noch an drei weiteren SFB beteiligt, bei denen jedoch eine andere Hochschule als Sprecherhochschule auftritt. Dazu zählen an der TU Clausthal der SFB 362, der SFB 390, sowie an der TU Braunschweig der SFB 516. Neben den SFB existieren an der Universität Hannover insgesamt zwei Forschergruppen in den Bereichen Gartenbau und Maschinenbau sowie vier Graduiertenkollegs, davon jeweils eines an den Fachbereichen Mathematik und Maschinenbau und zwei am Fachbereich Physik. e) Ressourcensteuerungsveifahren und Anreizstrukturen

aa) Leistungsorientierte Ressourcensteuerung Auf Ebene der Universität Hannover existieren seit 1997 Verfahren leistungsorientierter Ressourcensteuerung. Eine der ersten Maßnahmen, bei der gezielt

138

E. Darstellung der Fallstudien

Ressourcen nach leistungsorientierten Anreizverfahren vergeben werden, wurde im Sommersemester 1997 vom Senat beschlossen. Im Vordergrund stand das Ziel, die Einwerbung von Mitteln der TG 62 (Drittmittel der DFG ohne Mittel für die SFB) zu erhöhen, indem 2% der eingeworbenen Mittel zusätzlich aus Universitätsmitteln dem Drittmittelempfänger zur Verfügung gestellt werden (vgl. Universität Hannover 1999, S. 160. Die Mittel fließen hierbei direkt an den Antragsteller und nicht an den Fachbereich, wodurch der persönliche Anreiz zur Einwerbung gesteigert werden soll.

Im Sommersemester 2000 wurde zusätzlich ein Verfahren zur Verteilung der Mittel der TG 71/81 (Mittel für Forschung und Lehre) eingeführt. Dieser Einführung ging die Vorbereitung durch eine Arbeitsgruppe der Haushaltskommission voraus. Bei der Entwicklung des Verteilungsmodells orientierte man sich an den im deutschen Hochschulsystem zum damaligen Zeitpunkt gängigen und modernen Verfahren, wählte jedoch kein bestimmtes Modell einer anderen Hochschule zum Vorbild. Während die Einführung von Mittelverteilungsmodellen an Hochschulen eine Reaktion auf die verpflichtende Vorgabe der Einführung von Verteilungsmodellen durch den Hochschulträger auf Landesebene sein kann, entwickelte die Universität Hannover ein Verfahren in Vorgriff auf ein sich abzeichnendes landesweites Verfahren, das der Hochschulträger gegenwärtig jedoch noch nicht realisiert hat (vgl. Wissenschaftlicher Beirat 1998, S. 46 ff.). Durch den Vorgriff wollte man sich an der Universität Hannover die Option offen halten, bereits im Vorfeld einer staatlichen Implementation eigene Erfahrungen zu sammeln. Bevor die Mittelverteilung über das neue Verfahren berechnet wurde, nahm man Modellrechnungen vor, um mögliche Verteilungswirkungen einer alternativen Ausgestaltung des Modells unter Verwendung unterschiedlicher Parameter zu ermitteln. Das Mittelverteilungsmodell ist folgendermaßen aufgebaut (siehe Abbildung 11, S. 139): Nach dem neuen Modell werden seit dem Haushaltsjahr 2000 ca. 20 Mio. DM verteilt. Dies entspricht einem Anteil von ca. 5% der gesamten Ausgaben. Gemessen am Landeszuschuss beläuft sich der Anteil der über das Modell verteilten Mittel auf ca. 6,6%. Jedem Fachbereich wird ein bestimmter Anteil dieser Mittel zugewiesen, der sich nach dem Mittelverteilungsmodell berechnet. Das Modell gliedert sich in drei Blöcke. Der erste Block umfasst 40% der Mittel, die die Fachbereiche im Vorjahr erhalten haben. In Block 2 werden weitere 40% der Mittel nach einer parametergestützten Formel verteilt. Im dritten Block werden die restlichen 20% nach Ziel- und Leistungsvereinbarungen vergeben, die zwischen den Fachbereichen und der Hochschulleitung getroffen werden. Mögliche Inhalte von Zielvereinbarungen sind beispielsweise die Einwerbung von Graduiertenkollegs, Forschergruppen und Sonderforschungsbereichen, die fachbereichsspezifische Qualitätssicherung und die Förderung der Einwerbung bedeutsamer Forschungsmittel. Die Summe, die sich aus den drei Blöcken zusammensetzt, bildet die jeweilige Höhe der Mittel der TG 71/81, die die

I. Niedersachsen - Universität Hannover

139

Mittel der TG 71/81 (Forschung und Lehre)

Block 2 40 % Formel

Block 1 40% des Vorjahresbetrags

/\

20% Lehre

12% Studienplätze

4% Auslastung 4% Absolventen

20% Forschung 12% Wissenschaftler-Arbeitsplätze

4% Drittmitteleinnahmen 2% Promotionen 2% Habilitationen

1

1

Block 3 20 % Ziel- u. Leistungsvereinbarungen

1

Budget TG 71/81 der einzelnen Fachbereichel

!

1Fachbereich 11

1Fachbereich 21

1

Fachbereich n

1

eigene Darstellung

Abbildung 11: Mittelverteilungsmodell der Universität Hannover

140

E. Darstellung der Fallstudien

einzelnen Fachbereiche erhalten. Für die so ermittelte Budgethöhe wird eine Besitzstandswahrung von 95% angewandt, d.h. der maximale Verlust finanzieller Mittel durch Veränderung der Berechnungsgrundlage kann pro 1ahr maximal 5 % gegenüber dem Budget des Vorjahres betragen. Die für Block 2 angewandte Formel ist zu je 50% forschungs- und lehrbezogen und zugleich zu 60% belastungsorientiert und zu 40% leistungsorientiert (siehe Tabelle 14, S. 141). Der Lehranteil berechnet sich zu 30% aus der Anzahl der insgesamt vorgehaltenen Studienplätze, zu 10% aus der tatsächlichen Auslastung und zu weiteren 10% aus der Zahl der Absolventen. Der Anteil für Forschung ermittelt sich zu 30% aus der Zahl der Wissenschaftler-Arbeitsplätze (ohne Drittmittelpersonal), zu 10% aus der Höhe der Drittmitteleinnahmen, zu 5% nach der Anzahl der Promotionen und zu weiteren 5% aus der Anzahl der Habilitationen (siehe Abbildung 11). Eine Gewichtung der einzelnen Parameter kann der Tabelle 14 entnommen werden. Neben der bereits erwähnten Abfederung der Umverteilungs wirkungen durch die Besitzstandswahrung in Höhe von 95% werden auch Schwankungen des Studierendenanteils, der der Berechnung der Auslastung zugrunde liegt, durch die Verwendung eines Zehn-lahres-Durchschnittswerts der Studierendenzahlen nivelliert. Mit dem Modell sind die folgenden Anreize verbunden: Studierende tatsächlich zum Abschluss zu bringen (Absolventen), höhere Drittmitteleinwerbungen hervorzurufen und die Forschungsaktivitäten zu steigern (Drittmittel), Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs (Promotionen, Habilitationen) sowie Studienangebote (Studienplätze) entsprechend der studentischen Nachfrage bereitzustellen (Auslastung). Das Mittelverteilungsverfahren wurde für 2001 das erste Mal zur Berechnung der Budgets der Fachbereiche angewendet. Ein spezielles Konzept zur Bemessung der Personalkosten gibt es an der Universität Hannover nicht. Abgesehen von dem Anteil der Stellen in Höhe von 10%, der in den Stellenpool einfließt, werden keine Stellen nach Leistungs- und Belastungskriterien verteilt. Bei der Berechnung der Budgethöhe, die über das Mittelverteilungsmodell ermittelt wird, ist die Berücksichtigung von Lehrim- und -exporten ein wichtiger Aspekt. An der Universität Hannover erbringen einige Lehreinheiten in erheblichem Ausmaß Dienstleistungen für andere Studiengänge in Form von Lehrexporten. Der Anteil, der für andere Studiengänge erbrachten Leistungen beläuft sich für die Lehreinheit Psychologie auf 39,2%, in der Mathematik auf 37,6%, in der Physik auf 31 ,5% sowie in den Erziehungswissenschaften auf 30% (vgl. Universität Hannover2000a, S. 153). Diese Aufgabe der Bereitstellung von Lehrleistungen für andere Fachbereiche wird durch die Indikatoren in Block 2 des Mittelverteilungsmodells unzureichend berücksichtigt. Quantitative Umverteilungswirkungen des Mittelverteilungsmodells sind gegenwärtig noch sehr gering.

12 4 4 12 4 2 2 40 40 20 100

Gewichtung der Parameter in %

24

24

x

X

belastungsorientiert

16

x

16

x x x

x x

leistungsorientiert

20

20 x

x x x x

forschungsbezogen

20

20

x x

X

lehrbezogen

eigene Darstellung

I IO-Jahresdurchschnittswert der Studierenden in der Regelstudienzeit; 2 es wird eine Zweitstudienquote von 5% berücksichtigt; I und 2 werden auf der Basis von Preisen ermittelt, denen wiederum die Curriculamormwerte des Wissenschaftsrats von 1990 zu Grunde liegen.; 3 gewichtet entsprechend der Studiendauer; 4 Wissenschaftler-Arbeitsplätze, besetzte Stellen zum 01.12. ohne Drittmittelpersonal; nichergruppenspezifische Gewichtung: GeistesIGesellschaftswissenschaften : Ingenieurwissenschaften : Naturwissenschaften im Verhältnis 1,0: 1,7: 2,5; 5 Gewichtung der Drittmitteleinnahmen, erfolgt I. nach Herkunft der Mittel; DFGNW-Stiftung : BMBFIEU : Industrie im Verhältnis 3 : 2 : I 2. nach Fächergruppen; Geistes-IGesellschaftswiss. : Naturwiss. : Ing.-wiss. im Verhältnis 7 : 2 : I; 6 An der Universität Hannover werden lediglich 40% der Mittel leistungs- oder belastungs orientiert bzw. forschungs- oder lehrbezogen zugewiesen, da die anderen 60% über einen Sockelbetrag und über Ziel- und Leistungsvereinbarungen verteilt werden. Eine eindeutige Zuordnung, ob es sich dabei um Kriterien der Leistung oder der Belastung handelt ist bei diesen Verfahren jedoch nicht eindeutig möglich und vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

SockelbetragO Ziel- und LeistungsvereinbarungenO Anteil gesamt (%)

Studienplätze J Auslastung L Absolventen j Wiss. Arbeitsplätze4 Drittmittel) Promotionen Habilitationen Teilsumme (%)

Parameter

Tabelle 14 Formelparameter des Mittelverteilungsmodells der TG 71/81 an der Universität Hannover

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