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 9783737008693, 3737008698

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Arbeiten zur Religionspädagogik

Band 68

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Gottfried Adam, Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Lachmann und Prof. Dr. Martin Rothgangel

Damaris Knapp

… weil von einem selber weiß man ja schon die Meinung Die metakognitive Dimension beim Theologisieren mit Kindern

Mit 21 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6177 ISBN 978-3-7370-0869-3 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Evangelischen Landeskirche Wþrttemberg und der Calwer Verlags-Stiftung. Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation an der UniversitÐt Kassel, Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften, von Damaris Knapp eingereicht. Gutachter waren Prof. Dr. Petra Freudenberger-Lçtz und Prof. Dr. Gudrun Schçnknecht. Die Disputation fand am 16. 11. 2017 statt.  2018, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Materialcollage zur Vorstellung von TrinitÐt einer zehnjÐhrigen Schþlerin

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Einführung in das Forschungsinteresse . . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Fragestellungen als Wegweiser durch die Forschungsarbeit

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2 Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriffliche Klärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Theologisieren als didaktischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Wurzeln der Kindertheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Theologisieren mit Kindern aus entwicklungspsychologischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Voraussetzungen, damit Theologisieren fruchtbar werden kann . 2.5.1 Voraussetzungen bei der Lehrperson . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Voraussetzungen in Bezug auf Lernsettings und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Theologisieren von, mit und für Kinder – eine aktuelle Verhältnisbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Förderung der Pluralitätsfähigkeit als Beitrag zur religiösen und allgemeinen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Konstruktivistische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Konstruktivistische Grundgedanken und Grundannahmen 3.2 Auf dem Weg zu einer konstruktivistisch orientierten Religionspädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Theologie und Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Konstruktivismus und biblische Texte . . . . . . . . 3.3.2 Die Frage nach der Wahrheit . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.3.3 Zum Umgang mit der Wahrheitsfrage . . . . . . . . . . 3.3.4 Wahrheit aus unterschiedlichen Perspektiven . . . . . . 3.4 Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht und deren Bedeutung für das Theologisieren . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Perturbation als zentrales Moment . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion als Modi der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Unterschiedliche Rollen einnehmen . . . . . . . . . . . 3.4.4 Zwischenbilanz und Diskussion . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Herausforderungen auf dem Weg zur »Wahrheit für mich« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.6 Theologisieren und seine metakognitive Dimension . . 3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4 Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung . 4.1 Sprache und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Bedeutung von Medien als Zeichensysteme im Kontext der Auseinandersetzung mit Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Verstehen als bedeutsame Kategorie von Kommunikation . . . 4.4 Die Bedeutung der anderen und des sozialen Settings . . . . . 4.5 Die Verantwortung der Lehrperson aus kommunikativer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5 Perspektiven auf das Lernen von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Lernen als individuelles Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Lernen als Konstruktion – das Kind als Konstrukteur . . . . . . 5.3 Lernen mit und von anderen – Lernen im sozialen Kontext . . . 5.3.1 Sozio-genetische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Sozio-kulturelle und situierte Perspektiven . . . . . . . . 5.3.3 Perspektive der kollektiven Informationsverarbeitung . . 5.4 Dimensionen selbstgesteuerten Lernens . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Die metakognitive Dimension des Lernens . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen . . . 5.5.2 Die Bedeutung der Metakognition für das Theologisieren. 5.6 Ertrag der theoretischen Diskussion für die empirische Studie .

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6 Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern . . . . 6.1 Verortung der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Religionsdidaktische Forschung im Kontext der Lehr-Lern-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

6.1.2 Aspekte der Praxis – und Handlungsforschung . . . . . . 6.1.3 Kindheitsforschung und Kindertheologie . . . . . . . . . 6.1.4 Grounded Theory als zugrunde liegender Forschungsstil . 6.2 Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Forschen mit Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Kinder mit ihrer Perspektive ernst nehmen . . . . . . . . 6.2.3 Beobachtung – ein subjektiver Prozess . . . . . . . . . . . 6.2.3.1 Beobachtungen entstehen im Zusammenspiel . . 6.2.3.2 Unterschiedliche Perspektiven treffen sich – Perspektivendifferenz . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3.3 Beobachtung als mitlaufendes Instrument . . . . 6.2.4 Das Problem der Konstruktion von Wirklichkeit . . . . . 6.2.5 Den anderen verstehen – Kinder verstehen . . . . . . . . 7 Das Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Die Erhebungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Das Einzelinterview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1.1 Interviews mit Kindern als Methode der qualitativen Sozialforschung . . . . . . . . . . . . 7.1.1.2 Herausforderungen bei Interviews mit Kindern . 7.1.1.3 Einzelinterviews im Rahmen der Studie . . . . . 7.1.2 Kreisgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3 Gruppendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3.1 Gruppendiskussion als Methode der qualitativen Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3.2 Abgrenzung von Gruppendiskussion und Theologischem Gespräch . . . . . . . . . . . . . 7.1.3.3 Die Gruppe als Bezugsrahmen für Konstruktionen der Kinder . . . . . . . . . . . . 7.1.3.4 Herausforderungen bei Gruppendiskussionen . . 7.1.3.5 Durchführung von Gruppendiskussionen . . . . 7.2 Reflexion der eigenen Rolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Eigene Biografie und Rolle als Forscherin . . . . . . . . . 7.2.2 Balance zwischen Nähe und Distanz . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Verstehen und Deuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Anmerkungen zu den Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Die konkrete Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Entstehung der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Auswahl der Schule und der Kinder . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

8.3 Verortung der Studie im Schulalltag – Durchführung der einzelnen Erhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Etappen auf dem Weg der Erkenntnisgewinnung . . . . . . . . . 8.5 Den eigenen Weg finden – Herausforderungen auf dem Weg des Forschens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Den Gedanken der Kinder auf der Spur – Anpassung der Forschungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Wie kann eine Gruppendiskussion gelingen? . . . . . . .

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10 Beschreibung und Analyse der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Lernen im Spannungsfeld zwischen eigenem Handeln/Tun und Denken/Konstruieren . . . . . . . . . . 10.2.1.1 Nachdenken beim Tun/Handeln . . . . . . . . . . 10.2.1.2 Das praktische Tun unterstützt die eigene Vorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Lernen in der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2.1 Die Sicht anderer als Bereicherung . . . . . . . . 10.2.2.2 Die Gedanken anderer regen zum eigenen Weiterdenken an . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2.3 Wissen kann geteilt werden . . . . . . . . . . . . 10.2.2.4 Lernen mit Freunden ist besser als Lernen mit Kindern, die du nicht magst . . . . . . . . . . . . 10.2.2.5 Eigene und fremde Sichtweisen im Blick . . . . . 10.2.3 »Brücke 1«: Etwas zur Sprache bringen als Form der Annäherung und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . 10.2.3.1 Im gemeinsamen Nachdenken werden Gedanken greifbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9 Analyse und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Grounded Theory als Methode für die Auswertung . . . 9.2 Auswahl des Materials und Datenaufbereitung . . . . . 9.3 Auswertung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Begegnung mit dem Material . . . . . . . . . . . 9.3.2 Offenes Kodieren . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.3 Erste Annäherung an eine Theorie mit Hilfe von Mindmaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.4 Axiales und selektives Kodieren . . . . . . . . .

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Inhalt

10.2.3.2 Wissen zu teilen bedeutet mehr zu wissen . . . 10.2.3.3 Sensibler Umgang mit Äußerungen anderer . . 10.2.4 »Brücke 2«: Veranschaulichen als Form der Annäherung und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.4.1 Für sich selbst nachdenken mit Hilfe von Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.4.2 Eine eigene Vorstellung aufbauen und sich (kreativ) ausdrücken . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.4.3 Mit Hilfe von Bildern und Texten anderen einen Einblick ermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.4.4 Einblick in die Vorstellungen anderer . . . . . . 10.2.4.5 Veranschaulichung hilft, sich gegenseitig besser zu verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.5 Notwendige Voraussetzungen für das Lernen . . . . . . 10.2.5.1 Spaß und Freude . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.5.2 Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.5.3 Vielfältige »spielerische« Zugangsweisen und Aneignungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.5.4 Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens am Beispiel theologisierender Lernsettings . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Strategien, die das Lernen unterstützen . . . . . . . . . 10.3.2 Beschreiben und Begründen als Formen des Nachdenkens über das eigene Lernen . . . . . . . . . . 10.3.3 Bedeutung »anderer« für das eigene Nachdenken . . . . 10.3.4 Lernen »regulieren« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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11 Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen 11.1 Die Bedeutung des Lernsettings . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Die Bedeutung anderer für das eigene Lernen . . . . . . . . . . 11.2.1 Die Bedeutung anderer für eine gelingende Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Die Bedeutung anderer Sichtweisen für das Lernen . . . 11.3 Die Bedeutung der (Selbst-)Reflexion für das Theologisieren . 11.3.1 Der Zusammenhang von Reflexion und Theologisieren 11.3.2 Fähigkeiten der Kinder als Voraussetzung für reflexive und metakognitive Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Strategien im Kontext metakognitiver Prozesse . . . . .

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Inhalt

11.4 Konsequenzen im Hinblick auf die Förderung metakognitiver Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Konsequenzen für den Religionsunterricht . . . . . . . 11.4.2 Konsequenzen für die Professionalisierung von Lehrenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.3 Einordnung in die Kindertheologie . . . . . . . . . . . 11.5 Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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12 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

In meiner Zeit als Lehrerin konnte ich vielfältige Erfahrungen in der Arbeit mit Grundschulkindern im Bereich von Reflexion und Metakognition sowie dem Theologisieren sammeln. Seit vielen Jahren kommen hierzu Erfahrungen aus der Aus- und Fortbildung. Mein über Jahre gewachsenes Interesse an diesen Themenfeldern sowie die intensive theoretische Auseinandersetzung und zunehmende Anfragen für Fortbildungen und Vorträge haben mich dazu bewogen, dieses Forschungsprojekt zu verfolgen. Mein Interesse gilt im Rahmen dieser Studie vor allem den Kindern und ihrer Sichtweise auf Lernen beim Theologisieren im Religionsunterricht. Die vorliegende Forschungsarbeit wurde unter dem gleichen Titel im Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften an der Universität Kassel im Sommer 2017 eingereicht. Für das Gelingen und den Abschluss dieser Arbeit sind zunächst einmal Prof. Dr. Petra Freudenberger-Lötz (Universität Kassel) und Prof. Dr. Gudrun Schönknecht (Pädagogische Hochschule Freiburg) maßgeblich verantwortlich. Ihnen verdanke ich ihre treue Beratung und Begleitung, aber auch ihre stete Ermutigung und Wertschätzung. Sie waren wichtige Gesprächspartnerinnen in fachlichen und forschungsmethodischen Fragestellungen. Mein besonderer Dank gilt ebenso den Kindern und den Lehrerinnen der blauen und türkisen Lerngruppen, die diese Studie durch ihre engagierte Teilnahme und ihre Offenheit überhaupt erst möglich gemacht haben. Sie waren stets mit großem Interesse dabei und haben mir einen Einblick in ihre spannenden Gedanken und somit in ihre Sicht auf Lernen ermöglicht. Ohne die Unterstützung und die Bereitschaft zur Durchführung des Unterrichtsprojektes durch die Schulleiterin und die beiden Lehrerinnen Dr. Christiane Caspary und Lisa Widmann wäre vieles so nicht möglich gewesen. Ganz herzlichen Dank meiner Freundin Dr. Mareike Wollenschläger für die vielen hilfreichen Gespräche, ihr kritisches Nachfragen und ihre kreativen Ideen, die stete Ermutigung und ihr Mitfreuen, wenn wieder eine Etappe geschafft oder sich eine Erkenntnis aufgetan hat. Ellen Eidt versteht es, sich ganz

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Vorwort

auf die Kinder einzulassen. Sie war mir nicht nur eine wertvolle Gesprächspartnerin in Fragen von Forschungsmethoden, sondern hat mir durch ihre sensible und differenzierte Wahrnehmung immer wieder eine weitere Perspektive für die Auseinandersetzung mit den Daten eröffnet. Als weiteren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern danke ich ganz besonders PD Dr. Axel Wiemer (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) für seine theologischen Anregungen, Prof. Dr. Regine Morys (FH Esslingen) für ihren differenzierten pädagogischen Blick, Dr. Annette Scheible (Pädagogische Hochschule Karlsruhe) für ihre fachliche Expertise im Bereich des Konstruktivismus, Judith Dubiski (Technische Hochschule Köln) für ihre wertvollen Rückmeldungen im Bereich der Forschungsmethoden sowie Cornelia Frank und Karin Hank, die an ganz unterschiedlichen Stellen zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Mein Dank gilt auch dem Direktor des Pädagogisch-Theologischen Zentrums Stuttgart, Stefan Hermann, der mir den nötigen Freiraum vor allem für die zeitaufwändigen Erhebungsphasen ermöglicht hat. Ebenso möchte ich der Evangelischen Landeskirche Württemberg, vertreten durch Werner Baur, für die finanzielle Unterstützung danken. Was wäre eine solche Arbeit ohne das kritische Lesen anderer, wenn man selbst viele Dinge nicht mehr sieht? Deshalb danke ich hierfür besonders Friederike Bailer, Charlotte Altenmüller und Anne Polster. Und schließlich möchte ich nicht vergessen meiner Familie, meinen Patenkindern sowie Freundinnen und Freunden für all ihr Verständnis und ihre Geduld während dieser Zeit zu danken. Mönsheim, im März 2018

Damaris Knapp

1

Einleitung

In die vorliegende Forschungsarbeit zur metakognitiven Dimension beim Theologisieren wird in einem Dreischritt eingeführt. Im ersten Abschnitt werden der inhaltliche Kontext und das Forschungsinteresse aufgezeigt. Es folgt ein Überblick über die einzelnen Kapitel der Arbeit. Die Einleitung endet schließlich mit den Forschungsfragen, die diese Studie von Beginn an leiten.

1.1

Einführung in das Forschungsinteresse

Wenn Kinder über ihr Lernen nachdenken, kommt dabei ihre je eigene Sicht darauf zum Ausdruck. In den Gruppengesprächen und Gruppendiskussionen treffen sie beispielsweise die folgenden Aussagen: »Und das Gute ist, bei jedem ist es anders. Jede Meinung ist anders […], jeder empfindet das anders. Der eine sagt es so, der andere so.« (Manuel) »[…] weil, ich meine, jeder kann was anderes besser als der andere, deswegen kann man nicht sagen, der ist jetzt besser als man selber […]« (Manuel) »[…] wenn man es sich anschaut und Spaß hat, dann kann man sich viel viel mehr merken.« (Berit) »[…] und was mir vor allem wichtig war, dass ich jetzt weiß, was Dreieinigkeit ist und – intensiv darüber nachgedacht habe.« (Sam)

Diese Gedanken der Kinder geben einen ersten Einblick in deren Nachdenken über ihr Lernen und Können im Religionsunterricht ausgehend von einer Lernsequenz, in der das Theologisieren im Mittelpunkt stand. Manuel formulierte hier, was in der Gruppe Konsens zu sein schien, nämlich dass die Meinungen der Kinder unterschiedlich sind und das auch seinen Sinn hat. An anderer Stelle formulierte er die Einsicht, dass Kinder Stärken in unterschiedlichen Bereichen mitbringen, und folgerte, dass daraus keine eindimensionalen

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Einleitung

Schlüsse gezogen werden dürften. Die Leistungen eines Kindes können nicht einfach mit denen eines anderen verglichen werden, so wie ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen nicht angemessen ist. Berit konstatierte, dass Spaß auch dazu beitragen kann, sich Dinge besser merken zu können. Intensiv über eine Sache nachzudenken und jetzt Neues zu wissen, war für Sam von Bedeutung. Hört man solche Aussagen, bekommt man eine Ahnung davon, was Kinder über ihr Lernen denken, was ihnen wichtig ist und wie sie sich Dinge erklären. Es weckt die Neugier und macht Lust auf mehr. Im Alltag des Religionsunterrichts spielt das Nachdenken der Kinder über ihr eigenes Lernen und Können oft nur eine untergeordnete Rolle. Solche Aussagen der Kinder werden kaum wahrgenommen und nicht selten fehlt dafür aus unterschiedlichen Gründen der erforderliche Raum, die Zeit oder das entsprechende Bewusstsein. Laut den Bildungsplänen für die Grundschule sollen die Kinder jedoch lernen, Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen. Das setzt voraus, dass Kinder selbst über ihr Lernen Bescheid wissen, es beobachten, einschätzen, beurteilen und schließlich kontrollieren können. Neben diesen Anforderungen an die Kinder sind davon auch die Lehrenden betroffen, denn damit verbundene Auswirkungen auf die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen scheinen nur allzu folgerichtig. John Locke geht davon aus, dass Lernende bereits die Fähigkeit zur Reflexion in sich tragen.1 Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer sehen dies oft anders. Wenn sie aus ihrem Unterricht berichten, dann beschreiben sie immer wieder, wie schwer gerade dies Kindern fällt. Die Forschungsergebnisse von Beck, Guldimann und Zutavern verweisen hingegen in eine andere Richtung.2 Sie zeigen, dass Kinder durchaus die Fähigkeit zur Reflexion mitbringen, diese aber im Unterricht gefördert und geübt werden muss. Sollen Kinder zunehmend ihr eigenes Lernen verstehen und Verantwortung dafür übernehmen können, ist die Fähigkeit zur Reflexion unerlässlich. Dies gilt auch für den Religionsunterricht. Gerade beim Theologisieren ist es nicht nur bedeutsam, im gemeinsamen Nachdenken nach Antworten auf theologische oder religiöse Fragen zu suchen, sondern auch zu verstehen, was beim Lernen passiert, was das eigene Lernen in Gang setzt, es beflügelt oder erschwert, wie selbstständig weitergearbeitet werden kann etc. Wer über sein eigenes Lernen Bescheid weiß, kann es beeinflussen und steuern … und wird auch dadurch religionsmündig. Als reflexiv ausgerichteter Ansatz scheint das Theologisieren für ein Nachdenken über das eigene Lernen besonders prädestiniert und gewinnbringend. Bezogen auf das vorliegende Forschungprojekt stellt sich deshalb zunächst die Frage, was Kinder diesbezüglich mitbringen, wie sie sich (ihr) Lernen er1 Locke nach Glasersfeld 1996, 67f. 2 Beck u. a. 1995.

Einführung in das Forschungsinteresse

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klären, welche Strategien sie nutzen und welche Fähigkeiten sie brauchen, um zunehmend Verantwortung übernehmen und selbstgesteuert lernen zu können. Diesen Fragen soll in der vorliegenden qualitativen Studie bezogen auf das Theologisieren im Religionsunterricht nachgegangen werden. Inhaltlich wird nach Konzepten und Vorstellungen der Kinder in Bezug auf das Lernen gefragt und gleichermaßen danach, welche Voraussetzungen sie im Bereich von Reflexion und Metakognition mitbringen. Für Lehrende ist ein solches Wissen wichtig, um zu erfahren und einschätzen zu können, worauf sie zurückgreifen und was sie bewusst im Unterricht fördern können. Gleichzeitig wird danach gefragt, was das Theologisieren zur Förderung reflexiver und metakognitiver Fähigkeiten beitragen kann. Da Kinder Verantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen sollen, ist es wichtig, dass Lehrende wissen, was Kinder darüber denken und wie sie sich Dinge dabei erklären. Es wäre sinnvoll und wünschenswert, dass Gespräche, wie sie hier exemplarisch im Rahmen der Studie durchgeführt wurden, im Alltag des Religionsunterrichts ihren festen Platz erhalten. Entscheidend für gelingendes Lernen und die Konzeption damit verbundener, förderlicher Unterrichtssettings ist die Frage, inwiefern es der Lehrperson gelingt, »das Lernen mit den Augen ihrer Lernenden«3 zu sehen. Voraussetzung dafür ist, dass Lehrende wissen bzw. einschätzen können, wie sich ein Kind seinen Erfolg bzw. Schwierigkeiten erklärt, was es sich bei der Bearbeitung einer Aufgabe gedacht hat, was ihm beim Lernen (nicht) geholfen hat, womit es zufrieden ist oder wie das nächste Ziel aussehen kann und was es braucht, um dieses zu erreichen. Erklärungen der Kinder zu eruieren und an diese anzuknüpfen, ist eine herausfordernde Aufgabe für Lehrerinnen und Lehrer. Ausgehend von diesen Überlegungen war es schlüssig, die Kinder in der vorliegenden qualitativen Studie, die der empirischen Unterrichts- bzw. LehrLern-Forschung zuzuordnen ist, selbst zu Wort kommen zu lassen, wie es auch in der Kindheitsforschung durchaus üblich ist. Grounded Theory – als der Studie zugrunde liegender Forschungsstil4 – bot der offenen, explorativen Herangehensweise einen entsprechenden Rahmen.5 Gruppendiskussionen und Kreisgespräche als zentrale Erhebungsinstrumente ermöglichten schließlich einen Einblick in die Konstruktionen der Kinder ausgehend vom Religionsunterricht. Dass hier an das Theologisieren angeknüpft wurde, das von Petra Freudenberger-Lötz als »Kern des Religionsunterrichts«6 bezeichnet wird, lag schließlich nahe. So konnte ein vielfältiges und anregungsreiches Lernsetting 3 4 5 6

Hattie 2014, 280f.; 297. Vgl. Hülst 2010. Vgl. Strauss/Corbin 1996/2008; Strübing 2014. Freudenberger-Lötz 2007, 16.

16

Einleitung

gestaltet werden, das die Sicht auf Lernen nicht auf eine Methode oder Aufgabe reduziert. Gleichzeitig wurde angenommen, dass Kinder durch das abwechslungsreiche Lernsetting eher dazu motiviert und bereit sind, ein eigenes Interesse für ihr Lernen auszubilden. Das von der Forscherin gewählte Thema »Dreieinigkeit« sollte die Kinder nicht nur herausfordern, sondern es sollte ihnen auch erleichtern, Lernen und Lernzuwachs wahrzunehmen und zu beschreiben. Das Forschungssetting sollte so gestaltet sein, dass es sich möglichst nahe am Unterricht bewegt und direkt auf diesen Bezug nimmt. Möglich war dies an einer Jenaplanschule, einer Grund- und Gemeinschaftsschule der Evangelischen Landeskirche. Die umfangreichen, aus den Gesprächen mit den Kindern gewonnenen Daten wurden mit Hilfe der Grounded Theory ausgewertet. Hiervon ausgehend konnte festgehalten werden, was Kinder können, ebenso konnten Konsequenzen für den Religionsunterricht sowie die Aus- und Fortbildung formuliert werden. Die vorliegende empirische Studie, die der qualitativ-hermeneutischen Unterrichts- bzw. Lehr-Lern-Forschung zuzuordnen ist und mit der Grounded Theory als Forschungsstil arbeitet, möchte dazu beitragen, Reflexion und Metakognition für den Religionsunterricht zu entdecken und zu erschließen. Die bisherigen Forschungen sind in erster Linie im Bereich der Pädagogischen Psychologie oder der Schulpädagogik angesiedelt, in der Religionspädagogik bzw. für den Religionsunterricht gibt es dazu meines Wissens noch keine spezifischen Forschungen. Diese Studie ist eine logische Ergänzung zur Arbeit von Elisabeth Hennecke7, die ihre Aufmerksamkeit auf die Wirkung und den Ertrag des Religionsunterrichts aus der Perspektive von Drittklässler/innen richtet. Auch sie stellt die Kinder in den Mittelpunkt, wenn sie danach fragt, was diese aus dem Religionsunterricht der Grundschule mitnehmen. Unberücksichtigt bleibt bei ihr die Frage, wie sich Kinder Lernen erklären, sowie die nach deren reflexiven und metakognitiven Kompetenzen. Somit wird an dieser Stelle mit der vorliegenden Arbeit Neuland betreten. Ziel der Studie ist es, das oben beschriebene Feld, das durchaus Schnittmengen mit der Schulpädagogik und der Pädagogischen Psychologie aufweist, für den religionspädagogischen Diskurs zu öffnen.

1.2

Aufbau der Arbeit

Bevor die einzelnen Kapitel inhaltlich skizziert werden, soll Abbildung 1 ihren inneren Zusammenhang verdeutlichen und so einen Überblick über die Forschungsarbeit ermöglichen. 7 Vgl. Hennecke 2012.

17

Aufbau der Arbeit

1. Einleitung + Forschungsfragen 3. Konstruktivismus

22. Theologi-sieren 4. K Kommunikation

55. Lernen der Kinder

6. Methodologische Annäherungen 7. Forschungsdesign 8. Datenerhebung 9. Analyse und Auswertung 10. Beschreibung u. Analyse d. Ergebnisse 11. Diskussion und Konsequenzen Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Aus religionspädagogischer Perspektive steht das Theologisieren mit Kindern (Kap. 2) im Zentrum der Arbeit, welches durch weitere Perspektiven, wie den Konstruktivismus (Kap. 3), die Kommunikation (Kap. 4) und das Lernen von Kindern (Kap. 5), ergänzt wird. Die genannten Perspektiven werden jeweils in Bezug zum Theologisieren gesetzt, so dass sie die aktuelle kindertheologische Diskussion um neue Aspekte erweitern können. Da es um das Lernen der Kinder beim Theologisieren geht, soll hier die religionspädagogische Sichtweise durch andere Perspektiven auf das Lernen angereichert werden. Diese mehrperspektivische Herangehensweise kann neue Akzente hervorbringen und gleichzeitig das Lernen beim Theologisieren in die allgemeine Lerndiskussion hineinnehmen. In Kapitel 1, in dem sich der Leser / die Leserin aktuell befindet, wurde zunächst das Forschungsinteresse dargestellt. Hier folgt nun ein Aufriss der gesamten Arbeit, um sich orientieren zu können. Die Einleitung endet mit den

18

Einleitung

forschungsleitenden Fragen, die gleichzeitig eine Überleitung zum theoretischen Diskurs markieren. In Kapitel 2 wird zunächst das religionspädagogische Feld, in das die Studie eingebettet ist, vorgestellt. Der Fokus liegt hier nicht darauf, die gesamte Kindertheologie darzustellen, sondern lediglich ausgewählte Aspekte, die vorrangig auf ein Theologisieren mit Kindern als didaktischem Ansatz in Verbindung stehen. Theologisieren und Theologische Gespräche werden dabei in ein Verhältnis gesetzt. Das umfangreichere Kapitel 3 widmet sich dem Konstruktivismus, der quasi als Folie über die gesamte Arbeit gelegt wird. Sowohl für das Theologisieren mit Kindern als auch im Kontext von Lerntheorien sind konstruktivistische Ansätze relevant. Ausgehend von konstruktivistischen Grundannahmen befasst sich das Kapitel mit der konstruktivistisch orientierten Religionspädagogik und mit der Theologie, am Beispiel der Wahrheitsfrage. Die dargelegten Überlegungen münden schließlich in solche, die sowohl das Theologisieren als auch das damit verbundene Lernen betreffen. Kapitel 4 befasst sich mit dem Aspekt der Kommunikation, da sowohl Theologische Gespräche als auch Reflexionsgespräche darauf angewiesen sind, dass sich die Gesprächspartner bzw. Gesprächspartnerinnen verstehen. Der Fokus liegt hier darauf, wie gelingendes Verstehen zustande kommt. In Kapitel 5 wird der Blick auf das Lernen der Kinder gerichtet. Nachdem unterschiedliche Theorien vorgestellt sind, fokussiert sich das Kapitel auf den Bereich der Metakognition. Dieses wird im Kontext der Selbstregulation eingeführt, um dann davon ausgehend nach dessen Bedeutung für das Lernen allgemein sowie für das Theologisieren im Besonderen zu fragen. Kapitel 6 widmet sich forschungstheoretischen Fragestellungen. Indem unterschiedliche Bezugsrahmen aufgezeigt werden, wird die Studie in der qualitativen Forschung verortet. Darüber hinaus werden Chancen und Herausforderungen bei der Forschung mit Kindern herausgearbeitet. Um das Forschungsdesign, das im Anschluss dargestellt wird, verstehen zu können, wird nun anhand ausgewählter Aspekte, wie Beobachtung als subjektiver Prozess oder die Konstruktion von Wirklichkeit, noch einmal aus konstruktivistischer Perspektive auf die Forschung geblickt. In Kapitel 7 wird das konkrete Forschungsdesign vorgestellt, das Erhebungsinstrumentarium dargestellt und schließlich die eigene Rolle als Forscherin reflektiert. Im Anschluss wird in Kapitel 8 die konkrete Erhebung dargestellt. Die Hürden, die sich auf dem Weg des Forschens ergaben, werden ebenso hier diskutiert. In Kapitel 9 wird der theoretische Hintergrund für die Analyse und Auswertung der Daten beleuchtet sowie das Vorgehen bei der Auswertung skizziert. Kapitel 10 befasst sich schließlich mit den konkreten Ergebnissen der Studie.

Aufbau der Arbeit

19

Die beiden entwickelten Modelle werden vorgestellt, und in einer Art »Werkstattspaziergang« erhalten die Leserinnen und Leser einen Einblick in die Auseinandersetzung mit den Daten. Dadurch werden die Modelle veranschaulicht. Am Ende der Arbeit wird in Kapitel 11 nun eine Bilanz gezogen. Die wichtigsten Ergebnisse werden gebündelt und auf der Grundlage theoretischer Bezüge reflektiert. Die sich aus diesen Überlegungen ergebenden Konsequenzen sowie offene Fragestellungen schließen die Arbeit ab. Auch wenn die einzelnen Kapitel hier linear angeordnet sind, so sollte doch deren innerer Zusammenhang im Blick bleiben. Es ist mir aufgrund einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus bewusst, dass diese Darlegung meine spezifische Sicht auf die Thematik widerspiegelt. Gleichzeitig erfolgt sowohl die Darstellung und Diskussion im theoretischen Teil als auch die Auswertung der Daten auf der Grundlage wissenschaftlicher Standards sowie einer theoretisch fundierten Auseinandersetzung. Eine lineare Darstellung der Gedanken kommt konstruktivistisch gesehen an Grenzen. Diese werden insbesondere an den Stellen eklatant, an denen sich Argumentationslinien überschneiden und die Diskussion deshalb an unterschiedlichen Stellen weitergehen müsste. Innerhalb der einzelnen theoretischen Zugänge (Theologisieren, Konstruktivismus, Kommunikation, Lernen der Kinder) wird eine plausible und schlüssige Argumentation verfolgt. Schließlich ist mir als Forscherin bewusst, dass ich selbst kognitiv und emotional in das Forschungsprojekt in allen Phasen involviert bin und mich dem nicht entziehen kann.8 Regelmäßige Reflexionen, auch mit Kolleginnen und Kollegen sowie Forscherinnen und Forschern, ermöglichten es, sich dadurch ergebende Verzerrungen im Blick zu behalten und kontrollieren zu können. Insgesamt gesehen war die Forschungsarbeit für mich ein großer Gewinn. Dem Forschungsinteresse konnte vertieft nachgegangen und wichtige Aspekte konnten herausgearbeitet werden. Die Arbeit mit den Kindern war dabei stets anregend und bereichernd, ebenso die zahlreichen Fachgespräche, die sich durch die Forschung ergaben. Ziel dieser Arbeit ist es, die kindertheologische Diskussion anzuregen und Impulse für die Aus- und Fortbildung zu geben. Darüber hinaus können die Ergebnisse die grundschulpädagogische Diskussion im Kontext von Reflexion und Metakognition in sämtlichen fachlichen Bereichen und Fachdidaktiken anregen. Auch für die Erziehungswissenschaft bzw. Schulpädagogik können die Ergebnisse zum Nachdenken der Kinder über ihr eigenes Lernen die (Lehr-)Lernforschung inspirieren. Schließlich gibt die Studie forschungsme-

8 Vgl. Krippendorff 1994, 112f.

20

Einleitung

thodische Hinweise für die Durchführung von Gruppendiskussionen mit Kindern.

1.3

Fragestellungen als Wegweiser durch die Forschungsarbeit

Die Fragen, die der vorliegenden explorativen Studie zugrunde liegen, werden schon zu Beginn der Arbeit dargestellt, weil sie diese von Anfang an geleitet haben. Dadurch soll das Lesen durchgängig zielgerichtet möglich sein. Die Studie verfolgt ein empirisch-religionspädagogisches sowie ein spezifisch religionsdidaktisches Erkenntnisinteresse. Auf religionspädagogischer Ebene soll auf qualitativ-empirischem Weg rekonstruiert und analysiert werden, wie Kinder über (ihr) Lernen beim Theologisieren nachdenken und was ihnen dabei wichtig ist. Deshalb kann als erste, erkenntnisleitende Fragestellung festgehalten werden: (1) Wie sprechen Kinder von ihrem Lernen und Können beim Theologisieren? Diese relativ offene und wenig spezifische Fragestellung hat richtungsweisende Funktion. Sowohl bei der Forschungskonzeption als auch bei der Erhebung der Daten sowie der Auswertung des empirischen Datenmaterials sollte diese Grundfrage leitend sein. Diese Frage hatte stets die Zielrichtung im Blick und ließ der Forscherin jedoch auch den nötigen Freiraum in allen Phasen der Forschung. Durch die Anlehnung an die Grounded Theory9 als Forschungsstil war es nicht erforderlich, im Vorhinein an den Untersuchungsgegenstand mit hypothetischen Formulierungen heranzutreten, sondern es konnten an jeder Stelle abhängig von der jeweiligen Erhebungssituation bzw. vom Datenmaterial neue Entscheidungen getroffen und Weichen gestellt werden. Ein solches Vorgehen sollte von Anfang an die nötige Offenheit für Antworten aus dem Datenmaterial mit sich bringen.10 Mit dieser Forschungsfrage verbanden sich aus empirisch-religionspädagogischer Perspektive im Laufe des Forschungsprozesses weitere untergeordnete Forschungsinteressen, die sich zunehmend präzisierten. Diese Fragen werden

9 Vgl. Strauss/Corbin 1996/2008; Strübing 2014. 10 Für Strauss und Corbin ist eine optimale Fragestellung in einem qualitativen Forschungsprozess dann gegeben, wenn sie nicht zu offen ist, so »dass sie das ganze Universum von Möglichkeiten einbezieht« (Strauss/Corbin 1996, 23). Andererseits sollte sie nicht allzu begrenzt sein, um »Entdeckungen und neue Erkenntnisse« (ebd.) möglich zu machen. Schließlich sollte das in der Fragestellung zu untersuchende Phänomen deutlich werden und die Fragestellung sollte empirisch verfolgt werden können. Diese Kriterien werden von der oben genannten Fragestellung eingelöst.

Fragestellungen als Wegweiser durch die Forschungsarbeit

21

schon zu Beginn der Arbeit aufgezeigt, weil sie sowohl die Studie selbst als auch die damit einhergehende theoretische Auseinandersetzung leiten werden. Insbesondere bei der Auswertung des Datenmaterials ergaben sich weitere zentrale Fragestränge:11 (2) Wie erklären sich Kinder (ihr) Lernen beim Theologisieren? Hierzu gehören weitere Fragen, wie: Welche Kategorien thematisieren Kinder, wenn sie über ihr Lernen und Können sprechen? Welche Aspekte spielen aus ihrer Sicht beim Lernen eine Rolle? Wie hängen das eigene Tun (Handeln) und das Denken zusammen? Welche Rolle spielen andere beim Lernen? Haben sie Ideen, wie sie ihr Lernen selbst beeinflussen können? (3) Welche kognitiven Strategien spielen im Nachdenken der Kinder über das Theologisieren (Reflexion) eine Rolle? Bei der Auswertung des Datenmaterials wurden ausgehend von dieser Frage weitere aufgeworfen: Welche unterschiedlichen Strategien werden implizit oder explizit genannt? Werden unterschiedliche Reflexionsniveaus erkennbar und wie sehen diese aus? Greifen Kinder eher bewusst oder unbewusst auf kognitive Strategien zurück? Auf der Ebene der Religionsdidaktik konzentriert sich das Interesse schließlich darauf, inwieweit die empirisch gewonnenen Erkenntnisse für die Planung und Gestaltung von Religionsunterricht, insbesondere beim Theologisieren, fruchtbar gemacht werden können. Daraus ergibt sich eine weitere Fragestellung: (4) Welche Herausforderungen, Impulse und Orientierungen lassen sich aus den Ergebnissen für das Theologisieren ableiten? Gerade diese letzte Fragestellung soll es ermöglichen, Implikationen für den Unterricht in den Blick zu nehmen. Die Studie setzt an konkreten Unterrichtssituationen an und möchte die gewonnenen Erkenntnisse schließlich wieder auf Lehr-Lern-Situationen, das Aktionsfeld von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrenden, beziehen. Die in den folgenden Kapiteln ausführlich dargestellte theoretische Diskus11 Wie üblich in der Grounded Theory, die als Forschungsstil und Auswertungsmethode diese Studie strukturiert, werden im Laufe des gesamten Auswertungsprozesses kontinuierlich Fragen aufgeworfen, um so der Ausgangsfrage sukzessive näher zu kommen. Die im Folgenden genannten Teilfragen sollten eine Annäherung an den Untersuchungsgegenstand sowie den Einstieg in die Analyse ermöglichen. Während der Auswertung spielten viele weitere Fragen eine Rolle, von denen ein Teil im Laufe der Zeit wieder verworfen wurde, weil die Fragen entweder nicht zielführend oder aufgrund des Datenmaterials nicht hinreichend verfolgt werden konnten.

22

Einleitung

sion und Einordnung erfolgt auf der Grundlage der Forschungsfragen und des sich entwickelnden Forschungsprozesses. Das hat zur Folge, dass die einzelnen Theoriekapitel auf den ersten Blick zusammenhangslos erscheinen. Aufgrund des Forschungsprozesses ergibt sich jedoch eine innere Logik, die in Abbildung 1 in Kapitel 1.2 dargestellt ist. Im Anschluss wird das Forschungsvorhaben vorgestellt und eingeordnet. Die Arbeit mündet schließlich in die Auswertung und Darstellung der Ergebnisse sowie die Diskussion relevanter Aspekte ausgehend von den leitenden Fragestellungen. Auch wenn die Darstellung hier linear anmutet, möchte das nicht über den komplexen Prozess der Entstehung dieser Arbeit hinwegtäuschen. Gerade das Ineinander von qualitativer Studie und theoretischer Auseinandersetzung ermöglichten es, einen Einblick in das Denken der Kinder zu erhalten, ausgewählte Aspekte an theoretischen Konzepten zu spiegeln, offene Fragen zu entdecken und schließlich Konsequenzen für die Praxis zu formulieren.

2

Theologisieren mit Kindern12 – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

Theologisieren mit Kindern wird als wichtiger didaktischer Ansatz in der aktuellen religionspädagogischen Diskussion unter verschiedenen Perspek-

12 Die Autorin spricht im Folgenden von Kindertheologie, auch wenn die an der Studie teilnehmenden Schülerinnen und Schüler dem dritten bis sechsten Schuljahr angehörten. Dies hat unterschiedliche Gründe: Zunächst einmal hat sich die Jugendtheologie aus der Kindertheologie als logische Konsequenz weiterentwickelt, so dass zentrale Grundlagen für beide Bereiche von Bedeutung sind (Freudenberger-Lötz/Reiß 2009; Reiß 2015; Rupp 2008). Darüber hinaus gehört etwa die Hälfte der Kinder entwicklungspsychologisch dem Kindesalter an, wobei die Übergänge zwischen Kindheit und Jugend und somit auch zwischen Kinder- und Jugendtheologie fließend sind (Schweitzer 2013, 12). Wenn Rupp (2008) von Jugendlichen spricht, dann sieht er in Anlehnung an die Entwicklungspsychologie Heranwachsende im Alter zwischen 10 und 21 Jahren. Das ist ein breites Spektrum, das weiterer Differenzierung bedarf, vor allem im Hinblick auf entwicklungspsychologische Voraussetzungen. Gerade diesen Übergangsbereich nimmt das Setting der Studie auf. Für das Theologisieren mit Jugendlichen können folgende Unterschiede festgehalten werden: Jugendliche werden als »tendenziell eher zurückhaltend, abwartend und vor allem zweifelnd« (Freudenberger-Lötz/ Reiß 2009, 252 in Anlehnung an Rupp 2008) wahrgenommen. Reiß arbeitet weiter heraus, dass gerade für Jugendliche das Einspielen fremder Positionen von Bedeutung ist und die religiöse Heterogenität auf die Gespräche bereichernd wirkt, um die »Heranwachsenden in der (Weiter-)Entwicklung eigener Glaubensvorstellungen zu unterstützen und zu fördern« (Reiß 2015, 588). Dabei stellt sie auch fest, dass Theologie »ausschließlich auf explizitem Weg ins Spiel kommt« (ebd. 588). Aufgrund des Vorgehens der Studierenden kann gefragt werden, ob dies nicht möglicherweise am Setting des Unterrichts liegt. Auch wenn beim Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen – wie Freudenberger-Lötz (2011a) es formuliert – in erster Linie deren theologische Gedanken sichtbar bzw. hörbar werden, lohnt sich an dieser Stelle eine künstliche Unterscheidung nicht (vgl. auch Schweitzer 2013, 12). Wenn hier nun von Kindertheologie die Rede ist, kann im Rahmen dieser Arbeit Jugendtheologie grundsätzlich mitgedacht werden, die zentralen Akzentverschiebungen wurden aufgezeigt und sind im Blick. Wenn eine Unterscheidung erforderlich ist, wird darauf eingegangen. Würde grundsätzlich von Kinder- und Jugendtheologie in Kombination gesprochen, sieht die Autorin die Gefahr einer Verkürzung. Die Unterschiede sollen nicht nivelliert, sondern wo nötig hervorgehoben werden. In der Literatur grundsätzlich diskutierte Fragen gelten jedoch für beide Bereiche. Von Theologisieren mit Kindern wird auch im Sinne der Jahrbücher für Kindertheologie gesprochen, die von Anfang an ein weites Verständnis zugrunde gelegt haben.

24

Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

tiven und Fragestellungen in zahlreichen Veröffentlichungen diskutiert.13 Beim Theologisieren haben die Kinder die Möglichkeit, sich (ihren) religiösen und theologischen Fragestellungen diskursiv anzunähern mit dem Ziel, eigene Antworten zu finden und diese begründen zu können. Auf der Suche nach Orientierung und im Hinblick darauf, die eigenen Gedanken und Lernwege verstehen und einordnen zu können, ist es von Bedeutung, das Lernen beim Theologisieren zu reflektieren. In diesem Kapitel wird zunächst in die Diskussion der Kindertheologie unter ausgewählten Perspektiven eingeführt. Dabei kommen die unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die Frage nach dem didaktischen Ansatz, seine Wurzeln sowie die Abgrenzung zur Kinderphilosophie zur Sprache. Ebenso wird ein Bezug zur Pluralitätsfähigkeit hergestellt. In der Darstellung wird davon ausgegangen, dass die Grundlagen des Theologisierens mit Kindern bekannt sind.14 Auf der Grundlage der Annahme, dass Kinder im Zentrum dieses religionspädagogischen Ansatzes stehen und in ihrem religiösen Denken und Lernen gefördert werden sollen, folgt daraufhin ein Blick auf die Lehrperson, die als Person und mit ihrer Haltung sowie ihrer (Re-)Aktion das Lernen der Kinder beeinflusst. Schließlich werden das Lernsetting als solches und die damit in Verbindung stehenden Methoden15 im Unterricht beleuchtet. Dabei wird das Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen als religionspädagogisches Konzept, bei dem der Weg zur Entwicklung eigener Konstruktionen im Mittelpunkt steht, diskutiert. Ausgehend von der aktuellen Diskussion wird die Bedeutung der Methoden für das prozessuale Lernen der Kinder und Jugendlichen herausgearbeitet.

13 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007; Kammeyer 2009; Zimmermann 2010; Benz 2015; Reiß 2015 sowie die Reihe Jahrbuch für Kindertheologie ab 2002. 14 Aufgrund der inzwischen zahlreichen Veröffentlichungen zum Theologisieren mit Kindern wird der Fokus hier auf einzelne Perspektiven beschränkt. Ausführlich sind die Grundlagen beispielsweise bei Petra Freudenberger-Lötz (2007; 2011a), Katharina Kammeyer (2009), Mirjam Zimmermann (2010) sowie in den Bänden des Jahrbuchs für Kindertheologie (ab 2002) dargestellt. Im Bereich der Jugendtheologie kann auf Schlag/Schweitzer (2012), Dieterich (2012) und die Jahrbücher für Jugendtheologie (ab 2013) verwiesen werden. Auf die Grundlagen wird im Folgenden aufgebaut – an dieser Stelle wird summarisch darauf verwiesen. 15 In der bisherigen Diskussion der Kindertheologie wird der Begriff Methoden in erster Linie mit Forschungsmethoden in Verbindung gebracht, weniger mit Methoden im Unterricht.

Begriffliche Klärung

2.1

25

Begriffliche Klärung

Das Theologisieren mit Kindern hat sich als religionspädagogischer Ansatz etabliert, wobei »theologische Gespräche mit Kindern zum Herzstück des Religionsunterrichts und gleichzeitig zum Schwierigsten zählen«16. In den letzten Jahren hat sich davon ausgehend das Theologisieren mit Jugendlichen entwickelt. In der aktuellen Diskussion werden die Begriffe »Kindertheologie«, »Theologisieren mit Kindern« und »Theologische Gespräche« meist synonym verwendet. Dennoch weist Petra Freudenberger-Lötz zu Recht auf deren unterschiedliche Akzente hin:17 »Der Begriff ›Theologisieren‹ wird von Religionspädagoginnen und Religionspädagogen in Anlehnung an das ›Philosophieren‹ gewählt. Der Begriff ›Kindertheologie‹ bzw. ›Jugendtheologie‹ möchte herausstellen, dass auch Kinder bzw. Jugendliche eigenständig Theologie treiben und ihre Deutungen zu würdigen sind. […] Die Bezeichnungen ›Theologische Gespräche mit Kindern‹ bzw. ›Theologische Gespräche mit Jugendlichen‹ machen deutlich, dass die Theologie von Kindern bzw. Jugendlichen im religionspädagogischen Zusammenhang oft im Gespräch ihren Ausdruck findet und in diesem Gespräch mit Mitschüler/innen und der Lehrperson weiterentwickelt wird.«18

Im Rahmen dieser Arbeit wird in erster Linie vom Theologisieren mit Kindern und nicht von Theologischen Gesprächen gesprochen, da es nicht nur um das Gespräch als solches geht, auch wenn dieses in den meisten Forschungen im Zentrum steht. Das Tätigsein der Kinder steht im Mittepunkt, wobei die Konstruktionen der Kinder in einen größeren Zusammenhang einzuordnen sind. Beim Theologisieren – also der theologischen Auseinandersetzung – sind die Kinder in unterschiedlichen Bereichen aktiv. Ihre Gedanken finden Ausdruck in Gesprächen, aber auch im kreativen und gestalterischen Arbeiten und den dabei entstehenden Produkten. Eine Reduktion auf den verbalen Ausdruck bzw. das Gespräch wäre eine unzureichende Engführung. Wenn Petra FreudenbergerLötz die Theologischen Gespräche an sich stark macht, dann nicht im Sinne einer Verkürzung, sondern vielmehr, um deren Potenziale auszuloten und einen differenzierten Einblick zu ermöglichen.19

16 17 18 19

Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 95; 2011a, 11. Freudenberger-Lötz 2011a, 11. Freudenberger-Lötz 2011a, 11f. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007; 2008; 2011a; 2011b u. a.

26

Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

2.2

Theologisieren als didaktischer Ansatz

Ausgehend von der begrifflichen Klärung wird in diesem Kapitel eine weitere Einordnung des Theologisierens in die Religionspädagogik vorgenommen. Aus didaktischer Perspektive wird das Theologisieren mit Kindern bzw. Jugendlichen als religionspädagogischer Ansatz verstanden. Dieterich sieht das Theologisieren als »ein didaktisches Konzept, das ein Unterrichtsverfahren theoretisch und praktisch ausarbeiten will, bei dem biblische bzw. theologische Traditionen und die theologischen Auffassungen der Schüler/innen in einen grundsätzlich gleichberechtigten und ergebnisoffenen Dialog eintreten.«20

Daneben wird die Bezeichnung »Theologische Gespräche« in der religionspädagogischen Diskussion teilweise auch als Methode verwendet, wodurch Gespräche im Religionsunterricht eine neue Qualität erhalten haben.21 Ihr Kennzeichen ist eine »prinzipielle Offenheit«22, d. h. das Ergebnis des Gesprächs ist nicht festgelegt, »weil die ›großen Fragen des Lebens‹ keine für alle Beteiligten eindeutigen Antworten zulassen.«23 Religionspädagogischer Ansatz bzw. Methode werden häufig nicht klar voneinander getrennt bzw. es wird in den Veröffentlichungen keine explizite Zuordnung vorgenommen. Dies erschwert das Verständnis immer wieder. Die hier vorliegende Arbeit geht sowohl im Hinblick auf die theoretische Auseinandersetzung als auch hinsichtlich des Lernsettings, das dem Unterricht der Studie zugrunde liegt, von Theologisieren als religionspädagogischem Ansatz aus. Dabei sind Theologische Gespräche Teil dieses Ansatzes. Über die Bedeutung des Gesprächs innerhalb des Ansatzes wird an späterer Stelle nachgedacht.24 Als didaktischer Ansatz weist das Theologisieren heute eine große Nähe zum Performativen Religionsunterricht auf.25 Beide verbindet ihr Interesse an gelebter Religion, wobei der performative Ansatz verschiedene Unterscheidungen bewusst vornimmt und diese als voneinander abhängige, aber doch gegensätzliche Begriffspaare zusammenführt: »Erlebnis und Reflexion, performative und konstatierend-diskursive Sprechakte, ›religiöses Reden‹ und ›Reden über Religion‹«26. Beide religionspädagogischen Ansätze haben eine subjektorientierte Zuspitzung, wobei der performative Religionsunterricht stärker auf »die 20 21 22 23 24 25

Dieterich 2012, 36. Vgl. Kraft 2012. Kraft 2012, 154. Kraft 2012, 154. Vgl. Kap. 2.5.2. Dennoch suchen teilweise Vertreter der Performativen Didaktik (z. B. Bernhard Dressler, Thomas Klie) eine klare Grenzziehung zur Kinder- bzw. Jugendtheologie. 26 Kraft 2012, 156.

Theologisieren als didaktischer Ansatz

27

Bedeutungszuweisung von erlebter Religion durch sie selber«27 zielt, Kindertheologie hingegen die Kinder ins Zentrum stellt sowie eine reflexive Durchdringung theologischer Fragen bzw. Inhalte. Dabei liegt die Stärke des Theologisierens in der Verbindung von »Reden über Religion« und »religiösem Reden«.28 In diesem Sinne versucht Büttner eine Überwindung des Nebeneinanders der beiden Ansätze:29 »Schaut man in die Praxis des Theologisierens mit Kindern, dann sieht man, dass die Grenzen zwischen gelebter (erlebter) Religion und reflektierter (gelehrter) Religion fließend sind. Gerade im Kontext des schulischen Religionsunterrichts ist zu fragen, ob diesen nicht eine spezifische Form reflektierter Religion bestimmt. […] Kinder- und Jugendtheologie wäre demnach eine legitime Variante reflektierter Religion.«30

Performative Didaktik und Kinder- bzw. Jugendtheologie sind nicht sich gegenseitig ausschließende, sondern komplementäre Zugänge zu Religion. Die hierin liegenden Chancen sind nicht zuletzt in der Fachdiskussion noch weiter auszuloten. Zentrales Anliegen des Theologisierens mit Kindern als religionspädagogischem Ansatz ist es, »die Fragen der Kinder sowie ihre Deutungen wahrzunehmen, ernst zu nehmen, aufzugreifen und zu fördern«31. Deshalb spricht Freudenberger-Lötz aktuell immer wieder von Theologisieren als Grundhaltung.32 Auch wenn der Ansatz des Theologisierens inzwischen weit verbreitet und vielseitig anerkannt ist, meinen viele Religionslehrerinnen und Religionslehrer noch immer – wie dies Schweitzer bereits 2003 feststellte – selbst zu wissen, was Kinder brauchen.33 Die vielfältigen Forschungen in diesem Bereich34 zeigen jedoch deutlich, dass Kinder ihre eigene Sicht auf Gott, das Leben und die 27 Mendl 2015, 2. 28 Vgl. Kraft 2012, 156. Trotz der Nähe zwischen Performativer Didaktik und dem Theologisieren suchen Vertreter der Performativen Didaktik, wie z. B. Bernhard Dressler und Thomas Klie, eine klare Grenzziehung zur Kinder- bzw. Jugendtheologie (vgl. ebd.). 29 Vgl. Kraft 2012. 30 Büttner 2012, 15f. 31 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 21. 32 Der Gedanke, dass Theologisieren zentral als Grundhaltung verstanden werden kann, wurde in einem persönlichen Gespräch mit Petra Freudenberger-Lötz eingebracht und diskutiert. Theologisieren als Grundhaltung zeigt sich zunächst in der Haltung der Lehrperson und hat Auswirkungen auf das Lernarrangement, die konkrete Unterrichtsgestaltung und die Gespräche mit den Kindern. Diese Grundhaltung ist somit Voraussetzung und Bedingung zugleich. Darauf verweist auch Gerhard Büttner, wenn er im Rückgriff auf FreudenbergerLötz (2007) vom Einüben eines Habitus bei Schülerinnen und Schülern sowie Lehrenden spricht (vgl. Büttner 2012, 12). 33 Vgl. Schweitzer 2003a, 9. 34 Stellvertretend soll hier summarisch auf die Jahrbücher für Kindertheologie verwiesen werden sowie im Besonderen auf die Forschungen von Freudenberger-Lötz 2007, Kammeyer 2009, Zimmermann 2010, Stögbauer 2011, Benz 2015, Reiß 2015 u. a.

28

Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

Welt haben. Ihre Konstruktionen bergen großes Potenzial für eine kompetenzorientierte Unterrichtsgestaltung. Oder anders ausgedrückt: Lehrende tun gut daran, Kindern mit ihren subjektiven Perspektiven im Unterricht Raum zu geben und Unterricht so vorzubereiten und zu gestalten, dass diese Perspektive zum Tragen kommen und die Schülerinnen und Schüler zum weiteren Fragen, zur aktiven Auseinandersetzung sowie kognitiven und ganzheitlichen Verarbeitung angeregt werden.35 Es kann festgehalten werden: Theologisieren als religionspädagogischer Ansatz schließt eine offene, fragende und wertschätzende Haltung der Lehrperson mit ein. In dieser Hinsicht sind Theologische Gespräche Teil des Unterrichts, nicht aber nur eine Methode, die punktuell zum Einsatz kommt.36

2.3

Wurzeln der Kindertheologie

Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen die Kinder mit ihren Perspektiven auf das Lernen. Wurzeln für eine am Kind orientierte Sichtweise sind auch in der Kindertheologie zu finden. Diese sollen im folgenden Kapitel herausgearbeitet werden. Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich das Theologisieren mit Kindern kontinuierlich zu einem eigenständigen religionspädagogischen (Forschungs-) Bereich entwickelt. Geistesgeschichtlich geht es weit zurück und wird oft mit Jean Jacques Rousseau (1712–1778) und dem mit ihm in Verbindung stehenden Wandel des Bildes vom Kind in Verbindung gebracht.37 Er setzte sich vehement für den Eigenwert der Kindheit ein, denn Kinder haben »eine eigene Art zu sehen, zu denken und zu fühlen«38. Auch die Reformpädagogik mit ihrem 35 Für Petra Freudenberger-Lötz geht es bei der Planung und Gestaltung von Unterricht »letztlich um eine Balance von Planung und Offenheit, die auf eine generell prozessorientierte Unterrichtsführung zielt.« (Freudenberger-Lötz 2011a, 20) Dabei ist es wichtig, dass Lehrende bereit sind, immer wieder forschend an Unterricht ranzugehen und das Unterrichtsgeschehen zu reflektieren und so sich selbst und ihren Unterricht weiterzuentwickeln. 36 Auf das Verhältnis von Methoden und Theologischem Gespräch im Kontext eines Lernsettings wird in Abschnitt 2.5.2 eingegangen. 37 Eine ausführliche Darstellung der geistesgeschichtlichen Wurzeln und Anknüpfungspunkte der Kindertheologie hat Mirjam Zimmermann (2010, 3–57) vorgelegt. 38 Rousseau 1981, 69. Anton Bucher (2008b, 14f.) weist jedoch in Anlehnung an Friedrich Schweitzer (1992, 118–133) darauf hin, dass Rousseau, der so selbstverständlich mit dem epochalen Wandel des Kinderbildes in Verbindung gebracht wird, selbst jedoch ein großer Kritiker und Bestreiter der Kindertheologie ist. »Konsequenterweise wird Emil während der Kindheit nicht mit dem Katechismus belehrt, der Kinder ohnehin nur zum Lügen nötige. Religiöse Begriffe, Bilder und Praktiken sind in seiner Erziehung tabu.« (Bucher 2008b, 14) Anders ist das bei Jean Paul (1763–1825), der in seiner »Levana« davon spricht, dass »eine ganze Metaphysik träumend im Kinde« (zitiert nach Bucher 2008b, 14) schläft. Kindsein

Wurzeln der Kindertheologie

29

konsequenten Ansatz einer Pädagogik »vom Kinde aus« trug das ihre dazu bei, das Kind weiter ins Zentrum seiner Entwicklung zu stellen. Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist das aus dem anglikanischen Bereich stammende Philosophieren mit Kindern39, das ab den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts auch in deutschen Schulen – zunächst vor allem im Sachunterricht – seinen Platz gefunden hat. Kindertheologie als eigenständiger Bereich der Religionspädagogik ist für Schweitzer nur »dadurch zu rechtfertigen, dass dem Kind über ein allgemeines religiöses Denken hinaus auch eine gleichsam reflexive Form des Denkens über religiöses Denken zugetraut wird«40. Kinder können also über religiöses Wissen reflexiv bzw. selbstreflexiv nachdenken und zu eigenen Antworten gelangen. Als eigenständige Subjekte und Konstrukteure von Wirklichkeit wird Kindern dies zugetraut und auch von ihnen gefordert. Das philosophische Gespräch in Anlehnung an Sokrates, das in seiner Idealform »ganz ohne Vermittlung von Informationen an die Kinder«41 auskommt, reicht für den Religionsunterricht nicht. Ein Nachdenken über Gott, das Leben und die Welt erwächst nicht einfach nur aus dem gemeinsamen Nachdenken, sondern braucht den biblischen bzw. theologischen Bezug.42 Zahlreiche Überschneidungen43 mit der Kinderphilosophie erfordern eine Abgrenzung. Schweitzer verweist dabei deutlich auf das Recht der Kinder »auf Religion […], das mit Hilfe philosophischen Nachdenkens allein nicht erfüllt werden kann«44. Neben den genannten Vorläufern gibt es weitere Entwicklungen, wie bei-

39 40

41 42 43

44

wird so »zum Inbegriff von Religiosität« (ebd., 14). Er schreibt auch davon, wie er seinen fünfjährigen Sohn philosophieren gehört habe, und erkennt dadurch bereits Kindern die Fähigkeit des Philosophierens zu. Die romantische Idealisierung von Kindern ist insgesamt betrachtet ambivalent. Dennoch bewirkte das romantisierende Bild von Kindern eine faktische Verbesserung der Lebensverhältnisse. Vgl. z. B. Lipman 1990; Matthews 1989; Martens 1999. Schweitzer 2003a, 10; vgl. auch Zimmermann 2010, 83f. Zimmermann (2010, 83) benennt zwei notwendige Bedingungen für Kindertheologie: 1. Kinderäußerungen sind ernst gemeint und 2. eine Meta-Ebene wird eingenommen, d. h. ein Prozess der Verarbeitung und Reflexion wird sichtbar. Darüber hinaus muss sie sich »in irgendeiner Weise auf die in der biblischen Tradition überlieferte, von der kirchlichen Verkündigung weitererzählte und gegenwärtig erfahrbare Geschichte Gottes mit dem Menschen bzw. des Menschen mit Gott beziehen lassen« (Zimmermann 2010, 85f.). Schweitzer 2011, 75. Vgl. Schweitzer 2011, 75. Als Überschneidungen können genannt werden: »die Aufwertung des Kindes als aktivem Subjekt des Nachdenkens«, »formale und methodische Parallelen« sowie ähnliche »inhaltliche Grundanliegen« (Zimmermann 2010, 84). Eine weitere Überschneidung sind die von Martens (2005, 21) aufgezeigten Reflexionsschritte, die sowohl für philosophisches als auch theologisches Denken anwendbar sind: »der Beschreibung (phänomenologisch), des Verstehens von sich und anderen (hermeneutisch), der begrifflichen Klärung (analytisch), die Kunst des Fragens und Widersprechens (dialektisch) sowie der Fantasie im Blick auf Mögliches (spekulativ)« (zitiert nach Zimmermann 2010, 84f.). Schweitzer 2000 und 2003a, 10.

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

spielsweise die Erkenntnisse aus den Bereichen der Entwicklungspsychologie, der Lehr-Lern-Forschung, der Kindheitsforschung oder der konstruktivistischen Didaktik, die ihren Teil zur Etablierung der Kindertheologie beigetragen haben. Auf einzelne Aspekte wird in den folgenden Abschnitten und Kapiteln exemplarisch eingegangen.

2.4

Theologisieren mit Kindern aus entwicklungspsychologischer Perspektive

Für Theologische Gespräche sind komplexe Voraussetzungen im kognitiven Bereich erforderlich. Dabei wird immer wieder die Frage laut, ob bzw. ab wann Kinder dazu in der Lage sind. Im folgenden Abschnitt wird deutlich, dass die Antworten aus entwicklungspsychologischer Perspektive je nach Forschungskontext und theoretischem Ansatz unterschiedlich ausfallen. An die Stelle von Piagets Stufenmodell treten heute domänenspezifische Erklärungen sowie die Klassifizierung durch Stile, was im Folgenden in einem kurzen Abriss dargestellt wird. Auch wenn Jean Piaget in der Religionspädagogik nicht unumstritten ist, soll doch auf ihn zurückgegriffen werden, da seine Forschungen zentrale Weichen für die weitere entwicklungspsychologische Diskussion und Forschung gestellt haben. Jean Piaget löste die zu seiner Zeit weit verbreitete Vorstellung von Entwicklung als endogenem Reifungsprozess durch sein Stufenmodell45 ab. Entwicklung war nun an eine Abfolge von Phasen gebunden, die mit Altersnormen kombiniert wurden. Der Gewinn seiner Stufentheorie war die nun mögliche Erkenntnis, ab wann Kinder zu welchen kognitiven Leistungen fähig bzw. welche Voraussetzungen (z. B. an konkrete Handlungen oder Material gebunden) dafür notwendig sind. Kern seiner Theorie ist das dialektische Modell von Assimilation und Akkommodation bzw. der Versuch der Äquilibrierung mit dem Ziel der Herstellung eines Gleichgewichts.46 Menschen sind stets damit beschäftigt, neue Eindrücke in ihre kognitiven Schemata47 einzuordnen. Kognitive Konflikte, wie sie in Theologischen Gesprächen immer wieder entstehen 45 Die kognitive Entwicklung erfolgte nach Jean Piaget vom sensumotorischen (Geburt bis 2 Jahre) über das präoperatorische (2 bis 7 Jahre) und konkret-operatorische (7 bis 12 Jahre) zum formal-operatorischen (ab ca. 12 Jahren) Stadium (vgl. Sodian 2008, 437f.; vgl. auch Piaget 1969, 187–280 und Sodian 2007). 46 »Assimilation ist die Integration von Neuem in bestehende mentale Strukturen und Akkommodation die Anpassung bestehender mentaler Strukturen als Reaktion auf Umweltanforderungen« (Sodian 2008, 437). Äquilibration meint »das Streben nach einem Gleichgewicht zwischen Assimilation und Akkommodation« (Grom 2000, 47). 47 Büttner 2010b, 209.

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oder auch bewusst initiiert werden, können mit Hilfe der Akkommodation gelöst werden, neue Entdeckungen (Lernen) werden möglich.48 Darüber hinaus ist festzuhalten, dass bereits deutlich jüngere Kinder zu bestimmten sprachlichen und kognitiven Leistungen fähig sind, als dies durch das Stufenmodell Piagets zu erwarten wäre.49 In jüngerer Zeit verwenden immer wieder Autorinnen und Autoren »Typen« statt der klassischen durch Piaget eingebrachten »Stufen«.50 Streib spricht im Hinblick auf die Glaubensentwicklung nicht von Stufen, sondern von »religiösen Stilen«. Diese Stile müssen nicht überwunden werden, sondern bleiben erhalten und überlagern sich.51 Dadurch kann immer wieder auf einen früheren Stil zurückgegriffen werden, ohne dass dies als Rückschritt in der Entwicklung gesehen werden muss. Ebenso findet die Entwicklung des Denkens »in der kontinuierlichen Interaktion zwischen verschiedenen Funktionsbereichen (Wahrnehmung, Motorik, Aufmerksamkeit, Sprache, begrifflichem Wissen und anderes mehr) statt«52. Ausgehend von aktuellen Studien, z. B. von Szagun oder Zimmermann, hält es Büttner53 für notwendig, das strukturgenetische Modell von Piaget zu modifizieren. Sowohl neuere Studien als auch die Beobachtungen in der Praxis zeigen, dass viele Kinder »bereits in einem viel früheren Alter bestimmte Dinge [wissen oder können], als dies Piaget annahm«. Andererseits ist auch bekannt, dass ein bestimmtes Wissen Voraussetzung für komplexere Denkoperationen in diesem Bereich ist. »Die kognitiven Strukturen und Stufen sind nicht so bereichsübergreifend, homogen (kohärent) wie Piaget annimmt, sondern großenteils bereichsspezifisch (sozusagen weich).«54 Die Entwicklung des Denkens in Domänen bedeutet auch für religiöses Lernen eine Entwicklung vom »Novizen« zum »Experten«, wobei Vorwissen im Gegensatz zum Alter bedeutsam ist. Ein Kind kann trotz der Fähigkeit formaloperativen Denkens (nach Piaget) 48 Vgl. Piaget 1969, 187–296; Fatke 1988, 32–75. 49 Vgl. auch Sodian 2008. Ebenso wird an Piagets Modell kritisiert, dass er sich insbesondere auf den logisch-mathematischen und den naturwissenschaftlichen Bereich konzentriert und damit andere Entwicklungen wie die soziale, emotionale, ästhetische sowie auch die Persönlichkeitsentwicklung aus dem Blick verliert (vgl. Grom 2000, 47ff.; Reiß 2015, 187). Mit dem Streben nach Äquilibration werden »Faktoren, wie Vertrautheit mit einem Bereich, Motiviertheit des Schülers, soziokulturelle Bedingungen wie den Bildungsstand der Eltern und den Einfluss eines Unterrichts, der Lösungen zum Nachvollzug anbietet« (Grom 2000, 49), vernachlässigt. Auch Schweitzer stellt fest, dass der Ansatz Piagets der »eigenständigen Bedeutung sozialer Beziehungen, affektiver Prozesse und lebensgeschichtlicher Ereignisse […] nicht gerecht« (Schweitzer 2004, 106) wird. 50 Vgl. Büttner/Dieterich 2013, 66. 51 Vgl. Büttner/Dieterich 2013, 82–85. 52 Sodian 2008, 451. Dies spielt auch im folgenden Kapitel eine Rolle, wenn es um die Methoden geht. 53 Büttner 2010b, vgl. auch Büttner/Dieterich 2013 und Zimmermann 2010, 74. 54 Grom 2000, 48.

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aus religionspädagogischer Sicht ein Novize sein oder ein Kind kann aufgrund seines bereichsspezifischen Wissens einem Erwachsenen, der diesbezüglich auf wenig Wissen zurückgreifen kann, überlegen sein. Wenn domänenspezifisches Vorwissen bedeutsam ist, bleibt zu fragen, wie dieses im Religionsunterricht aufgebaut und gefördert werden kann und welche Rolle dabei das Theologisieren spielt.55 Im Hinblick auf metakognitive Fähigkeiten von Kindern, die beim Nachdenken der Kinder über ihr Lernen und Können im Kontext des Theologisierens von Bedeutung sind, spielt die Entwicklung von entsprechenden Strategien eine Rolle. Interessant sind im Bereich der Informationsverarbeitungstheorien die Beobachtungen von Siegler. Er konnte zeigen, dass im Hinblick auf die Strategieentwicklung insbesondere die Kinder von einem Training profitieren, die bereits eine große Variabilität von Strategien und Lösungsansätzen mitbringen.56 Die Übernahme neuer Strategien erfolgt »nicht plötzlich durch kognitiven Konflikt und Einsicht, sondern adäquatere Strategien ersetzen in je spezifischen Kontexten allmählich weniger adäquate«57. So bleibt die Frage, ob der Matthäuseffekt58 auch hier zu Buche schlägt und Kinder, die von Anfang an vielfältige Strategien und Lösungsansätze im Bereich der Informationsverarbeitung mitbringen im Vergleich zu Kindern, die über weniger Fähigkeiten diesbezüglich verfügen, mehr von Theologischen Gesprächen profitieren. So stellt sich die Frage, wie mit dieser Problematik – falls diese auch für das Theologisieren gelten sollte – umgegangen werden kann. Welche Konsequenzen müssten für den Unterricht gezogen werden bzw. wie können die Strategieentwicklung und dafür erforderliche Fähigkeiten gefördert werden? In der neueren entwicklungspsychologischen Forschung werden stärker die Diskontinuität von Entwicklungsverläufen und Sozialisationsprozessen sowie die Vielfalt der Entwicklungsbedingungen in den Blick genommen. Hinsichtlich der entwicklungspsychologischen Theorien unterscheiden wir heute zwischen bereichsübergreifenden Theorien und bereichsspezifischen Theorien.59 Letztere 55 Vgl. auch Benz 2015. 56 Ähnliche Beobachtungen im Hinblick auf die Reflexionsfähigkeit der Kinder beim selbstorganisierten Lernen werden auch von Beck u. a. berichtet (vgl. Beck/Guldimann/Zutavern 1996). 57 Vgl. Sodian 2008, 451. 58 Der in der Psychologie und Soziologie gängige Begriff des Matthäuseffekts geht zurück auf das Sprichwort »Wer hat, dem wird gegeben« bzw. den Vers aus dem Gleichnis von den anvertrauten Talenten (»Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe …«, Mt 25, 29). 59 Mähler 2010, 9; vgl. auch Mähler 1999. Bereichsübergreifenden Theorien zufolge ergeben sich Veränderungen im Denken über alle Inhaltsbereiche hinweg, bei bereichsspezifischen Theorien werden Veränderungen im Denken an einzelnen inhaltlichen Bereichen festgemacht. Das weithin bekannte strukturgenetische Modell von J. Piaget zählt zu den bereichsübergreifenden Theorien.

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haben sich seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und ermöglichen eine differenziertere Sicht, wobei jeweils nur einzelne inhaltliche Bereiche in den Blick genommen werden können. Zahlreiche Studien im Rahmen der Kindertheologie60 greifen mehr oder weniger bewusst darauf zurück. Sie widmen sich einer Thematik – also einem inhaltlichen Bereich – und arbeiten eine Fülle differenzierter Aussagen und zum Teil Entwicklungen61 heraus. Zimmermann hält die Grundannahme fest, »dass Menschen im Laufe ihres Lebens Transformationsprozesse durchlaufen, die keine temporäre Schwankung oder Variation darstellen, sondern nachhaltig sind und weitere Transformationen ermöglichen«62. Mit dieser offen formulierten These wird zum einen lebenslanges Lernen als Modus in den Blick genommen und zum anderen hervorgehoben, dass jede Entwicklung und somit jeder Transformationsprozess seine Bedeutung hat. Jede Entwicklung geht auf Anregungen und gemachte Erfahrungen zurück und bedingt künftige Entwicklungen. Die Stärke dieser Grundannahme liegt darin, dass jeder aktuelle Entwicklungsstand von Kindern relevant ist und Entwicklung bedeutet, welche kontinuierlich weitergeht. Weil sie nicht mit einem Modell vergleichbar sein muss, kann sie in unterschiedliche Richtungen weisen, ohne dass dadurch ein Rückschritt festgestellt werden könnte. Im Hinblick auf Unterricht stellt diese Grundannahme hohe Anforderungen an Religionspädagoginnen und Religionspädagogen. Es stellt sich die Frage, wie Unterrichtssettings »gezielt« gestaltet bzw. Anregungen und Impulse gegeben werden können, wenn die Zone der nächsten Entwicklung63 möglicherweise gar nicht im Blick sein kann64, weil hierzu die nötigen religionspädagogischen Forschungen in Bezug auf Kompetenzmodelle bzw. Kompetenzentwicklungen fehlen.

60 Kammeyer (2009) widmet sich dem inhaltlichen Bereich des Gebets bei Vorschulkindern, Reiß (2015) den Wundern in theologischen Gesprächen mit Jugendlichen und Benz (2015) geht den christologischen Vorstellungen der Fünf- bis Siebenjährigen nach. 61 Dies wird vor allem bei Benz (2015) deutlich, wenn sie Entwicklungen einzelner Kinder in Bezug auf deren christologische Vorstellungen aufzeigt. 62 Zimmermann 2010, 74. 63 Textor 1999 (online unter : http://www.kindergartenpaedagogik.de/19.html; abgerufen am 16. 4. 2017). 64 Die Frage, ob Unterricht ein bestimmtes, enges Ziel verfolgen kann, muss aus konstruktivistischer Perspektive verneint werden. Bei der Planung und Gestaltung von Unterricht kann ein Zielfeld im Fokus sein, wobei die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Impulse im Unterricht aufnehmen und diese individuell verfolgen. Dies soll ebenso wenig als Absage an bewusste Unterrichtsplanung verstanden werden. Es geht vielmehr um ein Bewusstwerden von Grenzen und dessen, was planbar ist.

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2.5

Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

Voraussetzungen, damit Theologisieren fruchtbar werden kann

Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen ist ein sensibles Feld, das für deren religiöse Entwicklung und die Ausbildung eines begründeten Standpunktes bei unterschiedlichen Themen bzw. Fragestellungen bedeutsam ist. Damit dies gelingen kann, sind unterschiedliche Voraussetzungen zu bedenken. Im Folgenden werden Voraussetzungen, die bei der Lehrperson liegen, und solche, die im Hinblick auf das Lernsetting sowie die Wahl von Methoden eine Rolle spielen, beleuchtet.

2.5.1 Voraussetzungen bei der Lehrperson Beim Theologisieren, so Schweitzer65, geht es in erster Linie um ein Bemühen, die Sichtweisen der Kinder wahrzunehmen, wertzuschätzen und aufzuwerten sowie Kinder »stark zu machen«66. Gerade die Wertschätzung der Fragen und Gedanken der Kinder wird in den verschiedenen Aufsätzen der Jahrbücher für Kindertheologie sowie einschlägigen Studien, wie sie bereits mehrfach genannt wurden, deutlich.67 In Anlehnung an Nipkow68 formuliert Freudenberger-Lötz für das Theologisieren mit Kindern als langfristige Ziele die Förderung und den Erwerb von kognitiver Klarheit69 und emotionaler Sicherheit.70 Neben der Förderung der religiösen Sprachfähigkeit kann mit Schweitzer die Förderung der religiösen Kommunikationsfähigkeit, im Sinne einer Kommunikation mit anderen über religiöse Fragen und Inhalte, ergänzt werden. Die religiöse Kommunikationsfähigkeit geht somit deutlich über die religiöse Sprachfähigkeit hinaus, setzt diese aber voraus.71 65 Vgl. Schweitzer 2011. 66 Vgl. Schweitzer 2011, 55. 67 Im Hinblick auf kindertheologische Forschung weisen Zimmermann und Schweitzer jedoch darauf hin, dass es nicht reicht, sich mit erwarteten Ergebnissen (aus Erwachsenenperspektive) zufriedenzugeben, sondern es dringend erforderlich ist, geeignete Methoden zu wählen, die es ermöglichen, das von den Kinder Gemeinte wirklich zu verstehen (vgl. Schweitzer 2011, 203f.; Zimmermann 2010, 127f., 166). Diesem Anliegen soll mit dieser Studie nachgekommen werden. 68 Vgl. Nipkow 1998, 491. 69 Darunter versteht sie, dass »Kinder und Jugendliche vernetztes Wissen erwerben und eine Ordnung in ihrer religiösen Vorstellungswelt erzielen« (Freudenberger-Lötz 2011, 13). 70 Freudenberger-Lötz 2011a, 13. 71 »Religiöse Kommunikationsfähigkeit […] orientiert sich von vornherein an Beziehungen, Gemeinschaft und Zugehörigkeit. An erster Stelle kommt es deshalb nicht auf die Sprachfähigkeit des Einzelnen an, sondern darauf, wie religiöse Inhalte oder Glaubensfragen einen

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Religiöse Sprach- und Kommunikationsfähigkeit setzen gleichsam einen Unterricht voraus, der solche Gespräche sowie entsprechende Lernsettings ermöglicht und fördert. Neben einer entsprechenden Unterrichtsplanung und echtem Interesse der Lehrperson72 an den Gedanken der Kinder muss diese in der Lage sein, während des gemeinsamen Gesprächs die Kinder und deren Aussagen als »aufmerksame Beobachterin« wahrzunehmen, als »begleitende Expertin« an entsprechenden Stellen Informationen einzuspielen und als »stimulierende Moderatorin« das Gespräch so zu moderieren, dass die Kinder zum Nach- und Weiterdenken angeregt werden.73 Als Voraussetzungen für ein gelingendes Gespräch74 kann mit Schweitzer die Vertrautheit mit der Lerngruppe und die Kenntnis kindlicher Zugangs- und Aneignungsweisen ergänzt werden.75 Wie entsprechende Haltungen ausgebildet76 und Lehrpersonen befähigt werden können, ist immer wieder die Frage. Hierzu sind noch weitere wissenschaftliche Forschungen erforderlich77. Die Befähigung angehender Lehrerinnen und Lehrer wird beispielsweise in der Forschungswerkstatt der Universität Kassel in vorbildlicher Weise in das Studium integriert. Konkrete Erfahrungen können gemacht und reflektiert werden, professionelles Handeln wird grundgelegt und aufgebaut.78

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Platz in Beziehungen finden können.« (Schweitzer 2011, 226) Hier geht es in erster Linie nicht um den Religionsunterricht, sondern den Alltag der Kinder. Religiöse Kommunikationsfähigkeit zeigt sich nach Schweitzer vor allem in Alltagsgesprächen der Kinder. Vgl. Schluß 2005; Freudenberger-Lötz 2007. Freudenberger-Lötz beschreibt die drei Aufgaben bzw. Rollen der Lehrperson und deren wechselseitige Bezogenheit in ihrem Band (2007, 41–52) ausführlich (vgl. dazu auch Freudenberger-Lötz 2008). Eine bewusste Klärung der unterschiedlichen Rollen bei theologischen Gesprächen ist gerade auch im Hinblick auf die asymmetrische Konstellation zwischen Lehrperson und Kindern erforderlich. Bereits das Generationenverhältnis und die Tatsache, dass die Lehrperson über fachliches Wissen verfügt, können ein Gespräch auf Augenhöhe erschweren, ohne dass dies von der Lehrperson in irgendeiner Weise bewusst eingebracht wird. Ob ein Gespräch als gelungenes Gespräch bezeichnet werden kann, hängt von den jeweils gesetzten Zielen ab, anhand derer es schließlich beurteilt wird. Dazu ist es notwendig, sich diese im Vorfeld bewusst zu machen und diese festzulegen. (Vgl. auch Freudenberger-Lötz 2007; 2008). Vgl. Schweitzer 2011, 204–207. Vgl. auch das Lehrer-Trainingsprogramm »Performance Simulator« der Helga Breuninger Stiftung. Vgl. Schweitzer 2011, 205. Vgl. dazu die Arbeiten von Freudenberger-Lötz (2007; hier noch bezogen auf ein Angebot an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe), Rothenbusch (2013), Reiß (2015) und Kitzinger (2015). Freudenberger-Lötz beschreibt vier Kategorien als Voraussetzung bei Lehrerinnen und Lehrern: 1. Eine offene, ermutigende und wertschätzende Haltung (Lehrperson), 2. vielfältige Beteiligungschancen auf unterschiedlichem Niveau werden gesetzt (Lernsetting), 3. Gesprächsimpulse werden gesetzt, Deutungsspielräume eröffnet (Gesprächsführung) und 4. Gedanken der Kinder werden aufgenommen und ins Gespräch gebracht (Kinder). (Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 112–116) Hanisch (2001) sieht die Kompetenz, theologisch dif-

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Beim Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen – hier sind sich die Vertreterinnen und Vertreter der Kindertheologie einig – braucht es authentische Lehrpersonen »als glaubende und möglicherweise auch zweifelnde Menschen«79, Lehrerinnen und Lehrer also, die sich aus einer christlichen Position heraus in die Gespräche einbringen und dabei auch ihr eigenes Lernen, Suchen und Zweifeln einbringen. In erster Linie agieren sie hier nicht als Personen, die Antworten geben, sondern vielmehr als solche, die sich aus ihrer christlichkonfessionellen80 Perspektive auf die Fragen und Themen der Kinder einlassen, ihnen dadurch Vorbild sein können oder auch eine gewisse Reibungsfläche bieten. Aber auch als Lehrerinnen und Lehrer, die selbst Lernende sind und sich durch die Gedanken und Konstruktionen der Kinder anregen lassen.81 Eine glaubende Haltung der Kinder in Theologischen Gesprächen ist im Umkehrschluss nicht erforderlich.82 Die Kinder können im Sinne von Laientheologie eine solche einnehmen, es ist aber ebenso möglich, sich aus einer distanzierten Position heraus am Gespräch zu beteiligen. Dabei können unterschiedliche Positionen im Sinne einer Performativen Didaktik vorübergehend eingenommen und erprobt werden. In Anbetracht der zunehmend steigenden Zahl der konfessionslosen Kinder im Religionsunterricht oder auch der Zahl von Kindern und vor allem Jugendlichen, die sich immer wieder bewusst von einer glaubenden Haltung distanzieren, ist es notwendig, den Schülerinnen und Schülern

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ferenziert zu denken und zu sprechen, gerade bei Grundschullehrerinnen und -lehrern als problematisch. Dies mag gerade in Baden-Württemberg oft auch auf die Lehrpersonen mit Evangelischer Theologie als affinem Studienfach zutreffen. Freudenberger-Lötz (2007) zeigt hingegen eindrücklich, wie die Kompetenzen der Studierenden durch eine gezielte eigene Auseinandersetzung, praktische Übung und Reflexion während des Studiums aufgebaut und erweitert werden können. Die Erfolge regen zur Nachahmung an. Solche Ansätze sollten grundlegend zur Lehrerausbildung gehören. Freudenberger-Lötz 2011a, 15. Die Perspektive der Lehrperson ist an unterschiedlichen Stellen auch von der je eigenen Konfession und religiösen Sozialisation geprägt. Diese konfessionelle Sicht, die der Lehrperson teilweise bewusst und teilweise auch nicht bewusst ist, darf in den Unterricht im Sinne von Authentizität eingetragen werden. Gleichwohl sollte sie soweit als möglich reflektiert sein bzw. werden. Härle sieht es als besondere Chance des Theologisierens mit Kindern und Jugendlichen, das theologische Denken Erwachsener aufzuscheuchen und zu beunruhigen. »Diese Form der produktiven Beunruhigung und Infragestellung christlicher Glaubensaussagen und theologischer Einsichten kann gar nicht aufmerksam genug wahrgenommen werden.« Der größte theologische Gewinn liegt für ihn in der »Verfremdung des Vertrauten«, was passiert, wenn Kinder aus ihrer lebensweltlichen Perspektive einen Zugang zu Glaubensaussagen suchen. – Mit der »Verfremdung des Vertrauten« kann es gelingen, »eine fraglose Perspektive zu irritieren und mit einer völlig neuen, ungewohnten Sichtweise zu konfrontieren. Insofern steckt in solchen Verfremdungen ein beachtliches kreatives Potential […]«. (Härle 2004, 26). Dies stellt auch Reiß in ihrer Studie fest und verweist dabei noch einmal auf Schlag, Schweitzer und Porzelt. (Reiß 2015, 586).

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mit einer großen Offenheit83 beim Theologisieren zu begegnen. Das heißt, sie dürfen sich distanzieren und können gleichzeitig unterschiedliche Positionen ausprobieren, ohne dass ihnen diese Positionen als eigene zugeschrieben werden. Ziel ist es, dass die Schülerinnen und Schüler »lernen, ihren eigenen Glauben (oder auch Nichtglauben) überzeugend zu formulieren und zu begründen«84. Wird mit dem Theologisieren das Ziel verfolgt, Kinder stark zu machen und sie als kompetente Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner für religiöse Frage- und Themenstellungen zu befähigen, dann muss konsequent vom Kind aus gedacht werden. Für Schweitzer bedeutet dies, dass die Themen nicht auf bestimmte Inhalte der christlichen Dogmatik festgelegt werden können, sondern alle Fragen und Interessen, die mit religiösen Fragestellungen in irgendeiner Form in Verbindung stehen, ihre Berechtigung haben. Für ihn gehören selbstverständlich auch Fragen, die den Glauben oder das Gottesbild anderer Religionen betreffen, zum Bereich der Kindertheologie.85 Eine solche Sichtweise

83 Freudenberger-Lötz arbeitet in ihrem Ansatz vier Kategorien heraus, die Lehrpersonen in Theologischen Gesprächen beachten sollen. »Eine offene, ermutigende, wertschätzende Haltung den Schüler/innen gegenüber ist die Grundvoraussetzung aller Gespräche mit Kindern.« (Freudenberger-Lötz 2007, 112). 84 Lenhard 2007, 93; vgl. auch Freudenberger-Lötz/Reiß 2009, 258. 85 Vgl. Schweitzer 2011, 49. Ausgehend von einem Theologiebegriff, »der untrennbar mit der christlichen Tradition verknüpft ist«, kann für Zimmermann (2010, 86) »Kindertheologie nicht auf andere Religionen übertragen werden« (ebd.). Dabei setzt sie ihre Sichtweise (vgl. Zimmermann 2010, Fußnote 378) bewusst in Kontrast zu Friedrich Schweitzer (allerdings bezogen auf eine andere Veröffentlichung Schweitzers). Für mich ist die Formulierung von Zimmermann nicht ganz eindeutig, wenn sie weiter schreibt: »Das kindliche Denken über oder in anderen Religionen mag vielleicht als ›Kinderreligion‹ bezeichnet werden, ist aber von der Kindertheologie zu trennen.« (ebd.) Die Autorin versteht es so, dass Theologisieren mit Kindern beispielsweise nicht ohne weiteres auf den Islam oder das Judentum übertragen werden kann als eine Herangehensweise zur kindlichen Auseinandersetzung mit Fragen oder Inhalten des Glaubens in der jeweils anderen Religion. Möglicherweise ist für Zimmermann auch eine Innenperspektive erforderlich. Wäre dies der Fall, ist zu bedenken, dass bereits heute viele Kinder diese nicht mehr mitbringen. Das kindliche Nachdenken über andere Religionen hingegen – dort wo es Glaubensfragen betrifft – sieht die Autorin in Anlehnung an Schweitzer als Teil der Kindertheologie. Wenn Kinder beispielsweise über ihr Gottesbild in der Auseinandersetzung mit islamischen Kindern oder auch Erwachsenen nachdenken, dann ist das Kindertheologie. Aus christlicher Perspektive kann auf andere Religionen geblickt werden, ohne dass dadurch Kindertheologie auf den Islam übertragen wird. Nimmt man die Diskussion um das interreligiöse Lernen ernst und bedenkt, dass die Ausbildung einer eigenen christlichen Identität auch in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen erwächst, kann es kaum anders verstanden werden. Von daher stellt sich die Frage, ob die unterschiedlichen Bezugspunkte an dieser Stelle überhaupt eine gemeinsame Diskussionsgrundlage darstellen können. Zimmermann hat den Theologiebegriff als Bezugspunkt, für Schweitzer hingegen ist Kindertheologie »als Denken über religiöses Denken« (Schweitzer 2003a, 11) der Ausgangspunkt seiner Überlegungen.

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stellt die Lehrperson vor die Herausforderung, im Unterricht den Fragen und Themen der Kinder Raum zu geben. Kinder sind nicht per se kompetente Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in Theologischen Gesprächen, sondern sie sollen entsprechende Kompetenzen auch durch Theologische Gespräche erwerben bzw. weiter ausbilden. Um dies zu ermöglichen, stellt sich die Frage, wie ein angemessenes und förderliches Verhältnis von Theologie »der«, »mit« und »für« Kinder86 aussieht. Die Lehrperson nimmt dabei – wie oben bereits dargestellt – unterschiedliche Rollen im Unterricht ein: Sie beobachtet, motiviert, regt an, initiiert, provoziert, bringt Fachwissen ein (dosiert, an geeigneten Stellen), begleitet, ermöglicht neue Perspektiven etc. Um diese vielfältigen und komplexen Aufgaben professionell ausführen zu können, bedarf es einer differenzierten Vorbereitung des Unterrichts sowie der Reflexion des eigenen Handelns. Es gilt sich im Vorfeld über Lernwege und Lernsettings Gedanken zu machen und diese entsprechend zu planen und zu gestalten. Damit Kinder eine religiöse Kommunikationsfähigkeit ausbilden können, reicht es nicht aus, Theologische Gespräche lediglich zu ermöglichen und den Kindern Raum dafür zu geben. Sie brauchen kompetente und professionelle Begleitung in einem umfassenden Sinn: authentische Lehrpersonen, die Kinder und Jugendliche in ihrem Fragen und Suchen ernst nehmen, entsprechende Lernsettings arrangieren, Gespräche führen, offen sind für deren Konstruktionen etc.

2.5.2 Voraussetzungen in Bezug auf Lernsettings und Methoden Neben der Lehrperson mit ihrer offenen Haltung spielen das Lernsetting sowie die damit in Verbindung stehende Wahl von Methoden eine Rolle. Die Frage nach Lernwegen und Methoden bzw. nach damit in Verbindung stehenden Lernsettings wurde bisher in den Beiträgen zur Kindertheologie eher weniger diskutiert. Ein vielfältiges methodisches Vorgehen im Unterricht wurde meist für den Bereich der Grundschule als selbstverständlich vorausgesetzt, weniger speziell in den Blick genommen.87 Dies hängt meines Erachtens auch damit 86 Vgl. Schweitzer (2003a, 11–16) und (2011, 51). »Theologie der Kinder« sind »von Kindern selbst hervorgebrachte und zum Ausdruck gebrachte Deutungsweisen, als Nachdenken über religiöse Vorstellungen«. Mit »Theologie mit Kindern« ist der »Austausch über theologische Fragen vor allem in Gesprächen, aber auch im Medium kreativer Ausdrucksformen« gemeint. »Theologie für Kinder« beinhaltet schließlich »Impulse und Anregungen, die das theologische (Nach-)Denken von Kindern unterstützen können (besonders Erzählungen, Bilder)«. (Schweitzer 2011, 51). 87 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007 u. 2011; Kammeyer 2009; Schweitzer 2011; Benz 2015; Reiß 2015; Kunze-Beiküfner 2009.

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zusammen, dass im Hinblick auf den Unterricht das Theologische Gespräch88 als solches, die Konstruktionen der Kinder sowie andere didaktische Fragestellungen im Fokus der Forschung standen. Wenn im Kontext der Diskussion um Kindertheologie von Methoden die Rede ist, sind damit in der Regel Forschungsmethoden gemeint. Ein Blick in die Kinderphilosophie und die Erfahrungen von Gareth Matthews soll die Frage nach Lernsettings und Methoden eröffnen. Von hier aus wird dann der Faden der Kindertheologie wieder aufgenommen. Gareth Matthews beobachtete bei drei- bis siebenjährigen Kindern, dass diese oft und gerne von sich aus »spontane Ausflüge in die Philosophie«89 machten. Bei Schulkindern war dies seltener der Fall oder es zeigte sich seltener. Mit verschiedenen Geschichten, die ein philosophisches Problem zum Thema hatten, gelang es ihm schließlich, die Schulkinder herauszufordern und in ein angeregtes Gespräch zu verwickeln.90 Davon ausgehend folgerte Matthews, dass vor allem ältere Kinder »gezielte methodische Anstöße brauchen, um ins Gespräch zu kommen«91. Matthews geht davon aus, dass die natürliche Neugier und das unermüdliche Fragen und Nachdenken im Lauf der Zeit überlagert bzw. in den Hintergrund gedrängt werden.92 Dieses Phänomen wird von Weber als »Verschüttungsthese« bezeichnet.93 Im Gegensatz dazu fällt auf, dass Angela Kunze-Beiküfner bereits für den Elementarbereich von verschiedenen methodischen Möglichkeiten im Kontext des Theologisierens mit Kindern berichtet.94 Petra Freudenberger-Lötz bringt die Bedeutung einer anregenden Lernumgebung im Zusammenhang mit der Forderung von Lernlandschaften im Kontext des Theologisierens zum Ausdruck.95 Auch Annike Reiß spricht in ihrer Arbeit von der Notwendigkeit methodischer Vielfalt beim Theologisieren mit Jugendlichen.96 Von daher scheint es, dass die Frage nach den Methoden und Lernsettings nicht am Alter festzumachen ist und ebenso wenig am Konzept des Philosophierens bzw. Theologisierens. Vielmehr legt sich der Schluss nahe, dass mit der Frage nach (geeig88 Hierbei kann beispielsweise an die Kriterien für Theologische Gespräche, Gesprächsmethoden oder auch die Professionalisierung der Lehrpersonen gedacht werden. 89 Matthews 1995 bzw. 1994, 13. 90 Schon zuvor setzte auch Lipman Geschichten in der Arbeit mit Kindern ein (vgl. Lipman 1990). 91 Zimmermann 2015, 19. 92 Ähnliches im Hinblick auf die Kreativität von Kindern wird im Film »Alphabet. Angst oder Liebe« von Erwin Wagenhofer deutlich. 93 Vgl. Zimmermann 2015, 19. Zimmermann zitiert hier aus der Abschlussarbeit von Christian S. Weber. 94 Vgl. Kunze-Beiküfner 2009. 95 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 67ff., 126f. 96 Reiß 2015, 585.

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neten) Methoden, um davon ausgehend mit den Kindern ins Gespräch zu kommen oder ihnen eine vertiefte Auseinandersetzung zu ermöglichen, die Frage nach zugrunde liegenden Vorstellungen von Lernen steht. Im Folgenden wird zunächst die Diskussion um Methoden im Bereich der Kindertheologie skizziert und es werden einige Zugänge dargestellt, um dann erneut nach der Bedeutung der Methoden für das Theologisieren mit Kindern im Rahmen des Lernsettings zu fragen. Bereits 2007 hat Elisabeth Schwarz, ausgehend von der Auseinandersetzung mit dem sokratischen Dialog97, zu fünf zentralen Bereichen Methoden gesammelt. Es handelte sich um Methoden, die helfen Begriffe ins Gespräch zu bringen und diese genauer zu erklären, Methoden zur Begründung von Meinungen, Methoden zur Untersuchung von Thesen und Gegenthesen und schließlich Methoden mit Bildern, Metaphern und skurrilen Einfällen zur Klärung. Alle vorgeschlagenen Methoden wie Blitzlicht, Cluster, Standbild, Gedicht, Definition, Fragenstellen, Dilemmageschichten, Metaphern bilden dienten dem Ziel – ausgehend vom Vorgehen Sokrates’ – Theologische Gespräche zu ermöglichen und das Nachdenken der Kinder anzuregen.98 Mirjam Zimmermann nimmt den Aspekt der Methoden in ihrer »Kindertheologie« (2010) erstmals differenzierter in den Blick. Sie fragt zu Beginn, »ob die Anwendung konkreter Methoden nicht dem Grundanliegen der Kindertheologie widerspricht, die in ihrer Perspektive vom Kind aus gerade keine Lernziele formulieren oder vorgefasste Theologumena effektiv vermitteln möchte«99. Diesem Grundanliegen kann nicht widersprochen werden, so dass für eine weiterführende Diskussion nach einer Definition von Methoden100 gefragt werden muss. Zimmermann definiert deshalb: 97 Sie nahm diesen als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen, weil es ein »gutes Modell für gründliches, kritisches und kreatives Nachdenken« (Schwarz 2007, 166) darstellt. Gleichzeitig kritisiert sie selbst das sokratische Modell und sieht es als wenig hilfreich für die Religionspädagogik an. (Vgl. auch Schweitzer 2011, 75) »Wenn beim Theologisieren mit Kindern eigenständiges kindliches Nachdenken über Gott und Welt ermöglicht werden soll, wenn man kindliche Theologien ins Gespräch bringen will, dann darf also gerade nicht so vorgegangen werden, wie es Sokrates in diesen Dialogen getan hat. Sokrates hat dort als ›Hebamme‹ vor allem ›sein eigenes (gedankliches) Kind‹ zur Welt gebracht.« (Schwarz 2007, 166) Axel Wiemer sieht die Grenzen der »Maieutik« (»Hebammenkunst«) im Kontext des Theologisierens insbesondere dann gegeben, wenn, im Bild der Hebamme gesprochen, zuvor keine Befruchtung stattgefunden hat. »Solche Befruchtung, das wäre die Aufgabe einer Theologie für Kinder bzw. Jugendliche: Nah an ihren Fragen oder relevanten Themen Impulse anzubieten, wie sich dieses oder jenes sehen oder verstehen ließe, etwa in Form von Statements, Identifikationsangeboten durch fiktive oder historische Erzählungen und nicht zuletzt in Beschäftigung mit biblischen Texten.« (Wiemer 2017, 8). 98 Vgl. Schwarz 2007, 166–177. 99 Zimmermann 2010, 188. Mit dieser Definition lehnt sie sich an Meyer/Jank (2002, 54) an. 100 Es gibt eine Fülle von Definitionen in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion. Hilbert Meyer formuliert: »Es gibt kaum einen anderen Problembereich der Erziehungswissen-

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»Methoden sind hierbei nicht als ein zweckgeleitetes Mittel von oben zur Erreichung eines bestimmten Zieles engzuführen, sondern sind Formen, die einen dialogischen Prozess fördern. Sie stellen also immer zugleich Vermittlungs- und Aneignungsverfahren dar.«

Somit kann festgehalten werden, dass es nicht um die Erreichung eines festgeschriebenen Zieles geht – was in einem kompetenzorientierten Unterricht so auch nicht möglich ist – sondern um die Frage, welche Methoden, Formen und Verfahren den dialogischen Prozess im theologischen Nachdenken der Kinder fördern. In ihren weiteren Ausführungen greift Zimmermann auf Kinderfragen als Ausgangspunkt und das sokratische Gespräch als Impulsgeber zurück und führt diese weiter in das »johanneische Gespräch als Leitbild eines Theologisierens mit Kindern«101. Verstehen wird dabei als Weg verstanden, wobei die theologische Erkenntnis Prozesscharakter hat.102 Ihre Ausführungen lassen den Eindruck gewinnen, Dreh- und Angelpunkt oder Ziel des Theologisierens mit Kindern ist das Gespräch, Methoden haben lediglich dienende Funktion.103 Nimmt man den Prozesscharakter der theologischen Erkenntnis – wie Zimmermann es formuliert – ernst, kann danach gefragt werden, was Kindern auf ihrem Weg des Verstehens und der theologischen Erkenntnis helfen kann. Im Hinblick auf die Planung und Gestaltung von Lernsequenzen und Lernsettings für den Religionsunterricht ist dies eine zentrale Frage. Im Blick auf die Didaktik bleibt zu überlegen, welche Funktion Methoden beim Theologisieren mit Kindern haben bzw. in welchem Verhältnis Methoden und Theologisches Gespräch zueinander stehen. Aus dieser Perspektive soll nun das Handbuch zum Theologisieren mit Kindern104 und das Jahrbuch für Kindertheologie von 2015 in den Blick genommen werden, die sich beide der Methodenfrage widmen und gleichzeitig die aktuelle Diskussion widerspiegeln. Die Durchsicht beider Bände sowie der

101 102 103

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schaft, in dem trotz umfangreicher empirischer Forschungen und trotz einer Hülle und Fülle an Ratgeber- und Rezeptliteratur ein ähnlich großes Durcheinander in der Begriffsund Theoriebildung herrscht wie in der Unterrichtsmethodik.« (Meyer 1987, 38) Von daher ist es wenig verwunderlich, dass auch in dieser Arbeit nach einem angemessenen Verständnis gefragt wird. Zimmermann 2010, 200ff. Zimmermann 2010, 201. Auch für Freudenberger-Lötz sind mit dem Theologisieren langfristige Prozesse verbunden, die zu kognitiver Klarheit und emotionaler Sicherheit führen können bzw. sollen. (vgl. Freudenberger-Lötz, 2011a, 13). Im Zentrum der Argumentation von Zimmermann steht das Gespräch mit den Kindern, ebenso greift sie über mehrere Seiten hinweg auf die Studie von Petra Freudenberger-Lötz (2007) zurück, die sich dem Theologischen Gespräch, der Gesprächsführung, den Voraussetzungen sowie der Professionalisierung der Lehrperson in besonderer Weise gewidmet hat. Vgl. Büttner u. a. 2014a.

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

bisherigen Jahrbücher für Kindertheologie zeigt, dass vielfältige methodische Möglichkeiten im Zusammenhang mit dem Theologisieren eingesetzt werden. Das Spektrum reicht vom Theologisieren mit Kunstbildern, Bilderbüchern, Geschichten, Kurzfilmen, Liedern, Egli-Figuren bis hin zu Bodenbildern bzw. Legematerialien – also Methoden, die von einem (Leit-)Medium ausgehen. Daneben wird es mit Ausdrucksformen wie Malen, Zeichnen oder Schreiben in Verbindung gebracht oder auch anderen Konzepten, wie Godly Play oder Jeux Dramatiques. In ihrer Analyse fasst Zimmermann diese alle zu »vermittlungsorientierten Methoden«105 zusammen, also Methoden, die im unterrichtlichen Geschehen eine Rolle spielen. Die »Methode muss kognitiv herausfordern, bzw. Erfahrungen zur Verfügung stellen, die kognitiv reflektiert werden können«106. Zimmermann überlegt, ob Methoden, die die sprachliche Reflexion anregen, Methoden für ältere Schülerinnen und Schüler und »ganzheitlich sinnorientierte« Methoden eher für jüngere Kinder angemessen sind. Die Durchsicht der Veröffentlichungen zeigt jedoch, dass eine Zuordnung von Methoden zu Altersgruppen den Umsetzungen in der Praxis nicht entspricht. Auffallend ist laut Zimmermann, dass das Malen im Elementar- und Primarbereich dominiert.107 Ein Blick in das Handbuch sowie die Veröffentlichungen von Kunze-Beiküfner aus dem Elementarbereich zeigt jedoch, dass neben dem Malen durchaus andere gestalterische Formen stehen. Die bisherigen Überlegungen konnten die Frage nach der Funktion der Methoden in der Kindertheologie jedoch noch nicht hinreichend klären. Mit Zimmermann kann festgehalten werden, dass bei der Frage nach der Wahl der Methode immer auch die Frage nach dem Inhalt und dem Ziel mitschwingt.108 Deshalb soll die Frage nach dem Ziel noch einmal ins Zentrum gerückt werden. Ziel des Theologisierens mit Kindern ist es, »Lehr- und Lernprozesse so zu initiieren, dass Kinder in ihrer theologischen Eigenaktivität angeregt und ge-

105 Zimmermann unterscheidet zwei kategorial unterschiedliche Perspektiven auf Methoden im Bereich der Kindertheologie: »Wahrnehmungsorientierte Methoden« als Methoden qualitativer Sozialforschung, wenn es um die Interpretation von Kinderäußerungen bei Theologischen Gesprächen geht und »vermittlungsorientierte Methoden« als Unterrichtsmethoden, die das kindertheologische Anliegen unterstützen. Vermittlung möchte hier im »ureigentlichen Sinn des Wortes die Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern in pädagogischen Prozessen einer methodischen Reflexion und Kontrolle unterziehen«. (Zimmermann 2010, 167; vgl. auch Zimmermann 2015, 20.) Dennoch ist hier der Begriff »Vermittlung« missverständlich, da Vermittlungsdidaktik und Aneignungsdidaktik als kategorial unterschiedliche Wege beim Lernen beschrieben werden. Beim Theologisieren spielt weniger Vermittlung als vielmehr Aneignung eine Rolle, wobei Konstruktionsprozesse bei den Kindern angeregt werden sollen. 106 Zimmermann 2015, 27. 107 Vgl. Zimmermann 2015, 25. 108 Vgl. Zimmermann 2015, 21, 25.

Voraussetzungen, damit Theologisieren fruchtbar werden kann

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fördert werden sollen«109. Wenn hier von Eigenaktivität die Rede ist, dann ist damit meist – und bei Zimmermann im Besonderen – die kognitive Eigenaktivität gemeint. Ein Blick auf Piaget macht deutlich, dass eigenes Tun, Erproben und Entdecken sowie auch Anschauung die kognitive Entwicklung anregen und fördern.110 Von daher ist der Weg des Verstehens bzw. zur Erkenntnis stärker ins Zentrum zu rücken. Er ist Teil des gesamten Lernprozesses und somit auch des Lernsettings und kann nicht nur als Beiwerk oder Hinführung zum Höhepunkt111 – dem Theologischen Gespräch – gesehen werden. Ebenso ist danach zu fragen, wie Kinder den Weg und die Ergebnisse ihres Nachdenkens nicht nur in Sprache fassen, sondern grundsätzlich darstellen können, z. B. gestalterisch, mimisch, gestisch, klanglich.112 Solche Überlegungen sind auch angesichts der Heterogenität in den Lerngruppen, gerade auch in jahrgangsübergreifenden113 oder inklusiven Lerngruppen114, von Bedeutung. Nicht alle Kinder können sprachlich all das zum Ausdruck bringen, was sie zu denken fähig sind. Fried spricht in diesem Zusammenhang auch von intuitivem Verstehen115 bei Kindern, d. h. sie haben einen unmittelbaren Zugang zu Themen und Inhalten, ohne dies rational darlegen zu können. Deshalb brauchen Kinder eine Vielfalt an Möglichkeiten, um ihr »Verstehen« zum Ausdruck bringen zu können. Unter der Perspektive, dass das Theologisieren weit über das Theologische Gespräch hinausreicht – ein methodisches Arrangement den Lernweg dabei umgibt, fördert und begleitet – soll an dieser Stelle eine Kategorisierung der Methoden im Kontext des Theologisierens versucht werden. Ausgehend von der Betrachtung des Lernweges lassen sich initiierende Methoden von Methoden, die der Auseinandersetzung dienen, und solchen, die eine 109 Zimmermann 2015, 27. 110 Es geht an dieser Stelle um die Tatsache, nicht aber das an Altersnormen geknüpfte strukturelle Phasenmodell. 111 Im Hinblick auf inklusive Settings oder besonders junge Kinder muss auch gefragt werden, ob an Theologischen Gesprächen als »Höhepunkt« oder »Zentrum« festgehalten werden kann oder ob andere Möglichkeiten der Expression gleichwertig danebengestellt werden können oder müssen. 112 Vgl. auch Schweitzer 2011, 77. 113 Vgl. Knapp 2014. 114 Interessante Beiträge zu vielfältigen Perspektiven von Inklusion und Kindertheologie werden bei Kammeyer u. a. (2014) dargestellt. Inklusion wird hier nicht auf geistige oder körperliche Beeinträchtigungen reduziert, sondern es liegt ein weiter Inklusionsbegriff zugrunde. 115 Vgl. Fried 2012. Lilian Fried spricht bei Kindergarten- und Grundschulkindern von intuitiven Theoretikern. Wie lange dieses intuitive Wissen besteht, bleibt offen, es wird jedenfalls irgendwann von der Phase der formalen Operationen (Piaget) abgelöst. Die Entwicklung junger Kinder hängt stärker von ihrem Vorwissen ab als deren Intelligenz (vgl. Fried 2012, 23). Auch Büttner (2008; 2010b) spricht auf der Grundlage der Kontingenzverarbeitung vom Konzept der »intuitiven Theologie« bei Kindern, auch wenn dies empirisch noch gesichert werden muss.

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

Darstellung von Konstruktionen im Blick haben, unterscheiden. Initiierende Methoden (1) sind solche, die das Nach- und Weiterdenken eröffnen und anregen, wie zum Beispiel die Arbeit mit Kinderfragen, Geschichten, Bildern oder Positionen. Methoden der Auseinandersetzung (2) sind besonders vielfältig. Neben sprachlichen Methoden ist hier vor allem an kreative, gestalterische und handlungsorientierte Methoden zu denken, die auch unterschiedliche sinnliche Erfahrungen ermöglichen. Darstellende Methoden (3) sind neben dem Gespräch und dem schriftlichen Ausdruck auch auf der gestalterischen, kreativen und darstellenden Ebene angesiedelt. Das Gespräch bereichert und ergänzt jede dieser Kategorien. Gerade in Gruppensituationen wie dem Unterricht werden im Gespräch unterschiedliche Konstruktionen, Haltungen und Perspektiven zugänglich, so dass eine Grundlage für das gemeinsame Theologisieren entsteht. Je nach didaktischem Ort, also je nach Intention, kann ein und dieselbe Methode unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden. Ein Bild oder eine Karikatur kann zu Beginn eines Lernweges stehen und die Lernenden dazu anregen, an ihr Vorwissen anzuknüpfen oder Fragen zu stellen. Eine Bildbetrachtung kann ebenso eine Methode der Auseinandersetzung sein, wenn sich Kinder in diesem Kontext beispielsweise mit der Frage, ob Jesus Josefs Kind oder Gottes Sohn ist, auseinandersetzen. Überschneidungen in der Zuordnung weisen darauf hin, wie komplex und wenig linear im Hinblick auf Lernsettings gedacht werden muss. Auch wenn sich die Kategorisierung am Lernweg orientiert, ist diese nicht linear als ein Nacheinander zu verstehen.

Initiierende Methoden

Methoden zur Auseinandersetzungg

Gespräch Darstellende Methoden

Abb. 2: Das Ineinander von Gespräch und Methoden beim Theologisieren mit Kindern

Theologisieren von, mit und für Kinder

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In Abbildung 2 wird deutlich, dass sich die Kategorien teilweise überschneiden, je nachdem, an welcher Stelle des Lernprozesses bzw. des Erkenntnisgewinns sich ein Kind im Augenblick befindet. Ebenso können Methoden gleichzeitig unterschiedliche Funktionen haben und somit unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden – je nach Inhalt und Ziel. Dabei ist auch zu unterscheiden, ob es um den individuellen Lernweg eines Kindes oder den Lernweg einer Lerngruppe, also das gemeinsame Voranschreiten im Unterrichtsprozess, geht. Für das Lernen des Einzelnen ist es bedeutsam, ob die gewählte Methode und der gewählte Weg seinem jeweiligen Lernstand, seiner Lernentwicklung und seinem Lernstil entsprechen und somit das Kind in einem bestimmten Bereich voranbringen. Dieser kritischen Sicht im Hinblick auf das Lernen des einzelnen Kindes kann sozialpsychologisch die Bedeutung anderer für das Lernen des Einzelnen entgegengehalten werden. In welchem Verhältnis die beiden Sichtweisen zueinander stehen, bleibt hier offen. Beim Theologisieren ist das Lernen in seiner Komplexität in den Blick zu nehmen und dabei dem Lernweg Aufmerksamkeit zu schenken. Geht man vom Prozesscharakter des Erkenntnisgewinns aus, brauchen Lernende Zeit diesen aufzubauen und zu entfalten – Verstehen wird allmählich möglich. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich dies von selbst einstellt, ergeben sich weitere Fragen: Was konkret kann dem Lerner / der Lernerin auf dem Weg der Erkenntnis helfen? Welche Rolle spielt dabei das Gespräch? In welchem quantitativen und qualitativen Verhältnis stehen Methoden und Gespräch beim Theologisieren zueinander? Welche Bedeutung haben dabei die Mitlernenden bzw. die Lehrperson? Etc. Dies sind offene Fragen, die in der Forschung bisher wenig Beachtung gefunden haben. Differenzierte Hinweise zum Zusammenhang zwischen der Auseinandersetzung mit konkreten Inhalten in spezifischen Unterrichtssituationen und damit verbundenen Konstruktionen und Reflexionen soll diese Studie geben.

2.6

Theologisieren von, mit und für Kinder – eine aktuelle Verhältnisbestimmung116

Zu Beginn der kindertheologischen Bewegung und Diskussion standen die beeindruckenden Konstruktionen der Kinder, wie sie in vielen Transkriptausschnitten bis heute zu lesen sind, im Mittelpunkt. Die Wahrnehmung und 116 In vielen Veröffentlichungen wird unterschieden zwischen einer Theologie von, mit und für Kinder. Schweitzer selbst verwendet sowohl 2003 als auch 2013 immer wieder die Formulierung »der Kinder« statt »von Kindern«, wobei beide Formulierungen synonym verwendet werden.

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

Wertschätzung der Gedanken der Kinder haben durchaus ihre Berechtigung. Spätestens durch den Perspektivenwechsel in der Pädagogik, der das eigenständig lernende Kind ins Zentrum stellt, lag es nahe, auch in der Religionspädagogik die Perspektive der Kinder stärker in den Blick zu nehmen. Das eigenständige theologische Denken der Kinder legitimiert Härle durch die Laientheologie. Theologie von Kindern und wissenschaftliche Theologie können dadurch problemlos nebeneinanderstehen.117 Ausgehend von der Wertschätzung der Konstruktionen der Kinder legt Petra Freudenberger-Lötz in ihrer Arbeit zu den Theologischen Gesprächen den Fokus auf die fruchtbaren Gesprächssituationen zwischen Kindern und Erwachsenen – ausgehend von anregenden Lernlandschaften. Dabei geht es auch um die Frage, wie die theologischen Konstruktionen der Kinder angeregt und weitergeführt werden können, so dass diese nicht in einer Theologie der Kinder verharren. Sie arbeitete hierbei drei zentrale Aufgaben der Lehrperson heraus: Sie nimmt wahr, wie Lernende ein Thema bzw. eine Sache verstehen, sie regt Kinder zum weiterführenden Denken und Verstehen an und sie bringt Wissen zum Thema ein. Somit ist sie »aufmerksame Beobachterin«, »stimulierende Gesprächspartnerin« und »begleitende Expertin« zugleich.118 Theologisieren mit Kindern geht schließlich nicht ohne die Kinder und auch nicht ohne eine verantwortete Theologie für Kinder. Damit verbindet sie die drei Formen der Kindertheologie, die Friedrich Schweitzer bereits 2003 in die Diskussion eingebracht hat: Theologie von, mit und für Kinder.119 In einer ersten Verhältnisbestimmung zeigt er die Spannung zwischen einer Theologie der Kinder, einer Theologie mit Kindern und einer Theologie für Kinder und grenzt diese von religiösem Denken grundsätzlich ab. Eine »Reflexion über religiöses Denken«120, also das Reflektieren religiöser Vorstellungen, kennzeichnet Kindertheologie, so dass sich diese auf einer anderen kognitiven Ebene bewegt als religiöses Denken selbst.121 Aktuell wird die lange vernachlässigte Perspektive einer Theologie für Kinder verstärkt in den Blick genommen und diskutiert.122 So beklagt beispielsweise Zimmermann das Herausstellen theologischer Perlen einzelner Kinder, welche nicht repräsentativ sind. Vernachlässigt wird aus ihrer Sicht immer wieder die Frage nach einer durchgängigen Qualität von Kindertheologie bzw. dem Ertrag des Theologisierens für alle Kinder einer Lerngruppe und die damit einhergehende Nachhaltigkeit. Das Bild, das sie zeichnet, mutet düster an: Die Wis117 118 119 120 121 122

Härle 2004, 11–27. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 41ff. und 222ff.; 2008. Vgl. auch Zimmermann 2010, 122f. Schweitzer 2003a, 17. Vgl. Schweitzer 2003a, 9–18. Vgl. Jahrbuch für Kindertheologie, Bd. 12: Siehe Beiträge von Schweitzer, Zimmermann, Bucher und Pemsel-Maier sowie Pemsel-Maier/Schambeck 2015.

Theologisieren von, mit und für Kinder

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sensbasis der Kinder ist gering, Kinderäußerungen sind zufällig und punktuell, Kinderaussagen sind oft problematisch etc. Positiv gewendet kann man sagen, dass diese defizitorientierte Sicht deutlich macht, dass eine Theologie der Kinder nicht alleine stehen kann. Kinder brauchen salopp formuliert »Futter«, also Impulse, die sie zum Weiterdenken anregen. Ebenso darf das Theologisieren nicht nur für eine Gruppe von Kindern, die kognitiv zugänglich ist, interessant, relevant und ertragreich sein.123 Kinder brauchen ein verantwortetes Gegenüber, wie beispielsweise eine Theologie für Kinder. Schweitzer betont, dass es im Zusammenhang mit der Frage nach einer Theologie für Kinder nicht um eine »Mini-Theologie«124 im Sinne eines theologischen Konzentrats für Kinder gehen kann. Vielmehr soll jegliche Theologie für Kinder dem »eigenen Finden, Entdecken, Hervorbringen und Erkennen von Kindern«125 dienen. Damit Kinder in ihrem Denken weiterkommen, ist es wichtig, »nah an den Fragen oder relevanten Themen Impulse anzubieten, wie sich dieses oder jenes verstehen ließe«.126 Entsprechende Lernangebote sind »dann plausibel, wenn sie Kindern und Jugendlichen Lernmöglichkeiten erschließen, die ihnen sonst nicht offen stehen würden.«127 Kinder brauchen beim Theologisieren deshalb Inhalte bzw. Gedanken, die sie zuvor nicht kannten und welche sie zu weiterführendem Nachdenken anregen sowie neue Erkenntnisse bzw. Einsichten ermöglichen. In seinen Überlegungen argumentiert Schweitzer im Hinblick auf das Lernen der Kinder mit einem grundlegenden Bildungswert von Kindertheologie, den er am Bildungsverständnis von Klafki (Fundamentales, Exemplarisches und Elementares) und an dem von Baumert (Modi der Weltbegegnung) festmacht.128 Darüber hinaus knüpft er an Martens an, der das Philosophieren als eine Art Kulturtechnik betrachtet, welche die Kinder hierbei lernen sollen.129 Bei der Kindertheologie ist es das eigenständige theologische Denken, das diese von Anfang an ausmacht. Kinder lernen durch Theologische Gespräche, wie sie auf 123 Vgl. Zimmermann 2013, 40ff. 124 Schweitzer 2001, 85–89; 2013, 14; vgl. auch Pemsel-Maier 2013, 58f. und Wiemer 2017, 237ff. 125 Schweitzer 2013, 16; vgl. auch Pemsel-Maier 2013, 57–67. 126 Wiemer 2017, 8. 127 Schweitzer 2013, 19. 128 Ausgehend von Klafki verweist Schweitzer auf die drei Bestimmungskategorien von Bildung (das Fundamentale, das Exemplarische und das Elementare), wenn es um die Auswahl von relevanten Inhalten geht. Bezugnehmend auf Baumert, der Religion als Modus der Weltbegegnung in die bildungstheoretische Diskussion eingetragen hat, folgert Schweitzer weiter, müssen die von Klafki eingetragenen Kategorien nun theologisch zugespitzt werden. (Schweitzer 2013, 24f.). 129 Schweitzer 2013, 16f. Martens vertritt die These, dass Philosophieren mit Kindern nicht das Kennenlernen der Philosophiegeschichte oder der Entwürfe der großen Philosophen bedeutet, sondern einen Eigenwert hat. Philosophisches Denken soll geübt werden, wie eine Art Kulturtechnik. (Vgl. Ebd.).

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

glaubensrelevante Fragen Antwortmöglichkeiten finden und plausibel begründen können. Der Sorge, dass Kinder ganz in ihrem Denken verhaftet bleiben, problematische Aussagen einfach stehen bleiben oder Kinder nicht zum Weiterdenken angeregt werden, kann gegenübergestellt werden, dass Kinder im Gespräch in schulischen Settings nicht nur unter sich sind. Die erwachsenen Gesprächspartner/innen bringen automatisch eine Theologie der Erwachsenen mit ins Spiel.130 Die Theologie, die in solche Gespräche eingebracht wird, muss subjektbezogen, lebensweltbezogen und entwicklungsgezogen sein und gleichzeitig den Kompetenzerwerb unterstützen. Eine Theologie für Kinder sollte auch in einem bildungstheoretischen Horizont verankert sein.131 Sie erfüllt nicht einen Selbstzweck, sondern dient der Förderung religiöser Bildung sowie der Entwicklung einer verantworteten Persönlichkeit. Theologie von, mit und für Kinder gehören im schulischen Religionsunterricht untrennbar zusammen. Nach diesen allgemeinen Überlegungen zum inneren Zusammenhang zwischen Theologisieren von, mit und für Kinder, soll noch einmal dem Aspekt des Lernens, der in der Diskussion im Rahmen dieser Arbeit immer wieder aufgegriffen wird, nachgegangen werden. Ernüchternd ist die Einschätzung von Zimmermann, wenn sie konstatiert, dass Kinderäußerungen spontan, zufällig und oft wenig nachhaltig sind.132 Wenn diese Einschätzung so haltbar ist, dann kommt in der Tat die Frage auf, was hier schief läuft bzw. ob Kinder überhaupt zum Theologisieren in der Lage sind. Das ist eine Sicht auf diese Einschätzung. Eine andere könnte sein, danach zu fragen, inwieweit diese Tatsache auf entwicklungsbezogene Bedingungen hinweist. Damit verbindet sich dann die Frage, was Kinder brauchen, um in ihrer Lernentwicklung weiterzukommen. Zunächst einmal kann festgestellt werden, dass das Lernen von Kindern, umso jünger sie sind, in der Tat situativ, kontextbezogen und wenig systematisch ist. Deshalb ist es eine der zentralen Aufgaben in der Grundschule, Kinder an systematisches Lernen heranzuführen. Bezogen auf das Lernen ist dies nicht nur mit Inhalten oder dem Aufbau von kognitiven Systemen verbunden, in die Wahrnehmungen und Gelerntes eingeordnet werden können, sondern es geht auch um das Lernen selbst. Die Aufgabe ist es, den Kindern einen Zugang zu ihrem eigenen Lernen zu ermöglichen, um dieses verstehen und zunehmend 130 Gerade die Verantwortung, die Lehrenden an dieser Stelle zukommt, wird bei Freudenberger-Lötz aufgegriffen, wenn sie danach fragt, was Lehrende brauchen. Sie misst der eigenen Qualifikation in Bezug auf Theologische Gespräche bereits im Rahmen des Studiums große Bedeutung zu. Hierzu gehört nicht nur die Fähigkeit, Theologische Gespräche führen zu können, sondern auch diejenige, sich selbst theologisch verantwortet mit einer Sache auseinandersetzen und im Sinne der Elementarisierung Entscheidungen hinsichtlich von Lernsettings treffen zu können. Gerade im Hinblick auf zahlreiche theologische Strömungen innerhalb des Christentums kann Letzteres zur Herausforderung werden. 131 Vgl. Schweitzer 2013, 24–26. 132 Vgl. Zimmermann 2013, 40–56.

Theologisieren von, mit und für Kinder

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selbst mitverantworten und steuern zu können, so wie es schulpädagogisch und auch in anderen fachdidaktischen Bereichen im Blick ist. Die Frage ist in dieser Hinsicht, was Kinder beim Theologisieren lernen und wie sie einen Zugang zu ihrem eigenen Lernen finden können. Auf der Grundlage der Kompetenzdiskussion könnte an dieser Stelle eine Neujustierung zwischen konkreten Inhalten und dem Prozess des Lernens bzw. übergreifenden Kompetenzen religiöser Bildung, wie Argumentieren, Begründen, Deuten oder Urteilen erfolgen. Wurde bisher das Augenmerk stärker auf die Inhalte gerichtet, so könnte aus der Perspektive einer Kompetenzentwicklung der Prozess des Lernens stärker ins Zentrum gerückt werden. Damit einher gehen Fragen dazu, wie Kinder ihr Lernen wahrnehmen, was ihnen bewusst ist und wie sie es steuern. Es stellt sich die Frage, was Kinder über die Auseinandersetzung mit Fragen und Inhalten hinaus beim Theologisieren lernen können. Wenn Religion in gewisser Hinsicht ein Fach wie jedes andere ist, dann ist zu fragen, welche Kompetenzen beim Theologisieren entwickelt bzw. gefördert werden, die für das Lernen von Kindern – auch über das Fach Religion und seine Inhalte hinaus – relevant sind. Ausgehend von lernpsychologischen Erkenntnissen133 kann angenommen werden, dass sich die Fähigkeit, bewusst zu lernen, nicht nur von alleine entwickelt. Kinder brauchen Anregungen und Gelegenheiten, um über ihr Lernen auf unterschiedlichen Ebenen nachzudenken. Wenn Kindern eine Reflexion über religiöses bzw. theologisches Denken zugetraut wird, dann kann das nicht nur auf Inhalte bezogen sein, sondern müsste auch für das Lernen selbst und damit verbunden den Lernprozess gelten. Beim Theologisieren lernen sie über Inhalte nachzudenken und diese argumentativ zu nutzen. Dabei erwerben sie auch grundlegende Fähigkeiten und Strategien, die auf andere Inhalte, Fragen und Diskussionsgänge übertragen werden können. Um diese Fähigkeiten gezielt nutzen zu können, brauchen Kinder ein grundlegendes Wissen darüber, wie Lernen funktioniert, sowie entsprechende metakognitive Fähigkeiten und Erfahrungen. Aus dieser Perspektive kommt dem Lernen beim Theologisieren nicht nur eine fachimmanente Bedeutung zu, sondern auch ein allgemeiner Bildungswert bezogen auf das eigene Lernen und dessen Entwicklung. Weitergehend kann vermutet werden, dass es durchaus Wechselwirkungen und Synergieeffekte zwischen dem Lernen allgemein und dem Lernen im Religionsunterricht gibt. Ein Kind, dem sein eigenes Denken (zumindest in Teilen) bewusst ist, das über inhaltliches Wissen und damit verbunden über inhaltliche Argumente verfügt, das Zusammenhänge bewusst entdeckt, das neue Erkenntnisse mit Vorwissen verbinden kann, das überlegt, in welchen Situationen Gedanken bzw. Erkenntnisse hilfreich sein können, das Strategien entdeckt und kennt, das weiß, was ihm beim Lernen weiterhilft bzw. was es eher hindert etc. – 133 Vgl. Kap. 4.4 und 4.5.

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

ein solches Kind kann Verantwortung für sein Lernen übernehmen und dieses mit steuern. Dazu sind jedoch reflexive und metakognitive Prozesse erforderlich. Ausgehend von diesen Überlegungen sollte die Diskussion um Theologie von, mit und für Kinder um eine weitere Dimension ergänzt werden. Nämlich die Frage danach, was Kinder beim Theologisieren bezogen auf ihr Lernen lernen können. Damit ist auch die Frage nach der Nachhaltigkeit, wie sie von Zimmermann eingebracht wird, verknüpft.134 Verfügen Kinder über solches Wissen und auch über Strategien, mit denen sie ihr Lernen beeinflussen können, dann wird dadurch auch die Nachhaltigkeit von Lernen gefördert. Lernen ist dann nicht mehr nur dem Zufall überlassen, sondern beeinflussbar. Nachdem an dieser Stelle ein Fenster hin zum Lernen der Kinder geöffnet wurde, soll im folgenden Abschnitt der Bildungswert des Theologisierens am Beispiel der Pluralitätsfähigkeit in den Blick genommen werden.

2.7

Förderung der Pluralitätsfähigkeit als Beitrag zur religiösen und allgemeinen Bildung

Unsere Gesellschaft ist geprägt von religiöser Pluralität, welche sich auch in der Schule und insbesondere im Religionsunterricht durch eine Vielfalt an Meinungen und Einstellungen zu religiösen Themen und Fragen zeigt. Wenn Kinder diesen begegnen, dann treffen für sie fremde Sichtweisen aufeinander, die es einzuordnen und zu bewerten gilt. Religiöse Pluralität zeigt sich sowohl innerhalb einer Religion bzw. einer Konfession oder Glaubensrichtung als auch in religiösen Überzeugungen verschiedener Religionen. Gerade in Theologischen Gesprächen kommen vielfältige Perspektiven und Wahrheiten zur Sprache, so dass sich die Frage nach einer angemessenen Form des Umgangs stellt. Um dieser Frage nachzugehen, soll zunächst ein Blick in die Bildungswissenschaften, allen voran die Erziehungswissenschaft, das Nachdenken eröffnen. In Kapitel 2 wird dann der Umgang mit unterschiedlichen Wahrheiten noch einmal vertieft aufgegriffen. In der Bildungstheorie geht es gegenwärtig in erster Linie um eine »Erschließung von Orientierungswissen, mit dem die Welt in der Vielperspektivität unterschiedlicher ›Modi der Welterschließung‹ […] verstanden werden soll«.135 134 Vgl. Zimmermann 2010, 141–143; 2013, 40–56. 135 Dressler 2015, 41. Bei den »Modi der Welterschließung« greift Dressler auf Baumert (2002, 113) zurück. Sara Haen zeigt in ihrer Arbeit, dass nicht nur die Religionspädagogik »ein Interesse an religiös-weltanschaulichen Fragen […] hat, sondern dass sie dieses Interesse auch mit der Erziehungswissenschaft teilt« (Haen 2016, 183). Eine pluralitätsfähige Reli-

Förderung der Pluralitätsfähigkeit

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Dressler spitzt dies zu, wenn er »Perspektive« und »Wirklichkeit« zueinander in Beziehung setzt. Der einzelne Mensch blickt aus seiner Perspektive auf die Welt, wobei diese – kommen Menschen zu unterschiedlichen Beschreibungen und Bewertungen – keine andere ist, sondern Menschen diese lediglich als eine andere Welt wahrnehmen.136 Subjektive Wahrnehmungen sind dabei unweigerlich mit dem »je eigenen Leben […] verstrickt«.137 Für den Umgang mit Pluralität im Religionsunterricht ist zunächst einmal »die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel – zwischen religiöser Kommunikation und Kommunikation über Religion«138 von Bedeutung, weil sich Religion »eben nicht einfach mittels des Erlernens religiösen Wissens verstehen«139 lässt. Theologie wird im Religionsunterricht eingespielt, »um Religion beurteilen zu können und um selbst fähig zu sein, Religion gläubig in Gebrauch zu nehmen«140. Letzteres ist jedoch nicht mehr die Aufgabe des Religionsunterrichts. Es geht in der Schule vielmehr darum, »probeweise mit dem religiösen, theologischen und auch kirchlichen Sprachspiel«141 vertraut zu werden, wobei die Schülerinnen und Schüler sowohl eine Teilnehmer- als auch eine Beobachterperspektive einnehmen können, welche sich im Sinne kritischer Bildung aufeinander beziehen.142 Im Hinblick auf die Kinder- und Jugendtheologie plädiert Grümme für die Verwendung der Begriffe »kindertheologisches Denken« bzw. »jugendtheologisches Denken«, weil zum einen mit Hilfe des Wortes Denken ein qualitativer Unterschied zum bloßen Meinen sichtbar wird und zum anderen der Begriff Theologie eine Anschlussfähigkeit zur Theologie als Wissenschaft aufweist. Dadurch kann seiner Ansicht nach eine hinreichende Distanz zu Vollzügen markiert werden.143 Auch wenn die immer wieder geforderte kritische Distanz und Reflexion durchaus gerechtfertigt sind, bleibt zu fragen, ob diese uneingeschränkt für den Religionsunterricht in allen Altersstufen gelten können. Gerade die Performative Didaktik zeigt die Bedeutung des eigenen Handelns und Erprobens für die Reflexion. Aus der Perspektive der Grundschulpädagogik kommt eine Reflexion dann an Grenzen, wenn Kinder nicht auf konkrete Erfahrungen und Handlungen zurückgreifen können. In der theoretischen Dis-

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gionspädagogik weist dadurch eine hohe Anschlussfähigkeit zu aktuellen bildungstheoretischen Ansätzen auf (vgl. ebd.). Dressler 2015, 41f. Dressler 2015, 42. Dressler 2015, 44. Dressler 2015, 45. Grümme 2015, 275. Vgl. Grümme 2015, 275. Vgl. auch Schluß 2010; Schluß u. a. 2015. Vgl. Grümme 2015, 276; Zimmermann 2010, 85.

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

kussion zur Performativen Didaktik werden deshalb Begriffe wie Inszenierung, Probehandeln bzw. Erproben eingeführt und gleichzeitig kritisch diskutiert.144 Ziebertz weist im Kontext der Pluralitätsfähigkeit auf die religiöse Individualisierung als wesentliches Kennzeichen heutiger Kinder und Jugendlicher hin.145 Er stellt dabei die öffentliche Aufmerksamkeit für Religion einer »Individualisierung und Privatisierung des Religiösen«146 in der Gesellschaft gegenüber. Für den Religionsunterricht betont er infolgedessen die Bedeutung eines »Perspektivenwechsels« als Tätigkeit und als Ziel. Angeregt durch einen Perspektivenwechsel sollen die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner »etwas über das jeweilige Selbst- und Fremdverständnis«147 lernen. Im Gespräch von Menschen unterschiedlicher Religionen kann »die Fähigkeit wachsen, die eigene Religion aus eigener und aus fremder Sicht zu sehen«148. Ziel dieses Perspektivenwechsels ist es, »die andere Religion nicht nur mit den eigenen Augen, sondern mit den Augen des Anderen zu sehen«149. Durch den Wechsel von Perspektiven kommen Differenzen in den Blick, Unterschiede werden festgestellt und können dann zu Selbst-Reflexion und Selbst-Kritik führen.150 In diesem Sinn kann das, was Ziebertz für Religionen formuliert, auf den Umgang mit religiösen Wahrheiten im konfessionellen Religionsunterricht übertragen werden. Insgesamt kann festgehalten werden, dass im aktuellen religionspädagogischen Diskurs Pluralitätsfähigkeit häufig im Kontext des interreligiösen Lernens diskutiert wird. Differenzen und Gemeinsamkeiten werden dabei zu leitenden Kategorien und Differenzkompetenz zur entscheidenden Fähigkeit.151 An dieser Stelle unterscheidet sich jedoch die Diskussion zur Pluralitätsfähigkeit. Gerade in der vorliegenden Arbeit ist diese in erster Linie auf das Theologisieren im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichts bezogen. Hierbei geht es 144 Vgl. Klie 2003; Mendl steht diesen Begriffen kritisch gegenüber und entgegnet: »Ein ›spielerisches Probehandeln‹, ein Inszenieren, ein ›So-tun-als-ob‹ werde der Wu¨rde des Gegenstands Religion nicht gerecht. Zur Ehrenrettung des Inszenierungs-Konstrukts sei gesagt, dass mit der ›Spiel‹-Metapher gerade die Ernsthaftigkeit einer didaktischen Inszenierung am Ort Schule betont werden soll. Denn jedes Spiel hat seine festen Regeln, seinen begrenzten Raum und eine festgelegte Zeit; Kinder spielen mit aller Ernsthaftigkeit! Die These vom ernsthaften Probehandeln bezieht sich nach Bernhard Dressler auf den Lebensernst, ohne mit ihm identisch zu werden.« (Online unter : http://www.phil.uni-pas sau.de/fileadmin/dokumente/lehrstuehle/mendl/Dateien/FAQ-6.pdf; abgerufen am 11. 4. 2017, sowie Mendl 2016, 230–237.). 145 Vgl. Ziebertz 2012, 193ff. 146 Ziebertz 2012, 194. 147 Ziebertz 2012, 207. 148 Ziebertz 2012, 207. 149 Ziebertz 2012, 207f. 150 Vgl. Ziebertz 2012, 208. 151 Vgl. Schweitzer 2012, 61–69.

Förderung der Pluralitätsfähigkeit

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darum, gemeinsam nach Wahrheit(en) zu suchen, und nicht darum, den Besitz von Wahrheit zu formulieren.152 Differenzen haben hier in der Argumentation eine andere Qualität als in der Diskussion um andere Religionen. Beim Theologisieren sollen unterschiedliche Begründungen differenziert wahrgenommen, voneinander abgegrenzt und reflektiert werden, um davon ausgehend eine eigene Position plausibel begründen zu können.153 Schwarzkopf stellt die »argumentative Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Vorstellungen zu religiösen Themen und Fragestellungen«154 beim Theologisieren ins Zentrum. Dazu gehört der Aufbau einer eigenen Position, also das Selbstverstehen, ebenso wie das Verstehen fremder Positionen. Dann werden eigene und fremde Positionen in Beziehung gesetzt und »systematisch auf Gemeinsamkeiten, Differenzen und Widersprüche hin«155 analysiert, um davon ausgehend die »eigene Position in Abgrenzung zu fremden Positionen«156 begründen zu können. Hinter diesen Schritten stehen zahlreiche Fähigkeiten, die von Theresa Schwarzkopf im Rahmen einer qualitativen Studie deutlich herausgearbeitet wurden: (1) Die Fähigkeit des mehrperspektivischen Denkens, so dass bei unentscheidbaren Fragen verschiedene Antwortmöglichkeiten gleichberechtigt nebeneinanderstehen können. (2) Die Fähigkeit zur strukturierten Wahrnehmung setzt voraus, dass Schülerinnen und Schüler einzelne Positionen mit ihren verschiedenen inhaltlichen Facetten wahrnehmen können. (3) Schließlich sollen sie trotz der Komplexität einer Argumentation einzelne Positionen differenziert bewerten und beurteilen und dabei (4) kriteriengestützt argumentieren können. (5) Die Fähigkeit der Argumentation auf einer Modellebene, wenn Begründungen verallgemeinert werden, ist schließlich der komplexeste Schritt.157 Ein Blick in die EKD-Denkschrift »Religiöse Orientierung gewinnen« zeigt die aktuelle Bedeutung, die der Pluralitätsfähigkeit beigemessen wird. In Kapitel 3 wird sie als zentrales Bildungsziel für den Religionsunterricht konstatiert.158 Pluralitätsfähigkeit wird hier in Abgrenzung zu Relativismus und Fundamentalismus formuliert. »Ein konstruktiver Umgang mit Pluralität kann weder in einer Gleichgültigkeit gegenüber allen Unterschieden bestehen noch in einem Rückzug von der Pluralität dadurch, dass nur noch die eigene Wahrheit gesehen wird. Haltungen von Beliebigkeit oder Willkür sind damit ebenfalls 152 153 154 155 156 157

Vgl. Ziebertz 2012, 209. Vgl. auch Schwarzkopf 2016, 180–183. Schwarzkopf 2016, 196. Schwarzkopf 2016, 196. Schwarzkopf 2016, 196. Schwarzkopf 2016, 180–183. Gerade der letzte Schritt wurde von den Schülerinnen und Schülern nicht eingenommen. Schwarzkopf würde ihn vor allem im hochschuldidaktischen Kontext erwarten (Schwarzkopf 2016, 183). 158 Rat der Evangelischen Kirche Deutschland 2014, 54–72.

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Theologisieren mit Kindern – Annäherungen an einen didaktischen Ansatz

ausgeschlossen.«159 Die Bildung von Pluralitätsfähigkeit wird als ein Lernprozess verstanden, der eng mit Toleranz, Respekt und Anerkennung verknüpft ist.160 Pluralitätsfähigkeit ist dabei jedoch »nicht mit Anpassungsbereitschaft zu verwechseln«161, sondern sie bezieht sich auf eine kritische Urteilsfähigkeit in religiösen und ethischen Fragen.162 So wird es vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland formuliert. Urteilsfähigkeit ist als prozessbezogene Kompetenz religiöser Bildung in den Bildungsplänen der Bundesländer verankert.163 Für den Umgang mit weltanschaulichen und religiösen Meinungen und Wahrheitsansprüchen werden im Zusammenhang mit religiöser Urteilsfähigkeit folgende Teilkompetenzen formuliert: – »fachlich fundiertes, auf Religionen und Weltanschauungen bezogenes Wissen, – die Fähigkeit, religiöse und weltanschauliche Orientierungen und Verhaltensweisen kontextuell zu deuten und zu verstehen, – die Fähigkeit dazu, die Perspektive anderer Menschen zu übernehmen, – Einstellungen und Verhaltensweisen im Sinne von Empathie, Toleranz, Respekt und Offenheit, – das Bewusstsein eigener Orientierungen, im Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Orientierungen anderer, – religiöse Urteilsfähigkeit.«164 Nachdem deutlich wurde, was Pluralitätsfähigkeit für Lernende bedeutet und welche Fähigkeiten damit in Verbindung stehen, soll mit einem Zitat geschlossen werden, das die Bedeutung der Pluralitätsfähigkeit für den Religionsunterricht hervorhebt: »Weil eben gerade nicht alles gleich-gültig ist, ist eine Religionspädagogik dann pluralitätsfähig, wenn sie die Pluralität ›pluralistisch‹ bearbeitet […]. Weder ist Pluralität in eine Einheit aufzuheben noch ist sie in relativierender Beliebigkeit uneingeschränkt zu affirmieren. Sie ist vielmehr qualitativ zu entwickeln und zu gestalten. Eine pluralitätsfähige Religionspädagogik setzt sich so die Anbahnung einer kritisch reflektierten

159 160 161 162

Rat der Evangelischen Kirche Deutschland 2014, 60. Rat der Evangelischen Kirche Deutschland 2014, 66ff. Rat der Evangelischen Kirche Deutschland 2014, 68. Vgl. Rat der Evangelischen Kirche Deutschland 2010, 17. »Durch einen offenen Dialog trägt das Fach zu einer differenzierten Urteilsfähigkeit und zu einer kritischen Toleranz gegenüber den Wahrheitsansprüchen der Religionen bei.« (Ebd., 12). 163 Jüngst wird sie in den Bildungsplänen von Baden-Württemberg (2016) von der Grundschule bis zum Gymnasium in den Leitgedanken des Faches differenziert formuliert (online unter : http://bildungsplaene-bw.de; abgerufen am 16. 4. 2017). 164 Rat der Evangelischen Kirche Deutschland 2014, 70.

Förderung der Pluralitätsfähigkeit

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religiösen und weltanschaulichen Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler inmitten des Pluralismus zum Ziel.«165

Gerade das Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen trägt zur Förderung der Argumentationsfähigkeit und religiösen Urteilsfähigkeit bei. Eine »Wahrnehmung und Anerkennung des anderen«166 ist dafür Voraussetzung. In der kritischen und reflektierten Auseinandersetzung mit weltanschaulichen und religiösen Themen, Fragestellungen und Wahrheitsansprüchen kann schließlich Pluralitätsfähigkeit entwickelt und gebildet werden, wie sie auch für den Dialog mit anderen Religionen erforderlich ist.

165 Grümme 2015, 18. 166 Peukert 1994, 11; vgl. auch Grümme 2015, 18.

3

Konstruktivistische Perspektiven

»Die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, ist unsere Erfindung«167, so fasst Heinz von Foerster den Ausgangspunkt für den Konstruktivismus zusammen. Um noch schärfer zu konturieren, könnte man hinzufügen: »… nicht unsere Entdeckung!« Denkt man diesen Gedanken weiter, so hat das weitreichende Folgen dafür, wie wir Lernen verstehen und wie wir in der Schule – auch im Religionsunterricht – Lernsettings gestalten. Von dieser These ausgehend werden in diesem umfangreichen Kapitel aus konstruktivistischer Perspektive die Religionspädagogik, die Theologie, das Theologisieren und das Lernen der Kinder in den Blick genommen. Beim Lernen der Kinder im Religionsunterricht und insbesondere auch beim Theologisieren rückt die Bedeutung der Entwicklung eigenständiger Deutungsperspektiven sowie das Nachdenken über deren Relevanz für das eigene Lernen und Leben in den Fokus. Ziel und Gegenstand des Religionsunterrichts ist es, Glaubensgewissheiten einer Religion kennen zu lernen, sich damit auseinanderzusetzen und dabei eigene Perspektiven zu entwickeln. Eine subjektorientierte Sicht auf das Lernen erfordert eine Auseinandersetzung mit konstruktivistischen Perspektiven, weil hier die subjektiven Sichtweisen und Konstruktionen als Ausgangspunkt und Ziel des Lernens gesehen und verstanden werden. Ein Einblick in konstruktivistisches Denken als Grundlage für (religions-)pädagogisches Handeln soll in diesem Kapitel gegeben werden. Zunächst werden konstruktivistische Grundgedanken und Grundannahmen dargestellt (2.1), davon ausgehend wird dann der Bereich der Religionspädagogik in den Blick genommen (2.2). Anschließend steht die Frage nach der Vereinbarkeit von Konstruktivismus und Theologie im Mittelpunkt der Auseinandersetzung, wobei die Wahrheitsfrage im Fokus der Reflexion steht (2.3). Davon ausgehend wird die Bedeutung des Konstruktivismus für das Lernen der Kinder insbesondere beim Theologisieren betrachtet (2.4). Hierbei werden ausgewählte Aspekte im Hinblick auf das Theologisieren und die Metakognition dargestellt und 167 Foerster 1995, 40.

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Konstruktivistische Perspektiven

diskutiert: Perturbation als zentrales Moment für das Lernen, Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion als Modi der Auseinandersetzung, unterschiedliche Rollen bei konstruktiven Prozessen sowie »Wahrheit für mich« und deren Bedeutung für religiöses Lernen. Auf eine systematische und differenzierte Darstellung unterschiedlicher konstruktivistischer Ansätze und deren Verortung in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wird zugunsten einer spezifischen und auf das Thema der Studie zugespitzten Herangehensweise verzichtet.168

3.1

Konstruktivistische Grundgedanken und Grundannahmen

Dieser Abschnitt setzt die zentralen Grundanliegen des Konstruktivismus voraus.169 Erscheint es inhaltlich wichtig und weiterführend, wird auf die unterschiedlichen Strömungen eingegangen und die Gedanken werden in der jeweiligen Tradition verortet. Ernst von Glasersfeld fasst mit folgendem Zitat in aller Kürze zusammen, was aus seiner Sicht den Konstruktivismus ausmacht. Mit dieser grundlegenden und umfassenden Perspektive auf den Konstruktivismus soll das Kapitel eröffnet werden. »Der Radikale Konstruktivismus beruht auf der Annahme, dass alles Wissen, wie immer es auch definiert werden mag, nur in den Köpfen von Menschen existiert und dass das denkende Subjekt sein Wissen nur auf der Grundlage eigener Erfahrung konstruieren kann. Was wir aus unserer Erfahrung machen, das allein bildet die Welt, in der wir bewusst leben. Das Wissen wird vom denkenden Subjekt nicht passiv aufgenommen, sondern aktiv aufgebaut. Die Funktion der Kognition ist adaptiv und dient der Organisation der Erfahrungswelt und nicht der Entdeckung einer ontologischen Realität. Der Begriff Wahrheit als einer wahren Abbildung einer von uns unabhängigen Realität wird durch den Begriff der Viabilität, der Gangbarkeit ersetzt und dieser beansprucht, nicht mehr zu sein als ein mögliches Denkmodell für die einzige Welt, die wir ›erkennen‹ können, die Welt nämlich, die wir als lebende Individuen konstruieren.«170

»Wie wirklich ist die Wirklichkeit?«171 bzw. »Wie verhalten sich Wissen und Wirklichkeit zueinander?«172 Das sind Kernfragen im konstruktivistischen 168 Petra Freudenberger-Lötz (2007, 53–75) stellt in ihrer Arbeit unterschiedliche konstruktivistische Sichtweisen nebeneinander und befragt diese auf ihren Ertrag für den Wissenserwerb. Einen Überblick findet man beispielsweise bei Reich 2010, 18f., Mendl 2005. 169 Ausgegangen wird von grundlegender Literatur, wie z. B. Foerster 2002; Glasersfeld 1996, 1997, 2002; Gergen/Gergen 2009; Maturana/Varela 1987; Pörksen 2013; Scheible 2015. 170 Glasersfeld 2008, 136f.; vgl. auch Scheible 2015, 14f. 171 Watzlawick nach Mendl 2005a, 12. Lindemann definiert Wirklichkeit als »die Welt subjektiver Wahrnehmungen und Erfahrungen« (Lindemann 2006, 258).

Konstruktivistische Grundgedanken und Grundannahmen

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Diskurs. Aus konstruktivistischer Perspektive liegt die Entstehung von Wissen im erkennenden Subjekt selbst.173 Jegliche menschliche Erkenntnis ist aus radikal-konstruktivistischer Perspektive von einem Subjekt abhängig, so dass es allgemeine Wahrheitsansprüche deshalb nicht geben kann.174 Wahrheit ist relativ, nie aber absolut und wird in einem autopoietischen System175 generiert. Sie ist »keine objektive Darstellung von Realität«176, sondern ist »an die menschliche Beobachtung gebunden«177. Somit ist »das subjektive Erleben und Erkennen der Wirklichkeit keine objektive Abbildung der äußeren Realität im Bewusstsein […], sondern das Resultat einer subjektiven Konstruktion«178. Oder anders ausgedrückt, es ist zwischen einer Realität an sich und einer Wirklichkeit für mich zu unterscheiden.179 Aus radikal-konstruktivistischer Perspektive beruht bereits die Wahrnehmung auf Konstruktion und Interpretation. Da der Mensch stets mit Vorannahmen an die »vermeintlich objektiv bestehende Wirklichkeit herangeht […], sind Denken und Verstehen also immer als subjektabhängig zu sehen«180. Somit ist nicht die Realität der Bezugspunkt, sondern eine kognitiv konstruierte Wirklichkeit. Das bedeutet, »wir bewegen uns immer im Feld der Wirklichkeit zweiter Ordnung«181. Dies hat zur Folge, dass Objektivität nur als subjektabhängiges Denken und Verstehen möglich ist und die Wahrheit von 172 Mendl 2005a, 12. 173 Vgl. Mendl 2005a, 12; Reich 2001. 174 Vgl. Scheible 2013, 203f. sowie Fußnote 1. Hier verweist sie auf die Veröffentlichung »Die Rezeption der Erkenntnistheorie Jean Piagets im Radikalen Konstruktivismus nach Ernst von Glasersfeld. In: Heim, Brigitta/Weinhardt, Joachim (Hg.) (2013): Naturwissenschaft und Theologie, II. Wirklichkeiten, Phänomene, Realitäten, Transzendenzen. Kohlhammer Verlag. 175 Maturana (1987) bezeichnet die Autonomie des Lebendigen als »Autopoiese«. »Ein ›autopoietisches System‹ ist ein selbsterzeugendes, selbstorganisierendes, selbsterhaltendes und selbstreferenzielles lebendes System. Damit ist das formgebende Prinzip alles Lebendigen gemeint, nicht aber die konkrete Ausgestaltung. Diese variiert von Lebewesen zu Lebewesen.« (Freudenberger-Lötz 2007, 55 in Anlehnung an Maturana/Varela 1987, 55; vgl. auch Lindemann 2006, 45–49 sowie 255f.). 176 Scheible 2013, 206–211. In Anlehnung an Glasersfeld und Roth muss zwischen Realität und Wirklichkeit unterschieden werden. »Alles, was wir bewusst wahrnehmen können, sei somit ein Konstrukt unseres Gehirns und keine unmittelbare Widerspiegelung der Realität.« (Vgl. ebd. 211) Oder anders formuliert: »Die Welt jenseits unserer Wahrnehmung und Erfahrung, über die nach konstruktivistischen Annahmen keine Aussage getroffen werden kann.« (Lindemann 2006, 257). 177 Scheible 2013, 211; Pessoa formuliert die Gebundenheit an die Wahrnehmung des Subjekts so: »Das Leben ist für uns das, was wir in ihm wahrnehmen. […] In Wahrheit besitzen wir nur unsere eigene Wahrnehmung; aus […] müssen wir demnach die Wirklichkeit unseres Lebens gründen.« (Zitiert nach Lindemann 2006, 27). 178 Scheible 2015, 12. 179 Vgl. Brieden 2010, 175. 180 Freudenberger-Lötz 2007, 54. 181 Mendl 2005a, 13.

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Konstruktivistische Perspektiven

Konstruktionen lediglich bezüglich »deren Nützlichkeit (Viabilität) hinsichtlich Kontext und Ziel« beurteilt werden kann.182 Ein objektiver, übereinstimmender Abgleich mit der Realität ist somit nicht möglich. Und dennoch kommen viele Schülerinnen und Schüler »mit dem Vorurteil, dass die Wissenschaft ihnen sagen wird, wie die wirkliche Welt aussieht«183. Gleichzeitig fürchten viele Lehrerinnen und Lehrer um ihre Autorität, wenn sie den Anspruch objektiver Wahrheit aufgeben.184 Mit Lindemann können schließlich Kriterien für die Konstruktion von Wirklichkeit zusammengestellt werden: Etwas erscheint wirklich, wenn …

– »man es aufgrund der eigenen Wahrnehmungserfahrung wahrnimmt, – es im Hinblick auf die subjektive Erfahrung plausibel und konsistent ist, – es sich in seiner Anwendung als viabel erweist, indem es Probleme oder Widersprüche vor dem Hintergrund subjektiver Erfahrung und Bewertung auflöst, – sich die Wiederholbarkeit eines Phänomens feststellen lässt oder sich die Erfahrung im Vergleich mit den Erfahrungen anderer hinsichtlich ihrer Plausibilität generalisieren lässt.«185

Da Wirklichkeit so einfach nicht zu greifen ist, ergibt sich für Glasersfeld und Foerster die Notwendigkeit, »Sachverhalte bzw. Tatsachen auf Beobachter und Beobachtung zu relativieren und generell Wahrheitsbegriffe durch operationalisierbare Kriterien und kognitiv-sozial-kultural konstruierte Wirklichkeiten als Referenzrahmen zu verankern«186. Die in diesem Kapitel angestellten Überlegungen führen zur zentralen konstruktivistischen Einsicht: Alles subjektiv Wahrgenommene könnte auch ganz anders sein!187 Wenn im Folgenden von Konstruktivismus gesprochen wird, dann geht es nicht um eine besondere Strömung innerhalb des Konstruktivismus – denn eine solche Unterscheidung ist nur in einem ausschließlich theoretischen Kontext sinnvoll – sondern vielmehr um diejenigen Aspekte konstruktivistischer Ansätze, die (religions-)pädagogisch für den Unterricht, dessen Reflexion und Weiterentwicklung relevant sind.

182 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 54 in Anlehnung an Möller und Schreier (siehe Anmerkung 8); Gerstenmaier/Mandl 1995, 868. 183 Glasersfeld 1996, 284 (in Anlehnung an D8sautels/Larochelle). 184 Vgl. Glasersfeld 1996, 284 (in Anlehnung an D8sautels/Larochelle). 185 Lindemann 2006, 29f. 186 Scheible 2015, 16, in Anlehnung an Köck 2011. 187 Das bedeutet jedoch nicht, dass etwas beliebig ist. Der Konstruktivismus grenzt sich durch die Unterscheidung von Entscheidbarem und Nicht-Entscheidbarem, wie sie von Foerster eingebracht wird, bewusst vom Solipsismus ab. Der Bereich des Glaubens gehört zum Nicht-Entscheidbaren. (Vgl. Foerster 1997, 350, 352; auch Scheible 2015, 265–273, 282, 314– 317).

Auf dem Weg zu einer konstruktivistisch orientierten Religionspädagogik

3.2

61

Auf dem Weg zu einer konstruktivistisch orientierten Religionspädagogik188

Die Rezeption konstruktivistischer Gedanken im religionspädagogischen Kontext hat unterschiedliche Ausgangspunkte. Einerseits steht sie im Zusammenhang mit der anthropologischen Wende in der Theologie, die sich in der empirischen Wende in der Religionspädagogik zeigte. Auch die reformpädagogischen Aufbrüche in den 90er-Jahren und die damit verbundene Wiederentdeckung subjektbezogener Lerntheorien leisteten hierzu ihren Beitrag.189 Seit den 1990er Jahren hat sich die Didaktik und damit verbunden die Lernkultur von der Lernzielorientierung hin zu einer stärkeren Subjektorientierung entwickelt. Daran gekoppelt sind auch Lehr-Lern-Modelle, die dieser Veränderung Rechnung tragen, wie beispielsweise selbstgesteuertes Lernen190 oder dialogisches Lernen191. In der Lernpsychologie und Pädagogik wurden konstruktivistische Konzepte entwickelt und diskutiert, die dann auch in die Fachdidaktik unterschiedlicher Fächer hineinwirkte und Spuren hinterließen. So werden heute in den Sozial- und Kulturwissenschaften zahlreiche konstruktivistische Ansätze unterschieden, die je nach Forschungsfeld und Begründungszusammenhang ihre Berechtigung haben und ihre je eigenen Stärken und Schwächen aufweisen. Reich unterscheidet hierbei folgende Ansätze: Konstruktiv-subjektive Psychologie (Piaget, Kelly), materialistischkonstruktive Kulturtheorie (Wygotski), radikaler Konstruktivismus (Glasersfeld, Foerster, Maturana), Systemtheorie Luhmanns, methodischer Konstruktivismus und Kulturalismus (Gethmann, Jannich) sowie sozial-kulturtheoretisch begründete Konstruktivismen, wie den sozialen Konstruktionismus, den pragmatischen Konstruktivismus und den interaktionistischen Konstruktivismus (Berger, Luckmann, Gerrison, Reich u. a.).192 In den fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Diskursen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen sind die unterschiedlichen Positionen umstritten.193 188 In den Jahrbüchern für konstruktivistische Religionsdidaktik wird der »Konstruktivismus« als übergreifendes Prinzip dargestellt, »durch das ganz unterschiedliche Facetten der religionsdidaktischen Diskussion miteinander verbunden werden können« (Büttner u. a. 2010a, 7). Es handelt sich somit um kein eigenständiges Konzept, denn die »Zeit großer, die gesamte Wirklichkeit des Religionsunterrichts umspannende[r] Konzepte« (Mendl 2013, 23, vgl. auch Scheible 2015, 25) ist vorbei. 189 Vgl. Mendl 2013, 18f. 190 Vgl. Konrad/Traub 1999; 2013. 191 Vgl. Ruf/Gallin 1998; Ruf u. a. 2008. 192 Vgl. Reich 2001, 356–376; weitere Systematisierungen sind beispielsweise in der Arbeit von Scheible zum Radikalen Konstruktivismus zu finden (Scheible 2015, 12–15) oder auch bei Büttner u. a. 2010, 7; Mendl 2005, 14; Lindemann 2006, 21–24. 193 Die Diskussion um unterschiedliche Richtungen des Konstruktivismus wird dabei oft sehr

62

Konstruktivistische Perspektiven

Im deutschsprachigen Raum wird die Diskussion um den Konstruktivismus häufig verkürzt, so dass lediglich zwei Grundrichtungen voneinander unterschieden werden: Der Radikale Konstruktivismus, wie er von Glasersfeld194, Foerster195 u. a. beschrieben wird, und der soziale oder kulturalistische Konstruktivismus. Ähnlich verhält es sich auch in der Religionspädagogik. Eine radikal-konstruktivistische Sichtweise196 wurde von einem moderaten Konstruktivismus, der ausgehend vom sozialen Konstruktivismus die Grundlage für die religionspädagogische Sichtweise von Mendl, Büttner, Reis u. a. darstellt, abgesetzt.197 In neueren Veröffentlichungen von Hans Mendl und dem Kreis der konstruktivistischen Religionsdidaktik wird deutlich, dass eine solche Grenzziehung wenig weiterführt, sondern eher Gräben zieht. »Inzwischen wurde diese Position verabschiedet«, so Mendl, »weil von der erkenntnistheoretischen Ausgangslage her jeder Konstruktivismus nur ein radikaler sein kann.«198 Denn Lernen ist ein aktiver Prozess des lernenden Subjekts und damit radikal individuell.199 Das Prinzip der Subjektorientierung200 rückte in unterschiedlichen wissen-

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abstrakt und teilweise nicht mit der nötigen Differenzierung geführt. Von Reich wird dies gerade auch im Hinblick auf die Pädagogik bemängelt. (Vgl. Reich 2001, 371f. und Fußnote 26). Vgl. Glasersfeld 1997. Vgl. Foerster 2002. Scheible (2016) gibt einen umfassenden Einblick in den Radikalen Konstruktivismus und arbeitet dabei heraus, wie dieser die religionspädagogische Diskussion durchaus anregen und befruchten kann. Dabei hebt sie sich von vielen Religionspädagoginnen und Religionspädagogen ab. Vgl. auch Büttner u. a. (2010a, 7–18). Für Norbert Brieden hingegen führt die Unterscheidung zwischen »radikal« und »gemäßigt« zu Missverständnissen und sollte unterlassen werden. »[…] jeder Konstruktivismus ist per se radikal; ein nichtradikaler Konstruktivismus wäre ein Widerspruch in sich selbst. Radikal heißt nicht ›nicht beliebig‹, denn wer im Nachdenken über die Wurzeln (radices) des menschlichen Erkenntnisvermögens einsieht, dass sich keine Beobachtung unabhängig vom Beobachtenden konstituiert, für den relativiert sich jeder Wahrheitsanspruch notwendigerweise. Diese Relativierung ist nicht in das Belieben des Reflektierenden gestellt, sondern erweist sich als gangbarer Weg (Kriterium der Viabilität). Aber radikal heißt auch nicht ›beliebig‹, wie es ein vulgärer Relativismus nahelegen könnte, für den alles gleichgültig wird, weil ihm die relativen Wahrheiten als gleich gültig erscheinen, wenn es keine absolute Wahrheit gibt. […] die Differenz und der Vergleich unterschiedlicher Beobachterperspektiven ermöglichen konsistente Beschreibungen (Kriterium der Kohärenz) und in sozialen Konstruktionen kommen Menschen zu gemeinsam getragenen Einsichten (Kriterium des Konsenses).« (Brieden 2010, 165) Mit Hilfe der Beobachtertheorie, die zwischen Beobachtungen erster, zweiter und dritter Ordnung unterscheidet, versucht er religiöse Wahrheitsansprüche zu verstehen und zu beurteilen. Relativismus bedeutet für ihn nicht Beliebigkeit und ebenso wenig die Aufhebung von Wahrheit, denn »Aussagen sind wahr oder falsch relativ zu ihrem Kontext« (ebd., 178). Mendl 2013, 21. Vgl. Mendl 2013, 21–23. Im Kontext der Subjektorientierung ist auch der Ansatz von Lämmermann zu sehen.

Auf dem Weg zu einer konstruktivistisch orientierten Religionspädagogik

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schaftlichen Disziplinen, wie der Entwicklungspsychologie, der Soziologie oder der Pädagogik zunehmend in den Mittelpunkt und verbindet diese miteinander.201 Auch die Theologie und die Religionspädagogik konnten aufgrund der anthropologischen Wende langsam mitziehen, denn es ging nun »nicht mehr um einen ›Gehorsams-‹, sondern um einen ›Verstehensglauben‹«.202 Im Religionsunterricht wurde das Verstehen von Religion – im Gegensatz zu einer Vermittlung von Religion203 – ins Zentrum gerückt. Dies ist möglich und auch erforderlich, weil von einem dynamischen Wahrheits- und Offenbarungsverständnis ausgegangen wird.204 Es gibt nicht die eine Wirklichkeit, sondern die Konstruktion von Wirklichkeit vollzieht sich im Subjekt selbst.205 So lautet der Konsens, der die unterschiedlichen konstruktivistischen Ansätze vom radikalen bis zum moderaten Konstruktivismus miteinander verbindet. Wenn in der Religionspädagogik von Konstruktivismus die Rede ist, dann ist dies oft, ausgehend von Mendl, im Sinne eines pädagogischen Konstruktivismus gemeint,

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Lämmermann versteht seine konstruktiv-kritische Religionsdidaktik ganz von den Schülerinnen und Schülern her. Grundlegend ist für ihn der Elementarisierungsansatz, jedoch vom Subjekt und nicht der Sache ausgehend. Schlüsselprobleme sind für ihn der Zugang, von denen aus sich »für die Schüler/innen eine plausible Interpretation und Orientierung in der Pluralität der modernen bzw. postmodernen Welt ergibt« (Lämmermann 2012, 29). In Anlehnung an Schmidt sieht Freudenberger-Lötz (2007, 53) den Konstruktivismus in einem äußerst dynamischen interdisziplinären Diskussionszusammenhang. Büttner, Mendl, Reis und Roose (2010, 13) sehen die Zuwendung zum Konstruktivismus in der religionsdidaktischen Diskussion als überfälligen »Schritt, der in der Allgemeinen Didaktik und in den Fachdidaktiken bereits vollzogen wurde«. Mendl 2015, 2; Mendl 2015a, 176ff.; auf Seiten der katholischen Kirche kann nach dem II. Vatikanischen Konzil eine Wende in der Art zu glauben beschrieben werden: Statt von Gehorsamsglauben wird nun von Verstehensglauben gesprochen, statt von Bekenntnis- von Erfahrungsglauben, statt von Leistungs- von Verantwortungsglauben. Eine Entsprechung auf evangelischer Seite kann in der Entwicklung der didaktischen Konzepte von der Evangelischen Unterweisung über den problemorientierten Religionsunterricht bis hin zu vielfältigen, sich ergänzenden Konzepten, u. a. dem performativen Religionsunterricht gesehen werden. Vermittlung ist hier im Sinne von Aneignung gemeint nicht aber im Sinne von Vermittlung von Inhalten. Im Religionsunterricht spielen Inhalte wie z. B. biblische Texte selbstverständlich eine Rolle. Sowohl Reiß (2015) als auch Schweitzer (2011) weisen in besonderer Weise auf die Bedeutung von inhaltlichen Impulsen für das Lernen der Kinder und Jugendlichen hin. Vgl. Mendl 2012, 106, 115; Mendl 2005c, 177–187. Auf die Frage, ob der Konstruktivismus mit dem christlichen Offenbarungsglauben vereinbar ist, antwortet Mendl: »… Religionspädagogisch wird man zur selben Antwort kommen, da die Aufgabe religiösen Lernens nicht nur darin besteht, den Glauben für die Menschen heute verstehbar zu machen, sondern die lernenden Subjekte vielmehr zu befähigen, sich mit der Wahrheitszumutung des Glaubens (»Wahrheit an sich«) als einer individuell herausfordernden auseinanderzusetzen (»Wahrheit für mich«) und die Ergebnisse solcher Aneignungs- und Konstruktionsprozesse auch im Dialog mit den Ergebnissen anderer Lernender zur Diskussion und Disposition zu stellen.« (Mendl 2012, 115f.). Vgl. Mendl 2012, 105; Mendl 2005a, 13; Büttner 2002, 158.

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Konstruktivistische Perspektiven

der stärker lerntheoretisch als ontologisch geprägt ist.206 Oder anders formuliert: Im Fokus ist ein Konstruktivismus, der sich weniger mit »grundlegenden Prinzipien menschlicher Erkenntnis, sondern mit den Prozessen des Denkens und Lernens handelnder Subjekte«207 beschäftigt.208 Die Erschließung von Wirklichkeit kann nicht einseitig erfolgen, darauf hat bereits Baumert mit seinen vier Modi der Welterschließung hingewiesen.209 Die Bedeutung eines Weltverstehens bzw. Weltzugangs aus der Perspektive von Religion wird in Baumerts viertem Modus der Welterschließung, wenn es um die Perspektive von Religion und Philosophie geht, deutlich. Religiöse Bildung wird nicht in einer Außenperspektive zugänglich, sie braucht die Binnenperspektive, d. h. Schülerinnen und Schüler brauchen die Möglichkeit, religiöse Wirklichkeit in theologischer und religiöser Perspektive zu denken und erschließen. Dabei ist jedoch aus konstruktivistischer Sicht zu bedenken, dass diese nicht losgelöst von Individuen – Lehrenden und Lernenden – gesehen werden kann. Diese Perspektive hat – wie die anderen drei von Baumert genannten Modi – keinen prinzipiellen Geltungsvorrang und erschließt die Welt auch nicht »besser« als die anderen, aber eben »anders«.210 Somit kommt der religiösen Perspektive bei der Erschließung von und der Auseinandersetzung mit Wirklichkeit Bedeutung zu, die sich schließlich in einer individuellen Wirklichkeitserschließung und Wirklichkeitsaneignung zeigt. Das eine ist nicht ohne das andere zu denken. Religionsunterricht darf sich nicht, wie Englert zurecht kritisiert, in einer »Relativitätspädagogik« erschöpfen.211 Religionsunterricht braucht eine kritische Auseinandersetzung mit Theologie und Glaubenswissen, die »Wahrneh206 Vgl. Mendl 2005a, 16ff.; 179. Büttner u. a. verweisen darauf, »dass ein pädagogischer Konstruktivismus zwangsläufig ›gemäßigt‹ sein müsse, weil ein ›radikaler‹ Ansatz, der die Lerninhalte quasi ständig in Frage stellte, nicht praktikabel ist. Es komme vielmehr auf den Prozess der gemeinsamen Ko-Konstruktion an […]« (Büttner u. a. 2010, 14). Brieden hingegen hält eine solche Unterscheidung für wenig hilfreich, denn radikal bedeutet eben nicht beliebig. Auch ohne absolute Wahrheiten haben relative, subjektive Wahrheiten ihre Bedeutung (vgl. Brieden 2010, 165–179). 207 Reinmann-Rothmeier/Mandl zitiert nach Mendl 2005c, 179. Für Mendl gehört zum konstruktivistischen Lernen, dass Lernen ein aktiver Prozess ist, wobei die Lernprozesse der Kinder nicht vorhersagbar sind. Individuelles Lernen geschieht auch beim Lernen in der Gruppe und ist abhängig von der konkreten Lernsituation. Die dabei eingebrachten Lerninhalte stellen Möglichkeiten für Perturbationen dar, die zu individuellen Konstruktionen anregen. Konstruktionen entstehen durch das In-Beziehung-Setzen von sinnlichen Wahrnehmungen mit Gedächtnisprozessen, verbunden mit emotionaler Färbung. Im Austausch über individuelle Konstruktionen wird Bestätigung bzw. Verunsicherung erfahren, was sich wiederum auf diese auswirkt. Dadurch ergeben sich sozial geprägte Konstrukte von Wirklichkeit. (Mendl 2005a, 16–18). 208 Vgl. auch Mendl 2013. 209 Vgl. Baumert 2002, 113. 210 Dressler 2009, 31–34. 211 Vgl. Englert 2013. Englert bezieht sich hierbei vor allem auf Rolf Arnold und Horst Siebert.

Auf dem Weg zu einer konstruktivistisch orientierten Religionspädagogik

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mung und Verarbeitung von Wirklichkeit erfolgt [jedoch] radikal subjektiv«212. Mendl kommt zu dem Schluss, dass es wenig sinnvoll ist, von Konstruktivismus als Konzept für den Religionsunterricht zu sprechen, sondern es sollte eher als »Prinzip« verstanden werden.213 Es geht um einen konstruktivistisch orientierten Religionsunterricht, der konstruktivistische Grundgedanken aufnimmt und diese auf das Lernen im Religionsunterricht hin befragt. Denn: »Religion gibt zu denken.«214 Ich schließe mich in meiner Arbeit Mendl insofern an, als es wenig sinnvoll ist, einen gemäßigten oder pädagogischen Konstruktivismus von einem radikalen Konstruktivismus zu trennen, da Lernen in der Tat radikal subjektiv ist. Die konstruktivistische Sichtweise sollte in erster Linie dem Lernen der Kinder und somit dem Verständnis und der Weiterentwicklung von Unterricht dienen. Eine pädagogische Grundausrichtung steht für mich an erster Stelle. Dies schließt auf der anderen Seite aber radikal-konstruktivistische Sichtweisen auf einer theoretischen Ebene nicht aus, beispielsweise um gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und sich neu inspirieren zu lassen.

212 Mendl 2013, 17. Englert bewertet konstruktivistische Konzepte für die Religionsdidaktik als nicht weiterführend. »Vieles von dem, was eine konstruktivistische Didaktik fordert, ist fraglos konsensfähig, aber, abgesehen von der terminologischen Einkleidung, auch keineswegs neu.« (Englert 2013, 24, Fußnote 1) Englert befürchtet eine noch stärkere Tendenz zur Relativierung, wie er sie bereits in seiner Studie (Englert u. a. 2014) als problematisch aufgezeigt hat. Religionslehrende positionieren sich zu wenig, bringen oft zu wenige Inhalte ein und lassen viele Dinge unreflektiert nebeneinander stehen, so seine kritische Einschätzung. In einer konstruktivistischen Religionsdidaktik sieht er die Gefahr, dass »an die Stelle der intersubjektiv diskutierten Adäquanz von Deutungsmustern der Grad [deren] individueller ›Viabilität‹« (Englert 2013, 26) tritt und dadurch nicht mehr der Grad der Realitätsangemessenheit zählt, sondern das Maß nach der »individuellen Lebenstauglichkeit« (ebd., 26) beurteilt wird. Das wäre für Englert ein Verlust. Aus konstruktivistischer Perspektive wird beispielsweise von Englert entgegengehalten, dass Lernen per se ein subjektiver Konstruktions- und Aneigungsprozess ist. Konstruktivistisch motivierte Religionspädagogen stellen eine intensive Auseinandersetzung mit theologischen Inhalten an keiner Stelle in Frage. Die Frage in dieser Diskussion ist vielmehr, welche Perspektive bei einer Bewertung im Fokus steht. Mendl sieht insgesamt die Gefahr, dass, wenn aus einer Haltung der Abgrenzung heraus argumentiert wird, man schnell argumentativ in einem »Straßengraben« landet (vgl. Mendl 2013, 17). 213 Vgl. Mendl 2013, 23. In seiner Religionsdidaktik ordnet Mendl konstruktivistisches Lernen bereits als Prinzip ein. Hier steht es neben »subjektorientiert lernen«, »symbolorientiert lernen«, »ästhetisch lernen«, »mystagogisch lernen«, »erinnerungsgeleitet lernen« und »performativ lernen«. (Vgl. Mendl 2011) Büttner spricht 2006 noch von einem Konzept (vgl. Büttner 2006, 11). 214 Englert 2013a, 36. Mendl (2013, 23) greift auf dieses Zitat von Englert in seiner Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus zurück und findet so zu einem versöhnlichen Schluss bzw. bietet Englert damit das Gespräch an.

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3.3

Konstruktivistische Perspektiven

Theologie und Konstruktivismus

Nachdem die Bedeutung konstruktivistischer Grundannahmen für die Religionspädagogik beleuchtet wurde, soll in den folgenden Abschnitten von der Sache her gefragt werden. Theologie und Konstruktivismus werden bisher nur teilweise zusammen gedacht und diskutiert. Im Bereich der Religionspädagogik hingegen gibt es seit 2010 die Jahrbücher für konstruktivistische Religionsdidaktik und damit ein Diskussionsforum für konstruktivistisch ausgerichteten Religionsunterricht. Eine Gruppe um Gerhard Büttner, Hans Mendl, Oliver Reis und Hanna Roose treibt diese Diskussion voran. Im Rahmen dieser Arbeit wird in erster Linie der Wahrheitsfrage aus unterschiedlichen Perspektiven nachgegangen. Sie ist aus theologischer Sicht bedeutsam, da sich daran der Umgang mit biblischen Texten messen können muss. Inhaltlich gesehen ist eine theologische Auseinandersetzung wichtig, die hier jedoch nur angerissen werden kann und somit eher summarischen Charakter besitzt. Didaktisch gesehen ist die Wahrheitsfrage im Kontext des Theologisierens relevant, weil es um einen angemessenen Umgang mit den Konstruktionen der Kinder geht. Diese Auseinandersetzung erfolgt im Hinblick auf das Theologisieren und das damit verbundene Lernen detaillierter, da hier auch der Schwerpunkt der Arbeit liegt. Darüber hinaus gibt es weder »den« Konstruktivismus noch »das« christliche Wahrheitsverständnis. Hinter beidem steht keine allgemeingültige Theorie, sondern es sind unterschiedliche Denkansätze, auf die je nach Begründungszusammenhang zurückgegriffen wird.215

3.3.1 Konstruktivismus und biblische Texte Beim Theologisieren konstruieren die Lernenden in der Auseinandersetzung mit biblischen Texten, sie deuten diese und suchen im Diskurs nach Antworten. Ein solch offener Umgang mit biblischen Texten legt es nahe, danach zu fragen, inwiefern diese Texte selbst konstruktivistisch gesehen werden können. Werden Theologie und Konstruktivismus zusammen gedacht, ist dabei zunächst einmal zu beobachten, dass in der Theologie – und hier insbesondere in der Systema215 Vgl. Mendl 2005c, 178. Mendl versteht wissenschaftliche Theologie ausgehend von Kucher und Ackermann als Metatheorie über die Art und Weise, wie Glaube und Realität konstruiert werden. Diese Position steht für ihn »nicht im Widerspruch zum Vorrang der göttlichen Weltzuwendung; sie lenkt den Blick nur stärker auf die Art und Weise, wie innerhalb einer Glaubensgemeinschaft das Widerfahrnis von Offenbarung rezipiert wird. Unter diesem weltanschaulichen Vorbehalt ist jede Glaubens-Konstruktion letztlich eine Glaubens-Rekonstruktion.« (Mendl 2005c, 181)

Theologie und Konstruktivismus

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tischen Theologie216 – konstruktivistischen Denkweisen vor allem in erkenntnistheoretischer Sicht zurückhaltend bis ablehnend gegenübergestanden wird.217 Auch im Bereich der Bibelexegese wird nur vereinzelt auf konstruktivistische Theorien Bezug genommen218, wenngleich neutestamentliche Texte von sich aus »einen erkennbar interpretativen Charakter«219 haben. Sie bilden nicht nur ab, sondern »bieten vielmehr ein komplexes Interpretationsgeflecht«220, wie es Landmesser eindrücklich darstellt. Auch Mendl verweist darauf, dass »Theologie immer schon konstruktivistisch orientiert war und ist«221. Darüber hinaus muss Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bewusst sein, dass sie zur jeweiligen ontischen Realität letztlich keinen Zugang haben.222 Aus konstruktivistischer Perspektive können Menschen über Gott nur in der Weise reden, wie er ihnen begegnet bzw. wie er von ihnen erfahren wird.223 Damit gründet jegliches Reden von Gott in einer subjektiven Wahrnehmung und Deutung. Trotz der Skepsis in der Theologie gibt es Theologen, die sich mit konstruktivistischen Ansätzen und Theorien auseinandersetzen und diese konstruktiv in ihre Überlegungen einbeziehen. Im nun folgenden Abschnitt werden ausgehend von der Kanonbildung und der Tatsache, dass biblische Texte stets auf Deutungen angewiesen sind, Anschlussmöglichkeiten zum Konstruktivismus gesucht. Landmesser zeigt exemplarisch an der Geschichte Jesu sowie den Deutungen des Todes Jesu, wie das Neue Testament von Interpretationen durchzogen und ohne diese gar nicht vorstellbar ist.224 »Einen Zugang zur Jesusgeschichte wird es ohne Interpretation nicht geben, wie wir einen Zugang zu unserer Wirklichkeit ohne Deutung nie-

216 Und dies trotz einer intensiven Auseinandersetzung mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann. (Vgl. auch Körtner 2011, 2f.). 217 Vgl. Körtner 2011, 1–11. Klein 2011, 13ff. Klein (2011) hebt die ablehnende Haltung sowohl auf römisch-katholischer Seite allgemein als auch im Bereich Systematischer Theologie auf evangelischer Seite hervor. 218 Vgl. Körntner 2011; Klein 2011. Erste Arbeiten in diesem Bereich gibt es schon. Beispielhaft sei auf Weidhas 1994 und Klein 2003 verwiesen. 219 Landmesser 2011, 147; vgl. auch Körtner 2011. 220 Landmesser 2011, 147. 221 Mendl 2005c, 178. An anderer Stelle verweist Mendl auf die Belege aus der Kirchengeschichte für die These einer »kontextuellen Theologie«. »Jede Reflexion über das Offenbarungshandeln Gottes – sei sie existentieller, meditativer oder wissenschaftlicher Art – [bezieht] ihre Prägung und Eigenart aus dem Umfeld […], in dem sie geschieht.« (Mendl 2005c, 180) »Näherhin wird dieses Umfeld gebildet durch die sprachlichen, sozialen, sexuellen, geografischen, kulturellen, politischen, wirtschaftlichen, ortskirchlichen, weltanschaulichen Dimensionen, in denen das glaubende Individuum sich bewegt, die es nicht zuletzt als dieses Individuum mitgestaltet haben.« (Beinert zitiert nach Mendl 2005c, 180). 222 Vgl. Mendl 2005c, 183. 223 Büttner 2006, 16. 224 Vgl. Landmesser 2011, 147–164.

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Konstruktivistische Perspektiven

mals haben werden.«225 Die Voraussetzung für abschließende Interpretationen ist nicht gegeben, weil schon die reine Textgestalt immer unsicher bleiben wird. Der vorliegende Text ist das Ergebnis sorgfältiger und doch subjektiver Auswahl und Komposition von Textgrundlagen, die ihrerseits subjektive Sichtweisen, Erfahrungen und Deutungen beinhalten. Von daher gehe es vielmehr um das Verhältnis zwischen »Interpretationskonstrukten und Konstruktbildungsprozessen«.226 So geht auch Dalferth davon aus, dass es bei der Kommunikation des Evangeliums stets um »Interpretation von Interpretationen von Interpretationen«227 geht, bei der jeder zu deutende Text bereits ein Produkt von Konstruktionen ist und wiederum neue Konstruktionen ermöglicht. Hinzu kommt die Fülle der Textsorten, so dass es einen bestimmten Textzugang nicht geben kann. Ebenso sind die verschiedenen Methoden zur Textauslegung, wie beispielsweise die historisch-kritische Auslegungsmethode, »nie nur neutral und objektiv. Sie entstehen immer in bestimmten Deutungszusammenhängen.«228 Eine Methode kann lediglich helfen, sich mit einem Text auf den Weg zu machen, sich darauf einzulassen und sich damit auseinanderzusetzen, um so zu einem begründeten Verständnis zu gelangen. Das Ergebnis bleibt jedoch offen. Der Prozess des Verstehens ist ein kreativer229 und ergibt sich aus einem Hin- und Hergehen »zwischen« dem Text und dem verstehenden Subjekt.230 Gadamer bezeichnet den Ort zwischen Fremdheit und Vertrautheit als den wahren Ort der Hermeneutik.231 »Der Prozesscharakter des Verstehens verweist auf den Ort ›dazwischen‹, in dem Sinn entdeckt und Bedeutung zugeschrieben werden können. Dieser ›Raum des Verstehens‹ ist durchaus begrenzbar (es lässt sich nicht alles auf jede Weise verstehen); aber abgeschlossen werden kann er nicht. Auch wenn manche, nicht zuletzt religiöse Interpretationen mit definitivem Anspruch auftreten, wäre eine ›endgültige Interpretation‹ doch ein Widerspruch in sich selbst. Interpretation ist immer auf dem Weg, sie ist unabschließbar und prinzipiell offen.«232

225 Landmesser 2011, 148. 226 Klein 2011, 35. 227 Dalferth 2004, 61. Die Interpretation von Texten hängt von verschiedenen Faktoren ab. Autor, Text und Leser haben unterschiedliche Intentionen, Verstehen spielt sich in deren Zusammenspiel ab. Bekommt der Text bei der Interpretation ein stärkeres Gewicht, spricht man von Werkästhetik, ist es der Leser und damit die Rezeption des Textes, dann spricht man von Rezeptionsästhetik. Verstehen ist damit an ein Zusammenspiel dieser Elemente gebunden und ist somit kein statischer Akt. (Vgl. Müller u. a. 2005, 32ff.). 228 Müller u. a. 2005, 39. Müller weist dabei auf die Bedeutung des Wortes »Methode« hin, das »Mitgehen« oder »Mit-auf-dem-Weg-Sein« bedeutet. 229 Müller u. a. 2005, 45f. 230 Müller u. a. 2005, 37f. 231 Vgl. Gadamer 1999, 300. 232 Müller u. a. 2005, 38.

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Es beruht somit alles auf Interpretationen und zuvor getroffenen Grundannahmen oder Vorentscheidungen, die immer auch anders hätten getroffen werden können. Anders meint jedoch nicht beliebig. Für den Einzelnen stecken hinter einer Entscheidung gute Gründe, wenn auch oft unbewusst, warum diese genau so getroffen wurde. Von daher sind wir im Umgang mit biblischen Texten ständig in Prozessen von Rekonstruktion und Konstruktion, also nachvollziehend und weiterdenkend aktiv.

3.3.2 Die Frage nach der Wahrheit Im Bereich der Theologie ist vielmehr der Umgang mit der Wahrheitsfrage233 interessant und strittiger als der Umgang mit Texten, wie oben dargestellt. »Denkt man die konstruktivistischen Thesen in theologischen Themen weiter, muss in letzter Konsequenz der Wahrheitsanspruch, die Gültigkeit allgemeiner Dogmen und letztgültiger Wahrheiten in Frage gestellt werden.«234

Das in der Bibel anzutreffende »Gottes-, Selbst- und Weltverständnis«235 ist von Menschen konstruiert. Gottes Wirklichkeit besteht in seinem Wirken und wird so von Menschen erfahren und gedeutet.236 Doch es bleibt die Frage, wie es um den Wahrheitsgehalt solcher Deutungen bestellt ist. In vielen theologischen und religionspädagogischen Veröffentlichungen wird es vermieden, die »Frage nach der allgemeingültigen Wahrheit menschlicher Gotteserkenntnis radikal zu stellen«237. Ebenso fürchten sich viele vor der Frage, was wäre, wenn es Gott gar nicht gäbe.238 Meyer-Blanck weist diesbezüglich darauf hin, dass das Wahre vom Einzelnen gesucht und gefunden werden muss, nicht aber hergestellt werden kann.239 Im Hinblick auf religiöse Bildung unterscheidet er zwischen Wahr233 Meyer-Blanck sieht im Begriff »Wahrheitsfrage« ein Paradoxon, hinter dem das Problem steht, dass Wahrheit in Frage gestellt wird. (Meyer-Blanck 2016, 7f.). 234 Zimmermann 2010, 100. 235 Körtner 2011, 2. 236 Vgl. Härle 1995, 278f. 237 Körnter 2011, 3. 238 Gott wird von radikal-konstruktivistischer Seite nicht angezweifelt. Glasersfeld beispielsweise geht von der Existenz Gottes als implizite Kognition aus, die jedoch an persönliches Erleben und dessen Reflexion gekoppelt ist. »So entsteht der christliche Glaube aus einer bestimmten Deutung der eigenen Existenz ›vor Gott‹.« (Scheible 2015, 279; vgl. auch ebd., 262–273) Auch Lindemann weist darauf hin, dass Glasersfeld in diesem Punkt oft missverstanden wurde. Ihm gehe es bei »seinem Umgang mit dem philosophischen Realitätsdilemma nicht um eine Entscheidung gegen die Annahme einer ontischen Realität […], sondern um eine skeptische Haltung gegenüber der ontologischen Fragestellung selbst« (Lindemann 2006, 22). 239 Vgl. Meyer-Blanck 2016, 8.

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Konstruktivistische Perspektiven

heitsgewissheit und Wahrheit. Letztere hängt eng mit der Wirklichkeitsdeutung zusammen. Religiöser Bildung kommt dadurch die Aufgabe zu, Schülerinnen und Schüler »für den Umgang mit den kulturell bedingten religiösen Realitäten kundig und kompetent zu machen, so dass die durch Bibel und Bekenntnis ermöglichte Wahrheitsgewissheit produktiv genutzt werden kann«240. Wahrheit soll aus seiner Sicht im Religionsunterricht herausfordern, sie soll aber nicht festlegen oder verstören. Religiöse Bildung klärt dabei auch über die verschiedenen Modi des Erkennens von Wahrheit auf, welche im Folgenden dargestellt werden.241 Gerade in Theologischen Gesprächen fragen Kinder und Jugendliche die Lehrperson immer wieder, ob denn eine Aussage oder Geschichte wirklich wahr ist. Dahinter steckt die Frage nach der Autorität einer Aussage. Weil die Frage nach der Wahrheit die theologische Diskussion nachhaltig prägt und schließlich Auswirkungen auf religionspädagogische Entscheidungen hat, wird diese zu Beginn aufgenommen und ihr nachgegangen. Wahrheit berührt sich mit der Richtigkeit, kann damit aber nicht gleichgesetzt werden. »Während sich die Frage nach der Richtigkeit auf die Aussage bezieht, bezieht sich die Frage nach der Wahrheit eher auf die Sache selbst: Ob etwas denn überhaupt so sein kann oder nicht doch eher eine Illusion ist.«242 Ausgehend vom philosophischen Diskurs unterscheiden Müller, Schwöbel u. a. im Zusammenhang mit dem Wahrheitsbegriff vier Theorien:243 Die Korrespondenztheorie geht davon aus, dass es eine Welt der Tatsachen gibt, die objektiv und unabhängig von den Menschen existiert. Thomas von Aquin formuliert: »veritas est adaequatio rei et

240 241 242 243

Meyer-Blanck 2016, 8. Vgl. Meyer-Blanck 2016, 8f. Müller u. a. 2005, 48. Vgl. Müller u. a. 2005, 48–51; Schwöbel 2003, 25–60; vgl. auch Wiemer 2011, 163–183. Schwöbel (2003) geht in seinen Überlegungen zur Wahrheit des Glaubens davon aus, dass Pluralismus spätestens seit der Reformation durch die Auflösung der kirchlichen Einheit mit Kirche in Verbindung steht. Bereits in der frühen Christenheit ist Pluralität erkennbar, wenn man beispielsweise an die unterschiedliche Situation und Herkunft der ersten Christen denkt. Kirche hat von Anfang an eine plurale Gestalt. »Die Tatsache, dass Gott die Wahrheit des Evangeliums ganz bestimmten Menschen in der konkreten Vielheit ihres persönlichen, sozialen und kulturellen Lebens gewiss macht, beinhaltet, dass Glaube immer nur in einer Pluralität von miteinander nicht ohne weiteres zu vereinbarenden Glaubensgestalten bezeugt wird.« (Schwöbel 2003, 37) Schwöbel geht davon aus, dass »die Wahrheit des Glaubens […] nicht außerhalb der Glaubensbeziehung zu Gott angesiedelt [ist], sondern in ihr« (ebd., 41). Dies bedeutet auch, so Wiemer, »dass sie nicht ›neutral‹ dargestellt und diskutiert werden kann« (Wiemer 2011, 170). »Eine jedermann einsichtige universale Wahrheit erwartet der Glaube […] erst von der eschatologischen Vollendung« (ebd., 171). Im Hier und Jetzt ist das Wirklichkeitsverständnis für den Wahrheitsbegriff entscheidend (vgl. Schwöbel 2003, 47), so dass »das Wahrheitsverständnis nur im Rahmen eines bestimmten Wirklichkeitsverständnisses präzisiert werden kann« (ebd., 53).

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intellectus – Wahrheit ist die Übereinstimmung zwischen Sein und Denken«244. Die Kohärenztheorie hingegen sieht Wahrheit abhängig von unserer Wahrnehmung, so dass eine Aussage über die Wirklichkeit nicht isoliert stehen kann und allein gültig ist. In der von Habermas ausgehenden Konsenstheorie geht es um den mit der Wahrheit verbundenen Geltungsanspruch. Wahrheit, so Habermas, »ist ein Geltungsanspruch, den wir mit Aussagen verbinden, indem wir sie behaupten«245. Über diesen Geltungsanspruch muss diskutiert werden, so dass schließlich als wahr gilt, worüber im Diskurs ein Konsens gefunden wird. In der auf William James zurückgehenden pragmatischen Theorie wird als wahr bezeichnet, »was sich in der Praxis bewährt hat«246. Die pragmatische Wahrheitstheorie macht somit die Anbindung an die jeweilige Wirklichkeit stark. Ihr geht es darum, »den Erfolg von Aussagen, Annahmen und Überzeugungen im Zusammenhang einer Lebenspraxis als Kriterium ihrer Wahrheit zu bestimmen«247. Dieser knappe Überblick zeigt, wie vielschichtig der Begriff Wahrheit ist und wie wenig er sich einheitlich definieren lässt.248 Alle diese Theorien haben Stärken und Schwächen.249 Aus konstruktivistischer Perspektive sind in erster Linie die Kohärenz- und die Konsenstheorie anschlussfähig und weiterführend, weil Wahrheit hier nicht einfach statisch gegeben ist, sondern von der subjektiven Wahrnehmung und dem Diskurs250 abhängt. Denn: Wahrheit entsteht in unseren Köpfen. »Religiöse Wahrheit ist die momentan aufblitzende Evidenz einer bestimmten Lesart des Ganzen«251, die sich »nur plural, individuell und situativ«252 begründen lässt. Bezogen auf den christlichen Glauben geht Müller »von einer grundlegenden

244 Schwöbel 2003, 48; vgl. auch Wiemer 2011, 172. 245 Habermas 1973, 212; vgl. auch Müller u. a. 2005, 50. 246 Müller u.a 2005, 50; vgl. auch online: http://www.philosophie-woerterbuch.de/online-woer terbuch/?tx_gbwbphilosophie_main%5Bentry%5D=26& tx_gbwbphilosophie_main%5Bacti on%5D=show& tx_gbwbphilosophie_main%5Bcontroller%5D=Lexicon& no_cache=1; abgerufen am 28. 10. 2016. 247 Schwöbel 2003, 50. 248 Vgl. Müller u. a. 2005, 48–51. 249 Wiemer fasst dies ausgehend von Schwöbel (2003) wie folgt zusammen: »Die Korrespondenztheorie geht davon aus, dass sich Wahrheit an der Wirklichkeit überprüfen lässt, die Kohärenztheorie sieht diese Möglichkeit faktisch nicht vor. Eine radikal gedachte pragmatische Wahrheitstheorie kann auf eine Pluralität individueller Wahrheiten hinauslaufen, die Konsenstheorie setzt im Gegenteil auf eine soziale ›Vereinbarung‹ der Wahrheit.« (Wiemer 2011, 174). 250 In einen Diskurs darf jede und jeder Behauptungen einbringen und problematisieren. Ebenso dürfen dabei eigene Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse geäußert werden. Dies kann nur gelingen, wenn der Dialog »herrschaftsfrei« ist. (Vgl. Habermas 1983, 99; vgl. auch Müller u. a. 2005, 77, Anmerkung 102). 251 Meyer-Blanck 2016, 10. 252 Meyer-Blanck 2016, 10.

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Konstruktivistische Perspektiven

Wahrheit der christlichen Botschaft«253 aus. Diese ist »nicht von menschlicher Übereinkunft abhängig, sondern verdankt sich Gott, der die Wahrheit ist und von dem die Wahrheit kommt (Joh 17,17)«254. Diese Wahrheit, die subjektiv bedeutsam werden kann, wird im Folgenden nicht grundsätzlich in Frage gestellt, kritisch reflektiert soll jedoch der Umgang mit dieser Wahrheit und deren Deutung werden. Im Alten Testament wird mit dem hebräischen Wort »ämät« von Wahrheit gesprochen. Dieses ist verwandt mit dem Wort »ämuna«, das für das Wort Glauben steht. Beide gehen zurück auf den Stamm »aman«, was fest sein, zuverlässig sein bzw. tragfähig sein bedeutet. Glaube hat somit mit Zuverlässigkeit, Treue und Vertrauen zu tun und zeigt sich in der Beziehung zwischen den Menschen sowie auch Gott und den Menschen. »Wenn Gottes Wort wahr ist (Ps 33,4), so besteht diese Wahrheit in seiner Treue und Zuverlässigkeit, und umgekehrt wird der Gerechte durch seinen Glauben leben, der sich als Treue gegenüber Gott erweist.«255 Dadurch wird Wahrheit zu einem »Relationsbegriff«. »Wahrheit ist nicht so sehr als dass sie geschieht.«256 Auch im Neuen Testament ist Wahrheit ein Beziehungsbegriff, wobei Wahrheit durch die Beziehung der Glaubenden zu Jesus sichtbar wird. Da es bei biblischen Texten nicht um Wahrheit im Sinne von einer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit – die mit solchen Texten gedeutet, wenn nicht gar geschaffen wird – geht, schlägt Müller vor, wahr im Kontext biblischer Texte besser mit »bedeutungsvoll«, »authentisch« oder »echt« zu übersetzen. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass Wahrheit nur annäherungsweise zu erreichen ist und es sich somit um einen Annäherungsbegriff handelt. Da unsere Erkenntnis fragmentarisch ist, wird es immer um die Suche nach Wahrheit gehen.257 »Wahrheit ist kein Besitz, aber eine Perspektive.«258 Diese Perspektive muss im Dialog immer wieder ausgehandelt werden. 253 254 255 256 257 258

Müller u. a. 2005, 51. Müller u. a. 2005, 51. Müller u. a. 2005, 54. Müller u. a. 2005, 54. Vgl. Müller u. a. 2005, 51–56. Müller u. a. 2005, 56. Schwöbel mahnt, »›Wahrheit‹ in den biblischen Traditionen nicht auf Aussagen zu beschränken« (Schwöbel 2003, 55), da sonst theologische Aussagen normativ werden, was die Gefahr der »Immunisierung des theologischen Wahrheitsverständnisses« (Schwöbel 2003, 55) in sich birgt (vgl. auch Wiemer 2011, 176). »Die Differenz zwischen theologischen Verwendungen des Wahrheitsbegriffs und seinem Gebrauch außerhalb der Theologie liegt nicht darin, dass in der Theologie ein eigener Wahrheitsbegriff verwendet wird, sondern darin, dass die Wahrheitsfrage innerhalb des Wirklichkeitsverständnisses des christlichen Glaubens formuliert wird.« (Schwöbel 2003, 55) Schwöbel begründet dies damit, dass philosophische Wahrheitstheorien stets im Zusammenhang mit einem bestimmten Wirklichkeitsverständnis stehen (ebd., 55). Damit ist nicht ein anderer Wahrheitsbegriff konstitutiv für den christlichen Glauben, sondern das Verständnis von Wahr-

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Zum Schluss soll noch einmal zurück auf die Eingangssituation geblickt werden. Wenn Kinder fragen, ob etwas wirklich wahr ist, heißt das zugleich auch: Was hältst du von dieser Geschichte bzw. was bedeutet sie dir? Wenn wir im Sinne von wahr oder richtig anworten, nehmen wir zum einen nur einen Teil der Frage der Kinder auf und zum anderen stützen wir dualistische Vorstellungen, die in richtig – falsch bzw. wahr – unwahr aufgehen. Gelingt es der Lehrperson hingegen, sich nicht auf das Passiert-Sein zu konzentrieren, sondern vielmehr unterschiedliche Bedeutungen der Geschichte – für den Autor, die Menschen damals, für uns heute oder für einzelne Personen etc. – aufzunehmen und mit den Kindern darüber zu sprechen, können die Kinder im Aufbau eines mehrperspektivischen Welt- und Wirklichkeitsverständnisses unterstützt werden.

3.3.3 Zum Umgang mit der Wahrheitsfrage Nachdem der Begriff der Wahrheit und damit verbundene Theorien überblicksartig beleuchtet wurden, wird nun aus konstruktivistischer Perspektive aufgezeigt, wie und in welchem Kontext die Wahrheitsfrage systematischtheologisch diskutiert wird. Ausgehend von Briedens Einsicht, dass jeder Konstruktivismus »per se radikal« sei, radikal aber nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen ist,259 bleibt auch die Frage nach einem verantwortbaren Umgang mit dem Wahrheitsbegriff. »Diese Relativierung ist nicht in das Belieben des Reflektierenden gestellt, sondern erweist sich als gangbarer Weg (Kriterium der Viabilität). Aber radikal heißt auch nicht ›beliebig‹, wie es ein vulgärer Relativismus nahelegen könnte, für den alles gleichgültig heit ist gebunden an die Erfahrungen und das Verständnis von Wirklichkeit, welche im Glauben gründen. Im Glauben ergibt sich eine Bewegung von zugesagter hin zu ausgesagter (»ich glaube an«/»ich glaube, dass«) Wahrheit. Von daher sind »die Wahrheitsansprüche des christlichen Glaubens […] immer wieder im Konsens der Glaubenden zu formulieren« (Schwöbel 2003, 57). Es ist die persönliche Glaubensgewissheit, die im Dialog mit der Glaubensgemeinschaft die Formulierung eines gemeinsamen Glaubensbekenntnisses ermöglicht. (Schwöbel 2003, 55–57) Für den Dialog im Religionsunterricht, in dem unterschiedliche Wirklichkeitsverständnisse zusammentreffen, ist dieses Verständnis insofern eine Hilfe, als Glaubensüberzeugungen und Wahrheitsansprüche kommunizierbar werden und einen Bezugspunkt haben. Es geht ja keineswegs darum, einem Atheisten Gott zu beweisen, sondern vielmehr darum, das gemeinsame Nachdenken über Fragen und Inhalte aus theologischer bzw. religiöser Perspektive zu ermöglichen. Dazu muss der Bezugspunkt geklärt sein. 259 Brieden 2010, 165. Klein (2011, 23, 26) greift in seiner Argumentation auf das Alteritätsprinzip (»Es geht auch anders!«) zurück und verweist darauf, dass dabei Unterscheidungen getroffen werden müssen, »die – mit Luhmann gesprochen – prinzipiell ›willkürlich‹, aber ›nicht beliebig‹ sind«.

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wird, weil ihm die relativen Wahrheiten als gleich gültig erscheinen, wenn es keine absolute Wahrheit gibt.«260

Brieden argumentiert weiter, dass jede Beobachtung von seinem Beobachter abhängig ist, von dessen Erfahrungen und Deutungen.261 Von daher relativiert sich auch der Wahrheitsanspruch, Wahrheit ist somit im Kontext des Interpretationssystems zu sehen und zu verstehen. Ähnlich arbeitet Reis in seiner mehrperspektivischen Gotteslehre heraus, dass Religion selbstreferenziell ist. »Religiöse Beobachtung ist immer eine selbstbezügliche Beobachtung. Religiöse Weltbeobachtung ist immer menschliche Weltbeobachtung und damit auch kontingente, begrenzte Weltbeobachtung. Die Referenzen unseres Gott-Denkens können deshalb auch nur unsere Erfahrungen sein.«262

Aus dieser Perspektive wird verständlich, dass biblische Texte keine objektiven Wahrheiten »abbilden« und auch nicht einfach historische Realität. Ihre Wirklichkeit liegt darin, wie diese von den Generationen eingeordnet und verstanden wurden und werden, also wie diese die Texte interpretieren und auf dieser Grundlage ihre eigene Wirklichkeit neu verstehen.263 Für Reis kommt der Theologie die Aufgabe zu, die Rede von Gott und seiner Beziehung zur Welt darzustellen und zu reflektieren.264 Im Nachdenken über die menschlichen Begrenzungen formuliert er schließlich mit Marquart: »Nur wo wir freimütig die Konstitutionsschwäche unserer Wahrheitsbehauptungen zugeben, können wir sie als Gotteswahrheiten vertreten, die niemand als Er alleine bewahrheiten kann.«265 260 Brieden 2010, 165. Gergen/Gergen gehen aus konstruktionistischer Perspektive davon aus, dass alles gültig sein kann, »doch nicht für alle Menschen, sondern: Für unterschiedliche Gruppen ist Unterschiedliches gültig« (Gergen/Gergen 2009, 22f.). Grundvoraussetzung sind Formen des Dialogs, in denen Neues entstehen kann. Dabei lautet die Herausforderung nicht, »,den einen besten Weg‹ zu finden, sondern so miteinander in Beziehung zu treten, dass wir unsere Zukunft gemeinsam erschaffen können« (ebd., 22). 261 Für Klein (2011, 27–38) ist der blinde Fleck – in Anlehnung an Luhmann – notwendig, damit verschiedene Systeme bzw. Beobachter miteinander in Kontakt kommen können. Blinde Flecken entstehen, weil jeder Akteur ständig Unterscheidungen vornimmt. »Der blinde Fleck kann jedoch aufgedeckt werden, indem eine weitere Beobachtung, eine Beobachtung zweiter Ordnung, angefügt wird, also eine Beobachterbeobachtung. Diese Beobachterbeobachtung operiert notwendigerweise mit anderen Unterscheidungen […]. Beobachtungen partizipieren stets am gleichen Modell, so dass auf jeder Ebene der Beobachtung ein blinder Fleck erzeugt wird, der gleichwohl wieder Bedingung dafür ist, dass überhaupt etwas beobachtet werden kann. ›Der Beobachter des Beobachters ist kein ›besserer‹ Beobachter, nur ein anderer.« (Klein 2011, 28f.; vgl. auch Luhmann 1986). 262 Reis 2012, 315. 263 Vgl. Reis, 2012, 111; Scheible 2015, 280–284. 264 Vgl. Reis 2012, 16ff. 265 Marquardt 1993, 270; vgl. Reis 2012.

Theologie und Konstruktivismus

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Neben der Anerkennung menschlicher Begrenztheit kommt für Karl Rahner die Bedeutung des Geheimnisses in den Blick. Für Rahner ist die »entscheidende Eigenschaft des Geheimnisses, das die Tradition ›Gott‹ nennt, die Unbegreiflichkeit […] ›Gott wäre nicht Er, würde er aufhören, dieses heilige Geheimnis zu sein‹.«266 Damit sind wir nahe bei dem, was Glasersfeld dem Bereich des Mythischen zuordnet und somit Teil des Unverfügbaren ist. Im Folgenden geben ausgewählte Perspektiven einen Einblick in die theologische Diskussion, um so deren Komplexität zu veranschaulichen. Mit Bultmann verstehen auch Pannenberg und Härle Gott als »die alles bestimmende Wirklichkeit«267. Gleichzeitig scheint die Wirklichkeit Gottes »besonders ein menschliches Konstrukt zu sein. Gott ist Gegenstand des Glaubens und Glaube ist ein ›Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht‹ (Hebr 11,1)«.268 Schließlich ist das, was wir unter Wirklichkeit verstehen, »nicht identisch mit unseren vielfältigen Konstruktionen von Wirklichkeit. Wirklichkeit ist das, woran wir uns in unserem Erkenntnisbemühen abarbeiten und woran sich unsere Konstruktionen, unsere Modelle und Theorien, bewähren müssen«269. Ein ganz anderer Weg 266 Rahner zitiert nach Scheible 2015, 282. 267 Bultmann 1972, 26–37; Pannenberg 1977, 304; Härle 1995, 211ff. Wenn Bultmann von Wirklichkeit spricht, dann steht dahinter ein doppelter Wirklichkeitsbegriff: Wirklichkeit als Synonym für das »Weltbild« oder die »Weltanschauung« des Menschen oder Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit (vgl. Körtner 2011, 5). Im Lexikon werden drei Bedeutungen von Wirklichkeit voneinander unterschieden: 1. Wirklichkeit als das, was wirkt bzw. wirksam geworden ist. 2. Wirklichkeit als Gegensatz von Schein oder dem Nicht- bzw. Noch-nicht-Wirklichen, aber doch Möglichen. 3. Wirklichkeit als etwas, »was wir auf Grund äußerer und innerer Wahrnehmung nach deren kritischer Läuterung von subjektiven Zutaten und auf Grund von Schlüssen aus der Wahrnehmung […] als objektiv seiend anerkennen«. (Lemma »Wirklichkeit« in: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, vollständig neu herausgegeben von Arnim Regenbogen und Uwe Meyer, Hamburg 1998, 735f., zitiert nach Großhans 2011, 89f., Anmerkung 19.) Problematisch ist der Begriff der Wirklichkeit in Bezug auf Gott und die damit verbundene theologische Diskussion deshalb, weil aus unterschiedlichen Perspektiven bzw. auf der Grundlage differierender Definitionen und Grundüberzeugungen argumentiert wird. Und somit wären wir an einer grundlegenden Herausforderung, die der Radikale Konstruktivismus mit sich bringt, angelangt: Der Diskussion liegen autopoietische Systeme zugrunde, deren Grenzen nicht ohne weiteres überwunden werden können. 268 Großhans 2011, 82. Dabei ist zu bedenken, dass die Konstruktion von Gottheiten in der Geschichte und auch Gegenwart immer wieder ein Moment totalitärer Machtausübung war bzw. ist. »Gott wurde und wird konstruiert und in den Dienst einer bestimmten Ästhetik, einer bestimmten Moral oder einer bestimmten politischen Macht gestellt.« (Ebd., 82f.). 269 Großhans 2011, 91. Im Original steht an dieser Stelle muss, was meines Erachtens jedoch müssen heißen sollte. Glasersfeld differenziert zwischen Wirklichkeit und Realität. Wirklichkeit ist das, »was wir aufgrund unserer Erfahrungen abstrahieren, aufbauen und anpassen, um mit anderen konstruieren zu können. Unter Realität hingegen versteht er ein Hindernis der realen Umwelt, das den eigenen Konstruktionen entgegensteht und an dem wir bei Fehlinterpretationen scheitern können. Hindernisse umgehe man durch Anpassung der Konstruktionsleistung.« (Scheible 2015, 15, vlg. auch Anmerkung 55 und 56).

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Konstruktivistische Perspektiven

der Gottesbeschreibung bzw. Gotteserkenntnis wird in der Negativen Theologie beschritten, wenn davon ausgegangen wird, »dass Gott ist, aber nicht, was er ist«270, weil er mit menschlichen Begriffen nicht zu fassen ist. Gottes Sein wird dabei vorausgesetzt und nicht erkenntnistheoretisch hinterfragt.271 Neben der Wirklichkeit und Existenz Gottes wird der Blick nun auf das Gottesbild gelenkt. Beim Gottesbild in der christlichen Tradition fällt auf, dass es sich immer wieder verändert. Im Alten Testament wird uns beispielsweise Gott als Gott des Volkes Israel in unterschiedlichen Situationen und geschichtlichen Zusammenhängen vorgestellt. Im Neuen Testament wird eine universalistischere Sicht aufgespannt, für alle Menschen kann er zu ihrem Gott werden. Jüngel setzt mit seiner analogen Gottesrede noch einmal andere Akzente. Da sich Gott selbst in Jesus Christus zeigt, wird seine Realität gewahr und es kann dadurch von und über Gott gesprochen werden.272 Eine Gott entsprechende Rede sieht er in der analogen Rede273. In der Person Jesus Christus lassen sich Aussagen über Gott artikulieren, die der anthropomorphen Struktur menschlicher Rede entsprechen. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass diese eben aus menschlicher Sicht getroffen werden und somit Gott in seinem Sein nur teilweise entsprechen.274 Davon ausgehend, dass biblische Texte keine objektiven Texte mit einfacher, historischer Realität sind, liegen für Reis Wirklichkeit und Wahrheit im Text selbst, welcher Bilder bei den Rezipienten evoziert: 270 Scheible 2015, 280. Die Negative Theologie geht davon aus, dass Gott nicht mit menschlichen Begriffen erfasst und beschrieben werden kann. Dahinter steht die »Einsicht, dass alles menschliche Reden von Gott stets und zwangsläufig unzulänglich ist« (Wiemer 2011, 66). Eine Erkenntnis Gottes ist nicht möglich, er kann lediglich erfahren werden. Dabei ist es das Wesen Negativer Theologie, Aussagen über Gott gerade nicht mit menschlichen Eigenschaften zu formulieren, z. B. Menschen sind endlich, Gott ist un-endlich. (Vgl. Glasersfeld 1996, 61; Müller u. a. 2005, 234) Scheible kommt zu dem Schluss, dass die Negative Theologie »am engsten mit der radikal-konstruktivistischen Erkenntnistheorie verknüpft ist« (Scheible 2015, 318). Sie wendet sich »gegen die verabsolutierende menschliche Objektivierung Gottes und gegen seine Instrumentalisierung im privaten und gesellschaftlichen Bereich« (ebd.). Mit unseren menschlichen Aussagen über Gott können wir ihn nicht in ein Korsett stecken und meinen, wir hätten Gott begriffen. Im Gegenteil: Wir können »Gott nie im Griff« haben, »weshalb Theologie von Gott immer auch im Modus der Frage reden muss« (Wiemer 2011, 67). Schließlich kann Negative Theologie, da sie davon ausgeht, dass nicht alles möglich ist, befreiend und entlastend wirken und »Diskussionen über die Infragestellung Gottes aus Sackgassen herausholen« (ebd., 71). 271 Dies ist eine an den Radikalen Konstruktivismus von Glasersfeld anschließbare Grundaussage. Als Buddhist hat Glasersfeld die spirituelle Seite der Religion stark betont, Voraussetzung war für ihn lediglich die Existenz Gottes, die er nicht in Frage stellte. (Vgl. Glasersfeld 1996, 61ff.). 272 Jüngel 2010, 408; vgl. auch Scheible 2015, 281. 273 Vgl. Jüngel 2010, 315. 274 Aus (radikal-)konstruktivistischer Perspektive ist dies beispielsweise über die Autopoiesis erklärbar. Auch Pörksens Grundsatz der Relativität und Bedingtheit aller Erkenntnis kann zu Gelassenheit und Toleranz aufrufen (Pörksen 2013, 30f.).

Theologie und Konstruktivismus

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»Da jede Generation sich ihre Bilder macht, sind nicht die Bilder das Entscheidende, sondern die Kraft des Textes diese Bilder hervorzurufen. Die Menschen interpretieren jeweils diese Texte neu, sie verstehen ihre eigene Wirklichkeit auf der Grundlage der Texte.«275

Weiter geht Reis von der Theologie als einer hörenden Wissenschaft aus. Er betont hierbei die Bedeutung, dass Gottes Rede nicht etwas Vergangenes ist, aber ebenso wenig nur persönliche Erfahrung sein kann. Am Anfang steht für die Theologie das Zuhören, das Hören auf das, »was Menschen als Rede von Gott ausgewiesen haben, bevor sie sich überlegt, was heute zu hören ist.«276 Vergangenes mit heutigen bzw. eigenen Erfahrungen zu verknüpfen und von daher einzuordnen und zu deuten, ist ein wichtiger Aspekt im Umgang mit der Rede von Gott und somit Gottes Wirklichkeit. Die Rede von Gott ist deshalb zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen. Bei jedem Einzelnen wird sich in der Auseinandersetzung mit einem biblischen Text ein je eigener Prozess von Konstruktion und Dekonstruktion in Gang setzen, und das »egal ob man der konstruktivistischen Theorie anhängt oder nicht«277. Gleichzeitig bindet eine kritische Reflexion den »Glauben an die Geschichte einer Glaubensgemeinschaft und an die Glaubensgemeinschaft selbst«.278 Neben dem Hören kommt der Theologie das ordnende Denken zu, also eine Beobachtung von außen beispielsweise aus der Perspektive der Geisteswissenschaften. Sie bewirkt nicht eine Schwächung, sondern macht es im Gegenteil »möglich, dass jede Generation das Wort frisch und unverbraucht und lebensspendend hören kann«.279 Aus konstruktivistischer Perspektive wird »nicht die Existenz einer Wirklichkeit außerhalb des Erkennenden selbst, sondern deren scheinbar objektive Erkennbarkeit«280 bezweifelt. Damit ergibt sich für Mendl kein »Widerspruch zu einem Vorrang der Weltzuwendung und Offenbarung Gottes«281. Er sieht als entscheidenden Faktor 275 276 277 278 279

Reis 2012, 111; vgl. auch Scheible 2015, 284. Reis 2012, 18. Mendl 2005c, 185. Reis 2012, 18 bzw. 16–20. Reis 2012, 19. Reis weist in diesem Zusammenhang auf die Grenze der Reflexion bzw. des Ordnens hin, nämlich als Gläubige unsere Bezogenheit sowohl auf die Theologie als auch die Glaubensgemeinschaft. »Wenn wir den Glauben oder auch die Theologie wie von außen beobachten, so sind wir darin als Glaubende frei. Wenn wir in der Beobachtung diese Verbindung aufgeben, dann wird das bemächtigende Ordnen zum Selbstzweck und wir sind bei der Rede über Gott gelandet.« (Reis 2012, 19) Sowohl der relativistische Subjektivismus, also wenn »jeder glaubt, was er glaubt«, als auch der positivistische Rationalismus, der davon ausgeht, dass Gottes Reden und Handeln erklärbar sein müssen (ein Bezug zu biblischen Erfahrungen wird dadurch vernachlässigt oder sogar außer Acht gelassen), nehmen das Zuhören und Ordnen nicht wirklich ernst und werden als verzerrte Denkformen (z. B. Fundamentalismus, Fideismus) bezeichnet. (Vgl. ebd., 18f.). 280 Mendl 2013, 19. 281 Mendl 2013, 19.

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Konstruktivistische Perspektiven

die Art und Weise, wie Erfahrungen von einer Glaubensgemeinschaft oder auch einem Einzelnen rezipiert und eingeordnet werden. »Die (Re-)Konstruktion von Wahrheit scheint deshalb als sozial ausgehandelt, kontextuell bedingt, in ihren Bedeutungsschichten zu jeweiligen Zeiten geordnet und nur dann persönlich bedeutsam, wenn sie auch als existenziell betreffend empfunden wird.«282 Die angeführten Beispiele machen deutlich, dass die Frage nach der Wahrheit so einfach nicht beantwortet werden kann, da Bezugsrahmen und Kontext nicht ohne Folgen bleiben.283 »Wenn jeder glaubt, was er glaubt« und es keine Wahrheit mehr gibt, »von der aus die einzelnen Standpunkte beurteilt werden können«284, dann spricht Sölle vom relativistischen Subjektivismus. Das andere Extrem ist ein positivistischer Rationalismus, bei dem »Gottes Handeln und Reden rational erklärbar sein [müssen], wenn sie legitim sein wollen«285. Aus dieser Perspektive fügt sich Gott ganz »in das Kategoriensystem der Welt ein und er kann außerhalb dessen keine Geltung mehr beanspruchen«286. Bei beiden hier beschriebenen Sichtweisen handelt es sich um Extreme, die ihre Grenzen aufweisen und gleichzeitig deutlich machen, warum Theologinnen und Theologen oft Sorge haben, wenn konstruktivistische Theorien ins Spiel gebracht werden.287 Was gilt dann noch?288 Woran soll man sich orientieren? – Diese Fragen 282 Mendl 2013, 20; vgl. auch Mendl 2007, 9–12; Mendl 2005c, 177–187. 283 So wird auch verständlich, dass das Frühjudentum und das Urchristentum in der Deutung der Geschehnisse um Jesus völlig getrennte Wege gehen. »Es bedarf offensichtlich einer bestimmten religiösen Disposition, um überhaupt eine Offenheit für diese Art der ›Beweisführung‹ erwarten zu können. Und tatsächlich scheint […] vielmehr der Versuch der Verfasser der neutestamentlichen Texte, das Christusgeschehen in die Geschichte Gottes mit Israel einzuzeichnen. Es ist derselbe Gott, der an Israel handelt und der im Christusgeschehen wirksam ist […].« (Landmesser 2011, 159). 284 Sölle zitiert nach Reis 2010, 19. 285 Reis 2012, 19. 286 Reis 2012, 19. 287 Klein ist da weniger besorgt. Er wünscht sich mehr Mut und Selbstbewusstsein, wenn es um eine theologische Theoriebildung im Kontext konstruktivistischer Ansätze geht, sowie einen produktiven Umgang mit dieser Herausforderung. Wenn er dies formuliert, dann nimmt er dabei die kritischen Stimmen ernst, »die befürchten, Theologie könnte sich hier letztlich in Philosophie oder Anthropologie auflösen« (Klein 2011, 41). 288 Häufig wird im Kontext der konstruktivistischen Diskussion die Befürchtung laut, wenn konstruktivistische Theorien Anwendung finden, gilt zunächst einmal gar nichts mehr. »Wenn die Wirklichkeit als Ganze ein Interpretationskonstrukt ist, gilt das dann in gleicher Weise auch für Gott?« (Körtner 2011, 1f.). Glasersfeld selbst nimmt – allerdings aus buddhistischer Sicht – die erste Sorge, indem er Gott an keiner Stelle in Frage stellt. Dies soll nicht einfach auf das Christentum übertragen werden, sondern zeigen, dass es auch für ihn unausweichliche Grundannahmen gab. Großhans (2011, 79–91) ermutigt über die Gotteskonstruktion hinauszugehen und nach der Wirklichkeit Gottes in der Welt zu fragen und dieser Raum zu geben. Dadurch kommt die subjektive und kollektive Sicht stärker in den Blick. Systematisch-theologisch muss zwischen subjektiver Gewissheit in Glaubensfragen und objektiver Sicherheit, welche es jedoch nicht gibt und geben wird, unterschieden werden. Diese Unterscheidung geht auf Martin Luther zurück, der zwischen securitas (Si-

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scheinen in unserer westlich geprägten Gesellschaft für Christinnen und Christen heute in besonderer Weise aktuell. Viele suchen eine klare Orientierung in der Religion und es besteht eine Tendenz zu zunehmend fundamentalistischen Glaubensüberzeugungen, die auf einer normativen Bibelauslegung beruhen.289 Dem Religionsunterricht kommt an dieser Stelle eine wichtige Bedeutung zu: »Demgegenu¨ ber hat der Religionsunterricht die Chance, am Beispiel christlicher Wahrheitserfahrung und -pru¨ fung den Ernst des Wahrheitsproblems u¨ berhaupt vor Augen zu fu¨ hren. Dabei darf allerdings die Kehrseite nicht verschwiegen werden: Wo Wahrheit fu¨ r andere absolut gesetzt wird – die unbedingte Verbindlichkeit fu¨ r die eigene Person ist davon nicht beru¨ hrt –, breiten sich Streit und Bevormundung aus. Auch durch die Geschichte des Christentums zieht sich eine Spur von Intoleranz und Fanatismus.«290

3.3.4 Wahrheit aus unterschiedlichen Perspektiven Wie der vorangegangene Abschnitt zeigt, ist Wahrheit nicht – wie für die Naturwissenschaft häufig angenommen – wissenschaftlich nachweisbar. Was als wahr gelten kann, kann sich von Bezugsrahmen zu Bezugsrahmen unterscheiden und hängt somit vom jeweiligen Begründungszusammenhang bzw. der zugrunde liegenden Theorie ab. Im nun folgenden Abschnitt wird der Perspektivität von Wahrheit in theologischem und religionspädagogischem Kontext noch einmal nachgegangen, denn »Rationalität und Wahrheit liegen […] nicht einfach fest, sondern werden in einem diskursiven Prozess herausgearbeitet«291. Und gerade dies ist das Wesen Theologischer Gespräche im Religionsunterricht. Gott begegnet uns in der Bibel in Form von Menschen- oder Zeugenworten. Subjektive Erfahrungen und Deutungen unterschiedlicher Personen beinhalten Glaubensaussagen, also Wahrheiten für bestimmte Personen oder Gemeinschaften in einem spezifischen Kontext, nicht aber allgemeingültige Wahrheiten. Dies alles sind an Situationen, Zeiten und Personen gebundene Wahrheiten, cherheit) und certitudo (Gewissheit) unterscheidet. Im Bereich des Glaubens kann der Mensch certitudo erreichen, nicht aber securitas. Dies wäre in Luthers Denken auch verfehlt, weil sich der Mensch dann nicht mehr auf Gott verlassen würde, sondern ihm gegenüber den Anspruch der Sicherheit behaupten würde. Sehr wohl aber kann der Glaube die subjektive Gewissheit, die Luther »Rechtfertigung« nennt, erlangen. (Vgl. Härle 1995; Müller u. a. 2005). 289 Heim u. a. (2013) zeigen in ihrer Studie beispielsweise für den Bereich der Theologiestudierenden für den Bereich der Badischen Landeskirche, dass das Bibelverständnis einer nicht zu vernachlässigenden Zahl fundamentalistisch geprägt ist. 290 Rat der Evangelischen Kirche Deutschland 1994, 30. 291 Müller u. a. 2005, 77.

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»deren Verifizierung durch Gott selbst noch ausstehe«292. Aussagen über Gott »sind immer gekoppelt an persönliches Erleben und dessen Reflexion«293. »So entsteht der christliche Glaube aus einer bestimmten Deutung der eigenen Existenz ›vor Gott‹.«294 Büttner und Reis würden dafür den Begriff »Glaubenswissen« oder »religiöses Wissen« verwenden.295 Auch Mendl betont, dass Glaubenswissen und historisch gewachsene Tradition »stark von individuellen Konnotationen und Konstrukten geprägt«296 sind und es somit ein Mythos wäre zu glauben, dies sei objektive Wahrheit.297 Davon ausgehend plädiert er für die von Foerster eingebrachte Unterscheidung von entscheidbaren und unentscheidbaren Fragen298, wobei er die Stärke unentscheidbarer Fragen hervorhebt. Geht es bei entscheidbaren Fragen in erster Linie um eine Zustimmung oder Ablehnung bzw. um eindeutige Aussagen, laden unentscheidbare Fragen zum Nachdenken, Positionieren und Begründen ein.299 Da es aus radikal-konstruktivistischer Perspektive keine absolute, verordnete Wahrheit geben kann, fällt dem Einzelnen in seinem Denken und Handeln in solchen Fragen eine Wahlbzw. Entscheidungsmöglichkeit zu.300 Mit dieser Wahlfreiheit kommt dem Einzelnen auch eine Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen gerade bei 292 293 294 295

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Göllner/Brieden nach Scheible 2013, 216. Scheible 2015, 279f. Scheible 2015, 279f. Vgl. Büttner/Reis 2015, 9–20. Büttner und Reis haben den Begriff Glaubenswissen bewusst gewählt und deklinieren ihn auch systematisch durch. Augustus Unterscheidung von »fides qua« und »fides quae« spielt dabei eine Rolle, wobei sowohl aus evangelischer als auch katholischer Perspektive sich das fides qua unter das fides quae stellen muss. (Vgl. Büttner/ Reis 2015, 9–13) »Die Spannung zwischen dem Glaubenswissen – als das Streben des individuellen Glaubens aus der subjektiven Gewissheit heraus in die Verständigung über objektive Plausibilität – und dem Glaubenswissen – als die soziale Form des einen Glaubens, das dem individuellen Glauben vorausgesetzt ist – prägt diesen Begriff.« (Büttner/Reis 2015, 11) Unter »religiösem Wissen« kann dann verstanden werden, »was jedermann über die Religion weiß« (ebd.). Mendl 2015a, 180. Vgl. Mendl 2015a, 180f. Sowohl im Hinblick auf die Theologie als auch die Religionspädagogik sieht Scheible die von Glasersfeld vorgenommene Unterscheidung zwischen rationalem und mystischem Wissen ausgehend von zwei Arten von Weltsichten (einer wissenschaftlichen Perspektive und der Perspektive der Mystik) bzw. von Foersters Trennung zwischen entscheidbaren und unentscheidbaren Fragen als hilfreichen Ansatzpunkt (vgl. Scheible 2013, 216ff.). Vgl. auch Freudenberger-Lötz 2007, 125. Foerster versteht entscheidbare bzw. nicht-entscheidbare Fragen wie folgt: »Die Frage etwa ›Ist die Zahl 372 153 102 (ohne Rest) durch 2 teilbar?‹ ist eindeutig entscheidbar. […] Entscheidbarkeit [ist] jedoch immer durch die Gültigkeit der Regeln eines Formalismus gewährleistet, mit dessen Hilfe man zu jedem Knotenpunkt gelangen kann, indem man einfach geduldig die Verbindungswege entlangrobbt. […] Fragen nach dem Universum sind zum Beispiel prinzipiell unentscheidbar, wie sich allein an den vielen verschiedenen Antworten zeigt, die auf solche Fragen gegeben werden.« (Foerster 1997, 350). Vgl. Foerster 1997.

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unentscheidbaren Fragen zu.301 Übertragen auf den didaktischen Bereich des Religionsunterrichts bedeutet das für Kinder und Jugendliche, dass sie dadurch die Möglichkeit haben, aus den gemeinsamen Theologischen Gesprächen subjektive Deutungen und somit eine Wahrheit für sie selbst zu formulieren.302 Mendl hält in Bezug auf die Wahrheit fest, dass diese sozial ausgehandelt wird, vom Kontext abhängig ist und die Person existenziell betrifft.303 Ein »Austausch über je unterschiedliche Verstehens- und Bedeutungskonstrukte«304 ist produktiv und für den Einzelnen gewinnbringend, wenn gegenseitige Wertschätzung und Toleranz sowie Offenheit305 den Dialog bestimmen. Die sich im Gespräch ergebenden subjektiven Wahrheiten Einzelner können nicht in objektive Wahrheiten transformiert werden. Sie lassen sich jedoch in der Gemeinschaft kommunizieren und diskutieren und können so zu »Wahrheiten an sich« für eine Glaubensgemeinschaft werden, wobei jede und jeder eine »Wahrheit für sich« in Anspruch nimmt. Diese kann sich mit derjenigen anderer decken oder auch sich davon abheben. Eine völlige Deckung ist nicht möglich, da Wahrheiten stets auch an eigene Erfahrungen gebunden sind. Die Unterscheidung in die beiden Kategorien »Wahrheit an sich«306 und »Wahrheit für mich« kann gerade in religionspädagogischen Kontexten zunächst einmal hilfreich und fruchtbar sein. Denn glaubhaft ist letztlich »nur die Wahrheit, die uns hat und von der wir mit guten Argumenten behaupten dürfen, dass sie uns zu Recht ›eingenommen‹ hat«307. Büttner und Reis versuchen die Frage nach der Wahrheit im Kontext der Auseinandersetzung mit der konstruktivistischen Religionsdidaktik noch deutlicher herauszuarbeiten. Sie unterscheiden Theologie als wissenschaftliche Reflexion von religiösem Wissen einer Glaubensgemeinschaft (fides quae) und dem persönlichem Glauben. Somit stehen uns drei unterschiedliche Bezugsrahmen zur Verfügung, aus welchen heraus argumentiert werden kann. Etwas 301 Vgl. Scheible 2015, 196. 302 Vgl. Mendl 2015a, 180f. 303 Vgl. Mendl 2007. Weggelassen wurde in der obigen Aufzählung der Aspekt, dass Wahrheit geordnet ist, da hier insbesondere auch die Ordnung innerhalb der katholischen Kirche zur Sprache kommt. 304 Mendl 2007, 12. 305 Wahrheit kann nicht auf einen »einzigen, starren Satz von Wörtern« reduziert und somit ein für allemal festgehalten werden. Aus sozial-konstruktionistischer Sicht bedarf es eines offenen Dialogs, in dem unterschiedliche, auch konkurrierende Sichtweisen Platz finden und hierbei Wahrheit sozial ausgehandelt wird. (Gergen/Gergen 2009, 27f.). 306 Wenn der Begriff »Wahrheit« aus konstruktivistischer Sicht im Zusammenhang mit Autopoiesis und Viabilität gesehen wird, kann zwischen einer »Wahrheit an sich«, die für eine bestimmte Gruppe, wie z. B. eine Glaubensgemeinschaft, Gültigkeit hat, und einer »Wahrheit für mich« unterschieden werden. Es ist jedoch nicht möglich, Wahrheit absolut zu formulieren. 307 Werbick 1995, 17.

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Konstruktivistische Perspektiven

kann »wahr im wissenschaftlichen Diskurs« sein, es kann aber auch »wahr in der Perspektive des einen Glaubens«308 sein oder schließlich aufgrund der eigenen Erfahrungen und deren Reflexion eine subjektive Wahrheit für den Einzelnen beinhalten. Bei einer Argumentation ist deshalb auch nach dem Bezugspunkt bzw. Bezugsrahmen zu fragen, also ob etwas die »Rationalitätskriterien der Theologie erfüllen« oder »den individuellen Glauben in den Horizont des einen Glaubens«309 stellen soll. Denn »jede Tradition hat ihre eigenen Kriterien der Urteilsbildung«310. Glaubenswissen und theologische Erkenntnisse legitimieren sich gegenseitig und beide haben für Büttner und Reis im konfessionellen Religionsunterricht ihren Ort.311 Aus konstruktivistischer Sicht wird so das Prinzip der Mehrperspektivität aufgenommen und bietet in der Auseinandersetzung die Möglichkeit, einen eigenen Standpunkt einzunehmen und sich zu verorten. So kann eine reflektierte »Wahrheit für mich«312 entstehen, die ihre Berechtigung neben den anderen genannten Formen hat.313 308 Büttner/Reis 2015, 13. Traditionell ist die Suche nach Wissen eng mit der Wahrheitsfrage verknüpft. Aus konstruktionistischer Sicht wird »Wissen als Produkt von Gemeinschaften« (Gergen/Gergen 2009, 73) verstanden und ist nicht, wie Glasersfeld formuliert, lediglich ein Ergebnis eines erkennenden Subjektes. »Aus dieser Sicht geht es dann nicht mehr um »Wahrheit für alle«, sondern um »Wahrheit innerhalb der Gemeinschaft« (ebd.). Gergen/ Gergen folgern weiter, dass Menschen, die als »ungebildet« bezeichnet werden, jedoch nicht unwissend sind. Ein Mathematikprofessor weiß z. B. nicht mehr als ein Maurer, er weiß jedoch anderes. Das Beispiel zeigt, dass eine Unterscheidung zwischen gebildet und unwissend unzureichend ist. 309 Büttner/Reis 2015, 13. 310 Gergen/Gergen 2009, 16. Wahrheit hängt somit davon ab, so Gergen, ob die Beteiligten die Sprache in der gleichen Weise verwenden. Mit Glasersfeld muss darauf verwiesen werden, dass bereits Sprache individuell ist (vgl. Glasersfeld 1997, 211–224). 311 Vgl. Büttner/Reis 2015, 13. Sie weisen an dieser Stelle auch auf die Gefahr hin, dass theologische Reflexionen und Glaubenswissen gleichgesetzt werden, anstatt sie deutlich voneinander abzuheben. Ein Blick in den sozialen Konstruktionismus fordert uns ebenso dazu auf, »die traditionelle Opposition Wissenschaft versus Religion zu beseitigen« (Gergen/ Gergen 2009, 25). Da aus unterschiedlichen Perspektiven argumentiert wird, hat jegliches auf seine Art Berechtigung. Es kann also ein Sowohl-als-auch oder beides gültig sein. Bezogen auf den Religionsunterricht arbeitet Scheible heraus, dass aus radikal-konstruktiver Perspektive der konfessionelle Religionsunterricht, in dem Innen- und Außenperspektive miteinander verbunden werden können, die angemessene Form für den Religionsunterricht darstellt. Gerade dies ist bei L-E-R nicht möglich, weshalb für Scheible dieser nicht mit einem radikal-konstruktivistisch angelegten Religionsunterricht vereinbar ist. (Vgl. Scheible 2015, 304–306). 312 Diese Wahrheit kann natürlich auch heißen »Ich glaube nicht …, weil …«. 313 Gerade dies ist für pietistisch geprägte oder fundamentalistisch aufgeschlossene Religionslehrer/innen oft nicht einfach. Überzeugt von ihrer Wahrheit sollen Kinder und Jugendliche die »eine« Wahrheit kennenlernen und wenn möglich auch übernehmen. Doch die eine Wahrheit gibt es nicht. Simojoki sieht eine »Tendenz zur Verabsolutierung des eigenen Standpunktes« (Simojoki 2014, 365). Ernüchternd ist auch die Feststellung von Heim, Weinhardt und Weinhardt, die in ihrer Studie zum Studienbegleitprogramm für die badische Landeskirche zeigen, dass das Bibelverständnis nicht weniger Theologiestudie-

Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht

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Abschließend kann festgehalten werden, dass trotz der komplexen und geradezu divergierenden Diskussion in der Frage nach einer Vereinbarkeit von Theologie und Konstruktivismus für den Bereich des Religionsunterrichts in der Schule die Differenzierung des Begriffs »Wahrheit« weiterführend sein kann. In Theologischen Gesprächen ist zu unterscheiden zwischen einer Wahrheit, die sich im wissenschaftlichen Diskurs ergibt, einer Wahrheit, die in einer Glaubensgemeinschaft kommunikativ ausgehandelt wird und schließlich einer Wahrheit, die jede/r Einzelne für sich findet. Die drei genannten Formen greifen zwar immer wieder ineinander und müssen auch miteinander in Verbindung gebracht werden. Doch sie dürfen auch nebeneinanderstehen. Wie ein angemessenes Verhältnis hierbei aussehen mag, wurde bisher nicht diskutiert. Wichtig erscheint jedoch, dass die Perspektive, aus welcher argumentiert wird, immer wieder kenntlich gemacht wird. Gerade für Kinder, die nach »richtig« bzw. »falsch« fragen314, ist ein Hin- und Herspringen zwischen den unterschiedlichen Ebenen oft eine Herausforderung. Oder positiv formuliert: Ein Wechsel zwischen den Ebenen, welcher immer wieder offengelegt wird, kann zum Lernfeld für Perspektivität werden und die Entwicklung eines variablen bzw. angemessenen Wahrheitsverständnisses fördern, das nicht willkürlich, sondern stets in einem Begründungszusammenhang verortet ist. Solche Perspektivwechsel können im Unterricht bewusst eingeplant werden.

3.4

Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht und deren Bedeutung für das Theologisieren

Wenn Kinder über Fragen und Themen nachdenken und dabei nach Antworten aus der Perspektive der Religion suchen, ist dies meist in ein komplexes Lernsetting eingebunden. In den folgenden Abschnitten wird deshalb der Blick auf das Lernen und damit verbundene Prozesse gelenkt. Aus konstruktivistischer Perspektive wird Lernen als aktiver Aneignungsprozess verstanden, wobei der Lerner als »produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt«315 bzw. »sozialer Akteur«316 gesehen wird. Somit erfasst das Lernen den ganzen Menschen, seine Person, sein Denken und Handeln, sein Fühlen etc., der in der Auseinandersetzung mit der Umwelt seine Wirklichkeit konstruiert. Dabei wird diese von renden fundamentalistisch geprägt ist. (Vgl. Heim u. a. 2013, 283) Professionalität zeigt sich vielmehr darin, dass Religionslehrende eine wissenschaftliche Sicht als Grundlage haben. 314 Der Konstruktivismus kennt die Frage nach »richtig« und »falsch« nicht. Ihm geht es vielmehr darum, welche der Deutungen angemessen sind, passen bzw. sich bewähren und somit viabel sind. (Vgl. Büttner 2006, 10). 315 Hurrelmann/Bründel 2003, 12–19. 316 Honig 1999.

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Konstruktivistische Perspektiven

seinen eigenen Wahrnehmungen und Deutungen, der Umwelt sowie anderen Individuen, beispielsweise der Lerngruppe, beeinflusst. In den folgenden Abschnitten wird einzelnen Aspekten des Aneignungsprozesses317, die beim Theologisieren eine Rolle spielen, nachgegangen: der Perturbation, den drei Modi der Auseinandersetzung (Konstruktion, Rekonstruktion, Dekonstruktion), unterschiedlichen Rollen, die im Gespräch eingenommen werden (Akteur, Teilnehmer, Beobachter), der metakognitiven Dimension beim Theologisieren sowie dem Weg zur Wahrheit für das einzelne Kind. Dabei wird deutlich, wie der Weg der individuellen Aneignung mit dem gesamten Lernsetting sowie den Mitlernenden verknüpft ist. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht zumeist der einzelne Lernende, damit im Sinne einer Komplexitätsreduktion die Darstellung fokussiert und präzisiert werden kann. An ausgewählten Stellen wird die Komplexität entfaltet und Zusammenhänge werden sichtbar.

3.4.1 Perturbation318 als zentrales Moment Beim Theologisieren denken die Kinder über theologische Fragen und Inhalte nach, so dass sich die Frage stellt, was den Anstoß für solch ein Nach- und Weiterdenken gibt – wenn es nicht gerade die unmittelbare Kinderfrage ist, die das Interesse der Kinder auslöst – und wie diese Auslöser auf das Denken der Kinder wirken. Für das Lernen wird im Konstruktivismus die Perturbation als zentrales Moment herausgearbeitet. Bereits bei Jean Piaget, der Lernen als Äquilibrationsprozess zwischen Assimilation und Akkommodation versteht, ist von kognitiven Konflikten die Rede, die das bestehende System irritieren. Nach Piaget und auch Glasersfeld ist Perturbation die Folge einer nicht gelungenen Assimilation.319 Der/die Lernende merkt, dass Neues nicht mehr ohne weiteres in das

317 Aneignung wird hier als Auseinandersetzung verstanden, mit dem Ziel des eigenständigen Suchens und Findens von Wahrheiten und nicht wie von Lämmermann im Kontext der konstruktiv-kritischen Religionsdidaktik als das Akzeptieren und Internalisieren von vorgefertigten Wahrheiten (vgl. Lämmermann 2012, 29). 318 Ausgehend von der Grundbedeutung (perturbare (lat.) = durcheinanderwirbeln, beunruhigen, verwirren) wird Perturbation häufig als Verstörung übersetzt. Der Begriff selbst geht auf Maturana und Varela (1987, 27) zurück. Lindemann ergänzt diesen durch »Anregung«, was meines Erachtens für den pädagogischen Kontext hilfreich ist. Eine Irritation oder Verstörung kann anregenden Charakter haben und somit Lernprozesse in Gang bringen. (Vgl. Lindemann 2006, 43). 319 Vgl. Glasersfeld 1996, 117; Lindemann 2006, 102. Glasersfeld unterscheidet zwischen externen, für den Beobachter wahrnehmbaren, und internen Verstärkern. Die Behavioristen schlossen interne Verstärker aus, weil sie nur das Beobachtbare wissenschaftlich akzeptierten. Aber gerade die internen Verstärker, in der Motivationspsychologie würde man von

Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht

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bestehende System eingebaut werden kann. Ohne Grund wird ein solches System nicht einfach verändert. Eine Perturbation löst lediglich eine Irritation oder (Ver-)Störung aus, hat jedoch keine spezifische Wirkung.320 Sie regt Lernende an und bringt sie ins Nachdenken, so dass diese Informationen im Gehirn weiterverarbeitet werden können. Der Ausgang, also das, was ein Lerner aus diesem Anstoß macht, bleibt jedoch offen. Lernen entzieht sich jeglicher Planbarkeit321 und ist höchst individuell.322 Neben der anregenden Wirkung von Perturbationen spielen für den Einzelnen die eigenen Erfahrungen und Schemata eine Rolle, die Grundlage für die Einschätzung von Differenz sind. »Eine Perturbation bezeichnet nicht den Bereich der beobachtbaren Interaktion eines Systems mit seiner Umwelt, sondern eine Differenz zwischen seinem aktuellen Erleben und den von ihm angewendeten Schemata.«323

Der Erfahrung kommt hierbei eine doppelte Funktion zu. Sie ist nicht nur Grundlage, um aktuell Erlebtes mit den bestehenden Konstrukten abzugleichen,

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intrinsischer Motivation sprechen, fördern das begriffliche Lernen. (Vgl. Glasersfeld 1996, 288f.). Vgl. Lindemann 2006, 43. Lindemann zieht, in Anlehnung an Glasersfeld, eine Parallele zwischen Manturanas Modell der Autopoiese und Piagets Vorstellung der Äquilibration. Was Manturana auf biologische Strukturen bezieht, wird von Piaget auf geistige Strukturen übertragen »als Aufrechterhaltung eines konstanten Verhältnisses zwischen neuen Ereignissen und bereits gemachter Erfahrung«. (Lindemann 2006, 103). Die Frage der Planbarkeit von Unterricht ist immer wieder umstritten, da dahinter die Frage steht, ob er nicht ein offenes Geschehen sein muss. Büttner, Mendl, Reis und Roose geben hierauf eine klare Antwort: Ja, er muss sogar gründlich geplant werden, damit die Chancen, die sich im Verlauf ergeben, sinnvoll genutzt werden können. (Vgl. Büttner u. a. 2014b, 9–27) Eine konstruktivistische Unterrichtsplanung steht für diese Autoren auch nicht im Widerspruch zu curricularen Vorgaben. Innerhalb dieses Rahmens kann »differenziert, konstruktiv und vernetzt gelernt werden« (ebd., 17). Sie sehen die Planung jedoch als »wichtigste Ressource, um mit der Kontingenz des Unterrichtens fertig zu werden. Planung gibt eine Norm vor, aber diese Normativität arbeitet für die Lehrkraft, denn sie macht sie freier.« (Büttner u. a. 2014b, 24) Auch Brieden sieht die Planung als »nötig und sinnvoll, weil sie Entscheidungen begründet und vorformuliert, auf die im Prozess des Unterrichtens zurückgegriffen werden kann« (Brieden 2014, 191). Das Planen von Unterricht bedeutet schließlich auch, sich auf das Unplanbare einzustellen und mögliche Wege im Vorfeld zu durchdenken, um so in der Situation flexibel reagieren zu können. Die Planung bietet somit »eine sinnvolle Navigationsmöglichkeit im eigensinnigen Unterrichtsprozess« (Büttner u. a. 2014b, 24). Gleichzeitig sollte grundsätzlich mit einem Scheitern der Planung gerechnet werden, da immer auch alles ganz anders verlaufen kann (vgl. Brieden 2014, 189– 196). Glasersfeld unterscheidet in Anlehnung an Kant Lehren und Dressur. Kant legt sein Augenmerk darauf, dass Kinder aufgeklärt werden und denken lernen und nicht bloß mechanisch dressiert werden. Weiter sieht Glasersfeld die behavioristischen Lerntheorien als naiv und irreführend, weil Lernen nicht auf Reflexmuster reduziert werden kann. (Vgl. Glasersfeld 1996, 286f.). Lindemann 2006, 102f.

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sondern sie bestimmt auch, was und wie jemand eine Situation wahrnimmt und erlebt. Die Erfahrung bestimmt also gleichsam die Wahrnehmung, Verarbeitung und Deutung von Erlebtem und determiniert diese wiederum neu. Die Differenz bzw. der Abgleich zwischen bereits gemachter Erfahrung und aktuell Erlebtem »geht mit einem Wechsel zwischen dem Auftreten von Widersprüchen (Perturbationen) und deren Auflösung (Akkommodation) einher«324. Dabei wird es höchstens vorübergehend zu einem ausgewogenen Zustand kommen. Auf dem Hintergrund der Äquilibration befindet sich das System in einer Art »Fließgleichgewicht«, welches jederzeit durch eine neue Perturbation gestört werden kann.325 Durch den Äquilibrationsprozess ausgelöst ordnet der Einzelne seine Wahrnehmungen und Erfahrungen unterschiedlichen Kategorien (Erkennen, Erinnern, Vorstellen, Nachdenken) immer wieder neu zu.326 Denken bezieht sich aus konstruktivistischer Sicht auf die »Wahrnehmung des Subjekts und die daraus gebildeten internen Strukturen«327. Denken hat somit nichts mit Abbilden zu tun, sondern ist ein Konstruktionsprozess. Werden beim Konstruieren an Erfahrung gebundene Ideen auf allgemeine Sachverhalte übertragen, spricht Piaget von Abstraktion, wobei er eine empirische Abstraktion von einer reflexiven Abstraktion unterscheidet. Die empirische Abstraktion hat darstellenden Charakter und dient dazu, Elemente der Wahrnehmung zu ordnen. Objekte werden hierbei aufgrund »sensorischer oder sensomotorischer Aktivität unterschieden«328. Eine reflexive Abstraktion hingegen entsteht aus der »aktiven Verknüpfung oder Trennung von Elementen, die bereits im Gehirn repräsentiert sind«329. Um Wirklichkeit neu deuten zu können, sind reflexive Abstraktionsprozesse, die sich lediglich in der Gedankenwelt vollziehen, erforderlich. Diese erlauben es dem Subjekt, »aus dem Strom der unmittelbaren Erfahrung herauszutreten, […] einen Ausschnitt davon zu re-präsentieren und diesen zu betrachten, so als ob er selbst direkte Erfahrung wäre […]«330. Damit dies gelingen kann, müssen Lehrerinnen und Lehrer davon überzeugt sein, sagt Glasersfeld in Übereinstimmung mit Sokrates, dass Schülerinnen und Schüler 324 Lindemann 2006, 103. 325 Vgl. Lindemann 2006, 103f. Lindemann stellt hier eine Parallele zu Manturas Theorie der Autopoiese her. »Was sich dort auf der Ebene der Erhaltung der biologischen Struktur vollzieht, geschieht bei der Äquilibration auf der Ebene der Erhaltung der geistigen Struktur, als Aufrechterhaltung eines konstanten Verhältnisses zwischen neuen Ereignissen und bereits gemachter Erfahrung.« (Lindemann 2006, 103 in Anlehnung an Glasersfeld »Wege des Wissens«, 1997, 58). 326 Vgl. Lindemann 2006, 99–104. 327 Lindemann 2006, 104. 328 Lindemann 2006, 106; vgl. auch 72–77. Mit Hilfe der empirischen Abstraktion wird die Bedeutung konkreten Handelns für das Denken des Subjekts sichtbar. Theologisieren ist also zurecht mehr als das eigene Denken oder das gemeinsame Gespräch. 329 Piaget 1983, 55; vgl. auch Lindemann 2006, 107. 330 Glasersfeld 1996, 153; vgl. auch Lindemann 2006, 107.

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selbstständig denken können,331 und, ich ergänze, deshalb im Unterricht die Möglichkeit benötigen, dies zu üben und zu zeigen.332 Zusammenfassend kann festgehalten werden: Perturbation regt das Lernen auf der Grundlage eigener Erfahrungen an, wobei Differenz zum entscheidenden Kriterium wird. Der kognitive Prozess der Abstraktion bietet dem Subjekt dabei die Möglichkeit, sich von eigenen Erfahrungen und Schemata zu lösen bzw. Konstruktionen neu zu bewerten.

3.4.2 Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion als Modi der Auseinandersetzung Nachdem es im letzten Kapitel um die Auslöser für Konstruktionen ging, sollen in diesem Abschnitt Formen der Konstruktion selbst näher betrachtet werden. Was passiert beim Nach- und Weiterdenken, ist die dahinter stehende Frage. Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion – drei Formen der systemisch-konstruktivistischen Pädagogik nach Reich333 – werden zunächst einzeln vorgestellt und dann zueinander in Verbindung gesetzt. (1) Konstruktion – »Wir sind die Erfinder unserer Wirklichkeit«334 Die Bedeutung der konstruktiven Tätigkeit für den Aufbau von Wissen und Weltbildern, wie sie bereits von Piaget deutlich herausgearbeitet wurde, wird auch von Glasersfeld unterstrichen. »Das Wissen wird vom denkenden Subjekt nicht passiv aufgenommen, sondern aktiv aufgebaut.«335 Reich weist darüber hinaus auf die Bedeutung der sozialen Komponente hin, also die interaktive Seite konstruktiver Prozesse, die nicht außer Acht gelassen werden darf.336 Tätigkeiten, wie etwas selbst erfahren, ausprobieren, experimentieren, untersuchen etc., werden in ideelle oder materielle Konstruktionen überführt, wobei Interessen, 331 Vgl. Glasersfeld 1996, 291. 332 John Locke geht davon aus, dass Lernende bereits die Fähigkeit zur Reflexion in sich tragen (vgl. Locke nach Glasersfeld 1996, 67f.). 333 Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion können auch als unterschiedliche Muster für die Beobachtung pädagogischer Prozesse genutzt werden, sei es aus der Perspektive des pädagogischen Beobachters, des Planers, des Akteurs oder des Analytikers. (Vgl. Reich 2010, Vorwort XI) Auch wenn Reich in seinen Veröffentlichungen in erster Linie aus der Perspektive der Lehrperson schaut und somit Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion als drei didaktische Handlungsfelder betrachtet, soll im Rahmen dieser Arbeit die Perspektive des Lernens der Kinder im Mittelpunkt stehen. 334 Reich 2002b, 141; Reich 2006, 138; Reich 2010, 119. 335 Glasersfeld 2008, 236f. 336 Vgl. Reich 2002b, 141; Reich 2006, 138; Reich 2010, 119. Die Komponente der sozialen Interaktion und deren Einfluss auf und Bedeutung für subjektive Konstruktionen wird in Kapitel 4.3 in den Blick genommen.

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Konstruktivistische Perspektiven

Motivationen und Emotionen diese Prozesse begleiten. Entscheidend für die Qualität des Lernprozesses und dessen Nachhaltigkeit ist auch der Grad der Selbstbestimmung und des Selbstwerts.337 Wenn Kinder Verantwortung für ihr Lernen übernehmen und auch das Gefühl der Anerkennung bei anderen ihr Lernen trägt, dann – so folgert Reich – »fällt es mir leichter, Kritik zu ertragen, Niederlagen zu verstehen, nicht mit jedermann Freund werden zu müssen, […] Grenzen zu setzen«338. Konstruktion ist somit die Grundform der individuellen Auseinandersetzung und Aneignung. Beim Theologisieren konstruieren Kinder beispielsweise dann, wenn sie sich mit Fragen und Inhalten – mit Hilfe von Material, im handelnden Umgang oder im Gespräch – auseinandersetzen. (2) Rekonstruktion – »Wir sind die Entdecker unserer Wirklichkeit«339 Neben dem Aufbau eines eigenen Weltbildes, also eigener Gedanken, gilt es auch im Religionsunterricht, biblische und andere Inhalte und somit »Erfindungen anderer für uns nach zu entdecken«340. Für die Schülerinnen und Schüler scheinen diese Gedanken oft neu, doch sie wurden bereits von anderen gemacht. Sie haben sie lediglich nacherfunden bzw. -entdeckt und sie werden dadurch relativiert.341 Dennoch geht es bei der Rekonstruktion nicht nur um das Lernen von Faktenwissen.342 Konstruktion und Rekonstruktion liegen im Unterrichtsalltag nahe beieinander. Die Frage ist, in welchem Verhältnis Konstruktion und Rekonstruktion zueinander stehen oder auch, wie aktiv Schülerinnen und Schüler bei rekonstruktiven Prozessen sind. Wenn wir von Rekonstruktion im Kontext biblischer Erzählungen sprechen, ist damit nämlich nicht eine Vermittlung von Geschichtenwissen im Blick, sondern vielmehr deren individuelle Aneignung, was 337 »Je mehr Lerner oder Teilnehmer selbst mitentscheiden können, […] umso selbstbestimmter regulieren sie ihre Tätigkeiten. Je fremdbestimmter hingegen andere über das entscheiden, was sie lernen, wissen, behalten sollen, umso weniger wird die Selbsttätigkeit auf eine Basis eigenen Begehrens, eigener Überzeugungen, einer subjektiven Einschätzung von Wichtigkeit und Bedeutsamkeit gestellt. Umso weniger effektiv aber wird in pädagogischen Prozessen jede Tätigkeit sein: Die Selbstbestimmung erst schafft Voraussetzungen für andauerndes Behalten, für anhaltende Einstellungen und das Begehren, vielfältige Beobachterpositionen einzunehmen.« (Reich 2010, 64; vgl. auch Reich 2006, 138). 338 Reich 2006, 139; Reich 2010, 66. 339 Reich 2002b, 142; Reich 2006, 139; Reich 2010, 119. 340 Reich 2002b, 142. 341 Vgl. Reich 2002b, 142f.; Reich 2006, 139f.; Reich 2010, 119. 342 Reich schätzt das Lernen von bekanntem Wissen bzw. das Einlagern von »Symbolvorräten« in der Schule als zu hoch ein. »Nicht die Breite eines oberflächlich angeeigneten Wissens und die Fähigkeit zu zeitlich begrenzter Reproduktion von Faktenwissen macht studierfähig oder orientiert die Lerner besser für Berufe und auf den Alltag hin.« (Reich 2002b, 143).

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sich beispielsweise in der Übernahme verschiedenartiger Blickwinkel oder der Identifikation mit einzelnen Personen zeigt. Durch das Einnehmen unterschiedlicher Beobachterpositionen können Konstruktion und Rekonstruktion miteinander verbunden werden. In Prozessen der Rekonstruktion können Schülerinnen und Schüler schließlich »verstehen lernen, was die damaligen oder jetzigen Beobachter dazu veranlasst haben könnte, ihre Beobachtungen so und nicht anders festzulegen«343. Dabei wird davon ausgegangen, dass Fakten besser behalten werden können, wenn diese sinnverstehend und im Zusammenhang mit Motiven erschlossen werden. Bei der Rekonstruktion geht es somit um eine »aktive Übernahme bereits vorhandener Konstruktionen von Anderen«344. Der Modus der Rekonstruktion kommt immer dann ins Spiel, wenn sich Kinder beispielsweise im Gespräch mit biblischen Geschichten auseinandersetzen, unterschiedliche Perspektiven einnehmen oder sich darauf beziehen. Gerade auch im Zusammenhang mit einer Theologie für Kinder kommen rekonstruktive Prozesse zum Tragen. Ebenso wenig, wie die Vermittlung von Glaubensinhalten im Vordergrund Theologischer Gespräche stehen soll,345 darf aus konstruktivistischer Sicht die Rekonstruktion einseitig überbetont werden.346 (3)

Dekonstruktion – »Es könnte auch noch anders sein! Wir sind die Enttarner unserer Wirklichkeit!« Konstruktionen beruhen auf den Perspektiven der Personen, die diese hervorgebracht haben. Sie alle haben ihre je eigenen Zugänge und Erfahrungen, auf deren Hintergrund sie konstruieren, wodurch aber auch blinde Flecken entstehen. Eine erste Möglichkeit, diese aufzudecken, kann im Dialog erfolgen. Darüber hinaus können mit Hilfe der Dekonstruktion weitere Perspektiven eröffnet und eingenommen werden, denn es könnte ja auch noch ganz anders sein. Bei der Dekonstruktion geht es also vor allem darum, nach Auslassungen zu fragen und andere mögliche Blickwinkel einzunehmen, »die sich im Nachentdecken der Erfindungen anderer oder in der Selbstgefälligkeit der eigenen Erfindung so gerne verstellen«347. »Wenn ich als Beobachter etwas in Zweifel ziehe, wenn ich nach Auslassungen frage, Ergänzungen einbringe, den Blickwinkel verschiebe, den Beobachterstandpunkt fundamental wechsle und so andere Sichtweisen gewinne, dann kann ich zugleich sehen und enttarnen.«348 343 344 345 346 347 348

Reich 2010, 120. Reich 2010, Vorwort. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 31. Vgl. Reich 2002b, 142; Reich 2006, 139; Reich 2010, 120. Reich 2002b, 143; Reich 2006, 141; Reich 2010, 121. Reich 2010, 121.

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Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion sind zirkuläre konstruktivistische Denkweisen und Frageperspektiven, wobei die Dekonstruktion das Potenzial für eine kritische Neuorientierung hat (siehe Abb. 3).349 Distanz kann helfen, sich bewusst neu in den Zirkel von Konstruktion und Rekonstruktion zu begeben.

Konstruktion

Rekonstruktion

Dekonstruktion Abb. 3: Zirkuläre konstruktivistische Denkweisen350

Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion gehören somit untrennbar zusammen. Im Gespräch sind diese drei Modi, die hier künstlich voneinander unterschieden wurden, nicht so eindeutig zu trennen. Sie helfen jedoch dabei, zu erklären, was beim Konstruieren geschieht, und zeigen, auf welcher Ebene sich das Denken der Kinder im Moment befindet: Erfinden, Entdecken oder Enttarnen. Theologisieren ist ohne diese drei Modi nicht denkbar. Kinder kommen über ihre Fragen und Gedanken, die oft sehr verschieden und zum Teil widersprüchlich sind, miteinander ins Gespräch. Auf der Suche nach Antworten setzen sie sich mit eigenen und fremden Konstruktionen auseinander, sie fragen danach, was beispielsweise biblische Erzählungen zu einer solchen Antwort beitragen können oder was wäre, wenn alles ganz anders wäre.

3.4.3 Unterschiedliche Rollen einnehmen Gespräche, wie beispielsweise Theologische Gespräche, bewegen sich nicht nur auf unterschiedlichen Ebenen, wie im letzten Abschnitt dargestellt wurde, sondern die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner nehmen dabei auch 349 Vgl. Reich 2010, Vorwort. 350 Reich 2010, 118.

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unterschiedliche Perspektiven bzw. Rollen ein. Ausgehend von der Tatsache, dass sowohl beim Theologisieren als auch für die Reflexion die Fähigkeit erforderlich ist, Distanz zum eigenen Denken und Handeln einnehmen zu können, wird im Folgenden über unterschiedliche Rollen oder Standpunkte und deren Bedeutung nachgedacht. Bei der Konstruktion von Wissen können Lernende nach Reich unterschiedliche Rollen einnehmen. Sie können Akteur/in, Teilnehmer/in und Beobachter/in sein.351 Wenngleich er diese Rollen in erster Linie für die Lehrperson im Hinblick auf das didaktische Handeln durchdekliniert, können diese aus seiner Sicht durchaus auf Schülerinnen und Schüler übertragen werden.352 Die drei genannten Rollen werden wechselseitig eingenommen und sind notwendig für die Auseinandersetzung mit Wirklichkeit. Doch jede dieser Blickrichtungen hat ihre Vor- und Nachteile. »Nenne mir die Perspektiven, in denen du schaust, und ich sage dir, was du alles (über)siehst«353, so lautet die ernüchternde Botschaft. In Anbetracht der Begrenztheit einer einzelnen Perspektive ist es unerlässlich, die drei genannten Rollen abwechselnd einzunehmen. Begrenztheit ermöglicht eine Reduktion an Komplexität, die Fokussierung auf eine einzelne Perspektive kann somit entlasten. Neben dem Vorteil der Komplexitätsreduktion und Entlastung hat die Trennung der Perspektiven jedoch zur Folge, dass diese Ebenen – zumindest in der Theorie – zunächst noch unverbunden nebeneinanderstehen. Es bleibt die Frage, wie Erlebnisse und Erkenntnisse füreinander fruchtbar gemacht werden können. Ausgehend von

351 Vgl. Reich 2002b, 90–110. Als Beobachter nimmt der Lernende Distanz ein und schaut auf das, was er denkt und tut oder was andere denken und tun. Somit kann zwischen Selbstund Fremdbeobachtung unterschieden werden. Letztere kann sich auf andere Beobachter, Teilnehmer oder Akteure beziehen. Als Teilnehmer ist er Teil einer Gemeinschaft und damit an gewisse Vorverständigungen gebunden. Als Akteur ist er aktiv, wobei den Aktionen eine gewisse Antizipation oder sogar Planung zugrunde liegt. Diese sind wiederum an zuvor gemachte Beobachtungen als auch Teilnahmen gebunden. Agieren kann man spontan oder man kann dabei auch Distanz einnehmen. Als Beobachter hat die Person schließlich die größte Freiheit, die Distanz ist am größten, so dass Konventionen kaum eine Rolle spielen (vgl. Reich 2002b, 90f.). Diese drei Rollen sind in ähnlicher Weise bei Krippendorff zu finden. Im Zusammenhang mit seinem Kommunikationsverständnis, bei dem der Kommunikationsprozess eine Bewegung zwischen Kognitionen, Interaktionen und Institutionen darstellt, weist er drei Positionen aus, die Individuen bei ihren Wirklichkeitskonstruktionen einnehmen können: Werdende, Beobachter und sich Unterwerfende. (Krippendorff 1994, 109–112). Dadurch, dass die Positionen während eines Gesprächs gewechselt werden können, ergibt sich für Krippendorff die Möglichkeit, »sich selbst durch die Augen anderer sehen zu können, das heißt aus der Position eines Werdenden in die eines anderen Beobachters des Selbst wechseln zu können (auch wenn all dies innerhalb der eigenen Kognition stattfindet)« (ebd., 111). 352 Vgl. Reich 2002b, 109. 353 Reich 2002b, 92.

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der Drei-Welten-Theorie354 bzw. der Beobachtertheorie355 ist es möglich, diese aufeinander zu beziehen und so fruchtbar zu machen. Genau dies geschieht im Prozess des Konstruierens. Im Hinblick auf das Lernen im Religionsunterricht kommt zu der Welt des Erlebens und der des Erkennens noch die Welt des religiösen Erlebens und Erkennens hinzu.356 Diese gilt es im Religionsunterricht in das Nachdenken zu integrieren. Da die Unterscheidung der Rollen für die Diskussion durchaus weiterführend ist, soll darauf näher eingegangen werden. Zu Beginn wird jedoch im Hinblick auf das Theologisieren eine Einschränkung vorgenommen. In Theologischen Gesprächen bewegen sich die Kinder zwischen der Rolle des Akteurs und der des Teilnehmenden selbstverständlich hin und her. Die Rolle des Beobachters357 nehmen Kinder oft nicht von sich aus ein, wie Beobachtungen aus dem Unterricht zeigen. Das könnte daran liegen, dass es ihnen nicht leicht fällt, sich von Situationen, in die sie involviert sind, gleichzeitig und unmittelbar zu distanzieren.358 Im Folgenden wird aufgrund zahlreicher Studien359 sowie von Erfahrungen aus dem Unterricht, der im Kontext der Studie beobachtet wurde, davon ausgegangen, dass Kinder durchaus zur Distanzierung und Reflexion in der Lage sind, wenn sie dazu angeregt werden oder angehalten sind, die Rolle des Beobachters bewusst einzunehmen. In Tabelle 1 werden die in Abschnitt 2.4.2 diskutierten Konstruktionsebenen mit den drei Rollen »Akteur/in, Teilnehmer/in, Beobachter/in« zusammengedacht. Die sich dabei ergebenden Tätigkeiten sind für die Beobachtung im Unterricht hilfreich.

354 Vgl. auch Dieterich 2006, 116–131. In seiner »Drei-Welten-Theorie« unterscheidet Popper die physische bzw. materielle Welt von einer immateriellen Welt, die sich in die psychische (subjektive Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen etc.) und die geistige Welt (vom menschlichen Geist geschaffene Theorien, Kunst, Literatur etc.) gliedern lässt. Inhalte der geistigen Welt oder Welt 3 entstehen ursprünglich im Bewusstsein der Menschen, also der Welt 2 bzw. der psychischen Welt. Schließlich beeinflussen sich die drei Welten gegenseitig. (Vgl. Brüntrup 1996, 51). 355 Vgl. Brieden 2010, 175ff. Brieden bezieht sich hier auf die Theorie von Siegfried J. Schmidt. 356 Diese ist »weder einfach erfahrbar oder erkennbar«, sie ist vielmehr »das, was dem Menschen widerfährt« (Dieterich 2006, 125). 357 Wird Beobachtung grundsätzlich – wie in der Beobachtertheorie üblich – als Treffen einer Unterscheidung verstanden, ist es durchaus sinnvoll, die Rolle des Beobachters wie Reich (Reich 2006, 164–181) es macht, direkt neben die des Akteurs und des Teilnehmers zu stellen. Im Folgenden wird die Rolle des Beobachters jedoch im Sinne einer Beobachtung dritter Ordnung und somit im Zusammenhang der Reflexion gesehen, so dass eine gewisse Trennung von den beiden anderen Rollen schlüssig erscheint. 358 Diese Vermutung wird verstärkt durch die Beobachtung, dass es selbst Studierenden oft schwerfällt, zwischen Beobachtung, Beschreibung und Bewertung zu unterscheiden. 359 Zum Beispiel Beck u. a. 1995; Schneider/Lockl 2006, 2007; Hasselhorn 1992; Hattie 2014.

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als Akteur/in Konstruktion

als Teilnehmer/in

Erleben erproben denken

Zuhören Rekonstruktion Verknüpfen versuchen zu sich in Personen/ Situationen verstehen hinein-versetzen mitdenken nachvollziehen vergleichen verstehen nachfragen Dekonstruktion fragen nach (be-)zweifeln Lücken entdecken Weiterdenken Tab. 1: Unterschiedliche Rollen bei Konstruktionsprozessen360

als Beobachter/in sich selbst fragen »Ich frage mich …« »Ich überlege, ob …« andere fragen »Ich frage …«

Beim Theologisieren sind Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion die wesentlichen konstruierenden Formen der Auseinandersetzung und Aneignung. Als Lernende bewegen sich die Kinder ständig zwischen Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion, einmal stärker als aktive Gesprächspartner, das andere Mal als Teilnehmende am Gespräch. Zwischen diesen Rollen springen die Kinder ständig hin und her. Die Rolle des Beobachtenden, sei es in der Selbst- oder der Fremdbeobachtung, hingegen müssen sie stets aufs Neue bewusst einnehmen. Während in der Rolle des Akteurs recht deutlich zwischen den Tätigkeiten der Kinder bei Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion unterschieden werden kann (siehe Tab. 1), ist dies bei der Rolle des Teilnehmenden so einfach nicht möglich. Die Tätigkeiten der Kinder sind in allen Formen der Auseinandersetzung (Re-/De-/Konstruktion) vergleichbar. Als Teilnehmende hören sie zu, versuchen den Gesprächsgang sowie Einzelbeiträge zu verstehen, vergleichen Aussagen oder fragen nach. Gerade beim Nachfragen vollziehen sie erneut einen Wechsel von der Rolle des Teilnehmenden zu der des Akteurs. Zwischen Teilnehmendem und Akteur gibt es einen fließenden Übergang, wobei die Rollen ständig wechseln. Auch als Beobachter ist es nicht bedeutsam, auf welcher Ebene sich das Gespräch im Moment bewegt. Zunächst einmal sind die Tätigkeiten des Beobachters durchaus ähnlich denen eines Teilnehmenden. Er/sie hört zu, versucht zu verstehen, denkt mit, vergleicht etc. unabhängig davon, ob im Gespräch der Fokus eher im Bereich der Re-, De- oder Konstruktion liegt. Allerdings ist nun sein/ihr Augenmerk auf die eigenen, das Wissen und Können sowie das Lernen betreffenden Fragen gerichtet. Sind die Rollen getrennt, ist die Zielrichtung beim Beobachten zunächst einmal nicht das eigene Tun, sondern das Verstehen des eigenen Denkens oder Handelns oder das 360 Diese Tabelle wurde ausgehend von den Überlegungen von Reich (2002b) entwickelt.

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Konstruktivistische Perspektiven

anderer unter der Perspektive der Differenz. Als Beobachter nimmt die Person wahr, wo es Überschneidungen bzw. Differenzen gibt. Die Differenz ist schließlich der Ansatzpunkt für eine Veränderung, eine Übereinstimmung kann dabei bestätigend wirken. Zunächst einmal kann festgehalten werden, dass die Aufmerksamkeit in allen drei Rollen auf der Wahrnehmung von Differenz liegt. Als Teilnehmer/in kann die Differenzwahrnehmung eigenes Handeln auslösen, auch wenn dies der/die Teilnehmer/in nicht bewusst wahrnimmt, als Akteur können neue Konstruktionen oder das Experimentieren mit Konstruktionen die Folge sein. Neben dieser auf das Sichtbare ausgerichteten Betrachtungsweise muss bedacht werden, dass ein Großteil der Konstruktionen der Kinder für Außenstehende und somit andere nicht sichtbar werden. Sichtbar wird lediglich, was sprachlich fassbar oder auch visuell bzw. auditiv darstellbar ist. Dabei scheinen oft die sprachlichen Konstruktionen diejenigen zu sein, die am besten greifbar sind. Visuelle oder auditive Produkte scheinen oft weniger eindeutig und nachvollziehbar und deshalb eher interpretationsbedürftig zu sein. Unabhängig davon, in welcher Rolle sich ein Kind gerade bewegt, ob als Akteur, Teilnehmer oder Beobachter, es ist nur ein begrenzter Teil der Konstruktionen zugänglich. Beim Theologisieren werden unterschiedliche Rollen361 eingenommen und aufeinander bezogen. So bleiben die Kinder nicht nur in ihrem autopoietischen System, sondern öffnen dieses im Gespräch mit anderen, so dass die Gesprächspartner voneinander angeregt werden, also Ko-Konstruktion stattfinden kann. Die eingebrachten Gedanken oder die durch die Interaktion angeregten Konstruktionen erfordern ein ständiges Hin und Her, ein Bewegen zwischen eigenen und fremden Gedanken sowie zwischen Denken und Handeln. Darauf wird im Zusammenhang mit der Kommunikation noch einmal näher eingegangen. Die Rolle der Beobachterin/ des Beobachters Nachdem deutlich wurde, wie eng doch die unterschiedlichen Rollen im Lernprozess selbst zusammenhängen, soll im folgenden Abschnitt der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern es für die Reflexion von Lernen und Können sinnvoll sein könnte, die Rolle des Beobachtenden bewusst von den beiden anderen Rollen zu trennen. Wer schließlich Inhalte oder auch Lernprozesse für sich verstehen und bewerten möchte, braucht eine gewisse Distanz zum eigenen Denken und Han361 In der Beobachterrolle sind sowohl die Selbst- als auch die Fremdbeobachtung wichtig. Während durch die Fremdbeobachtung das Lernen von anderen angeregt wird, ermöglicht die Selbstbeobachtung in erster Linie das Nachdenken über das eigene Lernen. Beide Formen gründen in der Tätigkeit des Vergleichens und hängen so eng zusammen.

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deln362. Dafür ist das bewusste Einnehmen einer Beobachterrolle hilfreich. Selbst- und Fremdbeobachtung bedingen sich zwar gegenseitig, doch die Blickrichtung ist bei der Reflexion vorrangig auf das eigene Lernen gerichtet. Ein Beobachter kann sein Augenmerk auf die eigenen Konstruktionen und deren Entwicklung richten oder auch auf das, was er dazu bei anderen beobachten kann (Fremdbeobachtung). Eine andere Form der Beobachtung ist die Selbstbeobachtung, die während des eigenen Handelns erfolgt. Selbstbeobachtung ist dann gegeben, wenn ein Lernender gleichzeitig Handelnde/r und Beobachter/in ist, wie beispielsweise beim »Lauten Denken«. Selbstbeobachtung ist somit ein wichtiger Teilaspekt der Selbstreflexion.363 Beim Nachdenken über das eigene Lernen, welches auch im Rahmen des Theologisierens stattfinden kann, kommt der Lehrperson die Aufgabe zu, die Kinder zur Selbstbeobachtung und zur Reflexion anzuregen, indem unterschiedliche Ebenen aufeinander bezogen werden.364 So können die Kinder über einzelne Standpunkte und Begründungen nachdenken, aber ebenso darüber, wie sich das auf ihr Denken und ihren Lernprozess auswirkt, welche Gedanken ihnen dabei durch den Kopf gehen oder welche Fragen sie sich stellen. Trotz der Distanz, die man bei der Reflexion einnimmt, bleiben »blinde Flecken« auch auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung bestehen, denn das Nachdenken erfolgt wiederum im eigenen System. Um diese Selbstbezüglichkeit365 aufzulösen, ist eine fremde Perspektive notwendig, denn »wir sehen nicht, dass wir nicht sehen«366 – so formuliert es Foerster. Oder anders herum: »Wir sehen nur das, was wir sehen.«367 Um uns von unserer eigenen und eingeschränkten Sichtweise ein Stück weit lösen und ausgeblendete Bereiche in den Blick nehmen zu können, sind wir auf Rückmeldungen anderer angewiesen. Ein solcher Spiegel kann beispielsweise in beschreibender Form oder auch in Form von Fragen vorgehalten werden. Mit Hilfe der Unterscheidung der Rollen (Akteur/in, Teilnehmer/in, Beobachter/in) konnte gezeigt werden, wie nah Denken und Handeln beieinander 362 Eine Distanz ist deshalb erforderlich, weil Erleben und Erkennen – also die »Erlebniswelt« und »Erkenntniswelt« aus konstruktivistischer Sicht – voneinander getrennt sind. Das Erleben geschieht leiblich, das Erkennen hingegen spielt sich im Kopf ab und stellt eine »innere, individuelle sowie eine soziale, kulturelle Welt dar« (Dieterich 2006, 125). Nur aus der Distanz oder Beobachtung zweiter Ordnung wird es möglich, diese beiden Bereiche zusammenzubringen. 363 Vgl. Kap. 5.4. 364 Brieden misst der Reflexion der eigenen Erfahrungen eine große Bedeutung zu, weil Kindern transzendentale Argumentationen weniger helfen als die Reflexion ihrer eigenen Erfahrungen. Von hier aus können sie dann zu viablen Theorien gelangen. (Vgl. Brieden 2010, 172). 365 Vgl. Foerster/Pörksen 2008, 116–121. 366 Foerster/Pörksen 2008, 116f. 367 Foerster/Pörksen 2008, 82.

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liegen und wie sich doch die Ebene der Reflexion davon abhebt. Warum eine Trennung der Rollen durchaus Sinn machen kann, soll mit Hilfe von Reichs Unterscheidung der Handlungsebenen sowie der Beobachtertheorie368 deutlich werden. Er unterscheidet die Realbegegnung von der Repräsentation und der Reflexion. In der Realbegegnung geht es um konkrete Situationen, in denen eigene Erfahrungen gemacht werden (Beobachtung erster Ordnung). Das Subjekt des Beobachters bzw. des Handelnden und ein Objekt sind im Blick, der Beobachter sieht bzw. nimmt wahr und macht sich davon ausgehend seine Vorstellungen.369 Auf der Ebene der Repräsentation kommt nun eine Verständigungsgemeinschaft hinzu. Es wird gesehen bzw. wahrgenommen wie andere etwas sehen bzw. wahrnehmen und daraus werden Schlüsse vom Beobachtenden gezogen (Beobachtung zweiter Ordnung). Die Inhalte werden hier vor allem von außen gesetzt. Bei der Reflexion geht es schließlich um eine weitere Ebene der Distanz. Jetzt wird aus der Beobachterperspektive heraus verglichen, wie unterschiedliche Subjekte bzw. Beobachter Dinge sehen, wahrnehmen oder erklären (Beobachtung dritter Ordnung).370 Sowohl auf der Ebene der Repräsentation bzw. Beobachtung zweiter Ordnung als auch auf der Ebene der Reflexion bzw. Beobachtung dritter Ordnung geht es nicht mehr vorrangig um Realität an sich, sondern es begegnen uns vielmehr Deutungen von Deutungen von Deutungen etc. Während auf der Ebene der Realbegegnung bzw. Beobachtung erster Ordnung das autopoietische System der Bezugspunkt ist, greifen auf den anderen Ebenen unterschiedliche Systeme ineinander. Gerade auf der Ebene der Reflexion bzw. der Beobachtung dritter Ordnung besteht die Herausforderung 368 Krause 2005, 88–103. Voraussetzung in der Beobachtertheorie ist die Tatsache, dass zu jeder Beobachtung eine Unterscheidung (Zwei-Seiten-Unterscheidung) gehört. Es kann nur eine Seite beobachtet werden, die zweite Seite – also das, was auch noch möglich gewesen wäre – muss vernachlässigt werden. Im Augenblick des Beobachtens ist nur eine dieser Seiten präsent, dieser wird nachgegangen. Durch das Ausblenden bzw. Nichtsehen eines Teils wird Sehen erst möglich. Oder anders formuliert: »Der beobachtende Beobachter sieht nur das, was er vermittels seiner bezeichnenden Unterscheidung zu sehen bekommt.« (Ebd., 94) Eine Beobachtung ist somit stets begrenzt, durch diese Einschränkung aber weiterführend im Alltag. Auf dieser Grundlage wird nun zwischen Beobachtung erster, zweiter und dritter Ordnung unterschieden. (Vgl. Krause 2005, 88–103). 369 Inhalte erscheinen als Bilder, weil sich das Subjekt aufgrund seines sinnlichen Erlebens eine Vorstellung von den Gegenständen der Welt, den Dingen bzw. Ereignissen macht. Es geht also um eine tatsächlich erlebte Wirklichkeit, eine Realbegegnung, die sich in unseren Köpfen darstellt. Imaginäre bzw. symbolische Realität ist »gedanklich verarbeitete oder vorgestellte Realität« (Reich 2006, 144; vgl. ebd., 142ff.). 370 Krause formuliert dies aus der Beobachtertheorie wie folgt: »Ein Beobachter eines Beobachters oder ein Beobachter eines Beobachters eines Beobachters usf. erkennt den jeweiligen Beobachter eines Beobachters sogleich als Beobachter erster Ordnung.« (Krause 2005, 95) Dabei ist eine »Linearisierung im Sinne eindeutiger logischer Beziehungen« (ebd., 95) nicht möglich. Es bleibt also offen, welche Schlüsse vom Subjekt selbst gezogen werden.

Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht

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darin, unterschiedliche Deutungen zu verstehen, zu vergleichen, zu ordnen und zu bewerten. Der Bezugspunkt des Beobachtenden ist wiederum das eigene autopoietische System. Alles wird dadurch in die eigenen Denkstrukturen eingeordnet. Die Komplexität, die in der Reflexion liegt, könnte eine Erklärung dafür sein, dass diese von den Kindern nicht ohne weiteres durchgeführt wird. Voraussetzung dafür, dass Lernende reflexiv tätig werden können, ist zunächst einmal die nötige Distanz und somit das Losgelöst-Sein vom eigenen Handeln. Ebenso spielen Zeit bzw. Raum eine Rolle, um sich dieser Distanzierung stellen zu können. Daher macht es also durchaus Sinn, die Rolle des Beobachtenden von den beiden anderen Rollen zumindest zeitweise strukturell zu trennen.

3.4.4 Zwischenbilanz und Diskussion Im folgenden Abschnitt werden einzelne Aspekte der vorausgegangenen Abschnitte aufgenommen und mit dem Theologisieren zusammengedacht. Davon ausgehende Impulse wurden sowohl in theoretischer Hinsicht als auch in die Planung und Gestaltung der Datenerhebung aufgenommen. Perturbation in einem konstruktivistisch angelegten Unterricht Büttner u. a. schlagen für konstruktivistisch angelegtes Lernen vier Phasen vor : Kontexte (Vorerfahrungen, inhaltliche Eröffnung), instruktivistische Phase als kollektive Lernphase, Phase der individuellen Konstruktionen und schließlich individuelle Konstruktionen im Dialog (dialogische Lernphase).371 Entscheidend an diesem Modell sind das »Ineinander von Kontextualisierung, Instruktion, Konstruktion, Ko-Konstruktion und wechselseitiger Perturbation«372. Eine »Irritation« kann hier beispielsweise in der Phase der Instruktion, der Phase der individuellen Konstruktion sowie der dialogischen Lernphase entstehen und wirken. Neben der Anregung durch Konstruktionen anderer, die beispielsweise im Gespräch zum Tragen kommen, kann eine Perturbation durch Materialien, die Lernumgebung oder auch die Reflexion des eigenen Lernens ausgelöst werden. Der dialogischen Lernphase kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als hier individuelle Konstruktionen in einem sozialen Setting eingebracht, überdacht und ggf. verändert werden können. Perturbation als 371 Vgl. Büttner u. a. 2014b, 21. 372 Büttner u. a. 2014b, 21. Bei der Planung von Unterricht ist zu bedenken: »Lerninhalte können nicht 1:1 auf einen Lernenden übertragen und rekonstruiert werden; sie haben den Rang von ›Perturbationen‹, die im besten Fall zu einer konstruktiven Auseinandersetzung und eigenständig gestalteten Rekonstruktion führen, im schlechtesten Fall als unbedeutend ausgefiltert werden. Dies gilt auch für religiöse Inhalte!« (Mendl 2012, 107; vgl. auch Mendl 2015).

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Voraussetzung für Äquilibrationsprozesse und somit Motor für das Lernen ist in einem konstruktivistisch angelegten und gestalteten Unterricht an zahlreichen Stellen möglich. Damit schließlich eine Akkommodation erfolgen kann, ist es jedoch von Bedeutung, dass Lernende Möglichkeiten erhalten, neue Konstruktionen auszuprobieren, zu prüfen und zu reflektieren. Das neu aufgebaute kognitive Schema muss sich erst bewähren, um dauerhaft übernommen zu werden. Für das Theologisieren bedeutet dies, dass ein Verweilen bei einem Gedanken notwendig ist. Es lohnt sich also, Gedanken immer wieder neu und aus unterschiedlichen Perspektiven zu modellieren, zu begründen und zu hinterfragen. Sinnvoll erscheint es darüber hinaus, möglichst viele Kinder am gemeinsamen Nachdenken zu beteiligen und sie so als aktive Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner anzusprechen. Die Lehrperson muss dabei ein Gespür dafür entwickeln, wann für die Kinder der Gruppe – also nicht nur für einzelne – eine Sättigung erreicht ist und im Gespräch ein neues Feld eröffnet werden kann. Motivation und subjektives Sich-angesprochen-Fühlen bzw. emotionale Betroffenheit sind Voraussetzung für die Bereitschaft zur Auseinandersetzung.373 Auf dem Hintergrund des sozialen Konstruktionismus und auch des sozialen Konstruktivismus kann angenommen werden, dass eine Perturbation ausgehend beispielsweise von einer Kinderäußerung oder dem Impuls einer Lehrperson nicht nur ein Kind ins Nachdenken bringt, sondern die Gruppe in einen Aushandlungsprozess eintritt. An dessen Ende steht nicht eine Gruppenmeinung, sondern es wurde ein Areal ausgehandelt, in dem unterschiedliche Wahrheiten der Kinder Platz finden bzw. nebeneinanderstehen können. Die eigene Sichtweise gründet in diesem Dialog, sie ist jedoch nur ein Puzzleteil der gesamten Diskussion. Auch Kinder, die sich nicht aktiv am Gespräch beteiligt haben, bilden eine Position aus. Was sie ins Nachdenken gebracht hat bzw. wie ihre Gedanken verlaufen sind, ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Um der Entstehung von Konstruktionen ein Stück weit nachspüren zu können, sind beispielsweise schriftliche Fixierungen bzw. Begründungen möglich, oder auch das Beschreiben der Entwicklung der eigenen Gedanken in einem Lerntagebuch oder Portfolio. Wenn Schülerinnen und Schüler über ihr eigenes Lernen sowohl auf der Ebene der Inhalte als auch des Lernprozesses nachdenken, ist ein Perspektivwechsel erforderlich, der ihnen eine Beobachtung zweiter bzw. dritter Ordnung ermöglicht. Für die Lehrperson ist es in solchen Gesprächen immer wieder herausfordernd, eine Sensibilität für die Kinder und ihre Bedürfnisse zu entwickeln oder zu spüren bzw. zu erkennen, wann eine Irritation bei einem Kind ausgelöst wird, um ggf. agieren bzw. reagieren zu können. Der Erfahrung der

373 Vgl. Reich 2006; Büttner u. a. 2014b.

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Lehrperson, die das Denken und Lernen von Kindern lange Zeit beobachtet hat, misst Glasersfeld dabei eine hohe Bedeutung zu.374 Der »fruchtbare Moment« und die Bedeutung der Lehrperson In jeglicher Art von Gesprächen stellt sich für die Lehrperson immer wieder die Frage, was denn ein »fruchtbarer Moment« ist und welche Bedeutung der Lehrperson dabei zukommt. Diesen Fragen wird im Folgenden ausgehend von Copei nachgegangen. Copei beobachtete glückliche Situationen in Lernprozessen, wenn »blitzartig eine neue Erkenntnis« erwacht oder jemandem »plötzlich ›ein Licht aufgeht‹«375. Er bezeichnet diese als »fruchtbare Momente« und misst ihnen großes Lernpotenzial bei. Auf die Frage nach dem Auslöser376 hat er genauso wenig eine Antwort wie Piaget im Hinblick auf die Perturbation. »Die im fruchtbaren Moment emporschießende Erkenntnis ist meist vage und flüchtig, doch sie durchleuchtet blitzartig den ganzen Menschen.«377 Die dadurch ausgelöste Frage hat Potenzial und kann einen echten Erkenntnisprozess, ein prüfendes Vergleichen und Verifizieren, vorantreiben. Entscheidend ist für Copei, dass Kinder Fragen stellen. Voraussetzung dafür ist ein Unterricht, der die Frage- und Beobachtungshaltung der Kinder schärft sowie eine »offene Haltung« und einen »nachdenklichen Geist« fördert.378 Insgesamt misst Copei den Fragen der Kinder379, dem Gespräch und der sprachlichen Formulierung von Erkenntnissen großen Wert bei.380 Der Lehrperson kommt dabei die Aufgabe zu, die Kinder zu eigenen Fragen und zum Nachfragen anzuregen, den Blick auf nichtbeachtete Aspekte zu lenken, den Prozess zu begleiten und sich mit eigenen Lösungen zurückzuhalten.381 Freudenberger-Lötz beschreibt dies in ihrem Ansatz mit den drei Rollen aufmerksame Beobachterin, stimulierende Gesprächspartnerin und begleitende Expertin382. 374 Vgl. Glasersfeld 1996, 300. 375 Copei 1960, 17. 376 Klar ist für ihn dennoch, dass der »Anstoß durch die Begegnung mit dem Gegenstand selbst, durch die ›anschauliche Wirklichkeit‹, hervorgerufen wird und nicht als ›übernommene Fragestellung‹ an den Gegenstand herangetragen wird« (Freudenberger-Lötz 2007, 120; vgl. auch Copei 1960, 60). 377 Copei 1960, 33. 378 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 121; vgl. auch Copei 1960, 105; 115. 379 Im Unterricht soll es um echte Fragen der Kinder gehen. Diese können von den Kindern aus dem Alltag in den Unterricht mitgebracht werden. Bei Themen, die beispielsweise durch den Bildungsplan vorgegeben sind, sollen die Kinder hierzu zu eigenen Fragen angeregt werden. Beides ist möglich und hat seine Berechtigung. (Vgl. Copei 1960, 103; 48; vgl. auch Freudenberger-Lötz 2007, 121). 380 Vgl. Copei 1960, 53. 381 Vgl. Copei 1960, 105; Freudenberger-Lötz 2007, 121. 382 Vgl. Freudenberger-Lötz 2008; 2007, 41–52.

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Mit Copei und Piaget kann festgehalten werden, dass »fruchtbare Momente« im Unterricht lediglich angeregt, vorbereitet oder unterstützt, nicht aber bewusst herbeigeführt werden können. Damit wird wieder einmal deutlich, welches Potenzial anregende Lernlandschaften für die Lernprozesse der Kinder haben. Deutlich wird aber auch, dass es wichtig zu sein scheint, eigene Erkenntnisse zu formulieren und für andere im Gespräch zugänglich zu machen. Welches Potenzial darin steckt und wie solche kommunikativen Prozesse funktionieren und wirken, muss an dieser Stelle offenbleiben. Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion in Theologischen Gesprächen Wie oben bereits ansatzweise dargestellt, gehören Erfinden, Entdecken und Enttarnen eng zusammen, sie stehen in einem inneren Zusammenhang. Je nach Lernarrangement bzw. Lernphase kann der eine oder andere Modus mehr im Zentrum stehen, wobei auf keinen dieser Modi grundsätzlich verzichtet werden kann. Bezieht man nun diese drei Formen auf das Theologisieren, dann wird deutlich, dass alle drei hier zur Geltung kommen. Konstruktionen entstehen, wenn Kinder angeregt durch eine aktive, kreative und handelnde Auseinandersetzung eigene Erklärungen finden und Wissen konstruieren. Rekonstruktion geschieht beispielsweise in der Auseinandersetzung mit biblischen Geschichten bzw. Inhalten oder wenn Perspektiven handelnder Personen eingenommen werden. Dekonstruktion zeigt sich dann, wenn Kinder eigene Erklärungen oder Erkenntnisse einbringen, etwas in Frage stellen oder überlegen: »Was wäre, wenn …?«. Dabei ist Perturbation in besonderem Maß im Bereich der Dekonstruktion anzutreffen und kann hier das Weiterdenken383 anregen. Motivation und subjektives Sich-angesprochen-Fühlen bzw. emotionale Betroffenheit sind Voraussetzung für die Bereitschaft zur Auseinandersetzung.384 »Die konstruktivistische Didaktik [fordert] eine möglichst offene Herangehensweise, die sowohl Schülern als auch Lehrern eine re-/de-/konstruktive eigene Erarbeitung ihrer Wirklichkeiten ermöglichen will.«385 Wenn Reich dies formuliert, hat er in erster Linie die individuelle Erarbeitung der jeweiligen Wirklichkeiten im Blick sowie einen planvollen unterrichtlichen Umgang damit. 383 Wenn hier von »Nachdenken« gesprochen wird, dann bewegen sich die Kinder stärker auf der Ebene der Rekonstruktion. Sie denken oft rückwärtsgewandt und denken dabei über bereits Erfundenes nach. Während das Nachdenken eher rückwärtsgewandt ist, wird beim »Weiterdenken« der Blick nach vorne gewandt. Das »Weiterdenken« ist sowohl in der Dekonstruktion als auch der Konstruktion anzutreffen. Durch Perturbation können die Kinder angeregt werden, rückwärts- und vorwärtsgewandt ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. 384 Vgl. Reich 2006; Büttner u. a. 2014/2014b. 385 Reich 2002, 88.

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Eine Reduktion der Komplexität ist erforderlich, um neue Komplexität zu ermöglichen. Im Religionsunterricht kann eine Reduktion beispielsweise mit Hilfe der Elementarisierung386 erfolgen. Daneben öffnet Reich an dieser Stelle den Blick auf die Re-/De-/Konstruktionen der Lehrenden, die Teil des Lernsettings sind und im Zusammenspiel mit den Kindern nicht nur deren Konstruktionen anregen, sondern selbst auch angeregt werden und konstruieren. Rollenklarheit und das bewusste Verändern der Beobachterpositionen sind deshalb erforderlich.387 Dieses Involviertsein der Lehrperson hat gleichzeitig zur Folge, dass (Theologische) Gespräche nur begrenzt planbar sind. Ein Perspektivwechsel oder auch das Verändern eines Beobachterstandpunktes, z. B. durch das Reagieren auf die Konstruktion eines anderen, ermöglichen das Aufdecken von blinden Flecken sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrende. Hierbei sind beide Lernende. Ebenso kann durch das gegenseitige Nachfragen die eigene Konstruktion hinterfragt werden und so ein blinder Fleck in der eigenen Wahrnehmung zum Vorschein kommen. Im Sinne des hermeneutischen Zirkels, in dem jede Antwort neue Fragen aufwirft, setzt sich eine niemals endende Spirale in Gang. Wie lange sie wohl ein Gespräch unter den Kindern weiter antreibt bzw. am Laufen hält? Bei der Rekonstruktion geht es um ein Nachentdecken und Nachspüren, was »damalige Beobachter der Vergangenheit gedacht und somit konstruiert haben«388. Damit befindet sich das rekonstruierende und erkennende Kind selbst in einer Beobachterposition. Instruktion im Kontext des Theologisierens hat beispielsweise beim Erzählen seinen Ort oder wenn sich die Lehrperson als Expertin mit Informationen oder mit einer Erzählung in das Gespräch einbringt.389 Ko-Konstruktionen entstehen bei der Interaktion und Kommunikation, also dann, wenn Kinder oder Jugendliche über einen Sachverhalt bzw. eine Frage gemeinsam nachdenken und nach Lösungs- bzw. Antwortmöglichkeiten suchen. Aus der Perspektive des sozialen Konstruktionismus stiften die Akteure

386 Vgl. Schweitzer 2007b, 2011. 387 Hierzu gehört auch die Reflexion im Anschluss an das unterrichtliche Geschehen, um Konsequenzen für die Planung der nächsten Sequenz ziehen zu können. Sowohl die Planung vor dem Unterricht als auch die Reflexion im Anschluss sind vom Handlungsdruck des Unterrichtens entlastet. Aus der Perspektive zweiter Ordnung kann dieser reflektiert und evaluiert werden. In die Reflexion und Evaluation können auch die Lernenden einbezogen werden. Ein distanzierter Blick ermöglicht auch die Reflexion des eigenen Aneignungsprozesses der Lehrperson und trägt so zur Professionalisierung bei. (Vgl. Brieden 2014, 191; 196). 388 Cebulj 2010, 106. 389 Vgl. Cebulj 2010, 101–108. Hier dekliniert Cebulj Konstruktion, Rekonstruktion, Dekonstruktion und Instruktion für die Bibeldidaktik durch. Überschneidungen mit dem Theologisieren machen eine Übertragung möglich.

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durch gemeinsames Handeln bzw. Kommunizieren gemeinsam Bedeutung.390 Wenn wir – wie im sozialen Konstruktionismus – davon ausgehen, dass Beziehung für das Konstruieren eine Rolle spielt, dann geht es nun nicht mehr nur darum, was bei Einzelnen in Gedanken abläuft, sondern vielmehr um das Dazwischen, das, was zwischen den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern passiert. Daraus ergibt sich auch die Frage nach dem Verhältnis der Konstruktionen Einzelner zu denen der Gruppe. Interessant wäre auch, inwiefern das Denken eines Einzelnen die Konstruktionen der Gruppe beeinflusst bzw. umgekehrt, welchen Einfluss die Gruppe auf die Konstruktionen eines Einzelnen hat. Die Konstruktionen der Kinder entstehen in einem komplexen Prozess, der für andere Personen kaum zugänglich ist. Die von Reich391 aufgezeigten didaktischen Grundaufgaben Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion werden von Cebulj um die Instruktion erweitert.392 Während Reich die Instruktion in den Modus der Rekonstruktion, also die Auseinandersetzung mit bereits Bekanntem integriert, hebt Cebulj diese bewusst im Hinblick auf den Religionsunterricht hervor.393 Dahinter steht möglicherweise die Erfahrung bzw. Überzeugung, dass es auch eines inhaltlichen Inputs394 bedarf, um Neues lernen 390 Vgl. Gergen/Gergen 2009, 7. Während der soziale Konstruktionismus den Fokus auf die Beziehungen als Orte der Wirklichkeitskonstruktion legt, sind es beim sozialen Konstruktivismus die Individuen mit ihren eigenen Konstruktionen, die im Mittelpunkt stehen (vgl. ebd., 8, Anmerkung 1). 391 Vgl. Reich 2002b, 141ff. 392 Vgl. Cebulj 2010, 101ff. 393 Da Reich das Lernen grundsätzlich als eigenständigen, aktiven Aneignungsprozess versteht, kann angenommen werden, dass er die Auseinandersetzung mit Kulturgut und tradiertem Wissen viel stärker in die Phase der aktiven Aneignung integriert. In welchem Verhältnis diese zur Instruktion steht, bleibt so immer noch offen. 394 Damit verbunden ist auch die grundsätzliche Frage nach Inhalten in einem konstruktivistisch angelegten Religionsunterricht und deren Vereinbarkeit mit curricularen Vorgaben. Büttner, Mendl, Reis und Roose sehen aus der Perspektive eines pädagogisch gemäßigten Konstruktivismus kein Problem. Würde ein radikalkonstruktivistischer Ansatz vertreten, müssten »die Lerninhalte quasi ständig in Frage« (Büttner u. a. 2010, 24) gestellt werden. Ihnen komme es »vielmehr auf den Prozess der gemeinsamen Ko-Konstruktion an« (Büttner u. a. 2010, 14). Statt von Lernzielen sprechen sie von Zielarealen (vgl. ebd., 12). So kann Unterricht zielgerichtet sein und gleichzeitig offen für unterschiedliche Lernverläufe und individuelle Lernergebnisse. Ein »Lernkorridor« wird umrissen. »Dieser sollte in der nötigen Breite Lernprozesse in differierenden Varianten beherbergen können, dennoch aber die eine Zielrichtung entlang in das weite Zielareal verfolgen.« (Eggerl u. a. 2005, 72; vgl. auch Büttner u. a. 2010, 12). Mit Brieden kann dem ständigen Infragestellen von Lerninhalten entgegengehalten werden, dass jeder Konstruktivismus per se radikal ist, radikal aber nicht beliebig bedeutet. (Vgl. Brieden 2010. 165) Auch Scheible, die sich einen Religionsunterricht auf der Grundlage des radikalen Konstruktivismus vorstellen kann, sieht grundsätzlich eine Vereinbarkeit mit Inhalten und curricularen Vorgaben (vgl. Scheible 2015). Sie bescheinigt darüber hinaus den kirchlichen Verlautbarungen evangelischerseits (für Baden-Württemberg) eine Anschlussfähigkeit im Hinblick auf radikal-

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zu können. Die vier genannten Grundaufgaben können nicht isoliert voneinander gesehen werden, sondern stehen in einem inneren Zusammenhang.395 »Wer konstruiert, arbeitet autopoietisch. Wer rekonstruiert, integriert bereits Bekanntes in seine Konstruktion. Wer instruiert wird, bekommt Wissen vermittelt, das Rekonstruktion ermöglicht. Wer dekonstruiert, enttarnt Konstruktionen und öffnet sie für Veränderungen.«396

3.4.5 Herausforderungen auf dem Weg zur »Wahrheit für mich« Nachdem deutlich wurde, wie wenig vorhersehbar Theologische Gespräche bzw. Lernprozesse in Lernsettings zum Theologisieren sind, stehen an dieser Stelle Herausforderungen beim Theologisieren im Fokus. Dabei wird wiederum der Bogen zur Wahrheitsfrage gespannt. Neben dem Glaubenswissen, das im Religionsunterricht durchaus seine Berechtigung hat, kann gerade beim Theologisieren die Bedeutung von Inhalten und Wahrheiten für das Kind zum Tragen kommen und so ein Bezug zu seinem Alltag hergestellt werden. Wenn im Kontext religiöser Lehr-Lern-Prozesse und insbesondere beim Theologisieren von einer »Wahrheit für mich« gesprochen wird, dann geschieht dies im Sinne einer diskursiven und existenziellen Annäherung an eine »Wahrheit an sich« in einem dialogisch-kommunikativen Prozess.397 Man könnte auch sagen, ein reflexives In-Beziehung-Setzen von Glaubenswissen und Glaubenswahrheiten auf der Grundlage theologischer Erkenntnisse wird mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen verknüpft, mit dem Ziel, eine »Wahrheit für mich« zu finden. Dabei ist aus konstruktivistischer Perspektive »jedes Verstehen von (Bibel-)Texten nichts anderes als eine Neukonstruktion – nicht als Abbild einer vom Text her vorgegebenen Wirklichkeit, konstruktivistische Anforderungen an einen Religionsunterricht. Dabei hebt sie die Beachtung der Subjektivität des Wissens hervor (vgl. Scheible 2015, 302). Diese Stoßrichtung nimmt auch der Bildungsplan für die Grundschule für Evangelischen Religionsunterricht von 2016 (online unter : http://www.bildungsplaene-bw.de; abgerufen am 20. 8. 2016) wiederum auf. 395 Vgl. Cebulj 2010, 100–108. 396 Cebulj 2010, 102. Oder anders formuliert: Konstruieren – »Im Spiegel der Bibel sind wir die Erfinder unserer Wirklichkeit«; Dekonstruieren – »Im Spiegel der Bibel sind wir die Entdecker unserer Wirklichkeit«, Instruieren – »Im Spiegel der Bibel sind wir die Empfänger unserer Wirklichkeit« und Dekonstruieren – »Im Spiegel der Bibel sind wir die Enttarner unserer Wirklichkeit« (ebd., 102). 397 Vgl. Cebulj 2010, 99 sowie Fußnote 7, vgl. auch Mendl 2005c, 184f. Cebulj geht in seiner Argumentation davon aus, dass »konstruktivistische Grundannahmen zu allererst eine lerntheoretische und nicht eine ontologische Aussageabsicht haben« (ebd.). Darüber hinaus betont er, dass ein theologischer Wahrheitsbegriff und ein konstruktivistischer Wahrheitsbegriff nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen, ein theologischer ist vielmehr als eine Qualifizierung des konstruktivistischen Wahrheitsbegriffs zu verstehen.

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sondern als Entwurf des verstehenden Subjektes«398. Gerade im konfessionellen Religionsunterricht wird dem Fragen »nach der Wahrheit und nach der Bedeutung früherer Erfahrungen für heutiges Leben und Glauben konstitutiv Raum gegeben«399. Sichtbar wird dies sowohl beim Theologisieren mit Kindern als auch in der Frage nach der elementaren Wahrheit400 im Kontext des Elementarisierungsansatzes.401 Exkurs zur Elementarisierung Theologisieren und Elementarisierung hängen eng zusammen.402 Schweitzer, der diese beiden Ansätze miteinander verknüpft, stellt seine Überlegungen zur elementaren Wahrheit unter die Überschrift »Worauf es letztlich ankommt« und konstatiert, dass es »im Religionsunterricht keineswegs um die Vermittlung festliegender Wahrheiten, die schon gar nicht mehr hinterfragt werden dürften, gehen kann«403. Gerade in biblischen Texten geht es um eine Sicht auf das Leben

398 Schweitzer 2007a, 199. 399 Schweitzer 2007b, 26. 400 Büttner sieht in Schweitzers Elementarisierungsdidaktik einen Konflikt von Theologie und konstruktivistischer Perspektive. Er konstatiert Schweitzer eine konstruktivistische Didaktik in Bezug auf die elementaren Lernformen, wie auch die elementaren Erfahrungen und Zugänge, »nicht aber bei der elementaren Struktur und wohl auch nicht bei der elementaren Wahrheit« (Büttner 2012b, 17, vgl. auch Anmerkung 29). Anfragen an den Wahrheitsbegriff in der Theologie werden bisher nur vereinzelt gestellt und diskutiert, meist wird von einer legitimierten Autorität wissenschaftlicher Theologie ausgegangen. Systemtheoretisch betrachtet ist auch die »Unterscheidung zwischen Religion und Theologie als deren Reflexionsgestalt nicht unproblematisch« (Büttner 2012b, 15). Die Theologie würde die Religion im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung beobachten. Norbert Brieden zeigt anhand der Drei-Beobachter-Theorie (im Anschluss an Schmidt) auf, wie Theologie aus konstruktivistischer Perspektive nicht beliebig werden muss. »Religiöse Wahrheitsansprüche etwa sind zu verstehen und zu beurteilen aus der Perspektive einer Beobachtung 3. Ordnung; als absolute Wahrheitsansprüche müssten sie aus der Perspektive des Beobachtens 2. Ordnung abgewiesen werden.« (Brieden 2010, 177f.) Relativismus, wie ihn eine konstruktivistische Sicht nahelegt, kann nicht mit Beliebigkeit gleichgesetzt werden. Und so bedeutet Relativismus auch nicht die Aufhebung von Wahrheit (vgl. ebd., 178). 401 Scheible sieht als Voraussetzung für einen solchen Unterricht eine Lehrperson, die »Relativität und Perspektivität allen Wissens« (Scheible 2015, 307) anerkennt. Reis betont die Reflexionsfähigkeit der Lehrenden und meint damit, dass diese zunächst einmal für sich klären müssen, wie sie die Rede von Gott verstehen. Ist es eine Gottesrede im wahrsten Sinne oder handelt es sich um menschliche Erfahrungen und Deutungen? (Vgl. Reis 2012, 12; sowie Kap. 4 u. 11). 402 Vgl. Schweitzer 2011. 403 Schweitzer 2007b, 26. Der Religionsunterricht wird nach Art. 7,3 GG »in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften« erteilt, was jedoch »nicht im Sinne der Vermittlung von Lehrsätzen oder Dogmen zu verstehen« (ebd.) ist. Dies ist auch durch die Stellungnahme der EKD von 1971 ausgeschlossen (vgl. ebd.). »Aus evangelischer Sicht sind Lehrerinnen und Lehrer nicht einfach auf theologische Lehren oder Positionen verpflichtet,

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und die Wirklichkeit »aus der Perspektive des Glaubens bzw. des Evangeliums«404. Bei der Auseinandersetzung mit solchen Texten ist es Schweitzer wichtig, »sich auf die Eigenart dieser Wahrheit einzustellen«. Man könnte auch sagen, es geht darum, zu verstehen, warum das Formulierte in dieser Situation für diese Person(en) so »wahr« ist. »Ob [und inwieweit; Ergänzung der Autorin] die darin enthaltene neue Sicht von Leben und Welt für mich wirklich tragfähig ist«405, muss am Ende jede und jeder für sich beurteilen. Der Religionsunterricht kann hierauf keine Antwort geben, doch er kann und muss solchen Fragen Raum geben und die Kinder und Jugendlichen in ihrer Antwortsuche unterstützen. Nicht zu unterschätzen ist in unterrichtlicher Hinsicht, wie die Lehrperson zunächst die elementare Wahrheit an sich – im Sinne eines elementaren Kerns, der sich durch eine theologische Auseinandersetzung ergibt406 – und die Wahrheit für sich selbst bestimmt und wie es ihr gelingt, davon ausgehend die Kinder produktiv und provokativ zu eigenen Konstruktionen anzuregen.407 Für den Einzelnen gilt schließlich als wahr, was ihn überzeugt und was ihm Gewissheit gibt. In der Auseinandersetzung geht es aber auch um die religiöse Wahrheit innerhalb der Glaubensgemeinschaft. Dabei schafft gerade der Austausch Gemeinschaft und Zugehörigkeit.408 Die elementare Wahrheit eines biblischen Textes wird beim Theologisieren von der Lehrperson eingebracht im Sinne einer Theologie für Kinder. Nahe dem Begriff der Wahrheit ist auch derjenige der Objektivität409, welcher im Alltag immer wieder verwendet und oft stillschweigend vorausgesetzt wird. Objektivität ist aus konstruktivistischer Perspektive lediglich die »Illusion eines Subjekts, dass Beobachtungen ohne einen Beobachter gemacht werden kön-

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sondern unterrichten ›auf wissenschaftlicher Grundlage und in Freiheit des Gewissens‹.« (Schweitzer 2007b, 28). Schweitzer 2007b, 27. Schweitzer 2007b, 28. Im Rahmen der entscheidbaren Fragen kann eine klare theologische Position eingenommen werden. Bei den unentscheidbaren Fragen, die sich vor allem auch durch die Rezeptionsgeschichte ergeben, muss eine intensive theologische Auseinandersetzung erfolgen, so dass die Lehrperson für sich selbst zu einer begründeten Meinung kommen kann. Ein professioneller Umgang zeigt sich darin, dass sie ihre Position im Kontext anderer möglicher Positionen sieht und einbringt und auch den Kindern Raum für ihre plausibel begründeten Positionen lässt. Vgl. Mendl 2005c, 185. Vgl. Schweitzer 2011, 72. Wenn ein Beobachter in die Beobachtung oder die Beschreibung einer Beobachtung einbezogen ist, »dann macht die Vorstellung von Objektivität als Erfassung einer beobachterunabhängigen Realität in der Tat keinen Sinn mehr« (Schmidt 1994, 617). Ebenso ist zu akzeptieren, dass sich »menschliches Wissen nicht auf ›die Realität‹ bezieht, sondern auf menschliches Wissen von der Realität« (ebd., 617).

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nen«410. Wäre eine Aussage objektiv, so hätte sie auch dann Bestand, wenn die Person sie so nicht trifft, »weil sie unabhängig von allem Gesagten in sich selbst sachhaltig und bestandskräftig«411 wäre. Objektivität ist jedoch stets gebunden an einen konkreten Beobachter. Wenn in einem Gespräch eine Tatsache als objektiv bezeichnet wird, so soll damit eine Aussage unterstrichen werden. Oft geht damit auch das Verlangen von Gehorsam einher. Eine Person soll dies bitte so akzeptieren und befolgen, denn was als objektiv bezeichnet wird, dem wird Gewicht zugeschrieben. Im Idealfall ist Objektivität »die Unterstellung von Gemeinsamkeit durch eine Gruppe von Beobachtern (z. B. einer Gruppe von Wissenschaftlern)«412. Nach den Ausführungen zu diesen problematischen Begriffen werden im Folgenden Herausforderungen, die sich im Unterricht ergeben können, aufgegriffen. Wenn Kinder eigene Gedanken konstruieren, entstehen dabei mitunter Konstruktionen, die theologisch fragwürdig oder sogar problematisch sind.413 Aus konstruktivistischer Perspektive handelt es sich nicht zwangläufig um ein Problem, sondern ist es vielmehr eine Frage der Viabilität.414 Von daher ist

410 Lindemann 2006, 119. So übersetzt Lindemann das Zitat von Glasersfeld: »Objectivity is a subject’s delusion that observing can be done without him«. 411 Maturana nach Lindemann 2006, 119. 412 Lindemann 2006, 119. Beim Bewerten von Schüleräußerungen sowohl beim Theologisieren als auch im Bereich von Feedback muss Lehrenden dies bewusst sein. Um der Machtfalle zu entrinnen, kann im Gespräch immer wieder der Beobachterstandpunkt bzw. Bezugsrahmen geklärt werden. Die Lehrperson wird dort moderierend aktiv, wo beispielsweise Kinder miteinander um »richtige« oder »wahre« Antworten ringen. Beim Feedback ist die Fiktion von Objektivität besonders problematisch, denn ohne Objektivität ist eine Bewertung mit Noten eigentlich nicht möglich. Es können lediglich Beobachtungen formuliert und an Kriterien gebunden werden. Wie dies der Lernende auf sein Wissen und Können sowie seinen Lernprozess bezieht und welche Konsequenzen er selbst zieht, liegt ganz beim Schüler bzw. der Schülerin. 413 Vgl. auch Saß 2011. Nach Klaus und Philipp Wegenast dürfen biblische Geschichten auch einmal »unrichtig« (vgl. Wegenast/Wegenast 1999) verstanden werden. Aus konstruktivistischer Perspektive muss jedoch in Frage gestellt werden, ob biblische Geschichten per se richtig verstanden werden können. Aussagen sind vielmehr »wahr oder falsch relativ zu ihrem Kontext« (Brieden 2010, 178). Popper schlägt vor, statt von wahr und falsch besser von der Ableitbarkeit von Aussagen zu sprechen (Keuth 2002, 73). Denn »wer von Wahrheit spricht, macht den anderen direkt oder indirekt zum Lügner« (Foerster/Pörksen 2008, 29). 414 Beim Theologisieren mit Kindern sind nach Petra Freudenberger-Lötz »individuelle Konstruktionen von viablem Wissen [gefordert], das sich in der Anwendung bewährt« (Freudenberger-Lötz 2006, 239). »Eine Antwort ist nicht erst dann plausibel und akzeptabel, wenn sie mit einer aktuellen theologischen Lehrmeinung übereinstimmt, sondern zunächst einmal dann, wenn sie vor dem Hintergrund des Vorwissens und der Erfahrungen des Kindes stimmig ist und in der Deutung des Kindes eine begründete Lösungsmöglichkeit auf das gestellte Problem darstellt.« (Ebd., 239) Hans Mendl hebt hervor, dass das Prinzip der »Viabilität nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden« darf und auch nicht vom Diskurs um Wahrheit enthebt. »Es bedeutet lediglich, dass alle Konstrukte, auch die

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zunächst zu fragen, auf welchen Bezugsrahmen sich die Lehrperson bezieht, wenn sie eine Kinderäußerung als fragwürdig oder problematisch einordnet. Im Religionsunterricht haben wir drei mögliche Bezugsrahmen, die zur Bewertung herangezogen werden können: die wissenschaftliche Theologie, die Lehre der Glaubensgemeinschaft und die subjektive Wahrheit für den Einzelnen. Auf der Ebene der »Wahrheit für mich« ist jegliche Aussage möglich und angemessen (viabel), wenn sie in sich logisch und konsistent ist. Meist wird eine Schüleraussage dann als schwierig oder fragwürdig bewertet, wenn sie im Kontext einer »Wahrheit an sich« oder in Bezug zur Wissenschaft gesehen wird. Im Religionsunterricht sind im Hinblick auf eine Reaktion zwei Ebenen zu unterscheiden. Zunächst einmal muss von der Lehrperson entschieden werden, in welchen Bezugsrahmen die jeweilige Aussage gestellt werden soll. In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage nach einer angemessenen Reaktion bzw. einem angemessenen Umgang. Im gemeinsamen Gespräch reagieren Kinder oft selbst direkt aufeinander, so dass es erneut zur Re-/De-/Konstruktion kommt. Die Lehrperson kann als Gesprächsteilnehmerin im Sinne der Perturbation einhaken und nachfragen oder im Sinne von Instruktion notwendige Informationen geben und so ein Verändern der Sichtweise ermöglichen.415 Dabei steht im Hintergrund die Überlegung, was einem Kind bzw. einer Lerngruppe in der jeweiligen Situation zugemutet werden kann bzw. vielleicht auch muss oder was ihm weiterhelfen kann. Gerade im Umgang mit biblischen Texten ist zu bedenken, dass diesen ein breites Sinn- und Deutepotenzial innewohnt. Im Religionsunterricht geht es darum, biblische Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven verstehen zu lernen und dabei Sinngehalte zu entdecken, um davon ausgehend tragfähige Perspektiven bzw. eine Bedeutung für sich selbst entwickeln und formulieren zu können. Hinzu kommt, dass religiöse und symbolische Sprache vielschichtig ist und individuelle Erfahrungen und Deutungen voraussetzt und evoziert, die für andere dann beispielsweise in der Kommunikation zugänglich werden. Die Frage nach einem »richtigen« bzw. »unrichtigen« Verständnis ist aus konstruktivistischer Perspektive an dieser Stelle nicht angemessen.416 Mögliche Kategorien einer Bewertung von Deutungen könnten sachlich angemessen, stringent oder plausibel sein.417 schulischen Lernkonstrukte, relativ zum jeweiligen Bezugssystem zu verstehen sind.« (Mendl 2013, 22). 415 In der groß angelegten Studie von Englert und Team wird deutlich, dass eine konfessorische Rede sowie theologische Expertise im Religionsunterricht häufig zu kurz kommen bzw. teilweise sogar ganz vermisst werden. Sie folgern daraus, dass es im Unterricht zu wenig kognitive Herausforderungen und Perturbationen gibt. (Vgl. Englert u. a. 2014) Freudenberger-Lötz (2007) hebt in ihrer Studie hervor, dass sich die Lehrperson in solchen Situationen als Expertin zeigen kann und teils auch muss. 416 Cebulj (2010) nimmt die Kategorie »unrichtig« von Wegenast/Wegenast (1999) als Impuls bzw. Appell zum Perspektivenwechsel. »›Unrichtiges‹ Bibel-Verstehen von Kindern und

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Konstruktivistische Perspektiven

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Konstruktionen der Kinder weist Büttner im Rückgriff auf Fowler zu Recht darauf hin, dass diese »Glaubensinhalte primär nach ihrem kognitiven Vermögen konzeptualisieren«418. Daneben ist auch bekannt, dass für Jugendliche insbesondere die »signifikanten Anderen« das entscheidende Wahrheitskriterium sind. Personen, denen sie vertrauen, denen sie sich nahe fühlen oder denen sie sich anschließen wollen, werden zum treibenden Motor ihrer Aussagen.419 Schließlich gehört zum Lernprozess auch die Reflexion, also das Nachdenken über das eigene Denken. Beim Theologisieren geht es um eine Verknüpfung von religiösem Faktenwissen und der Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Gedanken, Sichtweisen und Positionen. Als aktiv lernende Subjekte konstruieren die Schülerinnen und Schüler »religiösen Sinn«420 und denken über ihr Lernen auf der Grundlage von religiösem Wissen nach, vor allem dann, wenn sie dazu angeregt werden. Das Nachdenken über das eigene Lernen erfordert auch, sich vom eigenen Tun und Denken lösen zu können und aus der Distanz darauf zurückzublicken, andere bzw. fremde Sichtweisen zuzulassen und blinde Flecken zu entdecken, um davon ausgehend den eigenen Lernprozess bewerten zu können.421 Wenn dies gelingt, kann das Kind seine eigene Wahrheit nicht nur begründen, sondern auch in seinem eigenen Lernprozess verorten. Es kann formulieren, was es neu vermag und weiß oder jetzt anders sieht, was es wie bzw. wodurch gelernt hat oder auch was ihm dabei geholfen hat. Schließlich hat das Kind auch eine Vorstellung davon, was es als Nächstes lernen möchte und wie es dies erreichen könnte. Diese Zielperspektive ist aus konstruktivistischer Sicht durch die Möglichkeit der distanzierten Beobachtung durchaus gegeben und auch anzustreben. Ob ein bewusstes Versetzen in die Beobachterrolle mit Hilfe von Impulsen der Lehrperson, das Führen eines Lerntagebuchs oder Ähnliches ausreicht oder ob und was die Kinder noch zur Unterstützung ihrer Reflexion brauchen, ist an dieser Stelle noch offen.

417 418 419 420 421

Jugendlichen ernstzunehmen, heißt nichts weniger als die Veränderung des Blickwinkels von einem durch erwachsene Optimierungsbemühungen bestimmten Unterricht hin zu den Schülerinnen und Schüler[n] als verstehenden Subjekten.« (Cebulj 2010, 108). Vgl. auch Müller u. a. 2005, 48–51. Büttner 2015a, 198. Büttner 2015a, 198. Büttner betont in diesem Zusammenhang mit Verweis auf Harris den Aspekt des Vertrauens. Kinder und Jugendliche geben das wieder, was sie von vertrauenswürdigen Personen haben. Das können Eltern, Peers oder auch die Lehrperson sein. Vgl. Hilger 2014, 335 (in Anlehnung an Büttner und Mendl). Scheible sieht als Voraussetzung für einen solchen Unterricht eine Lehrperson, die »Relativität und Perspektivität allen Wissens« (Scheible 2015, 307) anerkennt. Reis betont die Reflexionsfähigkeit der Lehrenden und meint damit, dass diese zunächst einmal für sich klären müssen, wie sie die Rede von Gott verstehen. Ist es eine Gottesrede im wahrsten Sinne oder handelt es sich um menschliche Erfahrungen und Deutungen? (Vgl. Reis 2012, 12; sowie Kap. 4 u. 11).

Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht

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Somit kann abschließend festgehalten werden: Die Konstruktion von Wirklichkeit entsteht beim Theologisieren durch Interaktion und Kommunikation in einem sozialen Kontext. Ein Zugang zur Wirklichkeit ist neben der aktiven Aneignung durch die Auseinandersetzung mit Glaubenswissen und Glaubenswahrheiten und damit verbunden mit Deutungen anderer, welche rekonstruiert werden, gegeben.422 Auf dem Weg zur »Wahrheit für mich« ist eine Auseinandersetzung mit anderen Wahrheiten notwendig, wobei Bewertungen durch die Lehrperson der Vor- und Umsicht bedürfen. Die eigene Auseinandersetzung des Lernenden ermöglicht eine Positionierung und somit das Formulieren einer »Wahrheit für mich«, die auf Glaubenswissen und eigenen Erfahrungen gründet. Sie ist subjektiv und situativ (kontextgebunden) zugleich. »Im Wissen um die Subjektivität und damit Relationalität der eigenen Konstruktion und der damit verbundenen Einsicht, dass es auch andere autopoietisch die eigene Welt konstruierende Wesen gibt, entstehen Aufgeschlossenheit Andersdenkenden gegenüber und eine Moral der wechselseitigen Anerkennung.«423

Gerade im Wissen um die Subjektivität eigener Konstruktionen – so argumentiert Mendl – entsteht eine Aufgeschlossenheit gegenüber und ein Interesse an anderen Sichtweisen, welche wiederum das eigene Denken beeinflussen. Theologisieren kann deshalb nicht losgelöst von dem, was in der Lerngruppe geschieht, gesehen werden.

3.4.6 Theologisieren und seine metakognitive Dimension Nachdem am Ende des vorausgehenden Abschnitts die Bedeutung der Lerngruppe für die individuellen Konstruktionen herausgestellt wurde, soll im letzten Abschnitt des zweiten Kapitels der Blick auf den Bereich der Reflexion und der Metakognition beim Theologisieren gelenkt werden. Die Auseinandersetzung mit Glaubenswissen, Glaubenswahrheiten und auch religiöser Praxis spielt gerade beim Theologisieren eine zentrale Rolle. Wenn (mir) Religion zu denken gibt, dann ist nicht nur eine Auseinandersetzung auf der inhaltlichen Ebene erforderlich, sondern dann ist auch danach zu fragen, was dies für das Leben oder auch das Lernen des Einzelnen bedeutet, damit davon ausgehend Konsequenzen daraus gezogen werden können. Sucht man in der gängigen Literatur zur Kindertheologie nach Anknüpfungspunkten, wird man kaum fündig. Während Vertreter wie Schweitzer oder auch Kraft Kindertheologie in erster Linie mit einer »theologischen Denkleis422 Vgl. Hilger 2014, 335. 423 Mendl 2013, 22.

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Konstruktivistische Perspektiven

tung«424 verknüpfen, bringen Röhrig und Freudenberger-Lötz ein erweitertes Verständnis in den Diskurs ein. Röhrig plädiert für einen »breiten, mehrdimensionalen ästhetischen Reflexionsbegriff«425. Dabei verbindet er die Reflexion mit kreativen Zugängen und Formen der Auseinandersetzung. Dadurch wird ermöglicht, Wahrgenommenes und Erlebtes auszudrücken und zu reflektieren.426 Ähnliches kommt bei Freudenberger-Lötz zum Tragen, wenn sie Theologische Gespräche in komplexe Lernlandschaften integriert.427 Darüber hinaus arbeiten Hartmut Rupp und auch Petra Freudenberger-Lötz mit Fragen zur Reflexion und nehmen dabei die metakognitive Dimension in den Blick.428 Aufgrund dieser Situation wird ein anderer Weg beschritten, um der metakognitiven Dimension beim Theologisieren auf die Spur zu kommen. Da das Theologisieren in die konstruktivistische Religionsdidaktik eingeordnet werden kann, wird zum einen auf die von Hans Mendl429 aufgestellten Kompetenzen, die Lehrende für die Planung und Gestaltung eines konstruktivistisch orientierten Unterrichts benötigen, zurückgegriffen. Diese werden dann in Bezug gesetzt zu den Kompetenzen von Lehrenden beim Theologisieren, wie sie Petra Freudenberger-Lötz herausgearbeitet hat. Mendl legt dem Handeln von Lehrenden in konstruktivistisch orientiertem Religionsunterricht fünf Kompetenzen zugrunde: (1) Wahrnehmungskompetenz, um die einzelnen Kinder und Jugendlichen in ihrer Person, ihrem sozialen Umfeld, ihren Vorlieben und Stärken und ihrem Lernen wahrzunehmen. (2) Differenzierungskompetenz, d. h. sie verfügen über ein breites Repertoire an Methoden und Differenzierungsmöglichkeiten, um anregende und zum Lernen der Kinder passende und weiterführende Lernangebote zu konzipieren und zu gestalten. (3) Konstruktionskompetenz, um kontinuierlich und aufbauend mit konstruktionsfördernden Methoden zu arbeiten. (4) Ko-Konstruktions-Kompetenz erfordert die »Fähigkeit, unterschiedliche Konstrukte diskursiv und reflexiv aufeinander zu beziehen und die Schülerinnen und Schüler in einen produktiven Dialog über ihre jeweiligen Konstruktionen zu bringen«430. 424 425 426 427 428

Vgl. Schweitzer 2003; Kraft 2004. Röhrig 2011, 57. Vgl. Röhrig 2011, 57. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007. Vgl. Rupp 2011 und Freudenberger-Lötz 2017. Freudenberger-Lötz stellt die Fragen zur Reflexion in den Kontext des Lerngeschehens mit dem Ziel, Unterricht mitgestalten zu können. Rupp hingegen sieht die Bedeutung der Reflexion im Zusammenhang mit dem je eigenen Lernprozess. 429 Vgl. Mendl 2012, 109f. 430 Mendl 2012, 110.

Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht

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(5) Konstruktions-reflektierende Kompetenz. Diese beinhaltet sowohl die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Lehrerhandelns als auch diejenige, die Lernenden selbst zur Reflexion ihrer eigenen Lernwege zu befähigen. Diese fünf Kompetenzen spiegeln in ihrem inneren Aufbau die Grundprinzipien des Konstruktivismus wider. Über Wahrnehmung und Differenzierung kommt es zur Konstruktion, welche dann diskursiv und reflexiv modelliert wird. Auch wenn grundsätzlich das Theologisieren mit Kindern bzw. Jugendlichen im Zusammenhang mit einer konstruktivistisch orientierten Religionspädagogik gesehen wird, soll dieser Anspruch noch einmal geprüft werden. Grundlage dafür bilden die Professionskompetenzen konstruktivistisch ausgerichteten Religionsunterrichts und diejenigen Kompetenzen, die für die Kinder- und Jugendtheologie als relevant bezeichnet werden. Bei der Sichtung einschlägiger Literatur431 sind die Übereinstimmungen auf den ersten Blick unübersehbar : Lernlandschaften bzw. anregende Lernsettings, die eine aktive und handelnde Auseinandersetzung ermöglichen, gehören ebenso dazu wie eine kognitive und sprachliche Auseinandersetzung oder das Bewusstsein, dass Lernprozesse nicht vorhersehbar sind und individuell verlaufen. Ein zweiter, differenzierterer Blick führt in der Diskussion weiter. Vergleicht man die von Mendl aufgestellten Professionskompetenzen (s. o.) mit den vier Kategorien, die FreudenbergerLötz im Hinblick auf Lehrerinnen und Lehrer bezüglich Theologischer Gespräche formuliert hat, werden auch hier zunächst große Übereinstimmungen sichtbar. Freudenberger-Lötz konstatiert die folgenden vier Kategorien als Grundlage für Lehrerhandeln: »(a) Eine offene, ermutigende, wertschätzende Haltung einbringen; die Lehrkraft gibt sich als authentische Gesprächspartnerin zu erkennen. (b) Vielfältige Beteiligungschancen auf unterschiedlichen Niveaus eröffnen. (c) Impulse setzen, die den Schüler/innen Deutungsspielräume eröffnen sowie wichtige Aspekte des Themas beleuchten helfen. (d) Gedanken der Kinder aufnehmen und ins Gespräch bringen; Strukturierungshilfen anbieten.«432

Während Hans Mendl in seinem Kriterienkatalog von den Lehrenden ausgeht, formuliert Petra Freudenberger-Lötz die Anforderungen aus der Perspektive des Unterrichts. Von daher ist eine gewisse Vorsicht bei der Gegenüberstellung der Kriterien bzw. Anforderungen geboten. Die zentralen Überschneidungen sollen dennoch im Folgenden aufgezeigt werden. Beide gehen zunächst einmal von 431 Vgl. z. B. Freudenberger-Lötz 2007; Zimmermann 2010; Jahrbücher für Kindertheologie. 432 Freudenberger-Lötz 2007, 112. Dabei muss stets bewusst sein, dass bereits durch das angebotene Material bestimmte Wirklichkeiten angeboten bzw. forciert werden.

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Konstruktivistische Perspektiven

Lernlandschaften bzw. anregenden Lernsettings und Lernumgebungen aus.433 Die Forderung eines methodisch vielfältigen und anregenden Unterrichts ist ihnen ebenso gemein wie eine hohe Kompetenz bezüglich der Gesprächsführung und der Fähigkeit der Lehrperson zur Reflexion des eigenen unterrichtlichen Handelns.434 Freudenberger-Lötz bezieht die Wahrnehmungskompetenz in ihren Ausführungen zwar stärker auf das Gespräch435, weil sie dieses in ihrer Arbeit beleuchtet, sie würde diese jedoch sicherlich auch grundsätzlich auf das Theologisieren als religionspädagogischen Ansatz übertragen. Konstruktionsund Ko-Konstruktions-Kompetenz sind bei Freudenberger-Lötz in (c) und (d) zu verorten. Übrig bleibt die von Mendl eingebrachte Konstruktions-reflektierende Kompetenz, die er auf zwei Ebenen verortet: bei der Lehrperson und ihrem Handeln auf der einen Seite und den Lernenden auf der anderen Seite. Aus der Perspektive des Konstruktivismus, in der die Schülerinnen und Schüler als aktiv lernende Subjekte Verantwortung für ihr Lernen selbst übernehmen, ist diese Kompetenz von großer Bedeutung. Sie müssen lernen, ihr eigenes Lernen zu beobachten und zu reflektieren, damit sie ihren Lernweg selbst mitgestalten können. Das ist eine hohe Anforderung: selbst Lernende zu sein und sich gleichzeitig vom eigenen Lernen distanzieren zu können. Wird das Theologisieren mit Kindern bzw. Jugendlichen betrachtet, muss gefragt werden, wie eine Reflexion des eigenen Lernens beim Theologisieren deutlicher eingebracht, gefordert und gefördert werden kann. Freudenberger-Lötz formuliert die Bedeutung der metakognitiven Dimension bereits in einer Veröffentlichung von 2006 und verknüpft diese mit der Lernumgebung, die zur Metakognition anregen soll.436 Der Fokus – so wird hier deutlich – soll nicht nur auf die Lernprodukte und somit Inhalte gelenkt werden, sondern explizit auch auf den Lernweg.437 Wenn Schweitzer von Theologisieren als »Nachdenken über religiöses Denken«438 spricht, dann ist zu fragen, ob auch hier eine metakognitive Ebene durchscheint. Schweitzer ist es wichtig, Kinder zum Nachdenken über die eigenen religiösen Vorstellungen herauszufordern. Weiterführende Gedanken hinsichtlich metakognitiver Fähigkeiten beim Theologisieren formuliert er jedoch nicht.439 Konstruktion und Ko-Konstruktion können nicht auf der inhaltlichen Ebene stehen bleiben, sondern haben ihren Ort auch in der Reflexion des eigenen Lernens, in der metakognitive 433 434 435 436 437 438 439

Vgl. Mendl 2012, 109; 2015, 3; Freudenberger-Lötz 2007, 67ff., 126f. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007; 2011, 20. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 222–224; 2008. Vgl. auch Freudenberger-Lötz 2017, 32–35. Vgl. Freudenberger-Lötz 2006, 242f.; vgl. auch Freudenberger-Lötz 2007, 127. Schweitzer 2003a, 11f. Vgl. Schweitzer 2003a, 13.

Perspektiven auf das Lernen aus konstruktivistischer Sicht

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Strategien ausgebildet werden, die auf das weitere Lernen Einfluss nehmen können.440 Wenn das Nachdenken über Inhalte mit einem Nachdenken über das eigene Lernen verknüpft wird, dann kann von Metakognition gesprochen werden und nachhaltiges Lernen wird möglich.441 Schließlich kann festgehalten werden, dass das Theologisieren mit einer konstruktivistisch ausgerichteten Religionspädagogik kompatibel ist.442 Metakognition als bedeutsame Kategorie wird sowohl im Kontext eines konstruktivistisch ausgerichteten Unterrichts als auch von Freudenberger-Lötz im Hinblick auf das Theologisieren implizit und explizit eingebracht. Sie sieht Metakognition im Zusammenhang mit Selbstevaluation und versteht diese als Bewusstwerden von Lernweg und Lernergebnis, in erster Linie bezogen auf die Lerngruppe.443 Sollen Reflexion und Metakognition als Kategorien bewusst in den Religionsunterricht aufgenommen werden, kommt hierbei der Lehrperson eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Freudenberger-Lötz444 und Reis445 heben die Notwendigkeit hervor, gerade auch Lehrende bezüglich metakognitiver Fähigkeiten zu unterstützen und zu fördern. Ausgehend von den dargestellten Überlegungen ergeben sich weitere offene Fragen, die bisher nicht bzw. wenig geklärt sind: Wo hat Metakognition im Hinblick auf das eigene Lernen seinen Ort beim Theologisieren? Wie können Lernsettings aussehen, die eine Reflexion des eigenen Lernens stärker in den Blick nehmen? Welche Methoden können die metakognitive Dimension des Lernens anregen und fördern? Welche metakognitiven Fähigkeiten bringen Kinder bzw. Jugendliche mit und wie können diese ggf. aufgebaut, gefördert und erweitert werden? Die Bedeutung der Metakognition für das Lernen der Kinder wird in Abschnitt 4.5 noch einmal vertieft aus lernpsychologischer Perspektive aufgegriffen. 440 Auch wenn dazu in den Veröffentlichungen zur Kindertheologie kaum etwas zu finden ist, gibt es in der Kasseler Forschungswerkstatt Transkripte, die zeigen, dass mit den Kindern und Jugendlichen durchaus über metakognitive Fragestellungen nachgedacht wird. Dass diese Perspektive in den Transkripten bisher wenig Berücksichtigung findet, kann unterschiedliche Gründe haben: Zum einen, dass es in diesem Bereich in der Tat kaum Forschungen gibt, oder zum anderen, dass metakognitive Passagen in Gesprächen zwar vorkommen, diese jedoch nicht im Fokus stehen und so in der jeweiligen Veröffentlichung nicht abgedruckt sind. 441 Vgl. auch Kap. 5.4 und 5.5. 442 Hiervon geht bereits Freudenberger-Lötz 2007 aus. 443 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 127; 2017, 32–35. 444 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007. 445 Reis fordert die Ausbildung und Förderung einer reflexiven Kompetenz gerade auch für Lehrende. Sie sollen ihre eigene Perspektive begründen und reflektieren können, ebenso das, was dies für den Unterricht bedeutet. Schließlich sollen auch die Kinder und Jugendlichen zur Reflexion angeleitet werden (vgl. Reis 2012).

114

3.5

Konstruktivistische Perspektiven

Zusammenfassung

Im Rückblick auf das Kapitel »Konstruktivistische Perspektiven« kann festgehalten werden: Konstruktivistische Grundgedanken wurden im Bereich des Glaubenswissens, schwerpunktmäßig am Wahrheitsbegriff und dem Wahrheitsverständnis diskutiert sowie im Bereich des Aufbaus von Konstruktionen beim Lernen und somit dem Erwerb von Wissen. Dabei wurde deutlich, dass eine konstruktivistische Perspektive auf das Wahrheitsverständnis keineswegs zu einer Infragestellung führen muss und Gott als der Grund unserer Hoffnung nicht angezweifelt wird. Eine solche Perspektive verlangt vielmehr das Bewusstsein, dass Wahrheit an Erfahrungen und Sichtweisen von Personen und konkrete Kontexte gebunden ist. Bei der Einordnung von Aussagen ist der jeweilige Bezugsrahmen zu klären. Es ist also zu formulieren, worauf eine Aussage bezogen ist. Ziel des Theologisierens ist es, eine eigene, plausible Position – eine »Wahrheit für mich« – zu formulieren. Auf der Ebene der Aneignung von Wissen und der Ausbildung einer eigenen Position kann eine konstruktivistische Sichtweise auf Lernen helfen, individuelle Lernwege zuzulassen, Lernen zu verstehen und dieses bewusst anzuregen und zu fördern. Beim Theologisieren spielt sich das Denken der Kinder auf unterschiedlichen Ebenen ab: Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion gehören unverzichtbar zur kognitiven Auseinandersetzung mit herausfordernden religiösen Themen und Fragestellungen. Gerade im gemeinsamen Gespräch können sich die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner hierbei gegenseitig anregen, so dass das Moment der Perturbation – auch wenn dieses nicht planbar ist – hier seine Wirkung zu entfalten vermag. Die von Reich eingebrachte Unterscheidung der Rollen in Akteur, Teilnehmende/r und Beobachtende/r kann im Hinblick auf die Reflexion zur Klärung beitragen. Es scheint sinnvoll zu sein, die Beobachterrolle im Kontext der Reflexion bewusst von den beiden anderen genannten Rollen zu trennen. Dies ermöglicht, Distanz einzunehmen und sich ganz auf die Reflexion konzentrieren zu können. Damit das eigene religiöse Lernen nachhaltig werden kann, ist es wichtig, reflexive und metakognitive Kompetenzen der Kinder auch beim Theologisieren zu fördern und zu üben.

4

Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

»Konstruktivisten betonen für menschliche Handlungen die aktive, eingreifende, tätigherstellende oder erzeugende, die kreative Seite. Dabei sehen sie […] den Menschen als Konstrukteur nicht als widerspiegelndes oder abbildendes Subjekt, das einer Wahrheit hinterherjagt, die es ›da draußen‹ einfach finden kann, sondern als ein Subjekt, das in Verständigung mit anderen solche Wahrheiten re/de/konstruiert.«446

Die Verständigung mit anderen steht im Mittelpunkt dieses Kapitels und spielt gerade beim Theologisieren bzw. in Theologischen Gesprächen eine wichtige Rolle. Die Gesprächsteilnehmenden tauschen sich über ihre Gedanken aus und konstruieren gemeinsam weiter. Damit ein Gespräch – egal ob es ein Theologisches Gespräch ist oder ein Reflexionsgespräch – gelingen kann, sind Verstehen und Verständigung von Bedeutung. Dass Gesprächspartner447 immer wieder aneinander vorbei reden, ist aus dem Unterrichtsalltag bekannt. Ging es bisher in erster Linie um die Entstehung und Legitimation von Konstruktionen, so steht im folgenden Teil zunächst die Bedeutung von Sprache und Kommunikation als Mittel des Ausdrucks von Konstruktionen im Zentrum, bevor dann das Verstehen als wichtige Kategorie von Kommunikation in den Fokus rückt. Schließlich wird der Blick auf das soziale Setting und die Bedeutung der anderen gerichtet.

4.1

Sprache und Kommunikation

Menschen nutzen Sprache im Alltag ganz selbstverständlich, ohne sich dessen oft bewusst zu werden, was in der und durch Kommunikation geschieht und wie diese funktioniert. Deshalb soll dieser erste Abschnitt dafür genutzt werden, um 446 Reich 2006, 118f. 447 In diesem Kapitel werden Begriffe, wie Gesprächspartner oder Gesprächsteilnehmer, die hier besonders häufig vorkommen, aus Gründen der Lesbarkeit nur in ihrer männlichen Form verwendet. Selbstverständlich ist die weibliche Form stets mit eingeschlossen und sollte mitgedacht werden.

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Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

einige Grundgedanken zu Sprache und Kommunikation sowie zu deren innerem Zusammenhang aufzuzeigen.448 Ausgehend von der Tatsache, dass Konstruktionen im Kopf vollzogen werden und sich Bedeutungen dort befinden, scheint Sprache eine wichtige Möglichkeit zu sein, diese Bedeutung kommunizierbar und für andere ein Stück weit zugänglich zu machen.449 »Sprache ist nicht Voraussetzung von Kommunikation, sondern schon Folge von Kommunikation.«450 Somit gehören Sprache451 und Kommunikation untrennbar zusammen, sie sind Teil eines zirkulären Prozesses. Kommunikation wird als selbstreferenzieller Prozess verstanden, weil sich Kommunikation auf Kommunikation bezieht. Für Merten ist Reflexivität hierbei das zentrale Kriterium. Diese bezieht er sowohl »auf die Wahrnehmung der eigenen Person und der eigenen Handlungen als auch auf den Prozess der Kommunikation«452. So gehören für ihn zur Kommunikation mindestens zwei miteinander interagierende Subjekte, die sich reflexiv auf sich selbst, den Prozess der Interaktion sowie konkrete Inhalte beziehen können und dabei auch Bezug auf Handlungen nehmen. Für das Feld der Schule ergänzt Kraus in Anlehnung an Köck die Bedeutung eines Kodes, der benutzt wird, und die Intention, die einer kommunikativen Handlung zugrunde liegt.453 Von daher scheint es wichtig zu sein, dass sich die Gesprächspartner kennen und das Ziel bzw. der Anlass des Gesprächs transparent sind. Wie viel Sprache und infolgedessen auch Kommunikation mit den einzelnen Personen zu tun haben, wird oft unterschätzt, ebenso die Komplexität dieses Geschehens. Was »ein Einzelner mit einem Wort verbindet, geht auf seine subjektive Wahrnehmung und Erfahrung zurück und nicht auf ›tatsächliche‹ Gegenstände und Zusammenhänge«454. Sprache kann deshalb nicht abbilden und auch nicht einen Sachverhalt subjektunabhängig beschreiben. Sie ist stets an das kommunizierende Subjekt gebunden. Dabei greift Sprache auf Zeichen 448 Vgl. dazu grundlegend auch Roth 2003, 413–425. 449 Aus konstruktivistischer Perspektive muss bewusst sein, dass jegliche Kommunikation nur indirekt erfolgen kann. »Wir bleiben in unserer Haut und machen uns auch von unserem Gegenüber ein Bild, eine Imagination, das dem anderen als unsere Wunschvorstellung vorauseilt. In der konkreten Begegnung wird dieses zwar reguliert und verändert, es bleibt aber immer unser Bild! Da wir folglich nicht direkt kommunizieren können, bleibt die Sprachmauer zwischen uns und unserem Gegenüber bestehen. Wir brauchen die Sprache, um uns zu verständigen, sie hindert uns aber auch an einer unmittelbaren Verständigung.« (Reich nach Sitzberger 2013, 165f.). 450 Merten zitiert nach Kraus 2002, 87. 451 Bereits Ludwig Wittgenstein hat immer wieder darauf verwiesen, »dass Sprache ein intrinsischer Teil der Wirklichkeit ist und ihr nicht etwa gegenübersteht« (Schmidt 1994, 597). In der Sprechakttheorie wird betont, »dass Worte immer auch Taten sind« (ebd., 597). 452 Kraus 2002, 87. 453 Vgl. Kraus 2002, 87–89. 454 Lindemann 2006, 108.

Sprache und Kommunikation

117

und Symbole zurück, für die das Gegenüber eine abstrahierte Re-Präsentation benötigt, um diese verstehen zu können.455 Für Lindemann hat Sprache zunächst einmal etwas mit der Person selbst zu tun, wenn er sagt: »Sprache ist […] konnotativ (zuweisend) und deskriptiv (beschreibend) auf die innere Ordnung eines Subjekts bezogen, also auf seine Re-Präsentationen, Abstraktionen und seine Reflexion.«456

Hinter dem Gesagten stehen für den Sprechenden abstrahierte Re-Präsentationen, die auf der Grundlage von reflektierten Wahrnehmungen und Erfahrungen entstanden sind. Das Gegenüber setzt dazu seine eigenen Wahrnehmungen, Erfahrungsmuster, Re-Präsentationen und Abstraktionen in Beziehung und versteht bzw. konstruiert auf diesem Hintergrund. Damit wird deutlich, dass die Vorstellung einer objektiven Weitergabe oder deckungsgleichen Übertragung von Informationen auch aus konstruktivistischer Sicht nicht möglich sein kann.457 Dabei ist Sprache sowohl ein »Bezeichnungssystem zum Aufbau begrifflicher Strukturen«458 als auch ein Medium für die Darstellung dieser Strukturen. Der Gebrauch von Sprache bedeutet ein »aktives In-BeziehungSetzen isolierter Elemente der Erfahrung und des Denkens«459. Aus religionspädagogischer Perspektive muss die begriffliche Dimension von Sprache erweitert werden um eine poetische und religiöse Dimension. Anliegen solcher Dimensionen von Sprache ist es, 455 Vgl. Lindemann 2006, 110ff.; Roth 2003, 421; Sitzberger 2013, 144. »Mitteilen lassen sich Informationen, nicht Bedeutungen« (Siebert 1999, 37), so formuliert Siebert. Allerdings muss hierbei bedacht werden, dass auch Informationen nicht losgelöst von der »vermittelnden« Person gesehen werden können. Sie formuliert den Sachverhalt aufgrund ihrer Erfahrungen und Bedeutungszuweisung in einer spezifischen Situation. Auch beim Gegenüber spielen Transformationsprozesse durch die Einordnung und erneute Bedeutungszuweisung eine Rolle. Somit sind auch Informationen an Bedeutungen gebunden. 456 Lindemann 2006, 109. Roth hebt hervor, dass sich der Sinn des Gesagten erst durch den Kontext ergibt, der von unserem Gehirn jeweils aktuell erschlossen werden muss (vgl. Roth 2003, 421). 457 Für Rusch kann Kommunikation aus radikal-konstruktivistischer Sicht weder als »Übertragung von Bedeutungsinhalten«, wie es Hunziker (1988) vertritt, oder »Vermittlung von Bedeutung« (Burkart) verstanden werden (vgl. Kraus 2002, 123f.). Roth weist davon ausgehend aus neurobiologischer Sicht auf den Unterschied hin, der zwischen dem Gesagten und seiner Bedeutung und dem, was im Gehirn des Gesprächspartners an Bedeutung erzeugt wird, besteht (vgl. Roth 2003, 425). Dass eine objektive Weitergabe oder deckungsgleiche Übertragung von Informationen nicht möglich ist, davon wird auch in anderen Kommunikationstheorien, wie z. B. bei Schulz von Thun (2010), ausgegangen. 458 Lindemann 2006, 110. 459 Lindemann 2006, 111. »Auditive, visuelle oder taktile Erfahrungsmuster« werden »als Symbole für Re-Präsentationen und Abstraktionen konstruiert. Diese Symbole können reproduziert werden und bilden somit Zeichen, die wiederum als Erfahrungsmuster Symbole für Re-Präsentationen und Abstraktionen sein können.« (Ebd.).

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Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

»in der Vielfalt und Unübersichtlichkeit des zu Beschreibenden Sinnzusammenhänge zu öffnen und dadurch Sinnbildung anzuregen. […] Die dichterische Sprache stellt also nicht in erster Linie etwas dar, sondern sie stellt etwas her, nämlich eine neue Sicht der Wirklichkeit.«460

Auch wenn in der Theologie eine diskursive Sprache, die logisch und eindeutig formulieren kann, ihren Ort hat, so brauchen wir im religionspädagogischen Kontext weitere Dimensionen von Sprache. Glaubensaussagen, wie sie auch in biblischen Texten zur Sprache kommen, können nicht ausschließlich sachlich und logisch beschrieben werden. Solche Aussagen und Texte sprechen nicht von dem, was vor Augen ist, sondern von dem Außergewöhnlichen, das eine neue Sicht auf die Welt ermöglicht.461 Ausgehend von den oben angeführten Gedanken zur Sprache und der damit verbundenen Bedeutungszuweisung wird nun die Kommunikation in den Blick genommen, die Sprache als Mittel zur Verständigung gebraucht. Kommunikation bedeutet ein »Wechselspiel, in dem die Interaktionspartner sich sowohl in die Rolle des Orientierenden als auch in die des Orientierten begeben können«462. In der Position des Orientierenden macht das Subjekt eine Mitteilung mit Hilfe von Sprache und versucht so auf sein Gegenüber einzuwirken. Orientiert ist jemand dann, wenn er die Zeichen eines anderen für seine Konstruktionen verwendet.463 Ob eine intendierte Mitteilung beim Gegenüber ankommt, also die erwarteten Konstruktionen ausgelöst werden, ist nicht vorhersehbar.464 460 Müller u. a. 2005, 63. 461 Vgl. Müller u. a. 2005, 63. Während die Theologie eine distanzierte und reflektierende Sicht auf biblische Inhalte einnimmt, sind in der Bibel selbst unterschiedliche Formen von Sprache zu finden. Eine poetische Form der Sprache finden wir im Schöpfungshymnus, den Psalmen oder der Weisheitsliteratur, auch Glaubensaussagen, wie sie in den Evangelientexten zum Tragen kommen, können nicht sachlich distanziert formuliert werden. Paulus hingegen nutzt für seine Argumentationen und theologischen Entfaltungen in erster Linie eine diskursive Sprache. 462 Lindemann 2006, 115. Hier bezieht er sich auf die Theorie von Rusch, der bereits die Begriffe des Orientierenden bzw. des Orientierten verwendet. Kommunikation kann »sinnvoll nur als soziales Phänomen gedacht werden« (Kraus 2002, 126). 463 Rusch bezeichnet Kommunikation als »Orientierungsinteraktion« und schließt damit an Maturanas Konzept an. Kommunikation ist aus seiner Sicht dann erfolgreich, wenn die Gesprächspartner in Folge ihrer Orientierungsbemühungen beim Gegenüber ein Verhalten wahrnehmen, das den eigenen Erwartungen entspricht. Dabei ist es für ihn nicht notwendig, dass die jeweiligen subjektiven kognitiven Konstrukte denen des jeweils anderen entsprechen. (Vgl. Kraus 2002, 127f.) »Es geht nicht um eine tatsächliche Übereinstimmung, sondern um kompatible Schemakonstruktionen.« (Kraus 2002, 128) 464 Vgl. Lindemann 2006, 115. Kraus ist sich mit Rusch einig, dass nur solche Interaktionen als Kommunikation bezeichnet werden können, die ein Ziel verfolgen (vgl. Kraus 2002, 136). Deshalb wird aus radikal-konstruktivistischer Sicht Watzlawicks Verständnis, dass jegliche Interaktion als Kommunikation aufgefasst wird, abgelehnt (vgl. Kraus 2002, 139). Watz-

Sprache und Kommunikation

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»Der Benutzer einer Sprache muss […] annehmen, dass jede Re-Präsentation, die er mit einem Wort assoziiert hat, den Re-Präsentationen ähnlich ist, die das Wort bei anderen Benutzern der gleichen Sprache aufruft. Die Annahme eines derartigen Parallelismus ist die Voraussetzung dessen, was gemeinhin ›Kommunikation‹ genannt wird. Dabei ist es freilich unbegründet und naiv, anzunehmen, dass diese Re-Präsentationen bei allen Sprechern einer Sprache genau die gleichen sind. Man kann bestenfalls nachweisen, dass die Re-Präsentationen mehrerer Individuen in bestimmten Zusammenhängen kompatibel sind.«465

Aus konstruktivistischer Sicht hängen Zeichen, die mit Konstruktionen verbunden bzw. Zeichen, die wahrgenommen werden, an der einzelnen Person und ihren subjektiven Erfahrungen und Deutungen. Die Bedeutung, die einem Begriff oder einem Sachverhalt beigemessen wird, kann deshalb nicht gleich, sondern höchstens ähnlich sein. Aufgrund des bekannten Modells von Schulz von Thun466 ist auch zu bedenken, dass Nachrichten unterschiedliche Ebenen haben: die Sachebene, die Beziehungsebene, die Ebene der Selbstkundgabe oder die Ebene des Appells. Diese Ebenen beziehen sich sowohl auf den Sender als auch den Empfänger. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Intention, mit der eine Nachricht gesendet wird, dem entspricht, wie diese dann vom Gesprächspartner verstanden wird. Aussageabsicht und Verstehen müssen nicht zwingend übereinstimmen.467 Was das für die Kommunikation bedeutet, darauf wird an späterer Stelle noch eingegangen. Schmidt geht in seinem Verständnis weiter und präzisiert, was Kommunikation auslöst, nämlich kognitive Veränderung bei allen Beteiligten: »Kommunikation heißt nicht: Geben und Nehmen oder Austauschen; es heißt vielmehr, sich gegenseitig Chancen der kognitiven Veränderung, der Auswahl und Konstruktion von uns selbst abhängiger Informationen einräumen, eben weil jeder Kommunikationspartner für sich eine selbstständige, autonomisierte und operational geschlossene Wesenheit ist.«468

Damit stellt Schmidt hier die Chancen der kognitiven Veränderung heraus, die sich durch die subjektive Auswahl und Bedeutungszuweisung sowie die weitere Konstruktion ergeben. Die Zirkularität und wechselseitige Abhängigkeit von Kommunikation wird hier anschaulich. Im Anschluss an Schmidt ist das Ziel von

465 466 467

468

lawicks Postulat »Man kann nicht nicht kommunizieren« (Watzlawick u. a. 1969, 53) unterstreicht jedoch die wechselseitige Bezogenheit der Kommunikationspartner aufeinander (vgl. Lindemann 2006, 116; vgl. auch Watzlawick 1980; 1995). Glasersfeld 1996, 166. Vgl. Schulz von Thun 2010; Sitzberger 2013. Roth nennt in seinen Überlegungen vier Bereiche, in denen Übereinstimmung bestehen kann: 1. beim intuitiven Verstehen, 2. aufgrund unserer gesellschaftlichen Zugehörigkeit, 3. aufgrund der gemeinsamen Erziehung und sozialen Umgebung, 4. aufgrund gemeinsamer individueller Erfahrungen (Grunderfahrungen) (vgl. Roth 2003). Schmidt 1992, 304; vgl. auch Lindemann 2006, 118.

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Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

Kommunikation nicht gegenseitiges Verstehen – welches er auch nicht ausschließt – sondern die Möglichkeit, eigene Konstruktionen ausgehend von den Anregungen durch die perturbierend wirkenden Gedanken anderer anzustellen. Für Theologische Gespräche sind die dargestellten kommunikationstheoretischen Gedanken von Bedeutung. Auch wenn Verstehen eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass ein Gespräch am Laufen bleibt, so muss doch zunächst einmal festgehalten werden, dass Verstehen nicht einfach gegeben ist. Dass RePräsentationen bzw. Bedeutungszuschreibungen ähnlich sind, davon kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, denn die Schülerinnen und Schüler bringen oft sehr unterschiedliche Erfahrungen mit. Wie groß diese Ähnlichkeit bzw. Vergleichbarkeit sein muss, damit ein Verstehen noch gegeben ist, muss hier offenbleiben. Anders herum kann gefragt werden, ob ein Verstehen womöglich gar nicht erforderlich ist, weil sich das Konstruieren in autopoietischen Systemen abspielt. Dann hätten die Anregungen der Gesprächsteilnehmenden lediglich für den Einzelnen / die Einzelne perturbierenden Charakter. Das gemeinsame Konstruieren wäre nicht zwingend erforderlich. Das ist es jedoch nicht, was Theologische Gespräche ausmacht. Wo hier die Grenze zu ziehen ist, muss an dieser Stelle noch offenbleiben. Grundsätzlich aber kommt der Aspekt, dass ausgehend von eingebrachten Gedanken weiter konstruiert wird, dem Anliegen des Theologisierens entgegen. Soviel kann vorerst festgehalten werden Nachdem deutlich wurde, dass Kommunikation auf der Interaktion von Gesprächspartnern beruht, die wechselseitig unterschiedliche Rollen einnehmen und die dem Gesagten auf der Grundlage ihrer je eigenen Erfahrungen Bedeutung zuschreiben bzw. davon ausgehend weiter konstruieren, soll nun danach gefragt werden, wie Kommunikation gelingen kann und somit Verstehen möglich wird. Zuvor wird in einem Exkurs die Bedeutung der Medien als weitere Zeichensysteme neben der Sprache in den Blick genommen.

4.2

Die Bedeutung von Medien als Zeichensysteme im Kontext der Auseinandersetzung mit Wirklichkeit

Wenn im Rahmen dieser Arbeit von Medien die Rede ist, dann sind nicht Zeitung, Fernsehen oder Radio gemeint, sondern neben der Sprache sind es Bilder und gestalterische Arbeiten der Kinder, wie sie beispielsweise im angebotenen Lernsetting erstellt wurden.469 Darauf wird dann in den Theologischen Gesprächen Bezug genommen. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass solchen Medien ein eigener kommunikativer Wert innewohnt. Bereits im ersten Kapitel 469 Das sind im zugrunde liegenden Projekt Legebilder, Klebebilder, eine Klanggeschichte und eine Materialcollage.

Die Bedeutung von Medien als Zeichensysteme

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wurde die Bedeutung von Lernsettings und Medien für das Theologisieren herausgearbeitet. Nun soll aus kommunikativer Perspektive nach der Bedeutung von Medien – die im Zusammenhang mit vielfältigen Methoden eingesetzt werden oder entstehen – für die gemeinsame Kommunikation beim Theologisieren gefragt werden. Medien sind »zeichenhaft und ihre Inhalte immateriell«470. Sie bilden etwas ab und geben damit Einblick in die Re-Präsentationen bzw. die Wirklichkeit eines anderen Menschen. »Wahrnehmung und Kommunikation zusammen bilden unsere Wirklichkeit«471. Deshalb ist das, was wir beispielsweise unter einem Sonnenaufgang verstehen, nicht über alle Zeiten und Kulturen hinweg gleich. Die Kommunikation beeinflusst aber andererseits auch unsere Wahrnehmung, wir begegnen Dingen mit anderen Vorannahmen oder Erwartungen, so dass Wirklichkeit nur »verzerrt« wahrgenommen werden kann. Oder anders ausgedrückt: Wirklichkeit ist immer »subjektiv, vorläufig, bruchstückhaft und selektiv«472. Während eine Wirklichkeit erster Ordnung auch direkt »ohne Zwischenschaltung von Medien erfahren« werden kann, ist dies bei der Wirklichkeit zweiter Ordnung nicht möglich. Als gedeutete Wirklichkeit ist sie in den Köpfen der Menschen und ist nur über Medien zugänglich. Schließlich ist alles, was Menschen denken, wissen oder fühlen, grundsätzlich nur kommunikativ und damit im weitesten Sinn medial zugänglich.473 Medien, wie beispielsweise auch ein schriftlicher Text, sind aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive nicht selbstexplikativ. Sie sind »in ihrer Bewertung abhängig von den Lesarten, die unterschiedlichste Leser […] produzieren. Stets erscheinen Texte der Interpretation oder Kommentierung bedürftig, stets bieten sie den verschiedenen Lesern Anlass zur Auseinandersetzung über ihre verschiedenen Lesarten.«474

Schriftliche Texte bzw. Medien allgemein bedürfen immer wieder einer Erklärung, weil sie sonst der Interpretation anderer völlig ausgeliefert sind.475 Gerade Kinder müssen lernen, wie mit Medien umgegangen und in welcher Art diese interpretiert und gedeutet werden können. Im Hinblick auf den Unterricht, so Glasersfeld, brauchen Kinder eine große Vielfalt von Wahrnehmungssituatio470 471 472 473

Boeckmann 1990, 10. Boeckmann 1990, 9f. Boeckmann 1990, 11. Vgl. Watzlawick 1980, 143; Boeckmann 1990, 11. Die Basis für die Wirklichkeit erster Ordnung sind somit konkrete Sinneserfahrungen, für die Wirklichkeit zweiter Ordnung ist es die Kommunikation. Letztere ist somit durch ein Medium vermittelt. 474 Rusch 1994, 75. 475 Interessant ist, dass gerade Kunstwerke nicht über Erklärungen verfügen, sondern Künstlerinnen und Künstler gerade darauf vertrauen, dass ihr Kunstwerk zum Nach- und Weiterdenken anregt und vielfältige Deutungen ermöglicht.

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Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

nen, um Begriffe aufbauen zu können. Diese werden durch reflexive Abstraktion von jedem Individuum selbst aufgebaut. Sprache und auch Anschauungsmaterialien können Erfahrungssituationen schaffen, die zu Reflexion und Abstraktion führen und so Lernen ermöglichen.476 Dies entspricht auch Mendls Vorstellung, wenn er sagt, dass Eindruck und Ausdruck des Austausches bedürfen.477 Ähnlich wie Sprache bedienen sich auch Bilder, Zeichnungen, Fotos oder andere Formen der Darstellung eines Zeichensystems, mit dessen Hilfe ein Mensch aus seiner Erinnerung heraus rekonstruieren kann. Zusammenfassend folgert Boeckmann in seinen Überlegungen: »Medien führen unzweifelhaft zu einem Wirklichkeitsgewinn, sie eröffnen den Zugang zur, sie ermöglichen die Aneignung von Wirklichkeit.«478 In seinen Ausführungen geht es Boeckmann in erster Linie um das Individuum als Rezipienten, der sich angeregt durch Medien mit der Wirklichkeit auseinandersetzt. Offen bleibt, ob er mit der Formulierung »sie ermöglichen die Aneignung von Wirklichkeit« auch an das aktive Erschaffen von Medien bzw. die kreative Auseinandersetzung mit Materialien bzw. Medien gedacht hat. Medien wie Bilder, Zeichnungen oder Fotos haben ihre eigene Sprache und können auf ihre Art zum Nach- und Weiterdenken anregen. Sie sind nicht nur darstellendes Beiwerk, sondern sie können Impulse setzen, wie es die Sprache nicht vermag. Gleichzeitig öffnen sie Zugänge zur Kommunikation oder unterstützen diese. Dadurch ermöglichen Medien auch die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Ihnen kommt also ein eigener Wert auch für das religiöse Lernen zu. Medien als Chance für das Konstruieren Da Lernen nicht Informationsweitergabe, sondern ein aktiver Aneignungsprozess ist, spielen neben der Sprache auch Medien und Materialien eine wichtige Rolle. Sie sind Ausgangs-, Kristallisations- und Zielpunkt zugleich. In dieser Hinsicht ist Schmidts Ansatz interessant und weiterführend im Hinblick auf die vorliegende Studie, da er Medien insgesamt – nicht nur der Sprache – eine Brückenfunktion zuschreibt. Gerade beim Theologisieren können davon ausgehend kreative und gestalterische Darstellungen der Kinder eine wichtige Bedeutung haben. Mit Hilfe von Medien können eigene Re-/De-/Konstruktionen sichtbar gemacht werden und darüber hinaus die am Gespräch Beteiligten – auch sie selbst – zum Nach- und Weiterdenken sowie zum Fragen angeregt werden. Insgesamt können Medien eigene Konstruktionen anregen, einen Zu476 Glasersfeld 1996, 296f. 477 Vgl. Mendl 2016, 174; Mendl 2012, 112. 478 Boeckmann 1990, 13.

Die Bedeutung von Medien als Zeichensysteme

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gang zu eigenen und fremden Konstruktionen ermöglichen und auch Ausdruck von Konstruktionen sein. In welchem Verhältnis hier die Sprache zu anderen Medien, wie beispielsweise visuellen oder auditiven Medien, steht, bleibt jedoch offen. Stellt man sich eine theologisierende Gesprächssituation über Kinderbilder vor, so können die Bilder das gemeinsame Nachdenken- und Weiterdenken anregen, ebenso das gegenseitige Verstehen. Somit können Gedanken(-gänge) Einzelner sichtbar werden und neue Konstruktionen anregen. Denkbar ist aber auch, dass eben diese Bilder von den Kindern schriftlich kommentiert und gedeutet werden. Im Unterschied zur ersten Situation ist hier keine gesprochene Sprache erforderlich und es erfolgt kein direkter Verständigungsprozess mit anderen Personen. Konstruktionen auf der individuellen Ebene können hierbei aber durchaus entwickelt werden. Das Kind lässt sich durch die Wahrnehmungen anregen und versucht, die durch Zeichen und Symbole entdeckten Bedeutungszuschreibungen in sein Denken einzuordnen. Durch entstehende Differenzen können neue Denkmuster aufgebaut werden. So erfolgt indirekt eine Verständigung über das Medium Bild. Die schriftliche Deutung479 kann entweder in ein Gespräch integriert oder dem Kind, das dieses gemalt hat, zugänglich gemacht werden. Dadurch werden Reaktionen ausgelöst, ein Kommunikationsprozess kommt wiederum in Gang. Medien haben grundsätzlich eine eigene Aussage und Wirkung. Inwiefern sie zur Entfaltung die Sprache beitragen bzw. den Prozess der Kommunikation benötigen, auch dies muss offenbleiben. Ist das Ziel der Auseinandersetzung mit den Bildern jedoch mit Verstehen verbunden, so kann auf Sprache – egal ob schriftlich oder mündlich – vermutlich nicht verzichtet werden, wenn Mendls Diktum, dass Eindruck und Ausdruck in einen Austausch münden, zugrunde gelegt wird.480 Zum Schluss wird der Blick auf das Medium »gemaltes Bild« gerichtet. Wenn Sprache eine Brückenfunktion hat, stellt sich die Frage, ob das Bild nur in Verbindung mit Sprache, also indem es beispielsweise erklärt wird oder sich die Kinder darüber austauschen, verstanden werden kann. Oder müsste nicht eher danach gefragt werden, welches Ziel im Kontext der schulischen Situation verfolgt wird? Soll das Bild eigene Gedanken sichtbar und von hier aus kommunizierbar machen, dann kann ein Gespräch helfen, dahinterliegende Konstruktionen zugänglich zu machen. Denkbar wäre auch, dass ein Bild – ähnlich wie Kunstbilder, die im Religionsunterricht genutzt werden – einen Anlass schafft, um über eine Sache nachzudenken. Das Verstehen dahinterliegender 479 Dabei ist aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive zu bedenken, dass kein schriftlicher Text selbstexplikativ ist (vgl. Rusch 1994, 75). 480 Vgl. Mendl 2016, 174; Mendl 2012, 112.

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Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

Konstruktionen rückt dann in den Hintergrund. Spannend wäre darüber hinaus etwas über das Entstehen von gestalterischen Werken von Kindern zu wissen: Wie hängen das Vorwissen, das Material und der Entstehungsprozess zusammen? Sind es die eigenen Gedanken, die mit Hilfe von Material zum Gestalten anregen? Waren diese Gedanken schon zuvor da und werden durch das Material lediglich zum Ausdruck gebracht bzw. sichtbar gemacht oder entstehen die Konstruktionen erst beim eigenen Tun? Auch wenn vermutet wird, dass beides eine Rolle spielt, bleibt zu fragen, inwiefern dies alles Kindern während des Arbeitens bewusst ist. Und auch, inwieweit ein solches Bewusstes die Selbstregulation und somit die Metakognition der Kinder beeinflussen kann. Deutlich wird, dass ausgehend von einem erweiterten Medienverständnis, wie es in diesem Kapitel dargestellt wurde, Theologisieren nicht ausschließlich auf das Gespräch fokussiert sein sollte. Unterschiedliche Medien ermöglichen unterschiedliche Zugänge und haben ihr je eigenes Potenzial. Damit wird auch das in Kapitel 1 bereits dargestellte Verständnis, dass das Theologisieren in einen größeren Handlungszusammenhang eingebettet sein sollte, noch einmal unterstrichen.

4.3

Verstehen als bedeutsame Kategorie von Kommunikation

Da Verstehen im Bereich der Kommunikation nicht ohne Gesprächspartner zu denken ist481, wird in diesem ersten Abschnitt in erster Linie von zwei Gesprächspartnern ausgegangen, wobei das Gesagte durchaus auf Gruppen übertragen werden kann. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist die Feststellung, dass Verstehen auf der Unterstellung von Gemeinsamkeiten beruht und in der Reaktion des Gesprächspartners sichtbar wird. Ziel und Bedeutung von Verstehen werden ebenso thematisiert wie die Unterscheidung zwischen einer individuellen und sozialen Dimension des Verstehens, welche über die »strukturelle Kopplung«482 der Sprache miteinander verbunden werden. Kommunikation wird verstanden als Prozess, in dem es den Kommunikationspartnerinnen und Kommunikationspartnern gelingt, »hinreichend ähnliche Bedeutungskonstruktionen anzustoßen«483, damit der Orientierte auf das Gesagte Bezug nehmen kann. Eine völlige Übereinstimmung in der Bedeutungs481 Anders ist dies beispielsweise beim Textverstehen. Hier ist der Text das Gegenüber, auch wenn hinter dem Text natürlich eine Person steht. 482 Strukturelle Kopplung ist ein von Maturana und Varela geprägter Begriff, der die wechselseitige Beeinflussung zweier lebender Systeme, die sich gegenseitig immer wieder zu Veränderungen anregen, beschreibt (vgl. online unter : http://www.spektrum.de/lexikon/ psychologie/strukturelle-kopplung/14998; abgerufen am 19. 9. 2016). 483 Lindemann 2006, 116.

Verstehen als bedeutsame Kategorie von Kommunikation

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zuweisung ist nicht möglich (und auch nicht wünschenswert, da sonst die notwendigen Impulse für das Fortschreiten fehlen), da die Gesprächspartner nicht auf die gleichen Erfahrungen etc. zurückgreifen können. Verstehen ist damit zunächst einmal an die Annahme gebunden, dass die individuellen Bedeutungszuweisungen kompatibel sind bzw. Gemeinsamkeiten aufweisen484, so dass das Gegenüber eine Grundlage hat, auf der es reagieren kann. Die Unterstellung von Gemeinsamkeiten wird so zur Unterstellung von Verstehen.485 Kraus nimmt an, dass mit »dem Maß der Ähnlichkeit auch die Chance auf eine erfolgreiche Kommunikation steigt«486. Wenn Gesprächspartner über ähnliche Erfahrungen bzw. Bedeutungskonstruktionen verfügen, kann nach Kraus davon ausgegangen werden, dass sie sich auch verstehen. Aus sozial-konstruktionistischer Perspektive muss auch die Interaktion der Gesprächsteilnehmenden in den Blick genommen werden. So ist für Schmidt Verstehen ein »Prozess sozialer Bewertung und Kontrolle der Anschlussfähigkeit von Kommunikationen«487. Verstehen wird dadurch am Verhalten der Gesprächspartner sichtbar, z. B. in nonverbalen Reaktionen, wie Mimik, Gestik oder Körperhaltung.488 Diese können den Gesprächsgang beeinflussen, indem sie Verstehen oder Nicht-Verstehen489 bzw. deren Deutung durch die Kommunikationspartner signalisieren. 484 Die Gesprächspartner müssen einen Sachverhalt nicht genau gleich erfassen oder begreifen, sie können dies auch nicht. 485 Vgl. Lindemann 2006, 117–119. Gemeinsamkeiten können nur unterstellt werden, da es unmöglich ist, »›tatsächliche‹ Gemeinsamkeiten und Differenzen der Wirklichkeitskonstruktionen zu bestimmen« (Lindemann 2006, 118). Das Wort Konsens beschreibt dabei lediglich die »individuelle Bewertung einer konkreten Kommunikationssituation« (ebd., 119). 486 Kraus 2002, 126. Kommunikation beschreibt nicht den Prozess, »durch den Bedeutungen übertragen werden, sondern nur eine Möglichkeit zur Orientierung von Interaktionspartnern« (Kraus 2002, 131). Kommunikation ist nach Roth zu verstehen als »wechselseitige bzw. parallele Konstruktion von Bedeutung zwischen zwei oder mehreren Partnern. Verstehen funktioniert also in dem Maße, in dem in den Gehirnen der Partner dieselben oder ähnlichen Erfahrungskontexte, konsensuelle Bereiche – wie sie Maturana (1982) genannt hat – existieren oder aktuell konstruiert werden, was meist unbewusst geschieht.« (Roth 2003, 422) Dabei werden vier konsensuelle Bereiche unterschieden, die das Verstehen beeinflussen und oft auch erleichtern: (1) das intuitive Verstehen durch Mimik, Gestik, Sprachduktus etc. (2) Denk-, Sprach- und Verhaltensschemata, die die Gesellschaft, in die wir hineingeboren wurden, prägen, (3) die gemeinsamen Grundlagen in der Erziehung und schließlich (4) auf die ersten drei Bereiche aufbauend »mehr oder weniger identische individuelle Erfahrungen« (Roth 2003, 423). Doch Letzteres kann nur mehr oder weniger der Fall sein, »denn wenn zwei dasselbe erleben, ist es überhaupt nicht dasselbe« (ebd., 423). Ein vollkommenes Verstehen ist daher nicht möglich (vgl. ebd., 424). Roth geht sogar so weit zu sagen: »Missverstehen ist das Normale, Verstehen die Ausnahme« (ebd., 425). 487 Schmidt 1994, 598. 488 Vgl. Gergen/Gergen 2009, 42ff. 489 Roth geht davon aus, »Missverstehen ist das Normale, Verstehen die Ausnahme.« (Roth 2003, 425) Dahinter steht für Roth die Überzeugung, dass sich Menschen selbst nur schwer

126

Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

Weiter wird davon ausgegangen, dass eine Äußerung von sich aus keinen Sinn besitzt. Die Zuweisung von Bedeutung erfolgt erst durch die ergänzenden Handlungen, wie z. B. Antworten oder Reagieren, welche ihrerseits wiederum eine Handlung erfordern.490 Für Rusch ist aus radikal-konstruktivistischer Sicht die Grundlage von Verstehen die Tatsache, dass »Kommunikator« und »Adressat« sich gegenseitig Verstehen zuschreiben. Das bedeutet, dass nur der Einzelne selbst über Verstehen entscheiden kann. Davon ausgehend differenziert er zwischen Selbst- und Fremdzuschreibung, also ob der Orientierende sich selbst oder seinem Gegenüber Verstehen zuschreibt.491 Kraus ergänzt im Sinne erfolgreicher Kommunikation aus sozialpädagogischer Perspektive die Bedeutung der Rekonstruktion fremder Subjektivität, also das »Bemühen, das ›Denken‹ des Gegenübers zu rekonstruieren«492. Gerade in pädagogischen Prozessen ist Kommunikation als »wechselseitige[s] Bemühen um Verstehen«493 grundlegende Voraussetzung.494 Auch für Varela ist Verstehen nicht nur etwas, das sich im Kopf »abspielt«, sondern es erfasst den ganzen Menschen.495 Kognitionen entstehen nicht nur über die Sprache als Kommunikatbasis, sondern werden von »spezifischen biografischen, situativen, kontextuellen und sozialen Bedingungen«496 beeinflusst. Die Reaktion eines Gesprächspartners in Form seiner Äußerung ist ebenso von kontextuellen Faktoren bedingt. Das Verstehen ist somit abhängig

490 491

492 493 494 495 496

verstehen können, weil sie stark von ihrem Unterbewussten gesteuert werden. (Vgl. Sitzberger 2013, 146). Vgl. Gergen/Gergen 2009, 33, 36. Kommunikation beruht dabei nicht nur in der Zuschreibung von bekanntem Verhalten, sondern kann selbst Neues hervorbringen (vgl. ebd.). Vgl. Kraus 2002, 132–135. In frühen Veröffentlichungen hat Rusch Selbst- und Fremdzuschreibung mit »subjektivem Verstehen« bzw. »objektivem Verstehen« bezeichnet. Kraus vermutet, dass er inzwischen auf den Begriff »objektives Verstehen« verzichtet, weil »dieser leicht im Sinne von ›subjektunabhängig‹, ›zweifelsfrei‹ oder ›real‹ verstanden werden kann« (ebd., 133). Kraus nimmt an, dass sich Verstehen als Selbst- und Fremdzuschreibung »gegenseitig verstärken können, da die Kompatibilität dieser beiden Prozesse von allen Beteiligten als Erfolg erlebt werden dürfte« (ebd., 134). Denkbar ist aber ebenso, dass sich Selbst- und Fremdzuschreibung behindern können. Dann stellt der »Adressat seine Verstehensbemühungen bezüglich der Orientierungshandlungen eines Kommunikators zu früh ein […], weil er sich selber Verstehen attribuiert, obwohl der Kommunikator im Erwarten einer entsprechenden Orientierungsreaktion immer noch um Orientierung bemüht auf den Adressaten einwirkt« (Kraus 2002, 134f.). Kraus 2002. 135. Kraus 2002, 140. Juchem differenziert zwischen Verstehen und Verständigung. »›Verstehen‹ im Sinne gelingender Übereinstimmung oder erreichten Einverständnisses und ›Verständigung‹ als den Prozess zum Verstehen hin.« (Kraus 2002, 145). Vgl. dazu auch Roth 2003, 413–425. Alles, was eine Person sagt oder tut, ist im Zusammenhang mit der Wirklichkeit zu sehen, in der das Individuum handelt, die es versteht und die seine Wahrnehmung sinnvoll macht (vgl. Krippendorff 1994, 103). Kraus 2002, 114.

Verstehen als bedeutsame Kategorie von Kommunikation

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von der kontextuellen und biografischen Situation, in die der Kommunikationsprozess eingebunden ist und die jeder einzelne Kommunikationspartner mitbringt. Siebert beschreibt die Konsequenzen biografischer Einflüsse so: »Wenn jede Kognition eine Verknüpfung von sensomotorischen Wahrnehmungen und Gedächtnisinhalten ist, dann ist es nahe liegend, dass jedes neuronale Netzwerk eine Geschichte hat. Solche Netze sind biografisch gewachsen, sind Erinnerungen.«497 – Eine Kommunikationssituation ist demzufolge einmalig und kann so nicht wiederholt werden. Ausgehend von Schmidt, Krippendorf und Piaget fasst Kraus Verstehen zusammen und betont dabei, dass kognitive Prozesse als individuelle Leistung nicht losgelöst von der Person und dem Kontext, in dem sie stattfinden, gesehen werden können: »Der Prozess des Verstehens gilt letztlich […] als in den gesamten Lebensprozess eingebettet. Dabei konstruiert Krippendorf Verstehen als einen kognitiven Prozess, der dann als Verstehen gilt, wenn sich das Gefühl einstellt, dass die eigene Realitätskonstruktion stimmig, vollständig und erfolgreich, also im Sinne von Glasersfeld viabel und Piaget begrifflich äquilibriert ist. Insofern ist Verstehen (im Sinne von Kommunikatbildung) also die subjektive Leistung eines Individuums.«498

Somit kann festgehalten werden, dass Verstehen in die komplexe Situation von Kommunikation eingebettet ist und sowohl eine individuelle als auch eine soziale Dimension aufweist. Schmidt bringt diese beiden Dimensionen in seinem Ansatz zusammen, indem er der Sprache eine Art Brückenfunktion zuschreibt. Die individuelle Ebene der Kognition und die soziale Ebene der Kommunikation499 werden durch die strukturelle Kopplung über das Medium Sprache miteinander verbunden. Unterschieden wird also zwischen »Kommunikatbildungsprozess« – als einem kognitiven Vorgang – und »Verstehen«, das durch die Interaktion geprägt ist.500 In seinem rekursiven Modell bilden »Rezipienten auf Grund der Wahrnehmung einer Kommunikatbasis in einem kognitiven Prozess Kommunikate […], welche sie dann als mentale Repräsentation dieser Kommunikatbasis erleben. Umgekehrt können dann Kommunikate die Grundlage für die Bildung von Kommunikatbasen sein, welche dann im Sinne eines kommunikativen Angebots fungieren.«501 497 Siebert 1999, 26. Für das Theologisieren kann daraus gefolgert werden: Je besser sich die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrperson kennen, desto besser können sie in der Kommunikation deuten. 498 Kraus 2002, 115. 499 Luhmann trennt ähnlich wie Schmidt zwischen individuellem Bereich der Kognition und gesellschaftlichem Bereich der Kommunikation. Rusch ist sich dieser beiden Bereiche zwar bewusst, legt den Fokus jedoch auf die gesellschaftliche Ebene der Kommunikation. Schmidt letztendlich versucht in seinem Ansatz diese Trennung durch die strukturelle Kopplung, die er hervorhebt, zu überwinden. (Vgl. Kraus 2002, 139). 500 Vgl. Kraus 2002, 117–122. 501 Kraus 2002, 113.

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Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

Als Kommunikatbasis fungieren Medienangebote, wie beispielsweise die Sprache; ein Gedanke oder Konstrukt wird als Kommunikat bezeichnet. Die Bildung von Kognitionen kann durch Sprache angeregt (perturbiert) werden und ist ein individueller Prozess.502 Verstehen hingegen ist in erster Linie ein interaktiver Prozess, der nur durch das »Zuspielen der Bälle«, also das Agieren und Interagieren der Gesprächspartner entstehen und sichtbar werden kann. Die dabei entstehenden Kognitionen sind zwar »das Produkt selbstreferentieller kognitiver Systeme«503 und werden durch die Medienangebote, wie die Sprache, angeregt, können aber nicht linear determiniert werden und sind somit nicht voraussehbar.504 Auf der individuellen, kognitiven Ebene ist Verstehen davon abhängig, ob es gelingt, ein »befriedigendes und sinnvolles Resultat zu erlangen«505, auf der sozialen Ebene hingegen erfordert Verstehen Anschlusshandlungen der Gesprächspartner. Im Religionsunterricht müssen zwei Ebenen des Verstehens voneinander unterschieden werden: das Verstehen biblischer Texte und die damit verbundene Hermeneutik sowie das gegenseitige Verstehen, wie es beispielsweise in Gesprächen allgemein zum Tragen kommt. In Theologischen Gesprächen werden diese Formen miteinander verknüpft, so dass sich unterschiedliche Ebenen überlagern. Wenn es um das Verstehen biblischer Texte geht, dann ist Verstehen dabei ein Prozess, der im Zusammenspiel zwischen Autor(en), Text und Rezipient auf der Grundlage der gesamten Wirkungsgeschichte entsteht. Diese verkürzte Darstellung soll in erster Linie die Komplexität, die sich daraus im Hinblick auf das Verstehen biblischer Texte ergibt, andeuten. Verstehen lässt sich somit nicht nur am Text und seiner gewachsenen Form festmachen, sondern hängt auch von der Person ab, die diesen verstehen möchte und sich auf das Fremde, das Andere einlässt. »Deshalb ist Verstehen immer ein sowohl reproduktives als auch ein produktives Geschehen«506, wobei das Ergebnis je nach Interpretationsschwerpunkt und Methode unterschiedlich aussieht. Eine »endgültige Interpretation« gibt es nicht, sie »ist immer auf dem Weg, sie ist unabschließbar und prinzipiell offen«507. Um die hermeneutische Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen zu fördern, empfiehlt Müller zwischen Sinn und Bedeutung zu unterscheiden. Der Sinn eines Textes kann mit Hilfe von Me502 Kraus folgert in seinen Überlegungen, dass »die subjektive Konstruktion von Informationen in Folge von Perturbationen durch die Systemumwelt nicht nur vorteilhaft, sondern sogar notwendig [ist], um mit begrenzten kognitiven Mitteln potentiell unendlich viele unterschiedliche Situationen erfolgreich zu bewältigen« (Kraus 2002, 130). 503 Kraus 2002, 113. 504 Vgl. Kraus 2002, 113. 505 Kraus 2002, 117. 506 Müller u. a. 2005, 38. 507 Müller u. a. 2005, 38.

Verstehen als bedeutsame Kategorie von Kommunikation

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thoden möglichst genau analysiert werden, ob der Text allerdings Bedeutung für die Schülerinnen und Schüler gewinnt und welche Bedeutung der/die Verstehende ihm zuschreibt, dies kann nur subjektiv bestimmt werden.508 Glaube und Verstehen sind dabei nicht als Widerspruch aufzufassen. »Vielmehr leitet der Glaube das Verstehen an […]. Umgekehrt kann auch der Glaube ohne Verstehen und Bildung nicht sein.«509 Beim Theologisieren greifen schließlich unterschiedliche Ebenen ineinander. Während hermeneutisches Verstehen in erster Linie auf einen Bibeltext ausgerichtet ist, ist gegenseitiges Verstehen insbesondere an den Prozess der Kommunikation gebunden. In der gemeinsamen Auseinandersetzung tauschen sich die Kinder bezüglich ihrer Erfahrungen und Wahrheiten aus, weisen diesen Sinn und Bedeutung zu und konstruieren von hier aus weiter. Dazu ziehen sie aber auch biblische Bezüge heran und kombinieren diese mit ihren Konstruktionen, wobei ihre Deutungen und subjektiven Glaubenswahrheiten einfließen. Da die Schülerinnen und Schüler nicht nur bei sich selbst bleiben, sondern in der sozialen Situation ein Austausch stattfindet, wird Verstehen hier nicht wirklich greifbar. Sowohl auf der intraindividuellen als auch der interindividuellen Ebene gibt es zahlreiche Stellen, an denen ein Verstehen verzerrt werden kann, z. B. weil Bedeutungszuweisungen stillschweigend vorgenommen, nicht aber transparent werden. Daneben muss zwischen »Verstehen sozialer Leistung und Verstehen als individueller kognitiver Leistung«510, welche sich gegenseitig beeinflussen, perturbieren bzw. orientieren können, unterschieden werden. Neben individuellen Einflussfaktoren für das Verstehen spielen situative und kontextuelle Aspekte eine bedeutende Rolle, so dass ein Gespräch und damit verbundenes Verstehen nicht reproduzierbar sind. Von diesen Formen des Verstehens hebt sich die Reflexion noch einmal ab. Hier begeben sich die Personen auf eine andere Ebene. Wird über das eigene Lernen nachgedacht, dann wird aus der Distanz bzw. aus der Vogelperspektive auf diese Formen des Verstehens und den Prozess der Auseinandersetzung geblickt und diese werden eingeordnet und bewertet. Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen zum Verstehen wird verständlich, wie komplex der Vorgang ist und wie viele Faktoren dabei eine Rolle spielen. Verstehen – so könnte man annehmen – ist doch eher ein glücklicher Zufall als wirklich planbar. Gerade für Theologische Gespräche ist dies insofern unproblematisch, als sie zum Ziel haben, gemeinsam nach Antworten zu suchen. Der Einzelne soll angeregt durch die gemeinsame Auseinandersetzung und die damit verbundenen Verstehensprozesse seine subjektive Antwort herausbilden und begründen können.

508 Vgl. Müller u. a. 2005, 221; Meyer-Blanck 2016. 509 Müller u. a. 2005, 144. 510 Rusch nach Kraus 2002, 134.

130

4.4

Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

Die Bedeutung der anderen und des sozialen Settings

Ausgehend von den oben angestellten Überlegungen soll im Folgenden das Augenmerk auf die Bedeutung der anderen im Sinne der Mitlernenden für die Kommunikation sowie das soziale Setting selbst, in die eine Kommunikation eingebunden ist, gelegt werden. Wie im letzten Abschnitt deutlich wurde, können individuelles Verstehen und sozialer Prozess durch die strukturelle Kopplung mittels Sprache miteinander verbunden werden. Da beim Theologisieren das gemeinsame Gespräch und somit die Interaktion in der Gruppe eine tragende Rolle spielt, soll dieser Bereich nun in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken. Dabei wird die Bedeutung von Beziehung betrachtet und der Frage nachgegangen, was bei der gemeinsamen Konstruktion geschieht und wie diese im Verhältnis zu den individuellen Konstruktionen steht. Es wurde bereits deutlich, dass Verstehen eine sowohl vom Einzelnen und gleichzeitig von der Interaktion der Gesprächsteilnehmenden abhängige Leistung ist. Eingebettet ist es in den jeweiligen Kontext sowie die individuellen biografischen, emotionalen, situativen und sozialen Bedingungen. Dadurch, dass die Gesprächspartner aufeinander reagieren, bekommt das Gesagte für sie eine Realität und sie können davon ausgehend miteinander arbeiten.511 Verstehen ergibt sich für den Einzelnen durch das subjektive Gefühl, verstanden zu haben.512 Im sozialen Prozess zeigt es sich an den Anschlusshandlungen des Gesprächspartners513 und auf der kognitiven Ebene in den entstandenen Konstruktionen, die vom Individuum als befriedigend, sinnvoll bzw. viabel bezeichnet werden.514 Dadurch, dass die Gesprächspartner die Orientierungserwartungen ihrer Kommunikationspartner möglichst gut zu antizipieren versuchen, um verstanden (und nicht missverstanden) zu werden, ist der individuelle Konstruktionsprozess als subjektive kognitive Leistung in besonderer Weise sozial abhängig. Sprache wird hierbei Teil intersubjektiven Wissens, das sich wiederum sprachlicher Zeichen bedient. Ein zirkulärer Konstruktions- und 511 Vgl. Gergen/Gergen 2009, 35. Gergen/Gergen folgern weiter, dass Menschen nur dialogisch leben können. Sinn ergibt sich für die Gesprächspartner »nur aufgrund dessen, was vorausgeht und was folgt« (ebd., 35f.). Aus sozial-konstruktionistischer Sicht ist der Einzelne nur ein relationales Selbst, weil er in allem von anderen abhängig ist und sich selbst nur aus dem Zusammenspiel konstruieren und begreifen kann (vgl. ebd., 37ff.). 512 Vgl. Kraus 2002, 115f. Luhmann leitet von der Annahme der Geschlossenheit autopoietischer Systeme ab, »dass als Verstehen alles in Betracht kommt, was das verstehende System für Verstehen hält« (Luhmann 1986, 85; vgl. auch Kraus 2002, 115). 513 Vgl. Kraus 2002, 116. Soziales Verstehen, das in den Reaktionen des Kommunikationspartners sichtbar wird, kann nur aus der Beobachterperspektive als solches bewertet werden (vgl. ebd.). Nach Schmidt »bezeichnet die Kategorie ›Verstehen‹ auf sozialer Ebene einen Prozess sozialer Bewertung und Kontrolle der Anschlussfähigkeit von Kommunikation« (Schmidt 1995, 243; vgl. auch Kraus 2002, 117). 514 Vgl. Kraus 2002, 115–117.

Die Bedeutung der anderen und des sozialen Settings

131

Verständigungsprozess ist dadurch in Gang. Durch die strukturelle Kopplung der kognitiven und der sozialen Ebene, die wechselseitig orientierend aufeinander einwirken, kann auch erklärt werden, warum »Menschen trotz ihrer informationell geschlossenen Kognition erfolgreich miteinander kommunizieren können«515. Dennoch zeigen Alltagserfahrungen in der Schule sowie auch Transkripte von Theologischen Gesprächen, dass manche Gesprächsverläufe eher den Anschein haben, die Beteiligten reden aneinander vorbei.516 Für die Entstehung von Konstruktionen, bei der sensomotorische Wahrnehmungen und Gedächtnisinhalte miteinander verknüpft werden, kann eine unterschiedliche Bedeutungszuschreibung verantwortlich sein. Entscheidend für Theologische Gespräche ist vielmehr, ob die im Gespräch ausgelösten Konstruktionen für die Antwortsuche weiterhelfen, sowohl auf der Ebene der Gruppe als auch für den Einzelnen. Da Kommunikation im sozialen Kontext mit Gesprächspartnern geschieht, soll nun dieses Beziehungsgefüge und die Bedeutung anderer ausgehend von Buber und L8vinas aus sozial-konstruktivistischer Perspektive betrachtet werden. Martin Buber geht davon aus, dass es kein »Ich« an sich gibt. Menschen erfahren sich selbst in Beziehung mit anderen und in Beziehung mit der Welt. In der Begegnung entsteht eine Beziehung. Deshalb kann er sagen, dass der Mensch in der Begegnung mit anderen, mit dem »Du« zum »Ich« wird. Voraussetzung für den Dialog ist für Buber das »Innewerden«, das Sich-Einlassen auf sich selbst. Nur wer sich selbst kennt und sich dem anderen öffnet, kann in einen Dialog treten. Er bietet sich so als Gesprächspartner an. Emmanuel L8vinas führt Bubers Gedanken weiter und fragt nach dem, was sich zwischen den Menschen abspielt. Deshalb kann er sagen: »Der Andere begegnet mir, er kommt auf mich zu, tritt bei mir ein«517 und bricht so die Ich-Bezogenheit auf. Ein gegenseitiges Sich-aufeinander-Einlassen ist eine notwendige Voraussetzung für das gemeinsame Gespräch518 und ermöglicht es, das autopoietische System aufzubrechen. Aus sozial-konstruktionistischer Perspektive wird gerade der Beziehung große Bedeutung beigemessen. Indem Menschen miteinander kommunizieren und sich dabei aufeinander einlassen, wird Beziehung sichtbar und gleichsam 515 Kraus 2002, 122. 516 Aus methodologischer Perspektive kann ergänzt werden: Wenn in Transkripten der Eindruck entsteht, dass die Gesprächspartner wirr aneinander vorbeireden, kann es dennoch sein, dass sich diese auf der dokumentarischen Ebene verstehen. Auf der Ebene der Interpretation scheint es jedoch noch nicht gelungen, die dokumentarische Ebene zu erschließen. 517 Müller u. a. 2005, 77. 518 Vgl. Müller u. a. 2005, 76–78.

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Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

gestaltet. »Alles, was wir als real, rational, wahr und wertvoll erachten, geht aus Beziehungen hervor.«519 Diese relationale Sichtweise bringt unser Denken und Handeln mit anderen in Verbindung. Alles, was Menschen sagen und tun, kann nicht losgelöst von den jeweiligen Beziehungen gesehen und verstanden werden. Damit steckt in Beziehungen nicht nur eine Art Abhängigkeit, sondern auch eine »fruchtbare Kraft«520, die genutzt werden kann.521 Wird einer relationalen Sichtweise auf Lernen Raum gegeben, dann erhalten kooperatives bzw. kollaboratives Lernen522 Bedeutung für den Unterricht. Wissen wird aus konstruktionistischer Sicht als »Produkt von Gemeinschaften, das durch einzelne Annahmen, Überzeugungen und Werte gesteuert wird«523, verstanden. Als Folge geht es »nicht mehr um eine ›Wahrheit für alle‹, sondern um eine ›Wahrheit innerhalb der Gemeinschaft‹«524. Die entstandene Wahrheit ist an die Gemeinschaft gebunden und würde mit anderen Kommunikationspartnern und in einem anderen Setting anders ausfallen. Sie ist damit nicht übergreifend, sondern begrenzt gültig.525 Die »fruchtbare Kraft« liegt beim gemeinschaftlichen Lernen bzw. Konstruieren darin, dass jede und jeder seine Gedanken, die auf individuellen Erfahrungen basieren, einbringen kann und sich damit am gemeinsamen Nach- und Weiterdenken beteiligt – auch an den dabei entstehenden Konstruktionen. Offen ist bisher noch das Verhältnis zwischen den Konstruktionen Einzelner und denen der Gruppe. Damit hängt auch die Frage zusammen, inwiefern das in der Gruppe Konstruierte in die Konstruktionen einzelner Gesprächsteilnehmer 519 Gergen/Gergen 2009, 48. 520 Gergen/Gergen 2009, 48. 521 Vgl. Gergen/Gergen 2009. »Aus konstruktionistischer Perspektive bilden Beziehungen und nicht Individuen die Basis der Gesellschaft.« (Gergen/Gergen 2009, 33). 522 Kooperatives Lernen ist in erster Linie konstruktivistisch geprägt, Wissen entsteht hier im Prozess und ist nicht vorrangiges Ziel. Beim kollaborativen Lernen hingegen, das dem Kognitivismus zugeordnet werden kann, steht die gemeinsame Konstruktion von Wissen im Mittelpunkt. (Vgl. Konrad 2014, 79–87). 523 Gergen/Gergen 2009, 73. 524 Gergen/Gergen 2009, 73. 525 Gergen und Gergen veranschaulichen dies mit der Diskussion des gleichen Themas in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen, die alle zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Dadurch wird für sie die Bezeichnung eines Menschen mit »ungebildet« hinfällig. Eine Person kann lediglich in Bezug auf ein Thema weniger Wissen haben, dadurch aber nicht als »ungebildet« abqualifiziert haben. Menschen haben unterschiedliches bzw. anderes Wissen. Eine Aussage ist somit nur im Zusammenhang mit einer Spezifizierung beispielsweise hinsichtlich eines Themas oder einer Disziplin möglich. (Vgl. Gergen/Gergen 2009, 73f.) »Der Konstruktionismus verlangt nicht, dass wir etwas aufgeben müssen, das Wahrheit genannt wird. Er lädt uns dazu ein, Wahrheitsbehauptungen und -ansprüche aller Art als etwas zu sehen, was in Beziehungen geboren wird, in speziellen kulturellen und historischen Kontexten. […] Innerhalb einer Tradition sind Annahmen über Wahrheit für erfolgreiches Funktionieren von zentraler Bedeutung.« (Gergen/Gergen 2009, 97).

Die Bedeutung der anderen und des sozialen Settings

133

einfließt und von diesen übernommen wird. Zu diesem Verhältnis ist jedoch in der Literatur wenig zu finden, da der Schwerpunkt in der Diskussion einmal auf der individual-konstruktivistischen Sicht und das andere Mal stärker auf der sozial-konstruktivistischen Sicht liegt. Mendl versucht diese beiden Perspektiven zusammenzubringen und spricht von vier Evidenzquellen gemeinsamer Konstruktion: die sinnliche Wahrnehmung (individuell oder kollektiv), deren soziale Bestätigung (oder Verleugnung), die »kognitive Konstruktion, die neue Impulse und bereits vorhandene Gedächtnisspuren und Konstrukte miteinander verbindet«, und schließlich das emotionale Erleben, das jede Situation überlagert.526 »Die Konstruktion sozialer Wirklichkeit, wie sie von Einzelnen durchgeführt, und die soziale Konstruktion von Wirklichkeit, wie sie in der Interaktion der einzelnen Gesellschaftsmitglieder entsteht, sind nicht voneinander zu trennen.«527 Deren wechselseitige Bezogenheit ist hilfreich, um die Geschlossenheit autopoietischer Systeme zu überwinden. Kommunikation und auch das Lernen voneinander wären ohne diese gar nicht erst möglich. Die Verbindung von individueller und sozialer Perspektive hebt auch Freudenberger-Lötz hervor, indem sie auf die unterschiedlichen Schwerpunkte konstruktivistischer Strömungen verweist: »Während der radikale Konstruktivismus die individuellen Konstruktionen in den Vordergrund stellt, erweitert der soziale Konstruktivismus [bzw. Konstruktionismus; Anm. der Autorin] den Blick durch die Betonung der kommunikativen Aspekte. Festgehalten wird, dass Menschen in einer Wirklichkeit aufwachsen, die andere Menschen gemeinsam vorstrukturiert haben. Wirklichkeit wird aus dieser Perspektive nicht nur als individuell konstruierte Wirklichkeit aufgefasst; vielmehr erleben mehrere Individuen Wirklichkeit als verbindlich und sinnhaft, wenn sie sie gemeinsam teilen können.«528

Hinzu kommt hier nun der Aspekt der Sinnhaftigkeit. Die gemeinsame Konstruktion hat somit nicht nur eine inhaltliche Ebene, sondern durch das Gespräch kann auch Sinn für Einzelne und eine Gruppe entstehen, was religionspädagogisch von Bedeutung ist. In Theologischen Gesprächen geht es neben der inhaltlichen Auseinandersetzung und dem Finden einer »Wahrheit für mich« um das, was den Einzelnen mit anderen Gruppenmitgliedern oder auch der Gruppe sowie einer Glaubensgewissheit verbindet.529 Sinn kann eine solche Kategorie sein. Er kann sowohl für den Einzelnen entstehen als auch für die Gruppenmitglieder untereinander. Sinn entsteht in Beziehung und wird hier 526 Mendl 2005a, 15f. 527 Lindemann 2006, 125. 528 Freudenberger-Lötz 2007, 56f. (in Anlehnung an Gerstenmaier/Mandl, Schmidt und Schreier, siehe Anmerkung 25). 529 Auch hier kann Differenz im Gespräch anregend wirken, Gemeinsames hingegen schafft Verbindung auf der individuellen und sozialen Ebene.

134

Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

sichtbar, gleichzeitig trägt er diese Gemeinschaft und auch die Einzelnen. Von daher könnte überlegt werden, ob Sinn nicht ähnlich wie die Sprache eine Art strukturelle Kopplung darstellt, die in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit Einzelne mit einer Gruppe bzw. Gemeinschaft verbindet. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zwischen einer gemeinsamen Konstruktion als dem Finden einer gemeinsamen Wahrheit, wie es beispielsweise im sozialen Konstruktionismus vorstellbar ist, und dem gemeinsamen Konstruieren, wobei hier die Gruppe die Konstruktionen der Einzelnen anregt, zu unterscheiden ist. Da die Interaktionspartner »wechselseitig aufeinander einwirken und sich dabei wechselseitig beobachten«530, kann davon ausgegangen werden, dass sich eine gewisse Verzahnung der Lernprozesse einstellt. Die entstehenden Konstruktionen der einzelnen Gesprächsteilnehmenden tragen zum je individuellen Lernprozess bei. Bevor inhaltlich weitergegangen wird, soll im Hinblick auf die Bedeutung anderer und das soziale Setting noch einmal ein Bezug zu den bisherigen Kapiteln hergestellt werden. Bereits in Kapitel 1 wurde gezeigt, dass Theologisieren mehr ist als das gemeinsame Gespräch. Je nach Lernsetting sind aktive, handelnde bzw. kreative Prozesse – alleine, mit einem Partner oder in einer Gruppe – Teil des Theologisierens. Auch Reich, Freudenberger-Lötz, Mendl u. a. sehen solche Phasen als grundlegend für konstruktive Prozesse.531 Trotzdem münden Eindruck und Ausdruck nach Mendl schließlich in einen Austausch.532 Er sieht dabei ähnlich wie Freudenberger-Lötz die individuelle Auseinandersetzung in einem sozialen Kontext, mit dem Ziel der eigenen Sinnfindung. Die soziale Dimension wird daher neben die subjektive Sichtweise gestellt und mit ihr verknüpft.533 Aus sozial-konstruktionistischer Perspektive sind individuelle Einstellungen und Konstruktionen das Produkt sozialer und kultureller Prozesse, die sich in sozialen Beziehungen entwickeln. Die Konstruktionen sind somit abhängig von den Beziehungen und den Handlungen, in denen sie entstehen. »Das geschaffene Wissen ist immer perspektivisch, partiell und von Interessen geprägt«.534 Die Sprache ist hierbei eine Form sozialen Handelns, wobei sie Wirklichkeit nicht abbildet, sondern hervorbringt.535 Die inhaltliche Auseinandersetzung in Theologischen Gesprächen geschieht in einer wechselseitigen Bezogenheit von Theologie, Glauben (Glaubenswissen einer Religionsgemeinschaft) und eigenen Erfahrungen, worin schließlich die eigene 530 531 532 533

Kraus 2002, 126. Vgl. Reich 2002b, 145. Vgl. Mendl 2016, 174; vgl. auch Mendl 2012, 112. Damit bewegt sich Mendl in seiner Argumentation nahe am sozialen Konstruktionismus bzw. sozialen Konstruktivismus. 534 Winter 2010, 124. 535 Vgl. Winter 2010, 124.

Die Verantwortung der Lehrperson aus kommunikativer Perspektive

135

Sichtweise gründet. Das lernende Subjekt wird dabei sowohl als »produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt«536 als auch »sozialer Akteur«537 betrachtet. Schon an dieser Verhältnisbestimmung wird deutlich, wie komplex Konstruktionsprozesse und somit auch die Aneignung von Wirklichkeit sind. Das Konstruieren ist zwar ein zutiefst subjektiver Prozess, welcher jedoch durch die Interaktionspartner und die Interaktion beeinflusst wird. Die Gruppe wird so zu einem Resonanzraum für das eigene Denken. Gleichzeitig kann das »gemeinsame Konstruieren« Sinn für Einzelne und auch die Gruppe ermöglichen.

4.5

Die Verantwortung der Lehrperson aus kommunikativer Perspektive

Ausgehend vom letzten Abschnitt wird an dieser Stelle noch einmal innegehalten und aus kommunikativer Perspektive die Bedeutung und die damit in Verbindung stehende Verantwortung der Lehrperson in den Blick genommen. Bedenkenswert für das Theologisieren, aber auch für reflexive Gespräche mit Schülerinnen und Schülern sind meines Erachtens der Aspekt der Beziehung und damit in Verbindung die Bedeutung der sozialen Gruppe. Daraus können sich Lernchancen eröffnen, aber ebenfalls solche genommen werden. Ausgehend von einer gelingenden und positiv erlebten Beziehung ist es nicht schwer, sich das Anregungspotenzial, das davon ausgehen kann, vorzustellen. Andersherum mag es jedoch ganz anders aussehen. So stellt sich die Frage, wie sich eine als wenig gelungene oder schwierige Beziehung – sei es unter Kindern oder auch zwischen Lehrperson und Kind – auf das Verstehen, die Konstruktionen sowie den Gesprächsverlauf auswirkt. Ein professioneller Umgang ist in solchen Situationen zwar wünschenswert, er kann jedoch nicht hergestellt werden. Vermutlich ist diese Dimension gerade in der asymmetrischen Beziehung zwischen Lehrperson und Kindern von besonderer Bedeutung, weil dem von Lehrenden Gesagten insbesondere bei jüngeren Kindern ein großes Gewicht zugeschrieben wird. Kinder untereinander können sich eher ausweichen und entscheiden, mit wem sie sich im Gespräch einlassen und welche Gedanken sie aufnehmen und weiterdenken. Diese Ambivalenz muss im Blick sein, wenn über die Bedeutung der Beziehung gesprochen wird. Durch ihre inhaltlichen oder moderierenden Impulse, aber auch durch die von ihr vorgenommenen Interpretationen auf der Grundlage ihrer Erfahrungen sowie der biografischen und kontextuellen Gegebenheiten schafft die Lehrperson Voraussetzungen für die Konstruktionen der Kinder. Kommen die Kinder 536 Hurrelmann/Bründel 2003, 12–19. 537 Vgl. Honig 1999.

136

Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

als Gesprächspartner hinzu, potenzieren sich die eben genannten Einflussfaktoren. Im positiven Fall gelingt es, die Konstruktionen der Kinder so anzuregen, dass sich weiterführende Erkenntnisse einstellen und sie in ihrem Lern- und Erkenntnisprozess vorankommen sowie ihren Lernprozess reflektieren. Möglich ist aber auch, dass die Lehrperson durch ihre Aktion oder Nicht-Aktion die Kinder in ihrem Denken lenkt, beeinflusst (z. B. im Sinne einer sozialen Erwünschtheit) oder sogar einschränkt. Dies ist nur eingeschränkt wünschenswert, teilweise ist es sogar hinderlich. Hinzu kommt, dass das, was für ein Kind weiterführend ist, für andere nicht ähnlich bedeutsam ist bzw. dies nicht zwangsläufig zu viablen Konstruktionen anregt. Diese kurzen Überlegungen zeigen, wie wichtig es ist, dass Lehrende selbst reflexiv538 arbeiten und sich auch in der konkreten Situation – so weit es möglich ist – ihrer Verantwortung und Rolle bewusst sind.539 Darüber hinaus ist das gemeinsame Gespräch stets daran gebunden, wie das von der Lehrperson Eingebrachte und in seinen kognitiven Strukturen Verankerte vom Kind verstanden und eingeordnet wird. Ebenso spielt der soziale Prozess der Interaktion eine Rolle, also wie es den Kommunikationspartnern gelingt, auf einer Ebene zu kommunizieren, die möglichst ähnliche individuelle Bedeutungszuweisungen aufweist und dadurch anschlussfähig wird. Von daher wäre es eine Fiktion, zu glauben, ein formulierter Gedanke würde linear beim Kind ankommen. Er kann nicht vermittelt oder übertragen werden, sondern ist eingebettet in den Verständigungsprozess. Lehrende und Lernende oder Lernende untereinander müssen ihre Sichtweisen darlegen und darüber ins Gespräch kommen. Doch auch damit ist noch nicht gesagt, dass sich ein Verstehen einstellt, da die individuellen Re-Präsentationen nicht zwingend ähnlich sind. Eine Unterscheidung zwischen »richtigem« und »falschem« Verstehen ist davon ausgehend nur auf der sozialen Ebene möglich.540 Bezogen auf Rückmeldungen, die im Unterricht gegeben werden, liegt der Schluss nahe, dass es im Unterricht 538 Die Bedeutung der Reflexionsfähigkeit der Lehrperson haben im Kontext konstruktivistischer Ansätze insbesondere Mendl (2012), Reis (2012) und Scheible (2015) herausgearbeitet. 539 Eine Grenze ist beispielsweise dadurch gegeben, dass ein Großteil im Unbewussten abläuft und somit einem bewussten Zugriff verschlossen bleibt (Eisberg-Modell). 540 Vgl. Kraus 2002, 117. Roth beschreibt das Nicht-Verstehen von zwei Personen anschaulich an einem Ehepaar, bei dem beide Partner Situationen ganz unterschiedlich bewerten. Diese Erfahrung ist nicht fremd und nicht neu. Die Erklärung liegt neurobiologisch darin, dass die Gehirnregionen, die unser Denken, Fühlen und schließlich Handeln in solchen Situationen bestimmen, außerhalb der assoziativen Großhirnrinde liegen, also außerhalb unseres bewussten Erlebens und deshalb nicht zugänglich sind. Unser Denken hat jedoch für Plausibilität zu sorgen und korrigiert nun Unstimmigkeiten zwischen den Bereichen, »indem Vorstellungen, Absichten und Wünsche so lange verändert und verbogen werden, bis sie ein rundes Bild ergeben – ein Bild, das uns ein subjektiv befriedigendes Handeln ermöglicht« (Roth 2003, 427).

Zusammenfassung

137

keine Rückmeldung geben sollte, die nicht in einen dialogischen Austausch eingebettet ist, in dem die jeweiligen Sichtweisen geklärt und ausgehandelt werden.541

4.6

Zusammenfassung

Folgende Aspekte der Kommunikation sind in Bezug auf die Fragestellung der Arbeit besonders hervorzuheben. Sprache und Kommunikation sind an Personen gebunden. Sprache kann nicht abbilden oder einen Sachverhalt unabhängig von der Person darstellen. Auch Kognitionen entstehen nicht nur über Sprache, sondern werden von »spezifischen biografischen, situativen, kontextuellen und sozialen Bedingungen«542 beeinflusst. Was eine Person mit einem Wort verbindet, also welche RePräsentationen dieses hat, kann deshalb nicht identisch mit denjenigen RePräsentationen der Gesprächspartner sein. Die Bedeutung, die einem Begriff oder Sachverhalt beigemessen wird, kann höchstens ähnlich sein. Wie viel Ähnlichkeit für ein Verstehen erforderlich ist, bleibt hier jedoch offen. Diese Überlegungen haben sowohl Auswirkungen auf Theologische Gespräche und Gespräche zur Lernreflexion als auch die im Rahmen der Forschung eingesetzten Einzelinterviews, Gruppengespräche und Gruppendiskussionen. Mögliche Verzerrungen, die sich dadurch ergeben können, sind im Blick zu behalten und zu reflektieren. Wie viel Ähnlichkeit bei Re-Präsentationen von Begriffen erforderlich ist und wie groß Differenzen sein müssen, damit sie die Gesprächspartner anregen, kann hier – wie auch im Kontext der Perturbation543 – nicht beantwortet werden. Bei der Kommunikation geht es ausgehend von Schmidt vielmehr darum, dass Kommunikation kognitive Veränderungen bei allen Beteiligten hervorruft.544 Autopoietische Systeme können somit aufgebrochen und individuelle Konstruktionen angestoßen werden. Des weiteren ist die Bedeutung von Medien sowohl für die Kommunikation in Theologischen Gesprächen als auch in den Gesprächen im Kontext der Forschung festzuhalten. Indem sie Gedanken »abbilden« und einen Einblick in die Re-Präsentationen bzw. die Wirklichkeit anderer geben, haben sie ein anregendes Potenzial für neue Konstruktionen. Gleichzeitig sind sie jedoch nicht selbstexplikativ, so dass sie immer wieder einer Erklärung bedürfen, um der Interpretation anderer nicht völlig ausgeliefert zu sein. Dies ist vor allem dann 541 542 543 544

Vgl. auch Hattie 2014. Kraus 2002, 114. Vgl. Kap. 3.4.1. Vgl. Kap. 4.1, vgl. ebenso Rosa 2016 und Rosa/Endres 2016.

138

Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung

von Bedeutung, wenn Medien im Kontext der Kommunikation und mit dem Ziel des Verstehens eingesetzt werden. Sie haben eine Brückenfunktion und einen Mehrwert bezogen auf die Sprache, doch sie sollten nicht freien Interpretationen ausgesetzt werden. Verstehen ist in einen sozialen Prozess eingebunden und wird von nonverbalen Reaktionen der Gesprächspartner begleitet. Es spielt sich somit nicht nur im Kopf ab, sondern erfasst den ganzen Menschen. Für die in der Studie relevanten Gespräche ist Verstehen auch mit einem Bemühen verbunden, »das ›Denken‹ des Gegenübers zu rekonstruieren«545. Gerade dann, wenn es um eine Interpretation von Konstruktionen geht, sind nonverbale Reaktionen sorgfältig zu beachten und reflektiert in mögliche Deutungen aufzunehmen. Dass ein Verstehen Grenzen hat, wird auch durch den von Siebert eingebrachten Aspekt der Geschichte neuronaler Netzwerke546 markiert. Kognitionen als »Verknüpfung von sensomotorischen Wahrnehmungen und Gedächtnisinhalten« sind somit biografisch gewachsen und mit stabilen Erinnerungen verbunden. Im Kontext von Unterricht ist es deshalb bedeutsam, die Kinder in ihrer Art zu denken und zu lernen, mit ihrem familiären Hintergrund, ihren Vorlieben, Stärken und Schwächen etc. gut zu kennen. Sowohl im Unterricht als auch im Bereich der Forschung ermöglicht konkretes Nachfragen einen differenzierteren Einblick in die Erinnerungen, Konstruktionen und Deutungen der Kinder. Dies bildet eine wichtige Grundlage für das Verstehen. Neben dieser subjektiven Dimension geht mit dem Verstehen auch eine soziale Dimension einher. Wissen wird auf der sozialen Ebene ausgehandelt und ist somit ein Produkt, das an die jeweilige Gemeinschaft gebunden ist. Inwieweit dieses mit dem Wissen und den Konstruktionen eines Einzelnen übereinstimmt, kann aufgrund der bisherigen Ausführungen nicht bestimmt werden. Gerade im Hinblick auf Gruppendiskussionen muss davon ausgehend die Unterscheidung zwischen Einzelmeinung und in der Gruppe diskutiertem Konsens im Blick bleiben. Rückschlüsse vom Konsens der Gruppe auf den Einzelnen sind unzulässig. Gleichzeitig ist der entstandene Konsens bzw. die gefundene Wahrheit an die Gruppe gebunden und würde in einem anderen Setting anders ausfallen. Dabei ist die Sprache eine Form sozialen Handelns und die Gruppe wird zu einem Resonanzraum für das eigene Denken. Zu bedenken ist auch die Asymmetrie in der Beziehung, die sich durch die Lehrperson im Unterricht bzw. die Gesprächsleitung im Forschungssetting ergibt. Sprache, Kommunikation und Verstehen sind in ein komplexes Zusammenspiel eingebunden ähnlich wie das Lernen, das im nächsten Kapitel im Zentrum der Betrachtung steht. 545 Kraus 2002, 135. 546 Vgl. Kap. 4.3; Siebert 1999, 26.

5

Perspektiven auf das Lernen von Kindern

Lernen ist ein komplexes Geschehen, das aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden kann. Einige dieser Perspektiven wurden bereits in den vorherigen Kapiteln in den Blick genommen. Im Folgenden werden theoretische Grundlagen aus pädagogischer und psychologischer Perspektive ergänzt. Lernen wird dabei zwischen individuellem Projekt und sozialer Determiniertheit verortetet und reflektiert, wobei ein Schwerpunkt in der Darstellung auf die soziale Dimension, die beim Theologisieren bedeutsam ist, gelegt wird. Um Verantwortung für das eigene Lernen übernehmen zu können, gehören dazu auch die Reflexion und Metakognition. Letztere wird zunächst in ihrer Bedeutung für das Lernen reflektiert, um davon ausgehend Schlüsse für das Theologisieren ziehen zu können.

5.1

Lernen als individuelles Projekt

Im Zuge einer zunehmenden gesellschaftlichen Individualisierung und Subjektorientierung als Kompensation von Pluralisierung oder Globalisierung scheint ein Blick auf das Individuum einerseits dringend erforderlich, andererseits jedoch auch gefährlich, um die Tendenz zur Vereinzelung nicht zusätzlich zu unterstützen. Da Lernen jedoch ein zutiefst individuelles Projekt ist, kann und soll an dieser Stelle mit der Perspektive auf das Individuum begonnen werden. Es geht hier nicht um eine umfassende Darstellung, sondern um eine Einordnung in unterschiedliche wissenschaftliche Diskurszusammenhänge. Schaut man darauf, wie Lernen erklärt wird, so trifft man je nach theoretischer Ausrichtung auf sehr unterschiedliche Erklärungsmodelle. In der Pädagogischen Psychologie werden folgende Grundrichtungen genannt: Lernen als Assoziationsbildung (Reiz-Reaktions-Lernen), Lernen als Verhaltensänderung,

140

Perspektiven auf das Lernen von Kindern

Lernen als Wissenserwerb oder schließlich als Konstruktion von Wissen.547 Letzteres spielt für die folgende Argumentation eine Rolle und soll deshalb näher beleuchtet werden. Neben diesen informationsverarbeitenden Theorien gibt es neurobiologische bzw. neuropsychologische Erklärungsmodelle aus der Hirnforschung, die jedoch erst an späterer Stelle hinzugezogen werden. Auch wenn zu allen Zeiten auf den »aktiven und vom lernenden Individuum selbst kontrollierten Charakter des Wissenserwerbs«548 verwiesen wurde, so spielt dies beim Lernen als Konstruktion von Wissen doch eine zentrale Rolle. Erste Ansätze eines konstruktivistischen Lernverständnisses sind bereits in der Gestaltpädagogik bei Wertheimer (1945) zu finden. In seinem Konzept misst er auch dem Lernen durch Einsicht oder durch produktives Denken Bedeutung bei. Einsicht und produktives Denken – so Wertheimer – ermöglichen schließlich das Entdecken neuer Beziehungen und Strukturen.549 Auch der Piagetschen Vorstellung eines aktiven, selbsttätig nach Erkenntnis strebenden Kindes550 wohnt ein konstruktivistisches Grundverständnis551 von Lernen inne. Piaget spricht sich davon ausgehend für eine Didaktik aus, die dem Kind entdeckendes und problemlösendes Lernen ermöglicht,552 so dass es durch eigene Erfahrungen und eine kognitive Auseinandersetzung über die Zeit hinweg von einer Entwicklungsstufe zur nächsthöheren gelangen kann mit dem Ziel, die letzte Stufe – die eines Erwachsenen – zu erreichen.553 Neue Informationen werden durch Assimilation in ein Schema integriert bzw. wenn die Diskrepanz zu groß ist, wird das Schema entsprechend verändert (Akkommodation). So wird durch die kognitive Aktivität des Kindes eine individuelle »kognitive Landkarte«554 entwickelt. Lernen wird hier als »selbsttätige Konstruktion eines eigenen Weltwissens«555 verstanden. Ausgehend von Piaget beschreibt Hans Aebli drei Mechanismen, die Verstehensprozessen zugrunde liegen: Verknüpfen und wieder Zerlegen, Verdichten (objektivieren) und wieder Ausein547 Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 62. Lernen als Konstruktion von Wissen wird hier als eine Variante (nicht Alternative) zum Lernen als Wissenserwerb verstanden. 548 Hasselhorn/Gold 2013, 62. 549 Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 63. 550 Vgl. auch Bucher 2008b, 15. 551 Konrad versteht Konstruktivismus wie folgt: »Individuen reagieren nicht auf die objektive Welt, sondern bilden eine subjektive Realität ab, die auf individuellen Konstruktionen und Interpretationen von der Welt basiert. Vertreter des Konstruktivismus heben hervor, dass Kognitionen all die internen Vorstellungen sind, die sich ein Individuum von der Welt (subjektive Realität) und sich selbst konstruieren kann.« (Konrad 2014, 16). 552 Vgl. Sodian 2008; Bucher 2008b, 15f. 553 In der Wissenschaft wird kontrovers diskutiert, ob Piaget mit seinem heute überholten Stufenmodell als genuin konstruktivistischer Denker bezeichnet werden kann oder nicht (vgl. Möller 1997, 253). 554 Hasselhorn/Gold 2013, 64. 555 Hasselhorn/Gold 2013, 64.

Lernen als Konstruktion – das Kind als Konstrukteur

141

anderfalten (dekomponieren) sowie Strukturieren und Restrukturieren.556 In seinem Ansatz wird deutlich, dass Wissen in Netzwerken aufgebaut wird und sich dabei Wissensstrukturen herausbilden. Sowohl der Aufbau als auch die Organisation bzw. die Verarbeitung von Wissenselementen können hiermit beschrieben werden. Lernen ist aus kognitionspsychologischer und erkenntnistheoretischer Perspektive zunächst einmal ein individuelles Geschehen, bei dem sich der Lernende Wissen individuell aneignet und aktiv aufbaut. Aus konstruktivistischer Perspektive kann ergänzt werden, dass es sich hierbei um eine subjektive »Interpretation und Bedeutungszuschreibung auf der Basis bereits bestehender Wissenselemente und Lernintentionen«557 handelt.

5.2

Lernen als Konstruktion – das Kind als Konstrukteur

Die in Kapitel 2 dargestellten Grundgedanken des Konstruktivismus werden hier noch einmal aus der Perspektive des Lernens aufgenommen und so in den Kontext aktueller Lernverständnisse gestellt. Mit ausgelöst durch die Kindheitsforschung, die sich in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der Erziehungswissenschaft, der Soziologie und der Entwicklungspsychologie entwickelt hat, werden Kinder heute als aktiv handelnde und (mit-)gestaltende Subjekte wahrgenommen.558 Entwicklung wird nunmehr als Aufgabe verstanden,559 als »Modus eines lebenslangen Konstruierens von Wirklichkeiten«560. Kinder werden als Subjekte und Akteure bezeichnet, »die ihre Lebensführung selbstständig disponieren, ihre sozialen Beziehungen als eigenständigen Lebenszusammenhang organisieren und aktiv an ihrer sozialen und persönlichen Entwicklung mitwirken«561. Dadurch ergeben sich neue Aufgaben und Ziele für die sozialen Welten und Handlungsfelder der Kinder, so dass wir Kinder »nicht mehr nur als Objekte oder Adressaten von Bildung betrachten können, sondern als Teilnehmer oder Partner in einem offeneren Bildungsprozess«562. Dies hat Auswirkungen auf die Entstehung bzw. Deutung von Wirklichkeit: »Die Wirklichkeit ist somit nicht mehr vermittel- und lernbar, Wissen und Wirklichkeit stimmen nicht mehr überein, denn Wirklichkeit wird jeweils (nur) vom Subjekt 556 557 558 559 560 561 562

Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 64f. Hasselhorn/Gold 2013, 66. Vgl. Hurrelmann/Bründel 2003; Honig 1999. Vgl. Kammeyer 2009, 68–72; Honig 1999. Kammeyer 2009, 71. Honig 1999, 157; vgl. auch Zimmermann 2010, 75. Zimmermann 2010, 75.

142

Perspektiven auf das Lernen von Kindern

selbst individuell wahrgenommen und damit jeweils erst neu gemacht. Die objektive Wirklichkeit wird in Frage gestellt […]«.563

Aus konstruktivistischer Perspektive nimmt das Kind die Umwelt mit seinen Sinnen auf und deutet sie auf der Grundlage seines Erfahrungswissens. Die dabei entstehenden Konstruktionen werden durch subjektive Wahrnehmungs- und Filterprozesse, Voreinstellungen, Emotionen etc. beeinflusst, so dass »die Ergebnisse der ständigen Auseinandersetzung mit der Umwelt […] deshalb für jeden Menschen verschieden [sind]: wir entwickeln und konstruieren unabhängig und auf der Basis unseres sich beständig ändernden Erfahrungswissens unsere eigene Theorie von der Umwelt, die selbst wieder kontinuierlich Veränderungen ausgesetzt ist.«564

Da Wirklichkeiten im Kopf von Individuen entstehen, »bewegt man sich immer im Feld der Wirklichkeit zweiter Ordnung«.565 Deshalb bedeutet Lernen nicht nur Reproduktion, sondern ist immer auch eine Art Rekonstruktion. Das lernende Subjekt passt neue Impulse in bereits vorhandenes Weltwissen ein bzw. verknüpft Neues mit bereits Vorhandenem und gibt ihm durch seine Sicht auf die Dinge und die Auseinandersetzung damit eine eigene Färbung.566 So werden kognitive Strukturen individuell aufgebaut. Dadurch, dass Verknüpfungen mit Vorwissen und eigenen Erfahrungen hergestellt werden, sind diese Strukturen zwischen unterschiedlichen Individuen nicht vergleichbar. Dies hat nicht nur zur Folge, dass Wissen nicht von einer Person zu einer anderen übertragen werden kann, sondern auch, dass die Lehrperson eine Vorstellung davon braucht, wie einzelne Kindern denken und lernen, um darauf förderlich einwirken zu können. Solche Modelle sind und bleiben jedoch hypothetisch.567 Für das Theologisieren ist von Bedeutung, dass all die angebotenen Lernimpulse und Konstruktionen anderer von den Lernenden selbst auf ihre je eigene Weise verstanden, verknüpft und in vorhandenes Wissen eingebaut werden. Auf dieser Grundlage kann dann das Kind auch eine Wahrheit für sich selbst finden und formulieren.568 563 564 565 566

Zimmermann 2010, 98. Wolff 1994, 408; vgl. auch Mendl 2005a, 15. Zimmermann 2010, 98. Rekonstruktionen sind in diesem Zusammenhang individuelle Konstruktionen, die es zwar schon gibt, doch durch das eigene Nachentdecken keine unreflektierte Übernahme Vorstellungen anderer darstellen (vgl. Reich 2002, S. 84). 567 Vgl. Glasersfeld 1996, 300f. 568 Von daher sind Lernziele im Detail nicht planbar, vielmehr sind es Zielareale, die in den Blick genommen werden können. Lerninhalte und Lernziele sollten von den Lernenden (mit-)entwickelt und festgelegt werden, da davon auszugehen ist, dass sie ihre Lernprozesse weitgehend autonom steuern. (Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 55; Schmidt 1987, 26ff.) Damit dies im Unterrichtsalltag gelingen kann, bedarf es von Seiten der Lehrpersonen kreative Lösungen und eine innere Freiheit, sich von bestehenden Konzepten zu lösen.

Lernen mit und von anderen – Lernen im sozialen Kontext

5.3

143

Lernen mit und von anderen – Lernen im sozialen Kontext

Lernen geschieht in einem konkreten Kontext. Hierzu gehören das Lernsetting, die Lehrperson und die Mitschüler etc. Aus sozial-konstruktivistischer Perspektive wird Lernen nicht nur als konstruktiver und selbstgesteuerter Prozess verstanden, sondern darüber hinaus als situatives und soziales Geschehen. Die Konstruktion und Aneignung von Wissen erfolgt in einem Kontext und vor dem Hintergrund soziokultureller Bedingungen sowie in einem sozialen Setting.569 Beim Theologisieren stellen sich die Kinder und Jugendlichen der gemeinsamen Suche nach Wahrheit bezüglich einer theologischen Fragestellung. Sie bringen ihre eigenen Erfahrungen und Fragen mit, knüpfen an ihr individuelles Vorwissen an und erhalten durch das gemeinsame Gespräch Impulse für die weitere Konstruktion. Hierbei können die Gedanken und Sichtweisen anderer bestätigend oder verunsichernd wirken. Die je eigenen Konstruktionen werden dadurch sozial geprägt und entziehen sich jeglicher Vorhersagbarkeit.570 Lernen erfolgt somit in einem sozialen Geschehen, in Partner- oder Gruppenarbeit sowie insbesondere in der Auseinandersetzung im gemeinsamen Gespräch. An dieser Stelle weist das Theologisieren eine große Nähe zum Kooperativen Lernen auf. Im Folgenden wird deshalb die gemeinsame Wissenskonstruktion571 beim Kooperativen Lernen anhand ausgewählter Perspektiven beleuchtet.572 Das so-

569 570 571

572

Gerade im System Schule und aufgrund der Erfahrungen von Lehrenden mit bekannten und verinnerlichten Lehr-Lern-Konzepten stößt man hierbei leicht an Grenzen. Dies wird im Rahmen der Diskussion um den Konstruktivismus immer wieder betont. (Vgl. z. B. Reich 2003, 73) Auch Hattie beschreibt die Schwierigkeit von Veränderungen im Hinblick auf eigene Konzepte des Lehrens und Lernens (vgl. Hattie 2014, 296–300). Vgl. Konrad 2014, 18f.; Mandl/Krause 2001, 5. Vgl. Zimmermann 2010, 98–100. Unter gemeinsamer Wissenskonstruktion wird verstanden, dass jedes Individuum über unterschiedliches Wissen verfügt, »das in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess während der Kooperation für die Bearbeitung von Aufgaben oder von Problemen eingebracht wird. Wissen, über das nur eine Person verfügt, wird als ungeteilt bezeichnet« (Kopp/Mandl 2006, 504). Da das Lernen von und mit anderen in der Pädagogischen Psychologie beispielsweise bei Hasselhorn und Gold (2013) oder Fischer (2001) im Kontext des Kooperativen Lernens verhandelt wird, wird an dieser Stelle darauf zurückgegriffen. Im Gegenzug bedeutet das jedoch nicht, dass das Theologisieren grundsätzlich dem Kooperativen Lernen zuzuordnen ist. Es besteht jedoch eine große Nähe in Bezug auf die positive Interdependenz, die individuelle Verantwortlichkeit, förderliche Interaktionen, kooperative Arbeitstechniken sowie die Einbeziehung reflexiver Prozesse (vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 310–312). Diese Nähe ermöglicht ein Zurückgreifen auf die Diskussion, die im Kontext des Kooperativen Lernens und der gemeinsamen Wissenskonstruktion geführt wird. Es werden bewusst einzelne Perspektiven, die für die Diskussion und Argumentation im Rahmen dieser Arbeit interessant sind, ausgewählt. Ein grundlegender Überblick hierzu kann beispielsweise bei Fischer (2001) nachgelesen werden.

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

ziale Lernen an sich, das in solch einem Setting ebenso bedeutsam ist, wird an dieser Stelle ausgeklammert, weil es für die Fragestellung nicht zielführend ist. Im Folgenden werden drei Perspektiven auf das Lernen mit anderen aufgegriffen, die auch für das Lernen beim Theologisieren mehr oder weniger von Bedeutung sind. In der sozio-genetischen, der sozio-kulturellen und situierten sowie der Perspektive der kollektiven Informationsverarbeitung spielen die anderen bei der Auseinandersetzung mit und der Aneignung von Wissen unterschiedliche Rollen.

5.3.1 Sozio-genetische Perspektive Aus sozio-genetischer Perspektive573 wird davon ausgegangen, dass Menschen lernfähig sind und aufgrund ihrer Erfahrungen ihre Wirklichkeit interpretieren – so wie es auch im Ansatz von Piaget deutlich wird. Dabei können kognitive Konstruktionsprozesse bis zu einem gewissen Grad durch soziale Interaktion gefördert werden.574 Piaget betrachtet Konstruktion aus zwei Richtungen: Zum einen verändert sich das kognitive System einer Person mit der Zeit unwillkürlich, weil sich auch die Erkenntnisgrundlagen der Person verändern. Zum anderen bezieht Piaget den Begriff der Konstruktion auf die Schemata, die aufgebaut und verändert werden und dem Individuum helfen, eine gegebene Situation zu interpretieren. Das Gespräch ist hierbei der Ort, an dem unterschiedliche Auffassungen aufeinandertreffen und Perturbationen durch die Gedanken anderer das Individuum anregen können. Um das individuelle kognitive Gleichgewicht wiederherstellen zu können, sieht Piaget neben der Assimilation und Akkommodation die Möglichkeit des Ignorierens von Informationen oder der Imitation575 der Gedanken anderer. Aus dieser Perspektive bedeutet gemeinsame Wissenskonstruktion in erster Linie, dass kognitive bzw. sozio-kognitive Konflikte sozial stimuliert werden.576 Dabei muss die soziale Stimulation nicht wechselseitig sein, »sie kann sich auch einseitig von einem Lernenden auf einen anderen auswirken und sie kann unter bestimmten Bedingungen zu Regressionen […] führen«577. Forschungen haben gezeigt, dass gegensätzliche Auffassungen im Gespräch einen kognitiven Konflikt evozieren und wie zu erwarten eher dazu führen, dass individuelle Wissensstrukturen 573 Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 312f.; Konrad 2014, 61f.; Fischer 2001, 5–7. 574 Vgl. Fischer 2001, 5 in Anlehnung an Nastasi & Clements. 575 Dies bedeutet, dass lediglich die Sicht des anderen übernommen und vertreten wird, ohne die eigene Sicht in Frage zu stellen und somit eigene kognitive Strukturen zu verändern (vgl. Fischer 2001, 6). 576 Vgl. auch Hasselhorn/Gold 2013, 312. 577 Fischer 2001, 6 unter Bezugnahme auf Tudge.

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verändert werden. Fischer verweist hier auf die Forschungen von Nastasi und Clements (1992), die gezeigt haben, »dass es nicht der sozio-kognitive Konflikt an sich ist, der positive Veränderungen auslöst, sondern dass es vor allem auf die Art der kooperativen Lösung des Konflikts ankommt«578. Dabei scheinen »kognitive Lösungsstrategien für kognitive Konflikte und soziale Lösungsstrategien für soziale Konflikte im Hinblick auf den Lernerfolg günstig zu sein«579. Diese Perspektive führt noch einmal im Rückgriff auf Piaget den Umgang mit Perturbationen vor Augen. Andere können beispielsweise durch gegensätzliche Positionen irritieren und das Nachdenken anregen. Beim Theologisieren können solche Positionen bewusst hervorgehoben und ggf. von der Lehrperson auch eingebracht werden.

5.3.2 Sozio-kulturelle und situierte Perspektiven580 Ausgangspunkt dieser Perspektive ist der sozio-kulturelle Ansatz von Lew Wygotski (1986), welcher vor allem »die Einflüsse der Kultur und des Dialogs zwischen den Lernenden untereinander als treibende Kraft des Wissensaufbaus«581 sieht, wobei auch der sozialen Interaktion mit anderen Bedeutsamkeit beigemessen wird. Individuelle Kognitionen und soziale Prozesse sind miteinander verknüpft. Im Gespräch werden Kognitionen auf der interindividuellen Ebene ausgetauscht, Wissen wird in der Gruppe sozusagen external konstruiert und erst dann in das Wissen des Einzelnen integriert.582 Wygotski geht davon aus, dass kompetentere Mitlernende einem Individuum helfen Dinge zu verstehen. Die Unterstützung durch andere ist dann besonders hilfreich, wenn sie in der Zone der nächsten Entwicklung stattfindet, die Anforderungen also über ihren aktuellen Lern- bzw. Entwicklungsstand hinausgehen.583 Lernende können nicht von sich aus den nächsten Entwicklungsschritt vollziehen, sondern brauchen dafür Vorbilder und kompetente Lernpartner.584 Förderlich in solchen 578 Fischer 2001, 6. Wie eine solche kooperative Lösung aus sozial-konstruktionistischer Sicht aussehen kann, das schlagen Gergen und Gergen (2009, 67–71) vor. Denn für sie ist das Argumentieren in erster Linie »Kriegsführung mit anderen Mitteln« (ebd., 69). 579 Fischer 2001, 6. 580 Hasselhorn und Gold fassen die sozio-genetische sowie die sozio-kulturelle und situierte Perspektive zur Entwicklungsperspektive zusammen (Hasselhorn/Gold 2013, 312f.). Vgl. zu diesem Abschnitt auch Konrad 2014 und Fischer 2001. 581 Hasselhorn/Gold 2013, 312; vgl. auch Wygotski 1986. 582 Vgl. Kopp/Mandl 2006, Hasselhorn/Gold 2013. So wird der Spagat, der im Konstruktivismus zwischen stärker individuell bzw. sozial ausgerichteten Ansätzen besteht, lernpsychologisch erklärt und überwunden. 583 Vgl. Wygotski 1986; Fischer 2001, 13; Hasselhorn/Gold 2013, 312. 584 Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 312.

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sozialen Situationen ist auch, wenn die Kommunikation ein geringeres Autoritäts- und Wissensgefälle mit sich bringt als in klassischen Lehrer-Schüler-Interaktionen. Offen bleibt mit dieser Theorie jedoch die Frage, wie besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler die erforderlichen Anregungen für ihre Weiterentwicklung erhalten.585 In unterschiedlichen Konzepten, wie beispielsweise dem Kooperativen Lernen oder dem jahrgangsübergreifenden Lernen, wird bewusst auf das Lernen mit und von anderen gesetzt. Das Peer-Tutoring, bei dem Lernende bewusst die Rolle des Lehrenden einnehmen, ist nach Hattie »eine exzellente Methode […], um Lernenden beizubringen, ihre eigene Lehrperson zu werden«586. Er bemängelt jedoch, dass diese Form des Lernens noch zu oft dazu verwendet wird, dass ältere Kinder jüngeren mit Lernschwierigkeiten helfen. Mit einer Effektstärke von d = 0,55587 steckt in dieser Form durchaus Potenzial, das im Schulalltag durchaus bewusster genutzt werden könnte, beispielsweise indem Kinder als Experten für einzelne Themen oder Inhalte agieren. Darüber hinaus zeigte sich die Überlegenheit von Lernenden unterschiedlichen Alters (d = 0,79) gegenüber Lernenden gleichen Alters (d = 0,52). Besonders effektiv war PeerTutoring, wenn die Lernenden am Setzen der Ziele und deren Kontrolle beteiligt waren, anstatt dass dies vorwiegend durch die Lehrperson erfolgt ist.588 Interessant sind auch die Ergebnisse in Bezug auf Kooperatives Lernen. Kooperation zeigte sich über alle Fächer hinweg und für alle Altersgruppen bezüglich der Leistung dem Wettbewerb überlegen. Das gilt insbesondere »für Aufgaben, die das Entwickeln von Konzepten, das verbale Problemlösen, das Kategorisieren, […] das Gedächtnis und das Erinnern, die motorische Leistung sowie das Erraten-Urteilen-Voraussagen betreffen.«589 Kooperatives Lernen im Vergleich mit individuellem Lernen weist eine Effektstärke von d = 0,59 auf und Kooperatives Lernen im Gegensatz zu kompetitivem Lernen eine Effektstärke von d = 0,54. Dadurch wird deutlich, dass im Hinblick auf Lernerfolg Kooperatives Lernen individuellem und auf Wettbewerb ausgerichtetem Lernen überlegen ist.590 Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass andere Formen des Lernens nicht ebenso an unterschiedlichen Stellen ihre Berechtigung haben. Doch es ist die Frage, welche Form mit welchem Ziel in Verbindung gebracht wird. Gerade für die unter585 Im Bereich des Theologisierens wäre zu prüfen, ob es hier wie oben dargestellt auch um ein Anregungspotenzial von Seiten der leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler geht oder ob hier möglicherweise Anregungen auch von leistungsschwächeren Kindern ausgehen können, weil es schließlich die Gedanken selbst sind, die Anregungspotenzial enthalten. 586 Hattie 2014, 221. 587 Vgl. Hattie 2014, 221. 588 Vgl. Hattie 2014, 221f. 589 Hattie 2014, 251. 590 Vgl. Hattie 2014, 250–254.

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suchten Bereiche ist deshalb das Kooperative Lernen, das Lernen von- und miteinander, von Bedeutung. Abschließend wird der Blick noch einmal auf den Ansatz von Wygotski gelenkt. Während für ihn Lernen überhaupt nur in sozialen Situationen stattfinden kann, ist für Piaget der Sozialpartner nur zweitrangig. Ihm geht es in erster Linie um individuelle Konstruktionsprozesse, die durch andere perturbiert werden können und so Lernen auslösen bzw. anregen. Zentraler Gedanke der soziokulturellen und situierten Perspektive ist, »dass durch Partizipation an Aktivitäten der kollektiven Konstruktion und Weiterentwicklung von externalen Wissensbeständen auch das individuell-kognitive Wissen erweitert wird«591. Dadurch wird das Potenzial Theologischer Gespräche deutlich. Im Gespräch bringen die Kinder ihre Perspektive nicht nur ein und setzen diese neben die anderer Kinder, sondern sie können die Gedanken anderer für weitere Konstruktionen nutzen. Das ist ein echter Mehrwert. Als besonders förderlich wird das Lernen voneinander auch aufgrund des geringeren Autoritäts- und Wissensgefälles gesehen. Im Hinblick auf die Rolle der Lehrperson bei Theologischen Gesprächen kann ausgehend hiervon die Rolle der Beobachterin und die der Moderatorin unterstrichen werden.

5.3.3 Perspektive der kollektiven Informationsverarbeitung Im Gegensatz zur individuellen Informationsverarbeitung bzw. der individuellen Konstruktion von Wissen geht es bei dieser Perspektive um eine kollektive Informationsverarbeitung, wobei die Gruppe als informationsverarbeitendes System betrachtet wird.592 Diese Vorstellung wurde bereits im letzten Abschnitt von der Sache her angesprochen und wird nun weiter differenziert. Aus dieser Perspektive stellen sich Fragen, wie zum Beispiel, was einzelne Kinder im Verhältnis zueinander in den Diskurs einbringen, wie sie sich dabei wechselseitig beeinflussen, ob und inwieweit Einzelne vom Gespräch profitieren und ob tatsächlich alle Schülerinnen und Schüler in ähnlicher Weise über »geteiltes Wissen« verfügen.593 Diese Fragen haben ihre Berechtigung nicht nur im Hinblick 591 Fischer 2001, 14. 592 Ähnlich ist es bei der sozial-kognitiven Perspektive (vgl. Konrad 2014, 59), bei der es darum geht, dass die Gruppe gemeinsam Kognitionen hervorbringt. Beim gemeinsamen Kommunizieren können eigene Wahrnehmungen reflektiert werden und es können geteilte Wahrnehmungen entstehen. Ebenso kann ein Verständnis für soziale Prozesse erwachsen. Ereignisse oder Erfahrungen werden vor allem dann geteilt, »wenn Individuen interagieren, wenn sie Wissen und Bedeutung innerhalb der unmittelbaren Arbeitsumgebung ›kokonstruieren‹ und ein wohlwollendes Klima vorherrscht« (Konrad 2014, 60). 593 Vgl. Fischer 2001, 20.

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

auf kooperative Lernprozesse, sondern insbesondere auch im Bereich des Theologisierens mit Kindern. Ausgewählte Forschungsergebnisse sollen die Problematik der Gruppenperspektive andeuten. Zunächst einmal ist es nicht selbstverständlich, dass die einzelnen Gesprächsteilnehmerinnen und Gesprächsteilnehmer die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen tatsächlich im Prozess geschickt kombinieren.594 Gruppen zeigen insgesamt homogenere kognitive Prozesse als ihre Mitglieder für sich genommen. Eine in der Gruppe verbreitete Meinung, Information oder Strategie wird sich deshalb wahrscheinlich auch auf Gruppenebene durchsetzen.595 Auf das Konvergieren von Gruppen gibt es in der Forschung zahlreiche Hinweise. Diese Tatsache ist dann hilfreich, wenn es darum geht, ein gemeinsames Ziel zu erreichen, es kommt aber an seine Grenzen, wenn durch einen hohen Grad an Einmütigkeit keine weiterführende Diskussion zustande kommt. Eine Heterogenität von Meinungen oder auch ein Dissens scheinen in solchen Gesprächen mehr Anregungspotenzial zu haben.596 Im Unterschied zu den ersten beiden Perspektiven wird hier davon ausgegangen, dass im Diskurs »aus individuellen Wissensressourcen geteiltes Wissen«597 entsteht.598 Zu Details dieser Gruppenprozesse liegen jedoch noch kaum Forschungsergebnisse vor. So bleiben zahlreiche Fragen offen, die für die Konzeption von Lernsettings und das Anregen von Lernprozessen von Bedeutung wären. Erste Impulse aus der Forschung sind jedoch zu verzeichnen: Verlaufen Gespräche zu einmütig, lohnt es sich, kognitive Konflikte zu evozieren, beispielsweise durch Nachfragen, durch Provokation oder Irritation zum Nachund Weiterdenken anzuregen, nach Begründungen zu fragen, Beispiele oder Gegenbeispiele zu suchen etc.599 Die Bedeutung bewusst hervorgerufener ko594 595 596 597 598

Stasser (1999) nach Fischer 2001, 21. Vgl. Fischer 2001, 21. Vgl. Fischer 2001, 21. Er bezieht sich hier auf eine Vielzahl von Forschungen. Fischer 2001, 21f. Im Radikalen Konstruktivismus wird dem Aspekt des Aushandelns ebenso Bedeutung beigemessen. Die Konstruktionen des Einzelnen bleiben aber subjektive Konstruktionen, egal wie ähnlich sie Konstruktionen anderer Gesprächspartner sind. »Alle die subjektiven Strukturen des Wissens sind also subjektive Konstruktionen, die als viable Modelle funktionieren, die durch die Anpassungen an die Widerstände ›der Welt‹ und durch Aushandeln in sozialen Interaktionen gebildet worden sind.« (Bauersfeld zitiert nach Glasersfeld 1996, 307) Aus radikal-konstruktivistischer Perspektive liegt der Schwerpunkt nicht auf dem Wissen, das geteilt wird, sondern darauf, wie sich der Einzelne durch die Konstruktionen anderer anregen lässt und Teile in seine Konstruktionen einbindet. Im sozialen Konstruktionismus wird hingegen davon ausgegangen, dass Sprache und soziale Interaktionen die Grundlage für geteiltes Wissen darstellen. Wie das aussehen kann, dazu gibt es noch kein Modell. (Vgl. Glasersfeld 1996, 306f.). 599 Hasselhorn und Gold beschreiben Ähnliches aus der Perspektive der kognitiven Elaboration. Sie sehen den sprachlichen Diskurs als besonders fruchtbar an, da in der sozialen

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gnitiver Konflikte als Grundlage für die Generierung bzw. Integration von Wissen betonen auch Brown und Palinscar, wenn sie sagen: »Lernumgebungen, die das Hinterfragen, Bewerten und Kritisieren befördern und die ganz allgemein zum Anzweifeln von Wissen ermutigen […] gelten als besonders fruchtbarer Nährboden für die notwendige Rekonstruierung, d. h. den Neuaufbau von Wissen […]. Zu Wissensveränderungen kommt es mit höherer Wahrscheinlichkeit, wenn man etwas erklären, elaborieren oder die eigene Position vor anderen oder vor sich selbst verteidigen muss; denn erst das Bemühen um eine Erklärung zwingt den Lernenden häufig dazu, sein Wissen zu integrieren und in neuer Weise zu elaborieren.«600

Neu hinzu kommt hier der Aspekt des eigenen Erklärens, wobei der Lernende sein Wissen aktiv anwenden muss. Betrachtet man die drei dargestellten Perspektiven hinsichtlich der Konstruktion von Wissen, so wird deutlich, dass sowohl kognitive Konflikte als auch Mitlernende für den Lernprozess von Bedeutung sind.601 Im Hinblick auf das Theologisieren bleibt schließlich zu fragen, inwieweit das hier in erster Linie für das kooperative Lernen Festgehaltene übertragen werden kann und darf. Dabei ist auch zu fragen, was sich ändert, wenn sich die Lehrperson in das Lernsetting aktiv einbringt. Ebenso, inwiefern das durch die Lehrperson entstehende hierarchische Gefälle das Lernen der Kinder und Jugendlichen »stört«. Mit der Rollenunterscheidung von Freudenberger-Lötz602 und der damit in Verbindung stehenden Reflexivität der Lehrperson kann vermutet werden, dass das asymmetrische Kommunikationsgefälle durch die Reflexion der Lehrperson so weit kompensiert werden kann, dass eine wertschätzende und förderliche Kommunikation möglich ist. Ebenso wird angenommen, dass die Lehrperson dem Gespräch eine neue Qualität gibt, weil sie die Zone der nächsten Entwicklung im Blick hat und bewusst agieren kann. Welchen Einfluss die Lehrperson auf den Verlauf sowie die inhaltliche Ebene der Kommunikation bei Theologischen Gesprächen hat, bleibt diesbezüglich offen.

5.4

Dimensionen selbstgesteuerten Lernens

Ausgehend von der Annahme, dass Kinder eigenständig lernende und handelnde Subjekte sind und Lernen ein je individueller Akt ist, der mitunter auch unter dem Einfluss anderer steht, rückt in diesem Abschnitt das selbstgesteuerte Situation Anregungspotenzial für die individuelle Informationsverarbeitung steckt. (Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 313). 600 Brown/Palinscar 1989, zitiert nach Hasselhorn/Gold 2013, 313. 601 Vgl. Kap. 2.4.1; 3.4; 4.3. 602 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007.

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

Lernen in den Fokus der Betrachtung. Auch wenn der Blick jetzt einseitig auf das selbstgesteuerte Lernen und die damit verbundenen internen Prozesse eines Lernenden gerichtet wird, geschieht dies in dem Bewusstsein, dass »Lernen immer sowohl fremd- als auch selbstgesteuert ist«.603 In Anlehnung an Zimmermann formulieren Konrad und Traub vier zentrale Merkmale selbstgesteuerten Lernens604 : – Die Lernenden beeinflussen ihren Lernprozess selbst aktiv (kognitiv/metakognitiv, motivational und in Bezug auf das Verhalten). – Feedbackschleifen, die auf das eigene Lernen bezogen sind, werden wirksam. – Die Lernenden motivieren sich selbst. – Die Lernenden steuern ihr Lernen volitional. Der Fokus bei Boekaerts liegt nicht auf dem Lernprozess als solchem wie bei Zimmermann, sondern er nimmt in seiner Theorie Selbstregulation auf drei verschiedenen Ebenen in den Blick: (1) Bei der Regulation des Selbst spielen die personbezogenen Ziele und Ressourcen eine Rolle, (2) bei der Regulation des Lernprozesses geht es um die Anwendung von metakognitivem Wissen und metakognitiven Fähigkeiten, um das eigene Lernen zu steuern. (3) Die Regulation der Verarbeitungsschritte ist verbunden mit der Wahl der kognitiven Strategien.605 Die mit diesen drei Regulationssystemen (Person, Lernprozess und Verarbeitungsschritte) verknüpften Fähigkeiten stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern stehen vielmehr zueinander in Beziehung.606 Schmitz sieht selbstreguliertes Lernen als Prozess bei dem er der Fähigkeit des (Self-)Monitorings eine bedeutende Rolle beimisst.607 Monitoring bezeichnet hierbei »die kontinuierliche Beobachtung und Interpretation des Lerngeschehens im Hinblick auf den Lernfortschritt«608. Auch das Modell von Zimmermann und Campillo (siehe Abb. 4) berücksichtigt den prozesshaften Charakter selbstregulierten Lernens. Es wird als zyklischer Prozess, bestehend aus Vorbereitungs-, Handlungs- und Selbstreflexionsphase, beschrieben, wobei sich die Phasen abwechseln und gleichzeitig ineinandergreifen.609 603 604 605 606 607 608 609

Konrad/Traub 1999, 12. Vgl. Konrad/Traub 1999, 13. Vgl. Boekaerts 1999, 449. Vgl. Ehmann 2008, 20. Vgl. Schmitz 2001. Ehmann 2008, 21. Vgl. Zimmermann 2000; 2002; vgl. auch Labuhn 2008. Auch wenn die Begriffe selbstgesteuert und selbstreguliert in der Literatur oft synonym verwendet werden, soll hier eine erste Unterscheidung erfolgen. Von selbstgesteuertem Lernen wird in erster Linie in der Pädagogik gesprochen, wobei es Voraussetzung, Methode und Ziel von Lernen gleichzeitig sein kann (vgl. Konrad/Traub 1999). Aus pädagogischer Perspektive werden das Wollen und Können der Lernenden (»will« und »skill«) in das selbstgesteuerte Lernen integriert (vgl.

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Dimensionen selbstgesteuerten Lernens

Handlungsphase Selbstkontrolle

Selbstinstruktion Aufmerksamkeitsfokus Bearbeitungsstrategien

Selbstbeobachtung Registrieren Experimentieren

Vorbereitungsphase Aufgabenanalyse

Zielsetzung Strategische Planung

Motivationale Überzeugungen

Ergebniserwartung Intrinsisches Interesse/ intrins. Wert Lernzielorientierung

Selbstreflexionsphase Selbstbeurteilung Selbstbewertung Kausalattribution

Reaktion

Selbstzufriedenheit / Affekt adaptiv / defensiv

Abb. 4: Phasenmodell selbstregulierten Lernens nach Zimmermann und Campillo610

Die Fähigkeit zur Selbstregulation wird sukzessive aufgebaut und gleichzeitig dabei erworben, wobei metakognitive Prozesse ebenso eine Rolle spielen wie affektive und verhaltensbezogene Komponenten. Da in der vorliegenden Studie die Reflexion im Sinne eines Nachdenkens über das (eigene) Lernen aus der Distanz über bereits gemachte Erfahrungen von Bedeutung ist, soll im Folgenden die Phase der Selbstreflexion näher betrachtet werden. Die Vorbereitungsund Handlungsphase werden lediglich umrissen. In der Phase der Vorbereitung geht es auf der einen Seite um die Analyse der Aufgabe(n) und auf der anderen Seite um die damit verbundenen motivationalen Überzeugungen, wie z. B. Selbstwirksamkeitserwartungen oder Interesse.611 Hauptkategorien der Handlungsphase sind Selbstkontrolle und Selbstbeobachtung während des konkreten Tuns. Selbstkontrolle wird beispielsweise bei der Selbstinstruktion, der Fokussierung der Aufmerksamkeit, der Anwendung volitionaler Kontrollstrategien oder der Verwendung adäquater Lern- und Beebd., 74; 42–44). In der Psychologie hingegen ist die Theorie selbstregulierten Lernens verankert, die auf unterschiedliche Formen der Regulation (Lernmodus, Lernprozess, Person) zurückgreift. 610 Die Abbildung ist Labuhn (2008, 23) entnommen. 611 »Die Selbstwirksamkeitserwartung, mit der eine Person an eine bestimmte Aufgabe herangeht, [hat] Konsequenzen für die persönliche Zielsetzung: Je fähiger sich Personen bezüglich der Bewältigung bestimmter Aufgaben einschätzen, desto höhere Ziele setzen sie sich und desto konsequenter verfolgen sie diese auch« (Labuhn 2008, 10; bezugnehmend auf Studien von Bandura und Locke & Latham).

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

arbeitungsstrategien sichtbar. Die Selbstbeobachtung bezieht sich auf die Arbeitsweise, die Arbeitsbedingungen sowie die erzielten Ergebnisse. Dabei wirkt sich Feedback auf die Qualität der Beobachtung, den Arbeitsprozess sowie die Leistung aus.612 Selbstbeurteilung und Selbsteinschätzung sind die beiden zentralen Kategorien in der Selbstreflexionsphase. Diese sind eng verbunden mit der Selbstbeobachtung, finden jedoch erst im Anschluss an die Phase des Lernens statt und unterscheiden sich dadurch von der Selbstbeobachtung. »Selbstbeurteilung beinhaltet die Bewertung der eigenen Leistung und die kausale Attribution der Ergebnisse auf zugrunde liegende Ursachen. Selbsteinschätzung bezieht sich auf einen Vergleich der beobachteten Ergebnisse mit einem Standard oder in der Vorbereitungsphase gesetzten Ziel. Die Genauigkeit der Selbsteinschätzung stellt einen sehr entscheidenden Faktor im Selbstregulationszyklus dar, da sie die Grundlage für Adaptionen der den Lern- und Arbeitsprozess beeinflussenden Komponenten bildet: Nur auf der Basis einer realistischen und genauen Einschätzung der eigenen Leistung können adäquate Modifikationen […] im Hinblick auf die Zielerreichung gemacht werden.«613

Schließlich gibt es eine enge Verbindung zwischen der Bewertung der eigenen Leistung und der kausalen Attribution der Ergebnisse. Nach Labuhn spielen die Attributionen eine Schlüsselrolle im Prozess der Selbstreflexion.614 Werden Fehler oder Misserfolg auf geringe Fähigkeiten, also ein stabiles, in der Person verankertes Merkmal zurückgeführt, wirkt sich dies negativ auf die Motivation sowie die weitere Auseinandersetzung aus. Hilfreicher für das weitere Lernen ist es, wenn Fehler und Misserfolg auf veränderbare Faktoren, wie beispielsweise inadäquate Lernstrategien oder mangelnde Anstrengung, zurückgeführt werden.615 Selbstbewertung und Selbsteinschätzung lösen schließlich »Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit und adaptive bzw. defensive Schlussfolgerungen«616 aus. »Das Empfinden von Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit der eigenen Leistung und deren Einschätzung hat Konsequenzen für Motivation und Selbstwirksamkeitserwartungen bezüglich künftiger Aufgaben.«617 Auch die Schlüsse, die Lernende in dieser Phase ziehen, haben Auswirkungen auf das weitere Lernen. Die Phase der Selbstreflexion hat schließlich entscheidenden Einfluss auf den Selbstregulationszyklus. 612 Vgl. Labuhn 2008, 10–12. 613 Labuhn 2008, 12. Ausgehend von der LOGIK-Studie ist jedoch zu fragen, wie lange die für Kinder als bedeutsam erachtete »maßvolle Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit« für die Entwicklung eines positiven Fähigkeitsselbstbildes und damit verbunden auch eines positiven Selbstkonzeptes des Kindes günstig ist (vgl. Weinert 1998, 132). 614 Vgl. Labuhn 2008, 12. 615 Vgl. Weiner 1979; 1985. 616 Labuhn 2008, 12. 617 Labuhn 2008, 12.

Dimensionen selbstgesteuerten Lernens

153

Selbsteinschätzung und Selbstbeurteilung hängen eng mit Feedback zusammen, sei es Feedback, das sich Lernende selbst geben, oder solches, das sie von außen, z. B. durch Mitlernende, Lehrende, Aufgaben oder Material, erhalten. Beide Formen wirken nachhaltig auf die aktuelle Selbstreflexion sowie künftige Lernprozesse.618 Welche Feedbackform besonders wirkt und was einen positiven Einfluss befördert, das muss hier offenbleiben. Dennoch kann mit Hattie festgehalten werden, dass Feedback mit d = 0,73 und Rang 10 in seiner großangelegten Metaanalyse für das Lernen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt. Feedback liefert nach Winne & Butler diejenigen Informationen, »mit der Lernende Informationen in ihrem Gedächtnis bestätigen, hinzufügen, überschreiben, anpassen oder restrukturieren können, gleichgültig ob es sich bei dieser Information um Fachwissen, meta-kognitives Wissen, Überzeugungen über sich selbst bzw. Aufgaben oder um kognitive Taktiken und Strategien handelt«619.

Wollenschläger formuliert es im Anschluss an Hattie und Sadler kurz so: »Feedback im Lehr-/Lernkontext (im Sinne von Leistungsrückmeldungen) ist als Information definiert, welche an der Lücke zwischen einem aktuellen und einem angestrebten Lernziel ansetzt und diese schließen soll.«620 Effektive Formen von Feedback geben den Lernenden Hinweise, bestärken sie oder beziehen sich auf Lernziele. Deshalb besteht die Hauptaufgabe von Feedback darin, »Diskrepanzen zwischen dem aktuellen Verständnis und der Leistung auf der einen Seite und einer Lernintention oder einem Ziel auf der anderen Seite zu verringern«621. Feedback kann davon ausgehend bezogen auf eine Aufgabe, den Lernprozess oder die Selbstregulation erfolgen.622 Leitend sind dabei folgende FeedbackFragen:623 – »Where am I going?« (Wo gehe ich hin? – Lernintention, Ziele, Erfolgskriterien) – »How am I going?« (Wie komme ich voran? – Selbstbewertung und Selbsteinschätzung) – »Where to next?« (Wohin geht es danach? – Fortschreiten, neue Ziele) Nach Hattie besteht die Kunst darin, Feedback so zu geben, dass es auf oder knapp über dem Niveau, auf dem das Kind aktuell lernt, angesiedelt ist.624 Bevor 618 619 620 621 622 623 624

Vgl. dazu auch Weinert/Helmke 1997, SCHOLASTIK-Studie. Winne/Butler (1994) nach Hattie 2014, 207. Wollenschläger 2011, 198. Hattie 2014, 208f. Vgl. Hattie 2014, 209f.; Hattie/Timperley 2007; Wollenschläger 2016, 2. Hattie 2014, 2010; vgl. auch Wollenschläger 2016, 2. Hier wird ein Bezug zur »Zone der nächsten Entwicklung« bei Wygotski deutlich. Feedback zielt nach Hattie auf die Bestätigung dessen, was das Kind aktuell kann, und öffnet die Perspektive für das, was als Nächstes kommt – auf dessen Weg es bereits ist.

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

Feedback von der Lehrperson gegeben wird, ist es jedoch wichtig, dass Lernende der Lehrperson Einblick in ihr Lernen, ihre Vorstellungen und Fehler, ihre Einschätzungen und subjektiven Erklärungen geben, d. h. dass sie ihr Lernen sichtbar machen. Denn besonders wirksam ist Feedback dann, wenn es der Lehrperson gelingt, ihr Feedback und die Beobachtungen und Bewertungen der Lernenden aufeinander zu beziehen.625 Selbstgesteuertes bzw. selbstreguliertes Lernen erfordern ein hohes Maß an Selbstreflexivität sowie metakognitive Fähigkeiten zur Unterstützung und Überwachung des eigenen Lernprozesses.

5.5

Die metakognitive Dimension des Lernens

Nachdem in Abschnitt 5.4 deutlich wurde, dass die Regulation des eigenen Lernens (selbst-)reflexive Prozesse sowie metakognitive Kompetenzen erfordert, wird in den folgenden Abschnitten die metakognitive Dimension des Lernens in den Mittelpunkt gestellt. Sich vom eigenen Lernen distanzieren zu können ist für Kinder eine große Herausforderung und wird von manchen Lehrerinnen und Lehrern als zu schwierig für Kinder eingeschätzt. Dass das Einnehmen einer Beobachterrolle für das Lernen aus konstruktivistischer Sicht jedoch bedeutsam ist, konnte bereits gezeigt werden.626 Nun soll die Bedeutung von Metakognition aus pädagogisch-psychologischer Perspektive in den Blick genommen und dann auf das Theologisieren bezogen werden.

5.5.1 Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen »Unter Metakognition (Kognition über Kognition) versteht man das Wissen über kognitive Zustände und Prozesse sowie die Fähigkeit, die eigenen Kognitionen überwachen und regulieren zu können.«627 Bei Metakognition handelt es 625 Vgl. Hattie 2014, 206f. 626 Vgl. Kap. 3.4.3. 627 Lockl/Schneider 2007, 255. In der Metakognitionsforschung findet sich keine einheitliche Definition für das Konstrukt der Metakognition, ihre Komponenten, Prozesse und Mechanismen (vgl. Ehmann 2008, 30). Voraussetzung für Metakognition ist die Fähigkeit zur Reflexion. Für Humboldt ist Reflexion das »Unterscheiden des Denkenden von dem Gedachten« (Humboldt zitiert nach Glasersfeld 1996, 153). Voraussetzung für die Reflexion ist für ihn das Innehalten, um von hier aus auf das eigene Denken zu schauen. Dabei werden »im Geist« Einheiten gebildet, miteinander verglichen, getrennt und neu zusammengesetzt. (Vgl. Glasersfeld 1996, 153) Piaget unterscheidet Abstraktion von Reflexion. Während es bei der Abstraktion um das Heben einer Sache von einer Ebene auf eine höhere Ebene geht

Die metakognitive Dimension des Lernens

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sich somit um ein komplexes Konstrukt, das nach Flavell628 in metakognitives Wissen (Wissen über das eigene Wissen), metakognitive Überwachung und Selbstregulation unterschieden werden kann.629 Metakognition als Kognitionen zweiter Ordnung setzen Kognitionen erster Ordnung voraus und beziehen sich auf diese.630 Davon ausgehend wird Metakognition als das Verstehen der eigenen Kognitionen häufig mit der formalen Operation von Piaget in Verbindung gebracht, wohingegen das Konzept der »Theory of Mind« eher jüngeren Kindern zugeschrieben wird.631 Aus psychologischer Perspektive wird insbesondere seit den 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts davon ausgegangen, dass es zu erfolgreichem Lernen gehört, die eigenen kognitiven Prozesse zu kennen und zu verstehen (deklaratives Wissen) sowie diese überwachen und kontrollieren zu können (prozedurales Wissen).632 Dabei wird prozedurales Wissen als relativ unabhängig von deklarativem Wissen betrachtet. Selbst ein Lerner, der über Strategiewissen und Kontrollmechanismen verfügt, ist nicht zwangsläufig ein erfolgreicher Lerner.633 Gerade die Komplexität von Metakognition impliziert eine große Nähe zu Motivation, Selbstkonzept634 und Attributionsstil635. Diese

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(»Projektion«), bedeutet »refl8xion« eine mehr oder weniger bewusste kognitive Rekonstruktion oder Reorganisation des Übertragenen (Piaget nach Glasersfeld 1996, 175). John Flavell prägte den etwas engeren Begriff Metagedächtnis, das bis heute in deklaratives Wissen (»Wissen dass«) und prozedurales Wissen (»Wissen wie«) differenziert wird (vgl. Lockl/Schneider 2007, vgl. auch Flavell 1984, 23–31; Ehmann 2008, 30–35). Vgl. Rapp 2004, 597. Vgl. Ehmann 2008, 31. »Theory of mind« ist ein Konzept intuitiver Alltagspsychologie, das das naive »kindliche Verstehen des Zusammenhangs zwischen der eigenen Kognition und der Kognition einer anderen Person von Interesse« (Rapp 2004, 598) im Blick hat (vgl. auch Sodian 2008, 471– 476). Cavanaugh unterscheidet hierbei noch zwischen systemischem und epistemischem Wissen (vgl. Hasselhorn/Schneider 2007, 42). Flavell und Wellmann differenzieren das »Wissen über Kognitionen« in drei Kategorien, die wechselseitig aufeinander bezogen sind: Wissen um Personmerkmale (»Kenntnis und angemessene Einschätzung der eigenen Lern- und Erinnerungsmöglichkeiten«), Aufgabenwissen (»Kenntnis von Faktoren, die eine Lernanforderung erleichtern oder erschweren«) und Strategiewissen (»Wissen über allgemeine und spezielle Lern- und Behaltensstrategien«) (Hasselhorn/Schneider 2007, 37; vgl. auch Konrad/Traub 199, 36–39; Konrad 2014, 116). Es bedarf nach Flavell und Wellmann auch der Sensitivität, einem »Gespür dafür, dass eine spezifische Lernsituation strategische Aktivitäten erfordert« (Hasselhorn/Schneider 2007, 37). Vgl. Lockl/Schneider 2007, 256; Hasselhorn 2007. In der LOGIK-Studie (Weinert/Helmke 1997) und der SCHOLASTIK-Studie (Weinert 1998) konnte gezeigt werden, dass sich Kinder im Laufe der Grundschulzeit vom »Optimisten zum Realisten«, also von einer überaus positiven zu einer zunehmend realistischeren Selbsteinschätzung entwickeln. Es ist günstig – im Sinne einer psychosozialen Gesundheit – »wenn sich Kinder mäßig überschätzen, sich also mehr […] zutrauen als es den momentanen Verhältnissen entspricht. […] Je günstiger das Fähigkeitsselbstkonzept ist, (a) desto schneller werden schwierige Aufgaben in Angriff genommen, (b) desto eher überwindet man störende Selbstzweifel in Leistungssituationen, und (c) desto weniger lässt man sich

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

werden in der Forschung zwar deutlich voneinander unterschieden, wirken im Alltag jedoch oft zusammen.636 Die bis heute weit verbreitete Zwei-Komponenten-Sichtweise der Metakognition, die zwischen metakognitivem Wissen und metakognitiver Kontrolle unterscheidet637, wird von Hasselhorn weiter differenziert. Er gliedert in seinem Konzept Metakognition in fünf Subkategorien und unterscheidet systemisches (grundlegendes Wissen über Gesetzmäßigkeiten) und epistemisches Wissen (Wissen über das eigene Wissen) von der Kontrolle (Planung und Überwachung des Lernprozesses) sowie einer Sensitivität für kognitive Aktivitäten und den eigenen metakognitiven Erfahrungen.638 Interessant, doch in der Forschung schwer zu greifen sind die Bereiche Sensitivität und metakognitive Erfahrung. »Unter Sensitivität versteht man das Gespür für die derzeit verfügbaren Möglichkeiten eigener kognitiver Aktivitäten. […] Während diese Sensitivität keineswegs bewusst sein muss, versteht man unter den kognitiven Erfahrungen bewusste kognitive Empfindungen […] oder affektive Zustände bezüglich der eigenen kognitiven Aktivität […].«639

Neben den bewussten Strategien bzw. dem Strategiewissen scheinen Erfahrungswissen und Intuition beim Nachdenken über das eigene Lernen eine Rolle zu spielen. Während Anfang der 1980er Jahre noch skeptisch auf den Zusammenhang zwischen Metakognition und Lern- bzw. Behaltensleistung geblickt wurde, ist dieser heute in der Forschung längst anerkannt.640 Aus dem aktuellen Diskurs um das Lernen und auch denjenigen von Lehr-Lern-Modellen ist Metakognition nicht mehr wegzudenken, sie wird als bedeutende Einflussgröße konstatiert. Modelle wie selbstgesteuertes Lernen oder die Feedbackkultur greifen selbstverständlich auf das Konzept der Metakognition zurück. Auch John Hattie zeigt eindrücklich deren Bedeutsamkeit für das Lernen. Metakognitiven Strategien kommt in seiner Metaanalyse mit einer Effektstärke von d = 0,69 eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Das Bewusstmachen von Inkonsistenzen sowie das laute Denken (d = 0,64) zählen zu den effektivsten Strategien. Weitere

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durch auftretende Probleme bei der Aufgabenbearbeitung entmutigen.« (Helmke 1998, 130f.) (Vgl. auch Hasselhorn/Gold 2013, 104–119). Bezüglich der Ursachenzuschreibung für Erfolg bzw. Misserfolg kann zwischen zeitlich stabilen (Fähigkeit und Begabung, Aufgabenschwierigkeit) und zeitlich variablen Einflussfaktoren (Anstrengung) unterschieden werden. Hinzu kommt eine weitere Ebene der Ursachenzuschreibung, die sich auf internale bzw. externale Faktoren bezieht. (Vgl. Weiner 1985; Titze 2000, Hasselhorn/Gold 2013, 109–119). Vgl. Hasselhorn 1992, 39–50. Vgl. Konrad 2014, 114. Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 96–99. Hasselhorn/Gold 2013, 98. Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 98.

Die metakognitive Dimension des Lernens

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Strategien werden in Anlehnung an Lavery genannt: Organisation und Transformation (d = 0,85), Selbstunterricht (d = 0,62), Selbstbewertung (d = 0,62), Hilfe suchen (d = 0,60), Notizen machen (d = 0,59), Memorieren/Wiederholen (d = 0,57), Zielsetzung/Planung (0,49), Materialien durchgehen (d = 0,49), bildliche Vorstellung (d = 0,44) etc. Diese Auswahl, die auch hinsichtlich des Theologisierens interessant ist, verweist auf die Vielfalt kognitiver Strategien und deren Bedeutung für das Lernen.641 Weinert konnte zeigen, dass bei einem guten Repertoire an kognitiven Strategien und günstigen motivationalen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen Metakognitionen die Lernleistung bei subjektiv mittelschweren Aufgaben verbessern. Somit ist die Lernleistung auch abhängig von der individuellen Aufgabenschwierigkeit.642 Weiter zeigte er, dass neben metakognitiven Fähigkeiten die Aufgabenschwierigkeit bezogen auf den einzelnen Lerner sowie sein domänenspezifisches Vorwissen bedeutsam für Lernerfolg ist.643 Hasselhorn und Körkel644 konnten in ihrer Studie zeigen, dass prozedurales Wissen für das Verstehen und Behalten relativ unabhängig vom Vorwissen war. Deklaratives Wissen wirkte sich hingegen dann besonders positiv aus, wenn nur auf wenige Vorkenntnisse zurückgegriffen werden konnte. »Mangelndes Bereichswissen scheint […] zu einem gewissen Grad durch systemisches und epistemisches Wissen auf Seiten der Metakognition kompensierbar zu sein.«645 Nachdem die Bedeutung der Metakognition herausgearbeitet wurde, bleibt zu fragen, wie metakognitive Strategien aufgebaut, gefördert bzw. geübt werden können.646 In der einschlägigen und auf das Lernfeld Schule bezogenen Literatur 641 Vgl. Hattie 2014, 224–229. 642 Vgl. Weinert 1984; Hasselhorn/Schneider 2007, 47. 643 Ausgehend vom »Good Strategy User«-Modell und zahlreichen Forschungen lassen sich folgende charakteristische Merkmale guter Strategieanwender bzw. erfolgreicher Lerner beschreiben. Dabei wird deutlich, wie Lernen und Metakognition zusammenhängen: »Erfolgreiche Lerner verfügen über zahlreiche spezifische und generelle Lernstrategien und setzen diese auch flexibel und reflexiv ein (Metakognitionen). Zusätzlich zum strategischen Wissen besitzen sie auch ein breites ›Weltwissen‹ (Wissensbasis), so dass sie bei vielen Lernanforderungen auf reichhaltige inhaltsspezifische Vorkenntnisse zurückgreifen können. Im aktuellen Lernprozess wirken strategische, metakognitive und Vorwissenskomponenten eng zusammen. […] Schließlich sieht der gute Lerner einen ursächlichen Zusammenhang zwischen persönlicher Anstrengung bei der Ausführung und Steuerung von Strategien und dem Lernerfolg (›Anstrengungsattribution‹) und schirmt sein Lernverhalten erfolgreich gegen konkurrierende Verhaltensweisen oder ungünstige Emotionen ab.« (Weinert nach Hasselhorn/Schneider 2007, 48). 644 Auch wenn sich diese Studie auf den Bereich von Textverstehen und -behalten in Abhängigkeit von Vorwissen bezieht, sind die Ergebnisse interessant für das Theologisieren mit Kindern. 645 Hasselhorn/Schneider 2007, 49. 646 Denn die Erfahrungen im Schulalltag zeigen, was auch Glasersfeld formuliert, dass den sichtbaren Veränderungen und Fortschritten der Kinder viele kleine, wenig sichtbare

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

wird beispielsweise im Bereich des metakognitiven Wissens vorgeschlagen, metakognitive Instrumente (z. B. Lerntandems, Lerntagebuch, Portfolio, Reflexionsgespräch) in den Unterricht einzubinden, selbstreflexive Techniken z. B. im Coaching zu aktivieren, Lernende über metakognitive Aktivitäten zu informieren und das Training zeitlich immer mehr auszudehnen.647 Zur metakognitiven Kontrolle hingegen gehören das bewusste Planen von Lernsequenzen, das Generieren von Fragen, das bewusste Treffen von Entscheidungen sowie das Erkennen von Schwierigkeiten und Überwachen des Lernprozesses. Dies kann im Unterricht durch bewusste metakognitive Impulse (Fragen zur Reflexion), Lautes Denken648 und Peer-Tutoring im Sinne eines Experten-Novizen-Lernens angeregt und gefördert werden.649 Im Gegensatz zu Hasselhorn und Körkel, die ein stärker vermittlungsorientiertes Programm für Lernstrategien entwickelten, setzen Beck, Guldimann und Zutavern auf eine Intervention, in der metakognitive Verfahren im Unterrichtsalltag zum Einsatz kamen. Lautes Denken650, die Dokumentation von Arbeits- und Lernerfahrungen, die Lern- bzw. Arbeitsrückschau (schriftliche Reflexion), Lernpartnerschaften und der Austausch in der Lerngruppe gehörten zur alltagsnahen Intervention im Unterricht.651 Dadurch wurden interaktive Lernsituationen geschaffen, die (Selbst-)Beobachtung, Selbststeuerung, Selbstreflexion, Selbstevaluation und Vernetzung von Wissen forderten und unterstützten.652 Mit ihrem dialogischen Lehr-Lern-Modell konnte die Forschergruppe um Beck unter anderem zeigen, dass vor allem Kinder der Primarstufe653

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Veränderungen in der internen Organisation vorausgehen, die dem Beobachter jedoch verborgen bleiben. Erst die Summe vieler kleiner Teilschritte bewirkt eine wahrnehmbare Veränderung beim Lernen und auch der Lernleistung. (Vgl. auch Glasersfeld 1996, 305f.). Vgl. Konrad 2014, 118. Konrad weist im Rückgriff auf Toit & Kotze darauf hin, dass Kinder, wenn sie im Unterricht sprechen, nicht nur mit anderen kommunizieren, sondern »ihr Handeln durch Aktivitäten der (sprachlichen) Steuerung, Planung und Überwachung zu regulieren« (vgl. Konrad 2014, 122). Vgl. Konrad 2014, 120–123. Es wird auch als Ausführungsmodell (modeling) bezeichnet. Dahinter steht die Idee Banduras vom Lernen am Modell. Beck, Guldimann und Zutavern geht es jedoch nicht um Zeigen und Nachahmen, also »nicht ums Imitieren einer möglichst idealen Vorgehensweise, sondern um selektive Erweiterung oder Differenzierung des eigenen Strategierepertoires« (Beck u. a. 1995, 28). »Der Schlüssel zum ›Lernen des Lernens‹ (Deutscher Bildungsrat 1969) wird nicht etwa im Vermitteln von Strategien des Lernens gesehen, sondern im Bewusstmachen des eigenen Könnens und Scheiterns, also in der Reflexion der eigenen Arbeits- und Lernerfahrungen und der darauf aufbauenden individuellen Generierung von Arbeits- und Lernstrategien.« (Beck u. a. 1995, 20). Vgl. Beck u. a. 1995, 28ff. Die Primarstufe in der Schweiz umfasst sechs bzw. teilweise fünf Schuljahre. Das entspricht dem Umfang, auf den sich auch diese Studie bezieht.

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anhaltend davon profitieren. Als zentrale Ergebnisse654 dieser Forschung können im Hinblick auf die hier vorgelegte Studie folgende festgehalten werden:655 – Die Eigenverantwortung für das Lernen wurde verstärkt und führte zu einer größeren Zufriedenheit. – Die Kinder hatten gelernt, sich nicht nur auf ein Thema oder Produkt zu konzentrieren, sondern auch auf den Prozess ihres Lernens und somit auf das Wie und Warum des Vorgehens. – Kinder der Primarstufe und Schülerinnen und Schüler mit mittleren Leistungen aller Stufen zeigen die deutlichste Zunahme an metakognitiver Bewusstheit.656 – Das Lernen in Lernpartnerschaften fordert und fördert das Verstehen eigener und fremder Erfahrungen und die Verständigung über daraus gezogene Schlüsse. Insgesamt lässt sich daraus folgern, dass durch häufiges Reflektieren kognitiver Aktivitäten metakognitive Kompetenzen gefördert werden und Lernende dadurch besser dazu in der Lage sind, kognitive und metakognitive Strategien auszubilden und anzuwenden. Kurz gesagt: Reflexion lernt man durch Reflexion. Die oben dargestellten Ergebnisse legitimieren auch das Forschungssetting und Forschungsdesign dieser Studie. In einem unterrichtsnahen Setting denken die Kinder in der vorliegenden Studie in Gruppengesprächen und Gruppendiskussionen über ihr Lernen nach. Sie konzentrieren sich dabei rückblickend auf Lerninhalte und Lernprozesse, welche von ihnen auch bewertet und eingeordnet werden. In diesen Gesprächen spielt der Austausch mit symmetrischen Partnern, vergleichbar den genannten Lernpartnern, eine bedeutende Rolle.

654 Vgl. Beck u. a. 1995, 35–53. 655 Darüber hinaus konnte im Follow-up ein Jahr später gezeigt werden, dass Mädchen statistisch nachweisbar mehr von der Arbeit mit metakognitiven Verfahren profitieren als Jungen. 656 Unter metakognitiver Bewusstheit wird eine bewusste Lernhaltung bzw. Aufmerksamkeit des Lernenden verstanden, die sowohl auf den Erwerb von Sachkenntnissen als auch Strategien des Lernens ausgerichtet ist (vgl. Beck u. a. 1995, 18). In dieser Studie zeigte sich, dass auch leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler davon profitieren. Sichtbar wurde auch ein geschlechtsspezifischer Effekt: »Die metakognitive Bewusstheit nimmt bei leistungsschwächeren Schülern zu, bei leistungsstärkeren Schülerinnen nimmt sie ab.« (Ebd., 44).

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

5.5.2 Die Bedeutung der Metakognition für das Theologisieren Wenn Metakognition als wichtige Fähigkeit für das Lernen der Kinder und das Theologisieren als besondere Form des Lernens im Religionsunterricht nun im folgenden Abschnitt zusammengebracht werden, ist zu bedenken, dass die im letzten Abschnitt herangezogenen Studien im Bereich der Metakognition in der Regel im Zusammenhang mit Lernzuwachs und Lernerfolg stehen. Das sind beides Kategorien, die im Bereich des religiösen Lernens anders in den Blick zu nehmen sind als dies beispielsweise in Deutsch, Mathematik oder dem Sachunterricht der Fall ist. Religiöses Lernen657 setzt in der Grundschule weniger auf konkret aufeinander aufbauende Inhalte, als dies beispielsweise in Mathematik anzutreffen ist, dafür aber auf eine Vernetzung von Lerninhalten. Dennoch zielt religiöses Lernen und damit auch das Theologisieren auf einen Lern- und Kompetenzzuwachs. Was dies bedeuten kann, wird von Hartmut Rupp in einem langen Katalog zusammengestellt.658 Dies reicht vom Formulieren eigener Vorstellungen bzw. Sichtweisen und geht über das Entwickeln und Begründen von Argumenten im Gespräch mit anderen sowie das Finden eigener Antworten auf die Frage nach der Wahrheit bis hin zur Reflexion des eigenen Nachdenkens.659 Davon ausgehend beschreibt Rupp Lernfelder, in denen beim Theologisieren Kompetenzen erworben und sichtbar werden. Er nennt: »Konstruktion und Rekonstruktion eigener Sichtweisen, Differenzierung eigener Sichtweisen, Einbezug der Sichtweisen anderer, Auseinandersetzung mit Inhalten des christlichen Glaubens, Auseinandersetzung mit der Wahrheitsfrage, Metakognition«.660 Ähnlich wie bei Mendls Kriterien661 bezüglich eines konstruktivistischen Unterrichts benennt Rupp die Metakognition hier als zentrales Lernfeld. In seinen weiteren Ausführungen wird deutlich, dass es ihm dabei sowohl um kognitive Zustände und Prozesse als auch regulierende Fähigkeiten geht. Offen bleibt, wie Schülerinnen und Schüler diese Fähigkeiten erwerben, erlernen bzw. üben

657 Religiöses Lernen wird im Baden-Württembergischen Bildungsplan von 2016 (online unter : http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GS/REV/LG; abgerufen am 16. 4. 2017) in erster Linie durch die prozessbezogenen Kompetenzen beschrieben, die aufzeigen, was religiöses Lernen insgesamt ausmacht. Langfristige und übergreifende Prozesse sind hierbei im Blick, die schließlich an konkreten Inhalten (inhaltsbezogene Kompetenzen) erworben werden. Da jedoch keine empirisch validierten Kompetenzmodelle für das Lernen im Religionsunterricht zur Verfügung stehen (vgl. Schweitzer 2016, 8), ist es in erster Linie dem Erfahrungswissen der Lehrperson anheim gestellt, die Zone der nächsten Entwicklung festzulegen und Unterricht sinnvoll zu planen und zu gestalten. 658 Vgl. Rupp 2011. 659 Vgl. Rupp 2011, 147. 660 Rupp 2011, 147. 661 Vgl. Mendl 2012, 109f.

Die metakognitive Dimension des Lernens

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können. Ebenso bleibt offen, ob es reicht, die von ihm benannten Fragen662 lediglich immer wieder gestellt zu bekommen. Mit Blick auf die von Beck u. a. dargestellten Forschungsergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass es wenig sinnvoll ist, sich phasenweise ausschließlich mit dem Nachdenken über das eigene Lernen zu beschäftigen, da eine Vermittlung von Lernstrategien in angehängten bzw. ausgelagerten Prozessen langfristig wenig zielführend scheint. Beck und seine Kollegen sehen die Förderung metakognitiver Fähigkeiten als wichtigen Teil des Unterrichts, sie tragen zur Gestaltung bei und ermöglichen eine reflexive Begleitung der Lernprozesse der Kinder. Aufgrund ihrer Ausführungen kann angenommen werden, dass auch Rupp und Mendl einer solchen Integration in das alltägliche Unterrichtsgeschehen zustimmen würden. Dennoch ist gerade im Hinblick auf das Theologisieren danach zu fragen, mit welchen konkreten Methoden – bezogen auf das gesamte Lernsetting – metakognitive Fähigkeiten bei den Kindern gefördert werden können. Ob die von Beck u. a. dargestellten Methoden auch für den Religionsunterricht weiterführend sind, ist bisher offen. Betrachtet man die in der Studie zum Einsatz gekommenen Grundformen, zeigen sich Möglichkeiten, die für das Theologisieren grundsätzlich vorstellbar sind. Denn metakognitive Fähigkeiten können sich entwickeln, wenn alleine, mit einem (Lern-)Partner und in der Lerngruppe reflektiert wird. Diese Reflexion kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen und aufeinander bezogen werden. Die beiden genannten Beispiele können ohne weiteres beim Theologisieren zum Einsatz kommen. Das voneinander Lernen im Sinne von »Vorbildsein« kommt meines Erachtens in metakognitiver Hinsicht bisher explizit eher zu kurz. So stellt sich die Frage, ob von anderen zu lernen beim Theologisieren nur zufällig geschieht oder ob dies von der Lehrperson bewusst geplant und initiiert werden kann und sollte. Es fällt auf, dass in einschlägigen Veröffentlichungen zum Theologisieren dem Aspekt der Metakognition und damit in Verbindung der Reflexion des eigenen Lernens in didaktischer Hinsicht bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, in Gesprächsprotokollen663 und Praxisbeispielen bleibt diese Perspektive meist aus.664 Wenn Metakognition bisher im Religi662 Beispielhaft nennt Rupp folgende Fragen: »Kannst du sagen, ob und wie sich deine Gedanken verändert haben? Was hast du selbst neu dazu gelernt? Wie ist es dir ergangen? Wie hast du dich gefühlt? Was kann man anders und besser machen? …« (Rupp 2011, 148). 663 Auch in den Gesprächsprotokollen, die Rupp in seinem Artikel darstellt, wird die metakognitive Ebene nicht sichtbar. (Vgl. Rupp 2011, 138–148). 664 Das kann auch damit zusammenhängen, dass oft nicht das Ende von Gesprächen abgedruckt ist, so dass die metakognitive Perspektive auf das Lernen für den Leser / die Leserin nicht sichtbar wird. Petra Freudenberger-Lötz berichtet aus ihrer Forschungswerkstatt von zahlreichen Beispielen, wie Studierende die metakognitive Komponente aufnehmen. Entsprechende Transkripte, die dies anschaulich zeigen, liegen bisher jedoch noch nicht als Veröffentlichung vor.

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Perspektiven auf das Lernen von Kindern

onsunterricht eine Rolle spielt, dann vor allem in Form des Nachdenkens über Inhalte (deklaratives Wissen) und weniger im Bereich der Lernstrategien (prozedurales Wissen), die auf eine Selbststeuerung, Planung und Überwachung des eigenen Lernprozesses zielen.665 Im Zusammenhang von Metakognition und Theologisieren soll noch einmal die eingangs bereits genannte Definition von Schweitzer in den Blick gerückt werden. Indem er Theologisieren als »Reflexion über religiöses Denken«666 beschreibt, könnte gesagt werden, dass jedes theologische Gespräch per se metakognitiv ist. Da jedoch offen bleibt, ob Schweitzer Metakognition nur auf ein Nachdenken über Inhalte bezieht oder auch den Lernprozess als Ganzes im Blick hat, bleibt der genannte Rückschluss in seinem vollen Umfang spekulativ. Rupp, Schweitzer und Freudenberger-Lötz sehen im Theologisieren – explizit bzw. implizit – metakognitives Lernen verankert.667 Ob Theologische Gespräche in der Praxis dazu genutzt werden, um mit den Kindern über deren Lernprozesse in Bezug auf ein Thema oder eine Fragestellung sowie lernförderliche bzw. das Lernen hemmende Faktoren nachzudenken und Konsequenzen für das weitere Lernen zu ziehen, bleibt offen.668 Der theoretische Anspruch besteht; inwieweit dies im Unterricht gelingt, hängt insbesondere von der Lehrperson und dem von ihr gestalteten Lehr-Lern-Setting ab.669 Auf dem Hintergrund der Forschungsergebnisse kann die Bedeutung der Metakognition für das Lernen der Kinder unterstrichen werden. Auch wenn die Bedeutung von Reflexion und Metakognition im Fach Religion bisher eher weniger Aufmerksamkeit erhält und zuweilen kritisch gesehen wird, scheint das weniger am Unvermögen der Kinder zu liegen als vielmehr an der Tatsache, dass es im Bewusstsein der Lehrenden noch 665 Nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern, sondern auch bei der Lehrperson ist die Reflexionskompetenz von zentraler Bedeutung. Dies kann an dieser Stelle lediglich angedeutet, nicht aber in der Breite entfaltet werden. Mendl (vgl. Mendl 2012, 109f.) geht davon aus, dass Lehrende selbst über metakognitive Kompetenzen verfügen müssen, um LehrLern-Prozesse entsprechend gestalten zu können. Sie sollen Konstrukte der Kinder verstehen und einordnen können, diese miteinander in einen produktiven Dialog bringen und schließlich zur Reflexion ihrer eigenen Lernwege anregen können. Als Voraussetzung dafür sieht er die Fähigkeit der Lehrenden, ihr eigenes Handeln zu reflektieren. 666 Schweitzer 2003a, 17. An anderer Stelle spricht er von »Denken über religiöses Denken« (2003a, 12 und 13). 667 Vgl. Rupp 2011; Schweitzer 2003a; Freudenberger-Lötz 2017. 668 Im Hinblick auf Unterricht ist dann auch die Frage zu stellen, wie dieser es ermöglicht, aus diesen Überlegungen das weitere Lernen mit zu planen und mit zu gestalten. 669 Dadurch wird deutlich, welch hoher Anspruch an Lehrende gestellt und welche Verantwortung ihnen zukommt. Mendl, Freudenberger-Lötz u. a. formulieren deshalb bewusst Kompetenzen, die von Seiten der Lehrperson für gelingende Lehr-Lern-Prozesse erforderlich sind, welche Freudenberger-Lötz dann auch konsequent im Rahmen des Studiums bei den Studierenden fördert. Offen bleibt, wie Lehrende, die dieses Bewusstsein nicht im Rahmen ihres Studiums erwerben konnten, dieses und die für einen solchen Unterricht notwendigen Kompetenzen nun im Alltag aufbauen können.

Ertrag der theoretischen Diskussion für die empirische Studie

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wenig verankert ist, Arbeitshilfen dazu nur vereinzelt Hilfestellungen bieten bzw. dieses Feld in der Fachdiskussion bisweilen nur punktuell Bedeutung erhält.

5.6

Ertrag der theoretischen Diskussion für die empirische Studie

Abschließend wird der Ertrag des theoretischen Diskurses im Hinblick auf die die empirische Studie leitenden Fragestellungen gebündelt. Anhand von elf Aspekten erfolgt ein Rückblick auf die Kapitel zwei bis fünf, gleichzeitig weisen diese nach vorne auf die in den folgenden Kapiteln dargestellte empirische Studie. Dieser Abschnitt hat somit eine Scharnierfunktion. Umgang mit vielfältigen Perspektiven: Sowohl in Theologischen Gesprächen als auch anderen Gesprächen, wie beispielsweise Reflexionsgesprächen oder Gruppendiskussionen, begegnen Kinder vielfältigen, teils widersprüchlichen Perspektiven und Wahrheiten. Dabei gehören »Perspektive«, aus der das einzelne Kind auf die Welt blickt, und »Wirklichkeit«, die von unterschiedlichen Kindern verschieden wahrgenommen und gedeutet werden kann, zusammen. Die subjektiven Wahrnehmungen sind also mit den eigenen Erfahrungen verknüpft. Die Frage im Schulalltag wird daher immer wieder sein, inwieweit Kindern ein Perspektivenwechsel gelingt, um davon ausgehend etwas über sich selbst und andere zu erfahren. Durch den Wechsel der Perspektiven kommt die Kategorie der Differenz in den Blick. Sowohl im Hinblick auf unterschiedliche Positionen in Theologischen Gesprächen (auch bezogen auf die Wahrheitsfrage) als auch auf den Umgang mit anderen Perspektiven beim Nachdenken über das eigene Lernen wird Differenzkompetenz zu einer entscheidenden Fähigkeit. So stellt sich die Frage, wie Kinder auf unterschiedliche, teils widersprüchliche Perspektiven und Deutungen reagieren, also wie sie mit Mehrperspektivität umgehen.670 Subjektivität als Herausforderung für Deutung und Interpretation: Da bereits die Wahrnehmung auf Konstruktion und Interpretation beruht, sind Denken und Verstehen abhängig vom Subjekt. Objektive Deutungen sind folglich eine Illusion. Wahrheit ist immer relativ und wird in einem autopoietischen System generiert, so dass subjektiv Wahrgenommenes immer auch ganz anders sein könnte. Gerade im Forschungskontext stellt sich deshalb die Frage, wie die Forscherin möglichst nahe an die Konstruktionen, Deutungen und Interpretationen der Kinder kommen kann und welche Möglichkeiten es dazu forschungsmethodisch gibt.671 670 Vgl. Kap. 2.7. 671 Vgl. Kap. 6.2.; 9.3.1.

164

Perspektiven auf das Lernen von Kindern

Konstruktivismus als Grundlage für den (Religions-)Unterricht: Die intensive Auseinandersetzung mit Theologie, Religionspädagogik und Konstruktivismus ist insofern von grundlegender Bedeutung, als im (Religions-)Unterricht stets mit unterschiedlichen Wahrheiten umgegangen werden muss und diese auf das Lernen der Kinder Einfluss haben. Im Hintergrund spielt zunächst die Frage eine Rolle, wie die Lehrperson selbst mit Wahrheitsfragen im Bereich der Theologie umgeht. In der Religionspädagogik muss nach den didaktischen und methodischen Konsequenzen für den Unterricht gefragt werden, wenn davon ausgegangen wird, dass Lernen ein aktiver Prozess und damit radikal subjektiv ist. Im Hinblick auf die Kinder stellt sich insbesondere die Frage, wie diese mit der Frage nach der Wahrheit umgehen und welche Bedeutung sie dem eigenen Lernen in Abgrenzung von anderen beimessen.672 Wirklichkeiten und deren Zugänglichkeit: Wirklichkeit ist nicht einfach zu greifen, da »Sachverhalte und Tatsachen auf Beobachter und Beobachtung zu relativieren«673 sind. Es ist zu unterscheiden zwischen der Handlungsebene bzw. Realbegegnung (Beobachtung erster Ordnung), der Ebene der Repräsentation (Beobachtung zweiter Ordnung) und der Ebene der Reflexion (Beobachtung dritter Ordnung), in denen eine zunehmende Distanz zum Tragen kommt. Gerade im Hinblick auf Reflexionsgespräche und auch Kreisgespräche bzw. Gruppendiskussionen stellt sich die Frage, wie viel Verzerrung sich durch mehrmaliges Deuten bis zur Ebene dritter Ordnung einschleicht, wie man mit diesen umgehen und schließlich wie man Verzerrungen aufdecken kann.674 Unterschiedliche Rollen und deren Gleichzeitigkeit: Reich geht davon aus, dass Erwachsene und Kinder unterschiedliche Rollen – Akteur/in, Teilnehmer/ in und Beobachter/in – beim Lernen einnehmen können. Sollen metakognitive Strategien in konkreten Lernsituationen angewendet werden und wirken können, ist ein souveräner Umgang mit diesen Rollen vorauszusetzen. Dies hätte zur Folge, dass Kinder sich selbstverständlich in der jeweiligen Lernsituation beobachten sowie ihr Lernen einschätzen und beurteilen können. Aufgrund entwicklungspsychologischer Voraussetzungen ist zu prüfen, ob dies tatsächlich für Kinder uneingeschränkt möglich ist.675 Perturbation und »blitzartige Erkenntnis«: Es ist bekannt, dass sich glückliche Situationen beim Lernen einstellen, wenn der/die Lernende blitzartig eine neue Erkenntnis hat oder ihm sprichwörtlich ein Licht aufgeht. Lernen wird also in irgendeiner Form angeregt, eine Perturbation wird wirksam. Um Lernprozesse planen und steuern zu können, wäre es hilfreich zu wissen, wie das Lernen 672 673 674 675

Vgl. Kap. 3. Scheible 2015, 16 in Anlehnung an Köck 2011. Vgl. Kap. 3.4.2 und 3.4.3. Vgl. Kap. 3.4.3.

Ertrag der theoretischen Diskussion für die empirische Studie

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angeregt bzw. wie eine blitzartige Erkenntnis hervorgerufen werden kann. Im aktuellen Forschungskontext stellt sich somit die Frage, wie Kinder in Theologischen Gesprächen, in Reflexionsgesprächen und in Gruppendiskussionen zum Nachdenken und Sprechen angeregt werden können. Ebenso ist zu fragen, wie fruchtbare Momente evoziert und Erkenntnisse auch auf der Ebene der Reflexion angeregt werden können.676 Kommunikation und Verstehen als fragiles und anfälliges Unterfangen: Ausgehend davon, dass Sprache an das Subjekt gebunden ist, sind auch Kommunikation und Verstehen von diesem abhängig. Ebenso spielen situative, kontextuelle und soziale Bedingungen eine nicht zu unterschätzende Rolle und sind nur begrenzt zugänglich. Sowohl Reflexionsgespräche als auch die Gespräche im Kontext der Erhebungsinstrumente sind an Konstruktionen, die zum Großteil mit Hilfe von Sprache zugänglich werden, gebunden und somit von vielfältigen Faktoren abhängig. Kommunikation und Verstehen sind deshalb fragil und gleichzeitig anfällig für unangemessene Deutungen und Folgehandlungen. Hinweise im Kontext des Verstehens liefern beispielsweise (nonverbale) Anschlusshandlungen, die sorgfältig zu beobachten und in die Deutung einzubeziehen sind. Sich »richtig« zu verstehen ist jedoch aus konstruktivistischer Perspektive nicht möglich und kann nicht Ziel von Kommunikation sein, da dieses stets mit Deutungen verbunden ist. Eine gewisse Übereinstimmung an Re-Präsentationen ist für eine gelingende Kommunikation dennoch erforderlich, um den Gedanken anderer auf die Spur zu kommen und verstehen zu können, um miteinander und nicht aneinander vorbei zu reden etc. Gerade für die Auswertung der Daten hat dies Konsequenzen, die aus methodologischer Perspektive im weiteren Verlauf noch einmal zu betrachten sind.677 Medien haben Brückenfunktion: Medien können Einblicke in die Wirklichkeit und das Denken anderer geben. Schriftliche Texte oder Bilder sind jedoch nicht selbstexplikativ678, sondern sie bedürfen immer wieder einer Erklärung. Vielfältige Wahrnehmungssituationen im Alltag fördern den Aufbau von Begriffen und Re-Präsentationen, welche dann eine Abstraktion und Reflexion und somit auch Lernen ermöglichen. Im Hinblick auf den konkreten Unterricht und auch die Nutzung von Medien in Gruppendiskussionen muss nach der unterstützenden Bedeutung für die Kinder gefragt werden. Ebenso wird interessant, ob sie diese intuitiv nutzen oder sie deren Bedeutung für ihr Lernen bzw. Kommunikation auch explizit beschreiben.679 676 Vgl. 3.4.1 und 3.4.4. 677 Vgl. Kap. 4. 678 Medien haben grundsätzlich auch eine eigene Aussage und Wirkung. Gerade aber im Kontext von Kommunikation, wie sie in diesem schulischen Setting zum Einsatz kommen, ist deren Sprache unterstützende Funktion von Bedeutung. 679 Vgl. Kap. 4.2.; 10.2.3 und 10.2.4.

166

Perspektiven auf das Lernen von Kindern

Konstruktion im Spannungsfeld von Subjektivität und Gruppenprozess: Lernen ist zunächst ein individuelles Projekt und somit radikal subjektiv. Gleichzeitig spielen andere gerade im schulischen Unterricht eine bedeutende Rolle. Die Gruppe, zu der ein Kind gehört und in der es ein Teil des Ganzen ist, spielt sowohl beim Theologisieren, in Reflexionsgesprächen als auch in Kreisgesprächen und Gruppendiskussionen eine wichtige Rolle. Dadurch, dass sich Kinder in der Gruppe begegnen und sich aufeinander einlassen, werden die autopoietischen Systeme aufgebrochen und sie können sich gegenseitig mit ihren Gedanken anregen. Die Gruppe wird zu einem Resonanzraum für das eigene Denken. Individuelle Kognitionen und soziale Prozesse sind dabei miteinander verknüpft, Wissen wird ausgetauscht und external konstruiert und dann in das Wissen des Einzelnen integriert. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie eine Gruppenmeinung bzw. Wahrheit ausgehandelt wird und in welchem Verhältnis die Sichtweise eines Einzelnen zu derjenigen der Gruppe steht. Ebenso, inwiefern die Kinder zwischen eigenen Gedanken und denen anderer unterscheiden können und welche Bedeutung sie selbst diesen zuschreiben. Forschungsmethodisch ist schließlich in den Blick zu nehmen, wie sich asymmetrische Konstellationen in der Kommunikation auswirken, die durch die Lehrperson oder Forscherin ausgelöst werden.680 Reflexion lernt man durch Reflexion: Ausgehend von den zentralen Merkmalen selbstgesteuerten Lernens681 wird deutlich, wie wichtig Reflexion und Metakognition für das Lernen sind. Kinder brauchen sowohl Feedback als auch Fähigkeiten, das eigene Lernen wahrnehmen, beobachten und bewerten zu können. Metakognitive Strategien, die Grundlage dafür sind, das eigene Lernen planen, überwachen und kontrollieren zu können, können und sollen im Unterricht gefördert und geübt werden. Bisher kommt der Reflexion und Metakognition gerade im Religionsunterricht wenig Bedeutung zu. Hinsichtlich des Nachdenkens über das eigene Lernen und Können ist deshalb danach zu fragen, was Kinder selbst wahrnehmen und wie sie dieses beobachten und bewerten. Damit einher geht die Frage nach dem, was Kindern bezogen auf ihr Lernen bewusst ist und wie sich dies durch regelmäßige Reflexion im Unterricht verändern lässt.682 Metakognition und Theologisieren: Theologisieren als »Reflexion über religiöses Denken« könnte ein geeignetes Lernfeld für Reflexion und somit die Ausbildung metakognitiver Fähigkeiten sein. Voraussetzung ist, dass hier nicht nur über Inhalte nachgedacht wird, sondern auch der Lernprozess, Emotionen, Lernstrategien etc. Berücksichtigung finden. Hinzu kommt die 680 Vgl. Kap. 4.4, 4.5, 5.1, 5.2 und 5.3. 681 Vgl. Kap 5.4 und 5.5. 682 Vgl. Kap. 5.5; 11.3 und 11.4.1.

Ertrag der theoretischen Diskussion für die empirische Studie

167

Tatsache, dass gerade beim Theologisieren übergreifende Kompetenzen, wie Begründen, Deuten, Argumentieren und Urteilen, eine wichtige Rolle spielen, die auch für die Reflexion selbst relevant sind. Bisher wird dieser Zusammenhang im Fachdiskurs lediglich vereinzelt gesehen (Freudenberger-Lötz, Röhrig, Rupp) und eine Verknüpfung wird nicht bewusst angeregt. Auch aus der Perspektive der Nachhaltigkeit683 Theologischer Gespräche könnte eine solche Verknüpfung interessant und vielversprechend sein. Es wird angenommen, dass aufgrund der reflexiven Tätigkeiten, die in Theologischen Gesprächen selbstverständlich zum Tragen kommen, und der geschaffenen Distanz (Beobachtung zweiter Ordnung) das Theologisieren ein zur Förderung reflexiver und metakognitiver Fähigkeiten geeigneter Ansatz darstellt. Dies gilt es in der Studie zu überprüfen und ggf. zu explizieren.684

683 Schweitzer 2003a, 17; vgl. auch Kap. 2.6; 5.5.2 und 11.3.1. 684 Vgl. 2.6 und 5.5.2.

6

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern685

Ausgehend von meinem Forschungsvorhaben, einen Einblick in das Denken der Kinder bezüglich ihres eigenen Lernens und damit verbundenen Erklärungen zu gewinnen, soll die qualitative Sozialforschung auf ihre Chancen sowie ihre spezifischen Herausforderungen befragt werden. Diese methodologischen Grundfragen, die in den folgenden Kapiteln im Mittelpunkt stehen, werden konsequent auf die vorliegende Studie bezogen. Die Aspekte, die angesprochen werden, sind diejenigen, die für die Erarbeitung des Forschungsdesigns richtungsweisend waren. Dabei gibt es vereinzelt ein inhaltliches Wiederaufgreifen von Aspekten, die bereits im ersten Teil der Arbeit dargestellt wurden, nun allerdings aus forschungsmethodologischer Perspektive.

6.1

Verortung der Studie

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit dem Nachdenken der Kinder über ihr eigenes Lernen am Beispiel des Theologisierens. Dadurch wird auch die metakognitive Dimension des Theologisierens berührt. Religionspädagogik, Pädagogik und Pädagogische Psychologie überschneiden sich hier. Spezifikum der vorliegenden Studie ist die Interdisziplinarität. Durch das bewusste Zusammenführen dieser Perspektiven wird eine Erweiterung und Ergänzung für die Religionspädagogik erwartet. Die vorliegende Studie ist als religionspädagogische Forschung in der qualitativ-hermeneutischen Unterrichts- bzw. Lehr-Lern-Forschung verortet. 685 Die Formulierung »Forschen mit Kindern« kann ausgehend von der Kindertheologie, die von »Theologisieren mit Kindern« spricht und Kinder dabei in ihrem Theologisieren ernst nimmt, missverstanden werden. Wenn hier von »Forschen mit Kindern« die Rede ist, dann ist damit nicht gemeint, dass Kinder selbst als Forscherinnen und Forscher tätig werden, sondern dass im Sinne der Kindheitsforschung Kinder mit ihrer Perspektive ernst genommen werden und als Gesprächspartner/innen ihre ureigene Sichtweise einbringen. Vgl. auch Kap. 6.2.1.

170

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

Durch den Zugriff auf die Perspektive der Kinder, die hier im Zentrum steht, kann darüber hinaus erziehungswissenschaftlich ein Bezug zur Kindheitsforschung und religionspädagogisch zur Kindertheologie hergestellt werden. Ebenso kann an einzelne Aspekte der Praxis- und Handlungsforschung angeknüpft werden. Die Perspektiven der Kinder bzw. ihr Nachdenken über das Lernen sind Ausgangspunkt und Ziel der Forschung zugleich. Ausgangspunkt insofern, als die Kinder ihre eigenen Perspektiven in Gesprächen über das Lernen einbringen und schließlich die gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse zur Optimierung von Lehr-Lern-Prozessen herangezogen werden können. Die aufgezeigten Forschungsperspektiven werden im Folgenden erläutert und verortet.

6.1.1 Religionsdidaktische Forschung im Kontext der Lehr-Lern-Forschung Im Rahmen der Lehr-Lern-Forschung geht es neben der Beschreibung und Erklärung von Lehr-Lern-Prozessen vorrangig um deren Optimierung. Besonderes Kennzeichen der Unterrichts- bzw. Lehr-Lern-Forschung ist die Interdisziplinarität, die hier in der Verknüpfung von Erziehungswissenschaft und Religionspädagogik zu finden ist. Durch den deskriptiven und qualitativ-hermeneutischen Forschungsansatz, der »mit der Selbstreflexivität der an Lehr-LernProzessen beteiligten Subjekte«686 rechnet, sollen »Unterricht, Erziehung und Schule als sinnhaft strukturierte soziale Phänomene«687 in den Blick genommen werden. »Wichtige Ziele der deskriptiven und der qualitativ-hermeneutischen Forschung sind die Ermittlung kognitiver, motivationaler und volitionaler Strukturen, der Nachvollzug von Lernstrategien und die Wissensanalyse, die Darstellung der Singularität sozialer Situationen und individueller Erfahrungen […] sowie schließlich die Kritik bzw. Dekonstruktion pädagogischer Praktiken und pädagogischer Ideologien.«688

Im Hinblick auf die vorliegende Studie ist es vorrangiges Ziel, den impliziten und expliziten Strategien von Kindern im Bereich der Metakognition und ihrem Wissen über ihr eigenes Lernen auf die Spur zu kommen, um davon ausgehend Implikationen für die Gestaltung von Lernprozessen ableiten zu können. Die vorliegende Studie lässt sich in dieses weite Feld der Unterrichts- bzw. Lehr-Lern-Forschung einordnen, wobei sie die spezifische Perspektive der Religionspädagogik in den Mittelpunkt stellt. Der Blick in andere Forschungsdisziplinen soll in erster Linie dazu beitragen, die religionspädagogische Sichtweise 686 Lüders/Rauin 2004, 691. 687 Lüders/Rauin 2004, 691. 688 Lüders/Rauin 2004, 691.

Verortung der Studie

171

zu erweitern, unter anderem mit dem Ziel der Präzisierung der Kindertheologie. Schweitzer689 betont die Bedeutung der empirisch-religionsdidaktischen Forschung an sich und beklagt gleichzeitig deren in der bisherigen Forschung eher geringe Bedeutung. Er unterscheidet dabei eine empirisch-religionsdidaktische Forschung im engeren Sinne von einer empirisch-religionsdidaktischen Forschung im weiteren Sinne. Erstere bezieht sich auf Prozesse, die im Unterricht ablaufen. Schweitzer spricht von empirisch-religionsdidaktischer Forschung im weiteren Sinne, wenn auch die Voraussetzungen, »die der Unterricht schon immer antrifft, sowie die Resonanz und die Folgen des Unterrichts«690 im Blick sind. In der vorliegenden Studie sind beide Perspektiven relevant, da es zum einen um Unterrichtssituationen im Kontext des Theologisierens geht und zum anderen diese rückblickend betrachtet und bewertet werden. Im Unterricht ablaufende Prozesse, die Bedeutung einzelner Aspekte des Lernens sowie die Reflexion von Lernprozessen werden hier aus der Perspektive der Kinder betrachtet.691 Der Lehr-Lern-Forschung vergleichbar geht es der empirisch-religionsdidaktischen Forschung zuallererst um eine »Verbesserung von Unterricht«692. Dabei spielt gerade auch die »Realisierung des Theorie-Praxis-Verhältnisses«693 eine Rolle, also die wechselseitige Bezogenheit von theoretischem Wissen und wie dieses im Unterricht praktisch wirksam wird. Im gesamten Forschungsprojekt stehen – auch bedingt durch den gewählten Forschungsstil der Grounded Theory – theoretische Konzepte und Lernprozesse, die auf gewonnene Erkenntnisse aus den Gesprächen mit den Kindern zurückgehen, in einem reziproken Verhältnis. Ausgehend von den aus den Daten gewonnenen Erkenntnissen sollen Rückschlüsse auf den Religionsunterricht möglich werden mit dem Ziel, den Blick von Lehrenden auf Lehr-Lern-Prozesse zu schärfen und Implikationen für das Theologisieren mit Kindern zu formulieren. Jegliche Forschung, die der Lehr-Lern-Forschung im Allgemeinen bzw. der empirisch-religionsdidaktischen Forschung im Besonderen zugeordnet wird, muss einen Weg finden, um mit folgendem Dilemma umzugehen: 689 Vgl. Schweitzer 2007. 690 Schweitzer 2007, 3. 691 Mit Recht erinnert auch Heinzel »an die bereits seit der Reformpädagogik formulierte und heute wiederauflebende Forderung, Kinder als Informanten über ihre eigenen Lernprozesse […] zu verstehen und ihnen in ihrem Denken zu begegnen.« (Heinzel 1997, 396). 692 Schweitzer 2007, 4. 693 Schweitzer 2007, 4. Mit dem Stichwort »Theorie-Praxis-Verhältnis« wird auf die »geringe Wirkung von Forschung auf die Praxis, Resistenz der Praxis gegenüber wissenschaftlichen Theorien und Verfahren, ›Verengung des Blicks der Praktikerinnen und Praktiker bei direkter Übernahme wissenschaftlicher Erkenntnismittel‹, wenig Zutrauen der Praktiker zur eigenen Erfahrung, Unfähigkeit der verschiedenen Berufsgruppen, aufeinander zu hören usw.« (Altrichter/Feindt 2004, 423) verwiesen.

172

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

»Folgt das Design strengen wissenschaftlichen Kriterien, dann sind die Ergebnisse so formal, dass eine Umsetzung in den schulischen Kontext meist unmöglich ist. Folgt das Design der Komplexität der schulischen Wirklichkeit, dann können die klassischen Kriterien sozialwissenschaftlicher Forschung nur eingeschränkt realisiert werden.«694

Die Komplexität der schulischen Wirklichkeit aus der Perspektive von Kindern steht mit allen zu bedenkenden Schwierigkeiten und den sich dadurch gegebenen Einschränkungen695 im Zentrum dieses Projekts. Mit Hilfe der GroundedTheory-Methodologie soll eine über den Einzelfall dieser Studie hinausweisende Erkenntnis generiert werden, die theoretisch formulierte Aussagen und Beziehungen im Kontext von Metakognition und Theologisieren ermöglicht. Ein fallübergreifender theoretischer Erklärungsrahmen soll somit erarbeitet werden.696 Das explorative Vorgehen ermöglicht es schließlich, einen »neuen«, differenzierten Blick auf das Nachdenken der Kinder über ihr eigenes Lernen und damit verbunden die metakognitive Dimension beim Theologisieren zu werfen.

6.1.2 Aspekte der Praxis – und Handlungsforschung Das Besondere der Handlungs- bzw. Aktionsforschung im Verständnis von Prengel ist die Zusammenarbeit von Wissenschaftler/innen und Praktiker/ innen.697 In der Fachliteratur (vgl. z. B. Altrichter/Feindt, Prengel) werden die Begriffe Praxisforschung, Handlungsforschung und Aktionsforschung oft synonym verwendet, teilweise auch unterschieden. Altrichter und Feindt verwenden einmal »Praxis- und Handlungsforschung«698 als Begriffspaar, ein anderes Mal spricht er von Aktionsforschung699 und nennt Handlungsforschung als Synonym. Prengel hingegen unterscheidet zwischen Praxisforschung, wissenschaftlicher Forschung und Handlungsforschung und versteht dabei Handlungsforschung und Aktionsforschung als »Mischformen aus Praxisforschung und wissenschaftlicher Forschung«700. Die Studie kann und soll nicht umfänglich als Praxis- bzw. Handlungsforschung bezeichnet werden, da die Verfasserin selbst nicht Handelnde im Un694 Büttner 2003, 172. 695 Die sich ergebenden Einschränkungen im Hinblick auf die Gütekriterien (diese werden in einem separaten Kapitel beleuchtet) werden zugunsten des explorativen Vorgehens, das neue Sichtweisen ermöglichen kann, bewusst in Kauf genommen. 696 Vgl. Hülst 2010a, 18f.; vgl. auch Strauss/Corbin 1996, 32. 697 Vgl. Prengel 2013, 788. 698 Altrichter/Feindt 2004. 699 Altrichter/Aichner u. a. 2013. 700 Prengel 2013, 788.

Verortung der Studie

173

terricht war und ebenso wenig dem Praxisfeld angehörte. Dennoch gibt es zwei Aspekte in dieser Studie, die Bezüge zur Praxis- bzw. Handlungsforschung aufweisen. Der erste ist die eigene Nähe zum Unterricht als Lehrerin mit langjähriger eigener Unterrichtserfahrung. Hinzu kommt die Nähe zum konkreten Unterricht durch die Arbeit in der Lehrerfortbildung, Beratung von Unterricht und der konzeptionellen Weiterentwicklung von Unterricht, die Teil meiner aktuellen Tätigkeit sind. Dies wirkt sich dadurch vorteilhaft aus, dass praktisches Handeln der Lehrenden sowie Aktionen, Reaktionen und Aussagen der Kinder aus einer distanzierten Position701 schnell eingeordnet werden können. Der zweite Aspekt liegt im Theorie-Praxis-Verhältnis, das in der Forschung immer wieder als problematisch dargestellt wird. Englert weist darauf mit Blick auf den Religionsunterricht in der Grundschule in Bezug auf Lehreranwärter/ innen dezidiert hin: »Es scheint […], dass die fachdidaktische Diskussion um konzeptionelle Differenzen die Lehramtsanwärter/innen entweder gar nicht erreicht oder mindestens nicht weiter beeindruckt hat. Jedenfalls wird kaum irgendwo explizit auf diese Konzepte zurückgegriffen, um dem eigenen Verständnis von Sinn, Aufgabe und Durchführungsmodus heutigen Religionsunterrichts schärfere Konturen zu geben.«702

Einblicke in die Unterrichtspraxis sowie die Forschungen von Englert lassen vermuten, dass sich diese Beobachtung bezüglich des Religionsunterrichts grundsätzlich übertragen lässt und viele der Religionslehrenden stärker ihrem Erfahrungswissen als theoretischen Konzepten folgen.703 In der vorliegenden Studie ist gerade die wechselseitige Bezogenheit von Theorie und Praxis ein großes Anliegen, sowohl im Hinblick auf den Forschungsansatz704 als auch das Forschungsziel. Als Forscherin bewegt sich die Verfasserin ständig im reziproken Spannungsfeld von Theorie und Praxis und versucht Lehrende im Rahmen von Fortbildungen zu einem solchen Denken anzuregen und sie in entsprechende Fragestellungen mit hineinzunehmen. Mit den Lehrenden vor Ort wurden weder der Unterricht noch Äußerungen von Schülerinnen und Schülern im Sinne eines Theorie-Praxis-Verhältnisses reflektiert. Es fand lediglich ein 701 In der Literatur wird gerade die subjektive Distanz der Praxisforscher/innen als Herausforderung und auch Problem dargestellt (vgl. z. B. Altrichter/Feindt 2004, 427 ff). 702 Englert 2006, 227. 703 Vgl. Englert 2014. 704 An der Schule fanden zur Zeit der Durchführung der Studie regelmäßige pädagogische Fortbildungen zum Thema »Lernentwicklung und -prozess wahrnehmen, anregen und begleiten« statt, die die Forscherin dem Kollegium im Rahmen der Schulentwicklung anbot. Diese standen jedoch nicht in Zusammenhang mit der Studie, sondern dienten der schuleigenen Weiterentwicklung. Dennoch wurde indirekt die Sensibilität der Lehrenden im Hinblick auf die Lernprozesse der Kinder gefördert sowie die Reflexion von Theorie und Praxis angeregt. Die Autorin geht von keinem expliziten Zusammenhang aus, jedoch kann möglicherweise ein impliziter Zusammenhang hergestellt werden.

174

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

Pädagogischer Tag zum Umgang mit Schülerleistungen statt, der die Lehrenden in dieser Hinsicht sensibilisieren sollte. Forschungsziel ist es, Anregungen für die Praxis geben zu können und Lehrende für das Nachdenken mit Kindern im Religionsunterricht zu sensibilisieren sowie Impulse und Desiderate für die religionspädagogische und -didaktische Forschung zu entwickeln. Da die Studie eng an die Praxis und deren Reflexion angelehnt ist und die Kinder durch ihre Gedanken eine weitere Perspektive zum Lehr-Lern-Geschehen neben die Erwachsenen- bzw. Professionsperspektive stellen, werden Theorie und Praxis hier aus unterschiedlichen Perspektiven miteinander verwoben. So kann diese Forschung schließlich im Sinne von Prengel (2013) als Handlungsforschung verstanden werden, in der wissenschaftliche Forschung und Praxisforschung im soeben beschriebenen Sinn zusammenkommen.705 Praxisund Handlungsforschung werden zu einem offenen Bezugsrahmen für die vorliegende Studie, in der Hinsicht, dass Theorie und Praxis hier in besonderer Weise zusammenkommen und in deren reziprokem Verhältnis reflektiert werden.

6.1.3 Kindheitsforschung und Kindertheologie Diese Studie knüpft bewusst am Ansatz der neueren Kindheitsforschung an, die nicht mehr nur über Kinder forscht, sondern die Kinder selbst als aktiv handelnde Subjekte ernst nimmt und sie aktiv in die Forschung einbezieht. Es geht hier also nicht um eine Forschung über Kinder, sondern mit Kindern, die ihre Wahrnehmungen, Gedanken und Konstruktionen selbst in vielfältigen Gesprächskontexten einbringen.706 Die Perspektive der Kinder soll im Zentrum stehen mit allen daraus erwachsenden Herausforderungen, wie beispielsweise dem Generationenunterschied oder den Schwierigkeiten, die sich in der sprachlichen Darstellung von Kindern ergeben. Der Generationenunterschied wird im Forschungssetting durch asymmetrische Konstellationen zwischen mir als Forscherin und den Kindern sichtbar, ebenso in der unterschiedlichen Ausdrucksfähigkeit von Kindern und Erwachsenen sowie dem zwangsläufigen Missverstehen, wenn Erwachsene aus ihrer Perspektive die Aussagen der Kinder verstehen und deuten.707 705 Durch die dargestellte Situation ist eine »Offenheit für neu sichtbar werdende Aspekte im Forschungsprozess« (Prengel zitiert nach Altrichter/Feindt 2004, 427) als notwendige Voraussetzung in besonderem Maße gegeben, ebenso ein »doppelter Blick« (Altrichter/ Feindt 2004, 427). 706 Dieser Abschnitt bezieht sich insbesondere auf Heinzel/Kränzl-Nagel/Mierendorff (2012e), Honig u. a. (1999) und Zimmermann (2006). 707 Vgl. Heinzel 2012d. Weitere Ausführungen hierzu sind in den folgenden Kapiteln zu finden.

Verortung der Studie

175

Ausgehend von diesen Überlegungen stellt sich die Frage nach geeigneten Forschungsmethoden. Für Forschungen in der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung eignen sich in erster Linie qualitative Forschungsmethoden, »weil sie auf die Rekonstruktion subjektiver [Lebens-]Erfahrungen von Kindern gerichtet sind und Kinder als Akteure in den Blick nehmen. Ihr Ziel besteht darin, Offenheit für die Sinn- und Regelsysteme der Kinder herzustellen und die Lebenswelt von Kindern in ›natürlichen Situationen‹ mit interpretativen Mitteln zu erschließen.«708

Mit Instrumenten des Gesprächs, konkret mit Einzelinterviews, Kreisgesprächen und Gruppendiskussionen, wurde die Perspektive der Kinder in Bezug auf ihr Nachdenken über (ihr) Lernen erhoben. Durch den Verlauf der Forschung kann über die Verortung in der Kindheitsforschung hinaus auch ein Bezug zur Kindertheologie hergestellt werden.709 Im Unterschied zur gängigen Forschung zur Kindertheologie710, in der vor allem die theologischen Konstruktionen der Kinder im Zentrum stehen, geht es im Rahmen dieser Studie jedoch um die Sicht der Kinder auf ihr Lernen beim Theologisieren. Rückblickend und erklärend werden Unterrichtssequenzen im Kontext des Theologisierens beleuchtet und bewertet. Mit anderen Worten, es geht um die Frage, wie Kinder ihr Lernen verstehen und erklären und wie sie darüber nachdenken. Dieses Interesse findet sich ebenso wieder in der LehrLern-Forschung bzw. der religionspädagogischen Forschung, welcher diese Studie insbesondere zugeordnet wird.711 Abbildung 5 veranschaulicht die Einbettung der Studie in die Forschung, wie sie in den vorausgegangenen Abschnitten herausgearbeitet wurde.

708 Heinzel u. a. 2012e, 18. 709 Zunächst war die Forschung erziehungswissenschaftlich angelegt, erst nach dem ersten Teil der Erhebungen ergab sich die Absicht, von nun an den Religionsunterricht mit in den Blick zu nehmen. Der Bezug zur Kindertheologie entstand durch das Unterrichtsprojekt zur Trinität, in welchem das Theologisieren, das Nachdenken über Gott in seiner Vielfalt, im Zentrum stand. 710 Vgl. Büttner/Freudenberger-Lötz 2007, Zimmermann 2010, Kammeyer 2009, Benz 2015, Reiß 2015 u. a. sowie vielfältige Aufsätze in den Jahrbüchern für Kindertheologie. 711 Breidenstein/Prengel 2005 und Fuhs 2012 sehen die Schul- und die Kindheitsforschung nahe beieinander liegen – als sich ergänzende Perspektiven.

176

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

Lehr-Lern-Forschung Praxisforschung Kindheitsforschung Perspektive der Kinder Kindertheologie Handlungsforschung Religionspädagogische Forschung Abb. 5: Verortung der Studie in der Forschung

6.1.4 Grounded Theory als zugrunde liegender Forschungsstil Nachdem die Studie in der religionspädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Forschung verortet wurde, soll hier die Grounded Theory als der Forschung zugrunde liegender Forschungsstil dargestellt werden. Sie kommt der zunächst bewusst offen gehaltenen Fragestellung entgegen und ermöglicht es, mit Hilfe ihrer Methodik eine datenverankerte Theorie (grounded theory) zu entwickeln.712 Mit Hilfe der Grounded Theory713 als besonderem und offenem Forschungsstil714, der auf Anselm Strauss und Barney Glaser, zwei amerikanische Soziologen der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts, zurückgeht, soll sukzessive eine Hypothesenbildung bzw. eine Theoriebildung und somit ein Erkenntnisgewinn möglich werden.715 Dies wird durch die »zeitliche Parallelität und wechselseitige funktionale Abhängigkeit der Prozesse von Datenerhebung,

712 Vgl. Legewie,12. 713 Hülst (2010, 281) bezeichnet den Forschungsstil mit »Grounded Theory Methodology« und grenzt ihn dadurch von der »gegenstandsverankerten« Theorie ab. Er betont dabei, dass er häufig »irrtümlich als ›Methode‹ der qualitativen Sozialforschung« bezeichnet wird. 714 Hülst (2010) weist im Rückgriff auf Strauss auf den Mehrwert der Grounded Theory als Forschungsstil hin. Wird die Grounded Theory lediglich als Verfahren begriffen und nicht als Forschungsstil, »bleibt sie letztendlich stecken in der Betrachtung des Verhaltens der untersuchten Akteure und deren alltagsweltlichen Deutungen und Sinnstrukturen – als Stil kombiniert sie die Erkenntnisse der aktuellen Forschung mit dem Fundus überlieferten Wissens, der sich in vorhandenen Theorien und zugehörigen Begriffssystemen sedimentiert hat« (Hülst 2010, 291). 715 Vgl. Hülst 2010, Strauss/Corbin 1996; Strübing 2014; Bohnsack/Marotzki/Meuser 2011.

Verortung der Studie

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-analyse und Theoriebildung«716 unterstützt. Dazu gehört auch der kreative Prozess der Forscherin, entsprechendes Datenmaterial zu generieren und auszuwählen, ihm »konzeptionelle Etiketten«717 zu geben, es zu Theorien in Beziehung zu setzen und neue Erklärungen und Konzepte auf der Grundlage der Daten zu formulieren. Ein geeigneter Bezugsrahmen für diese Studie ist die Grounded Theory aus mehreren Gründen. Neben der Möglichkeit, das Forschungssetting in einem zirkulären Prozess immer wieder neu den gegebenen Erfordernissen und Erkenntnissen anzupassen, ist es hilfreich, schon während des gesamten Prozesses die gewonnenen Erkenntnisse, Hypothesen bzw. neuen Fragen in den nachfolgenden Teil der Erhebung sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf das Setting (z. B. methodisches Vorgehen, Zusammenstellung der beteiligten Kinder) einfließen zu lassen. Der permanente Vergleich von Fällen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Möglichkeit, gewonnene Erkenntnisse mit bekannten Theorien in Beziehung zu setzen und somit die Deutungen und Sinnstrukturen der Kinder in einen größeren Bezugsrahmen zu integrieren.718 Gleichzeitig ist es möglich, lange Zeit an den Formulierungen der Kinder719 zu bleiben und nach Konkretisierungen zu suchen und diese nicht vorschnell in bestehende Konzepte bzw. Theorien einordnen zu müssen. Die Entwicklung von Theorien erfolgt dabei in intensiver Auseinandersetzung mit dem Material720, wobei Datenerhebung und Auswertung in einem wechselseitigen Prozess stehen. Die einzelnen Etappen der Studie wurden gründlich vorbereitet, die Daten jeweils analysiert und ausgewertet und anschließend wurde auf der Grundlage der Ergebnisse sowie einer theoretischen Reflexion die nächste Erhebung geplant. Durch das zirkuläre Vorgehen steht die Forschung in einer permanenten Reflexion sowohl im Hinblick auf die gesamte Studie als auch auf deren Teilschritte.721 Diese Überlegungen entsprechen der offenen Fragestellung und ermöglichen so ein langsames und schrittweises Erkennen.722

716 717 718 719 720 721 722

Strübing 2014, 11; vgl. auch Strauss/Corbin 1996. Corbin, 2011, 71. Vgl. auch Hülst 2010, 21. Auch In-vivo-Kodes ermöglichen es, lange an den Aussagen der Kinder zu bleiben. Vgl. Strübing 2014, Kap. 2. Vgl. auch Flick 2010, 126f. Vgl. dazu auch Hülst 2010, 293. Er weist darauf hin, dass im Rahmen der kreativ-geistigen Auseinandersetzung und Neustrukturierung ein »plötzliches ›Erkennen‹ von Zusammenhängen« möglich wird.

178

6.2

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

Möchte man einen Einblick in die Denkweisen der Kinder und ihre Sicht auf das Lernen erhalten, ist es meines Erachtens notwendig, Kinder selbst zu Wort kommen zu lassen und ihre Gedanken zu hören und nicht nur auf die Perspektive von Lehrenden zurückzugreifen. Dieser Zugang ist forschungsmethodisch nicht unumstritten, wenngleich es gerade im Bereich der Kindheitsforschung hierzu zahlreiche Beispiele sowie forschungsmethodische Reflexionen und eine theoretische Aufarbeitung gibt. Auf einige Herausforderungen, die für die vorliegende Studie von Bedeutung sind, soll im Folgenden theoretisch und forschungsmethodisch eingegangen werden. Zunächst wird der grundsätzlichen Frage nachgegangen, was es bedeutet, mit Kindern zu forschen und sie nicht nur als Objekt von Forschung zu sehen. Ebenso wird danach gefragt, was es bedeutet, Kinder ernst zu nehmen und welche forschungsmethodischen Herausforderungen damit einhergehen. Davon ausgehend wird Beobachtung als zentrale Kategorie von Forschungshandeln (nicht als Methode) beleuchtet und reflektiert. Anknüpfend an die theoretische Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus in Kapitel 2 wird im Anschluss daran die Konstruktion von Wirklichkeit im Hinblick auf qualitative Sozialforschung diskutiert. Ebenso werden das Verstehen von Kinderäußerungen sowie Konsequenzen für den Umgang damit fokussiert.

6.2.1 Forschen mit Kindern Wenn Kinder als Akteure ihrer Umwelt und Konstrukteure ihres Lebens betrachtet werden, wie es in der Kindheitsforschung selbstverständlich ist723, hat dies auch Auswirkungen auf das Konzept des Lernens. Diese Grundannahme wirft zahlreiche Fragen auf, die für den pädagogischen Alltag bedeutsam sind: Wie viel Verantwortung können Kinder für ihr Lernen übernehmen? Ab welchem Alter und für welchen Bereich? Wie muss Unterricht gestaltet sein, damit dies möglich wird? Und wie kann eine Förderung von Eigenverantwortung in diesem Bereich aussehen? Um solchen Fragen auf den Grund zu kommen, ist es in der Kindheitsforschung von Bedeutung, die Perspektive der Kinder mit in die Forschungspraxis einzubeziehen und in den Mittelpunkt zu stellen. Gerade in der Grundschulpädagogik wird seit vielen Jahren der forschende Blick stärker auf die »aktive, kompetente und pragmatische Auseinandersetzung 723 Vgl. Heinzel 2010; 2012; Hurrelmann/Bründel 2003; Honig 1999.

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

179

der Kinder mit dem schulischen Alltag«724 selbst gerichtet. Honig sieht das zentrale Interesse der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung bei den Kindern selbst als ›Personen aus eigenem Recht‹725, sie werden nicht als zukünftige Erwachsene in den Blick genommen, sondern als Kinder, die ihren Alltag bewältigen und dabei eigene Konstruktionen von Wirklichkeit entwickeln. Die sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung kritisiert mit dem ›Konzept der generationalen Ordnung‹ die »Einteilung der Gesellschaftsmitglieder nach Alter und Generation [als] eine gesellschaftliche Konstruktion und keine ›natürliche Ordnung‹«726. Auch Qvortrup sieht »Kindheit als eine gesellschaftliche Lebensform im historischen Wandel mit einer Eigenständigkeit im Verhältnis zu anderen Lebensphasen und anderen Generationen«727. Im Konzept vom »Kind als sozialem Akteur«728 werden »Kinder als […] vollwertige Gesellschaftsmitglieder betrachtet«729. Kindheit und Jugend sind zwei Phasen, die nach Honig vollständig von Familie und Schule bestimmt sind, wobei man häufig den Eindruck gewinnt, dass die Schule als Ort für soziale Beziehungen und Erfahrungen in ihrem Mittelpunkt steht.730 In der hier vorgelegten Studie wird davon ausgegangen, dass Kinder selbst über ihre Erfahrungen und ihr Lernen Auskunft geben können, so wie dies im Rahmen ihrer Entwicklung und ihrer Erfahrungen möglich ist. Kinder entwickeln sich stetig weiter, sie erwerben, erweitern und vertiefen ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, Einstellungen und Haltungen. Diese sind entwicklungs- und ausbaufähig und werden immer wieder in Frage gestellt.731 Gleichzeitig wird auch die pädagogische Verantwortung der Lehrpersonen gesehen, die Kinder in ihrer je eigenen Entwicklung im Blick zu haben. Diese wechselseitige Bezogenheit ist durchgängig mit zu reflektieren, wenn Kinder selbst zu Wort kommen und von hier aus Lehr-Lern-Konzepte von Lehrenden (Erfahrungswissen) auch in der Auseinandersetzung mit theoretischen Konzepten (Orientierungswissen) überdacht und ggf. verändert werden. Wenn hier von der »Perspektive der Kinder« gesprochen wird, bezieht sich dies auf die Art und Weise, wie Kinder ihre Wirklichkeit erleben und entwerfen. Um solche Konstruktionen erfassen zu können, sind qualitative Forschungs724 725 726 727 728 729 730 731

Heinzel u. a. 2012,14. Honig 1999, 158. Honig 1999, 158. Zitiert nach Hurrelmann/Bründel 2003, 40f. Heinzel 2012b, 179. Heinzel 2012b, 179. Vgl. Honig 1999, 157–160. Entwicklungspsychologisch erklärt Piaget das Lernen beispielsweise mit Hilfe von Assimilations- und Akkommodationsprozessen. Reichen Phasen der Assimilation nicht mehr aus, weil Neues nicht mehr in bisherige Konzepte passt, wird ein Umbau der kognitiven Strukturen notwendig. Akkommodation stellt sich ein.

180

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

methoden in besonderer Weise geeignet.732 Hurrelmann und Bründel weisen darauf hin, dass für die Beschreibung und Erforschung der Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes die Selbstsicht – Innensicht – des Kindes sowie die Fremdsicht aus der Perspektive des Forschers bzw. der Forscherin von Bedeutung sind.733 Auch aus der Perspektive der psychologischen Forschung mit Kindern kommt es auf das Zusammenspiel von Innensicht und Außensicht an. Eine Perspektive allein kann den Ansprüchen an das oben beschriebene Konzept von Kindheit nicht gerecht werden. Grundsätzlich kann zwischen einer Forschung über Kinder und einer Forschung mit Kindern unterschieden werden.734 Die vorliegende Forschung möchte auf Letztere Bezug nehmen und Kinder als Experten ihres Denkens und Agierens zu Wort kommen lassen und einbeziehen, um Anhaltspunkte für das Verstehen von Kindern und Anregungen für den Unterrichtsalltag zu gewinnen. Dass Interpretationen und Deutungen mündlicher und schriftlicher Aussagen sowie Beobachtungen der Kinder stets Konstrukte aus der Erwachsenenperspektive bleiben, ist dabei bedeutsam. Auf die damit verbundenen Herausforderungen wird in den folgenden Kapiteln weiter eingegangen.

6.2.2 Kinder mit ihrer Perspektive ernst nehmen Kinder ernst zu nehmen ist Pädagoginnen und Pädagogen in aller Regel wichtig. Ein differenzierterer Blick auf diese Grundhaltung zeigt jedoch, dass dies im Alltag sowohl in der Schule als auch in der Forschung eine besondere Herausforderung ist. Wie schnell wird aus der Erwachsenen- oder Professionsperspektive »gewusst«, vermutet oder antizipiert, was Kinder denken und warum sie etwas in dieser Weise angehen, wie sie es tun. Wie bereits im Kapitel zum Konstruktivismus verdeutlicht, ist dies ein Fehlschluss und beruht auf reiner Spekulation. Kinder ernst zu nehmen kann deshalb nur heißen, ihnen auch das Wort zu geben. Seit dem Beginn der 1990er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde es in der Kindheitsforschung zunehmend relevanter, die Kinder selbst zu Wort kommen zu lassen und schulische Bereiche, Fragen und Details ›mit den Augen der Kinder‹ sehen zu lernen.735 In der Grundschulpädagogik werden vor allem 732 733 734 735

Vgl. auch Heinzel 2010; Behnken/Zinnecker 2010; Honig u. a. 1999. Vgl. Hurrelmann/Bründel 2003, S. 51. Vgl. Heinzel 2010; Mey 2010. Vgl. Heinzel 1997; Valtin 1991; Graf 2004; Morys 2007; Binder 2010. Wie Heinzel zurecht betont, war es bereits in der Reformpädagogik wichtig, »Kinder als Informanten über ihre eigenen Lernprozesse […] zu verstehen und ihnen in ihrem Denken zu begegnen« (Heinzel 1997, 396).

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

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»qualitative Interviews genutzt, um Denkweisen, Lerngewohnheiten, Arbeitsstile, Erwartungen […] und Verarbeitungsmuster von Schülerinnen und Schülern aus ihrer subjektiven Perspektive erfassen und bei der pädagogischen Arbeit in der Schule berücksichtigen zu können.«736

Zunehmend werden diese durch Gruppendiskussionen737 oder Formen der Dokumentation738 ergänzt und teilweise auch ersetzt. Die narrative Kompetenz ist bei Kindern schon früh ausgeprägt. Die mündliche Sprache ist neben der haptischen Auseinandersetzung mit der Welt ein zentraler Zugang, mit welchem die Möglichkeit zu Kommunikation und Aneignung verbunden ist. Die Fähigkeit zur Reflexion bildet sich erst später aus. Sie kann durch den Einsatz reflexiver und metakognitiver Methoden in der Schule gefördert werden.739 Die Fähigkeit der Kinder zur subjektiven Wahrnehmung und Interpretation ist an ihre emotionale, kognitive und soziale Entwicklung geknüpft und davon abhängig.740 Deshalb sind Deutungen und Interpretationen des Forschers bzw. der Forscherin behutsam vorzunehmen. Diese auf Kinder in einem gewissen Alter oder mit speziellen (Vor-)Erfahrungen zu übertragen ist nur bei einer entsprechend großen Stichprobe möglich. Dieser Anspruch wird an die vorgelegte Forschung nicht angelegt. Vielmehr steht im Vordergrund, Einblicke in Gedanken und Konstruktionen von Kindern zu erhalten, um damit eine bewusstere Wahrnehmungsfähigkeit im Unterrichtsalltag anzuregen und anzuleiten sowie auf Forschungslücken hinzuweisen. In der vorliegenden Studie wird von einer narrativen Kompetenz der Kinder ausgegangen, die es ihnen ermöglicht, anknüpfend an konkrete Situationen aus dem Unterricht (im Sinne der »Werknähe«) ihr Lernen, Tun und Denken zu reflektieren. Dies geschieht im Wissen darum, dass ihre subjektiven Wahrnehmungen und deutenden Konstruktionen an ihre je eigene emotionale, kognitive und soziale Entwicklung gebunden sind und durch das soziale Setting der Gruppe beeinflusst werden.

736 737 738 739

Heinzel 1997, 399. Vgl. Schönknecht 2006; Michalek 2009. Vgl. Graf 2004; Hennecke 2012; Benz 2015. Vgl. Beck 1996. Schneider und Lockl (2006) zeigen in ihrer Studie Stadien der Entwicklung des deklarativen Metagedächtnisses vom Kindergartenalter bis zum Ende der Grundschulzeit auf. Darüber hinaus spielt das prozedurale Metagedächtnis, das für die Überwachung (monitoring) und die Kontrolle (control) kognitiver Prozesse zuständig ist, für die Metakognition eine wesentliche Rolle (vgl. auch Schneider/Lockl 2007). Vgl. auch Kap. 5.5. 740 Vgl. Hurrelmann/Bründel 2003, 51. Hurrelmann und Bründel beziehen sich hier auf Fuhrer, U./Quaiser-Pohl, C. (1997): Ökologisch-kulturbezogene Entwicklungspsychologie und neue soziologische Kindheitsforschung. In: Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie 17/1997. Heft 2.

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Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

6.2.3 Beobachtung – ein subjektiver Prozess Jegliche Deutung beruht auf Beobachtungen. Da Menschen ständig in Beobachtungsprozesse verwickelt sind, soll hier aus forschungsmethodischer Perspektive das Phänomen der Beobachtung ins Zentrum gerückt werden, obwohl die Beobachtung nicht als Forschungsinstrument an sich genutzt wird. Gerade im konkreten Forschungssetting läuft Beobachtung jedoch ständig mit. Sie beeinflusst bewusst und auch unbewusst das Agieren der Forscherin. In der Reflexion hat sie Auswirkungen sowohl auf die Interpretation und Deutung als auch die Planung des weiteren Forschungsverlaufs. Gibson bezeichnet Wahrnehmen als einen »psychosomatischen Akt, weder des Geistes noch des Körpers, sondern eines lebenden Beobachters«741. Beobachtung ist dabei in zweierlei Hinsicht zu verstehen: Aufmerksam sein für die Situation und deren Kontext, aber auch für das, was im Beobachter / in der Beobachterin selbst vor sich geht – oder beides zugleich.742 Diese doppelte Gerichtetheit weist auf die Komplexität eines Beobachtungsvorgangs hin. »Wahrgenommen werden nicht isolierte Elemente, sondern Relationen, Zusammenhänge, Gestalten, d. h. differenzierte Gebilde, wahrgenommen wird in Kontexten.«743 Somit heißt Wahrnehmen, dass ein strukturiertes Ganzes wahrgenommen und vom Beobachter / von der Beobachterin erfasst werden muss. Beim Verstehen kommt es dann zu subjektiven Deutungen, die von individuellen Erfahrungen und dem Kontext abhängig sind. Die Deutungen können je nach Perspektive und aktuellen Erfahrungen auch wechseln, sind also nicht nur inter-, sondern auch intrasubjektiv.744 In allen Phasen der Forschung, sei es bei der Planung, der Datengewinnung, der Interpretation oder der Auswertung, ist es unmöglich, objektiv oder neutral an die Sache heranzugehen. Die subjektiven Erfahrungen, eigene Bilder von Kindheit oder auch idealisierte Vorstellungen werden diese stets mit prägen.745 Das Bewusstsein darüber, aber auch die kommunikative Validierung in allen Phasen des Umgangs mit den Daten sollen die subjektiven Sichtweisen und mögliche blinde Flecken zugänglich und somit eingrenzbar machen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Erinnerungen kein Abbild einer erinnerten Situation bzw. eines vergangenen Ereignisses sind, denn im Erinnern selbst liegen bereits konstruktive Akte des Individuums.746 Hinzu kommt, dass Sachverhalte und Situationen aus der Distanz anders eingeschätzt und gedeutet werden.747 741 742 743 744 745 746

Gibson 1982, 258. Vgl. Gibson 1982, 258. Reh 2012, 20. Vgl. auch Luhmann nach Reh 2012. Vgl. Heinzel 2010; 2012. Vgl. Helfferich 2011, 78.

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

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6.2.3.1 Beobachtungen entstehen im Zusammenspiel Auch wenn die Beobachtung nicht zentrales Instrument der vorliegenden Forschung ist, spielt sie doch an vielen Stellen der Studie implizit eine Rolle. Wenn mit einzelnen Kindern oder einer kleinen Gruppe gearbeitet wird, werden sich Beobachtungen einstellen, die eine Situation mitbeeinflussen und mitunter direkt (z. B. über Notizen) oder indirekt in die Auswertung und Deutung einfließen. »Das, was der Beobachter oder die Beobachterin sieht, was er oder sie wahrnimmt, ist Ergebnis eines Zusammenspiels von erwachsenem Beobachter und beobachtetem Kind. Die Beobachter sind Teil der beobachteten Situationen und wirken an den Erfahrungen und Interaktionen der Kinder mit.«748

Von diesen Einflüssen kann sich keine Person freimachen. Wichtig ist jedoch, dass diese ins Bewusstsein gerückt sind und soweit als möglich reflektiert werden. Dazu werden aus Sicht der Forscherin wichtige Beobachtungen, die während der Studie entstehen, beispielsweise als Notiz festgehalten. Auch diese Notizen sind bereits mit Interpretationen verknüpft, denn durch eine Beschreibung wird der Beobachtung von Anfang an ein Sinn verliehen, den der Beobachter bzw. die Beobachterin dieser zuschreibt. Somit ist und bleibt es ein Versuch, sich der Perspektive des Kindes anzunähern.749 6.2.3.2 Unterschiedliche Perspektiven treffen sich – Perspektivendifferenz »Die Perspektive der Kinder zu verstehen und stellvertretend einzunehmen, bedeutet immer auch anzuerkennen, dass zwischen Kindern und Erwachsenen eine Perspektivendifferenz besteht. Die Frage, wie Kinder in Forschungssituationen gebührend zu Wort kommen und ob ihre Sichtweisen von den erwachsenen Forscherinnen und Forschern angemessen verstanden werden, wie Kinder als Gruppe in erwachsenenzentrierten Surveys berücksichtigt werden können, sind zentrale Probleme einer Forschung ›aus der Perspektive von Kindern‹«750.

In der Forschungspraxis wird dabei immer wieder diskutiert, ob die Sichtweisen von Kindern von den erwachsenen Forscherinnen und Forschern überhaupt angemessen verstanden werden können. Auch die sprachlichen und schriftlichen Äußerungen der Kinder unterscheiden sich von denen der Erwachsenen und hängen von deren kognitiven Entwicklung, Sprach-, Lese- und Schreibfähigkeit ab.751 747 748 749 750 751

Diese Prozesse kennen wir ebenso aus der Theologie und deren Hermeneutik. Heinzel 2012b, 184. Vgl. Heinzel 2012. Heinzel 2012, 17; vgl. auch Heinzel 2010. Vgl. Heinzel 2010; 2012d, 27.

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Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

Hinzu kommt die Problematik der Generationenbeziehungen. So erfolgt die Kommunikation zwischen erwachsenen Forscherinnen bzw. Forschern und Kindern auf ungleichen Ebenen.752 Wie die damit verbundene hierarchische Situation gemeistert wird, hängt laut Heinzel von den individuellen Lebenserfahrungen der Kinder ab.753 Ein weiterer Aspekt ist die Art und Weise, wie es der Forscherin bzw. dem Forscher gelingt, mit dieser Spannung umzugehen und auf das Kind in der jeweiligen Situation einzugehen und die generationale Ordnung zu reflektieren. Folglich sollte das Setting so zu gestalten sein, dass eine soziale Erwünschtheit möglichst gering gehalten wird. Lange und Mierendorff sprechen neben der generationalen Ordnung auch von Machtbeziehungen, die entstehen können. In der vorliegenden Forschung kann dieser Aspekt insofern vernachlässigt werden, als die Forscherin nicht in den allgemeinen Schulkontext involviert ist und ebenso wenig als erziehende, lehrende und bewertende Person während und außerhalb der Forschung agiert.754 Die generationale Ordnung wird durch Gespräche in Gruppensituationen relativiert, dabei trägt auch das Ziel, dass die Kinder miteinander ins Gespräch kommen, zur Reduktion des Einflusses und der Bedeutung der Forscherin bei. Die Forscherin hat lediglich die Aufgabe, das Gespräch zu initiieren, am Laufen zu halten und von Zeit zu Zeit zu stimulieren, also einen selbstläufigen Diskurs zu ermöglichen. Nach Heinzel zeigt sich die Erwachsenenzentriertheit der Forscherinnen und Forscher in zweierlei Hinsicht. Ganz selbstverständlich werden zunächst einmal bei den Forschungsinteressen die Perspektive und der Maßstab der Erwachsenen angelegt. Zum zweiten fließen auch bei Datengewinnung, Interpretation und Auswertung normative Vorannahmen der erwachsenen Forscherinnen und Forscher unwillkürlich ein.755 Diese gründen auf Normvorstellungen über Kindheit und Entwicklungen von Kindern und werden teilweise mit der eigenen erlebten Kindheit in Zusammenhang gebracht. Dadurch werden sie biografisch gefärbt oder es handelt sich um idealtypische Vorstellungen, wie Kinder sind bzw. sein sollen.756 Ersteres halte ich aus der Perspektive von Forschung für legitim, wenn Forschende sich darüber im Klaren sind. Die normativen Unterstellungen bzw. Vorannahmen hingegen verzerren die Sichtweisen. Sie sollten deshalb durch eine bewusste Herangehensweise und eine kommunikative Validierung während des gesamten Forschungsprozesses eingegrenzt werden. In dieser Studie war daher in der Phase der Auswertung der bewusste und reflektierte Austausch mit anderen Forscherinnen und Forschern, beispielsweise in

752 753 754 755 756

Vgl. Heinzel 2010. Vgl. Heinzel 2010, vgl. auch Lange/Mierendorff 2009. Vgl. Lange/Mierendorff 2009. Vgl. Heinzel 2010; 2012. Vgl. Heinzel 2012b, 175f.

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

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gemeinsamen Auswertungsgesprächen und Diskussionen, von Bedeutung. Eigene Sichtweisen wurden dabei hinterfragt und begründet.

6.2.3.3 Beobachtung als mitlaufendes Instrument Beobachtungen laufen auf unterschiedlichen Ebenen in der Studie mit und werden beständig reflektiert, hinterfragt und im Forschungstagebuch notiert. Dabei kann unterschieden werden zwischen Beobachtungen während der Erhebungssituationen und Beobachtungen im Unterricht. Beobachtungen, die im Zusammenhang mit den Gesprächen mit den Kindern gemacht wurden, wurden im Anschluss aus dem Gedächtnis protokolliert. Hierzu gehören beispielsweise die Tagesverfasstheit757 der Kinder, Ereignisse, von denen ein Kind vor oder nach dem Gespräch erzählt hat, oder emotionale Beobachtungen, wie beispielsweise, ob sich ein Kind wohlgefühlt oder in welcher Situation es sich zurückgezogen hat. Letztere beruhen vor allem auf Beobachtungen der Körpersprache, Mimik und Gestik. Bei auffälligem Verhalten, das von bisherigen Beobachtungen abweicht, wurde meist am Ende der Gesprächssequenz persönlich nachgefragt. Manche Kinder konnten sich dazu äußern, andere wussten den Grund nicht oder konnten bzw. wollten ihn zumindest nicht formulieren. Daneben gab es die Beobachtungen während des Unterrichts. Zu Beginn der Studie wurde mehrere Tage hospitiert, um die Kinder kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen. Während der Erhebungsphasen fand vor und nach den Gesprächen zeitweise eine Teilnahme am Unterricht statt. Während des Unterrichtsprojekts, auf das in der letzten Erhebungsphase in den Gesprächen mit den Kindern Bezug genommen wurde, war ich als Forscherin und somit Beobachterin die gesamte Zeit dabei. Nur so war es möglich, in den Meta-Gesprächen im Anschluss darauf Bezug zu nehmen. Diese Beobachtungen erfolgten nicht systematisch und können nur teilweise dem Bereich der teilnehmenden Beobachtung zugeordnet werden.758 Dennoch waren sie für den Forschungsprozess in doppelter Hinsicht von Bedeutung. Sie ermöglichten einen differenzierten und erweiterten Zugang zu den Perspektiven der Kinder, da Gesagtes dadurch bestätigt, verstärkt oder in Frage gestellt wurde. Ebenso hatten sie Einfluss auf den weiteren Verlauf des Forschungsprozesses, wenn beispielsweise aufgrund der Beobachtungen inhaltliche Aspekte, die zuvor nicht im Blick waren, daraufhin in die Gespräche aufgenommen oder in den Gesprächen einzelne Situationen reflektiert werden konnten. 757 Damit sind Aspekte wie Konzentration, Müdigkeit, Laune, besonderes Interesse oder weitere besondere Auffälligkeiten gemeint. 758 Vgl. Boer/Reh 2012, 85–169.

186

Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

6.2.4 Das Problem der Konstruktion von Wirklichkeit Tragend für diese Studie sind konstruktivistische Perspektiven. Nachdem diese im ersten Teil explizit im Hinblick auf die Theologie und das Theologisieren, also sowohl fachwissenschaftlich als auch fachdidaktisch und religionspädagogisch beleuchtet wurden, soll in diesem Abschnitt die forschungsmethodische Perspektive ergänzt werden. Während aller Phasen der Forschung ist die Konstruktion von Wirklichkeit zu bedenken. Sie prägt und beeinflusst das Denken und Handeln in der jeweiligen Situation. Auch Kommunikation findet stets in einer sozialen Situation statt, wobei die Erschließung dieser sozialen Wirklichkeit grundsätzlich in drei Richtungen erfolgen kann: Sender, Empfänger und sozialer Prozess.759 Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass die Forscherin bzw. der Forscher eine beobachtete Situation – und dabei sind wir schon auf der Ebene zweiter Ordnung – deutet und so den weiteren Verlauf steuert. Dies trifft sowohl auf den Verlauf der Studie und somit die Gestaltung ihrer einzelnen Teile zu als auch auf einzelne Interviews, Befragungen oder Gruppendiskussionen. Hier werden einzelne Aussagen von der Forscherin spontan in der Situation – zum Teil bewusst, zum Teil auch unbewusst – gedeutet und dadurch der weitere Gesprächsverlauf beeinflusst.760 Durch diese subjektiven Einflüsse werden einzelne Aspekte ins Zentrum gerückt, andere bewusst oder unbewusst vernachlässigt. Auch die Kinder reagieren spontan aus der Situation heraus und legen ihr momentanes Verständnis ihren Äußerungen zugrunde. Jegliches Agieren, sei es verbal oder nonverbal, geschieht in einem sozialen Kontext, der seine eigene Sprache und Logik mit sich bringt. Teilweise kann der Kontext durch informierende Gespräche mit der Lehrerin oder durch Gespräche im Schulalltag mit den Schülerinnen und Schülern zugänglich werden. Auch die Sichtweisen sind eingeschränkt und von den unterschiedlichen Rollen geprägt. So hat beispielsweise eine Lehrerin einen anderen Blick auf ein Kind oder eine Situation als die Forscherin, die Eltern oder die Erzieherinnen aus dem Ganztagesbereich. Wirklichkeit wird nicht nur aus unterschiedlichen Perspektiven gespeist und verstanden, sondern entsteht auch im konkreten Forschungssetting, das künstlich geschaffen wird. Um Irritationen bei den Kindern so gering wie möglich zu halten, war es in dieser Studie wichtig, die Erhebungen nah am Unterricht zu verorten und zu gestalten: bezogen auf den Raum (Bücherei), die

759 Vgl. Atteslander 2008, 182–184. 760 Diese Problematik ist sowohl bei der Planung der einzelnen Sequenzen immer wieder bewusst geworden als auch beim Lesen der Interviews. Gerade bei den Interviews stellte sich immer wieder die Frage, wie es anders verlaufen wäre, hätte die Gesprächsleiterin anders agiert bzw. reagiert.

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

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Zeit (während der freien Lernzeit) und die bewusst gestalteten Situationen (siehe z. B. verwendetes Material und Themen bei den Gruppendiskussionen). Für Hülst geht das Ernstnehmen der Konstruktion von Wirklichkeit mit der Aufgabe eines objektiven Absolutheitsanspruchs in der Forschung einher, wie es bereits im Kapitel zum Konstruktivismus deutlich wurde. »Da Forschende nicht nur während der Analyse ihrer Daten mit Konstruktionen arbeiten, sondern bereits bei der Erhebung ihrer Daten ins untersuchte Geschehen involviert sind bzw. auf Dokumente zurückgreifen, die von anderen Personen konstruiert wurden, besteht eine grundlegende und nicht hintergehbare Verwicklung zwischen Forschenden und der von ihnen untersuchten Wirklichkeit, der nur durch das Aufgeben eines objektivistischen Absolutheitsanspruchs begegnet werden kann.«761

Im Bewusstsein dessen, dass jede Wahrnehmung, Beschreibung, Deutung und Schlussfolgerung nur eine Möglichkeit unter anderen darstellt, werden Entscheidungen soweit als möglich transparent und somit zugänglich und nachvollziehbar gemacht. Was ist wahr? – Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Wahrheit im Kontext qualitativer Sozialforschung Ausgehend von den vorausgegangenen Überlegungen ist nun zunächst die ›Wahrheitsfrage‹762 aus forschungstheoretischer Perspektive zu klären. Wenn wie oben dargestellt jede Person ihre eigene Wirklichkeit kontext- und erfahrungsgebunden konstruiert, bleibt die Frage, was denn nun wahr ist, wer Recht hat oder wem zu glauben ist. Dieser Frage soll hier aus der Perspektive der Forschung nachgegangen werden. Ausgehend von der Auseinandersetzung im ersten Teil der Arbeit kann festgestellt werden, dass eine eindeutige Antwort nicht möglich ist. Blicken wir deshalb auf ein konkretes Beispiel: Ein Kind erzählt der Forscherin im Interview, was es im Moment – in dieser Situation – als wahr bzw. richtig erachtet. In einer anderen Situation763 oder auch im Gespräch mit einer anderen Person kann diese Wahrheit jedoch ganz anders aussehen. Nun werden andere Aspekte erzählt, es wird anders argumentiert, Dinge werden ausgeschmückt oder weggelassen etc. Dabei geht es nicht um Wahrheit, NichtWahrheit oder sogar Lüge, sondern um unterschiedliche Versionen von Wahrheit, die in der jeweiligen Situation subjektiv und kontextgebunden wahrgenommen bzw. erlebt werden. Wir müssen uns also den subjektiven, situati761 Hülst 2010, 284. 762 Vgl. Helfferich 2011, 76–81 und 95–98. 763 Dabei kann sowohl das Vertrauensverhältnis zwischen interviewtem Kind und mir als Forscherin eine Rolle spielen als auch die Erfahrungen, die eine der Personen (oder beide) im Hinblick auf das Gesprächsthema gerade besonders prägen.

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Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

onsgebundenen Wahrheiten764 stellen. Dies ist im Alltag nicht weiter problematisch, es erschwert jedoch den Umgang mit Forschungsdaten bei der Auswertung.765 »Dass soziale Wirklichkeit immer als schon interpretierte, gedeutete und konstruierte Wirklichkeit Forschungsgegenstand ist«766, ist die Herausforderung für alle qualitativen Verfahren. »Die ›Wahrheitsfrage‹ setzt immer einen Standpunkt und eine Logik voraus […].«767 Somit gilt es bei der Auswertung von Daten, sich immer wieder darüber bewusst zu werden, dass Wahrheiten situationsgebunden sind und die subjektiven Theorien von den jeweiligen Bezugssystemen abhängen, um dann nach Möglichkeiten der Rekonstruktion dieser Wahrheiten zu suchen. Dies macht auch die Reflexion der eigenen Bezugssysteme und Theorien während des Forschungsprozesses erforderlich, wie es in der Grounded Theory selbstverständlich ist. Ebenso ist es notwendig, sich ganz auf die Kinder einzulassen, um dadurch die eigene Sensibilität und Empathiefähigkeit sowie eine differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit zu entwickeln, Ziel ist es schließlich, die Aussagen der Kinder angemessen und in einem größeren Kontext verstehen zu können. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Zeitfaktor. Im Rahmen dieser Studie war es möglich, über einen Zeitraum von knapp zwei Schuljahren mit diesen Kindern zu arbeiten und sie intensiv kennen zu lernen. So konnte ein Gefühl768 und ein Verständnis dafür erwachsen, was ein Kind mit einer Aussage möglicherweise sagen möchte. Auch wenn es unumstritten ist, dass es eine »Vielzahl von Versionen ›subjektiver Wahrheit‹ und eine situativ korrekte Aussage gibt«769, bleibt doch das Bestreben, im Gespräch mit den Kindern Widersprüche aufzudecken und zu klären oder nicht eindeutige bzw. mehrdeutige Aussagen zu präzisieren. Kinderaussagen können die Forscherin irritieren und wollen gleichzeitig im Hinblick auf die Fragestellung verstanden werden. Doch schon im Nachfragen werden neue Konstruktionen auf beiden Seiten möglich, da alle beteiligten Personen in eine Kommunikation unwillkürlich ihre Relevanzsysteme und Wirklichkeitskonstruktionen einbringen. »Auch wenn nur eine Person erzählt, ist der Text doch eine Ko-Produktion und die Interviewenden sind Ko-Produ764 Vgl. Helfferich 2011, 76. 765 Hier ist zu bedenken, dass es »nicht unumstritten ist, ob die Sichtweisen und Bedeutungssysteme von Kindern aus der Perspektive erwachsener Deutungsgewohnheiten und Relevanzsysteme überhaupt angemessen rekonstruiert werden können« (Heinzel 2012b, 180; Honig 1999; Hülst 2012a). Diese Unsicherheit trägt dazu bei, die Deutungen mit der notwendigen Sensibilität vorzunehmen und ebenso wenig einen Anspruch auf eine Allgemeingültigkeit zu erheben. 766 Helfferich 2011, 76. 767 Helfferich 2011, 77. 768 Damit ist in erster Linie nicht ein emotionales Gefühl gemeint, sondern ein Verstehen für die Art und Weise, wie sich ein Kind äußert. 769 Helfferich 2011, 96.

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

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zierende.«770 Jeder Kommunikationsprozess ist nur ein Ausschnitt aus dem Interaktionsprozess, wobei Gesprächsleitung und Erzählkind bzw. Erzählkinder aufeinander reagieren. Ko-Konstruktion entsteht somit kontextgebunden und ist auch in dieser Gebundenheit zu verstehen. Ob dies immer gelingt, ist jedoch fragwürdig.

6.2.5 Den anderen verstehen – Kinder verstehen In einer komplexen Situation das Gegenüber so zu verstehen, dass es der jeweiligen Aussageabsicht entspricht, das ist mit »Fremdverstehen«771 gemeint. Dazu muss eine Außenperspektive bzw. die Perspektive eines anderen eingenommen werden können.772 In einer Gesprächssituation muss dieses Verstehen ad hoc geschehen. Oft ist das Verstehen dann auf Intuition773 gestützt, da keine Zeit zum Überlegen und Reflektieren bleibt. Deshalb wird in den Befragungsund Gesprächssituationen häufig nachgefragt oder die Aussagen der Kinder werden gespiegelt. So haben sie die Möglichkeit, das Verstandene zu bestätigen oder ihre Sicht noch einmal eindeutiger zu formulieren.774 Damit wird versucht, die Diskrepanz zwischen den Relevanz- und Bezugssystemen aufzulösen. »Verstehensprozesse in der Interviewsituation selbst bestehen, analytisch nicht trennbar, aus Wahrnehmen – und das heißt hier : Hören, aber auch nonverbale Signale der Erzählperson Sehen – und Deuten. Dass Wahrnehmung selektiv ist, ist allgemein bekannt. Im Zusammenhang mit qualitativen Interviews ist die Form von Selektivität wichtig, die daher rührt, dass ich als Interviewende höre oder sehe, was ich deuten und

770 Helfferich 2011, 80. 771 Vgl. Helfferich 2011, 84–90. 772 Die Perspektive der Kinder einnehmen zu können, ist im Hinblick auf das ›Konzept der generationalen Ordnung‹ (Heinzel 2012b, 179) in Frage zu stellen. Kann es gelingen bzw. inwieweit kann es gelingen, die ›natürliche Ordnung‹ (ebd.), die durch Alter und Generation gegeben ist, aufzugeben und sich ganz auf das Gegenüber einzulassen? Hier wird versucht die Diskrepanz in Bezug auf das Machtverhältnis zwischen mir als erwachsener Forscherin und den Kindern dadurch gering zu halten, dass keine pädagogische Verantwortung und somit kein pädagogisches Handeln erforderlich sind. Ob und inwieweit es gelingt, mich auf die Perspektive einzulassen, ist schwer zu beurteilen. Dass das Fremdverstehen natürliche Grenzen hat, wird an dieser Stelle deutlich. 773 Unter Intuition ist laut Duden das »unmittelbare, nicht diskursive, nicht auf Reflexion beruhende Erkennen, Erfassen eines Sachverhalts oder eines komplizierten Vorgangs« (Drosdowski/Köster u. a. 1982, 357) zu verstehen. 774 An dieser Stelle gibt es eine große Nähe in der Gesprächsführung zu Theologischen Gesprächen. Auch hier sind das aktive Verstehen, Spiegeln, Rückfragenstellen oder Innehalten hilfreiche Möglichkeiten der auf Verstehen ausgerichteten Kommunikation (vgl. Freudenberger-Lötz 2008).

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Methodologische Annäherungen an das Forschen mit Kindern

einordnen kann und was von meinen Vorannahmen her einen Sinn verliehen bekommen kann. Was das Vorwissen in Frage stellt, irritiert oder gilt als unglaublich.«775

Hier wird die Bedeutung des Vorwissens und der Vorannahmen angesprochen, welche die Forscherin mitbringt, und gleichzeitig die Frage, wie diese in den Forschungsprozess eingebracht werden. Gerade bei der Interpretation der Daten, also bei der Auswertung, ist es unerlässlich, genau diese Stellen besonders sorgfältig in den Blick zu nehmen und die eigenen Vorannahmen kritisch in Frage zu stellen.776 Im Gespräch mit den Kindern war es jedoch wichtig, offen777 zu sein für das, was die Kinder sagen – auch wenn es nicht den eigenen Vorannahmen entsprach.778 In der Kommunikation zeigte sich dies darin, dass die Kinder nicht dazu genötigt wurden, sich festzulegen oder ihre Meinung zu ändern. Lediglich eine Präzisierung als Hilfe zum Verstehen wurde – wenn möglich – angestrebt. Somit zeigt sich gelingendes »Fremdverstehen«779 darin, wie es gelingt, »andere Menschen aus der Außenperspektive des oder der Anderen zu verstehen«780 oder anders ausgedrückt das »Gehörte nicht aus dem heraus zu verstehen, was man selbst als Zuhörende als ›selbstverständlich‹ weiß und kennt«781. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die dargestellten Herausforderungen machen deutlich, dass es nicht einfach damit getan ist, den Kindern das Wort in Interviews oder Gruppendiskussionen zu erteilen. Um die Sinnkonstruktionen der Kinder verstehen zu können, muss in der Auswertung die komplexe Situation der Kommunikation und Interaktion berücksichtigt werden. Bereits während der Erhebung müssen diese Aspekte bewusst sein, denn sie 775 776 777 778

Helfferich 2011, 85. Vgl. dazu auch die Kapitel zur Reflexion der Lehrerrolle und zur Auswertung der Daten. Vgl. Heinzel 2012b; Helfferich 2011. Dabei ist das »Aktive Zuhören« als Grundhaltung notwendige Voraussetzung. Hierzu gehört auch die »Fähigkeit, den Gesprächspartner gelten zu lassen, ihm das Recht auf seine persönliche Sichtweise zuzugestehen und auf Bewertungen zu verzichten, auch problematische Äußerungen zu ertragen und Geduld und Zeit zu haben« (Helfferich 2011, 91; vgl. auch Hennecke 2012, 128). 779 Vgl. Helfferich 2011, 84–90. Helfferich definiert »Fremdverstehen« als »andere Menschen aus der Außenperspektive des oder der Anderen zu verstehen« (ebd., 84). Klein fasst das Fremdverstehen noch weiter, indem sie über die sprachliche Ebene hinaus die Ebene des Kontexts und damit verbunden die begleitenden Interaktionen mit einbezieht (vgl. Klein 2000, 66). Dies ist zwar theoretisch durchaus nachvollziehbar und sinnvoll, erschwert jedoch die Auswertung zusätzlich und öffnet noch einmal das Einfallstor für die Subjektivität der Forscherin. Sind im Transkript bzw. dem Mittschnitt Stellen, die einer solchen Berücksichtigung bedürfen, soll dies zugunsten einer sensiblen Auswertung durchaus einbezogen werden. Dies an jeder Stelle zu leisten wäre jedoch nicht möglich. Bei Klein ist diese Perspektive durchaus berechtigt und notwendig, da sie mit Bildern der Kinder arbeitet und weniger mit sprachlichen Explikationen. 780 Helfferich 2011, 84. 781 Helfferich 2011, 84.

Herausforderungen bei der Durchführung qualitativer Sozialforschung

191

beeinflussen das Handeln aller beteiligten Personen und haben Konsequenzen für den weiteren Verlauf. Beobachtungen können – in all ihrer Subjektivität – helfen, die Aussagen der Kinder einzuordnen, zu verstehen und zu deuten und so einen Zugang zu ihren Welt- und Wirklichkeitskonstruktionen zu erhalten.

7

Das Forschungsdesign

In diesem Kapitel wird nun das Forschungsdesign dargestellt und erläutert. Aufgrund der zunächst unspezifischen Forschungsfrage und dem suchenden Herantasten an die Kinder und die Situation war der Prozess nicht stringent im Vorfeld planbar. Dies entspricht der offenen Herangehensweise mit Hilfe der Grounded Theory. Obwohl für die Auswertung nur ein Teil der erhobenen Daten verwendet wurde, sollen im Folgenden der gesamte Forschungsprozess und somit alle Erhebungsphasen in den Blick genommen werden, denn ohne dieses Gesamtsetting wäre die Studie in dieser Form so vermutlich nicht zustande gekommen. Maßgebliche Grundlage für die spätere Auswertung waren die letzten Erhebungen, die sich an das Unterrichtsprojekt zur Dreieinigkeit anschlossen. Im Folgenden werden zuerst die verschiedenen Erhebungsinstrumente vorgestellt und reflektiert. Im Anschluss daran wird meine Rolle als Forscherin noch einmal aus drei Perspektiven bedacht: die der eigenen Biografie, die der Nähe und Distanz und die des Verstehens und Deutens. Abschließend geht es um ausgewählte Gütekriterien qualitativer Sozialforschung, die im Hinblick auf die Studie relevant sind.

7.1

Die Erhebungsinstrumente

In diesem Kapitel werden zunächst allgemein und anschließend bezogen auf die vorliegende Studie die drei zentralen Erhebungsmethoden – das Einzelinterview, die Gruppenbefragung und die Gruppendiskussion – vorgestellt. Durch die Wahl der Methoden wird sowohl ein Blick auf subjektive Sichtweisen als auch auf das gemeinsame Konstruieren möglich. Die einzelnen Methoden werden jedoch in der Auswertung nicht voneinander unterschieden, da die Stichprobe für solch ein Vorgehen zu gering ist und die Auswertungsmethode dies nicht zwingend erfordert.

194

Das Forschungsdesign

7.1.1 Das Einzelinterview 7.1.1.1 Interviews mit Kindern als Methode der qualitativen Sozialforschung Gerade im Bereich der Kindheits- und Sozialisationsforschung sowie zunehmend auch in der Schulforschung werden Kinder in qualitativen Interviews befragt mit dem Ziel, möglichst authentische Aussagen zu erhalten, die den erwachsenen Forscherinnen und Forschern einen Einblick in eine ihnen fremde Wirklichkeit geben. Wenn Kinder ihr Lernen mitgestalten und auch schrittweise Verantwortung dafür übernehmen sollen782, sollte es selbstverständlich sein, sie als Personen mit eigenen Rechten, Interessen, Meinungen, Wünschen, Wertigkeiten und Konstruktionen dabei einzubeziehen. Fuhs warnt jedoch davor, Interviews für pädagogische Zwecke zu missbrauchen, indem vorschnell pädagogische Schlüsse gezogen werden. Ziel der Auswertung muss es vielmehr sein, »den subjektiven Sinn der Kinder als Akteure zu erschließen«783. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Trotz der von Fuhs vorgetragenen Warnung sollen die Chancen, die im Zusammenführen unterschiedlicher Perspektiven stecken, genutzt werden. Wie verschiedene Forschungen eindrücklich zeigen, kann durch das Zusammenführen unterschiedlicher Perspektiven ein neuer, anderer Blick auf konkrete Situationen des schulischen Alltags gewonnen werden. Die dabei hervorgebrachten Einsichten können dann zur Weiterentwicklung von Lehr-Lern-Prozessen beitragen. Eine derart differenzierte und reflexive Herangehensweise an komplexe Zusammenhänge bewahrt vor voreiligen Schlüssen und ermöglicht es, Implikationen für den Unterricht – aus pädagogischer und religionspädagogischer Perspektive – wie es auch Ziel dieser Arbeit ist, zu entwickeln. Interviews mit Kindern – mit dem Ziel, die Kinder mit ihrer je eigenen Sichtweise selbst zu Wort kommen zu lassen – wurden über lange Zeit als fragwürdig und kritisch angesehen, ebenso ist nach wie vor unklar, »inwieweit die Methodenkonzepte, die für Interviews mit Erwachsenen Gültigkeit haben, auf Kinder übertragbar sind«.784 Auf der Suche nach Interviewmethoden für das Forschen mit Kindern stellt man fest, dass häufig gar nichts zur Frage der Interviewmethode gesagt wird.785 Oft werden sie auch nicht von den allgemeinen Interviewmethoden, wie sie in der Forschung mit Jugendlichen und Erwach-

782 783 784 785

Vgl. Bildungsplan Grundschule 2004 für Baden-Württemberg. Fuhs 2012, 84. Fuhs 2012, 87. Trautmann (2010) geht in seinem einschlägigen Werk an keiner Stelle auf die Interviewmethoden in der Arbeit mit Kindern ein. Auch Friebertshäuser und Langer (2010), die einen Überblick über Interviewformen und Interviewpraxis geben, äußern sich an keiner Stelle dazu, was das für das Forschen mit Kindern bedeutet.

Die Erhebungsinstrumente

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senen genutzt werden, unterschieden.786 Fuhs hingegen legt an dieser Stelle eine überzeugende Klassifizierung vor, in der er die Typen nach der Art des Erinnerns einteilt. Das scheint für die Arbeit mit Kindern ein plausibles Vorgehen zu sein. Er unterscheidet dabei fünf Formen: das situationsnahe Interview, das Sequenzinterview, das lebensweltliche Interview, das biografische Interview und schließlich das symbolische Interview. Bei den ersten vier Formen steigert sich die Erinnerungsleistung zunehmend, die letzte Variante hingegen erfolgt in Form einer künstlerischen Darstellung. »Die Art des Erinnerns während eines Interviews wird von unterschiedlichen Faktoren bestimmt, so etwa von der Zeitspanne, die erinnert wird, von der zeitlichen und räumlichen Distanz zum Erinnerten, zu den möglichen Gedächtnishilfen und zu den unterschiedlichen Ausdrucksformen des Erinnerns, die nicht immer sprachlich-erzählend sein müssen, sondern sich auch dinglicher Ausdrucksformen (zum Beispiel Malen) bedienen können.«787

Nach der Typisierung von Fuhs handelt es sich bei den für diese Arbeit geführten Einzelinterviews um eine Kombination aus lebensweltlichem Interview, das Erinnerungen an den gegenwärtigen Alltag thematisiert, und situationsnahem Interview. Um situationsnahe Interviews handelt es sich insofern, als sich diese auf konkrete Situationen beziehen, und die Kinder ihre Gedanken an Beispielen aus dem aktuellen Unterricht aufzeigen und darstellen sollen. Damit können sie dem zuletzt genannten Typus zugeordnet werden. Wie weit die Interviewpartner dabei zeitlich zurückgreifen, bleibt ihnen selbst überlassen. Darüber hinaus beziehen sich die Interviews grundsätzlich »nicht auf singuläre Situationen oder Situationsketten, sondern auf situationsübergreifende Aspekte«788, was für lebensweltliche Interviews spricht. Der Begriff der »Lebenswelt« bezieht sich hier auf ihre Erfahrungen zum Lernen und Können in der Schule, über die sie aus der Distanz nachdenken. Indem die Kinder ihre Gedanken und Konstruktionen an Beispielen entfalten und immer wieder auf deren Generalisierung überprüfen, wird deutlich, dass hier nicht vorrangig »singuläre Phänomene«789 erfasst werden, sondern eine Summe von Erfahrungen sowie zeitlich relativ stabile Konstruktionen zur Sprache kommen.790

786 So z. B. bei Heinzel (1997). Sie nennt diese allgemein Befragungen und gliedert sie in offene, teilstandardisierte und standardisierte Interviews. 787 Fuhs 2012, 93. 788 Fuhs 2012, 96. 789 Fuhs 2012, 96. 790 Sieht man die lebensweltlichen Interviews nicht nur als Interviewform, sondern als grundlegenden Typus für die Einordnung von Gesprächen im Rahmen der qualitativen Sozialforschung mit Kindern, so können auch das im Anschluss thematisierte Kreisgespräch sowie die Gruppendiskussion diesem Typus zugeordnet werden.

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Das Forschungsdesign

7.1.1.2 Herausforderungen bei Interviews mit Kindern Trautmann geht in seinem Lehrbuch791 sehr pragmatisch an Interviews mit Kindern heran und gründet diese auf den psychologischen Konzepten von Schulz von Thun und dem Modell der Transaktionsanalyse. Insgesamt hebt er eher den technischen Aspekt des Interviewens von Kindern hervor und schätzt diese grundsätzlich als unproblematisch ein. Seinen Umgang mit Fragen sowie seine Fragetechnik gründet er darüber hinaus auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse792. Fuhs kritisiert an Trautmanns Ansatz seine Perspektive auf Kinder, die durch die Differenz zwischen Kindern und Erwachsenen markiert ist.793 Die Asymmetrie spielt bei Interviews mit Kindern eine größere Rolle, als dies bei Gruppenbefragungen oder Gruppendiskussionen der Fall ist. Bei dieser Verständigung zwischen ungleichen Partnern gibt es ein direktes Gegenüber von interviewtem Kind und interviewender Forscherin. Alter und Geschlecht können hierbei mehr oder weniger von Bedeutung sein, je nach Situation und Erfahrungen des Kindes794, zentral sind jedoch das Generationenverhältnis sowie die Sprach- und Ausdrucksfähigkeit. Auch wenn die sprachliche Kommunikation, die sich in ihrer Entwicklung über die gesamte kindliche Entwicklung erstreckt, auf der einen Seite Schwierigkeiten bei der Forschung mit Kindern mit sich bringt, ist sie auf der anderen Seite eine wichtige Möglichkeit, an ihre Gedanken und Konstruktionen heranzukommen. Im therapeutischen Bereich werden Gespräche mit Kindern unter zehn Jahren ganz selbstverständlich eingesetzt795 und durch unterschiedliche handelnde Elemente (wie Spielen, Malen, Bewegung) unterstützt. Die Ergebnisse von Graf unterstreichen die Bedeutung des eigenen Tuns für die Kommunikation und Reflexion der Kinder.796 Sie arbeitete in ihrer Studie heraus, dass es Kindern besser gelingt, über abstrakte Begriffe und Sachverhalte nachzudenken und eigene Gedanken zu formulieren, wenn sie sich auf eine konkrete Arbeit beziehen können. Graf verwendet hierfür den Begriff der »Werknähe«.797 Aufgrund der Tatsache, dass die Antworten der Kinder von unterschiedlichen 791 Vgl. Trautmann 2010. 792 Vgl. Trautmann 2010, 49–63. Fuhs konstatiert, dass Trautmann einen schulpädagogischen Zugang zu Interviews mit Kindern entwirft und sich dabei deutlich von der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung abhebt (vgl. Fuhs 2012, 80; Trautmann 2010, 14, 46, 77). Diese Studie bezieht sich vielmehr auf die interdisziplinäre Verbindung von Kindheitsforschung und Schulforschung (vgl. dazu Fuhs 2012; Breidenstein/Prengel 2005). 793 Vgl. Fuhs 2012, 84. 794 Vgl. Heinzel 1997; Heinzel 2010, 710f. 795 Vgl. Heinzel 1997, 401. 796 Vgl. Graf 2004; Binder 2010; Grittner 2009. 797 Vgl. Graf 2004.

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Faktoren, wie z. B. der Tagesform, dem Interesse, vorhergegangenen Streitigkeiten oder anderen am Gespräch beteiligten Kindern abhängen können, ist es durchaus sinnvoll, mehrere Gespräche zu führen. Entstandene Widersprüche werden dabei nicht als unzuverlässige Aussagen abgetan, sondern laden zu genauerem Hinschauen und zur Interpretation ein.798 Trotz unterschiedlicher Bedenken im Hinblick auf den Einsatz von Interviews mit Kindern sind die berichteten Erfahrungen aus diversen Projekten positiv und ermutigend.799 Auch Grundregeln qualitativer Sozialforschung, wie das »Gebot der Offenheit und eine ethische Orientierung am Schutz der Persönlichkeitsrechte […] und eine grundlegende Akzeptanz der erzählten Erfahrungen und Einstellungen«800, schaffen einen forschungsethischen Rahmen. Empathie, Wertschätzung, Interesse, Toleranz und Akzeptanz sind somit wichtige Parameter für die Gespräche mit den Kindern, die stets von einer generationalen Beziehung gerahmt sind. Fuhs verweist in diesem Kontext auf die Verantwortung des Interviewenden als »Anwalt« bzw. »Anwältin« des Kindes. Dadurch kann sich ein Werte-Dilemma oder ein methodischer Widerspruch ergeben, wenn beispielsweise Dinge zur Sprache kommen, die weitreichende Konsequenzen für das Wohl der Kinder haben und der Interviewer eine ethische Verantwortung und Fürsorgepflicht sieht.801 Doch dem gilt es sich zu stellen, sollte dies notwendig werden. 7.1.1.3 Einzelinterviews im Rahmen der Studie Das Gespräch mit einzelnen Kindern in Form von Einzelinterviews802 war zunächst ein zentraler Baustein im ersten Teil der Studie, der es möglich machte, sich nach und nach an die Gedanken und Konstruktionen der Kinder – ihre Sicht auf ihr Lernen und Können – heranzutasten. Um Erfahrungen im Umgang mit Kinderinterviews zu sammeln, wurden zunächst Probeinterviews mit Drittklässlern an einer anderen Grundschule geführt. Es zeigte sich schnell, dass es zwar einfach war, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Sollte es jedoch in die Tiefe gehen, wurde immer wieder an Grenzen gestoßen.803 Dies wurde z. B.

798 799 800 801 802

Vgl. Heinzel 1997, 409. Vgl. Heinzel 1997; Fuhs 2012, 92. Fuhs 2012, 83. Vgl. Fuhs 2012. Vgl. Hopf 2010; Friebertshäuser u. a. 2010; Fuhs 2012; Heinzel 1997 und 2012d; Trautmann 2010. 803 An dieser Stelle bleibt die Frage, inwieweit es daran lag, dass die Kinder reflexive Fragen nicht gewohnt waren oder sie noch nicht in der Lage sind, solche spontan und abstrakt zu beantworten. Da die Forscherin jedoch davon ausgeht (vgl. Kap. 4.4 und 4.5), dass Kinder dazu grundsätzlich in der Lage sind, wurden künftig immer wieder konkrete Beispiele bzw.

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deutlich, wenn die Kinder die Gesprächsleitung fragend anschauten oder auch artikulierten, dass sie das jetzt nicht genauer formulieren könnten.804 Subjektiv blieb der Eindruck, dass da etwas in ihnen schlummert, sie dies jedoch nicht ohne weiteres in Worte fassen konnten bzw. es mir nicht gelungen ist, angemessene Impulse zu setzen. Konkrete Beispiele und Materialien sollten ihnen deshalb im weiteren Verlauf helfen, sich zu erinnern und ihre Gedanken an einem Beispiel anstatt abstrakt und distanziert zu formulieren. Ebenso zeigte sich im Prozess der Erhebung zunehmend eine Vertrautheit, die es den Kindern ermöglichte, sich schneller darauf einzulassen und sich zu öffnen. Im Laufe des Forschungsprozesses entwickelte sich der Eindruck, dass sich die Kinder immer weniger Gedanken darüber machten, ob das, was sie sagten, auch passend oder »richtig« war, wozu sie eigentlich von sich aus neigen.805 Dies wird beispielsweise an der schnellen Reaktion der Kinder, dem Miteinander-Interagieren, ohne die Gesprächsleiterin anzuschauen, oder dem gemeinsamen Lachen festgemacht. Spontaneität und Offenheit von beiden Seiten gab den Gesprächssituationen schließlich eine gewisse Natürlichkeit, wie sie auch Lerngesprächen innewohnt806, in denen es um das Lernen und Können der Kinder geht, und wie sie die Kinder an dieser Schule gewohnt sind. Da die Konzentrationsspanne der Kinder begrenzt ist, wurde darauf geachtet, dass die Gespräche nicht länger als 20 bis 25 Minuten dauerten. Falls ein Kind dennoch ermüdete, wurde spontan reagiert und ggf. eine kurze Pause eingelegt. Für das Gespräch wurden die Kinder nacheinander aus der freien Lernzeit geholt, wobei sie ihre Aufgabe, an der sie gerade arbeiteten, für die Dauer des Gesprächs beiseite legten. Nach einem kurzen Warming-up ging es zum inhaltlichen Teil über, der jeweils durch einen offenen Leitfaden807 gestützt wurde. Beim Warming-up wurde auch das Interesse der Forscherin dargelegt, ebenso wurde vor allem in den ersten Gesprächen darauf hingewiesen, dass es keine

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Materialien eingesetzt, die für die Kinder eine Brücke zur Sprache bilden und ihnen Sprachfähigkeit ermöglichen sollten. Fragende Blicke gab es oft an Stellen, an denen nach einer Begründung gefragt wurde. Dass Kindern Warum-Fragen schwerer fallen als Wie-Fragen, darauf hat auch Kelle (1996) hingewiesen. Dennoch wurde an manchen Stellen bewusst nach dem Warum gefragt und immer wieder kamen dabei doch ganz erstaunliche Gedanken der Kinder zutage. (Vgl. auch Heinzel 1997). Kinder »neigen zu der Annahme, sie müssen im Interview fehlerfreie Antworten geben« (Heinzel 2010, 711). Damit sind Gespräche gemeint, wie sie zur Reflexion und Steuerung des Lernens zwischen dem Kind und der Lehrperson oder auch zwischen dem Kind, der Lehrperson und den Eltern stattfinden. Der offene Leitfaden enthielt die zentralen Aspekte, auf die im Laufe des Gesprächs eingegangen werden sollte, sowie mögliche Impulse. Die Reihenfolge, in der die Aspekte angesprochen wurden, war oft unterschiedlich, da die Gedanken der Kinder den Verlauf des Gesprächs maßgeblich gelenkt haben.

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»richtigen« oder »falschen« Antworten gibt, sondern nur die des jeweiligen Kindes. Die inhaltlichen Aspekte und Zugänge änderten sich bei jeder Runde, ein neuer Fokus wurde gesetzt. Der Leitfaden in einem Erhebungsabschnitt blieb jeweils unverändert, damit zu den einzelnen Aspekten möglichst vielfältige Gedanken zur Sprache kamen.808 Um die Asymmetrie zwischen befragtem Kind und befragender Forscherin möglichst gering zu halten und eine natürliche Atmosphäre zu schaffen, wurde auf eine adressatenorientierte und kindgemäße Sprache geachtet sowie den Kindern stets viel Zeit eingeräumt. Am Ende eines jeden Interviews hatten die Kinder die Möglichkeit, noch weitere Gedanken einzubringen, die während des Gesprächs nicht zur Sprache gekommen waren. In der Praxis machten die Kinder jedoch an keiner Stelle davon Gebrauch. Sie betonten, sie hätten zuvor schon alles gesagt. Möglicherweise stellte dies für die Kinder auch eine Überforderung dar. Dennoch war es ein Anliegen diese offene Frage immer wieder einzubringen, nicht zuletzt um den Kindern Offenheit für und Interesse an all ihren Gedanken zu signalisieren. Mit dem Dank an das Kind schloss das Interview. Das Kind ging dann in die Lerngruppe zurück, um in der freien Lernzeit weiter an seinen Aufgaben zu arbeiten.

7.1.2 Kreisgespräch Diese Gesprächsform hat sich erst im Laufe des Forschungsprozesses als weitere Methode ergeben, als die Grenzen von Einzelinterviews und die Schwierigkeiten bei den Gruppendiskussionen deutlich wurden. Allerdings stellte sich die Frage nach einer angemessenen Bezeichnung. Sind es Gruppenbefragungen oder Kreisgespräche? Nach langem Abwägen wird nun die Bezeichnung Kreisgespräche verwendet. Gruppenbefragungen zielen auf das bewusste Befragen der Kinder, was in dieser Studie nicht das vorrangige Ziel ist. Kreisgespräche hingegen ermöglichen es, miteinander über Sachverhalte nachzudenken und zu sprechen und dadurch eigene Konstruktionen sowie »kollektiv verankerte Orientierungen«809 zugänglich zu machen. 808 An einzelnen Stellen konnten die Erfahrungen aus den jeweils ersten Interviews in die folgenden einfließen. So wurde beispielsweise beim ersten Interview danach gefragt, welche der Rückmeldemöglichkeiten dem Kind wie wichtig sind bzw. ihm für das Weiterlernen helfen. Nach dem zweiten Interview zeigte sich, dass daraus zwei Fragen zu generieren waren: erstens wie wichtig dem Kind die jeweilige Rückmeldeform ist und zweitens wie hilfreich ihm die einzelnen Möglichkeiten für das Weiterlernen sind. In den folgenden Interviews sollten die Kinder dies dann auch in zwei getrennten Schritten mit Glassteinen bewerten. 809 Heinzel 2012c, 104.

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Das Forschungsdesign

Es handelt sich hierbei jedoch nicht um Kreisgespräche im engeren Sinn, wie sie im Unterricht ihren festen Platz haben, sondern es sind Gespräche mit kleinen Kindergruppen von vier bis fünf Kindern gemeinsam mit mir als Forscherin. Die egalitäre Anordnung im Kreis verschafft niemandem einen dominanten Platz, sondern nimmt alle gleichermaßen mit in das Geschehen hinein.810 Vorteil dieser Gesprächsform ist, dass die Kinder diese aus dem Unterricht kennen und wissen, dass sie dabei auch aufeinander Bezug nehmen können. Aus Unterrichtssituationen in dieser Lerngruppe sind die Kinder gewohnt, sich gegenseitig aufzurufen. Dadurch wird der Austausch untereinander angeregt und die Kinder haben – deutlich mehr als in Einzelinterviews – die Möglichkeit, ihre Gedanken beim Sprechen und Zuhören allmählich herauszubilden und schließlich zu formulieren.811 Diese Form der Verlangsamung hat durchaus Einfluss auf die Qualität der Daten. Diese Gespräche wurden so geplant, dass den Kindern zu Beginn ein offener Gesprächsimpuls angeboten wurde812, der viele Facetten in sich trug. Zunächst konnten die Kinder frei ansprechen, was ihnen wichtig war, erst im weiteren Verlauf wurde im Hinblick auf interessante und relevante Aspekte nachgefragt. In der Gesprächsführung wurden immer wieder Kinderäußerungen aufgegriffen und wurde konkret dazu nachgefragt. Dies war in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Kinder formulieren ihre Gedanken häufig sehr knapp und man kann den Rest nur aus dem Kontext erahnen. Das ist sowohl für den weiteren Gesprächsverlauf schwierig, da andere Kinder dann nur schwer darauf Bezug nehmen können, als auch problematisch für die Auswertung, da es verleitet, mit Hypothesen oder Spekulationen zu arbeiten.813 Je präziser die Kinder formulieren oder gemachte Aussagen zurechtrücken, umso präziser kann die Auswertung erfolgen – mit anderen Worten, umso näher kann man bei der Interpretation an die Erzählabsicht der Kinder herankommen, eingedenk aller nicht zu vermeidenden Unschärfen.814

810 Vgl. Heinzel 2012c. 811 Vgl. Heinzel 2012c. 812 Dies konnte eine Situationsbeschreibung sein, zu der die Kinder Stellung nahmen, oder es waren Bilder aus dem Unterricht, die den Kindern halfen, sich an ihr Tun zu erinnern. 813 Gewisse Unschärfen sind unwillkürlich in der Interpretation der Daten enthalten, wie beispielsweise durch kontextgebundene Variablen (z. B. zu einem anderen Zeitpunkt wäre das Gespräch anders verlaufen, mit anderen Personenkonstellationen auch) oder von der Person der Forscherin selbst ausgelöste Verschiebungen (z. B. bedingt durch das Generationenverhältnis, vorausgegangene Erfahrungen). 814 In der Methodendiskussion zu Gruppeninterviews steht auch die Frage im Raum, ob es dieses »Eigentliche« überhaupt gibt. Also ob es einen Unterschied im »Wahrheitsgrad« gibt zwischen dem, was in einem Einzelgespräch gesagt wird, und dem, was im Gespräch mit anderen erst gedanklich entwickelt und geäußert wird. Und ob man das von außen in irgendeiner Form bewerten darf. An der Stelle oben geht es jedoch in erster Linie darum,

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7.1.3 Gruppendiskussion 7.1.3.1 Gruppendiskussion als Methode der qualitativen Sozialforschung Gruppendiskussionen sind seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA und in Großbritannien auch unter der Bezeichnung »focus groups« als Verfahren im Bereich der Umfrage- und Marktforschung im Einsatz. In Deutschland wurden sie erstmals Mitte der 1950er Jahre im Kontext der Frankfurter Schule, beispielsweise in Studien im Bereich der Bildungs- und Medienforschung, eingesetzt. Ab Mitte der 1980er Jahre wurden Gruppendiskussionen dann vermehrt in der Jugendforschung eingesetzt.815 Hierbei ist allerdings zu unterscheiden zwischen Gruppenbefragungen816, wie sie in der Tradition der Marktforschung unter dem Begriff der »focus group« zur Ökonomisierung der Erhebungssituation eingesetzt wurden, und Gruppendiskussionen im Kontext der Kindheits- und Sozialforschung, in denen kollektive Orientierungen und somit der Diskurs im Zentrum stehen. Letztere ist für diese Studie die schwerpunktmäßig intendierte Form.

7.1.3.2 Abgrenzung von Gruppendiskussion und Theologischem Gespräch Gruppendiskussionen haben in den letzten Jahren vor allem im Bereich der qualitativen Sozialforschung mit Kindern an Bedeutung gewonnen. Dies gilt für den Bereich der Erziehungswissenschaften ebenso wie teilweise für die Religionspädagogik, in der Gruppendiskussionen zunehmend in die Forschungspraxis integriert werden. In der Religionspädagogik spielen sie zum Beispiel bei den Forschungen zum Theologisieren mit Kindern eine Rolle.817 Theologische Gespräche mit Kindern können in gewisser Weise eine Art Gruppendiskussion darstellen, bei denen die Kinder ihre eigenen Konstruktionen entdecken und entfalten können.818 Diese Art der Gespräche erinnert jedoch eher an die von

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dass Kinder ihre Aussagen oft sehr verkürzt formulieren, so dass es hier zunächst einmal um den Inhalt der Aussage geht. Vgl. Schäffer 2011, 75f.; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 90f. Lamnek unterscheidet nicht zwischen Gruppenbefragungen und Gruppendiskussionen, sondern zwischen ermittelnden und vermittelnden Gruppendiskussionen (vgl. Lamnek 2005a, 29ff.). »Vermittelnde Gruppendiskussionen, die in der Handlungs- und Aktionsforschung eingesetzt werden, wollen Gruppenprozesse anregen und Veränderungen in den Subjekten hervorrufen. Ermittelnde Gruppendiskussionen, die in der empirischen Sozialforschung und der Marktforschung Verwendung finden, zielen auf die Gewinnung von Informationen über Meinungen und Einstellungen der Gruppe und deren Teilnehmer zum Thema der Diskussion.« (Heinzel 2012c, 105). Zimmermann (2006; 2010) sieht das Gruppendiskussionsverfahren als anspruchsvolles Verfahren, das sich für Forschungen im Bereich der Kindertheologie anbietet. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 223; 2008.

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Friederike Heinzel vorgestellten Beispiele von Kreisgesprächen819, die für sie durch die Anwesenheit einer Forscherin bzw. eines Forschers zu Gruppendiskussionen werden. Bei Theologischen Gesprächen mit Kindern liegt der Fokus aber neben dem fachlichen Austausch der Kinder untereinander bei der Lehrperson, die die Kinder immer wieder zum Nach- und Weiterdenken anregt und sich als Expertin in das Gespräch einbringt.820 Ziel eines Theologischen Gesprächs ist – neben dem Austausch unterschiedlicher Perspektiven und dem Entwickeln von Antwortmöglichkeiten auf eine Fragestellung oder einen theologischen Sachverhalt – in erster Linie die individuelle Lernentwicklung der Kinder. Dies steht in einer gewissen Spannung zum Grundanliegen von Gruppendiskussionen, in denen »kollektive Orientierungen und Wissensbestände«821 im Diskurs zur Sprache kommen und generiert werden. Von daher stehen bei der Auswertung einer Gruppendiskussion nicht die individuelle Sichtweise und Konstruktion eines Einzelnen im Zentrum, sondern die im Diskurs gewonnenen kollektiven Einsichten.822 Auch wenn in dieser Studie über ein Unterrichtsprojekt aus dem Religionsunterricht, genauer gesagt sogar ein theologisches Thema reflektiert wird, dürfen diese Gespräche nicht mit Theologischen Gesprächen verwechselt werden. Hier geht es vielmehr um metakognitive Gespräche bzw. Gruppendiskussionen über das Lernen der Kinder in dem gemeinsam erlebten Unterricht. 7.1.3.3 Die Gruppe als Bezugsrahmen für Konstruktionen der Kinder Die Dynamik der Gruppe und somit die Interaktionen, die sich hier entwickeln, werden zur Erkenntnisquelle.823 Gruppendiskussionen sind nahe an der Art und 819 820 821 822

Vgl. Heinzel 2000, 128. Vgl. Freudenberger-Lötz 2007; Zimmermann 2010. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 93. Wenn in Gruppendiskussionen individuelle Meinungen formuliert oder biografische Episoden erzählt werden, haben diese einen Bezug zum Gesprächsverlauf und sagen nicht zwingend etwas über das Kind aus. Äußerungen »werden oft stellvertretend für die ganze Gruppe oder in Relation und im Kontrast zu Erzählelementen anderer Teilnehmerinnen eingebracht« (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 91). 823 Das Gespräch innerhalb der Kindergruppe zeigt nach Billmann-Mahecha (nach Michalek/ Schönknecht 2006, 157f.) drei Formen von Aushandlungsprozessen: 1. Den Typ »der gelingenden oder misslingenden sozialen Beeinflussung einzelner«, 2. den Typ »der (partiellen) Zurücknahme von Einstellungen und Meinungen aufgrund von Argumenten« und 3. den Typ »der ko-konstruierenden Gesprächsentfaltung, die aus gegenseitiger Bestärkung mit zusätzlichen Beispielen und Argumenten […] besteht«. Michalek und Schönknecht (2006, 158) fügen aus ihren Erfahrungen noch einen vierten Typ an, bei dem verschiedene Meinungen nebeneinander gestellt werden, wobei sich die einzelnen Teilnehmenden mit ihrer Meinung von denen anderer abgrenzen. Insgesamt kann die von Michalek und Schönknecht gemachte Erfahrung, dass Kinder »kompetente Diskussionsteilnehmer und -gestalter mit hoher Diskussionskultur« (Michalek/Schönknecht 2006, 162) sind, unter-

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Weise, »wie Meinungen im Alltag gebildet, geäußert und ausgetauscht würden. […] Die Gruppe wird [dabei] zum Mittel, um individuelle Meinungen angemessener zu rekonstruieren.«824 Breidenstein und Kelle (1999) sehen im gemeinsamen Gespräch von Kindern das kollektive Erleben im Zentrum. Die Kinder »erzeugen ihre Welt wesentlich in den verschiedenen Praktiken des Miteinander-Redens«825. Daneben geht es in der Forschung stets auch um die Frage, »wie Kinder ihre soziale Welt in Interaktionen rekonstruieren«826 und so immer wieder neu für sich interpretieren.827 Für Mangold ist die Gruppenmeinung, wo diese zur Sprache kommt, »keine ›Summe‹ von Einzelmeinungen, sondern das Produkt kollektiver Interaktionen«828. In Gruppendiskussionen geht es schließlich nicht um die Frage, was richtig oder wahr ist829, sondern es ist vielmehr von Interesse, wie sich die Kinder bestimmte Phänomene erklären und diese in ihre Denkschemata integrieren. Dabei ist die Kontextabhängigkeit solcher Konstruktionen durchaus bewusst. Würde das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt oder in anderen Personenkonstellationen stattfinden, würde es anders verlaufen; es wäre also ein anderes Gespräch mit anderen Denkfiguren und Argumentationen. Interessant bei den Gesprächen sind insbesondere die Selbstkonstruktionen und die Konstruktionsleistungen der Kinder, die in ihren Ausführungen zum Ausdruck gebracht und zu kollektiven Orientierungen werden, sowie die Dramaturgie des Diskurses selbst.830 Kindern fällt es oft nicht leicht, ihr Denken – gerade auch aus der Distanz – in Worte zu fassen. Konkrete Beispiele, gemeinsame Handlungsvollzüge oder Spielsituationen können es Kindern erleichtern, miteinander ins Gespräch zu kommen, um davon ausgehend darüber nachzudenken. In Gruppendiskussionen kann der kindliche Diskurs mit dem Diskurs zwischen Kindern und Erwachsenen verschränkt werden. Dabei ist die »doppelte Fremdheit«831 gegenüber Kindern stets im Blick zu behalten und mit

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strichen werden. Bei Erwachsenen unterscheidet Schäffer (2011) drei Formen der Diskursorganisation, den oppositionellen, den konkurrierenden bzw. antithetischen und den parallelisierenden Diskursmodus. An dieser Unterscheidung wird deutlich, dass in der Literatur durchaus die Gruppendiskussion mit Kindern anders gesehen wird als die mit Erwachsenen. Flick 2010, 251. Breidenstein/Kelle 1999, 108. Breidenstein/Kelle 1999, 98. Vgl. auch Michalek/Schönknecht 2006, 149. Zitiert nach Bohnsack 2010, 206; vgl. auch Przyborski/Wohlrab-Sahr, 90f. Für die Kinder selbst geht es im Gespräch immer wieder darum, wer recht hat und warum. Sie formulieren ihre Sichtweisen und Erklärungen, die sie entweder gemeinsam konstruieren oder die sie in Abgrenzung von anderen formulieren. Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 91–94 u. 102. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 106f., vgl. zur Herausforderung des Fremdverstehens Helfferich 2011, 84–90.

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zu bedenken. Die »doppelte Fremdheit« ergibt sich zum einen aus den Erfahrungen und Handlungspraktiken der Kinder, die für Erwachsene meist fremd sind, und zum anderen aus deren Darstellungsformen, die ebenso fremd (geworden) sind.832 7.1.3.4 Herausforderungen bei Gruppendiskussionen Im Gegensatz zu stärker standardisierten Verfahren, wie beispielsweise Interviews, denen häufig Künstlichkeit angelastet wird, finden Gruppendiskussionen in einer relativ natürlichen Situation statt. Dazu trägt auch bei, dass in diesen Gesprächen die Kinder zumindest zahlenmäßig der »generationenbedingten Dominanz«833 überlegen sind. Eine Erweiterung der »Perspektive auf die ganz eigene soziale Welt der Kinder«834 wird möglich, wodurch Gruppendiskussionen einen Beitrag zur rekonstruktiven Kindheitsforschung leisten. Um den Konstruktionen der Kinder auf die Spur zu kommen, sind Offenheit, Flexibilität und Alltagsnähe als zentrale Prämissen erforderlich.835 Offenheit ist in mehrfacher Hinsicht zu bedenken: Zum einen bestimmt die Offenheit im Vorgehen das Gespräch. Ein Eingangsimpuls eröffnet und lässt den Kindern Raum für ihr Gespräch – für das, was sie in diesem Kontext bewegt, für ihre Erfahrungen und ihre Geschichten. Auch weitere notwendige Gesprächsimpulse werden möglichst offen formuliert. Zum anderen ist Offenheit für das, was die Kinder durch ihre Sinnkonstruktionen zur Sprache bringen, erforderlich. Dazu ist die Distanz zu eigenen Vorannahmen notwendig, in der Forschungspraxis ist dies jedoch recht schwierig. Diese Spannung kann nur gelöst werden, indem man sich der eigenen Vorannahmen immer wieder bewusst wird, diese reflektiert und bei der Interpretation beides voneinander trennt. Flexibilität ist vor allem für das methodische Vorgehen von Bedeutung. Eine Gruppendiskussion ist nur im Ansatz planbar, es muss flexibel reagiert werden. Flexibilität ist aber auch im Hinblick auf das gesamte Forschungsprojekt maßgebend, wenn ausgehend von den jeweiligen Ergebnissen die nächste Phase geplant wird. Schließlich ist Alltagsnähe sowohl durch die Methode selbst als auch durch die Themen und Inhalte, die dabei zur Sprache kommen, gegeben. – Offenheit, Flexibilität und Alltagsnähe sind somit nicht nur für die Gruppendiskussion per se relevant, sondern Voraussetzung für das gesamte Projekt.

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Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 106f. Heinzel 2012c, 104; vgl. auch Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 102. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 102. Vgl. Michalek/Schönknecht 2006, 150.

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7.1.3.5 Durchführung von Gruppendiskussionen Die an der Studie teilnehmenden Kinder bildeten bei jedem Gesprächsanlass zwei oder drei Gesprächsgruppen, die sich jeweils aus vier bis fünf Kindern zusammensetzten. Die Zusammensetzung der Gruppen musste meist spontan erfolgen, da die Kinder aufgrund der offenen Anfangsphase der Lernzeit zu unterschiedlichen Zeiten eintrafen und immer wieder einzelne Kinder wegen Krankheit oder Ähnlichem entschuldigt waren. Dennoch wurde darauf Wert gelegt, bei der Gruppenzusammensetzung auf die Teilnahme von jeweils Mädchen und Jungen, stilleren und mitteilsameren Kindern sowie Kindern unterschiedlichen Alters bzw. unterschiedlicher Jahrgangsgruppen in einer Gruppe zu achten. Im Sinne von Flick836 wurden natürliche Gruppen gebildet, da die Kinder dieselbe jahrgangsgemischte Lerngruppe besuchten, sich daher gut kannten und gemeinsame Vorerfahrungen hatten.837 Gemeinsame Erfahrungen bezüglich der Interaktion838 oder auch die Natürlichkeit in der Kommunikationssituation839, in der sich »alltägliche Interaktionen gewissermaßen en miniature widerspiegeln«840 konnten, erwiesen sich als vorteilhaft und bewirkten, dass das Gespräch leichter in Gang kommen konnte. Dem gegenseitigen Vertrauen, verbunden mit stabilen sozialen Beziehungen, wird gerade im Hinblick auf die Forschung mit Kindern ein großer Stellenwert beigemessen.841 Dabei entspricht eine Gruppengröße von drei bis fünf Kindern dem842, was Michalek

836 Vgl. Flick 2010. 837 Flick (2010, 252) unterscheidet zwischen natürlichen Gruppen, die im Alltag auch so bestehen, und künstlichen Gruppen, die für die konkrete Situation nach bestimmten Kriterien so zusammengestellt werden. Weiter unterscheidet er zwischen homogenen und heterogenen Gruppen. Homogene Gruppen, wie es in der vorliegenden Studie auch der Fall ist, verfügen über einen ähnlichen Hintergrund im Hinblick auf das Thema. Heinzel unterscheidet Realgruppen von künstlichen Gruppen. (Vgl. hierzu auch Heinzel 2012c und Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 94f.). 838 Vgl. Nießen 1977 nach Flick 2010, 252 und Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 95f. 839 Vgl. Heinzel 2012c, 105. 840 Kölbl/Billmann-Mahecha 2005, 327f. 841 Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 104f. 842 Im Hinblick auf das Transkribieren stellt sich die Frage, wie die Daten so erhoben werden können, dass dabei ersichtlich wird, welche Äußerungen von welchem Kind stammen. Eine Möglichkeit wäre die Videografie. Die Erfahrungen bei den ersten Gesprächen zeigten jedoch, dass eine Videokamera die Kinder in ihrer Offenheit einschränkt und sie häufig durch das Gerät abgelenkt wurden – wesentlich stärker als durch das kleine Audio-Aufnahmegerät. Darüber hinaus war der organisatorische Aufwand der Videografie im Verhältnis zu ihrem Nutzen sehr hoch. Deshalb wurden die Gespräche fortan nur noch mit dem Audio-Aufnahmegerät aufgezeichnet. Damit dennoch eine Zuordnung der Äußerungen möglich war, haben sich die Kinder gegenseitig aufgerufen. Diese Form der Moderation kannten sie ja bereits aus den Gesprächen im Unterricht. Dabei entstand nicht der Eindruck, dass diese Form die Kinder in irgendeiner Weise beeinträchtigt hat. Das gegenseitige

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und Schönknecht als Anhaltspunkt vorschlagen.843 Durch diese Gruppengröße sind keine zu langen Redepausen und damit Wartezeiten für die Kinder zu erwarten und eine Steigerung der Konzentration wird dadurch angestrebt. Ebenso soll die Möglichkeit, dass sich ein »Redeführer« herausbildet, möglichst gering gehalten werden. Um die nötige Ruhe und Konzentration zu gewährleisten, fanden auch die Gruppengespräche in der Bücherei der Schule statt.844 Aus den Unterrichtsgesprächen in ihrer Lerngruppe war den Kindern bereits eine Art der Moderation bekannt, bei der sie sich gegenseitig mit dem Namen aufrufen. Diese Form der Kommunikation sollte auch bei den Kreisgesprächen bzw. Gruppendiskussionen zur Anwendung kommen, da darin zwei große Vorteile zu sehen sind. Zunächst ist es eine den Kindern bekannte Form, die die Zuordnung der Stimmen bei der Transkription erleichtert. Zum zweiten ermöglicht es der Forscherin, sich mehr aus dem Geschehen herauszunehmen und so ein Gespräch zu ermöglichen, das die Kinder unter sich gestalten. Zusätzlich habe ich mich – wenn möglich – auch räumlich etwas aus dem Kreis zurückgezogen.

7.2

Reflexion der eigenen Rolle

Auch wenn immer wieder der Wunsch nach Objektivität in der empirischen Forschung vorhanden ist, wurde inzwischen hinreichend diskutiert, dass Wirklichkeit nicht objektiv erfasst werden kann. Gerade qualitative Forschung wird in unterschiedlicher Art und Weise von den Forschenden beeinflusst – dadurch, wie Gesprächssituationen gestaltet werden, wie agiert, reagiert und kommuniziert wird. Daher ist eine sorgfältige Planung und Durchführung notwendig, um Berufsroutinen, die sich im Laufe der Zeit gebildet haben, sowie eigene Vorannahmen und subjektive Theorien so weit als möglich zu reduzieren. Wo sie dennoch zum Tragen kommen und bewusst werden, sind sie transparent

Aufrufen der Kinder machte eine Videografie im Rahmen dieser Studie sachlich auch nicht mehr notwendig. 843 Vgl. Michalek/Schönknecht 2006. 844 Heinzel (1997, 404) sieht einen Raum in der Schule als Ort für Interviews (was sicher genauso für Gruppendiskussionen gilt) kritisch, da die Gesprächssituation mit der Institution Schule verbunden wird. Da es thematisch um ein ureigenes Thema der Schule geht, kann dieser Aspekt bei dieser Studie vernachlässigt werden. Relevant ist vielmehr die Überlegung, welcher Ort an der Schule die nötige Offenheit gewährleistet. Es sollte kein Lernraum oder mit dem konkreten Lernen in Verbindung zu bringender Raum sein, doch er sollte den Kindern dennoch vertraut sein. Aus diesen Überlegungen stellte sich die Bibliothek als geeigneter Raum dar.

Reflexion der eigenen Rolle

207

zu machen und zu reflektieren.845 Dies soll im folgenden Abschnitt unter verschiedenen Perspektiven geschehen.

7.2.1 Eigene Biografie und Rolle als Forscherin In meiner eigenen Berufsbiografie846 blicke ich auf langjährige Erfahrungen sowohl im Unterrichten an verschiedenen Grund- und Hauptschulen als auch in der Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern zurück. Es besteht also eine gewisse Routine im Umgang mit Kinderaussagen. Gleichzeitig birgt dies auch die Gefahr, Äußerungen von Kindern vorschnell einzuordnen, zu bewerten oder zu deuten und so nicht den intendierten Kern wahrzunehmen und zu erfassen.847 Die Rolle als Forscherin musste immer wieder erneut in den Blick genommen und bewusst gemacht werden. In der Rolle der Forscherin konnte die ganze Aufmerksamkeit den Aussagen und Handlungen der Kinder gewidmet werden, ohne zugleich Verantwortung für pädagogische Prozesse oder Lernprozesse übernehmen zu müssen. Die Kinder wussten, dass die Forscherin auch Lehrerin848 ist, doch sie haben sie von Anfang an in der forschenden Rolle akzeptiert.

7.2.2 Balance zwischen Nähe und Distanz Für den gesamten Forschungsprozess galt es, ein ausgewogenes und reflektiertes Verhältnis von Nähe und Distanz aufzubauen. Dabei war es zunächst wichtig, Nähe zuzulassen, Interesse an den Kindern zu zeigen sowie Beziehung und Vertrauen aufzubauen, um in den verschiedenen Phasen der Erhebung möglichst nah an die zentralen Gedanken der Kinder heranzukommen. Dies stellte sich vor allem zu Beginn als nicht ganz einfach dar. Die Kinder genossen zwar die Gespräche und die Aufmerksamkeit, doch blieb der Eindruck zurück, dass sie zu 845 Mirjam Zimmermann (2006, 120) spricht in diesem Zusammenhang von »reflektierter Subjektivität«. 846 Nach ihrer Ausbildung war die Forscherin 14 Jahre in der Grundschule als Klassen- und Fachlehrerin tätig, dabei unterrichtete sie auch das Fach Evangelische Religion. Ebenso bringt sie Erfahrungen in der Ausbildung von Lehreranwärterinnen und Lehreranwärtern an einem Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung sowie Erfahrungen aus der Lehre und Begleitung von Studierenden an einer Pädagogischen Hochschule mit. Im Moment gehört die Lehrerfortbildung sowie die Beratung und Ausbildung von Vikarinnen und Vikaren zu ihrem Tätigkeitsfeld. 847 Vgl. auch Zimmermann 2006, 120. 848 Gerade während der Hospitation haben die Kinder in der Freiarbeit immer wieder Dinge gefragt und um Hilfe gebeten. Dabei kam auch die Frage auf »Bist du auch Lehrerin?«.

208

Das Forschungsdesign

verschiedenen Bereichen noch mehr sagen könnten.849 Dies kann mitunter daraus geschlossen werden, dass die Kinder nach Worten rangen oder auch auf Nachfrage nicht mehr sagen konnten. Trotz der notwendigen Nähe bleibt die Frage, wie es gelingen kann, die nötige Distanz zu wahren und sich zurückzunehmen, »um die Fähigkeit zur distanzierten Reflexion nicht zu verlieren«850. In der vorliegenden Studie war Distanz in erster Linie dadurch gegeben, dass die Forscherin von außen kam und nicht zum Kollegium gehörte und deshalb kaum über Informationen zu den einzelnen Kindern verfügte. Erst im Verlauf des Forschungsprozesses gab es immer wieder Gespräche mit der Lehrerin, in denen diese von den einzelnen Kindern – ihrer Entwicklung, ihrem Leben und Alltag in der Schule und in der Familie – berichtete. Dabei wurde natürlich auch deren Einschätzung deutlich. Ein distanzierter Umgang war insofern möglich, als die Forscherin selbst nicht in das pädagogische Geschehen involviert war und so ganz bewusst eine distanzierte und kritisch-reflektierte Haltung dazu einnehmen konnte. Da das Vertrauen und eine Beziehungsebene für die Kommunikation mit den Kindern so wichtig war, wurden auch im Rahmen der Befragungen empathische Äußerungen vorgenommen, teilweise wurde den Kindern Mut gemacht oder sie wurden gelobt. Dies kann zwar durchaus kritisch gesehen werden, doch in der Situation stand der Aufbau von Beziehung über dem Paradigma der Distanz. Solche Stellen wurden dann bei der Auswertung mit größter Zurückhaltung gedeutet.851 Nähe und Distanz sind auch im Hinblick auf das Involviertsein in das gesamte Erhebungssetting zu betrachten. Nähe war insoweit gegeben, als die Erhebung mit den Kindern während der Unterrichtszeit stattfand, ich jedoch in der Regel nicht am Unterricht teilnahm und mich so davon distanzieren konnte. Lediglich in der letzten Phase der Erhebung war ich bewusst beim Unterrichtsprojekt dabei.852

849 Auf der methodischen Ebene stellte sich die Frage, welches Vorgehen bzw. welche konkreten Anregungen den Kindern helfen könnten, ihre Gedanken zu formulieren. Die Tatsache, dass die Fähigkeit, Gedanken auszudrücken, bei Kindern Grenzen hatte, war zwar bewusst, doch sollten die Grenzen der Verbalisierungsfähigkeit immer wieder neu ausgelotet werden. 850 Heizer 2004, 39. 851 Wo es in der Situation möglich war, wurde so distanziert wie möglich reagiert, wie z. B. »… ich merke, dass dir das sehr wichtig ist«. Bei solchen Formulierungen werden jedoch durch Mimik, Gestik und Tonfall auch andere Informationen mittransportiert. 852 Dies war insofern erforderlich, als bei den Kreisgesprächen und Gruppendiskussionen auf einzelne Phasen bzw. Situationen aus dem Unterricht Bezug genommen wurde.

Anmerkungen zu den Gütekriterien

209

7.2.3 Verstehen und Deuten Das Verstehen und die Deutung von Kinderäußerungen sind nicht unproblematisch. In der jeweiligen Situation gilt es, sowohl empathisches Verstehen zu signalisieren als auch eine forschende Distanz einzunehmen.853 Diese Problematik spielt vor allem bei Interviews und Gruppendiskussionen eine Rolle. Je nachdem, wie eine Aussage in der Situation interpretiert wird, kann sich ein Gespräch in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Besonders deutlich wurde dies beispielsweise, wenn Aussagen eines Schülers / einer Schülerin im Gespräch gespiegelt wurden. Dies ist eine durchaus sinnvolle und berechtigte Möglichkeit, um bei einem Kind eine Stellungnahme oder Präzisierung zu evozieren. Problematisch ist es insofern, als zum einen durch die Art der Formulierung eine subjektive Gewichtung ins Spiel kommen kann und zum anderen gerade unsichere Kinder sich möglicherweise nicht trauen sich eindeutig zu positionieren. Das Problem der sozialen Erwünschtheit kann dadurch unbeabsichtigt zum Tragen kommen. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, wurden die Transkripte sehr sorgfältig im Hinblick auf solche Stellen gelesen. Die Deutung erfolgte, wenn Unsicherheit bestand, eher zurückhaltend. Zur kommunikativen Validierung wurden die Diskussion über Äußerungen, Konzepte und Sinnkonstruktionen der Kinder wie auch die entwickelten Kategorien im Gespräch mit anderen Forschenden, teilweise auch Studierenden im Rahmen eines Seminars genutzt. Dieser Austausch ergab immer wieder auch Verwerfungen oder erforderte eine andere Gewichtung, er gab schließlich jedoch auch eine gewisse Sicherheit.

7.3

Anmerkungen zu den Gütekriterien

Die klassischen Gütekriterien Objektivität854, Validität und Reliabilität können nicht ohne weiteres von der quantitativen auf die qualitative Forschung übertragen werden.855 Der offene und explorative Forschungsprozess dieser Studie erfordert einen dem Vorgehen und dem offenen Forschungsstil entsprechenden 853 Vgl. Hennecke 2012, 120; Helfferich 2011, Kap. 2–4. 854 Objektivität kann im klassischen Sinne für die qualitative rekonstruktive Sozialforschung nicht das Ziel sein, da es bei dieser Art der Forschung nicht um das »Messen« geht. Vielmehr geht es darum, »perspektivgebundenes Wissen zu gewinnen und zugleich zu interpretieren« (Strübing 2014, 84). 855 Vgl. auch Strauss/Corbin 2008, 229–240. Strauss und Corbin sehen die Problematik der Übertragung der klassischen Gütekriterien auf die Grounded Theory und lösen diese ihrerseits durch das Redefinieren der »etablierten Kriterien nach Maßgabe der abweichenden Forschungslogik und Zielsetzung der Grounded Theory« (Strübing 2014, 81).

210

Das Forschungsdesign

Blick auf die Qualität der Studie. Immer wieder wurde und wird darüber diskutiert, ob und inwiefern die Bewertung qualitativer Forschung durch die Maßstäbe quantitativer Forschung angemessen und sinnvoll ist, da aus »konstruktivistischer und postmoderner Perspektive ein festes Bezugssystem für Kriterien nicht mehr auszumachen ist«856. Darüber hinaus ist Forschung an den Kontext, in dem die Daten erhoben wurden, sowie die Individualität der teilnehmenden Subjekte und deren (kontextbedingten) Konstruktionen gebunden. Auch die sich daraus ergebende historische Einmaligkeit spricht gegen ein Übertragen klassischer Gütekriterien zur Bewertung solch explorativer qualitativer Sozialforschung.857 Um dennoch die Qualität der Forschung gewährleisten zu können, kommen dem Prinzip der Transparenz und somit der intersubjektiven Überprüfbarkeit sowie dem Prinzip der kommunikativen Validierung858 eine zentrale Bedeutung zu. Dies wird zum einen durch die Reflexion in allen Stadien und auf allen Ebenen der Studie und zum anderen durch die Darstellung im Rahmen der Auswertung gewährleistet. Kommunikative Validierung erfolgte sowohl durch den regelmäßigen, kritisch-konstruktiven Austausch mit verschiedenen Forscherinnen und Forschern als auch durch die Auseinandersetzung mit ausgewählten Transkripten im Rahmen eines Forschungsseminars mit Studierenden der Religionspädagogik.859 Die intersubjektive Überprüfbarkeit ist vorrangig im Sinne einer Nachvollziehbarkeit zu verstehen, sie erhebt nicht den Anspruch einer Wiederholungsreliabilität.860 856 Steinke 1999, 249. Darüber hinaus betont Kumlehn, dass in der empirischen Forschung stets auch die »Objektivität eine Konstruktion von Wirklichkeit (ist), die nicht mit der Wirklichkeit selbst zu verwechseln ist« (Kumlehn 2007, 65). 857 Bortz/Döring 2006, 327. 858 Vgl. Strübing 2014, 88. 859 Darüber hinaus sollte das Gespräch mit Lehrerinnen und Lehrern eines Arbeitskreises zur Sicherung der Interpretation beitragen. Doch schnell stellte sich heraus, dass dies nicht gewinnbringend war. Die Lehrerinnen und Lehrer zeigten zwar großes Interesse an den Gesprächen mit den Kindern, verstanden deren Äußerungen jedoch lediglich auf der Handlungsebene. Das heißt, sie hörten das, was die Kinder formulierten, stark durch einzelne Worte gelenkt oder beschrieben das, was die Kinder nacheinander taten. Meist waren das Aspekte, die ihnen Impulse für ihr pädagogisches Handeln geben würden. Es fiel ihnen jedoch schwer, sich auf die Frage einzulassen, welche anderen Möglichkeiten des Verstehens bzw. Deutens es neben ihrer eigenen gab und was die Kinder mit ihrer Aussage vermutlich tatsächlich sagen wollten. Von daher wurde diese Möglichkeit des Austausches als Grundlage für die Auswertung der vorliegenden Daten nicht weiter genutzt. 860 Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 401f.; Stögbauer 2011, 119f. Strauss und Corbin sehen, dass »für soziale Phänomene eine buchstäbliche Wiederholbarkeit der Studie mit identischen Ergebnissen faktisch ausscheidet, weil die Herstellung identischer Ausgangsbedingungen für die erneute Untersuchung nicht zu leisten sei. Dahinter steht auch die Idee der Prozesshaftigkeit sowohl der sozialen Wirklichkeit als auch der Theorien darüber.« (Strübing 2014, 81f.; vgl. Hülst 2010, 294).

Anmerkungen zu den Gütekriterien

211

Gültigkeit im Hinblick auf Ergebnisse qualitativer Forschung ist für Strauss und Corbin insofern gegeben, als es für sie »auch in der Grounded Theory darum [geht], gültige Theorien zu entwickeln, also solche, die intern widerspruchsfrei sind und extern eine adäquate Repräsentation der sozialen Wirklichkeit garantieren«861.

Dabei misst Stögbauer bereits dem Zustandekommen der Daten während der Erhebungsphase eine wesentliche Bedeutung zu: »Wenn die gewonnenen Daten einen hohen Grad an Authentizität gewährleisten können, indem sie die persönlichen Stellungnahmen der befragten Personen widerspiegeln, ist auch davon auszugehen, dass die darin verankerten Interpretationen einen höheren Grad an Verlässlichkeit besitzen.«862

Von einem hohen Grad an Authentizität der Äußerungen der Kinder wird in der vorliegenden Studie ausgegangen.863 Für Lamnek ist die Datenerhebung bei qualitativen Methoden in der Regel durchaus valide, da die Gespräche in einem möglichst natürlichen Umfeld der beteiligten Personen stattfinden und die Vorstrukturierungen eher gering ausfallen. Damit geht einher, dass die Beeinflussung der Daten durch die Methode und den Forschenden nicht besonders hoch ist.864 Im Hinblick auf die unabschließbare Qualitätsdiskussion betont Strübing für die qualitative Sozialforschung die Bedeutung des Sich-Einlassens auf die Besonderheiten der jeweiligen Forschung und dabei das Schaffen von Balance: »Um eine möglichst hohe Qualität der Ergebnisse zu gewährleisten, ist also vor allem eine sorgfältige – und situativ unterschiedlich ausfallende – Balance von Regelhaftigkeit und Systematik einerseits und kreativen Eigenleistungen der Forscherinnen andererseits erforderlich.«865

Darüber hinaus spielen weitere vor allem von Steinke aufgestellte Gütekriterien eine Rolle, die an dieser Stelle nur summarisch genannt werden sollen: die empirische Verankerung der Theoriebildung und -prüfung, die Limitation im Sinne einer Explikation der Reichweite der eigenen Ergebnisse und die reflektierte Subjektivität.866 Ziel ist es schließlich, eine Theorie zu entwickeln, »die ein konkretes soziales Phänomen, seine Bedingungen in den konstitutiven Aktionen 861 Strübing 2014, 82. 862 Stögbauer 2011, 120. 863 Das ständige Suchen der eigentlichen Gedanken und Konstruktionen der Kinder wird vor allem in den Kapiteln zu den Forschungsinstrumenten sowie im Kapitel »Den eigenen Weg finden – Hürden auf dem Weg des Forschens« beschrieben. 864 Vgl. Lamnek 2005, 166. 865 Lamnek 2005, 87. 866 Vgl. Steinke 1999; Bohnsack u. a. 2011, 80–82.

212

Das Forschungsdesign

und Interaktionen der Beteiligten verständlich«867 macht. Dazu trägt in der Grounded Theory der »beständige Wechsel der Vergleichsperspektive zwischen ähnlichen und unähnlichen Fällen/Ereignissen«868 bei und führt dadurch »gleichermaßen zu einer sukzessive erhöhten Reichweite wie zu einer Steigerung der Dichte und Komplexität der entstehenden Theorie«869.

867 Hülst 2010, 294f. 868 Strübing 2014, 86. 869 Strübing 2014, 87.

8

Die konkrete Erhebung

Nachdem die forschungstheoretischen Grundlagen dargelegt und reflektiert wurden, werden in den folgenden Abschnitten die Erhebung sowie damit in Verbindung stehende Entscheidungen in den Blick genommen. Eine Übersicht über die einzelnen Etappen der Erhebung zeigt die einzelnen Schritte und ermöglicht einen Einblick in die Phase der Methodenfindung. Abschließend werden Herausforderungen beschrieben und reflektiert, die sich im methodischen Suchprozess ergeben haben.

8.1

Entstehung der Studie

Von Beginn an sollte diese empirische Forschung nahe an den Schulalltag angegliedert sein. Das heißt, sie sollte in den Räumen der Schule und während der Unterrichtszeit der Kinder stattfinden, an konkrete Lernsituationen anknüpfen und in Bezug auf die Forschungsmethoden nicht allzu viele Irritationen mitbringen.870 Da die Kinder im Vorfeld nicht bekannt waren, traten – erwartungsgemäß – immer wieder unvorhersehbare Hindernisse auf. Die Kinder reagierten beispielsweise anders als erwartet, hatten Schwierigkeiten, sich auf ein Vorgehen einzulassen oder die Ergebnisse waren zu wenig ergiebig bei der Auswertung. Aufgrund solcher Unwegsamkeiten musste das Vorgehen immer wieder angepasst oder es musste nach Alternativen gesucht werden. Damit die Kinder zeigen konnten, was und wie sie denken und wie sie ihre Gedanken begründen, wurden unterrichtsnahe Forschungsmethoden wie Gruppengespräche und Gruppendiskussionen gewählt. Hierbei wurde auch mit Beispielen 870 Theoretisch wäre es auch möglich gewesen, bewusst das schulische Setting zu verlassen oder irritierende Elemente einzubauen. Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, dass zusätzliche Variablen die Auswertung der Daten erschwert und vermutlich das Ergebnis verzerrt hätten. Im Hinblick auf die dieser Studie zugrunde liegenden Forschungsfragen war es wichtig, möglichst nah an den Schulalltag der Kinder heranzukommen.

214

Die konkrete Erhebung

aus dem Unterricht gearbeitet, wie z. B. beschriebene Situationen, verwendetes Material oder Lernprodukte der Kinder.

8.2

Auswahl der Schule und der Kinder

Auf der Suche nach einer geeigneten Schule kam eine Jenaplanschule (die als Gemeinschaftsschule geführt wird) in den Blick, eine private Schule, die von der Evangelischen Kirche getragen wird. Die Kinder lernen hier in jahrgangsgemischten Lerngruppen, die jeweils drei Jahrgänge umfassen. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden an dieser Schule nicht mit Noten bewertet, auch nicht in den höheren Klassenstufen. Im Schulkonzept sind die Orientierung am individuellen Lernen des Kindes sowie die Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit des einzelnen Kindes fest verankert. Das bedeutet auch, dass die Kinder ihrem aktuellen Lernvermögen und Lernstand entsprechend gefördert und gefordert und Rückmeldungen individuell, bezogen auf die einzelnen Lern- und Entwicklungsbereiche, gegeben werden. Im Unterricht erhalten die Schülerinnen und Schüler in erster Linie aufgabenbezogene mündliche Rückmeldungen, zum Halbjahr findet ein Schüler-Lehrer-Elterngespräch statt. Am Ende eines jeden Schuljahres erhalten die Kinder einen ausführlichen Lernentwicklungsbericht, der direkt an das einzelne Kind gerichtet und für das Kind verständlich formuliert ist.871 Darin werden sowohl die Lernentwicklung als auch der aktuelle Lernstand anhand von Beispielen aus dem Schulalltag aufgezeigt.872 Dadurch wird eine Rückkopplung der Leistung und der leistungsbezogenen Fähigkeitsselbstsicht an Noten soweit als möglich ausgeschaltet.873 Die Kinder sind es gewohnt, am Ende der Woche auf das Lernen in diesem Zeitraum zurückzublicken und dabei zu zeigen, was sie – auch als lernende Gemeinschaft – erarbeitet bzw. gelernt haben. Dieser ritualisierte Wochenschluss findet einmal im Monat gemeinsam mit allen Schülerinnen und Schülern 871 Beutel zeigt in ihrer Studie auf, dass es bei Berichtszeugnissen darauf ankommt, dass diese von den Kindern sprachlich und inhaltlich verstanden werden und ihnen Auskunft über fachliches Lernen geben. Kinder wollen eine differenzierte Rückmeldung, ebenso wollen sie Hinweise zur Verbesserung ihres Lernens. (Vgl. Beutel 2005, 166 ff u. 239; vgl. auch Beutel/ Vollstädt 2002). 872 Berichtszeugnisse sind mit dem Lernen und Handeln der Kinder verbunden. Die Lehrperson hat eine kommunikative Verantwortung für das, was und wie sie im Bericht formuliert. Beutel weist auch darauf hin, dass Kindern Klarheit und Wahrheit zugetraut werden kann. Wenn Kritik – Schwächen und Mängel – formuliert werden, ist das auch ein Hinweis darauf, dass die Kinder als Verantwortliche für ihr Lernen wahr- und ernstgenommen werden. (Vgl. Beutel 2005, 167f.; Beutel/Vollstädt 2002). 873 Was die Schülerinnen und Schüler aus dem häuslichen bzw. gesellschaftlichen Umfeld an leistungsbezogenen Erfahrungen und Gedanken mitbringen, bleibt offen.

Auswahl der Schule und der Kinder

215

sowie den Eltern in der Aula der Schule statt, an den restlichen Freitagen in der eigenen Lerngruppe. Die Reflexion ist dabei schwerpunktmäßig inhaltlich ausgerichtet, oft geht es auch um Dinge, die die gesamte Lerngruppe betreffen. Im Wochenschluss in der eigenen Lerngruppe haben die Schülerinnen und Schüler immer wieder die Möglichkeit, ihr eigenes Lernen in den Blick zu nehmen und zu reflektieren. Auch wenn es sich hier um eine Privatschule handelt, so ist die Schülerschaft doch sehr heterogen, sowohl in Bezug auf das Elternhaus, Lernvoraussetzungen, unterschiedliche Entwicklungsbereiche, Beeinträchtigungen874 etc. Die sechs Kinder, die kontinuierlich an der Studie teilnahmen, waren zu Beginn im dritten Schuljahr und somit die ältesten ihrer Lerngruppe. Darüber hinaus nahm im ersten Jahr ein Mädchen mit sonderpädagogischem Förderbedarf teil.875 Insgesamt nahmen drei Mädchen und vier Jungen an der Studie teil, die alle die gleiche Lerngruppe besuchten.876 Je nach Schuljahr waren weitere Mädchen und Jungen aus der Lerngruppe involviert. Im Herbst 2013 wurde das Vorhaben den Eltern an einem Elternabend vorgestellt und die Eltern wurden um ihr schriftliches Einverständnis gebeten. Da die Eltern durchweg großes Interesse an der Studie zeigten, was mitunter auch mit dem grundlegenden Interesse einiger Eltern an einer Privatschule zusammenhängen könnte, war dies unproblematisch.

874 In jeder Lerngruppe gibt es Inklusionskinder, also Kinder mit unterschiedlichem sonderpädagogischen Förderbedarf. 875 Im Verlauf der Studie stellte sich zunehmend heraus, dass eine weitere Teilnahme am Projekt nicht sinnvoll gewesen wäre. Je nach Tagesverfassung war es oft schwierig, mit dem Mädchen ins Gespräch zu kommen, vor allem in den Gruppengesprächen. Deshalb nahm sie daran später nicht mehr teil, auch verblieb sie ein weiteres Jahr in der Lerngruppe, so dass sie im zweiten Jahr der Erhebung nicht mehr in der neuen Lerngruppe war, in die die anderen Kinder wechselten. 876 Bei der Auswahl der Kinder stand im Vordergrund, dass alle die gleiche Lerngruppe besuchen und sie somit auf vergleichbare unterrichtliche Erfahrungen zurückgreifen können. Außerdem blieben dadurch die Absprachen und die Organisation in einem vertretbaren Rahmen. Das Mädchen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollte zunächst daran teilnehmen, auch wenn zu Beginn nicht klar war, inwieweit die Ergebnisse einbezogen werden können. Sie wäre sonst das einzige Kind im dritten Schuljahr gewesen, das nicht teilgenommen hätte. Auf die Leistungsfähigkeit der Kinder wurde nicht geachtet und es erfolgten auch keine Informationen hierzu. Erst später gab die Lehrerin in einem Gespräch nähere Informationen zu den Kindern.

216

8.3

Die konkrete Erhebung

Verortung der Studie im Schulalltag – Durchführung der einzelnen Erhebungen

Die Erhebung der Daten stand im Zusammenhang mit einem sogenannten Unterrichtsprojekt zur Trinität, das sich über zwei Wochen (ca. 12 Unterrichtsstunden an vier Tagen) erstreckte.877 Bewusst wurde dieses anspruchsvolle und herausfordernde Thema für die Lerngruppe Klasse 4–6 gewählt, weil davon ausgegangen wurde, dass die Kinder zur Dreieinigkeit wenig Vorwissen mitbringen. Dies war von Bedeutung, um den Kindern ihren Lernzuwachs deutlich vor Augen führen zu können. Ebenso wurde erwartet, dass dadurch für die Kinder das Nachdenken über das eigene Lernen besser greifbar und es nicht allzu sehr von bisherigen Erfahrungen überlagert wird. Das Unterrichtsprojekt arbeitet mit einer Lernlandschaft, die vielfältige Zugänge, Auseinandersetzungsund Aneignungsmöglichkeiten bietet.878 Erst nach Abschluss des gesamten Unterrichtsprojekts fand die Erhebung der Daten mit Hilfe der Gespräche statt. Die einzelnen Forschungsteile (Gespräche) fanden jeweils am Vormittag während der freien Lernzeit der Kinder statt. So konnten die Schülerinnen und Schüler unproblematisch an den Einzelinterviews, Kreisgesprächen oder den Gruppendiskussionen teilnehmen. Als Ort für die Gespräche wurde die Bibliothek der Schule gewählt, ein Raum im Dachgeschoss, der den Kindern aus dem Schulalltag vertraut ist. Der helle und ansprechend gestaltete Raum mit seinen Bücherregalen an den Wänden, den zahlreichen Kissen sowie dem Sofa sorgt für eine besondere Atmosphäre. Alle Gespräche fanden in der Mitte des Raumes, mit Kissen auf dem Boden sitzend, statt. Dadurch war eine räumliche Nähe möglich, alle Kinder konnten die mitgebrachten Materialien sehen und es stand kein Gegenstand im Weg bzw. zwischen den Teilnehmenden. Das kleine Aufnahmegerät lag dabei in der Mitte. Es geriet von Mal zu Mal mehr in den Hintergrund, so dass es den Kindern schnell gelang, sich auf das Gespräch einzulassen und zu erzählen. Ziel war ein offener und ungezwungener Austausch, bei dem die Kinder eigene Beispiele und kleine Episoden zur Verdeutlichung einbringen, Sachverhalte mit ihren eigenen Worten darstellen und Zusammenhänge auf ihre je eigene Weise erkennen und formulieren konnten. Nach den Gesprächen gingen die Kinder zurück in ihre Lerngruppe und arbeiteten an ihren Aufgaben in der freien Lernzeit weiter. Alle Gespräche fan-

877 Unterrichtsprojekte im Kontext des epochalen Unterrichts sind an dieser Schule in allen Fächern möglich und sind Teil des Wochenablaufs. Unterrichtsprojekte ermöglichen ein projektorientiertes Arbeiten mit größeren zeitlichen Spielräumen und inhaltlichen Zusammenhängen. Sie entsprechen aber nicht den klassischen Projektmerkmalen nach Dewey. 878 Die Planung der Lernsequenz sowie das Material können bei der Autorin erfragt werden.

Den eigenen Weg finden – Herausforderungen auf dem Weg des Forschens

217

den im Rahmen des regulären Unterrichts statt, so dass die Kinder an keiner Stelle auf eine Pause oder z. B. den Sportunterricht verzichten mussten.

8.4

Etappen auf dem Weg der Erkenntnisgewinnung

Tabelle 2 gibt einen Überblick über den zeitlichen Verlauf der Studie und die inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Erhebungen.

8.5

Den eigenen Weg finden – Herausforderungen auf dem Weg des Forschens

Die Studie, wie sie hier nun vorliegt, gründet – wie es für qualitative Sozialforschung eher typisch ist – keineswegs auf einem geradlinigen und von Anfang an durchstrukturierten Forschungsprozess. Im Laufe des Projekts waren viele Fragen zu klären und Hürden zu nehmen. In den folgenden Abschnitten werden exemplarisch die beiden Herausforderungen aufgegriffen und reflektiert, die während des Forschungsprozesses wiederholt überdacht werden mussten, weil zunächst Geplantes nicht in gewünschter Weise zum Erfolg führte. Zum einen geht es darum, wie man forschungsmethodisch den Gedanken der Kinder auf die Spur kommen kann. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, wie Gruppendiskussionen auch mit Kindern gelingen können.

8.5.1 Den Gedanken der Kinder auf der Spur – Anpassung der Forschungsmethode Mit den Kindern ins Gespräch zu kommen war nicht schwierig, Einblicke in ihre subjektiven Erfahrungen und Gedanken zu erhalten jedoch teilweise schon. Im Gegensatz zum unterrichtlichen Kontext, in dem es hauptsächlich darum geht, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen und dabei Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Haltungen zu erweitern und erwerben, geht es in der rekonstruktiven Sozialforschung vielmehr darum, die Sinnkonstruktionen und Erklärungen der Kinder zu eruieren. Auch wenn sich auf den ersten Blick oft der Eindruck ergibt, dass sich viele Kinder heute sprachlich gut ausdrücken können, fällt es vielen dennoch nicht leicht, ihre komplexen Gedanken in Worte zu fassen. Hinzu kommt die aus Lehrerperspektive paradox erscheinende Tatsache, dass Kinder auf Fragen – insbesondere in Einzelinterviews – nicht wirklich frei antworten. Einerseits wollen sie es der Forscherin recht machen und überlegen

Oktober 2013

Vorbereitung

Dezember 2013

Februar 2014

Erhebung 1

Erhebung 2

Kennenlernen Oktober 2013

Zeitraum

Phase

Alle Kinder der ausgewählten jahrgangsgemischten Lerngruppe (Klasse 1–3)

Beteiligte Kinder

Beobachtung

Wissenschaftliche Methode

Verwendetes Material: Bilder von Drittklässlern, eigene Bilder, Karten für das Notieren der Kriterien Ziel: Mit Kindern über Kriterien, Bewertungsmaßstäbe und Rückmeldung nachdenken Erhebung des Vorwissens der Kinder zur 6 Kinder der dritten Jahrgangsstufe, 3 Kinder Mindmap neuen Lernsequenz »Mit Jesus unterwegs« in der 2. Jahrgangsstufe kommen dazu

Verwendetes Material: Hefte der Kinder, Kärtchen mit Begriffen, Glassteine zum Bewerten Ziel: Nach mehreren Einzelinterviews mit Kindern im Vorlauf (an einer anderen Schule) sollen weitere Erfahrungen in Gesprächen mit Kindern gesammelt werden. Zentrale Frage war, wie es gelingen kann, Kinder zum eigenen Erzählen zu bringen und welche praktischen Formen (Arbeit mit Materialien: Kärtchen/Bilder, Hefte, Bewertung durch Glassteine/Icons) dabei hilfreich sein könnten. Gespräche in kleinen Gruppen 6 Kinder der dritten Jahrgangsstufe Kreisgespräch - Kreisgespräch mit gemalten Bildern von Drittklässlern einer anderen Schule: Entwickeln von Kriterien - Gespräch über selbst gemalte Bilder und gegenseitige Rückmeldung mit Hilfe der erarbeiteten Kriterien

Ziele: - Beobachtung, wie die Kinder in dieser Lerngruppe mit dem Konzept des Jenaplans lernen und was hierbei möglicherweise besonders ist - Aufbau einer Beziehung als Grundlage für die Gespräche mit den Kindern - Gespräche mit den Kindern 6 Kinder der dritten Jahrgangsstufe Einzelinterviews

- Vorstellung der Studie am Elternabend, Einverständniserklärung den Eltern austeilen - Hospitation in der Lerngruppe, Kennenlernen der Kinder

Schritte

218 Die konkrete Erhebung

Erhebung 3

Phase

(Fortsetzung)

Juli 2014

Juli 2014

Beteiligte Kinder

Wissenschaftliche Methode

Kreisgespräch

s. o.

Diese beiden Gruppendiskussionen wurden geführt, um mit dieser Methode als Forschende Erfahrungen zu sammeln. Es sollte sich zeigen, wie es gelingen kann, Kinder mehr miteinander ins Gespräch zu bringen.a) Gespräch in kleinen Gruppen zu einer s. o. Gruppendiskussion

Verwendetes Material: Kontinuum (mit Polen, ohne Skalierung). Die Kinder schätzen ihr Lernen anhand von Kriterien auf einer Linie ein. Hinzu kommt die Einschätzung fiktiver Kinder mit dem Ziel des Vergleichens. Gespräche in kleinen Gruppen s. o. GruppenGesprächsimpulse: diskussion Diskutiert und überlegt miteinander, welche Rückmeldung ihr … geben würdet! »Das hast du gut gemacht!« – Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, wenn dir deine Lehrerin diese Rückmeldung gibt?

Einzelinterviews

s. o.

einem persönlichen Gespräch während des Unterrichts Das Vorwissen der einzelnen Kinder wird in einer Mindmap festgehalten und dient als Anhaltspunkt für die Reflexion des Lernens nach der Lernsequenz.

Schritte

April 2014 Gespräche mit einzelnen Kindern Inhalte: Zielklarheit, Lernprozess, Selbstregulation, Feedbackquelle April/Mai Gespräche in kleinen Gruppen 2014 Inhalte: Selbsteinschätzung, vermutete Fremdeinschätzung, Vergleich mit den Einschätzungen anderer Kinder, Bewertung von Einschätzungen

Zeitraum

Den eigenen Weg finden – Herausforderungen auf dem Weg des Forschens

219

Wissenschaftliche Methode

Kreisgespräch/ Gruppendiskussion

Beobachtung

»echten«b) (realen) Frage: »Eltern haben sich im Zug darüber unterhalten, was Zeugnisse Kindern für ihr Lernen bringen. […] Was würdet ihr den Eltern aus eurer Sicht sagen?« Ausgelöst durch die »echte«, aus dem Leben gegriffene Problemstellung sollten die Kinder miteinander in die Diskussion gebracht werden. In den Gesprächen zeigte sich jedoch, dass die Diskussion in einer Gruppe sehr gut verlief und die Kinder sich angeregt und diskursiv unterhielten, die andere Gruppe hingegen kam schnell zu einem Ende – ein echter Diskurs kam nicht wirklich in Gang.

Februar/ Projekt zum Thema »Trinität« Alle Kinder der Lerngruppe (Klasse 4–6) März 2015 Zwei Lehrerinnen führen die Anmerkung: Unterrichtssequenz zur Trinität mit der Die Kinder vom Beginn der Studie haben Lerngruppe (Klasse 4–6) im Rahmen der nun in die nächste Lerngruppe gewechselt. Projektarbeit im Regelunterricht durch. Die Sie sind jetzt im vierten Schuljahr. Unterrichtssequenz umfasst ca. 10 Zusammen mit Kindern der nun neuen Unterrichtsstunden an insgesamt vier Tagen, Lerngruppe wird fortan weitergearbeitet. in zwei aufeinanderfolgenden Wochen (jeweils Mittwoch und Donnerstag). Dieses Projekt ist Reflexionsgrundlage für die Gespräche mit den Kindern im Anschluss. März 2015 Gespräch in kleinen Gruppen 6 Kinder der vierten Jahrgangsstufe sowie Gesprächsimpuls: 5 Kinder der Jahrgangsstufen 5 u. 6 »Als ich vor kurzem bei einer Fortbildung Religionslehrerinnen und Religionslehrern von eurem Projekt erzählt habe, haben mich einige ganz komisch angeschaut. – ›Und da

Beteiligte Kinder

Erhebung 4

Schritte

Zeitraum

Phase

(Fortsetzung)

220 Die konkrete Erhebung

Zeitraum

Schritte

Beteiligte Kinder

Wissenschaftliche Methode

b)

Die Methode der Gruppendiskussion wird ausführlich in Kap. 7.1.3 dargestellt und reflektiert. Die Idee und Grundlage für dieses Gespräch findet sich in einem Gespräch, das Eltern tatsächlich in einem Zug geführt haben. Es handelt sich hier also um kein fiktiv initiiertes Gespräch, sondern ein Gespräch, in dem die Sichtweisen und Perspektiven der Kinder ernsthaft und ausdrücklich erwünscht sind. c) Auch die Grundlage für dieses Gespräch stammt aus einer realen Situation. Tatsächlich äußerte sich ein Lehrer bei einer Fortbildung in oben genannter Weise.

a)

sollen die Kinder etwas lernen?‹, haben sie gesagt. ›Da macht doch jeder etwas ganz anderes. Die einen schreiben ein Elfchen, andere lesen einen Text, wieder andere ordnen Bilder … Und dann gestalten sie ein Kunstwerk/Bild zur Dreieinigkeit. Was soll das denn bringen? – Wann sagt denn eigentlich mal die Lehrerin, was richtig ist?‹ Da bin ich erst mal dagestanden und musste überlegen.«c) Verwendetes Material: einzelne Kunstwerke der Kinder und Punktebilder aus dem Unterricht, Selbsteinschätzungen auf einem Kontinuum, Lehrereinschätzung eines fiktiven Kindes Inhalte: Lernen, Selbsteinschätzung – Fremdeinschätzung und Vergleich von Leistungen, Rückmeldung Tab. 2: Darstellung der Erhebungsphasen [Die Gesprächsleitfäden und Unterrichtsbausteine zur Trinität können bei Interesse bei der Autorin eingesehen werden.]

Phase

(Fortsetzung)

Den eigenen Weg finden – Herausforderungen auf dem Weg des Forschens

221

222

Die konkrete Erhebung

bewusst, was sie sagen oder auch nicht sagen.879 Andererseits sind sie es teilweise nicht gewohnt, vor allem im schulischen Alltag, so dezidiert und gleichzeitig auf der metakognitiven Ebene nach ihrer subjektiven Sicht und Bewertung gefragt zu werden und diese darzustellen. Von daher ist es gerade im Bereich der Forschung mit Kindern von Bedeutung, indirekt und an konkreten Beispielen mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Fragen, wie sie im Einzelinterview immer wieder gestellt werden, sind dabei wenig hilfreich. Eine Frage evoziert eine Antwort, die bei Kindern häufig sehr kurz ausfällt. Mit einem Satz ist für sie oft schon alles gesagt und nur auf insistierendes Nachfragen gelingt es dann manchen Kindern mehr und auch differenzierter zu erzählen. Aufgrund solcher Erfahrungen in der ersten Phase dieses Forschungsprojekts waren die Grenzen eines Einzelinterviews mit Kindern frühzeitig offensichtlich. Mit Gesprächen in Gruppen konnte diese Schwierigkeit überwunden werden, das Ping-Pong-Spiel des Einzelinterviews hatte ein Ende. In der Gruppe war es möglich, an die Gedanken anderer anzuknüpfen oder angeregt davon eigene, neue Gedanken einzubringen. Die Gesprächsleiterin konnte dabei stärker eine moderierende Rolle einnehmen und war weniger als aktive Gesprächspartnerin gefragt.880 Trotz praktischer Erfahrungen im Umgang mit Kindern – oder vielleicht auch gerade deshalb – und intensiver Beschäftigung mit diverser Fachliteratur881 im Vorfeld konnten Schwierigkeiten oft nicht umgangen werden. – Forschen mit Kindern erfordert vielfältige Forschungserfahrungen sowie deren Reflexion.

8.5.2 Wie kann eine Gruppendiskussion gelingen? Unterrichtsgespräche gehören zum Alltag einer Lehrerin, könnte man meinen. Es stellte sich rasch die Frage, wie es gelingen kann, die Kinder untereinander ins Gespräch zu bringen und gemeinsam zu diskutieren, um z. B. im Gespräch eine kollektive Gruppenmeinung hervorbringen zu können. Dazu war es notwendig, die Gesprächsleitung so weit als möglich den Kindern zu übergeben, nicht zuletzt, um nicht allzu viele eigene Impulse in das Gespräch hineinzutragen. In den Gesprächen mit den Kindern wurde schnell deutlich, dass es durchaus einen nicht zu unterschätzenden Unterschied zwischen Kreisgesprächen und Gruppendiskussionen gibt. Nicht jedes Kreisgespräch kann zur Gruppendiskussion 879 Für mich war es in der Interviewsituation oft nicht einfach zu unterscheiden, ob ein Kind gerade nicht mehr erzählen möchte oder nicht kann (vgl. Helfferich 2011, 98). 880 Dabei ist auch zu bedenken, dass Kinder Interviewsituationen – die im Forschungskontext zudem generational gerahmt sind – aus ihrem Alltag nicht kennen. Sie kennen das gemeinsame Gespräch über ein Thema oder auch das Gespräch zwischen fragender und antwortender Person. 881 Vgl. z. B. Helfferich 2011; Trautmann 2010.

Den eigenen Weg finden – Herausforderungen auf dem Weg des Forschens

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werden, eine Gruppendiskussion hingegen könnte jedoch auch als Kreisgespräch bezeichnet werden. Zwischen beiden Formen besteht demzufolge keine reziproke Beziehung. In der Durchführung gelangen Gruppendiskussionen einmal mehr und einmal weniger, so dass sich die Frage stellt, welche Voraussetzungen dafür notwendig oder hilfreich sein können. Um dafür Anhaltspunkte geben zu können, sollen einige der im Laufe der Studie gemachten Erfahrungen und angestellten Überlegungen in diesem Abschnitt zur Sprache kommen und reflektiert werden. Zwei Aspekte werden dabei hervorgehoben: die Organisation des Gesprächs und die Zusammensetzung der Gruppe (1) sowie die Inhalte des Gesprächs (2). (1) Wie von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren vorgeschlagen, wurden natürliche Gruppen gebildet.882 Obwohl die Kinder die gleiche Stammlerngruppe besuchten, war es nicht jedes Mal möglich, dass eine geplante Gruppendiskussion auch zur Gruppendiskussion wurde. Die Forscherin nahm sich bewusst im Gespräch zurück und agierte lediglich als Moderatorin. Nach einer kurzen Einführung, in der der Ablauf im Vergleich zu den bisherigen Gesprächen erläutert wurde, eröffnete ein Impuls den Austausch der Kinder. Die Forscherin konnte sich dann für die Teilnehmenden ersichtlich herausnehmen, indem sie etwas außerhalb des Kreises Platz nahm. War ein weiterer Impuls erforderlich, wurde dieser eingebracht. Einige Impulse (meist als Frage formuliert) waren im Vorfeld geplant und ggf. schriftlich in die Kreismitte gelegt. Die Impulse dienten den Kindern immer wieder als Bezugspunkt bzw. Anker im Gespräch. Dieses Vorgehen stellte sich schließlich als hilfreich heraus. Dennoch verliefen die Gruppendiskussionen sehr unterschiedlich. Es war – wie in Gruppendiskussionen üblich – so, dass einzelne Gruppen schneller zu einem Chorschluss kamen und andere durchaus intensiv und differenziert diskutierten, bis sich eine Sättigung einstellte. In der letzten Erhebungsphase erwies es sich wieder als schwieriger, mit den Kindern in eine Gruppendiskussion einzutreten. Teilweise war es eher als Gruppengespräch einzuordnen. Dies ist möglicherweise auf die Zusammensetzung der Gruppen zurückzuführen. Bewusst wurden Kinder, die die Lerngruppe gewechselt hatten (Viertklässler) mit Kindern des fünften und sechsten Schuljahres in den Gruppen gemischt.883 Dadurch sollte gewährleistet werden, dass die Viertklässler ihre Erfahrungen mit dieser Gesprächsform einbringen und die anderen Kinder das Gespräch durch ihre Gedanken und Erfahrungen bereichern konnten. Dies war jedoch nur eingeschränkt der Fall. Für die Fünftund Sechstklässler war es die erste Gesprächssituation gemeinsam mit mir als 882 Vgl. Flick 2010, 252; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 94–96. 883 Alle diese Schülerinnen und Schüler besuchten die gleiche Stammlerngruppe und arbeiteten im Schulalltag ganz selbstverständlich zusammen.

224

Die konkrete Erhebung

Forscherin. Da sie auf Fragen warteten, war es nicht möglich, dass ich mich aus dem Geschehen gänzlich zurückzog. Eine Moderation und auch Führung wurde erwartet.884 Die Erfahrungen der Viertklässler zeigten hierbei nicht die erwartete kompensatorische Wirkung. (2) Ziel der Gruppendiskussionen war es, ein selbstläufiges Gespräch zu initiieren, in dem die Kinder vielfältige Gedanken, Assoziationen und Beispiele einbringen konnten. Als entscheidend für die Selbstläufigkeit des Gesprächs wurde der Einstieg angesehen.885 Nach reiflicher Überlegung und Abwägung wurden die Gespräche oft durch konkrete Situationen886 initiiert, die interessant und diskutabel erschienen. In der Darstellung wurde darauf geachtet, dass es sich um ein offenes Problem handelte, das vielfältig und kontrovers diskutiert werden konnte. Zuspitzungen wurden teilweise angeboten, um den Kindern die Möglichkeit zur Positionierung und gleichzeitige Begründung ihrer Perspektive anzubieten. Dieses Vorgehen erwies sich teilweise als erfolgreich, teilweise auch nicht. An einer Stelle wurde mit den Selbsteinschätzungen der Kinder gearbeitet, denen eine fiktive Fremdeinschätzung hinzugefügt wurde. Ausgelöst durch diese Materialien entstand teilweise ein sehr dichtes Gespräch. Als Folge stellt sich die Frage, ob andere Zugänge, wie beispielsweise eine Impulsgeschichte, hilfreich sein könnten. Es muss hier aber auch überlegt werden, ob das Thema der Gruppendiskussion für die Kinder wirklich relevant war und sie das nötige Interesse, sich damit zu beschäftigen, mitbrachten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der letzten Phase der Erhebung nicht mehr deutlich zwischen Kreisgespräch und Gruppendiskussi-

884 Dreher und Dreher (1994, 150–152) unterscheiden drei Formen der Gesprächsleitung: die formale Leitung, die thematische Steuerung und die Steuerung der Dynamik, an denen sich die Forscherin orientiert (vgl. auch Flick 2010, 254). Neben der formalen Leitung, soweit diese erforderlich war, wurden – wo nötig – neue Fragen bzw. Denkimpulse eingeführt und somit in gewisser Weise das Gespräch vorsichtig und zielgerichtet gelenkt. An einzelnen Stellen wird dadurch auch die Dynamik beeinflusst, wenn z. B. provokante Fragen eingeworfen oder auch zurückhaltende Kinder motiviert werden. Dennoch wird von Michalek und Schönknecht von einer zu starken Strukturierung abgeraten, da diese dem zentralen Aspekt der Selbstläufigkeit entgegensteht (Michalek/Schönknecht 2006, 161f.). Bei all der Einflussnahme auf das Gespräch ist die Gesprächsleiterin bemüht – mit einer möglichst großen Offenheit – die Kinder zu eigenen Geschichten, Beispielen bzw. Erklärungen zu motivieren und das Eingreifen bewusst begrenzt zu gestalten. 885 Michalek und Schönknecht schlagen zum Einstieg einen Impuls, eine Geschichte oder Fotografien vor, wobei sie mit Impulsgeschichten nicht die notwendige Selbstläufigkeit erzielen konnten (vgl. Michalek/Schönknecht 2006, 152f.). 886 Dies sind kurze Situationsbeschreibungen mit der Funktion eines Impulses. Meist waren sie echten Begebenheiten entnommen (vgl. Kap. 8.4), wie z. B.: In einer Fortbildung, in der von diesem Projekt erzählt wurde, äußerte ein Kollege sein Unverständnis. Wie sollen die Kinder so etwas lernen? Wer sagt ihnen denn, was Dreieinigkeit wirklich ist? Aus dieser Begebenheit wurde dann der Impuls für die Gruppendiskussion generiert.

Den eigenen Weg finden – Herausforderungen auf dem Weg des Forschens

225

on887 unterschieden wurde, sondern vielmehr das Ziel, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen im Zentrum stand. In den Transkripten ist deutlich zu sehen, dass es in den Gesprächen dichtere und weniger dichte Passagen gibt. Viele davon sind den Erwartungen an eine Gruppendiskussion gleichzusetzen. Folglich lässt sich feststellen, dass möglicherweise die Form des Gesprächs weniger entscheidend als andere Faktoren ist, wie beispielsweise die Zusammensetzung der Gesprächsgruppe oder ob der Inhalt das Interesse der Kinder weckt bzw. ob sie hierzu auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können. Auf der Grundlage der in den letzten Abschnitten dargestellten und erläuterten Überlegungen erfolgte die Planung und Durchführung der Studie. Ein Einblick in die Datenaufbereitung und Auswertung soll im folgenden Kapitel gewährt werden.

887 Schäffer spricht von einer Zweigliederung der Gruppendiskussion, dem Diskurs und einem späteren Nachfrageteil, bei dem »zunächst immanente Nachfragen gestellt werden und erst zum Schluss der Diskussion solche exmanenten Charakters« (Schäffer 2011, 76). Diese explizite Zweiteilung mag mit jugendlichen oder erwachsenen Gesprächsteilnehmern möglich sein, mit jüngeren Kindern stößt man jedoch im Rahmen der Forschung an Grenzen. Finden solche Gespräche regelmäßig statt und werden geübt, ist das durchaus vorstellbar. Doch das gehört von seinem Genre her eher in den Unterricht.

9

Analyse und Auswertung

Nach der Erhebung der Daten geht es nun im folgenden Kapitel um die Auswertung und Interpretation des vorliegenden empirischen Datenmaterials. Diese Phase ist ein wesentliches Element qualitativer Forschung. Aufgrund der Komplexität der Prozesse und der rekursiven Vorgehensweise, welche viele Entscheidungen während des Forschungsprozesses erforderten, kann lediglich ein Einblick in den Prozess gegeben werden. Zunächst wird in diesem Kapitel die Grounded Theory als Methode zur Unterstützung der Auswertung vorgestellt. Die Auswahl des Materials und die Aufbereitung der Daten werden im Anschluss dargestellt, bevor dann ein Einblick in die konkrete Auswertung der Daten gegeben wird.

9.1

Grounded Theory als Methode für die Auswertung

Grounded Theory beschreibt nicht nur einen Forschungsstil888, sondern kann ebenso als Methode zur Auswertung qualitativer Daten herangezogen werden. Sie ist für die vorliegende Studie mit ihrer zunächst offenen Fragestellung insofern hilfreich, als das Vorgehen in der Grounded Theory große Offenheit für die Daten an sich mitbringt und gleichzeitig eine »theoretische Sensibilität« erforderlich ist. Die rekursiv angelegte Forschung soll die Kluft zwischen Theorie und empirischer Forschung überbrücken, wobei Datenanalyse und interpretative Theoriebildung eng zusammenhängen.889 Darüber hinaus betonen Strauss und Corbin explizit die Bedeutung alltagsbezogenen Vorwissens aus beruflicher und persönlicher Erfahrung als Ergänzung zu fachlich-theoretischem Vorwissen. Sie heben die Notwendigkeit hervor, »dieses Vorwissen ›kreativ und phantasievoll‹ zu nutzen, [aber] gleichzeitig den systematischen 888 Vgl. Kap. 6.1.4. 889 Vgl. Strübing 2014, 58–60; Hülst 2010, 282; Corbin 2011, 70–75.

228

Analyse und Auswertung

Bezug zu den Daten im Blick zu behalten«890. Eine wechselseitige Bezogenheit von Daten, fachlich-wissenschaftlichem und alltagsbezogenem Wissen kennzeichnet somit die Gewinnung einer Theorie auf der Grundlage der Grounded Theory. Dies entspricht in besonderer Weise dem mit der Studie verbundenen Forschungsanliegen, den Konstruktionen der Kinder in Bezug auf ihr Lernen beim Theologisieren aus der Perspektive der Praxis- und Handlungsforschung theoretisch näher zu kommen und aus den Rohdaten ein datenbezogenes Modell abzuleiten, das wiederum für die Schulpraxis Relevanz aufweist und Schlussfolgerungen ermöglicht. Bezogen auf die Auswertung ist danach zu fragen, wie mit den Konstruktionen der Kinder, also den bei der Erhebung und der Analyse der Daten insgesamt zustande gekommenen Konstruktionen angemessen umgegangen werden kann. Um dieser Frage nachgehen zu können, ist zwischen kognitiven Konstruktionen auf der einen Seite und sozialen Konstruktionen als Prozesse und Produkte von Aushandlungsprozessen auf der anderen Seite zu unterscheiden.891 Diese sind nicht einfach gegeben, sondern werden fortlaufend hergestellt und verändert, so dass sich »Angemessenheit nicht auf etwas immer schon Bestehendes«892 beziehen kann, sondern auf je Erzeugtes oder Auszuhandelndes beziehen muss. Damit tragen kognitive und soziale Konstruktionen zunächst einmal zur Komplexitätsproduktion bei – und nicht zu deren Reduktion. Im Laufe des Forschungsprozesses ist es dann die Aufgabe, diese Komplexität sozial konstruierter Wirklichkeit so zu reduzieren, dass sie »wahrnehmbar, untersuchbar und darstellbar«893 wird. Diese Reduktion erfolgt hier ausgehend von der Forschungsfrage und dem jeweiligen Stand der Auswertung bzw. den damit verbundenen forschungsleitenden Fragestellungen. Da es im sozialwissenschaftlichen Kontext nicht in erster Linie um kausale Zusammenhänge (z. B. aus A folgt B) geht, sondern vielmehr um eine Rekonstruktion von Bedeutungszuweisungen, werden hier Wie-Fragen genutzt, die weiterführender sind als das Fragen nach dem Warum. Sie ermöglichen es, genau hinzuschauen und komplexe Zusammenhänge aufzuschließen.894 Kelle sieht die Gefahr, dass durch eine zu schnelle Reduktion der Dichte bzw. Komplexität sozialer Wirk890 Strübing 2014, 59. Zunächst wird die Grounded Theory immer wieder als »theoriefreie« Analyse von Daten propagiert. Przyborski und Wohlrab-Sahr zeigen jedoch, dass es Glaser und Strauss vielmehr »um eine kontinuierliche Abfolge induktiver und deduktiver Schritte [geht], insofern sich Datenerhebung und Hypothesengenerierung (induktiv), neue theoriegeleitete Datenerhebung aufgrund dieser Hypothesen (deduktiv) und entsprechende Prüfung sowie Elaborierung der theoretischen Konzepte usw. abwechseln«. (Przyborski/ Wohlrab-Sahr 2014, 198) Vgl. auch Kap. 9.3.2 und 9.3.4. 891 Vgl. Kelle 2010, 103. 892 Kelle 2010, 103. 893 Kelle 2010, 102. 894 Vgl. Kelle 2010, 106f.

Grounded Theory als Methode für die Auswertung

229

lichkeit den Daten weder wissenstheoretisch noch forschungslogisch entsprochen werden kann. Konkret benennt sie zwei Gefahren: Durch die Abstraktion vom Einzelfall besteht die Tendenz zur Vereinheitlichung, anstatt die Varianz in den Fällen aufzudecken. Indem Dinge bezeichnet statt beschrieben werden, wird das Darzustellende »verdünnt«.895 Als Fazit sieht sie die Notwendigkeit einer komplexen Bearbeitung, die hier in doppelter Weise gelöst ist. Zunächst werden die einzelnen Gesprächssituationen paraphrasierend und systematisierend erschlossen sowie kommunikativ validiert. In einem zweiten Schritt erfolgt die Auswertung im Sinne der Grounded Theory durch die drei wechselseitig aufeinander bezogenen Kodierschritte. Somit nimmt die Auswertung die Tatsache einer mehrperspektivisch strukturierten Wirklichkeit auf und ist sich deren historischer, situativer und diskursiver Realität bewusst.896 Schließlich ist mir als Forscherin bewusst, dass die letztlich herausgearbeitete Theorie, die sich in zwei Modellen zeigt, lediglich eine mögliche Spielart beschreibt und nur aufgrund zahlreicher, auf die Forschungsfrage bezogener Vorentscheidungen in der vorliegenden Art und Weise entstanden ist. Zurück zur Ausgangsfrage, also zur Frage nach einem angemessenen Umgang mit den Konstruktionen der Kinder. Da die Frage nach den sinngebenden Konstruktionen der Kinder im Zentrum steht und nicht der Prozess der Entstehung der Konstruktionen, kann das Kodieren im Sinne der Grounded Theory als zentrale Methode für die Auswertung herangezogen werden. Für die Auswertung wird als zweitrangig betrachtet, ob die Konstruktionen von den Kindern in die Gespräche »mitgebracht« werden, im Gespräch entstehen897 oder eine Kombination aus beidem darstellen. Stünden die sozialen Konstruktionen und deren Entstehungsprozess im Mittelpunkt, könnte die dokumentarische Methode leitend für die Auswertung sein. Ziel wäre dann jedoch eine Typenbildung, die über das forschungsmethodologische Vorgehen von formulierender und reflektierender Interpretation erreicht würde. Um den dokumentarischen Sinngehalt erschließen zu können, müssten der Diskursprozess rekonstruiert und die einzelnen Beiträge aufeinander bezogen werden.898 Da in dieser Studie ausgehend von den Forschungsfragen vielmehr nach Zusammenhängen und Begründungen gefragt wird und somit eine Theoriebildung in den Blick genommen wird, scheidet die dokumentarische Methode für die Auswertung der Daten aus.

895 Vgl. Kelle 2010, 116. 896 Vgl. Hülst 2010, 284. 897 Die im Gespräch entstehende Meinung ist nicht die »Summe von Einzelmeinungen, sondern das Produkt kollektiver Interaktionen« (Bohnsack 2010, 206). 898 Vgl. Bohnsack 2010, 205ff.; Schäffer 2011, 75–80.

230

9.2

Analyse und Auswertung

Auswahl des Materials und Datenaufbereitung

Trotz des mehrphasigen zirkulären Forschungsprozesses wurden schwerpunktmäßig die Daten aus der letzten Erhebungsphase zur Generierung der Theorien herangezogen. Grund dafür ist die Tatsache, dass sich erst die letzte, umfangreiche Etappe auf das Theologisieren bezog. Das Forschungssetting mit den entsprechenden Leitfragen war zunächst allgemein auf das Lernen und Können der Kinder im Religionsunterricht ausgerichtet. Da diese Erhebungen im Hinblick auf den inhaltlichen Kontext bzw. Bezug noch zu unspezifisch waren, wurde die dritte Erhebung auf das Lernen beim Theologisieren fokussiert. Die dabei erhobenen Daten bestimmten letztendlich wesentlich die Entwicklung der Modelle. Die drei ersten Erhebungsphasen ermöglichten jedoch erst die Zuspitzung der Fragestellung in der vorgenommenen Weise. Die Organisation und Verwaltung der Daten erfolgte mithilfe von MAXQDA. Die computergestützte Software ermöglichte hierbei einen schnellen Überblick und unterstützte das Kodieren durch einfach zu nutzendes Hin- und Herschieben von Gesprächselementen. Daten und Konzepte konnten so immer wieder verglichen und neu geordnet werden, so dass die Kodierprozesse während der Forschung permanent begleitet und kontrolliert wurden.899 Sämtliche Gespräche mit den Kindern wurden mit einem Audio-Aufnahmegerät aufgezeichnet und anschließend transkribiert.900 Zur möglichst genauen Wiedergabe wurden die Audio-Mitschnitte mehrfach angehört. Dialektal gefärbte Einschläge und grammatikalisch holprige Stellen wurden in der Regel belassen, um einen originalen Eindruck zu erhalten. Einzelne Stellen wurden dadurch erst richtig interessant und regten zum genaueren Hinschauen und Hinhören an. Lediglich einzelne Äußerungen wurden zur besseren Verständlichkeit geglättet. Leitend war in diesem Prozess, die Intensität und Genauigkeit des Transkripts im Hinblick auf das Ziel der Studie angemessen darzustellen. Dabei war der Forscherin bewusst, dass durch dieses Vorgehen möglicherweise versteckte Details unberücksichtigt blieben.901 Da das Transkribieren als besonders sensibler Prozess bezeichnet werden kann, dessen Einfluss auf die weitere Auswertung zu bedenken ist, wird im folgenden Abschnitt explizit darauf eingegangen. Bereits die Übersetzung des in der Gesprächssituation Gesprochenen und Gehörten in Schriftsprache enthält Deutungen und nimmt somit Einfluss auf die Auswertung, denn das Gesprochene und das »flüchtige Gesprächsverhalten«902 899 900 901 902

Vgl. Kuckartz/Grunenberg 2010, 501–514. Die Transkription erfolgte nach Kuckartz 2007. Vgl. Zimmermann 2006, 109; Benz 2015, 203. Langer 2010, 515.

Auswahl des Materials und Datenaufbereitung

231

sollen durch die Transkription für die wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung stehen. Doch eben bereits diese Transformation der Daten zeugt von einer bestimmten Sicht auf die Dinge. Schon der Audiomitschnitt bildet die Gesprächssituation nicht eins zu eins ab, da das Gerät Laute und Geräusche selektiv aufnimmt und so möglicherweise zu Vernachlässigendes, wie das Zufallen einer Tür, besonders gut hörbar ist und Bedeutsames in den Hintergrund gedrängt wird. Langer weist darauf hin, dass ein Mitschnitt ebenso komplexitätssteigernd wirkt, da Dinge aufgenommen werden, die in der Situation selbst möglicherweise untergehen oder wenig Beachtung finden.903 Für diese Studie sind die Beeinträchtigungen durch das Fehlen von Mimik, Gestik und Körpersprache die bedeutendsten, da das Transkript dem Gespräch seine Kontextualität entzieht. Auch wenn dies im Transkript nicht sichtbar wird, wurden die Beobachtungen, die unmittelbar nach dem Gespräch mit den Kindern relevant erschienen, im Forschungstagebuch notiert und festgehalten – wohl wissend, dass die vorgenommene Auswahl subjektiv und der Situation geschuldet ist. Dadurch konnten gerade flüchtige Momente der Gesprächssituation, wie z. B. Stimmungen bei der Auswertung, berücksichtigt werden. Die fehlende Kontextualität konnte ein Stück weit dadurch aufgefangen werden, dass die Gesprächsleiterin im Unterricht, auf den sich die Gespräche beziehen, in beobachtender Rolle anwesend war.904 Bei der Auswertung ist zu berücksichtigen, dass bei der Transkription und schließlich auch bei der Auswertung stets mit bereits interpretiertem Material und getroffenen Vorentscheidungen gearbeitet wird. Wie im erziehungswissenschaftlichen Kontext oft üblich905 erscheint auch hier im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse dieser Studie eine nicht allzu detaillierte Transkription ausreichend, da es um die Konstruktionen der Kinder geht und weniger um phonetische Details oder die Überlappung von Gesprächssequenzen bzw. den Diskurs als Gesprächsprozess. Da es in dieser Studie vorrangig darum geht, das Gesagte der Kinder mit ihren Worten (also im Original-Ton) festzuhalten, mit dem Ziel, daraus eine Theorie bzw. ein Modell abzuleiten, wurde dafür die literarische Umschrift gewählt, die versucht die Sprache der Kinder mit dem gebräuchlichen Alphabet darzustellen. Auffällige prosodische Elemente, wie Betonungen oder Auslassungen, wurden in das Transkript aufgenommen, parasprachliche Elemente, wie Lachen oder Husten, ebenso, wenn sie eindeutig waren. Nicht-sprachliche Elemente, wie Mimik, Gestik oder Körpersprache, flossen, wenn sie relevant erschienen, in Beobach903 Vgl. Langer 2010, 215f. 904 Vgl. auch Langer 2010, 516–519. 905 Und hierzu gehört an dieser Stelle meines Erachtens auch die religionspädagogische Forschung.

232

Analyse und Auswertung

tungen ein, die als Memos zu den Gesprächen festgehalten wurden. Insgesamt wurde der Fokus zugunsten der Einfachheit und besseren Lesbarkeit auf eine schlichte Darstellung gelegt.

9.3

Auswertung der Daten

Im folgenden Abschnitt soll mithilfe ausgewählter Beispiele und anhand exemplarischer Schritte ein Einblick in den Auswertungsprozess gegeben werden. Da die einzelnen Schritte bei der Auswertung der Daten nicht als strenge Abfolge zu verstehen sind, sondern vielmehr ineinandergreifen und sich wechselseitig bedingen und ergänzen, kann hier nur ein Einblick gewährt, nicht aber der Prozess hinlänglich dargestellt werden.906

9.3.1 Begegnung mit dem Material (1) Um sich von den konkreten Eindrücken der Datenerhebung zu lösen und ganz auf die Daten einlassen zu können, war es hilfreich, sich diesen durch mehrmaliges Lesen anzunähern. Distanzierung und Reflexion waren nicht zuletzt durch den regelmäßigen Austausch mit anderen Forscherinnen und Forschern907 gewährleistet. Gerade im Zuge der ersten Annäherung und Distanzierung waren diese Werkstattgespräche unter Expertinnen und Experten hilfreich und horizonterweiternd, da in der Diskussion unterschiedliche Deutungen zur Sprache kamen. Das Vorgehen orientierte zunächst an Sinnabschnitten, um große Linien und Zusammenhänge zu entdecken. Später wurden dann immer wieder kleine Sinneinheiten herausgegriffen, um deren Deutepotenzial auszuloten und sie neu in den Kontext des Gesprächs stellen zu können. In den gemeinsamen Werkstattgesprächen wurden subjektive Wahrnehmungen formuliert und mögliche Interpretationen ins Spiel gebracht. Insbesondere war dabei von Interesse, welche Aspekte die Kinder wie formulierten, wie sie aufeinander reagierten oder auch nicht reagierten, welche Formulierungen sie verwendeten, wie die Gesprächsleitung (re-)agierte, welche Emotionen sie zur Sprache brachten, wie Gesprächslinien verliefen etc. Diese Art der Auseinandersetzung mit dem Text ermöglichte es, eine subjektivistische Herangehensweise mit einer »Objektivation« zu verknüpfen, wie 906 Vgl. Strauss/Corbin 1996, 40; Strübing 2014, 19–24; Stögbauer 2011, 151. 907 Beteiligt waren Forscherinnen und Forscher sowie Expertinnen und Experten aus den Bereichen Religionspädagogik, Erziehungswissenschaft und Psychologie.

Auswertung der Daten

233

sie von Mannheim beschrieben wird.908 Auch wenn eine solche Verknüpfung nicht das methodische Ziel ist, wurde sie gewählt, um von Anfang an eine Perspektiverweiterung zu verfolgen, die dem weiteren Auswertungsprozess insofern diente, als sie für das Datenmaterial in Bezug auf die Fragestellung sensibilisierte, so dass beim späteren Kodieren auf eine größere Sicherheit im Umgang mit den Daten zurückgegriffen werden konnte. Die dokumentarische Methode, die hier ansatzweise zum Tragen kommt, »unterscheidet vielmehr zwischen der im Erleben verankerten Herstellung von Wirklichkeit, dem handlungspraktischen Wissen einerseits, und kommunikativ generalisiertem Wissen […] andererseits«.909 Der Vorteil dieser Methode wird darin gesehen, dass hier nicht nur die verbale Äußerung als solche eine Rolle spielt, sondern auch das Zusammenspiel in der Gruppe, in der diese Konstruktionen erfolgen. Somit haben die soziale Struktur und die Interaktion in der Gruppe Auswirkungen auf das Handeln selbst – ähnlich wie es auch im Thomas-Theorem910 beschrieben wird. Ursprung und Wirkung des Gesagten liegen aus dieser Perspektive in der sozialen Gruppe. Auch in der Grounded Theory kann von der Bedeutung der Gruppe für das Zustandekommen von Konstruktionen ausgegangen werden. Da es in dieser Studie in erster Linie um die Konstruktionen selbst geht und weniger um deren Entstehen und den damit verbundenen Gesprächsverlauf, wird die dokumentarische Methode nicht als zentrale Methode zur Auswertung der Daten herangezogen. (2) Interessant war es in dieser Phase, die Gedanken und Argumentationen der Kinder zu ergründen und dabei erste Ideen für Konzepte und Kategorien zu entwickeln. Während aller Phasen der Auswertung war der Forscherin bewusst, dass es nur begrenzt möglich ist, den Kinderaussagen auf den Grund zu kommen.911 Ausgehend von der Forschungsfrage, also der Frage nach dem, was Kindern wichtig ist, wenn sie von ihrem Lernen sprechen, und wie sie davon sprechen, wurden die Transkripte diskutiert (siehe Abb. 6). In den Gruppengesprächen bzw. Gruppendiskussionen eröffneten die Kinder Themen wie Bedingungen des Lernens (Spaß, Interesse, Motivation etc.), wie Lernen und Leisten »funktionieren«, Rückmeldung, Selbst- und Fremdbestimmung, Selbst- und Fremdsicht, Vergleichen, Lernstrategien, Emotionen oder die Bedeutung anderer. In dieser ersten Phase der Auswertung war es vor allem interessant, wie die Kinder ihre Gedanken konstruierten, begründeten und Bezüge herstellten, so908 909 910 911

Vgl. Mannheim 1980, 104f.; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 280–283. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 281. Vgl. Strübing 2014, 22; Kroneberg 2011, 62f. Dies wird bedingt durch die Kontextabhängigkeit der Gespräche (konkrete Situation, teilnehmende Personen etc.) als auch durch die Einschränkungen, die sich aufgrund der generationalen Ordnung oder biografische Gegebenheiten der Forscherin ergeben.

234

Analyse und Auswertung

Abb. 6: Erste Auseinandersetzung mit den Transkripten

wohl zu Situationen als auch zu Äußerungen anderer Kinder. Dabei zeigte sich, dass manche Gedanken nur aus dem Kontext verstanden werden können, die Kinder teilweise viele Worte benötigten, um einen Gedanken auszudrücken, und immer wieder in ihren Gedanken sprangen, wodurch der Zusammenhang schwer auszumachen war. Bisweilen formulierten sie Dinge aber auch erstaunlich kurz und prägnant, so dass manche Äußerungen fast übersehen wurden.

Auswertung der Daten

235

Immer wieder nahmen Kinder einen zuvor formulierten Gedankengang an späterer Stelle wieder auf und führten diesen fort bzw. ergänzten ihn. Darüber hinaus gab es weitere sprachliche Auffälligkeiten, die zunächst erkannt und schließlich eingeordnet werden mussten. Einige sollen an dieser Stelle kurz dargestellt werden: – Lieblingswörter bzw. Lieblingsformulierungen einzelner Kinder, die immer wieder verwendet wurden Beispiele : »also«, »Also auf jeden Fall …«, »Da würd ich auf jeden Fall sagen …« – Relativierung von Gesagtem durch Formulierungen wie »halt«, »vielleicht«, »schon«, »ziemlich«, »nicht so viel«, »nicht so gut« etc. – Verstärkung eigener Gedanken durch Füllwörter Beispiele: »richtig wichtig«, »richtig gut«, »ehrlich wirklich wichtig«, »immer« – Eigene Einschätzung bzw. Bewertung von Gesagtem Beispiel: »… und das war gut so« – Argumentieren mit Vergleichen, Kontrasten oder Bildern, welche oft erst im Zusammenhang verständlich wurden Beispiele: »in Reli – in Mathe« (G/2–1–15/31–35), »bei mir – bei …«, »Augenring«, »Gehirnmaschine« oder »irgendwo in deinem Kopf hinten oder vorne, irgendwo in einem kleinen Eck läuft ja aber immer was« (G/3–1–15/ 168–169) – Verwendung von negativen Formulierungen Beispiele: »Also ich freue mich erst mal, dass sie jetzt nicht sagt, na, das kannst du auf jeden Fall besser, das gefällt mir nicht. – Ich freue mich ja und ähm – ich wundere mich ein bisschen, warum sie mich jetzt so gut einschätzt und ich nicht.« (G/7–2–15/351–354) »Doch, man kann was lernen, aber vielleicht, wenn es nicht so, wenn das ganze Projekt einfach nicht so viel Spaß macht, dann behält man, glaub, einfach auch nicht so viele Erinnerungen daran.« (G/2–1–15/256–258) – Verwendung von »man«, um eigene Gedanken bzw. Erfahrungen zu verallgemeinern Beispiele: »Man erfährt halt mehr drüber, was man selbst gedacht hat oder man, oder man erfährt, das ist eigentlich was ganz anderes, wo man gedacht hat.« (G/2–1–15/54–55) »[…] lernt man dann ja auch besser, als wenn man nur immer schreibt und schreibt« (G/1–1–15/73–74) »[…] dann würde ich darüber nachdenken, ob ich mich jetzt zu schlecht eingeschätzt habe, weil manchmal schätzt man sich selbst viel zu schlecht ein – weil man mit sich selbst irgendwie nicht zufrieden ist, aber – andere finden es – dafür richtig gut.« (G/ 7–2–15/328–331) »Ja, da konnte man sich halt ausdrücken. Halt, wie man sich Gott vorstellt.« (G/1–1–15/151)

236

Analyse und Auswertung

– Distanzierende Formulierung von Gedanken Beispiele: »Also schlecht kann man eigentlich nicht sagen, mir ist es eigentlich egal, aber man soll ja eigentlich auch andere – wie sie – mich einschätzen so vielleicht auch mal fragen, weil gerade wenn – zum Beispiel jetzt ich mich besser einschätze, aber die Lehrerin mich anders einschätzt als ich, […]« (G/ 7–2–15/257–260) »[…] dass man wissen konnte, was die anderen so denken […]« (G/3–1–15/65–66) Nachdem diese Besonderheiten erkannt und diskutiert waren, fiel die Konzentration auf den »eigentlichen« Inhalt leichter. Es war nun möglich, manche Äußerungen nur zur Kenntnis zu nehmen und nicht weiter zu hinterfragen.912 Gleichzeitig war der Blick für Besonderheiten geschärft, so dass diese wenn nötig in die Interpretation einbezogen werden konnten. Dennoch musste in jedem Fall separat über die Bedeutung von Worten, Sinnabschnitten bzw. Formulierungen entschieden werden.

9.3.2 Offenes Kodieren Auf der oben beschriebenen Grundlage konnte dann die Auswertung der Gespräche mithilfe der Grounded Theory in drei Kodierphasen – dem offenen, dem axialen und dem selektiven Kodieren – erfolgen, welche wechselseitig aufeinander bezogen sind.913 Beim offenen Kodieren, dem ersten Schritt auf dem Weg der Theoriebildung, werden die Daten zunächst in kleine Sinneinheiten aufgebrochen, wobei ähnliche Sinneinheiten zusammengefasst und in einem Konzept verdichtet werden. Leitidee aller drei Kodierprozesse ist das ständige Vergleichen von Daten, wobei diese kontrastiert und auf Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede hin verglichen werden.914 Ausgangspunkt für das Kodieren sind die Transkripte der Gespräche mit den Kindern, wobei das Kategoriensystem nicht im Vorfeld feststeht – wie es beispielsweise bei der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring915 der Fall ist, sondern sich aus den Daten ergibt. Dennoch kann ein solches Kategoriensystem nicht ganz frei und unvoreingenommen allein aus den Daten aufgebaut werden, 912 Es war beispielsweise geklärt, ob es sich um ein Lieblingswort eines Kindes handelt, das im Hinblick auf die inhaltliche Aussage ein Stück weit vernachlässigt werden kann oder ob mit einem Wort wie »halt« die Bedeutung des Inhalts vom betreffenden Kind betont werden soll oder ob die gewählte Formulierung zur Verallgemeinerung diente. 913 Vgl. Strübing 2014, 15–19; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 201–204; Stögbauer 2011, 150– 160. 914 Vgl. Strübing 2014, 15; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 204–206. 915 Vgl. Mayring 1997; 2010; 2010a.

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Auswertung der Daten

da jede Forscherin bzw. jeder Forscher verschiedene Theorien und auch Annahmen mitbringt. Die Grounded Theory versteht das Kodieren deshalb als »Prozess der Entwicklung von Konzepten in der Auseinandersetzung mit dem empirischen Material«916. Für Strübing gehört hierzu auch die Fähigkeit, sich in die Daten einfühlen zu können, sowie das Einbringen von Erfahrung und Intuition.917 Die vielfältigen Facetten eines Phänomens müssen beim offenen Kodieren zunächst herausgearbeitet werden, um dann in die jeweilige theoretische Kategorie einfließen zu können. Indem die einzelnen Kodes auf Ähnlichkeiten und Unterschiede hin verglichen werden, entstehen Dimensionen, mit Hilfe derer eine Kategorie beschrieben werden kann. »Die Dimensionalisierung zielt […] auf die Erzeugung analytischer Vielfalt und nicht auf die Reduktion durch Integration.«918 Dies bedeutet, dass durch die Differenzierung innerhalb einer Kategorie vielfältige Ausprägungen sichtbar werden und es nicht um eine Vereinfachung und damit Reduktion geht. Der Ausschnitt aus einem Codebaum (siehe Tab. 3) gibt einen Einblick in einen frühen Stand des offenen Kodierens. Lernen Lernt Neues nicht geglaubt Aneignung Selbstbestimmung Fremdbestimmung Ziel möchte gut sein – Status Lernen verbessern – Entwicklung Rückmeldung soll Orientierung geben Idee, wie Lernen verbessern S aktiv

Übung Tipps holen anderen erklären 916 Strübing 2014, 16. 917 Vgl. Strübing 2014, 19. Das Einfühlen wurde durch den ersten Schritt, die konkrete Auseinandersetzung mit den Transkripten, grundgelegt. Erfahrung und Intuition sieht die Forscherin in erster Linie in den zahlreichen Praxis- und Reflexionserfahrungen verankert sowie dem Austausch mit Expertinnen und Experten, die solche Erfahrungen ebenso einbrachten. 918 Strübing 2014, 21.

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Analyse und Auswertung

(Fortsetzung) an bisheriges Lernen anknüpfen S passiv erklärt bekommen L soll mit S sprechen beraten – Tipps geben L hört zu L soll Lernen planen entsprechend dem Können der SuS individuell – interpersonal Individuell Lernen ist individuell subjektive Sicht subjektive Bewertung mit anderen mit Freunden Kennenlernen anderer Sichtweisen Tun – Konstruktion aktive Aneignung: legen, malen … denken – konstruieren Nachdenken, überlegen, verknüpfen Interesse an den Konstruktionen anderer kann Neues entdecken hört, was andere denken hört, was es für andere bedeutet was L sagt, spielt keine Rolle … Tab. 3: Ausschnitt aus einem Codebaum

Durch die Suche nach interessanten Stellen und Zusammenhängen wurde das Kodieren und auch das Strukturieren der Daten maßgeblich beeinflusst. Erste Pfade wurden sichtbar. Das stete Vergleichen, das zur zentralen Aufgabe in der Grounded Theory gehört, brachte jedoch auch viele Unsicherheiten und Zweifel bezüglich der Festlegung der Codes bzw. Subcodes sowie deren Abgrenzung voneinander mit sich, denn durch jede Zuordnung wurden andere Möglichkeiten und somit Deutungen ausgeschlossen. Doch gerade im Ausschließen und Ignorieren einzelner Perspektiven und dem damit verbundenen Fokussieren auf einzelne Bereiche konnte das Forschungsfeld zunehmend konturiert und Fragen konnten differenzierter formuliert werden. Beim offenen Kodieren wurde zunächst deutlich, was die an der Studie be-

Auswertung der Daten

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teiligten Kinder als bedeutsam und wichtig in Bezug auf ihr Lernen im Kontext des Religionsprojekts zur Trinität erachteten, welche Aspekte für sie beim Lernen eine Rolle spielten und wie sie sich einzelne Dinge erklärten. So gehörte es für sie beispielsweise zum Lernen, dass man Neues erfährt, sich intensiv mit einer Sache auseinandersetzt und dabei selbst Dinge entdeckt (»rausfindet«), nachdenkt und überlegt, eigene Gedanken formuliert und anderen etwas zeigt, hört, was andere denken und sagen, etc. Dabei wurde beschrieben, wie sie Lernen verstehen, welche Ziele sie darin sehen, welche Formen der Aneignung sie unterscheiden, welche Ideen sie haben, um sich zu verbessern, welche Rolle andere dabei spielen etc. Durch das »Aufbrechen« der Daten beim offenen Kodieren wurde »eine begriffliche Einteilung vieler Facetten des untersuchten Materials in Form von Konzepten und Kategorien«919 möglich. Eine erste »Abstraktion und Verdichtung des Materials«920 auf dem Weg zur Theoriebildung wird damit vorgenommen. Beim Kodieren kommen vor allem zwei Arten von Kodes zum Tragen: fachwissenschaftliche Konstrukte, die von vorliegenden Theorien entnommen oder eigens strukturiert werden, und In-vivo-Kodes, die wie Zitate aus den Aussagen der Kinder und Jugendlichen entlehnt werden. Bei der Analyse der Daten ist entscheidend, dass beide Bereiche, sowohl die alltags- bzw. kontextbezogene als auch die wissenschaftliche Ebene, zum Tragen kommen und angemessen in die Theorie- bzw. Modellbildung einbezogen werden.921 Bei der Auswertung im Rahmen des offenen Kodierens wurden zum einen Kodes direkt aus dem Material als In-vivo-Kodes gewonnen, wie z. B. »Wissen teilen«, »von einem selbst weiß man schon die Meinung« oder »bei den anderen rausgesprungen ist«, und zum anderen Kodes auf der Grundlage fachlicher Theorien. Die Kodes wurden zunächst so nah wie möglich am Material formuliert (z. B. »Bewusstwerden eigener Gedanken«, »zeigen«, »hören, was andere denken«, »spielerisches Lernen«), im Zuge des Sortierens wurden diese zunehmend gebündelt und vergleichender- und kontrastierenderweise zu Kategorien zusammengefasst. Bei diesem Schritt haben wissenschaftliche Theorien eine stärkere Rolle gespielt, auch in der begrifflichen Festlegung der Kategorien, wie »Selbstbestimmung«, »Motivation« oder »Aneignung«. Eine zu frühe fachwissenschaftliche Festlegung sollte durch die Nähe zum Datenmaterial vermieden werden, da sonst dem Datenrohmaterial zu wenig Offenheit entgegengebracht würde. Gerade die Nähe zu den Daten ermöglicht neue Entdeckungen ausgehend vom Material, statt dieses lediglich bereits bestehenden Theorien zuzuordnen. Die Stärke der Grounded Theory, die wechselseitige Verknüpfung von kon919 Vgl. Hülst 2010a, 12. 920 Vgl. Hülst 2010, 286. 921 Vgl. Hülst 2010, 286f.

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Analyse und Auswertung

textbezogener und wissenschaftlicher Ebene, wird hier sichtbar. Die Kodes und Konzepte bezeichnen schließlich »das Ergebnis von geistigen Operationen an einem Text (o. Ä.) […] auf dem Weg zu empirisch fundierten Verallgemeinerungen […] und sollten nicht als ›Tatsachen‹ missverstanden werden«922. Sie entstehen im Hinblick auf die empirischen Daten und die mit der Forschung verbundenen Fragestellungen. Lediglich in diesem Kontext haben sie Gültigkeit und sind reliabel.

9.3.3 Erste Annäherung an eine Theorie mit Hilfe von Mindmaps Durch ständiges Umsortieren aufgrund des Vergleichens und Kontrastierens vor dem Hintergrund der Forschungsfragen ergaben sich erste Schwerpunkte und Zusammenhänge, die mit Hilfe von Mindmaps sichtbar gemacht werden konnten. Eine solche Ordnung ist im Folgenden dargestellt (siehe Abb. 7). Ausgehend von verschiedenen Mindmaps und dem Ergebnis des offenen Kodierens konnten größere Zusammenhänge herausgearbeitet und schließlich Kernkategorien gebildet werden.

9.3.4 Axiales und selektives Kodieren Beim axialen Kodieren wurden Konzepte in ihrem inneren Zusammenhang genauer bestimmt und in Kategorien überführt. Ziel war es hier, logische und inhaltliche Beziehungen zwischen den Kategorien am Material herauszuarbeiten923, wobei die Kategorien das Ergebnis von Interpretationen waren. Es ging dabei in erster Linie darum, eine »innere Dynamik der Erkenntnis«924 auszuloten, mit deren Logik die Daten zerlegt und wieder zusammengefügt werden konnten. In diesem Auswertungsschritt wurden auch bisherige Konzepte und Annahmen von Beziehungen so lange überprüft, bis ein »kontrolliertes Gedankenbild«925 entstand. Beim offenen und axialen Kodieren wurden schließlich »in einer zyklischen Bewegung im Gegenstand verankerte, zugleich aber auch abstrahierende Kategorien«926 analytisch so lange aufeinander bezogen, bis beim selektiven Kodieren daraus Kernkategorien gebildet werden konnten. Diese waren der Schlüssel zum Verständnis und konnten schließlich in ein Prozessmodell überführt werden, in dem die Kategorien und die theoretischen 922 923 924 925 926

Hülst 2010, 287. Vgl. Hülst 2010a, 12. Hülst 2010, 288; vgl. auch Hülst 2010a, 13. Hülst 2010a, 13. Hülst 2010a, 14.

Auswertung der Daten

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Abb. 7: Beispiel einer Mindmap

Konzepte aufeinander bezogen wurden. Der ständige Vergleich trug letztlich nicht nur zur Konzept- und Kategorienbildung bei, sondern stützte auch das generierte Modell, da sich dieses im Verlauf des Forschungsprozesses immer

242

Analyse und Auswertung

wieder beim Einarbeiten neuer Daten unter Beweis stellen und bewähren musste.927 Die einzelnen Analyseschritte verliefen keineswegs linear, sondern bewegten sich »kreisförmig, sprunghaft, bisweilen rekursiv und immer beweglich, dem jeweiligen Stand des Erkenntnisprozesses gemäß«928, ähnlich wie Hülst es beschreibt. Mit Hilfe der Grounded-Theory-Methodologie wurde die »kreative, geistige Fähigkeit«929 angeregt »bisher noch nicht ›gesehene‹ Zusammenhänge – bisweilen blitzartig – erschließen zu können«930. Auch wenn der Schritt der »Theoriebildung« bzw. hier der Modellgenerierung von Bedeutung ist, kann genau dieser nur eingeschränkt dargestellt werden. Axiales und selektives Kodieren sind nämlich in erster Linie kreative Prozesse, bei denen meist »blitzartig« bisher noch nicht gesehene Zusammenhänge erschlossen werden können. Alles, was dazu formuliert wird, ist nachträgliche Rekonstruktion und Deutung: »So kann aus der z. T. bewussten und z. T. intuitiven Abwägung einer Vielzahl von möglichen hypothetischen Beziehungen ein plötzliches ›Erkennen‹ von Zusammenhängen, ein Gedankengang entstehen, dessen Einfall jedoch ohne vorherige intensive Auseinandersetzung mit dem Material (und bisweilen starke Ohnmachtsgefühle) nicht zustande kommen kann.«931

In der konkreten Studie bestand die Aufgabe darin, in intensiver Auseinandersetzung mit den Kategorien und auf dem Weg zu den Kernkategorien – ausgehend von der Frage, wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären – ein Modell abzuleiten, das über den Einzelfall hinausweist. Dabei wurde gerade beim axialen Kodieren deutlich, dass es zwei Felder von Beziehungen gibt: »Lernen im Spannungsfeld zwischen eigenem Handeln/Tun und Denken/Konstruieren« und »Lernen in der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen«. Eine wechselseitige Abhängigkeit des eigenen Handelns und dem damit verbundenen Denken wurde erkennbar. Diese wurde für die Kinder dadurch fruchtbar, dass Gedanken sowohl visualisiert als auch zur Sprache gebracht wurden. Bezugspunkt kann dabei sowohl der/die Lernende selbst sein als auch andere Personen. Schließlich gibt es Voraussetzungen für solche Lernprozesse. Dies in einem Schaubild darzustellen, war hier die Aufgabe.932 Bereits beim offenen Kodieren zeigte sich, dass sich im Bereich der Lernstrategien ein weiteres, großes Feld öffnete. Zahlreiche kognitive Strategien wurden sichtbar, die beim Nachdenken der Kinder über das Theologisieren, also 927 928 929 930 931 932

Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 204, 206. Hülst 2010a, 14. Hülst 2010a, 19. Hülst 2010a, 19. Hülst 2010, 293. Vgl. Kap. 10.2.

Auswertung der Daten

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in deren Reflexion, eine Rolle spielten. Diesen Strategien wurde in einem zweiten, separaten Auswertungsschritt nachgegangen. Auch hier konnten die Kernkategorien »ich« und »andere« herausgearbeitet werden, hinzu kam die Ausrichtung auf ein Ziel. In ihren auf das Lernen bezogenen Konstruktionen bewegten sich die Kinder zwischen Beschreiben, Begründen und Regulieren. In Anbetracht der Tatsache, dass axiales und selektives Kodieren in besonderer Weise kreative und sprunghafte Prozesse der Erkenntnisgewinnung sind, wurde in der Darstellung auf Details in der Auswertung verzichtet. Ziel war es, dem Leser / der Leserin zentrale Schritte und erkennbare Ergebnisse, die interessant und weiterführend sind, zu präsentieren. Auch wenn die vorgenommenen kognitiven Prozesse der Auseinandersetzung lediglich kurz dargestellt wurden, so eröffnen sie doch ausschnitthaft einen Einblick in einzelne Auswertungsschritte. Dass diese Auswertung trägt, zeigt sich schließlich in den verdichteten, plausiblen Modellen, welche im folgenden Kapitel dargestellt werden.

10

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

10.1 Einführung Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Studie dargestellt und analysiert. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Kinder, wenn sie über ihr Lernen nachdenken und darüber sprechen, unterschiedliche Facetten ihres Lernverständnisses zum Ausdruck bringen. Lernen bedeutet für sie, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen und auch darüber nachzudenken, Neues zu entdecken oder zu erfahren, zu hören, was andere denken und sagen, eigene Gedanken zu formulieren und Rückmeldung von anderen zu erhalten. All dies sind Aspekte, die während der Reflexion der Kinder eine Rolle spielen. Die Gedanken und Konstruktionen der Kinder zu dem, was für sie beim Lernen im Rahmen des Theologisierens bedeutsam ist und wie sie sich dieses erklären, wurden in den reflexiven Gruppengesprächen (Kreisgespräche, Gruppendiskussionen) deutlich. Als Ergebnis der Auswertung wurden auf der Grundlage der Daten zwei Modelle entwickelt, die nun in diesem Kapitel dargestellt und erläutert werden. Das erste Modell wird zunächst als Ganzes in seinem Gesamtzusammenhang vorgestellt und dann in einem zweiten Schritt – in einer Art »Werkstattspaziergang« – entfaltet. Dieser soll dem Leser bzw. der Leserin einen Einblick in die spezifische Forschungsarbeit geben. Ähnlich ist das Vorgehen bezogen auf das zweite Modell. Auch hier beginnt die Darstellung mit einem Überblick und erst in einem zweiten Schritt werden die einzelnen Elemente sukzessive aufgebaut, um so das komplexe Modell nachvollziehen zu können.933 Ziel dieser Form der Einführung der beiden Modelle ist es, dem Leser bzw. der Leserin von Anfang an einen Gesamtzusammenhang zu ermöglichen. Darüber hinaus wird bei der Entfaltung der Modelle explikativ, also mit kon933 Dieses Modell bezieht sich auf die Daten des letzten Teils der Studie, in der ein konstruktivistisch angelegtes Unterrichtsprojekt die Kinder immer wieder zu theologischen Gesprächen und somit komplexen Konstruktionen herausforderte. Die vorangegangenen Erhebungen haben maßgeblich zur Konzeption dieses letzten Teils beigetragen.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

kreten Kinderäußerungen, gearbeitet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese nicht einfach einem einzelnen Gedankengang bzw. Ausschnitt des Modells zugeordnet werden können, sondern oft viele weitere Dimensionen beinhalten. Von einzelnen Aussagen kann keinesfalls auf das gesamte Modell geschlossen werden. Umgekehrt können jedoch an einzelnen Beispielen Facetten der Modelle und damit verbunden Sichtweisen der Kinder deutlich werden. Schließlich ist beim Lesen zu bedenken, dass in einer einzelnen Kinderaussage, die hier exemplarisch aufgenommen ist, oft vielfältige Aspekte angesprochen werden. Diese wurden über die einzelnen Kodierschritte aufgenommen, geordnet und schließlich interpretiert und so in das Modell eingebunden. Diese Zwischenschritte sind für Leserinnen und Leserin jedoch nicht ersichtlich. Würden diese Aussagen nur auf der Ebene des Verständnisses und des inhaltlichen Zusammenhangs – also unmittelbar – verstanden, würde dies dem wissenschaftlichen Anspruch nicht genügen und auch dem tatsächlichen Vorgehen bei der Auswertung der Daten nicht entsprechen.934 Ein solches Vorgehen wurde im Bewusstsein gewählt, dass durch die Kinderäußerungen viele Fragen offenbleiben bzw. dadurch erst evoziert werden. Der Nähe zum Unterrichtsalltag wird an dieser Stelle jedoch Vorrang gegeben.935 Die Kommentare zu den Kinderäußerungen stehen nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Kodieren, sondern geben der Leserin bzw. dem Leser einen Einblick in das Denken der Kinder sowie in die Auseinandersetzung mit dem Datenmaterial während des Auswertungsprozesses.936 Wenn nun im Folgenden mit Ausschnitten aus den Reflexionsgesprächen gearbeitet wird, besteht zwangsläufig die Gefahr einer Verkürzung, welche zugunsten der Transparenz und Nachvollziehbarkeit als wichtige Gütekriterien qualitativer Forschung in Kauf genommen wird. Ziel ist es, die Ergebnisse transparent und nachvollziehbar darzustellen und dabei einen Einblick in die konkrete Forschungsarbeit zu geben. 934 Vgl. auch Kapitel 9 »Analyse und Auswertung«. Przyborski und Wohlrab-Sahr merken im Rückgriff auf Glaser an, dass eine deskriptive Haltung im Bereich qualitativer Forschung durchaus angemessen sein kann, die Grounded Theory jedoch auf eine integrierte Theorie und nicht auf Deskription angelegt ist. (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 200) Die deskriptiven, deutenden Sequenzen dienen der Nähe zu den Kinderaussagen und dem Bezug zur Unterrichtspraxis, sie haben jedoch nicht das Ziel, die Theorie zu beschreiben. Ebenso unterstreichen diese Passagen die gemeinsamen Satz- und komplexen Sinnkonstruktionen wie sie in Gruppendiskussionen bzw. Kreisgesprächen zum Ausdruck kommen und in der dokumentarischen Methode eine Rolle spielen. (Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 277– 291) 935 Praktikerinnen und Praktiker sowie Studierende sollen durch dieses Vorgehen für die Aussagen von Kindern sowie darin enthaltene komplexe kausale Zusammenhänge sensibilisiert werden und dadurch schließlich auch für die Deutung von Kinderaussagen im Schulalltag Anregung und Orientierung erhalten. 936 Diese Gedanken wurden auch durch den regelmäßigen Austausch mit anderen Forschenden unterschiedlicher Disziplinen angeregt.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

247

10.2 Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären Die Ergebnisse der Studie münden in zwei Modelle, wobei das zweite einen Ausschnitt des ersten Modells fokussiert und näher betrachtet. Leitend war bei der Auswertung die Fragestellung, wie Kinder von ihrem Lernen sprechen und wie sie sich dieses erklären. Eine Antwort darauf gibt das erste Modell (siehe Abb. 8).

Ich

Handeln/ Tun

Handeln/ Tun

zur Sprache bringen

veranschaulichen

zur Sprache bringen veranschaulichen

Denken/ Konstruieren

Denken/ Konstruieren

Andere A

Abb. 8: Wie Kinder Lernen beim Theologisieren erklären937

937 Die Begriffe im Schaubild sind soweit als möglich dem Wortschatz der Kinder entnommen oder greifen auf In-vivo-Codes zurück. Dadurch sollen die Kinder mit ihren Gedanken im Modell »sichtbar« werden. »Spaß«, »spielerisch«, »Interesse« sowie »Selbstbestimmung« sind In-vivo-Codes, die direkt von den Kindern übernommen wurden.

248

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Zunächst fällt auf, dass sich das Lernen der Kinder, wie es in den Äußerungen bzw. Gedanken der Kinder zur Sprache kommt, in zwei Spannungsfeldern bewegt: 1. Lernen im Spannungsfeld zwischen dem eigenem Handeln/Tun und dem darauf bezogenen Denken/Konstruieren 2. Lernen in der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen Diese beiden Spannungsfelder können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern hängen eng zusammen. Sie überlagern sich und verweisen auf unterschiedliche Ebenen des Lernens. Aneignung von Wissen geschieht für die Kinder in einem reziproken Verhältnis zwischen Handeln bzw. aktivem Tun auf der einen Seite und dem Denken und somit der damit verbundenen kognitiven Auseinandersetzung auf der anderen Seite. Diese Prozesse verlaufen bei jedem einzelnen Kind individuell und können nicht übertragen werden.938 In Abbildung 8 wird dies dadurch deutlich, dass das horizontale Spannungsfeld mehrmals untereinander steht. Die Reihe muss in Gedanken solange nach unten fortgesetzt werden, bis alle am Lernprozess Beteiligten darin vorkommen. Verknüpft werden diese horizontalen Spannungsfelder der Einzelnen durch das vertikale Spannungsfeld zwischen »ich« und »andere«.939 Lernen ist einerseits auf die individuelle Auseinandersetzung des Einzelnen angewiesen und gleichzeitig nicht ohne die Kommunikation und Auseinandersetzung mit anderen vorstellbar. In den Gesprächen konnte beobachtet werden, wie sich die Kinder beim Sprechen gegenseitig anregten und wie die Beschäftigung mit eigenen und fremden Gedanken schließlich eigene Erkenntnisse ermöglichte oder hörbar werden ließen. Als Voraussetzung für das Hervorbringen neuer Erkenntnisse bzw. für Fortschritte im Lernprozess benennen die Kinder zwei zentrale Momente. Das konkrete Handeln und das Denken werden dadurch miteinander verknüpft, dass sie beides sprachlich begleiten und veranschaulichen. Es geht also darum, eigenes Handeln und Denken mittels Sprache, Bildern bzw. Symbolen zum Ausdruck zu bringen und dies dabei miteinander zu verknüpfen. Diese Form der Verknüpfung wird hier als »Brücke« bezeichnet, die das eigene Tun mit dem 938 Die Kinder betonen an vielen verschiedenen Stellen die Subjektivität des eigenen Lernens. So formuliert Manuel beispielsweise »[…] dass es [das Lernen] bei jedem verschieden ist. Jeder hat eine andere Meinung, also kann man nicht sagen, dass das oder das jetzt dann – weil – also – jedes Kind sagt was anderes. Also es kann, kann man da nicht sagen, dass das Kind jetzt Recht hat und das nicht, weil jedes eigentlich eine andere Meinung hat.« (G/2–1– 15/23–27) Auch wenn er hier von Meinung spricht, kann aus dem Kontext geschlossen werden, dass er das nicht auf die Meinung als solche bezieht, sondern allgemein auf das Lernen und die damit verbundene Aneignung. Es unterscheidet sich das, was ein Kind aus einem Thema als relevant herausgreift und für sich als Lernen bzw. als neu definiert. 939 Vgl. Kap. 4.3; 4.4; 5.1.; 5.2; 5.3.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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Denken verbindet und für das Hervorbringen eigener Erkenntnisse bedeutsam ist. Das eigene Tun und die kognitive Auseinandersetzung können auf diese Weise miteinander in Beziehung gesetzt werden. Das »Zur-Sprache-Bringen« von Gedanken in kommunikativen Situationen ist die eine sogenannte Brücke, »Veranschaulichen« die zweite.940 Eine Veranschaulichung ist dann gegeben, wenn Gedanken mit Hilfe eines Mediums zum Ausdruck kommen, wie z. B. in einer kreativen oder gestalterischen Arbeit. Doch dies allein ist noch nicht ausreichend. Damit Lernen gelingen kann, so folgern die Kinder, bedarf es schließlich grundlegender Voraussetzungen, die den gesamten Lernprozess beeinflussen. Sie benennen Spaß, Interesse, Selbstbestimmung und vielfältige »spielerische« Zugangs- und Aneignungsformen mit Nachdruck in ihren Äußerungen. Die besonders häufige Benennung dieser Faktoren fällt auf.941 Darüber hinaus ist den Kindern wichtig, dass jede und jeder ihre/seine eigene Meinung hat und diese respektiert werden sollte. Sie bringen dies auf ihre Art zur Sprache: Manuel942 : »Und das Gute ist, bei jedem ist es anders. Jede Meinung ist anders, als wenn alle Meinungen gleich ist – wäre irgendwie komisch – weil jeder empfindet das anders. Der eine sagt es so, der andere sagt es so.« (G/2–1–15/61–63) Doreen: »Manchmal oder so, wenn man gerade was so, so anhand von Bildern sagen möchte, dass man sich das dann traut und dann so, dass die anderen Kinder dann so böse auf den sind, wo das gesagt hat, zum Beispiel jetzt findet man das ein bissle komisch und das und das, dass man halt dann einfach zuhört und das so, wie gesagt, okay findet. Und dass man halt auch – den an-, die anderen fragt, was es sein sollte.« (G/3–1–15/91–96)

Das Schaubild verknüpft Raum und Zeit einer Lernsequenz. Raum im Hinblick auf den Lernraum, in dem sich Lernen innerhalb einer Lernsequenz ereignet. Hierzu gehören auch das soziale Setting und die damit einhergehenden Interaktionen. Die zeitliche Komponente ist an das gesamte Unterrichtsprojekt zur Dreieinigkeit geknüpft. Die dargestellten Zusammenhänge haben auch Gültigkeit in Bezug auf kürzere Sequenzen, wie beispielsweise eine Unterrichts(doppel-)stunde. Voraussetzung ist lediglich, dass im Lernarrangement kognitive und handlungsorientierte Phasen stattfinden und unterschiedliche soziale Settings zum Tragen kommen. In den folgenden Abschnitten werden die beiden oben genannten Span940 Vgl. Kap. 4.2. 941 Auch wenn Quantität in der qualitativen Sozialforschung nicht die zentrale Rolle spielt, so ist die häufige Nennung von Aussagen dennoch zu berücksichtigen und zu bedenken. Dies ist bei den Kodes »Spaß/Freude«, »vielfältige ›spielerische‹ Zugangs- und Aneignungsformen«, »Selbstbestimmung« und »Interesse« der Fall. 942 Die Namen der Kinder wurden anonymisiert.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

nungsfelder in einer Art »Spaziergang« durch die Werkstatt der Forscherin aufbereitet und durch Kinderäußerungen veranschaulicht. Dadurch soll es dem Leser bzw. der Leserin möglich werden, eine Vorstellung davon aufzubauen, wie Kinder ihre Gedanken begründen und welche Argumentationen sie dabei verwenden. Die ausgewählten Textausschnitte bzw. Zitate werden jeweils unter der fokussierten Perspektive betrachtet. Dies hat zur Folge, dass einzelne Gedanken im ausgewählten Transkriptabschnitt unberücksichtigt bleiben. Eröffnet wird der Einblick in die Forschungswerkstatt jeweils durch eine kurze Zusammenfassung des Erkenntnisgewinns bezogen auf den jeweiligen Ausschnitt des Modells.

10.2.1 Lernen im Spannungsfeld zwischen eigenem Handeln/Tun und Denken/Konstruieren

Handeln/ Tun

Denken/ Konstruieren

Abb. 9: Spannungsfeld zwischen »Handeln/Tun« und »Denken/Konstruieren«

Die Kinder stellen einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln bzw. Tun und ihrem Denken bzw. Konstruieren beim Lernen her (siehe Abb. 9). Das eigene Tun in der konkreten Lernsituation und die Gedanken, die sie sich dabei machen, sind Grundlage für ihre subjektiven Erkenntnisse. Dabei ist das eigene Tun für sie immer wieder notwendige Voraussetzung und Bezugspunkt für ihre eigenen Konstruktionen sowie deren verbalen Ausdruck. Durch das eigene Handeln und dessen Reflexion entstehen Gedanken und Erkenntnisse, die in der Kommunikation mit anderen für das einzelne Kind und andere Mitlernende sichtbar bzw. hörbar und somit fruchtbar werden können. 10.2.1.1 Nachdenken beim Tun/Handeln Einblick in die Forschungswerkstatt: Wiebke macht dies am Beispiel des Schreibens oder des Legens eines Legebildes deutlich. Wiebke: »Also ich fand das mit den Stationen ganz gut, weil ähm man konnte also dann auch halt das – umsetzen und dann auch lernt man ja dann auch besser, als wenn man nur immer schreibt und schreibt, auch bei Liedern hat man ja auch manchmal ähm – Bewegungen mit, dann lernt man das auch schneller.«

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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G943 : »Du hast gerade gesagt Stationen, da kann man was umsetzen. Kannst du das noch erklären, an was du da denkst?« Wiebke: »Also das heißt – die – na, sonst schreibt man ja und versteht es vielleicht nur so halbwegs und wenn man es dann macht, dann kann man auch, dann denkt man, ich glaube, auch ein bisschen mehr drüber. Auch bei dem Legebild. Und da musste man ja – ziemlich denken und das kann man ja auch gar nicht so wirklich aufschreiben. War schon schwierig aufzuschreiben, was man da – gelegt hat.« (G/1–1–15/72–83)

Zunächst greift Wiebke auf die Lernstationen im Unterricht zurück, die ihr die Möglichkeit boten, Inhalte mit Handlungen zu verknüpfen. Indem sie selbst aktiv ist – so Wiebke – lernt man besser. Aufgrund der von ihr bearbeiteten Aufgaben im Unterricht wird deutlich, dass sie vor allem an das praktische Tun und das Agieren mit Materialien denkt, denn sie hat vorrangig diejenigen Aufgaben bearbeitet, die konkretes Tun erforderten. Dieses praktische Tun steht für sie im Gegensatz zum Schreiben, das sie nicht zwingend als lernförderlich ansieht. Ähnlich wie das Singen mit Bewegungen unterstützt das Handeln das Lernen, es geht einfacher, schneller oder anstrengungsfreier. Anschließend präzisiert sie ihre Aussage dahingehend, dass man durch das konkrete Tun im Gegensatz zum Schreiben mehr versteht, weil man dabei mehr nachdenkt. Wenn sie vom Erstellen des Legebildes944 erzählt, fällt ihr ein, dass sie dabei viel (nach-)denken musste. Sie legt also nicht einfach los, sondern macht sich während des Tuns ihre Gedanken – sie ordnet und klärt auf diese Weise ihre eigenen Vorstellungen. Dieses Nachdenken bewertet sie selbst mit »ziemlich denken« und unterstreicht so dessen Bedeutung, möglicherweise auch dessen subjektiven Wert und die dafür erforderliche Anstrengung. Dabei ergibt sich für sie eine Diskrepanz zwischen dem, was sie in Gedanken bewegt, und dem, was sie aufschreiben kann. Das Aufschreiben war für sie vergleichsweise schwieriger. Auch Robin betont den Zusammenhang von eigenem Tun und Nachdenken, wenn er sagt: Robin: »Einfach das, wo man diese Bilder legen konnte, da konnte man nämlich noch einmal selber für sich nachdenken, wie man sich Gott vorstellt.« (G/1–1–15/113–114)

Mit Beas Worten klingt es so: Bea: »Also zum Beispiel, wie man jetzt für sich, wie man sich das selber jetzt so vorstellt, weil sonst tut man sich da jetzt also vielleicht nicht so jeden Tag so intensiv damit beschäftigen und dann fand ich das halt gut, wir haben auch also das mit den Klebern, mit den kleinen Klebepunkten, da haben wir ja ähm auch geguckt, wie das zueinander ist und uns ganz intensiv damit beschäftigt und so, und da haben wir ja gelernt, wie das so für uns wirklich ist.« (G/2–1–15/87–92) 943 »G« steht für Gesprächsleiterin. 944 Hier haben die Kinder ihre Vorstellungen von Gott (Vater – Sohn – Heiliger Geist) mit KettLegematerialien gelegt und anschließend kurz ihre Gedanken dazu notiert.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Im zweiten Teil ihrer Aussage beschreibt sie den Zusammenhang von praktischem Tun und Denken anhand der Aufgabe mit den Klebepunkten945. Um diese entsprechend ihrer Vorstellung aufkleben zu können, musste sie sich intensiv damit beschäftigen und überlegen, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Denken und Tun greifen für sie deutlich ineinander. Sie bezeichnet diesen Vorgang mit »intensiv beschäftigt« – was sie zweimal in diesem Abschnitt verwendet – und misst dieser Form der Tätigkeit dadurch möglicherweise eine besondere Bedeutung bei. Aus diesem Nachdenken ergibt sich für sie die eigene Erkenntnis »und da haben wir ja gelernt, wie das für uns wirklich ist«. Dieses Tun und das damit verbundene Nachdenken ist die für sie notwendige Voraussetzung für ihre Erkenntnis. Wenn sie »zueinander« formuliert, dann meint sie damit vermutlich das Jonglieren mit und Zusammensetzen von unterschiedlichen Gedanken, um zu einer eigenen Erkenntnis zu gelangen. Ebenso fällt auf, dass sie hier von »wir« spricht. Es scheint, dass sie sich in diesem Kontext als Teil der Lerngruppe sieht und ihre Einsicht durch die beiden Worte »uns« und »wir« auch auf ihre Mitschülerinnen und Mitschüler überträgt. Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass sie meint, dass alle Kinder die gleiche Erkenntnis gewonnen haben. Diese Annahme würde dem gesamten Gesprächsverlauf in der Gruppe entgegenstehen. Für die genannte Annahme spricht auch, dass sie zu Beginn betont, dass beim Lernen subjektive Vorstellungen eine Bedeutung haben und man sich damit intensiv beschäftigen muss. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Nachdenken beim Tun bedeutet für die Kinder, dass das konkrete Handeln – im Erledigen einer Aufgabe – ihnen die Möglichkeit gibt, sich über Phänomene und eigene Gedanken beim Lernen klar zu werden. Um etwas verstehen zu können, reicht es nicht, einfach nur aktiv Handelnde zu sein, eine damit verbundene gedankliche Auseinandersetzung ist unerlässlich.946 10.2.1.2 Das praktische Tun unterstützt die eigene Vorstellung Einblick in die Forschungswerkstatt: Berit: »Ich finde halt, was, was ich noch richtig wichtig finde, war halt, ähm, dass wir dann über die Dreieinigkeit praktisch dann noch halt ein Bild erschaffen konnten davon, halt und jetzt, hm, ja, das hat mir irgendwie geholfen halt, auch dass man mal sich ein Bild hier besser vorzustellen. Und ja, das war für mich halt richtig wichtig, aber

945 Für diese Aufgabe hatten die Schülerinnen und Schüler vier verschiedenfarbige Klebepunkte, je einen für Gott, Jesus Christus, Heiliger Geist und sich selbst. Sie sollten überlegen, wie diese für sie zusammenpassen, und dabei vor allem auf Nähe und Distanz achten. 946 Vgl. Kap. 5.4; 5.5; 10.3.2 und 11.4.1.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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auch bei den Stationen dann nochmal das Bild legen davor, das fand ich auch richtig wichtig.« (G/1–1–15/140–145)

Die Bedeutung ihrer Aussage unterstreicht Berit deutlich, indem sie zu Beginn zweimal »ich« formuliert, auch der Zusatz »noch richtig wichtig finde« unterstreicht die hohe subjektive Bedeutsamkeit dessen, was nun kommt. Im weiteren Verlauf ihres Gedankens hebt sie mehrfach hervor, was dies für sie persönlich bedeutet. Dafür verwendet sie Formulierungen wie »mir … geholfen«, »war für mich« oder »fand ich«. Gleichzeitig ist zu spüren, wie sie mit den Formulierungen ringt, um ihre Gedanken in Worte zu fassen. Sechsmal verwendet sie das Füllwort »halt« und kombiniert es teilweise noch mit anderen, wie »jetzt« oder »irgendwie«. Dadurch wird eine gewisse Unsicherheit spürbar. Ihre inhaltliche Aussage ist knapp und verweist auf das eigene kreative Tun als Möglichkeit, die eigenen Vorstellungen zu ordnen und sichtbar zu machen. Tina führt zunächst an, dass im kreativen Tun die eigenen Gedanken zum Ausdruck kommen, und stellt dies dann in den Kontext mit dem, was anderen in Bezug auf die Dreieinigkeit wichtig ist. Tina: »Ich fand das Bild legen ganz gut, also weil da konnten wir es halt selber legen und gestalten, wie es für uns ist. Und dann hat man auch mal gesehen, wie das, was das für die anderen ist, Dreieinigkeit.« (G/5–2–15/29–31)

Auch Tina betont zweierlei: Auf der einen Seite die Bedeutung der produktiven Auseinandersetzung durch das Legen und Gestalten und auf der anderen Seite die subjektive Sichtweise, die dabei gefragt ist. Sie lässt hier offen, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen ihrem Tun und Denken gibt, und betont stattdessen, wie hier ihre eigenen Vorstellungen zum Ausdruck kommen können. Indirekt verknüpft sie das Nachdenken, das in ihrer eigenen Vorstellung sichtbar wird, mit dem Legen und Gestalten, Tun und Denken gehören für sie untrennbar zusammen. Wenn sie fortfährt, nimmt sie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler mit in den Blick. Dabei hat sie möglicherweise vor Augen, wie sie durch den Klassenraum geht und dabei sieht, wie andere Kinder ihre Vorstellungen zum Ausdruck bringen und/oder das anschließende Theologische Gespräch, in dem die Kinder zunächst über ihre Darstellungen ins Gespräch kommen, bevor sie diese zueinander in Beziehung setzen. Die anderen haben für sie hier weniger eine soziale Bedeutung, es kommt vielmehr ein Interesse an den Gedanken und Sichtweisen der Mitschülerinnen und Mitschüler zum Ausdruck.947 Für die Kinder bietet das aktive Tun im Rahmen einer Aufgabe die Möglichkeit, eigene Vorstellungen aufzubauen bzw. darzustellen. Wenn hier Dreieinigkeit kreativ-gestalterisch dargestellt wird, muss das Kind davon eine eigene 947 Vgl. Kap. 4.4; 5.3 und 11.2.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Vorstellung haben oder diese kann im Tun entstehen. Damit kann das praktische Tun die eigene Vorstellung unterstützen. Das letztgenannte Beispiel beinhaltet beide Spannungsfelder und leitet somit zum zweiten über, in dem es darum geht, wie zum Lernen des Einzelnen die Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen gehört.

10.2.2 Lernen in der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen

Ich

A Andere Abb. 10: Spannungsfeld zwischen »ich« und »anderen«

An vielen Stellen der Gesprächstranskripte betonen die Kinder, dass Lernen ein höchst individueller Prozess ist. Für sie ist dabei die Auseinandersetzung mit ihren eigenen Gedanken und Sichtweisen bedeutsam, wobei sie ihr eigenes Lernen an konkreten Aufgaben festmachen. Gleichzeitig messen sie ihren Mitschülerinnen und Mitschülern beim Lernen eine bedeutende Rolle zu (siehe Abb. 10). Andere Kinder werden in der schulpädagogischen Diskussion in sozialer Hinsicht oft als bedeutsam im schulischen Kontext angesehen.948 Hier werden andere Kinder von ihnen selbst im Zusammenhang mit dem inhaltlichen Lernen ins Spiel gebracht. Sie messen anderen Kindern eine für ihr eigenes Lernen große Bedeutung bei: Im Gespräch und im gemeinsamen Tun erfährt man, was andere denken bzw. wie sie eine Sache sehen. Dadurch ergeben sich für die Kinder neue Sichtweisen, die die eigenen bereichern, ihr eigenes Denken anregen oder auch irritieren können.949 Auch die Bedeutung von Freunden für 948 Vgl. Weißenfels 2015; Wellhöfer 2001; Beck/Scholz 1995; Scholz 2012. 949 Vgl. Kap. 4.4; 5.3 und 11.2.2.

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das eigene Lernen wird zur Sprache gebracht. Darüber hinaus ist für Kinder der Spiegel wichtig, den sie durch die Rückmeldung anderer vorgehalten bekommen.950 Auffällig dabei ist, dass die erwachsene Lehrperson, wenn es um das Theologisieren geht, lediglich auf Nachfrage genannt wird. 10.2.2.1 Die Sicht anderer als Bereicherung Einblick in die Forschungswerkstatt: Manuel: »Also ich fand, man hat da auch die Meinung von den anderen gelernt. Wie die das empfunden haben.« G: »Warum war das für dich wichtig?« Manuel: »Weil man, von einem selber weiß man schon die Meinung, wie man das empfindet, aber vielleicht ist für einen auch wichtig, wie andere das empfinden.« (G/2–1–15/93–98)

Manuel stellt zunächst einmal fest, dass er auch die Meinung der anderen Kinder gelernt hat, man könnte auch sagen kennengelernt hat. Wenn er formuliert »wie die das empfunden haben« eröffnet er eine emotionale Perspektive. Die je eigene Sichtweise ist somit auch mit subjektiven Emotionen verknüpft. An dieser Stelle richtet Manuel sein Augenmerk im Rückgriff auf den vorherigen Satz auf die Subjektivität von Gedanken. Daneben hat das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Meinungen auch etwas mit Emotionen zu tun. Wird die eigene Meinung vorgetragen, so schwingen Emotionen mit, ebenso können beim Gegenüber solche ausgelöst werden, denn andere, fremde Gedanken können zweifelsohne Gefühle auslösen. Diese Gedanken werden bewusst oder unbewusst als Bereicherung empfunden, können irritieren oder auch Ängste bzw. Befürchtungen auslösen. Auf Nachfrage der Gesprächsleiterin zur Bedeutung seiner Aussage stellt Manuel zunächst einmal schlicht fest, dass man die eigene Meinung selbst kennt. Vorsichtig mit einem »vielleicht« macht er auf das Interesse aufmerksam, die Meinung des Gegenübers kennenzulernen. Wenn er am Ende wieder formuliert »wie andere das empfinden«, ist aufgrund des Kontextes im Gespräch davon auszugehen, dass er beide Dimensionen im Blick hat, d. h. die Sichtweise anderer als Bereicherung oder Ergänzung sowie die Dimension der Empfindungen bzw. Gefühle, die damit verbunden, oft aber schwer in Worte zu fassen sind. Im folgenden Beispiel hebt Manuel die Gedanken anderer explizit als Bereicherung hervor. Manuel: »Bei dem […], da, also ich habe es ein bisschen mit Gabriel haben wir uns darüber unterhalten, dass einem sozusagen zusammen ganz viele Sachen eingefallen, 950 Vgl. Kap. 11.2.2; 11.3.2.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

die mir davor noch gar nicht eingefallen sind wie – See Genezareth oder so. Das ist mir, habe ich davor auch noch gar nicht gewusst. Also, schon gewusst, aber mir ist das nicht eingefallen, dann habe ich gedacht, ja, das kann ich eigentlich dahin schreiben.« (G/2– 1–15/190–195)

Im gemeinsamen Gespräch fielen den beiden Jungen zusammen viele Dinge ein, die sie zu den Buchstaben des Akrostichons schreiben könnten. Manuel betont, dass das gemeinsame Nachdenken Gedanken ermöglicht hat, die ihm zuvor gar nicht präsent waren. Er unterscheidet zwischen gewusst und bewusst verfügbar, wenn er sagt, dass er Dinge zuvor zwar gewusst, sie für ihn aber in diesem Moment nicht greifbar waren. Eine Erweiterung seiner Perspektive wurde durch die Arbeit mit dem anderen Kind möglich. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass Manuel in der Lerngruppe eher zu den leistungsstärkeren Schülern zählt und dass er gegenüber Gabriel aufgrund seiner religiösen Sozialisation mehr fachliches Wissen mitbringt. Ganz selbstverständlich sieht Manuel für sich jedoch einen Gewinn in der gemeinsamen Arbeit, auch wenn dies aus Sicht der Lehrperson möglicherweise anders erwartet werden würde. Im ersten Satz stellt Manuel die Arbeit mit seinem Mitschüler dar und erzählt davon, was sie gemacht haben. Die Wertschätzung der Gedanken anderer und deren Bereicherung für das eigene Lernen bestätigt sich und wird sichtbar im Zusammenhang des Transkripts sowie dem zweiten Teil seines Statements. Durch den zweiten Satz wird die Wertigkeit der neuen Erkenntnis zunächst unterstrichen, bevor er diese dann im Folgenden wieder einschränkt, wenn er sagt, es sei ihm nicht eingefallen. Diese Erkenntnis ist es schließlich wert, sie aufzuschreiben und festzuhalten. In seiner Darstellung bleibt Manuel ganz bei sich und seiner Erkenntnis, die Perspektive seines Partners nimmt er nicht ein. So erlebt er das gemeinsame Nachdenken als Bereicherung für sich selbst. Die Beispiele zeigen deutlich, dass die Sichtweisen anderer eigenes Denken anregen und bereichern können, denn die eigenen Gedanken – so wird es formuliert – kennen die Kinder bereits. Darüber hinaus sind eigene und fremde Gedanken mitunter mit Gefühlen verbunden und können solche auch auslösen. 10.2.2.2 Die Gedanken anderer regen zum eigenen Weiterdenken an Einblick in die Forschungswerkstatt: Bea: »Also ich fand bei den Bildern, da war es zum Beispiel so, haben andere was gemacht, auf die Idee wäre ich also zum Beispiel gar nicht wirklich gekommen. Und dann habe ich überlegt, ah ja, das ist ja eigentlich auch Dreieinigkeit und das hat man so gesehen gut, also dass man selber zum Beispiel Sachen ganz anders, also anders gemacht hat, aber – weil man gar nicht irgendwie, weil man diese Idee hatte. Zum Beispiel war es bei anderen auch vielleicht so, dass sie gesagt haben, ah, das ist ja eigentlich auch Dreieinigkeit.« (G/2–1–15/104–111)

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Ausgangspunkt für Beas Aussage sind die Bilder, die gegen Ende der Unterrichtssequenz entstanden. Wenn Bea diese nun anschaut, nimmt sie Ideen wahr, auf die sie selbst nicht gekommen wäre. Diese Darstellungen regen sie an darüber nachzudenken, was dies mit Dreieinigkeit zu tun hat. Dabei entdeckt sie neue Aspekte, die bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle in ihrer Vorstellung gespielt haben. Sie waren bisher nicht in ihrem Bewusstsein oder aktiv für sie greifbar. Der Vergleich mit anderen Bildern und damit mit anderen Aspekten, die hervorgehoben wurden, löst bei ihr nicht ein Verwerfen ihrer eigenen Gedanken aus, sondern sie deutet diesen vielmehr als Bereicherung. Sie kann ehrlich sagen, dass sie diese oder jene Idee nicht hatte.951 Sie nimmt also wahr, wie Mitschülerinnen und Mitschüler Dreieinigkeit in anderer Weise darstellen und dadurch andere, für sie neue Aspekte ins Zentrum rücken. Auch wenn sie hier in ihrer Argumentation nur von den Darstellungen ausgeht, so ist doch anzunehmen, dass sie dabei das schulische Setting des Unterrichtsgesprächs, in dem die Bilder für die Kinder zugänglich werden, vor Augen hat. Schließlich kehrt sie ihre eigene Erkenntnis um und überlegt, dass andere Kinder ihr Nachdenken möglicherweise auch aus der Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen – zum Beispiel angeregt durch die künstlerische Darstellung – anregen und ihre je eigene Sichtweise erweitern können. Sam formuliert, was ihn zum Nachdenken anregt und ihm schließlich Sicherheit bezüglich der eigenen Sichtweise schenkt. Sam: »Also, gerade auf diesem Bild, wo die Jasmin gesagt hat, da haben, also da, da die verschiedenen Meinungen zu hören, der denkt, wer was ist und – warum und so, ob man daran glaubt – und was mir vor allem wichtig war, dass ich jetzt weiß, was Dreieinigkeit ist und – intensiv darüber nachgedacht habe.« (G/3–1–15/186–189)

Sam stellt zunächst einmal fest, dass ausgehend von einem Bild verschiedene Sichtweisen zur Sprache kommen, die zunächst einmal hörend aufgenommen werden. Dabei geht es ihm neben inhaltlichen Aspekten, wer was wie und warum denkt, auch um Glaubensaussagen. Gewertet wird an dieser Stelle nicht, sondern einfach nur festgestellt. Im zweiten Teil der Aussage geht es dann darum, was Sam selbst besonders wichtig war – nämlich, dass er jetzt weiß, was Dreieinigkeit ist. Um zu dieser allgemeinen Aussage gelangen zu können, war es notwendig, die Sichtweisen anderer zu kennen und sich intensiv mit der Sache auseinanderzusetzen, wie er es in einem vorangehenden Abschnitt schon einmal selbst formulierte. Die Gedanken anderer werden schließlich nicht nur als Bereicherung gese951 »[…] weil man gar nicht irgendwie, weil man diese Idee hatte.« Dieser durch die Verneinung im ersten Teil kompliziert formulierte Satz lässt sich aus dem Kontext des Gesprächs auch einfacher formulieren, z. B. »[…] weil man diese Idee irgendwie gar nicht hatte«.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

hen, sondern regen zum eigenen Nach- und Weiterdenken an. So können diese für das eigene Lernen fruchtbar werden. 10.2.2.3 Wissen kann geteilt werden Einblick in die Forschungswerkstatt: Sam: »Also – vor allem, dass man auch, also, was ich auch gut fand, dass man auch wissen konnte, was die anderen so denken, nicht nur seine Sachen, dass man auch mal mit den anderen zusammenarbeiten konnte und so. Nicht nur sein eigenes Wissen, sondern es auch mit den anderen teilen konnte.« (G/3–1–15/65–68)

Zunächst einmal stellt Sam das Wissen um die Gedanken anderer ins Zentrum und bewertet dieses positiv mit »was ich auch gut fand«. Gleichzeitig grenzt er die eigenen Gedanken hiervon ab. An anderer Stelle spricht Sam davon, dass er seine eigenen Gedanken ja schon kennt, ähnlich wie auch Manuel.952 Ebenso positiv ist für ihn die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit anderen Kindern. Die angehängte Floskel »und so« lässt zunächst überlegen, ob er damit seine Aussage über die Bedeutung der anderen relativiert oder eher verstärkt. Der folgende Satz deutet dann jedoch klar auf eine Verstärkung hin. Sam sieht das eigene Wissen im Verhältnis zur Bedeutsamkeit, Wissen mit anderen zu teilen. Mithilfe seiner sonstigen Aussagen kann konstatiert werden, dass Sam »Wissen teilen« als Mehrwert versteht.953 Dieses Beispiel zeigt, dass die Kinder die Vorstellung haben, dass in der Zusammenarbeit mit anderen nicht nur unterschiedliche Gedanken zur Sprache kommen, sondern auch Wissen geteilt werden kann.954 10.2.2.4 Lernen mit Freunden ist besser als Lernen mit Kindern, die du nicht magst Einblick in die Forschungswerkstatt: Die Bedeutung von Freunden für das Lernen beschreibt Bea wie folgt. Bea: »Also dass man auch ähm – das, also auch, dass man halt vor allen Spaß macht und dass man sich, jetzt dass es nichts ist, zum Beispiel manche Sachen gibt es ja, die einem nicht wirklich Spaß machen, aber dass man dann trotzdem irgendwie das macht und dann [räuspert sich] trotzdem auch ein bisschen Spaß dabei hat irgendwie und halt auch ähm, dass man die jetzt nicht irgendwie ähm – also – halt ähm – … dass man auch mit Menschen zusammen ist und nicht irgendwie jetzt mit welchen, die du gar nicht leiden kannst, oder zum Beispiel, also dass du mehr mit welchen zusammen bist, die du 952 Vgl. Kap. 10.2.2.1 u. 10.2.2.3. 953 Vgl. Kap. 10.2.3.2. 954 Vgl. Kap. 5.3.3 und 11.3.2.

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auch magst, weil, wenn du mit welchen um dich rum bist, zum Beispiel wenn jetzt am Tisch ein paar sind, die du, deine besten Freunde oder so sind, aber nur eine von denen zum Beispiel und dann noch zwei so andere, dann ist es halt besser, wie wenn du jetzt nur welche hast, mit denen du sonst nichts machst oder – die du gar nicht magst.« (G/ 2–1–15/296–308)

In ihrem Statement geht Bea auf die Bedeutung von Spaß (im ersten Teil ihrer Aussage) und Freunden ein, die aus ihrer Sicht für das Lernen beide wichtig sind. Mit anderen gemeinsam zu lernen bedeutet für sie, mit anderen zu arbeiten, die man mag. Diese bezeichnet sie in der Konkretion mit »besten Freunden«. Sie grenzt diese von solchen ab, mit denen man zufällig irgendwie zusammen ist, und solchen, die man gar nicht leiden kann. In ihrem Beispiel, wenn Kinder an einem Gruppentisch sitzen, geht sie zunächst von mehreren Freunden aus. Diese Aussage schränkt sie gleich auch schon wieder ein, wenn sie sich auf einen Freund begrenzt, der zusammen mit zwei anderen, nicht als Freunde bezeichneten Kindern am Tisch sitzt. Diese Konstellation ist aus ihrer Sicht noch besser, als wenn nur Kinder mit am Tisch sind, zu denen sie sonst keine Beziehung hat, oder vor allem solche, die sie nicht mag. In dieser Aussage ringt die Bea um die richtigen Worte. Hinter der Formulierung ihrer Gedanken können sich unterschiedliche Gründe verbergen: ihre grundsätzlich soziale Einstellung und ihr damit verbundener ethischer Anspruch, die fremde Situation und die Anwesenheit einer fremden Gesprächsleiterin oder das Ausdrücken einer komplexen inhaltlichen Auseinandersetzung. Alle drei Gründe scheinen plausibel, wobei der erste erwähnte Grund aus meiner Sicht für Bea entscheidend ist. An zahlreichen Stellen in den unterschiedlichen Gesprächen setzt sie sich sozial für andere ein bzw. zeigt eine große Empathiefähigkeit. Der erste Aspekt wird insbesondere durch folgende Textpassagen gestützt: G/5–2–15/309–328; G/5–2–15/309–328; G/5–2–15/352–358; G/5–2–15/372–401. Es fällt auf, dass sie auch im ersten Teil, in dem es ihr um den Spaß geht (dieser wird erst im weiteren Verlauf thematisiert), mit den Worten ringt. Zunächst betont sie die Bedeutung von Spaß für das Lernen, was sie im Verlauf wieder deutlich einschränkt und auch in ihrer Aussage reduziert, wenn sie formuliert »trotzdem auch ein bisschen Spaß dabei hat irgendwie«. Ihre ursprünglich klare Aussage nimmt sie damit stark zurück.955 Hier wird deutlich, wie bedeutsam es für Kinder ist, mit wem sie zusammenarbeiten. Förderlich für das Lernen ist es ihrer Ansicht nach, wenn sie mit Kindern zusammenarbeiten können, die ihnen wichtig sind bzw. die sie mögen.

955 Vgl. Kap. 11.1.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

10.2.2.5 Eigene und fremde Sichtweisen im Blick Einblick in die Forschungswerkstatt: Situation: Die Kinder unterhalten sich hier über ihre Selbsteinschätzungen bezüglich ihres Könnens am Ende der Lernsequenz. Diese sind mit Punkten auf einem Kontinuum visualisiert worden. Manuel und Bea ringen um deren Bedeutung für sich selbst und andere Kinder und überlegen, wie sie dies erleben. Manuel: »Also ähm – ja, wie wir vorhin schon gesagt haben, ich finde es richtig, weil dann sieht man, was man selber gelernt hat.« G: »Mhm.« Manuel: »Und ich, ich glaube, manche denken auch, weil man halt nicht so viel drüber weiß, das ist so, dass man dann nicht so gut ist, aber wenn man dann das alles mal – vergleichen würde, dann würde es bestimmt auch Kinder geben, die nicht – so viel drüber wissen, deswegen, also ich glaube, dass manche denken, sie wären jetzt schlecht und nicht so gut wie die anderen, weil die halt darüber nicht so viel wissen, aber – ich glaube, wenn jetzt jeder – ähm so ein Blatt kriegen würde, dann würde auch rauskommen, dass andere, also dass nicht, man nicht nur selber, es gibt ja so welche – Kinder auch, die denken dann, ähm, nur sie allein wären so schlecht und das ist jetzt – ja.« G: »Du glaubst man sieht, andere tun sich da auch schwer?« Manuel: »Mhm. Weil dann denkt man irgendwie nicht, es, dass bestimmt irgendjemand oder so was – denken – jetzt bin ich irgendwie schlechter als die anderen, weil ich es halt nicht so gut kann.« G: »Mhm.« Bea: »Ähm, aber du hast ja gesagt, dass du findest es gut, dass das andere wissen, es gibt welche, die schlechter das können als du. Das ist ja dann für die, die es schlechter können, auch schlechter, dann wissen die, ah, ich kann es am schlechtesten.« Manuel: »Ja, nicht so. Das war eins, dass die sieht, wenn einer schlecht ist und die anderen, die sehen das ja auch, dass der andere auch nicht der allerbeste ist, dass, also nicht, dass jeder denkt, yeah, guck mal, ich bin besser als die oder so. Sondern einfach so, dass man vielleicht auch sieht, dass die, nicht alle anderen es auch nicht so gut können. Also dass man einfach ähm – sieht, dass man nicht allein da ist.« Bea: »Schon auch, aber ähm, es ist ja also schon ja auch so, aber es kann ja auch sein, dass zum Beispiel der, wie der Maik jetzt, der alle auf der anderen Seite hat, kann es ja auch sein, dass er es – jetzt gar nicht kann oder nicht kapiert hat oder so, sondern – – einfach also bei ihm das anders ist oder zum Beispiel es ihm schwerer fällt, was anderen zu erklären, weil da sind ja viele Sachen auch mit ähm – so, also, wo man anderen was erklären muss oder der andere fragen muss und kann ja sein, dass es ihm zum Beispiel schwerer fällt wie anderen. Und dann – ist es ja nicht, dass er zum Beispiel schlechter ist, sondern einfach nur, dass er es noch nicht so oft vielleicht gemacht hat oder so auch.« […] Manuel: »(………) sagen, weil – ich meine, jeder kann was anderes besser als der andere, deswegen kann man nicht sagen, der ist jetzt besser als man selber, weil vielleicht kann – Maik jetzt sein Kunstwerk anderen nicht erklären, aber dafür – kann er

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zum Beispiel gut [räuspert sich] andere Kinder zu seinem Bild befragen.« (G/5–2–15/291–328 und 338–342)

Für Manuel, so sagt er, ist eine solche Visualisierung hilfreich, da man hierbei sehen kann, was man kann bzw. gelernt hat. In seinen weiteren Überlegungen bringt er den sozialen Vergleich ein und bewertet diesen positiv. Er geht davon aus, dass manche Kinder von sich denken, sie wären nicht so gut. Er spricht hier von »man« und auch anderen Kindern, hat dabei aber vermutlich eigene Erfahrungen im Blick, denn an anderer Stelle spricht er davon, dass er sich oft zu schlecht einschätzt. Wenn verschiedene Kinder ihre Selbsteinschätzungen nun miteinander vergleichen, so können sie entdecken, dass ihre Leistung relativ ist. Sie werden feststellen, da gibt es noch andere, die Dinge ähnlich »schlecht« können. Der Vergleich führt für Manuel zu einer Relation und kann somit entlasten. Bea denkt den Gedanken zu Ende und weist darauf hin, dass es ja durchaus Kinder geben kann, die noch schlechter sind. Für diese wäre ein solcher Vergleich aus ihrer Sicht unangebracht. Während Manuel in anderen Solidarität findet, sieht Bea die Rangfolge. Es wäre aus ihrer Sicht nicht gut, wenn das Kind sieht, »ich kann es am schlechtesten«. Interessant ist hier, dass Bea nicht sagt »ich bin am schlechtesten«. Intuitiv unterscheidet sie zwischen einer Zuschreibung zur Person und der Leistung an sich, die nichts zur Wertigkeit der Person aussagt. Im Folgenden verteidigt Manuel seinen Gedanken und legt noch einmal Wert auf die entlastende Funktion. Aus seiner Sicht ist es tröstend, wenn man »sieht, dass man nicht allein da ist«. Bea zeigt zwar Verständnis für seine Sichtweise, setzt sich aber noch einmal für das Kind ein, das im Vergleich schlechter oder am schlechtesten ist, und führt mögliche Ursachen dafür an. Es könnte sein, dass das Kind etwas nicht verstanden hat, es ihm schwerfällt, anderen etwas zu erklären,956 oder es ihm schwerer fällt als anderen, weil es eine Sache oder ein Aufgabenformat bisher noch nicht so oft gemacht hat, ihm also die Übung fehlt. Diese Erklärungen sind nicht auf einen Status hin formuliert, sondern haben Entwicklung im Blick. An diesen Erklärungen wird deutlich, dass Bea957 nicht nur zwischen einer Person und ihrer Leistung unterscheidet, sondern eine Vorstellung von Leistung verinnerlicht hat, die diese nicht global sieht. Leistung kann in verschiedenen Bereichen unterschiedlich sein und sie kann sich entwickeln bzw. verändern. Beas Argumentation scheint Manuel zum Nachdenken gebracht zu haben, denn am Ende sucht er für sich nach einer 956 Die Kompetenz, über die sich die beiden Kinder unterhalten, lautete »Ich kann erklären, wie Gott, Jesus Christus und der Heilige Geist zusammenhängen«. 957 Ähnlich wie es bereits in anderen Abschnitten deutlich wurde, ist auch hier sichtbar und spürbar, wie Bea um Worte und angemessene Formulierungen ringt, um ihre andere Sichtweise verständlich machen und ihre komplexen Gedanken zur Sprache bringen zu können.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Lösung. Das Konzept der Teilleistungen scheint seinen Konflikt zu lösen. »[…] jeder kann was anderes besser als der andere, deswegen kann man nicht sagen, der ist jetzt besser als man selbst«. Dennoch bleibt bis zum Schluss offen, ob Manuel die Problematik, die durch Bea angesprochen wurde, tatsächlich nachvollziehen und in sein Konzept integrieren konnte. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich Manuel und Bea mit großem Ernst dieser sozialen Problematik stellten und miteinander darüber diskutierten. Während Manuel im Vergleich von Leistungen in erster Linie eine Entlastung sieht, bringt Bea die Problematik des sozialen Vergleichs ein und kann diese plausibel und überzeugend begründen. Dieser Gesprächsausschnitt zeigt deutlich, wie Kinder begründen, was eine Lern- bzw. Leistungssituation für sie und andere bedeuten kann. Dabei nehmen sie unterschiedliche Sichtweisen ein und führen vielfältige Argumente an. Die Auseinandersetzung kann dabei durchaus kontrovers sein.958 Die beiden Spannungsfelder »Handeln/Tun – Denken/Konstruieren« und »ich – andere« wurden in den letzten Abschnitten fokussiert und ausgehend von den Kinderäußerungen inhaltlich unterfüttert. Im Folgenden geht es nun darum, wie sich die Kinder das Lernen im Spannungsfeld zwischen der konkreten Aufgabe und dem damit verbundenen Handeln sowie ihrem Denken bzw. den dabei entstehenden gedanklichen Konstruktionen erklären. Handeln und Denken werden dabei durch zwei Brücken miteinander verbunden: indem Gedanken versprachlicht (Brücke 1, siehe Abb. 11) und visualisiert bzw. veranschaulicht (Brücke 2, siehe Abb. 12) werden.

10.2.3 »Brücke 1«: Etwas zur Sprache bringen als Form der Annäherung und Konkretisierung Die Konstruktionen der Kinder, die in Gesprächen im Religionsunterricht formuliert werden, sind oft beeindruckend. Immer wieder regen sie Lehrende dazu an zu ergründen, was Kinder mit der einen oder anderen Aussage meinen bzw. welche Denkweisen dahinter stecken. Doch es bleibt die Frage, wie Kinder zu solchen Konstruktionen gelangen. Die Kinder, die in der Studie zu Wort kommen, finden hierzu ihre eigenen Antworten. In vielen Textstellen zeigt sich eine für sie zentrale Antwort: Die Kommunikation bzw. das gemeinsame Gespräch ermöglicht es, eigene Gedanken und Vorstellungen zur Sprache zu bringen, und sie verbindet für sie das Tun mit dem Denken. Wie eine Brücke verbinden Sprache und Kommunikation das Handeln mit der Konstruktion von Gedanken. Ein Hin- und Herbewegen auf der Brücke ist Teil des Lernprozesses. 958 Vgl. Kap. 11.2.1 und 11.2.2.

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zur Sprache bringen Handeln/ Tun

Denken/ Konstruieren

Abb. 11: Brücke 1: »Etwas zur Sprache bringen«

In den Äußerungen der Kinder wird das Gespräch meist nicht direkt benannt, sondern sie beschreiben es aus ihrem Tun heraus oder es kann vom Ergebnis her rückgeschlossen werden. Dies soll nun an ausgewählten Beispielen aufgezeigt werden.

10.2.3.1 Im gemeinsamen Nachdenken werden Gedanken greifbar Einblick in die Forschungswerkstatt: Sam legt in seiner Ausführung einen Akzent auf die Bedeutung des gemeinsamen Nachdenkens. Sam: »Also ich finde auch gerade die Bilder, dass man sie anschauen kann und nicht alles lesen muss, also dass man sich das nicht durchliest, sondern auch sich die Bilder anschaut und mit den anderen genau drüber nachdenken kann, das ist auch ziemlich gut, weil wenn man es durchliest, dann weiß man am Ende meistens auch nur noch die Hälfte, wenn man es sich anschaut und Spaß hat, dann kann man sich viel, viel mehr merken.« (G/3–1–15/243–248)

Sam bringt hier die Art zu lernen mit Lernzuwachs in Verbindung. Dabei hebt er hervor, dass das Anschauen der Bilder in Verbindung mit dem gemeinsamen Gespräch, in dem intensiv mit anderen darüber nachgedacht wird, hilfreich und für ihn zielführend im Blick auf sein Lernen ist. In Verbindung mit Spaß sieht er einen größeren Lernzuwachs, als wenn man sich Dinge lediglich durchlesen würde. Dieser Lernzuwachs erscheint ihm besonders groß oder wichtig, wenn er sagt »dann kann man sich viel, viel mehr merken«. »Viel« wird gleich zweimal genannt und dann durch das Wort »mehr« noch gesteigert und unterstrichen. Noch deutlicher wird dies, wenn man den von Sam aufgezeigten Kontrast hinzunimmt, denn wenn man etwas nur liest, »dann weiß man am Ende meistens auch nur noch die Hälfte«. Sam bewertet das gemeinsame gründliche Nachdenken mit anderen als »ziemlich gut«. Nachgedacht wird über das, was auf den Bildern dargestellt ist und im Tun des Einzelnen seinen Ausgangspunkt fand. Klara bringt ein, dass eigene Gedanken nicht unbedingt schon bewusst sind, sondern erst im Gespräch bewusst werden können.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

G: »War für dich das Malen und das Gestalten auf der Platte wichtiger, oder war für dich das Gespräch am Ende wichtiger?« Klara: »Eigentlich das Gespräch, weil eigentlich – ist ja immer so, man weiß ja gar nicht, was man so gemalt hat und dann sagt man es ja erst, dann … Also – ich denke.« (G/3–1– 15/122–125)

Wenn Klara für sich aus dem Rückblick abwägt, was für sie besonders wichtig war, hebt sie hier die Bedeutung des Gesprächs hervor. Das handelnde, praktische Tun wird nicht abgewertet, sondern dazu in Beziehung gesetzt. Sie bringt zum Ausdruck, dass das Gespräch einen kognitiven und reflexiven Zugang zu den eigenen Gedanken ermöglicht. Zwei Szenarien sind denkbar : Klara hat intuitiv gemalt und erhielt erst durch das Gespräch einen Zugang zu ihren Gedanken. Oder : Klara hat sich durchaus Gedanken beim Malen gemacht, die sich jedoch eher zufällig ergaben und unverbunden nebeneinanderstanden. Durch das Gespräch wurden dann Zusammenhänge deutlich und ein Erkenntnisgewinn greifbar. Beide Interpretationen könnten hinter der Formulierung »was man so gemalt hat« stehen. Wichtig scheint Klara der Aspekt des eigenen Formulierens von Gedanken zu sein. Mit ihrem letzten Satz hebt sie die Subjektivität ihres Statements hervor, möglicherweise möchte sie damit auch ihre Vorsicht ausdrücken. Es kann festgehalten werden, dass Bilder und Texte in den Augen der Kinder nicht per se für sich selbst sprechen,959 so wie eigene Gedanken nicht von sich aus schon präsent sind. Indem Gedanken formuliert werden, werden sie für das Kind selbst und andere zugänglich. Das gemeinsame Nachdenken kann helfen, sich eigener Gedanken bewusst zu werden und Lernzuwachs zu ermöglichen.960 10.2.3.2 Wissen zu teilen bedeutet mehr zu wissen Einblick in die Forschungswerkstatt: Sam formuliert das so: Sam: »Also auf jeden Fall, das – was Dreieinigkeit ist, dass man – nicht immer nur alles aus Blättern lernen kann, sondern es auch spielerisch so machen kann und – das andere Wissen von den Kindern, das mit den, also das, sein Wissen mit den anderen zu teilen, das war immer sehr gut, weil dann wusste man immer danach mehr als davor.« (G/3–1– 15/86–90)

Zunächst einmal unterscheidet Sam zwischen dem Lernen mit Arbeitsblättern, die möglicherweise auf Einzelarbeit und damit verbunden vorgegebene und deduktive Formen des Lernens hinweisen, und spielerischem961 Lernen, also 959 Vgl. Kap. 4.2. 960 Vgl. Kap. 11.2.2; 11.3.2 und 11.4.1. 961 Spielerisch wird hier mit vielfältigen Zugangs- und Aneignungsformen verknüpft. Theo-

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einem Lernen durch vielfältige Auseinandersetzungsvarianten, die auch praktische und handelnde Elemente beinhalten.962 Er schließt Ersteres nicht aus, sondern betont vielmehr die Bedeutung vielfältiger weiterer Lernformen, um dem Ziel, das eigene Wissen zu erweitern bzw. Neues zu lernen, näherzukommen, nämlich zu wissen, was Dreieinigkeit ist. Im zweiten Teil greift er dann noch einmal darauf zurück, was für ihn zur Erweiterung seines Wissens beiträgt: das Teilen von Wissen. Gespräche ereignen sich, wenn entweder in Partner- oder Gruppenarbeitsphasen, in Gesprächsrunden mit der Lerngruppe oder hier und dort auch ganz nebenbei miteinander gesprochen wird. Zunächst einmal misst Sam dem Wissen der anderen Kinder einen Wert bei, bevor er dann die Perspektive öffnet und daran denkt, wie es ist, eigenes Wissen mit anderen zu teilen. »Sein« Wissen kann sich dabei auf sein eigenes Wissen beziehen oder es kann auch eine allgemeine, beschreibende Formulierung sein, die jedes Kind für sich so formulieren könnte. Schließlich bewertet er das Gespräch, in dem die Kinder voneinander lernen, positiv mit »das war immer sehr gut«. Er verwendet hierfür nicht nur einen Superlativ, sondern unterstreicht diesen noch mit »immer«. Das Ergebnis ist ein Zugewinn an Wissen, man wusste mehr als zuvor. Neues Wissen wird hier durch den Vergleich zwischen vorher und nachher sichtbar, es definiert sich also durch den Vergleich zwischen einem früheren und späteren Wissensstand. Den Kindern ist bewusst, dass – wenn sie in unterschiedlichen Unterrichtssettings miteinander kommunizieren – ihre Gedanken zur Sprache kommen und für sie so Wissen geteilt werden kann. Wissen zu teilen bedeutet darüber hinaus einen Zugewinn an Wissen.963

10.2.3.3 Sensibler Umgang mit Äußerungen anderer Einblick in die Forschungswerkstatt: Aus Doreens Mund klingt das so: Doreen: »Manchmal oder so, wenn man gerade was so, so anhand von Bildern sagen möchte, dass man sich das dann traut und dann so, dass die anderen Kinder dann so böse auf den sind, wo das gesagt hat, zum Beispiel jetzt man findet das ein bissle komisch und das und das, dass man halt dann einfach zuhört und das so, wie gesagt, okay findet. Und dass man halt auch – den an-, die anderen fragt, was es sein sollte.« (G/3–1–15/91–96) retisch wäre auch denkbar, dass spielerisch mit zweckfreiem Tun assoziiert wird. Aufgrund einer gründlichen Auseinandersetzung mit den Transkripten kann von der ersten Bedeutung ausgegangen werden. 962 Zu dieser Interpretation kommt die Forscherin aufgrund der Gespräche mit den Kindern, in denen ein solches Verständnis immer wieder thematisiert wird. 963 Vgl. Kap. 5.3.3; 11.3.2 und 11.4.1.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Doreen öffnet mit ihrer Aussage eine soziale bzw. ethische Perspektive, die für sie zum gemeinsamen Gespräch gehört. Zunächst beschreibt sie die Situation, die sie vor Augen hat: ein Gespräch über die Bilder der Kinder. Für sie gehören Mut bzw. Selbstvertrauen dazu, wenn man sich in einem solchen Gespräch öffnet und von sich und seinen Gedanken erzählt. Um diesen ersten Gedanken zu formulieren, braucht sie selbst etwas Zeit und vielleicht auch Mut. Das kleine Füllwort »so«, das dies zum Ausdruck bringt, kommt gerade zu Beginn viermal und dann im weiteren Verlauf noch zweimal vor. Man hat den Eindruck, sie hat großen Respekt vor den Reaktionen anderer Kinder. Das Formulieren von Kritik oder anderen Standpunkten erscheint ihr problematisch. Sie schlägt deshalb vor, anderen einfach zuzuhören und deren Gedanken stehen zu lassen. Zurückzufragen und sich dadurch eine Sache von einem anderen Kind erklären zu lassen, sieht sie als angemessene Form des Umgangs. So können Missverständnisse und mögliche Kränkungen vermieden werden. Unter Umständen kennt sie selbst solche Erfahrungen. Es wurde deutlich, dass für die Kinder ein Empathievermögen bedeutsam ist. Ihnen ist bewusst, dass eine Reaktion mitunter negative Gefühle und Emotionen bei anderen auslösen kann. Sensibilität wird hier angemahnt und zusätzlich ein Vorschlag gemacht, wie diese aussehen kann: Durch Zuhören oder Nachfragen kann diesem Ausdruck verliehen werden und nicht durch (vorschnelle) Bewertungen.

10.2.4 »Brücke 2«: Veranschaulichen als Form der Annäherung und Konkretisierung

Handeln/ Tun

Denken/ Konstruieren

veranschaulichen Abb. 12: Brücke 2: »Veranschaulichen«

Wie in den bisherigen Äußerungen bereits angeklungen ist, reicht den Kindern das Gespräch alleine nicht aus, um Konstruktionen zu verdeutlichen oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Sie brauchen Anknüpfungspunkte als inhaltliche Anker und um davon ausgehend miteinander nachzudenken und Erkenntnisse generieren zu können. In den Gesprächen nehmen die Kinder immer wieder Bezug auf konkrete, oft kreativ-gestalterische Produkte aus dem Unterricht.

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Wenn es also darum geht, wie Konstruktionen entstehen und zugänglich gemacht werden können, ist neben dem Gespräch die Veranschaulichung bedeutsam (siehe Abb. 12).964 10.2.4.1 Für sich selbst nachdenken mit Hilfe von Material Einblick in die Forschungswerkstatt: Robin bringt dies in wenigen Worten zur Sprache: Robin: »Ja, ich fand es halt gut, dass wir auch die Stationen hatten, dann konnte man sich das auch ein bisschen mehr vorstellen.« G: »Und was bei den Stationen hat dir da gut geholfen?« Robin: »Einfach das, wo man diese Bilder legen konnte, da konnte man nämlich nochmal selber für sich nachdenken, wie man sich Gott vorstellt.« (G/1–1–15/110–114)

Zunächst stellt Robin fest, dass die Stationen bzw. Aufgaben – man könnte auch sagen die unterschiedlichen Zugangs- und Aneignungsformen, die in diesem Unterricht angeboten wurden – für ihn eine Hilfe darstellten, um sich der komplexen Thematik der Trinität anzunähern und eigene Vorstellungen zu entwickeln bzw. aufzubauen. Wenn er »ein bisschen mehr« sagt, dann könnte bereits eine Ahnung oder erste Vorstellung vorhanden gewesen sein, die durch das unterrichtliche Angebot erweitert wurde. Ob diese Vorstellungen – wie mit »mehr« angedeutet – quantitativ oder möglicherweise auch qualitativ, indem sie differenziert und präzisiert wurden, zu verstehen sind, bleibt offen. Auf Nachfrage hebt er hervor, dass ihm das Legen der Gottesvorstellung mit Legematerial geholfen habe, sich mit seiner Vorstellung von Gott kognitiv auseinanderzusetzen. Das praktische Tun gab ihm die Möglichkeit für sich selbst – bezogen auf das Ziel – nachzudenken, wobei vermutlich auch das schrittweise Entstehen des Bildes einen Teil dazu beitrug. Es zeigt sich, dass den Kindern bewusst ist, dass man beim eigenen Tun über eigene Gottesvorstellungen nachdenken kann. Der Umgang mit Material und die damit verbundene verlangsamte Handlung geben Raum für das eigene Nachdenken, das sich am jeweiligen individuellen Ziel orientiert.965

964 Vgl. Kap. 4.2. 965 Vgl. Kap. 4.2 und 11.4.1.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

10.2.4.2 Eine eigene Vorstellung aufbauen und sich (kreativ) ausdrücken Einblick in die Forschungswerkstatt: Berit: »Ich finde halt, was, was ich noch richtig wichtig finde, war halt, ähm, dass wir dann über die Dreieinigkeit praktisch dann noch halt ein Bild erschaffen konnten davon, halt und jetzt, hm, ja, das hat mir irgendwie geholfen halt, auch dass man mal sich ein Bild hier besser vorzustellen. Und ja, das war für mich halt richtig wichtig, aber auch bei den Stationen dann nochmal das Bild legen davor, das fand ich auch richtig wichtig.« G: »Du meinst diese vielen kleinen Legematerialien, die ihr auf die Filzplatte gelegt habt?« Berit: »Ja.« G: »Okay. Und was war dir dabei wichtig?« Berit: »Ja, da konnte man sich halt ausdrücken. Halt, wie man sich Gott vorstellt.« (G/1–1–15/140–150)

Berit betont zu Beginn die Bedeutung der Bildcollage, die die Schülerinnen und Schüler am Ende des Projekts erstellten. Sie verwendet hierfür den Begriff »erschaffen«, wie er im Kontext der Schöpfungsgeschichte verwendet wird. Dadurch, so könnte man vermuten, kommt für sie ihr Tun einem schöpferischen Akt gleich. In ihrer Fortführung betont sie nicht die Freude am Tun oder an dem, was dabei entstand – was durchaus auch denkbar gewesen wäre –, sondern vielmehr die Möglichkeit, sich auf diese Art und Weise der komplexen Vorstellung der Trinität anzunähern und ihr Form und bildhafte Gestalt966 nach ihrer eigenen Vorstellung zu verleihen. Sie schiebt nach, dass auch das Legen der eigenen Vorstellung von Gott mit dem Legematerial wichtig war. Auf Nachfrage präzisiert sie, dass sie durch das Legen und Gestalten ihre Gedanken zum Ausdruck bringen konnte. Der letzte Satz zeigt deutlich, sie hatte das Ziel der Aufgabe durchaus im Blick. Offen bleibt, ob »halt ausdrücken« eine Relativierung des Gesagten bedeutet oder ob sie damit Unaussprechliches auszudrücken versucht. Die Komplexität dessen, was der Begriff »Trinität« meint, ist nicht einfach in Worte zu fassen, sondern man bedarf der Annäherung auf andere Art und Weise. Schließlich bliebe – diesem Verständnis folgend – immer ein Teil vage, weil sie sich eben nur »halt ausdrücken« kann. Diese Formulierung könnte auch zum Ausdruck bringen, dass das, was nur schwer in Worte zu fassen ist, gestaltend ausgedrückt werden kann. Der weitere Gesprächsverlauf belegt eher, die letztere Bedeutung scheint diejenige zu sein, die Berit im Blick hatte. Doreen erklärt dies mit ihren Worten und beginnt mit einer Einordnung in den Lernprozess, das Ziel behält sie dabei durchgängig im Blick. 966 Die Bilder der Kinder waren teilweise abstrakt, teilweise mit konkreten Dingen versehen. Dennoch hatten sie alle symbolische Bedeutung, dies wurde in den Gesprächen und schriftlichen Erklärungen deutlich.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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Doreen: »Also beim Lernen geholfen hat mir eigentlich so gesagt alles, weil man hat dann halt ganz viel dazugelernt, dass man halt dann langsam angefangen hat, weil man wusste ja eigentlich noch gar nichts, dass man erst mal aufschreibt, was man für Gedanken hat, da haben wir ja das Bild angeguckt, dass man da halt dann – so weiter hoch schafft, dann haben wir ja auch mal dann am – letzten Tag haben wir ja dann auch mal so ähm noch die Bilder gemacht und dass man halt da dann auch so seine, was man gerade im Kopf hat, was in seinem Kopf rumschwirrt, was man halt über Gott, Jesus und den Heiligen Geist weiß, sodass man halt dann das – künstlerisch – darstellt.« (G/3–1– 15/233–241)

Hier beschreibt Doreen bezogen auf die Unterrichtssequenz ihr Lernen: Man wusste noch nicht viel – man schreibt seine ersten Gedanken auf – man wird durch ein Bild zum Nachdenken angeregt … Lernen verläuft als Prozess, Gedanken und Vorstellungen werden fortwährend aufgebaut. Nach dem Aufzeigen der Prozesshaftigkeit nimmt sie den letzten Teil des Unterrichts in den Blick, während dessen die Kinder eine Bildcollage erstellt haben. Wenn sie hiervon erzählt, nimmt sie nicht in erster Linie das Tun in den Blick, sondern das, was dabei gedanklich geschieht. Das künstlerische Tun ermöglicht es ihr, ihre wirren und zusammenhangslosen Gedanken, »[…] so seine, was man gerade im Kopf hat, was in seinem Kopf rumschwirrt […] », auszudrücken. Es ist ein starkes Bild, das sie hier verwendet. Wenn sie weiter formuliert »was man halt über Gott, Jesus und den Heiligen Geist weiß« zeigt sie, dass ihr das Ziel der Aufgabe durchaus bewusst ist und sie ihr Tun in diesem Zusammenhang deutet. Sechsmal kommt in diesem Abschnitt das kleine Wort »halt« vor. Dafür gibt es unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten: Durch diese Formulierung kann der Gedanke heruntergespielt oder betont werden, ebenso kann dadurch deutlich werden, wie schwer es an dieser Stelle ist, angemessene Worte zu finden für etwas, das kaum zu fassen ist und für das Worte möglicherweise zu kurz greifen. Ihre differenzierte Beschreibung des Lernweges im Unterricht gepaart mit der Bewertung »ganz viel dazugelernt«, verweist darauf, dass das Füllwort »halt« für Doreen durchaus eine verstärkende Funktion hat. Hier kann festgehalten werden, dass der kreative Gestaltungsakt für die Kinder die eigene Vorstellung bzw. den Aufbau eigener Vorstellungen unterstützt und es so möglich wird, schwer in Worte zu Fassendes auf andere Art auszudrücken.967

967 Vgl. Kap. 4.2 und 7.1.1.2.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

10.2.4.3 Mit Hilfe von Bildern und Texten anderen einen Einblick ermöglichen Einblick in die Forschungswerkstatt: Robin: »Hm, ja, ich fand das halt drüben mit den Bildern, da konnte man nämlich den anderen auch zeigen, wie man sich das Haus oder halt Gott und Jesus vorstellt und das dann, dann konnten wir nachher dazu schreiben und dann wissen das halt die anderen auch. Das fand ich gut.« (G/1–1–15/179–182)

Wenn Robin überlegt, was für ihn gut war, greift er auf die entstandenen Bilder zurück. Mit seinem Bild, so Robin, konnte er anderen Kindern zeigen, wie er sich Dreieinigkeit vorstellt.968 Die Verwendung des Wortes »man« – zweimal im ersten Satz – lässt den Hörer innehalten. Robin hat sich damit wohl selbst gemeint. Möglicherweise deutet dies gleichzeitig auf eine Verallgemeinerung hin, so dass er diese Erfahrung auf das Lernen grundsätzlich überträgt. Offen bleibt zunächst ebenso, ob er mit »zeigen« auch an das Erklären und das Gespräch im Unterricht gedacht hat, oder ob er davon ausgeht, dass es ausreicht, wenn andere Kinder sehen, was er dargestellt hat. Im letzten Teil wird dann jedoch erkennbar, dass Robin davon ausgeht, dass es einer »Vermittlung« bedarf. Die eigenen Gedanken dazu werden aufgeschrieben, damit sie für andere zugänglich werden. Es ist anzunehmen, dass das, was er hier nacheinander beschreibt, nicht zeitlich als aufeinanderfolgend, sondern in seiner Grundaussage zu verstehen ist: Das Bild kann helfen eigene Gedanken für andere sichtbar zu machen und verständlich darzulegen. Aufgrund der Beobachtungen in verschiedenen Situationen wird davon ausgegangen, dass es Robin hier nicht anders gelungen ist, die Komplexität seiner Gedanken darzustellen als in einer zeitlichen Abfolge. Interessant ist auch der letzte Teil der Äußerung: Durch das Notieren seiner Gedanken, sagt er, wissen die anderen, was er denkt. Dies zeigt, Robin ist es durchaus bewusst, dass das Lesen eines Textes oder das Anschauen einer Darstellung alleine nicht ausreichen, sondern ein Vermittlungsprozess erforderlich ist. Wenn er im ersten Teil von »zeigen« spricht, dann könnte er das unterrichtliche Setting im Kopf haben, bei dem die Kinder sich gegenseitig ihre Bilder vorstellten, von den Mitschülerinnen und Mitschülern dazu befragt wurden und schließlich im gemeinsamen Gespräch verschiedene Darstellungen miteinander verglichen. Er schließt sein Statement mit einer positiven Bewertung und attestiert dieser komplexen Vermittlungserfahrung, die er hier versucht in Worte zu fassen, ein »das fand ich gut«. Den Kindern ist bewusst, dass bildhafte Darstellungen, ggf. durch schriftliche 968 Auf seinem Bild ist in der Tat ein (angedeutetes) Haus zu sehen, in dem Gott und Jesus Platz finden. Beide sind mit typischen Symbolen ausgestattet. Jesus trägt ein Kreuz, Gott hat eine Weltkugel bei sich. In seiner Aussage verzichtet er auf den Heiligen Geist, der in seiner Darstellung mit einer Feder dargestellt ist. Allen drei Seinsformen ist ein gelber Glasstein gemeinsam, was diese miteinander verbindet.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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Erklärungen ergänzt, helfen, anderen einen Einblick in das eigene Denken zu geben.969

10.2.4.4 Einblick in die Vorstellungen anderer Einblick in die Forschungswerkstatt: Manuel lenkt den Blick von sich weg und schätzt den Einblick in die Gedanken anderer. Manuel: »Also ich fand es gut mit dem Bilderlegen, weil da, da hat man dann auch gesehen, was der andere als Dreieinigkeit empfindet, weil wenn der das nur sagt, vielleicht fällt dem da auch was jetzt nicht ein und dann fällt es ihm ein, wenn man das Bild legt. Da kann man dann auch hingucken, wenn der es einem dann erklärt, dann, dann weiß man auch, was das darstellen soll. Und so konnten wir es auch, also ich fand das Bild, mit dem Bilder machen war gut, weil da konnte man einfach, einem einfach erklären, ähm wie man sich Dreieinigkeit vorstellt.« (G/2–1–15/75–82)

Wieder steht die bildhafte bzw. gestalterische Darstellung im Zentrum der Argumentation. Zunächst wird deutlich, dass diese Form der Darstellung einen Einblick in die Vorstellungen und Gedanken anderer ermöglicht. Dann nimmt Manuel die Perspektive seines Gegenübers ein und stellt fest, dass einem beim Erklären möglicherweise nicht alles einfällt – man nicht alles im Blick hat – doch das Bild und das damit in Verbindung stehende Tun diese Lücke schließen kann. Gleichzeitig ermöglicht die Veranschaulichung beim Erklären ein besseres Verständnis – »man weiß […], was das darstellen soll«. Zum Schluss bündelt Manuel seine Gedanken noch einmal und stellt – das Ziel im Blick habend – heraus, dass man mit Hilfe des Bildes bzw. der bildhaften Darstellung die eigene Vorstellung von Dreieinigkeit »einfach« erklären konnte. Das Wort »einfach« lässt den Leser / die Leserin jedoch stutzig werden. Hier kann ein Blick in die etymologische Bedeutung helfen. »Einfach« kann mit mühelos, ohne Schwierigkeiten, unaufdringlich, freiheraus oder natürlich übersetzt werden. Für Manuel heißt es, dass es durch die Visualisierung leichter bzw. besser möglich ist, Komplexes in Worte zu fassen und zu erklären. Die bildhafte Darstellung ist damit sowohl Voraussetzung als auch qualitativer Mehrwert für das Lernen des Einzelnen und das gemeinsame Gespräch. Interessant ist in Manuels Äußerung der fortwährende Perspektivenwechsel, den er vornimmt. Zunächst formuliert er aus seiner eigenen Perspektive und stellt fest, dass man durch die Visualisierung einen Einblick in die Gedanken anderer erhalten kann. Dann wechselt er die Perspektive und versetzt sich in ein anderes Kind, das seine Vorstellungen formuliert. Er wechselt zwischenzeitlich 969 Vgl. Kap. 4.2.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

wieder zurück und sieht sich als Betrachter, dem etwas erklärt wird. Schließlich ist er wieder selbst der Aktive, der das Bild gestaltet hat und damit anderen seine Vorstellung von Dreieinigkeit erklärt. Inhaltlich hebt Manuel hervor, dass der gestalterische Akt, das konkrete Tun, das Lernen unterstützt, weil dadurch Gedanken freigesetzt werden, die im Denken oder Reden nicht unwillkürlich greifbar sind. Schließlich sieht er das Bild als Hilfe für Erklärungen und somit für das Finden passender Worte und Gedanken. Nun werden die Mitlernenden in den Blick genommen: Die bildhafte Darstellung und das damit verbundene Gespräch ermöglichen einen Einblick in die Vorstellungen anderer. Bild und Wort können sich ergänzen und das Verständnis unterstützen.970 10.2.4.5 Veranschaulichung hilft, sich gegenseitig besser zu verstehen Einblick in die Forschungswerkstatt: Gero beschreibt den Mehrwert, der sich durch die bildhafte Darstellung ergibt. Gero: »Ja, man ha- – ja, also davor wusste man es halt nicht und dann durch – jetzt durch das mit dem – Holz, da wo man dann zum Schluss das bauen konnte, wie man sich’s vorgestellt hat, da konnten die anderen einen halt dann auch besser verstehen, wie man das meinte, weil wenn man es bloß so sagt, dann wissen die ja nicht, hä, wie meint der das jetzt und wenn man es halt bauen kann, dann verstehen die einen, die anderen den halt besser.« (G/1–1–15/129–124)

Ähnlich wie im vorangegangenen Beispiel greift Gero auf die Bildcollage zurück. Ganz lapidar stellt er zunächst fest, dass durch das Bauen – wie er es nennt – die eigenen Vorstellungen ausgedrückt werden können und andere einen durch die bildhafte Darstellung besser verstehen. Auch hier stellt sich die Frage, wie das Verstehen gelingen kann und was dafür nötig ist. Im Folgenden bietet er dann selbst eine Erklärung. Worte allein kommen schnell an ihre Grenzen, man kann sie »bloß« sagen, ein Bild hingegen kann das Gesagte ergänzen bzw. anschaulich und verständlich werden lassen. So kann es gelingen, dass die anderen einen besser verstehen. Für die Kinder in der Studie wird klar, dass die bildhafte Darstellung das Gesagte veranschaulichen und zum Verständnis bei den Mitlernenden beitragen kann. Ziel ist es, eigene Gedanken in Bild und Wort darzustellen und damit Mitlernenden einen verstehenden Einblick in die eigenen Gedanken zu geben.

970 Vgl. Kap. 4.2; 4.4; 11.2.1; 11.2.2; 11.3.2 und 11.4.1.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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10.2.5 Notwendige Voraussetzungen für das Lernen

Ich

Handeln/ Tun

Handeln/ Tun

zur Sprache bringen

veranschaulichen

zur Sprache bringen veranschaulichen

Denken/ Konstruieren

Denken/ Konstruieren

Andere A

Abb. 13: Wie Kinder Lernen beim Theologisieren erklären – Voraussetzungen für das Lernen971

Damit Lernen gelingen kann, müssen in den Augen der Kinder unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt sein (siehe Abb. 13). Eine bedeutsame Rolle spielt für sie das Lernsetting, das sich durch vielfältige Zugangs- und Aneignungsformen für die Lernenden beschreiben lässt. In ihren Äußerungen verwenden die Kinder in diesem Zusammenhang häufig das Wort »spielerisch«972 oder »Stationen«973. Es

971 Die im Modell mit Anführungszeichen gekennzeichneten Begriffe sind In–vivo-Codes, wie sie in der Auswertung der Studie zu finden sind. Sie beziehen sich somit auf konkrete Formulierungen der Kinder. Diese wurden gewählt, weil sich dadurch das Modell nahe an dem bewegt, was die Kinder denken und wie sie es formulieren. 972 Bei »spielerisch« könnte man durchaus auch an zweckfreies Tun denken. Doch wie bereits oben dargestellt, denken die Schülerinnen und Schüler »spielerisch« nicht in diesem Zu-

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

geht ihnen darum, dass Lernen nicht nur auf dem Papier oder durch Schreiben geschieht, sondern dass – und da sind sich die Kinder einig – durch vielfältige Zugangs- und Aneignungsformen besser bzw. mehr gelernt werden kann. Auch die Selbstbestimmung, die sich in der Auswahl der Aufgaben bzw. der damit verbundenen Bearbeitungsweise zeigt, ist für die Kinder eine wichtige Basis für ihr Lernen. Beides kann Spaß bzw. Freude beim Lernen auslösen. Ohne »Spaß«974, wie sie es nennen, ist Lernen für sie kaum denkbar. In sehr vielen Äußerungen kommt der Begriff »Spaß« vor und wird gleichzeitig an vielfältige andere Gedanken angedockt. Spaß bzw. Freude ist für diese Kinder der Drehund Angelpunkt für gelingendes Lernen. Nicht zuletzt knüpfen sie hieran immer wieder das erforderliche Interesse. Während die drei erstgenannten Voraussetzungen stark an der Lehrperson hängen, liegt das Interesse in erster Linie bei den Kindern selbst. Interessen sind unterschiedlich, kann ein solches geweckt werden, trägt dies aus ihrer Sicht zu erfolgreichem Lernen bei. Die folgenden Beispiele zeigen, dass Kinder diese Voraussetzungen oft miteinander in Verbindung bringen und verknüpfen. Im Folgenden werden sie dennoch separat dargestellt, um sie gezielt in den Blick nehmen zu können. Die Verknüpfungen werden dabei durchaus sichtbar. Beim Betrachten der Kinderäußerungen werden nur diejenigen Abschnitte beleuchtet, die für den jeweiligen Aspekt relevant sind. 10.2.5.1 Spaß und Freude Einblick in die Forschungswerkstatt: Doreen verknüpft in ihren Gedanken Spaß mit Aktivität und kontrastiert diese Form des Lernens mit einer von der Lehrperson ausgelösten Passivität. Doreen: »Also ich hätte so zu denen gesagt irgendwie, dass man ja nicht die Kinder die ganze Zeit nur im Kreis sitzen lässt und denen alles erzählt, sondern dass die das einfach auch selber rausfinden sollen, dann haben sie ja Spaß daran, dann sitzen sie – zwei Stunden nur im Kreis und hören zu und irgendwann nach vielleicht, nach einer Stunde oder einer – halben Stunde oder so oder nach einer Dreiviertelstunde, dann kommt man langsam in so ein – Gefühl, oh, warum muss ich das jetzt nur zuhören, können wir jetzt nicht mal was anderes machen, dass man halt dann einfach auch, dass man das halt auch mal anders kennenlernt, dass man nicht nur so – redet die ganze Zeit.« (G/3–1–15/259–267) sammenhang. Sie bewegen sich in ihrem Denken und Argumentieren ganz in einem schulischen Rahmen, in dem das Lernen ein Ziel hat, und stellen es hier auch nicht in Frage. 973 Dies ist vermutlich dem Unterrichtssetting geschuldet, in dem in einer Phase sieben Stationen angeboten wurden. Festgelegt war lediglich der zeitliche Rahmen, in der Auswahl der Stationen waren die Schülerinnen und Schüler frei. 974 Spaß wird von den Kindern im Sinne von Vergnügen und Freude, die man bei einer Sache empfindet, benutzt.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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Doreen greift aus dem bisherigen Gespräch den Gedanken von Passivität bzw. Aktivität beim Lernen auf. Haben die Kinder die Möglichkeit, Dinge selbst herauszufinden oder zu erkennen, dann haben sie Freude daran, es macht ihnen Spaß. Doreen lässt hier offen, ob sich Aktivität auf das praktische Tun oder den kognitiven Bereich (kognitive Aktivität) bezieht. Beides ist denkbar. Der kognitive Bereich ist durch die Formulierung »rausfinden« vermutlich zumindest mitgedacht. Dennoch kontrastiert sie in ihrem Beispiel das Herausfinden mit lediglichem Sitzen und Zuhören. Anschaulich beschreibt sie, wie ein Gefühl des Unbehagens aufkommt und welche Fragen einem dabei durch den Kopf gehen können. Entsprechend ihrem Einstieg über das Erzählen der Lehrperson endet sie mit dem Reden. Ob sie wirklich nur die Lehrperson meint oder auch an das gemeinsame Gespräch innerhalb der Lerngruppe denkt, kann nicht sicher gesagt werden. Dem aktiven Tun kommt dadurch jedoch noch einmal Bedeutung zu. Sam bringt Aktivität, Spaß und Merkfähigkeit in seiner Aussage zusammen. Sam: »Also – ich find halt persönlich, dass, wenn man jetzt so da sitzt, dass man es halt nicht so sich merken kann. Weil, wenn man irgendwie noch was dazu macht, dann hat man auch mehr Spaß dran, wenn man Spaß hat, dann kann man sich auch viel merken.« (G/3–1–15/46–49)

Im Unterricht nur dazusitzen fördert die Merkfähigkeit nicht, so der erste Gedanke von Sam. Da bleibt die Frage, wie das wohl gemeint ist. Denn ein Schüler sitzt vermutlich im Unterricht selten einfach nur so da. Aufgrund des zweiten Satzes, in dem er davon spricht, dass noch etwas dazu gemacht wird, könnte man vermuten, dass er sich im ersten Abschnitt eine Phase vorstellt, in der ein Schüler eher passiv ist, möglicherweise einem Lehrervortrag folgt. Durch das Hinzufügen von Aktivität stellt sich für ihn ein schlüssiger Dreischritt ein: aktiv beim Lernen zu sein ermöglicht Spaß mit der Folge, sich viel merken zu können. Gero bringt neu den Faktor Motivation ins Spiel. Gero: »Äh, dass man nicht so viel schreiben musste, weil, ja, weil wenn man schreibt, dann hat man halt keinen Spaß und wenn die Motivation fehlt, dann lernt man es nicht so schnell und dann vergisst man es auch öfter und dann hat man auch keine Lust zum Lernen.« (G/1–1–15/134–137)

Gero beschreibt – anders als die anderen Kinder – nicht positiv, was Spaß bewirkt, sondern er zeigt in seiner kurzen Äußerung gleichsam einen Teufelskreis auf. Für Gero ist das Schreiben synonym für »keinen Spaß«. Und wer keinen Spaß hat, so folgert er, dem fehlt auch die Motivation. Dies bewirkt, dass man nicht so schnell lernt und auch Dinge wieder vergisst. Dadurch verliert man schließlich die Lust am Lernen. – Spaß und Motivation bleiben dann aus. Es kann festgehalten werden: Spaß ist für die Kinder von besonderer Bedeutung für das Lernen. Ausgelöst durch eigenes Tun kann er das Lernen und die

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Merkfähigkeit der Kinder unterstützen. Fehlender Spaß führt in einen Teufelskreis, der sich ungünstig auf das Lernen auswirkt.975 10.2.5.2 Interesse Einblick in die Forschungswerkstatt: Manuel stellt fest, dass sich Interesse bezüglich eines Themas von Person zu Person unterscheidet. Manuel: »Das kann man nicht sagen, weil bei jedem ist es anders. Der eine interessiert sich dafür mehr, der andere nicht, weniger.« (G/5–2–15/346–347)

Inhaltlich ging es im Kontext dieser Äußerung um die Leistung von Schülerinnen und Schülern sowie deren Selbsteinschätzung. Manuel stellt hier zunächst fest, dass es – bezogen auf die bisherige Diskussion um die Leistung – keine eindeutige Aussage geben kann. Ein Blick auf den zweiten Satz zeigt seine Erklärung: Es gibt eine Beziehung zwischen der Leistung eines Kindes – bezogen auf ein bestimmtes Thema (hier setzt er an seinem vorangehenden Gedanken an) – und seinem diesbezüglichen Interesse. Das Interesse wird hier zu einer Erklärung für Leistung. Es geht ihm nicht um ein Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Interesse, denn er korrigiert sich, wenn er sagt »weniger«. Das eine Kind interessiert sich also mehr für eine Sache, das andere weniger – möglicherweise auch gar nicht. Dies hat seiner Meinung nach Einfluss auf die Leistung in diesem Bereich. Wiebke sieht Interesse als Voraussetzung dafür, ob Leistung sichtbar werden kann. Gero: »Ja, ob man es – was dazu sagen will oder nicht.« G: »Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden. Kannst du mir das nochmal erklären, wie du es meinst?« Gero: »Ja, wenn man jetzt sagen will, ja, das sieht für mich jetzt nicht so gut aus, da will ich jetzt nicht so viel sagen. Und, oder jetzt zum Beispiel die Frage, ja, was hast du dir da vorgestellt, weil, wenn ich mir, weil wenn mich was interessiert, dann frage ich halt richtig konkret nach und jetzt nicht so, ja, wie hast du dir das vorgestellt und so.« G: »Also Gero, ich muss mal geschwind nachfragen, ob ich das richtig verstehe. Du sagst, wenn dich ein Bild interessiert von einem anderen Kind, dann kann ich es ganz gut, aber es könnte sein, ein anderes Bild, das interessiert mich überhaupt nicht, dann dürfte ich auch meinen Punkt nicht so weit nach vorne machen, dann müsste ich es weiter hinten machen. Also es hängt vom Bild ab, gar nicht vom Können?« Gero: »Mhm. Wenn es mich nicht interessiert, dann ist mir egal.« […] G: »Habt ihr euch das überlegt beim Aus-, bei dem Bepunkten? Oder habt ihr einfach überlegt, wie ist denn das, wenn es gut gelingt? Wenn mir ein Bild gefällt, wie ist dann …?« 975 Vgl. Kap. 11.1.

Modell 1: Wie sich Kinder ihr Lernen beim Theologisieren erklären

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Berit: »Dann kann ich es gut erklären.« G: »Mhm.« Wiebke: »Ich könnte das, glaube auch, aber wenn es mich halt dann nicht so wirklich interessiert, mache ich es ja dann nicht.« (G/6–2–15/161–189)

Im Kontext unterhalten sich die Kinder über einzelne Kompetenzen und Fähigkeiten. Dabei geht es darum, wie gut sie ihr Bild bzw. ihre Vorstellung anderen erklären können. Wiebke geht nicht auf den Aspekt der Leistung ein, sondern hebt das Interesse hervor. Sie meint, sie könne es erklären und kann diese Fähigkeit also bejahen, sie stellt dann jedoch fest, dass es vom Interesse abhängt, ob sie es macht bzw. zeigt oder nicht. Folgt man diesem Gedanken weiter, bekommt Leistung hier eine ganz andere Dimension. Es geht nicht nur um das Können der Kinder, sondern zunächst einmal um das Wollen, die Bereitschaft, Leistung zu zeigen. Leistung sichtbar werden zu lassen, hängt für Wiebke eng mit dem eigenen Interesse zusammen. Manuel sieht Interesse als Grundvoraussetzung, das ein Weiterlernen ermöglicht. Manuel: »Also ich finde es schon wichtig, dass, also wie beim Thema Mittelalter oder so, weil ich finde es interessant, da lernt man auch was drüber. Vielleicht hat man – es kann ja sein, man hat schon viel drüber gewusst, aber vielleicht kommt dann einem was zu Ohren, was man noch gar nicht gewusst hat, was man noch gar nicht gehört hat.« (G/5–2–15/176–180)

Interesse wird von Manuel als bedeutsam für Lernzuwachs gesehen. Da spielt es keine Rolle, ob man schon viel darüber weiß oder nicht. Interesse ist eine Art Grundvoraussetzung für Lernen. Auch wenn man schon viel weiß, sieht Manuel die Möglichkeit, Neues zu erfahren bzw. zu lernen. Somit fördert Interesse die Offenheit gegenüber einem Thema. Wird umfangreiches Vorwissen mitgebracht, so muss dies nicht negativ sein, sondern kann sogar die Suche nach Neuem steigern. »Vielleicht kommt dann einem was zu Ohren, was man noch gar nicht gewusst hat«, formuliert er. Das Neue kommt einfach auf einen zu. Dieser Gedanke macht deutlich, dass er es als eine Chance sieht, Lücken im eigenen Wissen zu suchen und diese bewusst mit Neuem zu schließen. Doreen bringt an dieser Stelle ein, dass Interesse nicht zwangsläufig schon gegeben ist, sondern auch erst im Unterricht erwachsen kann. Sam: »Also man kann so auf jeden Fall lernen, weil das ist nicht – so die ganze Zeit da sitzen und zuhören, weil da merkt man sich irgendwie nicht so viel. Das so ein bisschen spielerischer zu lernen und seine Gefühle so auszudrücken und seine Gedanken, das ist eigentlich ziemlich gut. So kann man es auch sehr gut lernen.« Doreen: »Und man ist dann auch so interessiert, was Dreieinigkeiten sind. Weil, wenn man jetzt nur alles erzählt und fast nichts dazu macht, dann hat man auch Lust

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

manchmal, oder halt nicht immer, aber manchmal drauf, dass mal was zu erfahren von der Dreieinigkeit.« Klara: »Ich wusste eigentlich gar nicht, was Dreieinigkeit ist. Es ist ja eigentlich auch ganz schwer gewesen am Anfang, was es so ist.« (G/3–1–15/27–37)

In Bezug auf die vorangegangene Äußerung zu »spielerischem«, aktivem Lernen führt Doreen den Gedanken nun fort und ergänzt, dass dadurch auch Interesse an einer den Kindern fremden Sache erwachsen kann. Möglicherweise möchte sie im zweiten Satz den Gedanken ihres Vorredners aufnehmen, verhaspelt sich dann aber in der Formulierung, so dass auf den ersten Blick ein Kontrast zu diesem entsteht. Für die Deutung des Verhaspelns spricht der Anfang »wenn man jetzt nur alles erzählt und fast nichts dazu macht«. Denkbar wäre auch, dass gerade durch diesen soeben zitierten Anfang das Interesse nun so gewachsen ist, dass man nun etwas darüber erfahren möchte. Hier zeigt sich, dass den Kindern bewusst ist: Das Interesse an einer Sache bzw. einem Thema kann sich von Person zu Person unterscheiden. Interesse ist für sie grundlegende Voraussetzung für das Lernen von Neuem, kann aber auch dafür verantwortlich sein, ob ein Kind zeigt, was es kann (motivationale Komponente). Schließlich kann Interesse an einer Sache auch erst im Laufe des Unterrichts erwachsen.976 10.2.5.3 Vielfältige »spielerische« Zugangsweisen und Aneignungsformen Einblick in die Forschungswerkstatt: Wiebke hält »spielerisches« Lernen für uneingeschränkt wichtig und für eine Voraussetzung, um gut lernen zu können. G: »[…] Ich habe euch am Anfang von meiner Fortbildung letzte Woche erzählt, dass die Lehrerinnen und Lehrer mich total entgeistert angeschaut haben und gesagt haben: Können die Kinder da wirklich etwas lernen? Ihr habt gerade schon ganz vieles gesagt. Überlegt jeder für sich noch einmal, dann sagt ihr nochmal einen Satz oder einen Gedanken, warum ihr sagt, ja, da kann man irgendwas lernen, oder nein, da kann man vielleicht nicht so viel lernen. Einen Satz, was würdet ihr den Lehrerinnen und Lehrern sagen? Die wollen ja auch guten Unterricht machen. – Hm. Wiebke, fängst du einfach mal an?« Wiebke: »Also, da kann man gut lernen, kann man gut lernen, weil man hat es ja auch so ein bisschen spielerisch gemacht. Spielerisch.« (G/1–1–15/208–218)

Gut zu lernen hängt für Wiebke ohne Umschweife an spielerischem Lernen. Aus dem Gesprächsverlauf kann auch gefolgert werden, dass Wiebke, wenn sie dies 976 Vgl. Kap. 11.1.

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formuliert, an vielfältige Zugangs- und Aneignungsformen denkt. Wenn sie hier sagt »ein bisschen spielerisch« stellt sich die Frage, ob sie dadurch »spielerisch« einschränkt und meint, die Lernangebote erfüllten dies teilweise oder ob sie dabei das ganze Projekt in den Blick nimmt und festhält, es gab neben diesen vielfältigen Auseinandersetzungsmöglichkeiten auch gemeinsame und angeleitete Lern- und Reflexionsphasen. »Ein bisschen« könnte auch bedeuten, dass sie sich unsicher ist, ob dieser Begriff in das schulische Setting passt. Auf jeden Fall ist ihr der Begriff so wichtig, dass sie ihn am Ende noch einmal bewusst separat setzt. »Spielerisch« – da gibt es nichts hinzuzufügen. Sam verknüpft »spielerisches« Lernen mit Lernzuwachs. Sam: »Also, da würde ich auf jeden Fall sagen, also erst mal sagen, das stimmt auf jeden Fall nicht, weil spielerisches Lernen hilft immer und – ähm weil da meistens prägen sich die Kinder dann noch was dazu ein, aber wenn sie schon wissen, was Dreieinigkeit ist, erinnern sie sich irgendwie an das ganze Projekt, wenn sie genauer in ihrem Kopf nachforschen. Und dann ist halt gut. Wenn man jetzt da sitzt und alles erklärt kriegt, dann – ist es halt so, dass es irgendwann nach einem Jahr weg ist und dann weiß man es nimmer noch, da muss man ein bisschen anders und spielerisch lernen. Und vor allem, da haben die Kinder viel Spaß und sie können mindestens genauso viel lernen, meistens mehr, wenn sie sich halt einbringen können.« (G/3–1–15/274–283)

Sam bezieht sich in seiner Aussage auf die zu Beginn dargestellte Sorge eines Lehrers (von dem in der Einführung von der Gesprächsleiterin erzählt wird), die Kinder könnten in einem so offenen Setting nicht genügend lernen. Ganz klar positioniert er sich im ersten Teil seiner Aussage, wenn er formuliert »das stimmt auf jeden Fall nicht«. Er setzt dieser Sorge das »spielerische« Lernen entgegen, welches in seinen Augen immer hilft. Er begründet dies damit, dass durch die unterschiedlichen Zugangs- und Aneignungsformen – mit seinen Worten das »spielerische Lernen« – sich Kinder meist mehr »einprägen« bzw. merken. Dann springt er mit seinen Gedanken und nimmt in der zweiten Hälfte seiner Aussage den Faden wieder auf. »Spielerisches«, aktives Lernen setzt er nun in Kontrast zu passivem Lernen, bei dem die Kinder dasitzen und alles erklärt bekommen. Das Ergebnis von spielerischem Lernen ist für ihn zunächst einmal Spaß. Diesen bringt er nun mit Lernzuwachs und Beteiligung bzw. Aktivität (»wenn sie sich halt einbringen können«) zusammen. Schließlich kann man in der von ihm beschriebenen Weise »mindestens genauso viel« oder sogar »meistens mehr« lernen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass »Spielerisches« Lernen, wie es die Kinder bezeichnen, also Lernen mit Hilfe vielfältiger Zugangsweisen und Aneignungsformen eine Voraussetzung für gelingendes Lernen und somit für Lernerfolg ist.977 977 Vgl. Kap. 11.1.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

10.2.5.4 Selbstbestimmung Einblick in die Forschungswerkstatt: Gero: »Ja, mit den Stationen finde ich es besser.« G: »Mhm, kannst du sagen, warum das besser für dich ist?« Gero: »Ja, weil, ja, weil dann kann man auch seine eigenen Gedanken zeigen und – dann hat man halt auch keine Vorschriften von dem Lehrer, wie man – wie das jetzt aussehen soll und so. Weil wenn man sagt, das muss jetzt da liegen und das ja, dann ist das ja auch doof, wie dann kann man ja selber nicht kreativ sein.« (G/1–1–15/231–237)

Ausgangspunkt dieser Aussage ist das Lernen an den Stationen mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Auseinandersetzung und Aneignung. Gero sagt hier »besser« und bezieht sich im Gespräch darauf, dass die selbstständige Auseinandersetzung mit Hilfe der Aufgaben an den Stationen einer direktiven Instruktion, die ihm Dinge vorschreibt, vorzuziehen ist. Um seine Gedanken zu verdeutlichen und schließlich kreativ werden zu können, ist seiner Meinung nach diese Freiheit notwendig. Nicht gegeben wäre diese durch »Vorschriften« von Seiten der Lehrperson. Aus dem Zusammenhang kann man schließen, dass Gero vermutlich festgelegte oder vorgefertigte Vorstellungen oder Vorgehensweisen der Lehrerin bzw. des Lehrers meint, die die eigene Kreativität einschränken. Freiheit beim Arbeiten ermöglicht eigene Akzente zu setzen und ist gleichzeitig mit Spaß verbunden. Bea: »Also ich fand, mir hat beides Spaß gemacht, also ich fand, also ich fand das Bild war also richtig schön, weil man da halt auch ähm – die, also auch – entscheiden konnte, wie man es machen will und man konnte – legen mit irgendwie Sachen und das dann festkleben und das hat mir voll, also richtig Spaß gemacht und das andere hat mir aber auch Spaß gemacht, weil ich fand das – eigentlich witzig oder also gut, dass man es mal sieht, wie das dann irgendwann aussieht, was aber, also war ganz unterschiedlich bei allen.« Tina: »Ich fand das Bild legen ganz gut, also weil da konnten wir es halt selber legen und selber gestalten, wie es für uns ist. […]« (G/5–2–15/21–30)

Bea beginnt ihre Überlegungen mit dem Spaß, der für sie mit beiden gestalterischen Aufgaben zusammenhängt. Spaß konnte sich einstellen, weil sie dabei selbst Entscheidungen treffen konnte und sie so Freiheit beim Arbeiten verspürte. Darüber hinaus stellt sie fest, dass dadurch die eigene Vorstellung sichtbar wird, welche aber von Kind zu Kind verschieden war. Tina unterstreicht die Eigenständigkeit, indem sie zweimal »selber« formuliert sowie »für uns«. Somit ist das eigenständige Tun, bei dem die eigenen Vorstellungen und Gedanken – »wie es für uns ist« – sichtbar werden können, von Bedeutung. Maik verbindet Selbstbestimmung mit Spaß.

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Maik: »Ich fand, ich fand ähm – das Bild hauptsächlich gut, aber was ich jetzt nicht so gut fand, war das Heft, weil – ich wusste, ähm – ich ähm habe halt gerne, wenn man so – malen oder basteln oder so macht und wenn man so ein Heft hat, wo man dann eben auch sagt, was man machen soll, das – ich weiß nicht warum, aber das macht mir halt nicht so Spaß.« (G/5–2–15/32–36)

Ein Gegensatz von »gut« und »nicht so gut« wird hier aufgezeigt: gut war das Bild978 – nicht so gut das vorgegebene Heft mit seinen klaren Anweisungen, die sagen, »was man machen soll«. Maik sind eigenaktive Tätigkeiten, wie Malen oder Basteln, wichtig. Wenn er das Heft dazu in Kontrast setzt, verbindet er die damit verbundenen Tätigkeiten mit Selbst- bzw. Fremdbestimmung. Selbstbestimmtes Lernen kommt für ihn beim Erstellen des Bildes, beim Malen oder Basteln zum Ausdruck, wenn ihm hingegen im Kontext des Heftes fremdbestimmt angewiesen wird, was er tun soll, dann macht ihm das »nicht so Spaß«. Auch wenn Maik sagt, er wüsste nicht, warum das so ist, liefert er doch in seiner Äußerung zwei mögliche Begründungen. Maik geht es darum, selbst entscheiden bzw. bestimmen zu können und Freiheit dafür zu haben, und gleichzeitig bewertet er kreative Arbeiten, die aktives und gestalterisches Lernen zulassen, als gut. Schließlich grenzt er Spaß gleich wieder ein mit der Floskel »nicht so«. Zusammen mit dem Beginn des Gedankens »ich weiß nicht warum, aber …« wird deutlich, dass er sich nicht wirklich zu sagen traut, dass ihm das Arbeiten im Heft und die damit verbundene Fremdbestimmung (wenn die Lehrperson sagt, was zu tun ist) beim Lernen »keinen Spaß« bereiten. Für Bea gehören Selbst- und Fremdbestimmung zum Arbeiten. Bea: »Oder, also was ich auch immer finde zum Beispiel, es kann auch sein, dass einfach nicht so, also es nicht so sein Fall ist, aber wenn man das dann trotzdem machen müsste, aber dann wäre zum Beispiel daneben auch (……) Spaß machen würde, wenn es halt nicht nur Sachen sind, die einem keinen Spaß machen, sondern auch viele Sachen sind, die einfach auch einem Spaß machen und so – und dass man halt, wenn man zum Beispiel was nicht kapiert hat, das halt dann nochmal erklärt bekommt, weil, also bei dem habe ich das zum Beispiel kapiert, gut, und das sind auch die Aufgaben, also die sind eigentlich auch gut gewesen und einfach vor allem auch mit Stationen war das immer sehr schön. Dann kann man sich auch aussuchen oder zum Beispiel sagen, ja, dann macht man erst die, dann macht man wieder eine, die mehr Spaß macht, eine, die ich noch nicht so mag und das so nacheinander gereiht.« (G/2–1–15/365–377)

Bea zeigt hier einen differenzierten und gleichzeitig realistischen Blick auf das unterrichtliche Setting. Sie stellt fest, dass es Dinge gibt, die man gerne macht und andere, die »nicht so sein Fall« sind. Ähnlich sieht sie es bezogen auf den 978 Was in diesem Zusammenhang »hauptsächlich« bedeutet, kann nur erahnt werden. »Besonders« oder »vor allem« wären denkbare Bedeutungen. Hauptsächlich könnte auch einschränkenden Charakter haben, doch dann würde man erwarten, dass der Gedanke des Kindes fortgesetzt und die Einschränkung benannt wird.

282

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Spaß beim Lernen. Wichtig ist ihr, dass es »nicht nur Sachen sind, die einem keinen Spaß machen«, sondern eben auch solche, die Freude machen. Da Kinder Aufgaben bezüglich der angesprochenen Aspekte unterschiedlich »gerne tun« oder ihren »Spaß« daran einschätzen, findet Bea Stationen mit ihrem vielfältigen Aufgabenangebot gut, da man dabei die Reihenfolge der Bearbeitung selbstbestimmt festlegen kann. Für sie wird in solchen Settings ein Wechsel von Aufgaben, die Spaß machen, und solchen, die sie »nicht so mag«, möglich. – Das ist also ihre persönliche Strategie im Umgang mit Ambivalenzen. Für die Kinder zeigt sich eindeutig: Entscheidungsfreiheit – im Hinblick auf das Lernen – bedeutet für die Kinder Selbstbestimmung, welche für sie notwendige Voraussetzung ist, um kreativ tätig werden und Eigenes ausdrücken zu können. Dabei wird Selbstbestimmung bzw. Entscheidungsfreiheit häufig mit Spaß, der beim Lernen entsteht, verknüpft. Die Ambivalenz von Selbst- und Fremdbestimmung gehört dabei für die Kinder zum Lernen bzw. Arbeiten selbstverständlich dazu.979

10.2.6 Zusammenfassung Wie in den letzten Abschnitten differenziert dargestellt und erläutert, erklären sich die Kinder ihr Lernen beim Theologisieren in zwei Spannungsfeldern und keineswegs linear. Sie sehen einen Zusammenhang zwischen eigenem Handeln, also dem, wie Inhalte bzw. Lernen im konkreten Tun sichtbar werden, und ihrem Denken bzw. Nachdenken. Gleichzeitig ist ihnen bewusst, dass ihr Lernen nicht nur auf sie selbst und die Sache bezogen ist, sondern andere hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle einnehmen. Es ist den Kindern bewusst, dass Lernen in der sozialen Interaktion geschieht und ohne Mitlernende grundsätzlich nicht zu denken ist.980 Die Äußerungen der Kinder zu den beiden Spannungsfeldern zeigen deutlich, wie diese zusammenhängen und nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Lernen hat somit auf der einen Seite eine materiale Komponente, die sich zwischen dem aktiven Tun und dem Aufbau von Konstruktionen bewegt, wobei Aktionen zueinander in einem reziproken Verhältnis stehen. Auf der anderen Seite beinhaltet Lernen eine personale Komponente, die sich zwischen den Polen intrapersonal und interpersonal aufspannt. Das Nachdenken über Lernen wird sowohl ausgehend von als auch bezogen auf die eigene Person bzw. das eigene Lernen betrachtet. Gleichzeitig wird immer wieder der Blick auf die Bedeutung der Mitlernenden gerichtet und diese werden 979 Vgl. Kap. 11.1. 980 Vgl. Kap. 11.2.1; 11.2.2 und 11.3.2.

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

283

in die Erklärungen mit einbezogen. Eigenes Lernen wird also abhängig von den Mitlernenden gesehen.981 Eigene Erkenntnisse bzw. Lernzuwachs können sowohl aus der aktiven Auseinandersetzung, dem eigenen Nachdenken und Konstruieren als auch aus dem Austausch mit anderen hervorgebracht werden, wobei diese Formen nicht nebeneinanderstehen, sondern ständig ineinandergreifen. Dem Gespräch und der Veranschaulichung kommt hierbei eine Schlüsselbedeutung zu. Sie sind eine Art »Brücke«, die Konkretes mit Abstraktem verbindet, und tragen so gegenseitig zur Erschließung bei. Schließlich benennen die Kinder Spaß, Interesse, »spielerisches« Lernen und Selbstbestimmung als besondere, grundlegende Voraussetzungen für ihr Lernen.

10.3 Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens am Beispiel theologisierender Lernsettings Im Folgenden soll nun ein differenzierter Blick auf das Denken der Kinder gerichtet werden. Dazu wird sozusagen eine Lupe auf den Bereich des »Denkens« im bereits bekannten Modell gehalten, um so dem Nachdenken der Kinder über ihr eigenes Lernen und Können weiter auf die Spur zu kommen (siehe Abb. 14). Leitende Frage dabei ist, wie Kinder bezogen auf ihr Lernen von ihrem Denken, Konstruieren und ihren kognitive Strategien sprechen. Welche Strategien sie explizit benennen bzw. welche implizit in ihren Formulierungen zum Ausdruck kommen und welchen inneren Zusammenhang diese aufweisen, ist dabei von Interesse. Ausgangspunkt sind wieder die konkreten Gedanken bzw. Äußerungen der Kinder, die dann aus der Außenperspektive betrachtet und reflektiert werden. In den nun folgenden Abschnitten wird sukzessive ein zweites Modell entwickelt, das genauer zeigen soll, wie Kinder bezogen auf ihr Lernen denken, über welche Strategien – auch metakognitive Strategien – sie verfügen und was sie bezüglich metakognitiver Strategien für die Selbstregulation ihres Lernens mitbringen. Dazu werden zunächst diejenigen Strategien dargestellt, die in den Daten der Studie sichtbar werden und somit evidenter Teil des Lernens der Kinder sind. Im Anschluss wird ein Zusammenhang zwischen den Strategien der Kinder sowie Metakognition und Regulation beim Lernen hergestellt. Dass hierbei auch die »anderen« der Lerngruppe eine Rolle spielen, wird deutlich.

981 Vgl. Kap. 11.2.2 und 11.3.2.

284

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Ich

Handeln/ Tun

Handeln/ Tun

zur Sprache bringen n

Denken/ Konstruieren

veranschaulichen

zur Sprache bringen veranschaulichen

Denken/ Konstruieren

Andere A

Abb. 14: Denkprozesse unter die Lupe genommen

10.3.1 Strategien, die das Lernen unterstützen Wie in der theoretischen Diskussion dargestellt, ist für das Theologisieren relevant, dass Kinder über religiöses Wissen nachdenken können. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit zur Reflexion. Um ihre Lernprozesse verstehen und um aus dem Gelernten Konsequenzen für das Weiterlernen ziehen zu können, ist es von Bedeutung, diese reflexiv begleiten und bewerten zu können. Erforderlich sind hierfür metakognitive Kompetenzen. Beide Ebenen des Nachdenkens – sowohl das inhaltsbezogene Nachdenken, beispielsweise in Theologischen Gesprächen, als auch die Reflexion über das eigene Lernen und den Lernprozess gehören zusammen. Die Frage ist, welche Kompetenzen die Kinder für oben beschriebene reflexive Prozesse bereits mitbringen und welche Strategien sie bewusst oder unbewusst anwenden. Davon ausgehend könnte dann gefragt werden, welche metakognitiven Kompetenzen insbesondere in solchen Lernprozessen gefördert werden können bzw. sollen.

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

285

Der Forscherin ist bewusst, dass Kinder sowohl während ihres Tuns als auch, wenn sie aus der Distanz reflexiv auf ihr Lernen zurückblicken, bereits metakognitive Strategien verwenden. Diese sind aufgrund des Forschungssettings jedoch nicht zugänglich. Wenn im Folgenden diejenigen Strategien der Kinder dargestellt werden, welche sie selbst in den Gruppendiskussionen bzw. in Gruppengesprächen formuliert haben, wird damit ihre eigene Sichtweise beschrieben. Dabei kann eine Diskrepanz zur eigentlichen Bedeutung oder den in der Literatur bzw. Wissenschaft verwendeten Bedeutungen aufkommen. Wenn ein Kind also zum Beispiel sagt, dass es sich eine Sache überlegt hat, aber gleich im Anschluss beschreibt bzw. rekonstruiert, wie es beim Arbeiten durch den Raum ging und sich von anderen Kindern inspirieren ließ, dann muss gefragt werden, ob sich »überlegen« tatsächlich auf die Ausgangssituation bezieht oder ob dieses möglicherweise später in seinen Gedanken hinzu kam oder ihm möglicherweise in der Situation ein passenderer Begriff gefehlt hat. Beim Kodieren wurden solche Stellen von ihrer angenommenen Bedeutung her verstanden, nicht vom Wort, das das Kind selbst formuliert hat. Insgesamt ist zu bedenken, dass die Kinder in diesen Gesprächen zum Nach- und Weiterdenken angeregt werden, so dass sich eigene Reflexionen mit nachträglichen Konstruktionen vermischen. In diesem ersten Abschnitt werden zunächst einmal diejenigen kognitiven Strategien herausgestellt, die die Kinder, wenn sie über ihr Lernen nachdenken und sprechen, benannt bzw. angewendet haben. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Strategien, die sie explizit benennen – wenn sie also beispielsweise formulieren, sich »Tipps geholt« zu haben – und solchen, die implizit in ihrem Erzählen zum Ausdruck kommen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn in der Formulierung deutlich wird, dass ein Kind sich an spezifische Situationen aus dem Unterricht »erinnert« und seine Überlegungen »beschreibt«. Abbildung 15 gibt einen Überblick über die im Rahmen der Studie von den Kindern selbst benannten kognitiven Strategien. Aufgrund der Komplexität der Kinderäußerungen ist es nicht das Ziel, alle in Abbildung 15 aufgezeigten Strategien systematisch zu veranschaulichen. Die angeführten Beispiele sollen jedoch einen Einblick in das Denken der Kinder im Kontext kognitiver Strategien ermöglichen.

286

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

einfach tun schauen

verknüpfen

hören

erklären andere fragen

überlegen, nachdenken

Strategien

erinnern

andere Sicht einholen vergleichen

Tipps holen Hilfe holen

sich fragen

Abb. 15: Lernstrategien der Kinder

Einblick in die Forschungswerkstatt: Doreen blickt hier auf ihr Lernen und Tun während des TheologisierenProjekts zurück. Doreen: »Also ich habe mir als erstes, weil wir haben ja als erstes erst mal gedacht, aufgeschrieben als aller-, allererstes, was wir überhaupt von Gott, Jesus und dem Heiligen Geist überhaupt wissen. Und dann habe ich daran irgendwie nochmal ein bisschen gedacht, also ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin, habe mir dann nochmal so langsam gedacht, okay, ja, Gott hat ja, manche denken daran, dass er die Welt erschaffen hat und da habe ich einfach wie so eine kleine Landschaft gemacht – und halt dann zum Beispiel, weil er hat ja auch die Tiere erschaffen und ja, und dann habe ich Jesus, weil er war ja eigentlich ein Kind und ist ja dann auf der Erde aufgewachsen und dann habe ich ihn einfach als Mensch gezeichnet und dann ist er ja eigentlich am Schluss – zu seinem Vater halt so hochgestiegen und beim Heiligen Geist habe ich mir gedacht, der ist ja eigentlich überall. Der kann in Tieren sein, der kann in Menschen sein, der kann in Räumen sein und – alles Mögliche und dann habe ich mir einfach gedacht, da habe ich den – einfach mal als Wolken dargestellt, weil Wolken sind ja eigentlich weiß und durchsichtig zugleich. Und da habe ich ihn als Wolke dargestellt.« (G/7–2–15/92–107)

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

287

Doreen schaut hier fast am Ende des Projektes im Rahmen der Collage982, die sie erstellen soll, noch einmal zurück und beschreibt dabei die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen. Ausgehend von ihren Gedanken begründet sie schließlich ihr Handeln: Sie hat eine Landschaft gemacht, weil Gott »die Welt erschaffen hat«. Es wird deutlich, dass sie wahrnimmt, was sich dabei in ihrem Kopf abspielt, und dass sie für sich schlüssige Begründungen gefunden hat. Unabhängig davon, ob ihr diese Gedanken in der Situation selbst bewusst waren oder sich diese erst im Nachhinein ergeben haben, zeigt sie hiermit ein Wahrnehmen ihres Tuns und des damit verbundenen Denkens in der Reflexion. Auch im folgenden Beispiel beschreibt Doreen zunächst eine Aufgabe. Dann aber gibt sie Einblick in ihre Gedanken während des Arbeitsprozesses und stellt ihre Erklärung vor. Doreen: »Irgendwie zum Beispiel jetzt gerade die Stationen fand ich cool, weil da gab es ja auch so Aufgaben, zum Beispiel hat man so einen Text gelesen und da musste man das doch aufschreiben mit dem, mit dem Kamel oder so, mit den Fußspuren. Das habe ich gemacht und dann denke ich, wie kann man auf so eine Idee kommen, weil – aber da ist mir dann langsam gekommen, der Heilige Geist ist da mit drinnen auch, und den kann man auch nicht richtig sehen, aber manchmal kann man ihn spüren, oder lässt Spuren hinter sich.« (G/3–1–15/154–160)

Neu hinzu kommt im folgenden Beispiel die Verknüpfung von Lernaufgaben bzw. Elementen aus dem Unterricht mit dem eigenen Lernprozess. Doreen: »Also beim Lernen geholfen hat mir eigentlich so gesagt alles, weil man hat dann halt ganz viel dazugelernt, dass man halt dann langsam angefangen hat, weil man wusste ja eigentlich noch gar nichts, dass man erst mal aufschreibt, was man für Gedanken hat, da haben wir ja das Bild angeguckt, dass man da halt dann – so weiter hoch schafft – dann haben wir ja auch mal dann am – letzten Tag haben wir ja dann auch mal so ähm noch die Bilder gemacht und dass man halt da dann auch so seine, was man gerade im Kopf hat, was in seinem Kopf rumschwirrt, was man halt über Gott, Jesus und den Heiligen Geist weiß, sodass man halt dann das – künstlerisch – darstellt.« (G/3–1–15/233–241)

Hier beschreibt Doreen ihren Lernweg, indem sie auf drei Stationen aus dem Unterricht verweist. Sie bleibt ganz nahe am Unterricht und rekapituliert das Tun. Beim letzten Beispiel begründet sie, welches Ziel die Aufgabe hatte, nämlich sein nun vorhandenes Wissen darzustellen. Diese Überlegungen stehen für sie im Zusammenhang mit einem Nachdenken darüber, was ihr beim Lernen geholfen hat. Ziel des Lernens ist für sie an dieser Stelle, Neues dazuzulernen. Dass sie Neues gelernt hat, unterstreicht sie dann mit einem Vergleich: »man wusste ja 982 Die meisten Kinder bezeichnen die Materialcollage als Bild. Wenn also im Folgenden von einem Bild gesprochen wird, dann ist entweder diese Materialcollage gemeint oder ein Legebild aus Legematerialien.

288

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

eigentlich noch gar nichts« und hat sich dann »so weiter hoch [ge]schafft«, bis man am Ende das, »was in seinem Kopf rumschwirrt, was man halt über Gott, Jesus und den Heiligen Geist weiß«, in der Materialcollage verarbeiten konnte. Doreen gelingt es hier eindrücklich, Zusammenhänge zwischen Lernaufgaben und Elementen aus dem Unterricht mit ihrem eigenen Lernprozess zu verbinden. Wiebke: »Also das heißt – die – na, sonst schreibt man ja und versteht es vielleicht nur so halbwegs und wenn man es dann macht, dann kann man auch dann denkt man ich glaube auch ein bisschen mehr drüber. Auch bei dem Legebild. Und da musste man ja – ziemlich denken und das kann man ja auch gar nicht so wirklich aufschreiben. War schon schwierig aufzuschreiben, was man da – gelegt hat.« (G/1–1–157/78–83)

Wiebke bringt hier das aktive Tun mit dem Denken zusammen. Ihre Überlegungen gehen dahin, dass man, wenn man in Verbindung mit dem Tun denkt, mehr lernt. Das Tun allein trägt also für das Lernen nicht so viel aus. Sie folgert auch, dass es schwierig ist, das, was man sich denkt oder überlegt – also das, was einem beim Tun durch den Kopf geht –, aufzuschreiben. Berit: »Ich finde auch, wir haben ja eigentlich vieles gelernt. Also wir haben ja noch mehr über Gott gelernt, wir haben versucht, ja halt, wir haben auch gelernt, den anderen Kindern zum Beispiel – was zu zeigen und wir haben ja auch jetzt – also praktisch halt, ja rausgefunden, was für uns Dreieinigkeit ist.« (G/1–1–15/36–39)

Kurz und eindrücklich beschreibt Berit das für sie Zentrale. Zunächst formuliert sie pauschal »wir haben ja eigentlich vieles gelernt« und spezifiziert es dann an zwei Beispielen, nämlich »wir haben ja noch mehr über Gott gelernt« und »wir haben auch gelernt, den anderen Kindern […] was zu zeigen«, man könnte auch sagen, etwas zu erklären. Schließlich steckt für sie hinter diesen einzelnen Passagen das Ziel, herauszufinden, was Dreieinigkeit bedeutet. Dieses Ziel hat sie klar im Blick. Interessant ist hier, dass Berit zum einen inhaltlich argumentiert, wenn sie sagt, sie habe mehr über Gott gelernt, und zum anderen auf der Ebene von grundlegenden Fähigkeiten, wenn es darum geht, anderen etwas zeigen bzw. erklären zu können. Manuel: »Also ich fand schon, weil – in beiden Sachen geht es um – Dreieinigkeit, Gott, Jesus und der Heilige Geist. Und – also bei dem mit den Klebepunkten – da hat man jetzt gesagt, wie man, wie für einen – wie es für einen ist, wie Gott, Jesus und der Heilige Geist entfernt sind von einem. Und beim Bild, also ein bisschen Bild hat es schon dabei, beim Bild konnte man ja – darstellen, was Dreieinigkeit ist, aber es gehört auch ein bisschen zusammen. Also weil Gott, Jesus und der Heilige Geist kann man sozusagen auf jedem Bild sogar sehen.« (G/5–2–15/45–51)

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

289

Wenn Manuel hier darüber nachdenkt, wie einzelne Elemente aus dem Unterricht zusammengehören, merkt man, wie er diese miteinander zu verknüpfen versucht, es ihm jedoch nicht ganz leicht fällt, dies sprachlich darzustellen. Tina: »Also, ich habe mir erst überlegt, wie ich es ungefähr machen will – und dann habe ich mir Material angeguckt, habe mir irgendwas vor – halt, habe das vorgelegt, und dann war ich doch irgendwie nicht zufrieden, habe dann doch was anderes gemacht.« (G/5–2–15/120–123)

In ihrer Darstellung benennt Tina die Strategien »überlegen« und »schauen«. Ob das Bild, das sie dann mit dem Material gelegt hat, bewusst und reflektiert entstanden ist oder nicht, darüber macht sie keine Aussage, d. h. sie gibt an dieser Stelle keinen weiteren vertieften Einblick in ihr Denken. Da sie das Ergebnis nicht zufrieden stellte, hat sie es noch einmal neu bzw. anders gemacht. Bea: »Und man lernt ja auch, dass zum Beispiel anderen was über, also was zu erklären, warum man das jetzt so hat oder auch warum man jetzt findet, dass bei, zum Beispiel bei irgendeiner Geschichte jetzt Gott, Jesus und der Heilige Geist ist oder […] und so, dass man, man lernt schon, wie das so – ist und dass man es auch vor allem anderen erklären kann und so. Und über die Geschichten auch ein bisschen.« (G/2–1–15/42–47)

Im Gespräch der Kinder ging es gerade darum, ob man in solch einem anregenden Lernsetting, wie sie es beim Projekt zur Dreieinigkeit erlebt haben, auch wirklich etwas lernt. Für Bea ist hier klar : Man lernt Dinge anderen zu erklären und gleichzeitig kann man selbst noch Neues – wie bei den Geschichten – erfahren. So hat Bea durchaus im Blick, dass andere – wenn auch indirekt – für das eigene und das gemeinsame Lernen notwendig sind. Zusammenfassend kann an dieser Stelle festgehalten werden: Im Nachdenken der Kinder werden zahlreiche unterschiedliche kognitive Strategien explizit formuliert oder implizit erkennbar. Diese reichen von intuitiv tun bzw. etwas »einfach tun«, erinnern, schauen und hören über nachdenken, sich fragen, andere fragen, Tipps oder Hilfe holen, bis hin zu erklären, vergleichen, verknüpfen oder eine andere Sicht einholen.983 Bei den Formulierungen der Kinder fällt auf, dass sie als Lernende selbst teilweise eine aktive und teilweise eine passive Rolle einnehmen. Aktiv ist diese dann, wenn sie beschreiben, was sie selbst tun, passiv hingegen ist sie, wenn ein Kind aufzeigt, was jemand tun könnte. Letzteres 983 Vgl. Kap. 5.5.1; 11.3.2; 11.3.3; 11.4.1 und 11.4.2. Die beiden Strategien »andere fragen« und »eine andere Sicht einholen« scheinen auf den ersten Blick sehr ähnlich zu sein. Andere fragen ist jedoch sehr unspezifisch. Ein Kind kann ein anderes Kind beispielsweise fragen, weil es etwas nicht versteht oder weil es etwas genauer wissen möchte. Dieser Code ist auf das Tun des Fragens gerichtet, während »eine andere Sicht einholen« auf die Perspektive anderer ausgelegt ist. Dabei geht es dann darum, die Sichtweise anderer kennen zu lernen. Interessant können deren Gedanken sein oder auch deren Einschätzungen bzw. Bewertungen, welche gleichzeitig den Charakter von Feedback haben.

290

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

geschieht häufig dann, wenn es distanziert von Lernen spricht oder wenn es seine Gedanken verallgemeinert.984 Beim genaueren Betrachten wird auch deutlich, dass die von den Kindern benannten Strategien vom jeweiligen Kontext, in dem diese verwendet werden, abhängig sind. Es ist ein Unterschied, ob ein Kind beschreibt, was es nacheinander im Unterricht getan hat, oder ob es davon spricht, die inhaltlichen Zusammenhänge der Trinität und somit Trinität selbst »zu beschreiben«. Beim zweiten »Beschreiben« handelt es sich vielmehr um ein »Erläutern« oder »Erklären«, denn das Kind muss dabei den Zusammenhang von Vater, Sohn und Heiliger Geist beschreiben bzw. darstellen. Wenn Kinder in ihren Aussagen also das Wort »beschreiben« verwenden und nur allgemein über das Lernen sprechen, ohne dies an einem Beispiel festzumachen, kann oft nicht abschließend entschieden werden, ob sie nun tatsächlich beschreiben oder wie in diesem Fall erläutern, erklären oder Ähnliches meinen. Vorschnelle Deutungen sollen deshalb vermieden werden. Diese Überlegungen sind auch auf andere Strategien, die Kinder hier verwenden, zu übertragen. Deutlich wurde in den oben dargestellten Beispielen auch, wie schwierig es von Fall zu Fall ist, zwischen der konkreten Situation und der dabei mitlaufenden Reflexion – im Sinne einer Selbstbeobachtung, Selbsteinschätzung und Selbstbeurteilung während des Tuns – und der nachträglichen Reflexion im Gruppengespräch bzw. der Gruppendiskussion zu unterscheiden.

10.3.2 Beschreiben und Begründen als Formen des Nachdenkens über das eigene Lernen Im folgenden Abschnitt werden die kognitiven Prozesse »beschreiben« und »begründen« qualitativ auf der kognitiven Ebene voneinander unterschieden.985 Dabei wird dargestellt, wie das Beschreiben und Begründen von eigenem Tun und Denken zusammengehören (siehe Abb. 16). Wenn die Kinder also über ihr Lernen nachdenken, dann beschreiben sie dabei Situationen aus dem Unterricht oder das, was sie sich dabei überlegt haben bzw. was ihnen wichtig ist, und fügen dazu Begründungen an. Nachdem im vorausgehenden Abschnitt zahlreiche Beispiele einen Einblick 984 Vgl. Kap. 9.3.1. 985 Diese Unterscheidung der Verwendung der Begriffe ist zu berücksichtigen, da sonst ein verzerrtes Bild entstehen kann. Die Begriffe »beschreiben« und »begründen« eignen sich meines Erachtens trotz der möglichen Irritationen, da sie im Zusammenspiel mit dem dritten Begriff »regulieren« zu sehen sind. Beschreiben, begründen und »regulieren« von eigenem Tun und Denken beschreiben die für die Selbstregulation wichtigen Bereiche.

291

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

beschreiben

(Tun – Denken)

ich begründen

(Tun – Denken)

Abb. 16: Beschreiben und Begründen als Form des Nachdenkens

in das Denken und Formulieren der Kinder gaben, sollen in den folgenden Abschnitten einzelne Beispiele das Feld öffnen. Einblick in die Forschungswerkstatt: Karla: »Ich habe es auch ähm – also ich habe mir auch überlegt, was ich noch – machen kann und ich habe auch ein bisschen bei den anderen geguckt und dann habe ich auch einfach angefangen – dass ich – auch – also für Jesus zum Beispiel ein Kreuz mache und – für Gott – dann eine Blume, weil ja eigentlich der die Welt erschaffen hat.« (G/7–2–15/ 65–69)

Karla beschreibt hier zunächst einmal, welche Gedanken sie bei ihrem Tun hatte und wie sie dabei vorging, nämlich sie hat »bei anderen geguckt« und dann »einfach angefangen«. Ob ihre Deutung der Symbole Kreuz und Blume im Vorfeld überlegt waren, sich beim Arbeiten ergaben oder sie diese erst im Nachhinein gedeutet hat, bleibt offen. Deutlich wird, wie sie – zumindest hier in der Reflexion – ihr Handeln beschreibt und begründet. Bea gelingt es im folgenden Beispiel, mehr davon zu erzählen, welche Gedanken ihr beim Tun durch den Kopf gegangen sind.

292

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

Bea: »Also bei den Punkten [räuspert sich] habe ich auch erst so ein bisschen überlegt, wie es für mich richtig ist, aber ich habe dann zuerst mich selber hingeklebt und dann von mir aus überlegt, wie ich das – finde und so. Und dann habe ich zum Schluss noch die Linien gemacht, weil, also, das ist halt auch, da ist auch Gott und Jesus und so zusammen, so ein bisschen. Und – bei dem Bild habe ich erst irgendwie – ähm überlegt auch so, wie ich das jetzt finde irgendwie und dann habe ich auch mal drüben in dem anderen Zimmer geguckt oder in dem Zimmer, wo die Sachen lagen.« (G/5–2–15/96– 103)

In ihren Überlegungen beschreibt sie ihr Tun und begründet ihre Entscheidungen. Auffallend ist hier, dass Bea sich überlegt, wie sie das Ergebnis findet, und sich erst anschließend Beispiele von anderen Kindern anschaut. Mit welchem Ziel sie dies macht, wird in ihrer Aussage nicht deutlich. Sie könnte sich noch einmal Anregungen holen, sich vergewissern oder möglicherweise ins Zweifeln kommen. Aufgrund ihrer Intonation in der Audiodatei kann darauf geschlossen werden, dass Bea durch das Anschauen der Ergebnisse anderer Kinder sicherstellen wollte, dass sie mit ihrem Ergebnis so zufrieden sein kann. Somit wird deutlich, dass Selbstbeobachtung beim Lernen bzw. Arbeiten und Selbstbeurteilung von Ergebnissen für sie selbstverständlich zum Lernen gehören. Wenn Kinder im gemeinsamen Gespräch über ihr Lernen und Können nachdenken und ihre Gedanken zur Sprache bringen, dann beschreiben und begründen sie ihr Handeln im Unterricht oder das, was sie dabei gedacht haben bzw. jetzt im Nachhinein darüber denken.986 Ihre Beschreibungen und Begründungen beziehen sich auf ihr Lernen sowohl im Hinblick auf konkrete Inhalte, wie in dieser Studie auf die ›Dreieinigkeit‹, als auch auf ihr Tun und den damit verbundenen Lernprozess. Auf der Ebene des Beschreibens kommt zum Ausdruck, wie die Kinder beim Arbeiten vorgingen oder was die dabei dachten bzw. überlegten. Interessant ist, dass die Kinder immer wieder davon erzählten, dass sie etwas intuitiv getan oder gewusst hätten – »einfach so«, es für sie aber keine greifbare Erklärung dafür gibt. Ähnlich kann eingeordnet werden, wenn sie davon sprechen, dass sie »einfach« mit einer Sache begonnen haben.987 Schließlich sind ihre Beschreibungen häufig mit Begründungen verknüpft, die sich auf den Lernstand oder den Lernprozess beziehen. Als Gründe werden die Inhalte, das Vorgehen im Unterricht, das verwendete Material oder Gelingensfaktoren für das Lernen benannt. Ebenso kommen dabei persönliche Bewertungen oder Einschätzungen sowie Emotionen zum Ausdruck, die zeigen, dass sich die Kinder durchaus mit

986 Vgl. Kap. 3.4.3; 5.4; 11.3.2 und 11.3.3. 987 Vgl. Kap. 5.5.1 und 11.3.3.

293

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

ihrem Lernen identifizieren, es bewerten und ihm eine subjektive Qualität beimessen.988

10.3.3 Bedeutung »anderer« für das eigene Nachdenken

Ähnlich wie im ersten Modell wird auch auf der kognitiven Ebene deutlich, dass Kindern, wenn sie über (ihr) Lernen sprechen, die Dimension der »anderen« im Blick haben. Lernen ist zwar auf sich selbst bezogen und kann nur subjektiv erfolgen, ohne andere ist es jedoch für die Kinder oft nicht vorstellbar (siehe Abbildung 17).

ich

beschreiben

(Tun – Denken)

begründen

(Tun – Denken)

andere

Abb. 17: Bedeutung »anderer« für das eigene Lernen

Einblick in die Forschungswerkstatt: Sam: »Also ich habe eigentlich ja über die Vergangenheit nachgedacht vom Projekt, was wir so gemacht haben und – was da so bei den anderen rausgesprungen ist und wie 988 Vgl. Kap. 5.4 und 5.5.1.

294

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

ich nebenher gedacht habe – und das habe ich dann alles zusammengesetzt und dann kam das.« (G/7–2–15/59–62)

Wenn Sam über sein Lernen nachdenkt, dann hat er dabei eindeutig andere im Blick. Er möchte wissen, was eine Sache für andere bedeutet, und macht sich dabei auch Gedanken darüber, was das in ihm auslöst. All diese Gedanken, so sagt er, verbindet er dann und gestaltet daraus sein Bild (was aus dem Kontext geschlossen werden kann). Manuel: »Was mir jetzt ganz ehrlich wirklich wichtig war, dass man die Meinung von den anderen erfahren hat, dann hat man, weil ähm, bei dem Bild, da konnte man sich auch drüber unterhalten irgendwie – was, was – der andere jetzt dargestellt hat und was er davon – glaubt.« (G/2–1–15/312–315)

Manuel betont hier schon durch seine Einleitung »was mir jetzt ganz ehrlich wirklich wichtig war« die Bedeutung anderer für sein Lernen. Man kann zunächst einmal miteinander sprechen und sich über einzelne Dinge, wie in diesem Fall das Bild, austauschen. In seiner Äußerung schwingt darüber hinaus ein Interesse am Denken und der Arbeit anderer mit, und schließlich interessiert ihn auch deren Glaubenseinstellung. Es scheint, dass für Manuel ein Lernen ohne andere kaum vorstellbar ist. Tina: »Also ich fand das mit den Klebepunkten und das Bild malen fand ich ganz wichtig – ähm weil bei den Klebepunkten hat man auch erfahren, wie die anderen halt finden, wie, wie – das bei denen zusammenhängt und der Heilige Geist und Jesus und Gott … und beim Bild malen konnte man auch lernen, wie das, wie die anderen das empfinden, was es für die heißt sozusagen.« (G/2–1–15/236–240)

Tina knüpft an eine unterrichtliche Situation an, wenn sie von ihrem Lernen spricht. Im gemeinsamen Tun oder Gespräch kann man erfahren, was andere denken und was es für sie bedeutet. Mit ihrer Formulierung verdeutlicht sie, dass ihr dies wichtig ist, und sie dies als Teil des Lernens versteht. Tina: »Ich fand das Bild legen ganz gut, weil da konnten wir es halt selber legen und selber gestalten, wie es für uns ist. Und dann hat man auch mal gesehen, wie das, was das für die anderen ist.« (G/5–2–15/29–31)

Wiederum beschreibt Tina hier eine Situation aus dem Unterricht und begründet dabei, warum sie diese Aufgabe als »gut« erachtet: Sie konnte das Bild nach ihren Vorstellungen legen und gestalten. Das Ziel liegt für sie nicht nur im Umsetzen eigener Vorstellungen, sondern auch darin, zu sehen bzw. zu erfahren, wie es andere machen. Die Daten der Studie haben gezeigt, dass Kinder ihre Beschreibungen und Begründungen nicht nur auf sich selbst und ihren Lernprozess beziehen, sondern dabei immer wieder auch Bezug auf andere nehmen. Es werden in erster

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

295

Linie Mitschülerinnen und Mitschüler genannt, aber auch Lehrerinnen989 sowie vereinzelt Eltern. Ihr Nachdenken bewegt sich also wiederum in zwei Spannungsfeldern: Zum Beschreiben und Begründen kommt nun noch das bereits bekannte Spannungsfeld zwischen »ich« und »andere« hinzu. Lernen ist somit für Kinder zunächst einmal auf konkrete Inhalte und den damit verbundenen Lernprozess bezogen, wobei sie in ihren Ausführungen zwischen aktivem Tun und ihrem diesbezüglichen Denken hin- und herspringen und diese so miteinander verknüpfen.990 Darüber hinaus beziehen sich ihre Beschreibungen und Begründungen entweder auf ihr eigenes Lernen oder sie haben dabei auch andere im Blick. Sind diese anderen ihre Mitlernenden, können diese eine eher passive oder eine eher aktive Rolle einnehmen. Passiv sind sie dann, wenn die Kinder davon sprechen, dass sie anderen etwas zeigen, erklären bzw. sie etwas fragen oder wenn sie davon sprechen, dass sie bei anderen Hilfe oder Tipps holen können. Auch beim Vergleichen von Lernergebnissen oder Sichtweisen kommt den anderen eine eher passive Bedeutung zu. Eine stärker aktive Rolle haben andere, wenn sie beispielsweise durch ihre Gedanken zum Weiterdenken anregen oder Feedback geben.991 Die Lehrenden sind dann im Blick, wenn es den Lernenden um eine Einschätzung ihrer Leistung geht oder wenn sie ihnen Tipps oder Hilfestellung geben sollen. Eltern werden als weitere Quelle der Leistungsrückmeldung benannt. Insgesamt betrachtet spielen für die Kinder jedoch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler eine bedeutendere Rolle, von ihnen wird in erster Linie gesprochen.

10.3.4 Lernen »regulieren« Neben dem Beschreiben und Begründen wird von den Kindern beim Nachdenken über das Lernen immer wieder in den Blick genommen, wozu eine Aufgabe dient, was sie dabei lernen können bzw. welches Ziel angestrebt oder verfolgt wird (siehe Abb. 18). Kommt diese Dimension im Nachdenken der Kinder vor, wird hier von »regulieren« gesprochen.992 Die Kinder greifen dabei 989 Da in dieser Lerngruppe nur Lehrerinnen unterrichten, wird von den Kindern auch nur die weibliche Form genannt. 990 Vgl. Kap. 3.4.3; 5.4; 5.5. 991 Vgl. Kap. 3.4.3. 992 Der Begriff »regulieren« verweist auf die dahinter stehende Theorie der Selbstregulation (vgl. Kap. 5.4). Er deutet an dieser Stelle nicht auf eine aktive Regulation bzw. Kontrolle und Steuerung des eigenen Lernens hin, sondern vielmehr darauf, dass notwendige Voraussetzungen dafür gegeben sind. – Ausgehend hiervon kann eine Regulation des eigenen Lernens erfolgen. Das Wort ist in Anführungszeichen gesetzt, weil es im Rahmen dieser Studie als Tätigkeit nicht beobachtbar war, sondern lediglich gedanklich darauf verweist.

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Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

eine Dimension auf, die insbesondere mit regulativen Fähigkeiten und somit metakognitiven Kompetenzen verknüpft ist, denn wer weiß, wozu er oder sie etwas macht, kann mit diesem Wissen sein Lernen beeinflussen.

ich begründen

beschreiben

(Tun – Denken)

(Tun – Denken)

„regulieren“

andere

Abb. 18: Lernen »regulieren«

Einblick in die Forschungswerkstatt: Manuel: »Für mich war auch wichtig, dass man sich konzentrieren konnte, zum Beispiel wie bei dem Bild, da muss man sich auch konzentrieren und überlegen, wie gestalte ich jetzt das Bild, weil, wenn man es einfach irgendwie macht und sich gar nichts einfallen lässt, dann halt kann man nachher auch gar nicht mehr so viel über, darüber erzählen. Deswegen muss man sich eigentlich was überlegen, was man jetzt – sagt den anderen, was man denen drüber erzählt.« (G/2–1–15/283–288)

Die Gedanken bzw. Formulierungen der Kinder lassen jedoch darauf schließen, dass dies der nächste Schritt sein könnte.

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

297

Wenn Manuel von der Gestaltungsaufgabe spricht, dann hat er dabei durchaus im Blick, was das Ziel ist: Man muss sich überlegen, was man wie warum macht, damit man es später den anderen Kindern der Lerngruppe erklären kann. Bea: »Also ich fand halt wichtig, dass man auch Spaß hat dabei und dass es jetzt nicht so ist, es eigentlich gar keinen so Spaß macht und dass man einfach ähm sich auch erst mal überlegt noch, wie man das, also was es für einen ist und so und – ja, ich fand auch das mit den Klebepunkten und das Bild, das war eigentlich das, was, also was ich am wichtigsten fand oder so. Bei den Klebepunkten hat man auch vor allem so nachgedacht, wie das für einen jetzt so ist, wie sie zueinander stehen oder so – und ähm mit dem Bild hat man sich nochmal bildlich richtig beschäftigt, wie zur Dreieinigkeit und so, wie man das zum Beispiel so als Bild macht.« (G/2–1–15/241–249)

Bea kann im Rückblick formulieren, was das Ziel einer Aufgabe ist. Einmal geht es für sie darum, ihre eigene Position zu klären, und beim zweiten Beispiel sollen die eigenen Gedanken und Erkenntnisse zur Dreieinigkeit im Bild dargestellt werden. Maik: »Ähm – also – ich finde halt, man sieht, was man, was ich jetzt schon gelernt habe und was nicht, wo ich mich verbessern muss und wo nicht. Und da hat man dann noch einmal einen Blick drauf, wie man – ja, wie man sich da verbessern kann.« (G/5–2–15/ 279–282)

Wenn Maik hier auf sein Lernen zurückblickt, dann entdeckt er Dinge, die er jetzt kann – »was ich jetzt schon gelernt habe« – und andere, die er noch nicht kann. Er bleibt aber nicht bei dieser Unterscheidung und Feststellung, sondern lenkt den Blick auf den Aspekt des Verbesserns. Lernen ist für ihn nicht abgeschlossen, sondern es geht weiter, wofür Konsequenzen zu ziehen sind. Ob er schließlich tatsächlich weiß, »wie man sich da verbessern kann«, muss an dieser Stelle offenbleiben. Für erfolgreiches Lernen reicht es nicht, wenn lediglich Lernsituationen oder Lernprozesse rückblickend beschrieben und begründet werden. Regulative Fähigkeiten sind vielmehr erforderlich, damit ein Weiterlernen bewusst (mit)gestaltet werden kann. Sie müssen also beim Lernen wirksam werden. Kinder müssen Ziele im Blick haben und sie brauchen Ideen, wie sie ihr Lernen beeinflussen und verbessern können. Zur Planung und Überwachung ihres eigenen Lernens benötigen sie deshalb metakognitive Kompetenzen und Strategien.993 Ausgehend von den Forschungsdaten werden im Folgenden wesentliche Beobachtungen gebündelt. Wenn Kinder über ihr Lernen nachdenken, kommen dabei immer wieder Formulierungen zur Sprache, die auf eine Regulation des eigenen Lernens ausgerichtet sind. Diese Regulation bezieht sich auf die Lern993 Vgl. Kap. 5.4; 5.5 und 11.3.

298

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

inhalte und den Lernprozess, darüber hinaus geht es den Kindern um Strategien und auch Wissen, das auf die eigene Vergewisserung beim Lernen zielt. So wollen sie beispielsweise wissen, wie andere etwas sehen oder was sie gut gemacht haben.994 Konkret benennen die Kinder dabei Lerninhalte, die sie erreicht haben bzw. erreichen wollen oder worüber sie bewusst im Hinblick auf das Thema, die Inhalte und die Lernziele nachgedacht haben. Oft ist es Neues, das sie entdeckt und zuvor noch nicht gewusst haben. Sie können es nun formulieren, entfalten, erklären, begründen oder sie sehen, wie einzelne Aspekte zusammenhängen. Wenn sie über ihr Lernen sprechen, ist ihnen bewusst, dass es sich um einen Prozess handelt, dessen Bewegung nach vorne gerichtet ist. Dabei kann das einzelne Kind mehr bzw. Neues lernen und sich verbessern, um so beim Lernen voranzukommen. An Neues gelangen die Kinder nicht nur durch die Lehrperson oder das zur Verfügung gestellte Material, sondern auch durch die Gedanken anderer Kinder der Lerngruppe. Es ist ihnen bewusst, dass sie »Wissen mit anderen teilen« und so voneinander lernen können, was sie an zahlreichen Stellen positiv hervorheben und bewerten. Die eigene Sicht kann ebenfalls im Gespräch mit anderen erweitert werden, sowohl im Hinblick auf Lerninhalte als auch auf deren Einschätzung bezüglich des eigenen Lernens. Diese Rückmeldung in Form einer anderen bzw. fremden Perspektive auf ihr eigenes Lernen gibt dem Kind Orientierung. Im Austausch mit anderen wird dem Lernenden die eigene Perspektive bzw. das eigene Denken oft erst bewusst. So werden im gemeinsamen Gespräch eigene und andere Perspektiven offenbar und eigene Gedanken klären sich, indem sie zur Sprache gebracht werden, die Kinder darüber nachdenken und diese einordnen. Auf diese Weise erhalten sie Feedback für ihr Lernen. Dem Feedback messen sie insgesamt auf dem Weg zu ihrem Ziel, Neues zu lernen, andere Sichtweisen kennen zu lernen, Dinge gut zu machen oder sich beim Lernen zu verbessern, große Bedeutung bei. Sie fragen auf der Ebene des Lernstandes danach, was sie gut und was sie schlecht gemacht haben, und wollen wissen, wie andere Kinder oder die Lehrperson etwas sehen, einschätzen und wie sie das begründen. Im Hinblick auf ihren Lernprozess wollen sie wissen, wie sie sich verbessern können. Dabei ist ihnen bewusst, dass die Sicht anderer ihnen Hinweise für ihr Lernen geben kann und sie dadurch auch zum Weiterdenken angeregt werden. Gleichzeitig sind den Kindern die Grenzen der Perspektive anderer durchaus klar. Sie benennen beispielsweise, dass jeder seine subjektive und somit eine begrenzte Sicht995 auf Dinge hat und davon ausgehend Dinge unterschiedlich bewertet werden können, sowie die Tatsache, dass Lehrende nur einen begrenzten Einblick in das Lernen der Kinder haben, 994 Vgl. Kap. 11.2.2. 995 Vgl. Kap. 3.1; 3.3.4; 3.4.2 und 3.4.5.

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

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weil sie viele Dinge im Alltag nicht wahrnehmen (sie sehen nicht alles) oder weil sie die dazugehörenden Gedanken der Kinder nicht kennen. Auffallend war allerdings auch, dass die Kinder auf die Frage nach dem nächsten Schritt, wie sie ihr Lernen verbessern können, oder was für sie hilfreich bzw. hinderlich war, meist nicht antworten konnten, selbst auf Nachfrage nicht.996 Ebenso fiel es ihnen immer wieder schwer, sprachlich differenziert ihre Begründungen darzulegen. Sowohl während der Gruppengespräche und Gruppendiskussionen als auch bei der Auswertung der Daten entstand häufig der Eindruck, dass die Kinder zwar differenziertere Gedanken haben, diese aber nur schwer formulieren konnten.997 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kinder sehr wohl differenziert über ihr eigenes Lernen und damit verbundene kausale Bezüge nachdenken können und viel darüber wissen. Wie sie mit diesem Wissen in der jeweiligen Situation umgehen – also was sie von diesem Wissen für die Planung und Steuerung ihrer Lernprozesse dann nutzen – muss allerdings offenbleiben.

10.3.5 Zusammenfassung Wenn Kinder über ihr eigenes Lernen und Können nachdenken, greifen sie im Rückblick und somit reflexiv auf konkrete Lernsituationen, also bereits Vergangenes, zurück. Die Daten der Studie zeigen, dass sich die Formulierungen der Kinder auf unterschiedliche Ebenen beziehen: Sie beschreiben Handeln oder Denken in spezifischen Unterrichtssituationen (1), sie begründen ihr Vorgehen oder ihre Gedanken (2) und immer wieder verknüpfen sie ihre Begründungen mit einem Lernziel, dem Lernprozess insgesamt bzw. ihrem weiteren Lernen – ihnen ist also bewusst, warum bzw. mit welchem Ziel sie etwas tun (3). Diese drei Ebenen verweisen auf unterschiedliche Reflexionsniveaus. Meist integrieren die Kinder bereits in ihre Beschreibungen bereits Begründungen. Dabei fällt auf, dass inhaltsbezogene Begründungen deutlich häufiger genannt werden als auf den Lernprozess bezogene. Insgesamt ist zu bedenken, dass die Kinder sich beim Formulieren ihrer Gedanken bereits auf der Reflexionsebene, also der Ebene zweiter Ordnung, befinden. Die drei in den letzten Abschnitten entfalteten Ebenen des Nachdenkens der Kinder werden in Abbildung 19 zusammengeführt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich Kinder bei der Reflexion ihres Lernens auf unterschiedlichen Ebenen bewegen. Sie beschreiben, begründen und regulieren ihr Tun und Denken hinsichtlich des Lernstandes 996 Vgl. Kap. 5.3.2 und 11.3.3. 997 Vgl. Kap. 7.1.1.2.

300

Beschreibung und Analyse der Ergebnisse

... damit ... beschreiben, begründen

Lernstand L Le Lernprozess s

„regulieren“

Ich Andere A re

Abb. 19: Reflexion im Lernprozess

(bezogen auf Aufgaben, Inhalte, Ziele) und des Lernprozesses. Die Ebenen sind nicht als Nacheinander zu verstehen, sondern werden von den Kindern miteinander verknüpft. Beschreiben und Begründen gehören dabei eng zusammen. Das Regulieren hingegen nimmt insofern eine besondere Funktion ein, als es bisheriges Lernen mit künftigem Lernen verbindet. Entscheidend auf der Ebene des Bewusstseins erscheint dabei, dass die Kinder wissen, warum sie etwas tun. Dies wird im Schaubild (Abb. 19) mit »damit« bezeichnet. Solche Erkenntnisse mit einer regulativen Dimension, die auf metakognitives Wissen und metakognitive Strategien schließen lassen, wirken auf das weitere Lernen. Der Blick auf das eigene Lernen schließt auch den Blick auf andere Personen ein. Dabei verstehen sich die Kinder als Teil der Lerngruppe. Lernen kann nicht nur alleine erfolgen, sondern wird maßgeblich von anderen mit beeinflusst. Gleichzeitig ist ihnen die Subjektivität von Lernprozessen bewusst. Wenn Kinder von ihrem Lernen sprechen, dann spielen auch Emotionen, wie »sich freuen«, »sich gut bzw. schlecht fühlen« oder »(nicht) zufrieden sein« eine Rolle in ihren Bewertungen. Ist den Kindern in ihrem Beschreiben und Begründen bewusst, was sie warum bzw. wie machen – also haben sie im Blick, wozu sie etwas tun bzw.

301

Modell 2: Denkprozesse im Kontext des Lernens

welches Ziel sie »damit« verfolgen –, können sie regulierend Einfluss auf ihr Lernen nehmen. Metakognitive Strategien können wirksam werden. Auch wenn diese aufgrund des Forschungsdesigns nicht nachgewiesen werden können, so kann dennoch angenommen werden, dass die Kinder metakognitive Strategien anwenden. Die Voraussetzungen sind dafür gegeben, wenn Kinder wissen, wozu sie etwas machen, bzw. wenn sie beim Tun ein Ziel vor Augen haben. Die regulierenden Tätigkeiten bzw. Strategien wirken ihrerseits auf den weiteren Verlauf des Lernens, also den Lernstand bzw. den Lernzuwachs sowie den Lernprozess und stützen so das dargestellte zirkuläre Modell (siehe Abb. 20). Bisheriges Lernen und das Bewusstsein darüber beeinflussen künftige Lernprozesse.

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Abb. 20: Dimensionen beim Nachdenken über das Lernen und Können

11

Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

Die im letzten Kapitel dargestellten Ergebnisse der Studie, die im Rahmen des Forschungsprojektes, das in den regulären Unterricht ein- und angebunden war, gewonnen wurden, werden im Folgenden diskutiert. Ziel ist es dabei, ausgehend von den Ergebnissen die Reflexionsfähigkeit der Kinder auszuloten und im Hinblick auf den Religionsunterricht zu reflektieren. Wenngleich die Reflexionsfähigkeit der Kinder im Zentrum steht, sollen am Ende dieser Arbeit Konsequenzen für den Unterricht sowie das Agieren der Lehrperson abgeleitet werden, da Reflexion nicht einfach nur von sich aus stattfindet, sondern angeregt, angeleitet und gefördert werden muss. Anliegen dieser Arbeit ist nicht eine einseitige Betonung reflexiver und metakognitiver Kompetenzen für das Theologisieren und auch nicht eine Idealisierung der Fähigkeiten der Kinder, sondern Ziel ist vielmehr, nach diesen Fähigkeiten im Hinblick auf den Religionsunterricht zu fragen. Dabei werden Chancen, die sich ergeben, und auch Herausforderungen, die sich an die Kinder sowie die Lehrpersonen in der Planung und Gestaltung von Unterricht stellen, zur Sprache gebracht. Anders als andere Studien zur Kindertheologie nimmt diese Arbeit das Lernen beim Theologisieren aus der Perspektive der Kinder in den Blick. Dabei wird in den Gruppengesprächen und Gruppendiskussionen auf eine spezifische Unterrichtssequenz (zu unterschiedlichen Messzeitpunkten und in variierenden Kindergruppen) Bezug genommen. Darüber hinaus wird das Augenmerk auf die Bereiche Reflexion und Metakognition gelegt, die für das Lernen, wie aus der Lernforschung bekannt, eine bedeutende Rolle spielen.998 Eindrücklich zeigt beispielsweise John Hattie, wie unterschiedliche Aspekte, wie Feedback, Metakognition oder formative Rückmeldung, das Lernen beeinflussen.999 Bislang ist dieses Feld im religionspädagogischen Diskurs weniger im Blick, so dass die vorgelegten Ergebnisse erste Ansatzpunkte für eine weiter zu führende Diskussion bieten. 998 Vgl. Kap. 5.5. 999 Hattie 2014, 192–236.

304

Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

Anknüpfend an die Forschungsfrage, wie Kinder von (ihrem) Lernen beim Theologisieren sprechen, was ihnen dabei wichtig ist und wie sie sich dieses erklären, werden im Folgenden die zentralen Kategorien der Kinder zusammenfassend in den Blick genommen.

11.1 Die Bedeutung des Lernsettings Vier Aspekte waren den Kindern beim Nachdenken über (ihr) Lernen und dem damit verbundenen unterrichtlichen Setting zunächst einmal wichtig: der Spaß, den sie beim Lernen verspüren, das Interesse, das sie mitbringen oder welches geweckt werden kann, die Möglichkeit zur Selbst- bzw. Mitbestimmung sowie die Möglichkeit, »spielerisch« lernen zu können.1000 Einerseits erscheinen die von den Kindern genannten Voraussetzungen für ein gelingendes Lernen plausibel, vielleicht sogar selbstverständlich oder banal. Doch wenn man bedenkt, dass sie auch ganz anderes hätten benennen und herausarbeiten können, rückt deren Bedeutung in ein anderes Licht. Die Kinder haben beispielsweise nicht den Wunsch nach Führung bzw. Lenkung betont, sondern vielmehr herausgestellt, dass Selbstbestimmung zu gelingendem Lernen beiträgt. Dabei geht es ihnen nicht um eine umfassende Forderung, das Lernen komplett selbst in die Hand nehmen zu wollen, sondern vielmehr um die Möglichkeit, an einzelnen Stellen, wie z. B. der Wahl einer Aufgabe oder der Entscheidung, mit welchen Kindern eine Aufgabe bearbeitet wird, selbst entscheiden zu können. Dieses Ansinnen wurde nicht pauschal, sondern bezugnehmend auf Situationen aus dem Unterricht differenziert formuliert – wie beispielsweise von einem Mädchen, das beschreibt, welche Bedeutung es für sie hat, dass in der Gruppe, in der sie arbeitet, auch Kinder sind, mit denen sie sich gut versteht.1001 Auch der Lebensweltbezug oder das Vorwissen, auf die sie zurückgreifen konnten, waren nicht im Fokus der Kinder, hätten aber bezogen auf das Thema durchaus genannt werden können. Ebenso wenig wurden die Lehrpersonen von den Kindern erwähnt. Auf Nachfragen hin ergab sich der Eindruck, sie werden von ihnen respektiert und im Hintergrund wahrgenommen. Für die Kinder dieser Lerngruppe könnte hier ein Zusammenhang zum Jenaplan-Schulkonzept vermutet werden, in dem den Kindern an unterschiedlichen Stellen, wie z. B. bei den Freiarbeitsphasen oder in den Werkstätten, Eigenverantwortung zugetraut wird und die Lehrpersonen in vielen Bereichen eher eine begleitende Rolle einnehmen. Ähnlich werden »spielerischem Lernen«, das sich für die Kinder in vielfäl1000 Vgl. Kap. 10.2.5. 1001 Vgl. Kap. 10.2.2.4.

Die Bedeutung des Lernsettings

305

tigen Zugangs-, Auseinandersetzungs- und Aneignungsformen zeigt, und Schreiben voneinander abgegrenzt. Den Kindern war immer wieder wichtig, dass »man nicht so viel schreiben musste«. Schreiben scheint für sie eher negativ besetzt zu sein, es trägt nicht wirklich zur Motivation bei und geht auch nicht zwingend mit Lernzuwachs einher, so die Einschätzung der Kinder.1002 Blickt man neben der Abgrenzung, die in solchen Aussagen steckt, darauf, in welchem Kontext die Kinder die genannten Variablen (Spaß, Interesse, Selbstbestimmung, »spielerisches Lernen«) verwenden, dann fällt auf, dass den Kindern bewusst ist, dass Motivation eine bedeutende Rolle beim Lernen spielt, ebenso der Wunsch bzw. das Ziel, Neues zu entdecken und zu lernen. Es zeigt sich auch, dass die Kinder nicht auf lineare bzw. eindimensionale Erklärungen für das Lernen zurückgreifen, sondern mehrdimensionale und differenzierte Zusammenhänge herstellen, wie beispielsweise den Zusammenhang von Spaß, Motivation und Merkfähigkeit. Diskussion der Befunde in Bezug zu aktuellen Forschungsbefunden Im Anschluss an die Skizzierung der zentralen Befunde werden nun Bezüge zur aktuellen Forschungsliteratur hergestellt. Ausgegangen wird hierbei von den zuletzt genannten Gedanken im Kontext der Motivation. Die von den Kindern genannten Voraussetzungen, wie »Spaß«, »Interesse«, »Selbstbestimmung« und »spielerisches Lernen«, die für sie in engem Zusammenhang mit Motivation stehen, zeigen Bezüge zur Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan. Neben dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung bzw. Autonomie gehören hierzu das Bedürfnis nach Kompetenzerleben sowie das Bedürfnis, sozial eingebunden zu sein. Alle drei sind für die Entwicklung intrinsischer Motivation von Bedeutung. Für Deci und Ryan ist klar, »eine auf Selbstbestimmung beruhende Lernmotivation [hat] positive Auswirkungen auf die Qualität des Lernens«1003. Das Schaubild in Kapitel 10.2 (Abb. 8 und 13) führt deutlich vor Augen, dass ein anregungsreiches Lernsetting für das Theologisieren von Bedeutung ist. Auch Reiß betont die Bedeutung handlungsorientierter und kreativer Elemente für den Prozess des Theologisierens, damit »alle Beteiligten einen Zugang zum verhandelten Thema finden und ausdrücken können«1004. Was Reiß für Jugendliche betont, kann aufgrund dieser Studie auch für das Theologisieren mit Kindern herausgestellt werden. Bereits Freudenberger-Lötz sieht, bezugnehmend auf Sitzberger, Theologische Gespräche im Kontext eines konstruktivistisch orientierten Unterrichts. Dazu gehören »Lernlandschaften«, die »die He1002 Vgl. Kap. 10.2.5. 1003 Deci/Ryan 1993, 223. 1004 Vgl. Reiß 2015, 585. Schließlich misst auch Piaget dem eigenen Tun, Erproben und Entdecken sowie der Anschauung Bedeutung bei, welche die kognitive Entwicklung anregen und fördern (vgl. Kap. 2.5.2).

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

terogenität in der Klasse produktiv aufnehmen und jedem einzelnen Schüler die Chance eröffnen, individuelle Lernprozesse zu initiieren«1005. Gerade auch im Hinblick auf inklusive Lernsettings1006 und in Anbetracht der unterschiedlichen Milieus, aus denen die Kinder einer Lerngruppe kommen, ist dies von Bedeutung. Anregende Lernsettings wirken gleichzeitig einer »Fokussierung auf verbale Interaktionsformen«1007 beim Theologisieren entgegen, wie sie von Saß meines Erachtens zu Recht in Frage gestellt werden. Der Zusammenhang von Theologischem Gespräch und entsprechend gestaltetem Lernsetting verweist darauf, dass Theologisieren durchaus als übergreifendes Konzept bezeichnet werden kann, ja, sogar sollte.1008 Ohne der Wertschätzung der Gedanken der Kinder Abbruch zu tun, muss bedacht werden, dass das von der Lehrperson im Rahmen der Studie geschaffene Setting die Kinder prägt und deren positive Bewertung beeinflusst haben kann. Andererseits sind den Kindern – auch wenn hier nicht zwei unterschiedliche Settings miteinander verglichen wurden – durchaus andere Formen des Unterrichtens bekannt, auf die sie jedoch eher abgrenzend Bezug nehmen. Eng mit den bereits genannten Überlegungen zu vielfältigen Auseinandersetzungs- und Aneignungsmöglichkeiten verbunden ist auch Hartmut Rosas Forderung nach einem Lernen im Modus der »Anverwandlung«1009. Mit Anverwandlung meint Rosa ein Lernen, bei dem sich der Lernende »eine Sache so zu eigen macht, dass sie [ihm] nicht nur gehört, sondern dass sie [ihn] existenziell berührt oder tendenziell sogar verändert«1010. Lernen betrifft die ganze Person und trägt im Sinne der Anverwandlung dazu bei, dass der Lernende nicht nur die Welt – und somit einzelne Inhalte oder Themen – besser versteht, sondern auch sich selbst. Ein so verstandenes Lernen bringt etwas in Bewegung, 1005 Freudenberger-Lötz 2007, 67; Sitzberger 2005, 90. 1006 In der Lerngruppe der Studie gab es drei Inklusionskinder, die durchgängig dabei waren und sich mit Freude auf die vielfältigen Elemente eingelassen haben. Alle drei waren am Ende der Lernsequenz fähig, ihren Lerngewinn in der Gruppe zu formulieren, auch wenn sie insgesamt in den Gesprächsphasen beobachtend, aber aufmerksam dabei waren. 1007 Vgl. Saß 2012, 164. 1008 Vgl. Kap. 2.2 und Kap. 2.5.2. 1009 Rosa grenzt den Begriff der Anverwandlung von der Aneignung ab. Während Aneignung – im Sinne Rosas – auf eine Kompetenz- und Ressourcenerweiterung zielt, betrifft Anverwandlung die ganze Person. Es kommt etwas ins Schwingen, Resonanz entsteht. (Vgl. Rosa/Endres 2016, 16–25; Rosa 2016) Wenn in dieser Arbeit bisher von Aneignung gesprochen wurde, dann ging es nicht um eine verengte Vorstellung von funktionaler Kompetenzerweiterung, sondern Aneignung als ein Prozess der Auseinandersetzung und Verinnerlichung, ähnlich wie bei Rosa. Rosa setzt mit seinem Begriff der »Anverwandlung« einen deutlichen Akzent darauf, dass Lernen mehr ist als Aneignung, welche darin aufgeht, Wissen oder Fakten zu übernehmen. Anverwandlung betrifft den ganzen Menschen und trägt dazu bei, dass in der Person und auch in der Begegnung mit Fremdem und Fremden sich etwas verändert. (Vgl. ebd.). 1010 Rosa/Endres 2016, 16.

Die Bedeutung des Lernsettings

307

Resonanz entsteht. Dadurch kann sich beim Lernenden selbst in der Begegnung mit den Themen bzw. Inhalten sowie den am Lernprozess beteiligten Personen etwas verändern. Wirklichkeit wird in der Situation und Interaktion neu konstruiert. Was diese Interaktionen und Perturbationen auslösen, ist jedoch nicht vorhersehbar, lediglich die Tatsache, dass sich etwas verändert, wie es auch aus konstruktivistischer Perspektive formuliert werden kann. In diesem Sinne können Lernsettings im Kontext des Theologisierens zu einem Lernen im Modus der Anverwandlung beitragen.1011 In diesem Zusammenhang entsteht auch die Frage, ob damit jegliches Lernen zufällig wird. Im Extremfall könnte man folgern, eine Planung von Lernsettings sei überflüssig. Auf der anderen Seite steht jedoch die Tatsache, dass je mehr man über das Lernen einzelner Kinder weiß und je stärker »Unterricht durch einen ständigen Wechsel von Lernaktivität und Lerndiagnose bestimmt ist«1012, dieser desto besser an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden kann. Je mehr Lehrende über eine domänenspezifische Kompetenzentwicklung1013 und somit Entwicklungsverläufe in unterschiedlichen Bereichen wissen und je differenzierter sie das Lernen des einzelnen Kindes bezogen auf sein Wissen und seinen Lernprozess einschätzen können, umso besser müsste es gelingen, Lernangebote auf die Bedürfnisse von Kindern abzustimmen. Gerade dies stellt Lehrende im Religionsunterricht vor große Herausforderungen.1014 Fehlende Forschungen, mangelnde Kenntnis vorhandener Forschungsergebnisse, Religion als zweistündiges Fach, das oft durch Fachlehrer/innen erteilt wird, eine wenig ausgebildete Diagnosefähigkeit etc. erschweren es, Religionsunterricht »passgenau« für die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zu planen. Es wird weder gelingen, Unterricht stets passgenau zu gestalten, noch kann es das Bestreben von Lehrenden sein, das Lernen der Kinder dem Zufall zu überlassen. Vielmehr gilt es auch weiterhin, darum zu ringen, Kindern möglichst gute Lernchancen zu bieten in dem Wissen, dass diese von den Lernenden selbst genutzt werden müssen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass den Kindern lernförderliche Variablen bewusst sind und sie anhand von Beispielen aus dem Unterricht formulieren können, was ihnen beim Lernen wichtig ist oder auch weniger sinnvoll erscheint.

1011 Vgl. Rosa 2016; Rosa/Endres 2016, 16–25; Wiemer 2017. 1012 Kiper u. a. 2011, 168, in Anlehnung an Ralf Schwarzer. 1013 Eine Beschreibung domainenspezifischer Kompetenzentwicklung liegt im Bereich der Religionspädagogik bisher nur an einzelnen Stellen vor. 1014 Vgl. auch Angebots-Nutzungs-Modell (Helmke 2009, 73).

308

Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

11.2 Die Bedeutung anderer für das eigene Lernen Die Bedeutung anderer für das Lernen beim Theologisieren haben die Kinder in den Gesprächen in besonderer Weise herausgestellt, so dass sich daraus eine weitere zentrale Kategorie in der Auswertung sowie ein Niederschlag im zusammenfassenden Schaubild ergeben hat (vgl. Abb. 8 und 13).1015 Es wird deutlich, dass den Kindern Lernen als subjektiver Prozess durchaus bewusst ist. Gleichzeitig wissen sie hierbei um die Bedeutung anderer. Diese soll nun im Folgenden im Hinblick auf die Kommunikation und auf das Lernen entfaltet werden, unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung anderer Sichtweisen für das Theologisieren sowie die Selbstreflexion und die Metakognition.1016

11.2.1 Die Bedeutung anderer für eine gelingende Kommunikation Ausgehend von Beas Gedanken soll über gelingende Kommunikation nachgedacht werden: »[…] dass man auch mit Menschen zusammen ist und nicht irgendwie jetzt mit welchen, die du gar nicht leiden kannst, oder zum Beispiel, dass du mehr mit welchen zusammen bist, die du auch magst, weil, wenn du mit welchen um dich rum bist, zum Beispiel wenn jetzt am Tisch ein paar sind, die du, deine besten Freunde oder so sind, aber nur eine von denen zum Beispiel und dann noch zwei so andere, dann ist es halt besser, wie wenn du jetzt nur welche hast, mit denen du sonst nichts machst – oder die du gar nicht magst.«1017 Freunde oder Kinder, die man mag, sind hier von Bea gemeint. Sie sind als Arbeitspartner für die Kinder wichtig. Aus subjektiver Sicht ist diese Einstellung nachvollziehbar. Pädagogisch kann man dies auf der Grundlage des kooperativen Lernens durchaus anders bewerten. An dieser Stelle soll das Augenmerk jedoch auf das gegenseitige Verstehen im Kontext der Kommunikation geworfen werden. Eigentlich müsste es doch möglich sein, sich mit jedem unterhalten und gegenseitig verstehen zu können. Nimmt man die Kommunikationsforschung jedoch ernst, dann wird deutlich, dass Voraussetzung für eine gelingende Kommunikation und ein Verstehen »hinreichend ähnliche Bedeutungskonstruktionen«1018 sind. Es ist also wichtig, dass die Kommunikationspartner dem Gesagten ähnliche Bedeutungen zuweisen. Kraus nimmt an, dass »mit dem Maß der Ähnlichkeit auch die Chance auf eine erfolgreiche Kommunikation 1015 Vgl. Kap. 10.2. 1016 Weitere Aspekte, wie beispielsweise das Anregungspotenzial durch andere, werden in späteren Abschnitten aufgenommen. 1017 G/2–1–15/301–308. 1018 Lindemann, 2006, 116; vgl. auch Kap. 4.2.

Die Bedeutung anderer für das eigene Lernen

309

steigt«1019. Interessant im Blick auf das obige Beispiel ist Varelas Aspekt, dass Kommunikation sich nicht nur im Kopf abspielt, sondern den ganzen Menschen erfasst. Aspekte der Sympathie oder Körpersprache, wie sie vermutlich auch bei Bea eine Rolle spielen, entscheiden mit darüber, ob ein gegenseitiges Verstehen möglich wird. Aus radikal-konstruktivistischer Perspektive kann mit Rusch die Bedeutung gegenseitiger Verstehenszuschreibung ergänzt werden, was bedeutet, dass jede und jeder Einzelne über das jeweils eigene und fremde Verstehen sowie das Verstanden-Werden von anderen entscheidet.1020 Im Miteinander kommt auch zum Tragen, was Martin Buber wichtig ist: Wir erfahren uns selbst in der Beziehung mit anderen und in Beziehung mit der Welt. Nur wer sich kennt und dem anderen öffnet, kann in einen Dialog treten.1021 Die Aussagen der Kinder machen deutlich, dass ihnen sehr wohl bewusst ist, dass ein Gespräch unterschiedliche Qualität haben kann. Einen Einfluss auf diese Qualität sowie das gegenseitige Verstehen hängt für sie auch an der Tatsache, dass man befreundet ist. »Befreundet sein« bedeutet dann, dass ein Grundvertrauen bzw. eine Offenheit gegeben ist und gemeinsame verbindende Erfahrungen gegenseitiges Verstehen fördern. Im gemeinsamen Tun bzw. der Interaktion der Gesprächspartner wird eine Wirklichkeit geschaffen, die nicht als individuelle Wirklichkeit aufgefasst werden kann. »[…] vielmehr erleben mehrere Individuen Wirklichkeit als verbindlich und sinnhaft, wenn sie sie gemeinsam teilen können.«1022 Damit Kinder eine gemeinsame Wirklichkeit schaffen und teilen können, ist diesem Mädchen ein Anliegen, dass sie auch mit Kindern zusammenarbeiten kann, mit denen sie sich versteht und mit denen sie bereit ist, eine gemeinsame Wirklichkeit aufzubauen. Diese Sichtweise kommt dem nahe, was Gergen und Gergen im sozialen Konstruktionismus vertreten: Indem wir miteinander kommunizieren und uns aufeinander einlassen, wird Beziehung sichtbar und gleichsam gestaltet. Somit kommt anderen in der Kommunikation nicht nur unter inhaltlichen Gesichtspunkten eine bedeutende Rolle zu. Durch die soziale Situation werden Weichen für Grundvoraussetzungen wie Offenheit und Bereitschaft gestellt sowie für gegenseitiges Verstehen im Gespräch bzw. der Interaktion.1023 Darüber hinaus ist gerade in Theologischen Gesprächen eine vertrauensvolle Atmo-

1019 Kraus 2002, 126. 1020 Vgl. Kraus 2002, 132–135. 1021 Vgl. Müller u. a. 2005, 76–78. An dieser Stelle kann wiederum ein Bezug zu Hartmut Rosas Verständnis von Anverwandlung hergestellt werden. 1022 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007, 56f.; vgl. auch Lindemann 2006, 125. 1023 Das zu Beginn des Abschnitts genannte Kind hat durchaus im Blick, dass man mit anderen arbeiten und lernen kann, auch wenn man nicht befreundet ist. Es sieht jedoch einen positiven Effekt, wenn Mitlernende Freunde sind.

310

Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

sphäre erforderlich, in der Kinder angstfrei und offen ihre Gedanken einbringen, diese auf Plausibilität hin prüfen und gemeinsam Sinn konstruieren können.

11.2.2 Die Bedeutung anderer Sichtweisen für das Lernen Die Kinder sind sich einig: »Weil von einem selber weiß man schon die Meinung […], aber vielleicht ist für einen auch wichtig, wie andere das empfinden.«1024 Gedanken anderer können die eigene Sicht erweitern und zum Nach- und Weiterdenken anregen. Andere bringen andere bzw. neue Gedanken ein und bieten auf diese Weise ein Angebot, die eigenen Konstruktionen zu hinterfragen, zu überprüfen, zu bestätigen, zu erweitern und schließlich immer wieder neue Aspekte in das eigene Denken aufzunehmen.1025 Gleichzeitig vergleichen die Kinder ständig ihre Gedanken und Sichtweisen mit denen anderer. So werden andere zum Spiegel eigener Leistungen.1026 Die Kinder sind sich der Unterschiede untereinander durchaus bewusst, formulieren jedoch an keiner Stelle das Ziel, etwas so gut wie ein anderes Kind machen zu wollen.1027 Vielmehr wird deutlich »[…] jeder kann etwas anderes besser als der andere, deswegen kann man nicht sagen, der ist jetzt besser als man selber […]«. Diese Einstellung ist solange von Vorteil, als sich die Kinder ihrer Stärken und Schwächen, ihres Könnens, aber auch ihrer Schwierigkeiten bewusst sind und sich gleichzeitig unabhängig vom Können anderer sehen und verstehen. Die Frage ist, wodurch sie Motivation für ihr weiteres Lernen gewinnen und inwiefern diese vom Können anderer Kinder beeinflusst wird. Problematisch wird der Vergleich mit anderen dann, wenn sich ein Kind dabei so stark unter Druck setzt, dass es in seinem Lernen blockiert statt angeregt wird. Darüber hinaus fiel auf, dass die Kinder, wenn sie von ihrem Lernen sprechen, immer wieder ihre eigenen Themen einbringen, wie beispielsweise Sam, der Sorge hat, etwas nicht gut genug zu machen und so den Ansprüchen nicht zu genügen. Ob es sich dabei um eigene Ansprüche handelt oder um solche, die von außen an ihn herangetragen werden, kann hier nicht eindeutig entschieden werden. Solche Themen bringen die Kinder in ganz unterschiedlichen Ge1024 1025 1026 1027

Vgl. Kap. 10.2.2.1 bzw. G/2–1–15/98–100. Vgl. Kap. 4.4; 5.3. Vgl. Kap. 10.2.2.5. Möglicherweise gibt es an dieser Stelle einen Zusammenhang zum Jenaplan-Schulkonzept sowie der Tatsache, dass die Kinder keine Noten erhalten. Denkbar wäre auch, dass sie es zwar denken, aber nicht aussprechen. Zweiteres wird eher nicht angenommen, da die Kinder in der geschützten und offenen Situation vermutlich an irgendeiner Stelle etwas dazu gesagt hätten. Formuliert haben sie den Gedanken »gut sein zu wollen« lediglich in Bezug auf ihr eigenes Lernen.

Die Bedeutung anderer für das eigene Lernen

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sprächssituationen wiederholt ein, ohne dass andere Kinder darauf reagieren. Offen muss an dieser Stelle bleiben, inwieweit diese ureigenen Themen der Kinder ihr Lernen beeinflussen oder gar bestimmen. Auf der Grundlage der Selbstkonzeptforschung sowie der Forschungen zur Attribution von Leistungen ist von einem Zusammenhang zwischen den individuellen Themen eines Kindes, der Wahrnehmung seiner Leistungen und der Bearbeitung von Aufgaben auszugehen.1028 Durch »andere« wird ein Raum geschaffen, der Interaktion ermöglicht und Relation im Hinblick auf Perspektiven, Lernergebnisse bzw. Lernprozesse bewirkt. Dabei ist der/die Einzelne Teil der anderen und somit Teil der Lerngruppe. Der/die Einzelne ist verantwortlich für den eigenen Lernprozess, gleichzeitig braucht er aber auch die anderen für sein eigenes Lernen. Ausgehend von diesen Überlegungen und oben beschriebenen Beobachtungen ist zu fragen, was diese Offenheit der Kinder und die gegenseitige Bezogenheit, welche die Kinder zweifelsohne mitbringen, für das Theologisieren sowie die Selbstreflexion bzw. Metakognition austragen können. Beide Ebenen werden im Folgenden getrennt voneinander betrachtet. Andere Sichtweisen und deren Bedeutung für das Theologisieren »Und das Gute ist, bei jedem ist es anders. Jede Meinung ist anders, als wenn alle Meinungen gleich ist – wäre irgendwie komisch – weil jeder empfindet das anders. Der eine sagt es so, der andere sagt es so.«1029 Diese für das Theologisieren wichtige Grundhaltung zieht sich bei den Kindern durch. Sie haben bereits verinnerlicht, dass es bei den »großen Fragen« im Religionsunterricht keine für alle gültigen Antworten gibt.1030 Entwicklungspsychologisch hätte man auch die Suche der Kinder nach Orientierung – nach dem, was richtig bzw. nicht richtig ist – erwarten können. Blickt man zunächst einmal darauf, was Kinder beim Theologisieren lernen sollen, dann ergeben sich Fähigkeiten, wie sich der eigenen Gedanken und Fragen bewusst zu werden und diese formulieren zu können, andere Perspektiven kennen zu lernen und diese miteinander oder mit der eigenen zu vergleichen, unterschiedliche Positionen auszuprobieren und schließlich eine eigene, plausible Antwort zu finden. Diese Fähigkeiten finden ihre Bündelung in der prozessbezogenen Kompetenz der Urteilsfähigkeit1031, die schließlich dazu beitragen soll, sich in einer religiös pluralen Gesellschaft zu1028 1029 1030 1031

Vgl. Weiner 1979; 1985 sowie Kap. 5.4. Vgl. Kap. 10.2 sowie G/2–1–15/61–63. Vgl. Kraft 2012, 154. Vgl. Bildungsplan für die Grundschule 2016, Baden-Württemberg, Evangelische Religion. Die Urteilsfähigkeit als prozessbezogene Kompetenz für den Evangelischen Religionsunterricht ist auch in den von der EKD formulierten Kompetenzen enthalten. (Vgl. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 01. 12. 1089 i. d. F. vom 16. 11. 2006, 8f.).

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

rechtzufinden.1032 Somit bringen die Kinder mit, was als Grundhaltung für das Theologisieren und auch die Ausbildung einer Urteilskompetenz erforderlich ist. Diese Grundhaltung könnte aber auch insofern Anlass zur Sorge sein, als es keine theologischen Wahrheiten, keine gesellschaftlichen oder religiösen Konventionen gibt – alles somit relativ bzw. beliebig wird. Angesichts zunehmender Pluralisierung ist immer wieder von Patchworkreligion die Rede, für die sich der/die Einzelne seine religiösen Bezüge und Wahrheiten aus unterschiedlichen religiösen Strömungen selbst zusammenstellt. In Anbetracht dieser berechtigten Sorge ist ein differenzierter Blick erforderlich, dem im Folgenden unter zwei Perspektiven nachgegangen werden soll: einem konstruktivistisch angelegten Religionsunterricht (a) und dem, was konstruktivistisches Denken für den Wahrheitsbegriff in der Theologie bedeutet (b). (a) Ein großer Konsens besteht in der Einsicht, dass es nicht eine Wirklichkeit gibt, sondern sich die Konstruktion von Wirklichkeit im Subjekt selbst vollzieht.1033 Gleichzeitig ist Lernen ein aktiver Prozess des lernenden Subjektes und damit radikal individuell.1034 Aus dieser Perspektive gibt es zunächst einmal keinen Anlass zu großer Sorge, denn Lernprozesse können lediglich angeregt werden, sind aber nicht vorhersehbar. Gleichwohl bedarf es einer Lehrperson, die für die einzelnen Kinder im Blick hat, was der nächste Lernschritt sein kann, und die ebenso eine Vorstellung davon hat, wie ein Kind im Hinblick auf das angestrebte Ziel weiterkommen kann. Gerade im Religionsunterricht stößt man hier jedoch immer wieder an Grenzen, weil domänenspezifische Lernentwicklungen noch wenig erforscht und beschrieben sind. Gleichzeitig ist bekannt, dass Entwicklungsmodelle, wie sie von Oser/Gmünder, Fowler u. a. vorliegen, bezüglich der Abfolge von Stufen und der Nennung von Altersangaben in Frage gestellt werden. Domänenspezifische Entwicklungen werden diesen beispielsweise entgegengestellt.1035 (b) In einem konstruktivistisch angelegten Religionsunterricht ist die von den Kindern formulierte Einsicht Grundlage für eine individuelle Auseinandersetzung. Sie ermöglicht es, sich von anderen anregen oder in Frage stellen zu lassen, und schützt gleichzeitig vor einem moralischen oder engen Verständnis von Religion. Die Kinder sehen in der Vielfalt der Gedanken anderer die Möglichkeit, das eigene Wissen zu erweitern und so den eigenen Lernzuwachs zu steigern.1036 1032 1033 1034 1035 1036

Vgl. auch Knapp 2017. Vgl. Mendl 2012, 105; Mendl 2005, 13; Büttner 2002, 158; vgl. auch Kap. 3.2. Vgl. Mendl 2013, 21–23. Vgl. Büttner 2010; Büttner/Dieterich 2013; Benz 2015; vgl. auch Kap. 11.1. Vgl. Kap. 10.2.3.2.

Die Bedeutung anderer für das eigene Lernen

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(c) »Ein konstruktiver Umgang mit Pluralität kann weder in einer Gleichgültigkeit gegenüber allen Unterschieden bestehen noch in einem Rückzug von der Pluralität dadurch, dass nur noch die eigene Wahrheit gesehen wird.«1037 So wird es in der EKD-Denkschrift »Orientierung gewinnen« formuliert. Hinter dieser Aussage steckt die Frage, wie ein angemessener Umgang mit Wahrheit in Anbetracht einer zunehmend religiös pluralen Gesellschaft aussehen kann. Wie in Kapitel 2.3.2 herausgearbeitet, ist in Bezug auf den Umgang mit der Wahrheitsfrage eine Differenzierung erforderlich zwischen einer Wahrheit, die sich in einem wissenschaftlichen Diskurs ergibt, einer Wahrheit, die in einer Glaubensgemeinschaft kommunikativ ausgehandelt wird, und schließlich einer Wahrheit, die jede und jeder Einzelne für sich finden muss. So können in Theologischen Gesprächen unterschiedliche Perspektiven aus der wissenschaftlichen Theologie oder auch dem Glaubenswissen diskursiv und unter Nennung des Bezugspunktes eingebracht werden.1038 Ziel es ist, dass die Schülerinnen und Schüler davon ausgehend und unter Bezugnahme sachlicher Aspekte eine begründete, plausible »Wahrheit für sich« formulieren können. Um dies zu ermöglichen, ist eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven und Wahrheiten unerlässlich. (d) Im Gespräch kommt der Lehrperson an dieser Stelle eine wichtige Aufgabe zu: Sie ist Beobachter/in – um wahrzunehmen, wo die Kinder stehen, Moderator/in – um anregende Impulse zu geben und unterschiedliche Sichtweisen zu heben, und schließlich Experte/in – um weiterführende Perspektiven und Inhalte einzubringen.1039 Dies erfordert von der Lehrperson eine große Sensibilität für die Kinder und die Sache selbst. Sie muss erkennen, auf welchen Ebenen sich die Argumente bewegen und ob wichtige Deutehorizonte fehlen, die sie ggf. einspielt. Somit ist die von den Kindern eingebrachte Grundhaltung auch in Bezug auf die Wahrheitsfrage von unverkennbarem Wert, um miteinander unterschiedliche Positionen beleuchten und diskursiv ausloten zu können. Bei all dem Gesagten ist jedoch auch zu bedenken, dass aus konstruktivistischer Perspektive Verstehen nicht zwingend gegeben ist bzw. möglich wird. Lehrende und Lernende bringen ihre Konzepte von unterschiedlichen theologischen Begriffen und »Wahrheiten« mit und diskutieren diese. Ob diese einander entsprechen und Gesagtes in intendierter Form von anderen aufgenommen und

1037 EKD-Denkschrift 2014, 60. 1038 Vgl. Kap. 3.3.3 und 3.3.4. 1039 Vgl. Freudenberger-Lötz 2007; 2008.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

verarbeitet wird, bleibt offen.1040 Im Umkehrschluss bedeutet dies aber nicht, dass daraus entstehende Konstruktionen theologisch problematisch sein müssen. Sie können ebenso weiterführend bzw. konstruktiv sein. Die Herausforderung im Unterricht ist es, die Kinder bezogen auf die aktuelle Fragestellung in ihrem Denken anzuregen und weiterzubringen, um sie schließlich zu befähigen, eine eigene begründete Antwort für den aktuellen Zeitpunkt und Kontext zu formulieren. Geht es um Glaubensaussagen, ist eine begründete Ablehnung (»Ich glaube nicht …, weil …«) selbstverständlich gleichwertig zu anderen Stellungnahmen möglich. Andere Sichtweisen und deren Bedeutung für die Selbstreflexion und Metakognition Im folgenden Abschnitt geht es nun um den Ertrag der oben genannten Grundhaltung der Kinder in Bezug auf das Lernen bzw. die Reflexionsfähigkeit. Um im Modus der Selbstregulation das Lernen selbst beeinflussen zu können, scheint es zunächst einmal von Bedeutung, Abstand von diesem zu gewinnen. Neben der Selbsteinschätzung des Lernprozesses durch den Lernenden selbst bedarf es einer Außenperspektive, die wichtige Informationen im Sinne eines Feedbacks liefert. »Weil von einem selber weiß man schon die Meinung […], aber vielleicht ist für einen auch wichtig, wie andere das empfinden.«1041 Was Manuel hier formuliert, wird von den anderen Kindern so weitgehend mitgetragen. Interessant ist für sie die fremde Perspektive, die zeigt, was andere über eine Sichtweise oder ein Arbeitsprodukt eines Kindes denken und wie sie diese einschätzen. Dadurch halten bedeutsame andere dem Kind einen Spiegel vor und ermöglichen ihm eine fremde Sicht auf sein Eigenes. Der Wunsch nach dieser fremden Perspektive könnte auch mit dem Wunsch nach Orientierung verknüpft sein, denn die Kinder wollen eine Sache gut machen und zeigen, was sie können. Entscheidend sind dabei zwei Dinge: zum einen, wie die Rückmeldung aussieht, was und wie sie formuliert wird, und zum anderen, wie diese vom jeweiligen Kind aufgenommen wird und was es schließlich daraus macht. Nach Hattie sollte eine Rückmeldung »klar, zweckgerichtet, sinnvoll und mit dem Vorwissen der Lernenden kompatibel sein, […], eine logische Verbindung bieten, beim Lernenden eine aktive Informationsverarbeitung in Gang setzen […]«1042. Damit das Kind eine Rückmeldung annehmen kann, ist nicht nur wichtig, wie diese formuliert ist, sondern zunächst einmal, dass es offen für das Feedback ist. Und genau dies wird in der obigen Formulierung zum Ausdruck gebracht. Über diese Offenheit der Kinder und das Einfordern von Feedback kann sich jede Lehrperson freuen, da aus unterschiedlichen Forschungsberei1040 Vgl. auch Büttner 2017. 1041 Vgl. Kap. 10.2.2.1 bzw. G/2–1–15/98–100. 1042 Hattie 2014, 211.

Die Bedeutung der (Selbst-)Reflexion für das Theologisieren

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chen, wie z. B. dem kooperativen Lernen, oder der Hattie-Studie bekannt ist, dass Kinder Rückmeldungen von anderen Kindern oft besser annehmen können als von Erwachsenen.1043 Schließlich ist es die fremde Sicht, die es den Kindern ermöglicht, neu auf ihr Lernen zu blicken und davon ausgehende Anregungen für den weiteren Lernprozess aufzunehmen. Feedback ergänzt die Selbstbeobachtung beim Lernen und unterstützt die Selbsteinschätzung und Selbstbeurteilung.1044 Diese zentralen Faktoren der Selbstreflexion können durch die oben aufgezeigte Offenheit in Bezug auf andere, fremde Perspektiven gefördert werden. Nach all den Ausführungen kann festgehalten werden, dass eine offene und interessierte Haltung der Kinder sowohl für das Lernen selbst, das Theologisieren und die damit verbundene Suche einer »Wahrheit für mich« im Bewusstsein anderer (theologischer) Perspektiven, als auch für die Selbstreflexion grundlegend und förderlich ist.

11.3 Die Bedeutung der (Selbst-)Reflexion für das Theologisieren Wenn im folgenden Abschnitt von Reflexion und damit in Verbindung von Metakognition die Rede ist, ist zu bedenken, dass die Kinder im Rahmen der Studie in den Gruppengesprächen und Gruppendiskussionen über das bzw. ihr Lernen beim Theologisieren nachgedacht haben. Damit bewegen sie sich bereits auf einer Reflexionsebene und das, was sie dabei formulieren, ist im Besonderen reflexiv. Sie konstruieren ihre Äußerungen in Bezug auf ihre Erfahrungen aus dem Unterricht. Inwieweit dies nun der tatsächlichen Situation entspricht, was dabei neu hinzukommt oder durch die Distanz verändert oder neu bewertet wird, ist in den Daten jedoch nicht zugänglich. Selbst wenn Kinder auf Gedanken einer spezifischen Unterrichtssituation zurückgreifen, also auf das, was sie während des Unterrichts gedacht haben, kann dies – jetzt aus der Distanz – eine Neudeutung sein. Konstruktivistisch gesehen spielt das keine Rolle, denn was den Kindern in einer Situation wichtig ist, bringen sie ein und deuten es in der jeweiligen Gesprächssituation. Zu bedenken ist bei all den Ausführungen der Zusammenhang von Reflexion, Selbstreflexion und Metakognition. Basierend auf Hasselhorn, Labuhn, Lockl und Schneider sind der Arbeit folgende Abgrenzungen der Begriffe zugrunde gelegt: Immer dann, wenn Kinder über Lernen nachdenken, wird der Begriff Reflexion verwendet. Ist dieses Nachdenken auf das eigene Lernen gerichtet, kann es als Selbstreflexion bezeichnet werden. Somit geht es bei der Selbstre1043 Vgl. Hattie 2014, 221f. 1044 Vgl. Kap. 5.4.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

flexion – ausgehend von Selbstbeobachtung und Feedback – um eine Selbsteinschätzung und Selbstbeurteilung hinsichtlich des Lernstandes, der Arbeitsweise, der Lernentwicklung und des Lernprozesses. Mit Hilfe metakognitiver Strategien können Konsequenzen aus der Selbstreflexion gezogen und in den weiteren Lernprozess einbezogen werden. Metakognitive Strategien sind dabei nur teilweise zugänglich und werden deshalb nur bedingt »sichtbar«. Die folgenden Abschnitte gehen unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten im Zusammenhang mit der Bedeutung der (Selbst-)Reflexion beim Theologisieren nach. Zunächst geht es um einen Zusammenhang zwischen Theologisieren und Reflexion, im zweiten Abschnitt werden dann die Fähigkeiten der Kinder in den Blick genommen, die diese in Bezug auf reflexive und metakognitive Prozesse mitbringen. Im dritten Abschnitt geht es schließlich um die Strategien der Kinder im Kontext metakognitiver Prozesse.

11.3.1 Der Zusammenhang von Reflexion und Theologisieren In Theologischen Gesprächen geht es, mit Schweitzer gesprochen, grundlegend um die »Reflexion über religiöses Denken«1045. Damit ist ein Nachdenken über eigene religiöse Konstruktionen sowie Konstruktionen anderer gemeint. Dieses Nachdenken kann mit Rupp1046 auf der inhaltlichen Ebene oder der Ebene des Lernprozesses erfolgen. Wenn Schweitzer von Reflexion spricht, dann werden dabei metakognitive Prozesse nicht explizit in den Blick genommen, so dass offen bleibt, ob er diese Dimension des Lernens mit dem Theologisieren in Verbindung bringt. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich, dass den Kindern bewusst ist: Um eine Sache verstehen zu können, reicht es nicht aus, nur handelnd oder kreativ tätig zu werden, sondern eine damit verbundene reflexive, gedankliche Auseinandersetzung ist unverzichtbar.1047 Dabei regen die Gedanken anderer zum eigenen Nach- und Weiterdenken im Sinne einer klassischen konstruktivistischen Perturbation an. Indem die Kinder diese Aspekte im Rahmen der Studie selbst formulieren, zeigen sie deutlich ein Bewusstsein für reflexive Prozesse. Anknüpfend an Wygotski wird Nach- und Weiterdenken hier bewusst in dieser Doppelformulierung verwendet. Beim Nachdenken bewegt sich das Kind in erster Linie in der Zone der aktuellen Entwicklung, das Weiterdenken hingegen zielt auf die Zone der nächsten Entwicklung. Dann, wenn Kinder eigene und fremde Konstruktionen prüfen, diese in einen neuen Kontext stellen 1045 Schweitzer 2003a, 17. 1046 Vgl. Rupp 2011, 146ff. 1047 Vgl. Kap. 10.2.1.

Die Bedeutung der (Selbst-)Reflexion für das Theologisieren

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und bisher nicht Gedachtes wagen, wird Neues Lernen und somit Kompetenzerweiterung möglich, nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern auch im Bereich prozessbezogener Kompetenzen, wie beispielsweise der Urteilsfähigkeit. Ein Bezug zu Piagets Theorie, dass Neues zunächst in bestehende Konzepte eingeordnet (Assimilation) und diese ggf. verändert werden (Akkommodation), wird ebenso deutlich.1048 Wenn davon die Rede ist, dass Gedanken anderer das eigene Denken anregen, dann zeigt das auch, dass individuelle Kognitionen und soziale Prozesse in einem weiten Verständnis miteinander verknüpft sind.1049 Inwieweit dies zu neuen Konstruktionen führt, hängt nach Piaget davon ab, wie sich der Lernende von eigenen Erfahrungen und Schemata lösen und Konstruktionen neu bewerten kann. Dafür sind reflexive Abstraktionsprozesse erforderlich. Die Studie unterscheidet sich von bisherigen Studien insbesondere dadurch, dass nicht Theologische Gespräche und die sich dabei ergebenden inhaltlichen Konstruktionen der Kinder aus der Perspektive der Forscherin in den Blick genommen wurden, sondern vielmehr die Kinder selbst im Rückblick auf das bzw. ihr Lernen betrachteten. Daher ist nachvollziehbar, dass zur Reflexionsfähigkeit im Lernprozess selbst und somit in Theologischen Gesprächen keine detaillierteren Aussagen möglich sind, weil sich die Aussagen der Schülerinnen und Schüler bereits auf einem reflexiven Abstraktionsniveau befinden.

11.3.2 Fähigkeiten der Kinder als Voraussetzung für reflexive und metakognitive Prozesse Die ersten Gedanken in diesem Abschnitt sollen verdeutlichen, welche Herausforderungen es mit sich bringt, möchte man einen Zugang zu den metakognitiven Fähigkeiten von Kindern erhalten. Kinder können im Unterricht zum eigenen Nachdenken über religiöses Denken angeregt werden, welches schließlich in ihren Konstruktionen und Äußerungen sicht- und hörbar wird. Metakognition ist im Gegensatz hierzu schwieriger zu fassen, weil sich diese vor allem im Kopf abspielt und dann oft in konkrete Handlungen mündet. Im Unterricht können Kinder zum Nachdenken über ihr Lernen angeregt und nach verwendeten Strategien befragt werden, ob diese jedoch wirksam werden, kann nur teilweise beobachtet werden. Eine solche Beobachtung ist nicht Teil der Studie.1050 Systemisches und epistemisches Wissen sowie die Planung von weiteren 1048 Vgl. Kap. 5.1. 1049 Vgl. Kap. 5.3.2. 1050 Lautes Denken stellt eine Möglichkeit dar, um auf die Gedanken der Kinder, die sie während des Lernens haben, zugreifen zu können. Bereits in Reflexionsphasen, die im

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

Lernhandlungen bzw. Lernschritten können mündlich oder schriftlich formuliert werden und dadurch aktiv in den Lernprozess einbezogen werden. Die Kontrolle von Lernprozessen, Sensitivität und metakognitive Erfahrungen hingegen sind nur begrenzt über Sprache und Bewusstsein zugänglich. Und dennoch sind diese Strategien bedeutend für das Wirksamwerden metakognitiver Strategien. Schließlich ist das Nachdenken über metakognitive Strategien zwar Voraussetzung dafür, dass diese im weiteren Verlauf des Lernprozesses wirksam werden können. Gleichzeitig ist eine Kommunikation über metakognitive Strategien jedoch noch kein Garant für deren Anwendung in darauf folgenden Lernhandlungen. Ob und wie metakognitive Strategien wirksam werden, kann nur langfristig beobachtet werden. Die Fähigkeit zur Reflexion ist sowohl auf einer inhaltlichen Ebene im Nachdenken der Schülerinnen und Schüler über religiöses Denken und damit verbundene Konstruktionen wichtig, als auch gleichzeitig Voraussetzung für metakognitive Prozesse in Bezug auf den individuellen Lernprozess als solchen. Dabei ist der Aufbau metakognitiver Kompetenzen im Blick zu behalten. Voraussetzung, um über das eigene Lernen bzw. den Lernprozess nachdenken zu können, ist die Fähigkeit, Distanz einzunehmen und sich selbst während des Prozesses zu beobachten. Durch das Forschungssetting war bereits Distanz zum Unterricht gegeben. Die Kinder konnten sich dadurch in die Beobachterrolle begeben und rückblickend reflexiv tätig werden, auch wenn sie im Gruppengespräch bzw. in der Gruppendiskussion sowohl die Rolle des Akteurs und des Teilnehmenden – möglicherweise sogar die Beobachterrolle – abwechselnd eingenommen haben.1051 Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Kinder grundlegendes, für reflexive und metakognitive Prozesse unverzichtbares Wissen über Lernen mitbringen, welches sie in den Gesprächen ganz selbstverständlich und unspektakulär formulieren. Folgende Voraussetzungen und Grundüberzeugungen sind in besonderer Weise zu schätzende Leistungen der Kinder : (1) Es ist ihnen bewusst, dass Gedanken anderer sie selbst zum Nach- und Weiterdenken anregen, wie es in den Theorien von Piaget1052 oder auch dem Konstruktivismus1053 deutlich wird. Es bedarf anregender Impulse oder auch Irritationen, um sich aus dem Kreis des eigenen Denkens herauswagen zu können, manchmal auch zu müssen. Wie diese Impulse beim Einzelnen wirken

Anschluss an die konkrete Situation stattfinden, ist der unmittelbare Zugang nicht mehr gewährleistet. Gedanken haben sich verflüchtigt oder werden möglicherweise erst im Nachhinein neu konstruiert. 1051 Vgl. Kap. 3.4.3. 1052 Vgl. Kap. 5.1. 1053 Vgl. Kap. 3.5.1.

Die Bedeutung der (Selbst-)Reflexion für das Theologisieren

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und wozu sie bewegen, bleibt sowohl in der Theorie Piagets als auch allgemein aus konstruktivistischer Perspektive offen. (2) Den Kindern ist gleichermaßen bewusst, dass fremde Sichtweisen – also Gedanken anderer – die eigenen ergänzen und verändern können und so Wissen modifiziert wird oder neues Wissen hinzukommen kann. Diese Vorstellungen korrespondieren mit lernpsychologischen Vorstellungen, aus deren Perspektive im Gespräch Kognitionen auf der individuellen Ebene ausgetauscht werden, Wissen dadurch in der Gruppe external konstruiert und dann in das Wissen des Einzelnen integriert wird.1054 Insbesondere gegenteilige Auffassungen oder andere Meinungen evozieren kognitive Konflikte und ermöglichen die Veränderung individueller Wissensstrukturen. So kann es sein, dass unterschiedliche Lernende aus der gleichen Gesprächssequenz oder dem gleichen Element des Unterrichts unterschiedliche oder auch gar keine Schlüsse ziehen. Das eine Kind verändert beispielsweise seine Position, ohne dass ein anderes von der gleichen Ausgangssituation überhaupt angesprochen oder zum Nachdenken angeregt wird. (3) Ebenso bewusst und selbstverständlich formulieren die Kinder die Einsicht, dass Wissen mit anderen geteilt werden kann und es dadurch zu verändertem oder neuem Wissen kommt.1055 Dieser Gedanke schließt sich logisch an die vorherigen Aussagen der Kinder an. Kopp und Mandl bezeichnen Wissen, über das nur eine Person verfügt, als ungeteiltes Wissen.1056 Wenn die Kinder von geteiltem Wissen sprechen, dann geht es ihnen um eine gegenseitige gedankliche Bereicherung und einen möglichen Zugewinn an Wissen und weniger um eine gemeinsame Konstruktion von Wissen.1057 Blickt man aus wissenschaftlicher Perspektive noch einmal auf den von den Kindern genannten Aspekt des »Wissen Teilens«, so stellt sich die Frage, was dabei in einem sozialen Setting, wie beispielsweise dem (Theologischen) Gespräch passiert. Kopp und Mandl bezeichnen dies als gemeinsame Konstruktion von Wissen. Jedes Individuum verfügt über unterschiedliches Wissen, »das in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess […] eingebracht wird«1058. Ausgehend von diesem Wissen wird gemeinsam konstruiert, die Kinder werden zum Nach- und Weiterdenken angeregt. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituationen der Kinder und dessen, wie sie schließlich das Anregungspotenzial nutzen, sind ihre Konstruktionen sowie ihre Schlüsse höchst individuell und keineswegs vergleichbar oder vorhersehbar. Dies gilt auch, wenn sich im Gespräch eine Gruppenmeinung herausgebildet hat. Was das einzelne Kind damit 1054 1055 1056 1057 1058

Vgl. Kopp/Mandl 2006; Hasselhorn/Gold 2013. Vgl. auch 10.3.1. Vgl. Kopp/Mandl 2006, 504. Vgl. Kap. 5.3.; vgl. auch Kap. 10.2.2.3. Kopp/Mandl 2006, 504.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

anfängt und schließlich für sich mitnimmt, bleibt offen. Nach Nastasi und Clements ist entscheidend für das Lernen, wie bzw. mit welchen Strategien es den Kindern gelingt, den kognitiven Konflikt im Gespräch gemeinsam zu lösen.1059 Für Theologische Gespräche kann gefolgert werden, dass sie dann anregend und weiterführend für das Lernen eines Kindes sind, wenn im Gespräch unterschiedliche Perspektiven und Antwortmöglichkeiten nicht nur nebeneinandergestellt, sondern die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Perspektiven ausgelotet werden. Diese Folgerung deckt sich mit dem Grundanliegen Theologischer Gespräche. Dadurch, dass die soeben genannten Aspekte den Kindern bewusst sind, bringen sie wichtige und grundlegende Erkenntnisse für die Reflexion und Metakognition bereits mit. Diese können bewusst in reflexive Gespräche aufgenommen und davon ausgehend sollten das weitere Nachdenken sowie metakognitive Kompetenzen gefördert werden. Abschließend soll noch ein Blick auf diejenigen Aspekte geworfen werden, die weitere Fragen aufwerfen. So fällt auf, dass die Begründungen, die Kinder im Kontext ihres Nachdenkens einbringen, stärker auf das Arbeiten im Unterricht oder spezifische Lerninhalte ausgerichtet sind und weniger auf den Lernprozess. Ob dies mit der Anlage der Studie zusammenhängt oder ob es möglicherweise daran liegt, dass im Unterrichtsalltag weniger reflexiv – zumindest in Bezug auf den eigenen Lernprozess – gearbeitet wird, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Aufgrund der Informationen und des Einblicks in die Arbeit an der Schule ist zu berücksichtigen, dass die Kinder regelmäßig Lern- bzw. Coachinggespräche mit einer Lehrperson haben, in denen sie gemeinsam ihr Lernen in den Blick nehmen und darüber nachdenken. Dies könnte für Erfahrungen der Kinder in diesem Bereich sprechen. Offen ist jedoch, wie diese Gespräche tatsächlich ablaufen und inwieweit Lernprozesse thematisiert werden. Schließlich sind Lernprozesse umfassend und komplex und spielen im Alltag für die Kinder selbst oft weniger eine Rolle. Aus diesen Überlegungen kann gefolgert werden, dass insbesondere der Reflexion des konkreten Lernens und dem damit verbundenen Lernprozess im Unterrichtsalltag mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsste, wenn die Kinder diese verstehen sollen und lernen sollen Einfluss darauf zu nehmen. Zu fragen wäre grundsätzlich auch, inwiefern die Übertragung von den allgemeinen Lerngesprächen auf einen spezifischen Bereich, wie hier das Theologisieren, gelingt. Kann also davon ausgegangen werden, dass Kinder, die über vielfältige metakognitive Strategien verfügen, diese flexibel anwenden können? Und wie ist es um die Kinder bestellt, die hier Schwierigkeiten zeigen? Ähnliche Beobachtungen zeigen sich hinsichtlich der Differenziertheit von 1059 Vgl. Fischer 2001.

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Beschreibungen und Begründungen. Diese waren teilweise kurz formuliert und auch auf Nachfragen konnten die Kinder oft ihre Gedanken nicht differenzierter darstellen. Auffallend war hierbei, dass dies manchen Kindern ganz gut gelang, andere aber große Mühe hatten. So ist zu fragen: Welche Rolle spielen Übung und Erfahrung für die Fähigkeit, Lernstand, Lerninhalte und Lernprozesse differenziert wahrnehmen, einschätzen, bewerten und schließlich darstellen zu können? Ob hierbei andere Faktoren, wie Alter, Begabung, Sprachentwicklung oder Ähnliches ebenso von Bedeutung sind, wäre weiter zu untersuchen.

11.3.3 Strategien im Kontext metakognitiver Prozesse Nachdem gezeigt werden konnte, dass die Kinder grundlegende Voraussetzungen für reflexive und metakognitive Prozesse mitbringen, werden im Folgenden zunächst die Strategien der Kinder betrachtet. Dann wird nach den regulativen Fähigkeiten gefragt, über die die Kinder verfügen, und schließlich münden die Überlegungen in die Frage nach den Vorstellungen der Kinder, die diese bezüglich ihres weiteren Lernens bzw. der nächsten Schritte haben. Strategien der Kinder Die Ergebnisse der Studie führen eindrücklich vor Augen, über welch reichhaltiges Repertoire an Strategien die Kinder verfügen. Selbst von den Kindern zur Sprache gebracht werden folgende Strategien: etwas intuitiv tun, schauen, hören, erinnern, überlegen, nachdenken, sich fragen, andere fragen, Tipps holen, Hilfe holen, eine andere Sicht einholen, vergleichen, verknüpfen und erklären. Dadurch, dass die Kinder diese Strategien selbst benennen, zeigen sie, dass ihnen diese bewusst sind. Sie können diese bei sich und anderen beobachten und als solche einordnen. Die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung als wichtige Grundlage für metakognitive Prozesse, um Lernschritte und Lernprozesse einschätzen und beurteilen zu können, bringen die Kinder an dieser Stelle mit. Indem sie Lernsituationen und damit verbundenes Lernen beschreiben, begründen und bewerten, wie in Kapitel 10.3 dargestellt, bewegen sie sich nach Labuhn1060 in der Phase der Selbstreflexion, welche entscheidenden Einfluss auf die Selbstregulation beim Lernen hat. Somit verfügen die Kinder ganz offensichtlich über Kompetenzen, die für metakognitive Prozesse erforderlich sind. Indem sie Wissen über kognitive Zustände und Prozesse mitbringen, ist nach Lockl und Schneider eine wichtige Voraussetzung zur Metakognition bereits gegeben.1061 Auf die hinsichtlich der Definition noch ausste1060 Vgl. Labuhn 2008, 9ff.; Kap. 5.4. 1061 Vgl. Lockl/Schneider 2007, 55; Kap. 5.5.1.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

hende Fähigkeit, nämlich eigene Kognitionen überwachen und regulieren zu können, kann aufgrund der Studie nur indirekt eine Aussage getroffen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kinder durchaus dazu in der Lage sind, regulative Fähigkeiten in den Gesprächen zu beschreiben und dadurch auf diese zu verweisen. Sie haben Ziele für einzelne Handlungen im Blick und formulieren, worüber sie bewusst im Hinblick auf konkrete Inhalte oder Lernziele nachgedacht haben. Ob und was sie davon für ihr Handeln in einer Lernsituation nutzen, kann ausgehend von dieser Studie nicht bestimmt werden. Dazu wäre ein anderes Forschungsdesign erforderlich, das Anschlusshandlungen sowie fortlaufende Lernprozesse in den Blick nimmt. Im Kontext der Frage, ob Kinder ihre eigenen Strategien bewusst nutzen, kann eine weitere Beobachtung hinzugefügt werden: Immer wieder formulierten sie, dass sie etwas »einfach tun«. Dieser Formulierung wohnen vielfältige Deutehorizonte inne, die exemplarisch an dieser Stelle ausgelotet und aufgezeigt werden sollen. So kann »einfach tun« schlicht bedeuten, dass das Kind etwas ohne darüber nachzudenken getan hat. Vielleicht hat es auch zum Zeitpunkt der Aussage noch keine Begründung parat. Das Kind könnte eine Sache auch einfach ausprobiert haben, um einen pragmatischen Weg zu gehen, um zu sehen, was im Tun geschieht. Schließlich ist denkbar, dass dem Kind in der jeweiligen Situation die passenden Worte gefehlt haben. Dies alles sind denkbare Begründungen für die Formulierung »einfach tun«. Aufgrund der Beobachtungen während der Studie und dessen, was die einzelnen Kinder im jeweiligen Zusammenhang formuliert haben, scheint eine weitere Deutung nahezuliegen. »Einfach tun« kann mit einer gewissen Intuition einhergehen, so dass das Kind ein natürliches Gespür dafür hat, was in der jeweiligen Situation zu tun ist. Ähnliche Beobachtungen beschreiben Röbe1062 bezogen auf die Sprache und Szagun1063 im Zusammenhang mit dem Reden von Gott. Sie verwenden beide jedoch den Begriff des »Vorbewussten«, der deutlich macht, dass es eben kein Zufall ist, sondern die Kinder unbewusst bzw. vorbewusst angemessen agieren. Ob es sich dabei um eine Vorstufe des Bewusstseins handelt, wie es von Röbe und Szagun gesehen wird, oder ob es neben bewussten Entscheidungen auch unbewusste gibt, die durchaus ihre Berechtigung haben, bleibt an dieser Stelle offen. Vorstellbar ist jedoch auch, dass es gar nicht zwingend erforderlich ist, vorbewusst getroffene Entscheidungen irgendwann in bewusste Entscheidungen überführen zu können. Schließlich könnte es auch ein Schutz vor Überforderung für Lernende sein, nicht immer bewusst agieren zu müssen. Die Frage scheint meines Erachtens vielmehr darin zu liegen, inwieweit intuitive, vorbewusste – oder vielleicht doch eher unbewusste – Entscheidungen zielführend sind und in 1062 Vgl. Röbe 2006. 1063 Vgl. Szagun 2013.

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welchem Verhältnis sie zu bewussten Entscheidungen stehen. Lediglich intuitive Entscheidungen zu treffen, wäre zumindest aus metakognitiver Sicht nicht denkbar. Mit der Kategorie der Sensitivität als metakognitive Fähigkeit, die von Hasselhorn und Gold eingebracht wird, erhalten intuitiv1064 getroffene Entscheidungen eine besondere Bedeutung.1065 Davon ausgehend ist es andererseits nicht wünschenswert, dass alle Entscheidungen irgendwann bewusst getroffen werden können. Sensitivität ist eine Kategorie mit eigenem Wert. So betrachtet kann »einfach tun« plausibel als unbewusstes Agieren gedeutet werden, ohne das Ziel, dies irgendwann ins Bewusstsein zu überführen. Gleichzeitig kann vermutet werden, dass mit zunehmenden Erfahrungen im Bereich der Metakognition auch das Bewusstsein für das eigene Handeln steigt. Es wäre auch zu prüfen, inwiefern Lehrende die Entwicklung metakognitiver Fähigkeiten durch gezielte Impulse, die Gestaltung von Reflexionssettings und die Verschränkung von Lern- und Reflexionsphasen bewusst fördern können. Abschließend soll im Zusammenhang mit den Strategien der Kinder auf diejenigen Lernfelder geblickt werden, denen Hartmut Rupp beim Theologisieren Bedeutung zumisst. Bezüglich der Fragestellung in der Studie ist das sechste Lernfeld, die »Metakognition«, interessant. Was Rupp darunter versteht, kann man seinem Kompetenzkatalog entnehmen: Die Kinder sollen »den Gang des Nachdenkens beschreiben können«, »neue Einsichten benennen können«, »über eigene Gefühle beim Nachdenken Auskunft geben können« und »sagen können, woran man weiterarbeiten möchte«.1066 Von hier aus betrachtet kann festgehalten werden, dass diese Fähigkeiten in den Kinderäußerungen im Rahmen der Studie sichtbar werden. Allerdings bleiben die Kinder damit aus lernpsychologischer Sicht in erster Linie auf der Ebene deklarativen Wissens: Sie kennen und verstehen ihre eigenen kognitiven Prozesse. Prozedurales Wissen und somit die Fähigkeit, kognitive Prozesse überwachen und regulieren zu können, ist hingegen wenig im Blickfeld. Somit öffnet sich hier ein Lernfeld im Kontext des Theologisierens, möglicherweise sogar für den gesamten Religionsunterricht. Regulative Fähigkeiten In den Daten der Studie fällt auf, dass Aussagen, die auf regulative Fähigkeiten schließen lassen1067, nicht von allen Kindern in gleicher Weise getroffen werden. Einzelne Kinder scheinen in besonderer Weise darüber zu verfügen, bei anderen wird dies weniger sichtbar. Es stellt sich die Frage, ob Kinder, die regulative 1064 1065 1066 1067

Vgl. auch Fried 2012; Büttner 2008 und 2010; Kap. 2.5.2. Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 96–99, Kap. 5.5.1. Rupp 2011, 147. Vgl. Kap. 10.3.4.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

Strategien in der Reflexion benennen, diese auch in konkreten Lernsituationen anwenden. Überlegt man, welche Gründe die oben dargestellte Beobachtung haben könnte, so kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht: Zu prüfen wäre beispielsweise, ob Geschlecht, Begabung, Alter oder metakognitive Erfahrungen eine Rolle spielen. Aufgrund der Anlage der Studie kann darüber letztlich jedoch keine Aussage getroffen werden.1068 Aus der Perspektive der Forschung scheint der Aspekt der Erfahrung im Umgang mit metakognitiven Verfahren von Bedeutung.1069 Beck, Guldimann und Zutavern haben eindrücklich gezeigt, dass es wichtig ist, sich nicht nur auf ein Thema, einen Inhalt oder ein Produkt zu konzentrieren, sondern die Aufmerksamkeit auch auf den Prozess des Lernens und somit auf das Wie und Warum des Vorgehens zu richten. Sie folgern, dass durch häufiges Reflektieren kognitiver Aktivitäten metakognitive Kompetenzen gefördert werden und Lernende so besser in der Lage sind, kognitive und metakognitive Strategien anzuwenden. Kurz: Reflexion lernt man durch Reflexion.1070 Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, warum sich manche Kinder einer Lerngruppe, in der es durchaus Reflexionsangebote gab, damit leichter tun und andere schwerer. Auch darauf kann mit Beck u. a. eine mögliche Antwort formuliert werden: Sie haben festgestellt, dass metakognitive Fähigkeiten durchaus geübt werden können, Kinder aus der Primarstufe mit mittlerem Leistungsniveau dabei jedoch die deutlichste Zunahme an metakognitiver Bewusstheit zeigten.1071 Hennecke stellte fest, dass Kinder im Religionsunterricht oft Schwierigkeiten haben, neu Gelerntes zu benennen. In ihrer Studie folgert sie, dass »gerade die Unterrichtsprozesse der individuellen Aneignung eine Bündelung und Reflexion [erfordern], um zu einer Vertiefung und Nachhaltigkeit zu gelangen«.1072 Um dies zu unterstützen, bräuchte der Religionsunterricht eine Reflexionskultur. Die Forschergruppe um Beck würde Hennecke durchaus beipflichten. Auch aus ihrer Sicht sollten reflexive Elemente selbstverständlicher Teil des Unterrichts sein und nicht wie von Hasselhorn und Körkel eingebracht, Lernstrategien in 1068 Um hierzu spezifischere Aussagen treffen zu können, wären Video-Studien oder Thinkaloud-Studien hilfreich, die die angewandten Strategien während des Lernprozesses deutlicher sichtbar machen können. 1069 Das Alter spielt insofern eine Rolle, als sich metakognitive Fähigkeiten mit zunehmendem Alter weiterentwickeln. Die Studie von Beck u. a. zeigte jedoch auch, dass die vorgenommene Intervention diese Entwicklung beschleunigte. Die Forschergruppe konnte auch einen Effekt bezüglich des Geschlechts und der Leistung der Schülerinnen und Schüler nachweisen. Da dies aber nicht weiter in der Forschung herausgestellt wird, sollen diese Aspekte nur am Rande erwähnt werden. Inwieweit diese tatsächlich von Bedeutung sind, wäre mit weiteren Studien zu prüfen. (Vgl. Beck u. a. 1995, vgl. Kap. 5.5.1). 1070 Vgl. Beck u. a. 1995; Kap. 5.5.1. 1071 Vgl. Beck u. a. 1995; Kap 5.5.1. 1072 Hennecke 2012, 323.

Die Bedeutung der (Selbst-)Reflexion für das Theologisieren

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einem separaten, stärker vermittlungsorientierten Programm trainiert werden.1073 Die Bedeutung reflexiver Phasen an unterschiedlichen Stellen im Lernprozess sowie die Förderung metakognitiver Fähigkeiten können auch auf der Grundlage dieser Studie unterstrichen werden. Vorstellungen über das weitere Lernen Auffallend in den Gesprächen war die Tatsache, dass sich immer dann, wenn die Frage im Raum stand, was die Kinder bräuchten, um an einer Stelle sinnvoll und gut weiterlernen zu können, oder was der nächste Schritt sein könnte, eine große Stille ergab. Das Gespräch kam ins Stocken und die Kinder schienen die Fragen bzw. Impulse nicht wirklich zu verstehen. Sowohl durch die gesetzten Impulse als auch durch das Anknüpfen an Situationen aus dem Unterricht wurde in den folgenden Gesprächen das Thema immer wieder auf unterschiedliche Art und Weise eingespielt. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd. Die Kinder wurden ruhig, antworteten unspezifisch oder wichen auf ein anderes Thema aus. Daher liegt die Vermutung nahe, dass gerade der Bereich der Steuerung und Kontrolle und somit die Selbstregulation des Lernens für diese Kinder bisher nicht wirklich im Blick ist und sie diesbezüglich wenige Erfahrungen mitbringen. Im Kontext der Überlegungen im Zusammenhang mit der Metakognition bei Rupp im vorletzten Abschnitt wird diese Beobachtung jedoch verständlich. Offen bleibt, ob die Schwierigkeiten im Bereich des prozeduralen Wissens nur beim Theologisieren auftreten oder auch in anderen Lernbereichen. Dahinter steckt auch die Frage, ob die Fähigkeit der Selbstregulation bereichsspezifisch ausgebildet wird oder nicht. Kann also ein Kind, das beispielsweise die Fähigkeit der Selbstregulation im Mathematikunterricht ausbildet und übt, diese auf andere Fachbereiche, wie z. B. den Religionsunterricht, oder gar auf das Theologisieren übertragen? Im Blick auf das Theologisieren ist weiter zu fragen, ob die Fähigkeit der Selbstregulation hier in besonderer Weise herausfordernd ist, weil es dabei in erster Linie um für die Kinder abstrakte, kognitive Konstruktionen geht und somit weniger um konkrete Inhalte oder Produkte, die möglicherweise für sie besser greifbar sind. Ausgehend von Hasselhorn kann konstatiert werden, dass Kinder über epistemisches Wissen (Wissen über das eigene Wissen) und auch systemisches Wissen (grundlegendes Wissen über Gesetzmäßigkeiten) verfügen. Inwieweit sie auf bewusste Kontrollmechanismen, Sensitivität und metakognitive Erfahrungen zurückgreifen können, muss im Hinblick auf die Datenlage offenbleiben.1074 Offen bleibt auch, inwieweit die Schülerinnen und Schüler metakognitive Fähigkeiten von einem Lernbereich auf einen anderen übertragen können. 1073 Vgl. Beck u. a. 1995; Kap. 5.5.1. 1074 Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 96–99; Kap. 5.5.1.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Kinder wichtige Kompetenzen in Bezug auf metakognitive Prozesse mitbringen, wie z. B. die Fähigkeit zur Selbstreflexion und die Fähigkeit, sich auf andere Perspektiven einzulassen sowie sich in andere Personen hineinzuversetzen. Sie verfügen über deklaratives Wissen, welches beim Theologisieren in besonderer Weise gefördert wird. Ob und wie sie dieses dann in Lernsituationen anwenden und damit ihr Lernen überwachen, steuern und regulieren, muss an dieser Stelle aufgrund des Studiendesigns offenbleiben. Ausgehend von dem, was die Kinder an Fähigkeiten und Wissen bezüglich metakognitiver Prozesse mitbringen, kann es ihnen aber durchaus zugetraut werden. Es wäre wünschenswert und im Hinblick auf die Förderung metakognitiver Strategien weiterführend, wenn entsprechende Fähigkeiten im Bereich des prozeduralen Wissens im Unterricht gefördert und geübt würden.

11.4 Konsequenzen im Hinblick auf die Förderung metakognitiver Fähigkeiten Ausgehend von den bisherigen Überlegungen wird im Folgenden nach den Konsequenzen für den Religionsunterricht gefragt. Wie bereits deutlich wurde, bringen die Kinder eine Reihe für die Metakognition bedeutsame Voraussetzungen mit. Diese können in erster Linie dem Bereich des deklarativen Wissens zugeordnet werden, so dass es erforderlich wäre, insbesondere den Bereich des prozeduralen Wissens deutlicher in den Fokus zu nehmen. Damit steht auch die auf vielfältige Beobachtungen gegründete Erfahrung in Verbindung, nämlich dass metakognitive Strategien und vor allem die Förderung prozeduralen Wissens im Religionsunterricht bisher kaum eine Rolle spielen. Dabei ist der Forscherin durchaus bewusst, dass metakognitive Fähigkeiten und Prozesse nur schwer zugänglich sind und sichtbar gemacht werden können. Dennoch ist es von Bedeutung, diese zu fördern und die Kinder in der Entwicklung metakognitiver Fähigkeiten auch im Religionsunterricht zu unterstützen. Im Folgenden werden zunächst Konsequenzen für den Religionsunterricht aufgezeigt und anschließend diejenigen, die zur Professionalisierung der Lehrenden beitragen sollen.

11.4.1 Konsequenzen für den Religionsunterricht Basierend auf den oben genannten Befunden, zeigen sich drei bedeutsame Konsequenzen für den Religionsunterricht. Sie sind bezogen auf das Theologi-

Konsequenzen im Hinblick auf die Förderung metakognitiver Fähigkeiten

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sieren, können aber vermutlich durchaus auf andere Unterrichtssettings und somit den gesamten Religionsunterricht übertragen werden. (1) Reflexions-Räume schaffen Zur Förderung metakognitiver Kompetenzen sind Zeit und Raum erforderlich. Um diese im Unterricht einzuräumen, bedarf es zunächst eines Bewusstseins der Lehrperson für die Bedeutung metakognitiver Prozesse für das Lernen der Kinder. In den Unterrichtsverlauf sind vielfältige reflexive Phasen einzuplanen, nicht nur am Ende, sondern während des gesamten Lernprozesses. Denn Lernen besitzt sowohl eine inhaltliche als auch prozessuale Dimension und kann nicht nur auf das Ende bezogen sein bzw. vom Ende her gedacht werden. In reflexiven Phasen brauchen die Kinder die Möglichkeit, sich mit ihrem eigenen Lernen in konkreten Situationen oder an ausgewählten Aufgaben aus der Distanz (und somit nicht eingebunden in die eigentliche Handlung) auseinanderzusetzen, Rückmeldung zu erhalten und Konsequenzen für den weiteren Prozess zu ziehen. Lehrende sehen oft rasch, was Kinder jetzt können, was sie gelernt haben oder was ihnen gelungen ist. Kinder selbst haben diese Klarheit oft (noch) nicht. Deshalb ist es wichtig, ihnen Möglichkeiten zu bieten, dies selbst wahrzunehmen und auch zu formulieren. Denn nur wer sein eigenes Lernen und Können beobachten und einschätzen kann, wird auch die prozessuale Dimension des Lernens reflektieren können. Raum eröffnet sich beim Theologisieren durch die »anderen«, die in der Interaktion Lernen anregen und in der Relation Möglichkeiten zur Selbsteinschätzung bieten. Darüber hinaus brauchen solche Lernphasen Raum für die Gedanken der Kinder. Dies geht mit einer Offenheit von Seiten der Lehrperson einher. Sie ist – wenn die Reflexion im Gespräch stattfindet – Hörende und kann von den Gedanken der Kinder aus Rückmeldung geben, ggf. verbunden mit konkreten Lerntipps.1075 Dazu ist eine offene Haltung erforderlich. Die Lehrperson muss sich ganz auf die Kinder, deren Blick auf das Lernen sowie deren Lernentwicklung einlassen können. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll und erfordert Professionalität, die wiederum auf einem fundierten (religions-)pädagogischen und psychologischen Fachwissen basiert. Auch Lehrende brauchen für sich selbst Raum für die Reflexion.1076 Da LehrLern-Situationen überaus komplex sind und die Lehrperson im Unterricht flexibel und zeitnah agieren muss – also meist wenig Zeit zum Überlegen oder gar gründlichen Reflektieren bleibt – ist es wichtig, sich dafür im Nachhinein Zeit zu nehmen. Ausgehend von Reich kann zwar angenommen werden, dass Lehrende in der Situation selbst ihre eigenen Beobachter sein können und deshalb auch zu 1075 Vgl. Hattie 2014, 280–282. 1076 Vgl. auch Freudenberger-Lötz 2007; Reis 2012; Mendl 2005.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

überlegtem und begründetem Handeln fähig sind.1077 Dennoch kann Distanz helfen, einzelne Situationen zu klären, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, das weitere Vorgehen zu entwickeln oder sich auf inhaltliche bzw. theologische Aspekte vorzubereiten. (2) Lernprozesse in den Blick nehmen Klassischerweise stehen im Zentrum des Religionsunterrichts oft einseitig Lerninhalte, die durch die Bildungspläne vorgegeben werden. Dies begünstigt unwillkürlich die Betonung der inhaltlichen Komponente des Lernens. Gerade das Theologisieren bricht eine einseitige inhaltliche Fokussierung jedoch auf, indem die Fragen und Themen der Kinder in den Mittelpunkt rücken. Damit wird eine Anbindung an individuelle Interessen, Themen und Fragen möglich und Lernen erhält eine subjektive Dimension. Sollen Kinder Verantwortung für ihr Lernen übernehmen können, brauchen sie ein Wissen darüber, wie Lernen funktioniert. Der Lernprozess rückt so in den Fokus. Wenn in Reflexionsphasen über das eigene Lernen nachgedacht wird, dann kann dies auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen: die der Inhalte und Kompetenzen, der Strategien, der sozialen und emotionalen Aspekte. In der Reflexion geht es somit um das Bewusstwerden des aktuellen Lernstandes bzw. dessen, was neu gelernt wurde, das aktuelle Lernziel, das angestrebt wird, lernförderliche und lernhemmende Faktoren beim Lernen, den nächsten Schritt, das nächste Ziel, begleitende Emotionen, Strategien, Bewusstwerden und Aufzeigen einer Entwicklung, Vorhaben für das weitere Lernen etc. Eine (Selbst-)Reflexion auf der Grundlage dieser Aspekte nimmt sowohl die inhaltliche Ebene als auch den Lernprozess in den Blick. Lernprozesse können im Religionsunterricht auch ausgehend von den prozessbezogenen Kompetenzen in den Bildungsplänen bzw. den Kompetenzen religiöser Bildung reflektiert werden, wie sie in Anlehnung an den Orientierungsrahmen der EKD formuliert sind.1078 (3) Metakognitive Fähigkeiten fördern Wenn es um die Förderung metakognitiver Fähigkeiten beim Theologisieren geht, dann ist dabei der Blick auf das Wissen der Kinder über ihr Wissen (epistemisches Wissen) sowie auf grundlegendes Wissen über Gesetzmäßigkeiten beim Lernen (systemisches Wissen) zu lenken, ebenso auf die Regulation (Planung und Überwachung des Lernprozesses), die Sensitivität für kognitive 1077 Vgl. Reich 2002b; Kap. 3.5.3. 1078 Vgl. Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I. Ein Orientierungsrahmen, EKD-Texte 111, sowie der Bildungsplan für den Religionsunterricht in der Grundschule, 2016 (online unter : http://www.bildungsplaenebw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GS/REV/LG; abgerufen am 3. 6. 2017).

Konsequenzen im Hinblick auf die Förderung metakognitiver Fähigkeiten

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Aktivitäten und auf eigene metakognitive Erfahrungen.1079 Sensitivität ist eine Fähigkeit, die indirekt zum Beispiel über eigene metakognitive Erfahrungen und deren Reflexion in Verbindung mit einer wertschätzenden Lernumgebung erworben und gefördert wird. Somit geht es zentral um die drei zuerst genannten Fähigkeiten. Metakognitive Erfahrungen stellen dann sich durch regelmäßige Reflexion und die Anwendung metakognitiver Fähigkeiten von selbst ein. Im Unterricht werden metakognitive Fähigkeiten beispielsweise gefördert durch bewusstes (Mit-)Planen von Lernschritten, Generieren von Fragen, bewusstes Treffen von Entscheidungen, Erkennen von Schwierigkeiten oder Überwachen und Reflektieren des Lernprozesses. Aus den bisherigen Überlegungen lassen sich zahlreiche Fragen als Grundlage für die Planung und Gestaltung von Unterricht ableiten: – Welche Möglichkeiten haben die Kinder, sich an der Planung der Lernsequenz zu beteiligen? – Wie werden die Fragen und Interessen der Kinder eingebunden und schließlich mit ihrem eigenen Lernprozess verknüpft? – Wie werden Lernfortschritte und Lernentwicklungen sichtbar gemacht und von bzw. mit den Kindern reflektiert? – Welche Möglichkeiten der Reflexion werden angeboten (z. B. mündlich – schriftlich; alleine – mit einem Lernpartner – mit der Lehrperson – in der Lerngruppe; mit Leitfragen – offen)? – Welche Methoden zur Reflexion und Selbsteinschätzung sind bzw. werden eingeführt? – Wann sind fest in den Unterricht eingeplante Reflexionszeiten? – Wann, wie und von wem erhalten die Kinder Rückmeldung zu ihrem Lernstand und ihrem Lernprozess? – Etc. Die Fülle der Fragen führt deutlich vor Augen, dass metakognitive Fähigkeiten nicht nur nebenbei aufgebaut und gefördert werden können – und eben doch nebenbei, nämlich im Kontext der inhaltlichen Arbeit im Unterricht. Sie sind kein Anhängsel des Unterrichts. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, die inhaltliche Dimension und diejenige der Reflexion bewusst miteinander zu verzahnen. Sie greifen sozusagen wie Zahnräder ineinander. Gehören reflexive Phasen in oben beschriebener Form zum Unterrichtsalltag, bleibt es nicht bei punktuellen Erfahrungen, sondern Schülerinnen und Schüler können und müssen Schlüsse bezüglich ihres Lernprozesses ziehen, die dann wiederum zu reflektieren sind. Dadurch kann ein Kind Einblicke in sein Lernen gewinnen, es immer besser verstehen und dabei lernen, Einfluss darauf zu nehmen. 1079 Vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 98; Kap. 5.5.1.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

Als Anregung für das Theologisieren im Religionsunterricht kann Schaubild 21 zusammen mit den vorgeschlagenen Fragen (siehe Tab. 4) dienen. Hier sind ausgehend von einem idealtypischen Unterrichtszyklus mögliche Fragen für das Nachdenken über das Lernen gesammelt. Einige der Fragen nehmen bewusst die Bedeutung anderer für das eigene Lernen – und somit eine der zentralen Erkenntnisse – auf. Beim Nachdenken über das Lernen (Kasten rechts) befindet sich oben zuerst das Nachdenken über den Lernstand, also das Können der Kinder und erst im zweiten Schritt wird der gesamte Lernprozess in den Blick genommen. Diese Reihenfolge kommt dem Denken der Kinder nahe. Ausgehend vom konkreten Tun und einzelnen Ergebnissen bzw. Produkten kann der komplexe Lernprozess in den Blick genommen werden.1080 Die vielfältigen Fragen sollen Lehrenden Anregungen geben, wie sie mit ihren Schülerinnen und Schülern über ihr Lernen an unterschiedlichen Stellen des Lernprozesses ins Nachdenken kommen. Ziel wäre es, dass die Kinder und Jugendlichen diese und ähnliche Fragen allmählich internalisieren und sich selbst während des Lernprozesses stellen. Gerade bei Grundschulkindern zeigen vielfältige Unterrichts- und Fortbildungserfahrungen, dass die Reflexion oft dann besser gelingt, wenn sie nicht nur mündlich oder schriftlich erfolgt, sondern die Kinder methodisch und durch Material zum Nachdenken und Sprechen motiviert werden. Dadurch bleibt sie für sie nicht nur auf einer abstrakten Ebene. Diese Erfahrung kann auch aus den unterschiedlichen Erhebungen bestätigt werden.

Zielklärung

Planung und Gestaltung

Reflexion Nachdenken über Fragestellung Lernstand und Lernprozess

Abb. 21: Unterschiedliche Phasen im Lernprozess bieten Anlass zur Reflexion

1080 Die Idee zu diesem Überblick geht von Petra Freudenberger-Lötz’ Drehscheibe (Freudenberger-Lötz 2017) aus. Während sie den Blick auf die Lerngruppe lenkt, ist hier auf der Grundlage der gesamten Arbeit das einzelne Kind im Blick.

Konsequenzen im Hinblick auf die Förderung metakognitiver Fähigkeiten

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Fragen zur Reflexion während des Lernprozesses Nachdenken über das Lernen a) Lernstand (Können) Habe ich mein Ziel erreicht? Wie gut ist mein Lernprodukt gelungen? Womit bin ich zufrieden, womit weniger? Warum? Was war neu, spannend, anregend, irritierend …? Wie bewerte ich die diskutierten Lösungen/ Antworten? Wie bin ich auf diese Idee gekommen? Was möchte ich mir merken? Was möchte ich in meinem Herzen bewahren? Zielklärung Welche Gedanken anderer haben mich ins Was möchte ich genau Nachdenken gebracht, (nicht) überzeugt …? Warum? herausfinden? Welche Gedanken oder Anregungen habe ich von Wozu ist das (für mich) anderen? Was? Von wem? wichtig? b) Lernprozess (Lernen) … Beschreibe deinen Lernweg! Fragestellung Wo habe ich angefangen? Wie bin ich darauf gekommen? Was war an einzelnen Stellen? Wie sehen die anderen das? Wo stehe ich jetzt? An was erinnert mich diese Was ist mir leicht/schwer gefallen? Frage? Was hat mir geholfen? Welche Gedanken gehen mir Was war eher hinderlich? dazu durch den Kopf ? An welcher habe ich mich gefreut, war glücklich, … ungeduldig, enttäuscht …? Was würde ich das nächste Mal anders machen? An welcher Stelle waren andere Kinder für mein Lernen wichtig? Warum? … Tab. 4: Fragen zur Reflexion für unterschiedliche Phasen des Lernens Planung und Umsetzung Was weiß ich schon zu dieser Frage? Was möchte ich noch wissen? Wo kann ich mich informieren? Was mache ich mit wem? Wie können andere mich unterstützen? Was soll das Lernprodukt sein? …

11.4.2 Konsequenzen für die Professionalisierung von Lehrenden Die soeben beschriebenen Konsequenzen für den Religionsunterricht scheinen für viele Lehrerinnen und Lehrer eine Herausforderung.1081 Religionsunterricht sieht im Alltag oft anders aus, reflexive Elemente werden in erster Linie punktuell und ohne Einbettung in ein Konzept eingebracht, ebenso findet eine Rückbindung an das Lernen bzw. den Lernprozess der Kinder nur vereinzelt statt. Gerade für das Fach Evangelische Religion kommt erschwerend hinzu, dass 1081 Als Grund dafür, dass es vielen Lehrerinnen und Lehrern schwerfällt, sich auf Neues einzulassen oder sich zu ändern, nennt Hattie die Tatsache, dass dabei »ihre eigenen Konzepte des Lehrens und Lernens« (Hattie 2014, 296) in Frage gestellt werden und ihnen oft die Freiheit fehlt, sich eigenes Scheitern einzugestehen. »Das Bedürfnis nach Sicherheit, Kontrolle und Einfachheit« (Hattie 2014, 297) steht ihnen dabei im Weg.

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

in der Grundschule viele Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Religionspädagoginnen und Religionspädagogen unterrichten, also Lehrende, die die Kinder nur aus diesem Unterricht kennen. Staatliche Lehrerinnen und Lehrer können auch der Klassenlehrer / die Klassenlehrerin sein und sie können einfacher an Erfahrungen aus anderen Fächern anknüpfen und diese auf den Religionsunterricht übertragen. Die Schwierigkeit ist nicht, einzelne reflexive Methoden in den Unterricht einzubeziehen, sondern vielmehr die Verzahnung von inhaltlichem Lernen und einer reflexiven Begleitung des individuellen Lernprozesses. Um dies zu ermöglichen, sind ein Bewusstsein für die Bedeutung reflexiver und metakognitiver Prozesse bei der Lehrperson, aber auch eine Haltung der Offenheit gegenüber dem Kind sowie Interesse an der Lernentwicklung des Kindes erforderlich. Dies sind zweifelsohne hohe Anforderungen an die Professionalität von Lehrenden. Darüber hinaus sind Fortbildungsangebote nötig, die den Teilnehmenden nicht nur Methoden für die Reflexion an die Hand geben, sondern Reflexion sowie metakognitive Kompetenzen in die Fortbildungsdidaktik integrieren, damit Lehrende eigene Erfahrungen in diesem Bereich machen können. Um an der Haltung der Lehrenden zu arbeiten, sind modularisierte Formate sinnvoll, in denen Fortbildungsinhalte, mitlaufende Praxiserfahrungen (in den Zeiten zwischen den Modulen) und die Reflexion des eigenen Unterrichtens und Lernens miteinander verzahnt werden. Um zukünftige Lehrerinnen und Lehrer von Anfang an an diesen wichtigen Bereich heranzuführen, sind Reflexion und Metakognition bereits während des Studiums sowie der Ausbildung an den Staatlichen Seminaren (2. Phase der Lehrerbildung) nicht nur im Bereich der Schulpädagogik oder der Pädagogischen Psychologie einzubringen, sondern auch in die einzelnen Fächer und Fachbereiche. Sinnvoll erscheint eine Vernetzung – beispielsweise in bereichsübergreifenden Seminaren – zwischen Pädagogik, Psychologie und Religionspädagogik. In solchen Seminaren sind Reflexion und Metakognition nicht nur inhaltlich ein Thema, sondern werden auch hochschuldidaktisch aufgegriffen, so dass die Studierenden bereits während ihres Studiums deren Bedeutung selbst erfahren und dadurch eine entsprechende Haltung ausbilden können. Dabei kann auch an bereits vorhandene Konzepte zur Professionalisierung, wie z. B. Forschendes Lernen, die Arbeit mit Fallstudien und das inzwischen weit verbreitete Praxissemester1082 als Teil des Studiums angeschlossen werden. An 1082 Vgl. Schubarth u. a. 2012. In dieser Studie wird deutlich, dass im Praxissemester gerade die selbst wahrgenommenen fachlichen Kompetenzen deutlich zunehmen, auch bei den überfachlichen Kompetenzen konnten »Entwicklungen in die gewünschte Richtung beobachtet werden« (ebd., 215). Gleichzeitig hat jedoch das Belastungserleben der jungen Lehrer/innen während des Praxissemesters Einfluss auf ihre »Selbstwahrnehmung im Bereich der allgemeinen und spezifischen Fachkompetenzen« (ebd., 215). Bach u. a. (2012) erinnern an die bekannte Bedeutung entlastender Handlungsbedingungen im

Konsequenzen im Hinblick auf die Förderung metakognitiver Fähigkeiten

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unterschiedlichen Stellen im Verlauf des Studiums gilt es, über Chancen, Herausforderungen und mögliche Grenzen nachzudenken und diese auszuloten. Insbesondere für das Fach Evangelische Theologie/Religionspädagogik ist es von Bedeutung, Grundlagen über das Lernen der Kinder in den Bereich Religionspädagogik und Religionsdidaktik zu integrieren und mit konkreten Inhalten zu verknüpfen. Auch während der zweiten Phase der Lehrerbildung ist diesbezüglich eine Vernetzung zwischen Pädagogik, Schuleingangsphase und den einzelnen Fächern weiter auszubauen und im Ausbildungskonzept zu verankern. Gerade in der zweiten Phase der Ausbildung sollte es um eine Reflexion des eigenen Lernens in Verbindung mit der Reflexion von Unterricht sowie der Reflexion im Unterricht gemeinsam mit den Kindern gehen. Reflexion und Feedback sollten in unterschiedlichen Ausbildungssettings selbstverständlicher Bestandteil sein. Gerade im komplexen Praxisfeld »Schule« wird deutlich, dass Lernen sehr unterschiedlich verläuft und das, was einer Person weiterhilft, für eine andere möglicherweise nicht zielführend ist. Die bewusste Reflexion von Praxiserfahrungen in der Seminargruppe kann darüber hinaus den eigenen Blick erweitern und neue Handlungsperspektiven eröffnen.

11.4.3 Einordnung in die Kindertheologie Zusammenfassend kann zunächst festgehalten werden: Kinder können durchaus differenziert und qualifiziert über ihr Lernen sprechen. Dabei verfügen sie über ein Konzept von Lernen, das weder eindimensional noch unreflektiert ist, sondern in welchem komplexe Zusammenhänge bewusst sind und formuliert werden. Die Kinder haben zahlreiche Strategien ausgebildet, die für die Reflexion und Metakognition von Bedeutung sind. Dem Ergebnis der Studie kommt insofern Bedeutung zu, als die Erkenntnisse auf Aussagen von Kindern aus Reflexionen über erlebten Unterricht basieren, denn wer das Denken, Handeln und Lernen von Kindern verstehen möchte, muss sich auf ihre Sichtweisen einlassen können – auch im Unterrichtsalltag, nicht nur im Rahmen einer Forschungsarbeit. Abschließend soll eine Einordnung in die Kindertheologie vorgenommen werden. Dies geschieht in zwei Richtungen: Einerseits geht es um einen übergreifenden Bildungswert des Theologisierens mit Kindern und andererseits um die Verortung innerhalb der Theologie mit Kindern. Da es in Theologischen Gesprächen über die Inhalte hinaus um die Förderung Kontext von Praktika. Praxisnahe Lerngelegenheiten sind »so anzulegen, dass Studierende inhalts- und methodenorientierte Unterrichtsplanung unter entlastenden Handlungsbedingungen betreiben können und dass diese planungsbasierten Unterrichtsversuche nachfolgend analysiert werden« (Bach 2012, 117).

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

prozessbezogener Kompetenzen geht, ist eine übergreifende Dimension des Lernens in kompetenzorientierter Perspektive bereits im Blick. Gerade Kompetenzen wie Kommunizieren, Begründen, Deuten oder Urteilen werden beim Theologisieren an konkreten Inhalten deutlich und weisen eine nicht zu übersehende Lebensrelevanz auf. Sollen diese prozessbezogenen Kompetenzen als übergreifende Kompetenzen religiöser Bildung bewusst gefördert werden, reicht eine »Reflexion über religiöses Denken«1083 auf der inhaltlichen Ebene nicht aus. Wird einseitig die inhaltliche Dimension in den Blick genommen, besteht die Gefahr der Vermittlung. Eine Didaktik, die die Lernenden in umfassender und zukunftsorientierter Perspektive im Blick hat, muss auch das Lernen als solches zum Gegenstand von Unterricht machen. Gleichzeitig kann in den prozessbezogenen Kompetenzen, welche den Lernprozess fokussieren, ein verbindendes Element zwischen den einzelnen Unterrichtsfächern gesehen werden. So kommt dem Theologisieren ein übergreifender Bildungswert zu, der eine Reflexion des gesamten Lernens nahelegt. Die Bedeutung der Ergebnisse der Studie sind auch für die Kindertheologische Diskussion relevant. Das Theologisieren für Kinder kann bezogen auf die metakognitive Dimension des Lernens vernachlässigt werden, da es hier insbesondere um Inhalte geht, die Lehrende einbringen. Auch beim Theologisieren der Kinder gibt es keine zentralen Ansatzpunkte. In beiden bisher genannten Bereichen kann aber selbstverständlich eine Selbstbeobachtung während des Lernens erfolgen. Interessant ist vielmehr das Theologisieren mit Kindern. Im gemeinsamen Gespräch kann die Lehrperson das Nachdenken der Kinder auf unterschiedlichen Ebenen anregen. Die inhaltliche Ebene ist dabei zunächst im Blick, doch ebenso können der Lernprozess und damit verbundene Lernstrategien und Emotionen reflexiv eingeholt werden. Ziel wäre es, den Kindern in unterschiedlichen Phasen des Lernens die Möglichkeit zur Reflexion auf allen Ebenen zu geben. Dies kann sowohl mündlich als auch schriftlich in methodisch abwechslungsreicher Form geschehen. Ein angemessenes und lernförderliches Verhältnis von Inhalt und Lernprozess bei der Reflexion muss ausgelotet werden. Wie viel Reflexion des Lernprozesses dient dem Lernen bzw. wann wäre ein Zuviel gegeben, so dass Inhalte kaum mehr relevant sind? Das Theologisieren ist somit ein geeigneter Ort, um mit den Kindern ausgehend von der inhaltlichen Auseinandersetzung auch auf deren Lernprozess selbst zu blicken, diesen zu reflektieren und Konsequenzen für das weitere Lernen zu ziehen. Für den Aufbau metakognitiver Fähigkeiten ist es unerlässlich, der Reflexion nicht nur vereinzelt Aufmerksamkeit zu schenken, sondern diese kontinuierlich in den Unterricht einzubeziehen.

1083 Schweitzer 2003, 17.

Offene Fragen

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11.5 Offene Fragen Nach den bereits im letzten Abschnitt aufgeworfenen Fragen sollen jetzt am Ende der Arbeit noch weitere offene Fragestellungen benannt und damit weitere Forschungsfelder eröffnet werden. (1) Wie entwickeln sich metakognitive Strategien beim Theologisieren bzw. bezogen auf den Religionsunterricht? Und was sind förderliche und was hemmende Faktoren? So wie es Entwicklungsmodelle für das Lesen- oder Schreibenlernen gibt, wäre auch ein Modell bezogen auf die Entwicklung metakognitiver Strategien hilfreich. Wenn eine Lehrperson einschätzen kann, wo ein Kind in der Entwicklung steht, kann sie davon ausgehend folgern, was der nächste Schritt sein könnte. Ein solches Wissen würde ein entwicklungsförderliches Handeln im Unterricht zur Weiterentwicklung metakognitiver Fähigkeiten beim einzelnen Kind erleichtern. Zielgerichtet könnten diejenigen Fähigkeiten gefördert werden, die ein Erreichen der Zone der nächsten Entwicklung möglich macht. Dabei wäre auch hilfreich zu wissen, was lernförderliche und lernhemmende Faktoren sind. Zu verfolgen wäre auch, welche Bedeutung individuelle Themen für das Lernen des Kindes, dessen Reflexion sowie die Entwicklung metakognitiver Kompetenzen haben. (2) Wie können metakognitive Fähigkeiten insbesondere beim Theologisieren gefördert und metakognitive Prozesse angeregt werden? Dahinter steckt die von Lehrenden immer wieder berechtigt gestellte Frage »Und wie soll das im Unterricht gehen?«. Sie suchen also nach Möglichkeiten, metakognitive Fähigkeiten im Unterrichtsalltag zu fördern, doch oft fehlen ihnen dazu das nötige Fachwissen und konkrete Beispiele. Meines Erachtens müsste zuvor jedoch geklärt sein, wie sich metakognitive Strategien in unterschiedlichen Bereichen zeigen (Kriterien und Indikatoren) und entwickeln, um davon ausgehend Möglichkeiten abzuleiten, wie diese bewusst aufgebaut und weiterentwickelt werden können. Damit verbunden ist auch die Frage, wie Lehrende grundlegendes Fachwissen erwerben und eigene metakognitive Erfahrungen machen und reflektieren können, damit sie nicht methodische Elemente lediglich in ihren Unterricht aufnehmen, sondern Lernprozesse bei den Kindern bewusst evozieren können. Sie müssten schließlich anhand ihres Fachwissens dazu in der Lage sein, selbst Übungs- bzw. Reflexionsbausteine für den Unterricht ausgehend vom Lernstand der Kinder zu entwickeln. Sie bräuchten aber auch Kriterien an die Hand, um metakognitive Fähigkeiten einschätzen und bewerten zu können. Damit in Verbindung stehen Fragen nach dem Einfluss von

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Zusammenführung der Ergebnisse: Diskussion und Konsequenzen

Alter, Begabung, Geschlecht, Motivation, Lerntyp, Unterrichtssetting etc. auf die Entwicklung metakognitiver Kompetenzen. (3) Wie kann eine förderliche Haltung bezüglich der Bedeutung metakognitiver Prozesse sowie Sensibilität bei Lehrenden, Studierenden, Lehreranwärter/innen und Kindern gefördert werden? Unterricht ist ein komplexes Geschehen und viele Lehrende sind durch den Alltag herausgefordert und oft liegt die Ausbildung, in der ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, auch schon längere Zeit zurück. Alltagsroutinen stellen sich ein und verschließen manchmal den Blick für deren Reflexion. Die Frage der Haltung reicht allerdings weiter. Dabei geht es zunächst darum, dass Lehrende sehen, was Kinder und Jugendliche für ihr Lernen brauchen, dass sie aktuelle religionsdidaktische und pädagogische Forschungen und Wege der Umsetzung solcher Ergebnisse für den Unterrichtsalltag kennen und nutzen. Darüber hinaus bedarf es einer Offenheit und Neugierde, aber auch eines berufsbezogenen Selbstverständnisses, selbst Lernender zu sein. Bei Studierenden und Lehreranwärter/innen trifft man häufig auf eine Offenheit, doch entsteht teilweise der Eindruck, dass sie methodische Elemente im Unterricht wenig reflektiert und zielgerichtet einsetzen. So hört man von Schülerinnen und Schülern immer wieder Aussagen, wie »Schon wieder!«, die vermuten lassen, dass ihnen die Bedeutung solcher Verfahren wenig bewusst ist und sie möglicherweise keinen tatsächlichen Zusammenhang zu ihrem weiteren Lernen sehen, da Reflexion oft rückwärtsgewandt ist. Hinter diesen Beobachtungen stehen sowohl Fragen der Haltung als auch das Wissen um deren Bedeutung sowie die Erfahrung, was Metakognition für das eigene Lernen bedeutet. Bezüglich der Haltung ist auch danach zu fragen, welche Persönlichkeitsmerkmale Lehrende mitbringen und inwieweit diese solchen Herausforderungen entsprechen. Bisher haben in Deutschland Persönlichkeitsmerkmale keine Bedeutung für die Auswahl von Studierenden. Damit reflexive und metakognitive Kompetenzen beim Theologisieren für das Lernen der Kinder fruchtbar gemacht werden können, bedarf es einer Wahrnehmung dieser und ähnlicher Ergebnisse in der religionspädagogischen Forschung. In der Folge könnte eine Verschränkung zwischen religionsdidaktischen und auf das Lernen der Kinder bezogenen Konzepte erfolgen, so dass Studierende Fachdidaktik und Lernprozesse von Kindern stärker aufeinander bezogen in den Blick nehmen könnten. Eigene reflexive Erfahrungen im Studium bzw. in der zweiten Phase der Lehrerbildung könnten das spätere Lehrerhandeln unterstützen. Für Lehrende, die bereits im Schuldienst sind, wären längerfristige Fortbildungen oder auch regelmäßig stattfindende Gesprächsund Arbeitskreise, in denen solche Inhalte thematisiert werden können, eine denkbare Möglichkeit. Die vorliegende Arbeit möchte diesen Prozess anregen und dazu beitragen.

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Literatur

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Literatur

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