Vorarbeiten zur Geschichte Israels, Heft 1: Die vorexilischen Gesetze Israels. Im Zusammenhang seiner kulturgeschichtlichen Entwicklung

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Vorarbeiten zur Geschichte Israels, Heft 1: Die vorexilischen Gesetze Israels. Im Zusammenhang seiner kulturgeschichtlichen Entwicklung

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Priester und Leviten
Das Bundesbuch
Der Dekalog
Das Deuteronomium
Der Rahmen des Deuteronomiums
Stellenregister

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DIE VOREXILISCHEN GESETZE ISRAELS IM ZUSAMMENHANG SEINER KULTURGESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG VORARBEITEN ZUR GESCHICHTE ISRAELS.

HEFT 1

VON

A B R A M

M E N E S

BERLIN

1928 VERLAG VON ALFRED T Ö P E L M A N N

IN

GIESSEN

BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FUß DIE ALTTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT 50

Alle Rechte, inabesondere das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Printed in Gennany.

DEM ANDENKEN

HUGO GRESSMANNS GEWIDMET

Yorwort. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der altisraelitischen Geschichte sind von der bisherigen Forschung ganz stiefmütterlich behandelt worden. Dem Alttestamentler fehlt zumeist das Interesse für diese dem theologischen Gesichtskreise ganz fernliegenden Probleme, den Volkswirtschaftlern hingegen, die sich mit der altisraelitischen Geschichte befaßt haben, fehlte das notwendige philologische Rüstzeug, um hier selbständig vorgehen zu können. Das Beste, was überhaupt bisher zu diesen Fragen gesagt worden ist, gehört der Feder von ED. HEYES. Ihm gebührt auch das Verdienst, das Hauptproblem der altisraelitischen Geschichte, die levitisch-prophetische Bewegung und ihren Zusammenhang mit der großen sozialen Krise des neunten J a h r hunderts, zuerst richtig erkannt und gewürdigt zu haben. Die Arbeit von MAX WEBEB hingegen „Das antike Judentum" enthält zwar eine Fülle äußerst wertvoller Anregungen und Gedanken, bewegt sich aber immer noch in den alten Bahnen und hat insbesondere die eigenartige soziale und wirtschaftliche Struktur des alten Israel völlig verkannt. Sonst sind keine Arbeiten zu verzeichnen, die unser Wissen auf diesem dunklen aber äußerst wichtigen Gebiete der altisraelitischen Geschichte auch nur einigermaßen gefördert hätten. Nicht einmal die großen sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten J a h r e haben den Blick der Gelehrten auf diese Probleme zu lenken vermocht. Auch heute noch sind es fast ausnahmslos Außenseiter, die sich mit diesen Fragen beschäftigen und daher tragen auch alle derartigen Arbeiten durchaus kompilatorischen Charakter. Statt dessen hat sich in den letzten Jahren eine Bewegung breit gemacht, die in dem Rufe „Los von Wellhausen" das Heil unserer Wissenschaft erblickt; dieser Richtung haben sich in jüngster Zeit sogar Gelehrte von Ruf und Rang wie W . STAERK und M. LÖHB angeschlossen. Nun soll keineswegs behauptet werden, daß WELLHAUSEN gar nicht revisionsbedürftig sei. Was aber unserer Wissenschaft heute nottut, ist nicht die Rückkehr zu vorwellhausianischen Auffassungen, sondern die Fortführung der durch die wellhausianische Schule erfolgreich begonnenen Arbeit und ihre Ergänzung durch eine sozialpolitische Analyse der alttestamentlichen Quellen. Der Fehler WELLHAUSENS bestand nicht darin, daß er mit der Tradition zu radikal gebrochen hat, sondern umgekehrt darin, daß auch er noch der alten Tradition viel zu viel Tribut gezahlt hat.

Vorwort.

VI

Man beruft eich neuerdings vielfach auf den Kodex Hammurabi sowie auf die assyrischen und hethitischen Gesetze. Aber das Vorhandensein alter Gesetzessammlungen in Babylonien und Assyrien läßt über die Entstehungszeit der Gesetze des Pentateuch ebensowenig Schlüsse zu, •wie P L A T O und AEISTOTELES

für

die Entstehungszeit

der

Philosophie

der Renaissanceperiode. Auch unsere europäischen Nationen haben von der griechisch-römischen Kultur mindestens ebensoviel geerbt •wie die Israeliten von den alten Babyloniern und Ägyptern. Trotzdem bedurfte es eines Jahrtausends, bis wir an die alte griechische Kultur anschließen konnten. Daher ist es auch Pflicht des Alttestamentlers, in erster Linie die innere politische und kulturelle Entwicklung des israelitischen Volkes und die Besonderheiten seiner sozialen und wirtschaftlichen Struktur zu beachten. Damit soll indessen einer isolierten Betrachtung der israelitischen Geschichte keineswegs das W o r t geredet werden; aber das Licht kommt nicht nur vom Osten, sondern die Geschichte des demokratischen Griechenlands ist weit mehr geeignet, das Dunkel der israelitischen Gcschichte aufzuhellen, als die Geschichte der ihren sozialen und politischen Verhältnissen nach ganz anders gearteten altorientalischen Kulturstaaten. Die vorliegende Arbeit eröffnet eine Reihe von Untersuchungen zur alttestamentlichen Literatur, die den Zweck haben, Kultur und Religion des israelitischen Volkes im Lichte seiner sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu betrachten. Ich habe nicht ohne Absicht mit der Analyse der Gesetzessammlungen begonnen, weil hier die Notwendigkeit einer zusammenhängenden Behandlung klar vor Augen liegt. Das nächste Heft, das die Erzählungen des Hexateuch behandelt, wird voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres dem Drucke übergeben werden können. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geheimrat Professor EDUAKD MEYEB für vielfache Anregung und Förderung an dieser Stelle meinen innigsten Dank auszusprechen. Dem Andenken des leider so frühzeitig dahingeschiedenen HUGO GBESSMANN, dem ich als Lehrer und Menschen außerordentlich viel verdanke und der vorliegende Arbeit in die „Beihefte" aufgenommen hat, ist dies Buch gewidmet Besonderen Dank schulde ich ferner der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft" für die Bewilligung einer Druckuntersützung und dem jetzigen Herausgeber der „Beihefte" Herrn Prof. JOH. HEMPEL für Rat und Hilfe während der Drucklegung. B e r l i n , den 12. Mai 1928. Abram Menes.

Inhalt. Seite

Vorwort Priester und Leviten Dag Bnndesbuch Der Dekalog Das Deuteronomium Die Entstehnngszeit des Deuteronomiums Die Analyse der deuteronomischen Gesetze (12—26) Die sozialen Bestimmungen Der Staat und seine Organe Die Zentralisation des Kultus Die Kriegsgesetze Die religiös-kultischen Vorschriften Straf-, Zivil- und Familienrecht Der Rahmen des Deuteronomiums Stellenregister . . .

V— VI 1— 19 20— 45 46— 62 63—141 53— 77 78—127 78— 87 88— 96 97—108 109—113 114—116 117—125 126—141 142

Priester und Leviten. Die Priester werden von den meisten Forschern als die Träger der Rechtsprechung in Israel angesehen; sie gelten darum auch als die Verfasser der Gesetzessammlungen des Pentateuchs. Es empfiehlt sich daher, den folgenden Untersuchungen über die vorexilischen Gesetzessammlungen einige Bemerkungen über Priester und Leviten und ihr Verhältnis zueinander vorauszuschicken. Der Pc scheidet das Kultuspersonal in höhere und niedere Tempeldiener, die ersteren, denen allein das Recht des Opferns zusteht, werden K o h a n i m , die letzteren dagegen, die nur den niederen Tempeldienst versehen, L e v i t e n genannt. Nun ist längst erkannt, daß dieser Unterschied erst jüngeren Ursprungs ist, die vorexilische Zeit kennt ihn jedenfalls noch nicht. Diese Degradierung eines Teiles der Priesterschaft zu niederen Tempeldienern wird mit Recht auf die deuteronomische Reform zurückgeführt, die die Landheiligtümer abgeschafft und den ganzen Kultus in Jerusalem zentralisiert hatte. Die Priester der Heiligtümer, die seitdem als illegitim galten, konnten sich demselben Schicksal nicht entziehen; auch sie wurden fortan als des eigentlichen Jahvedienstes unwürdig und nur des niederen Tempeldienstes fähig betrachtet. Es ist bekannt, daß noch das Deuteronomium die Gleichberechtigung der Landpriester fordert; die jerusalemischen Priester haben aber trotz der eindeutigen Bestimmung des Deuteronomiums ihre Wünsche durchgesetzt Bei Ezechiel scheint dieser Tatbestand noch ganz deutlich hindurch. Es wäre aber verfehlt aus diesem Grunde mit den meisten Porschern anzunehmen, daß die vordeuteronomische Zeit überhaupt keinen Unterschied zwischen Leviten und Priestern kannte. "Weiß doch auch die jahvistische Schicht von Kämpfen zwischen Priestern und Leviten oder, was dasselbe ist, zwischen Aharon und Mose zu erzählen, wie Ex 3 2 und Num 1 2 zeigen. Es ist das Verdienst von E D . M E T E B , daß er die Verschiedenheit der Leviten von den Priestern richtig erkannt und auf ihre große Bedeutung für die Geschichte der israelitischen Religion hingewiesen hat In einigen wesentlichen Punkten jedoch Beihefte z. ZAW 50

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Priester und Leviten.

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kann ich ihm nicht folgen, insbesondere was den Ursprung der Leviten betrifft und, was damit aufs engste zusammenhängt, in der Meinung, daß die jahvistische Bewegung, die im Levitismus ihren höchsten Ausdruck fand, ihren Ursprung im Süden hatte und erst von dorther in Nordisrael eingedrungen sei. Man ist vielmehr berechtigt, das Gegenteil zu vermuten; denn die ersten Propheten Elia, Arnos und Hosea, treten uns in Nordisrael entgegen. Priester wie Leviten leiten sich beide vom Stamme Levi ab, der nach alter Tradition von Hause aus mit dem Priesterberuf nichts zu tun hatte und erst später zu einem geistlichen Stamm geworden ist. Eine solche Umwandlung eines ursprünglich weltlichen Stammes in einen geistlichen ist aber ganz unwahrscheinlich; daran können auch die Erklärungen der Modernen, die diesen Übergang als Folge der Katastrophe bei Sichern (Gen 34) plausibel zu machen versuchen — ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit dieser Sichemgeschichte selbst — nichts Wesentliches ändern. Es fragt sich deshalb: liegen uns wirklich authentische Zeugnisse für diese Auffassung von dem ursprünglich weltlichen Charakter der Leviten vor? Als älteste Nachricht über die Leviten wird mit Recht der Levispruch im Jakobsegen Gen 49, 5—7 angesehen. Dieser soll, nach der Meinung der meisten Gelehrten, den weltlichen Stamm Levi im Auge gehabt haben; denn von den geistlichen Aufgaben der Leviten ist hier noch keine Rede. Der Levispruch lautet: Simeon und Levi die Brüder, 1 Werkzeug des Frevels sind ihre In ihren Rat komme nicht meine Seele, Zu ihrer Versammlung geselle sich nicht mein Herz, Denn in ihrem Zorn haben sie Männer gemordet Und in ihrem Mutwillen Stiere verstümmelt. Verflucht sei ihr Zorn, daß er so heftig, Und ihr Grimm, daß er so grausam ist. Ich will sie verteilen in Jakob Und zerstreuen in Israel. Seit altersher wird dieser Spruch mit Gen 34, der Sichemgeschichte, wo ebenfalls von Simeon und Levi die Rede ist, in Zusammenhang gebracht; Jakob verflucht seine Söhne deswegen, weil sie S i c h e r n frevelhafterweise getötet haben. Man glaubt sogar diesen Spruch geschichtlich deuten zu können. Simeon und Levi seien später der Rache der Kanaanäer verfallen, wodurch ihr Stammverband zerschlagen und 1

Die Bedeutung von orrn-oe ist unklar, vgl. die Kommentare.

Priester und Leviten.

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der Rest unter die übrigen Stämme versprengt wurde. Nun ist aber die Sichemsage keineswegs so klar und durchsichtig, wie es auf den ersten Blick wohl scheinen mag. Vor allem ist nicht auszumachen, was gerade Simeon und Levi in Sichern zu tun hatten, die doch nach anderen Traditionen im Süden Judas ihren Wohnsitz hatten; so wenigstens Simeon nach Rieht 1, 3. In Sichern hingegen wohnen, wie die Abimelechgeschichte (Jud 9) lehrt, in der Richterzeit und auch später die Manassiten. Bs ist aber unzulässig, den dunklen Spruch durch eine noch dunklere Geschichte zu erklären. Noch unverständlicher wäre die Verfluchung zweier Stämme wegen der Tötung und Ausplünderung der Sichemiten. Was Simeon und Levi getan haben, war im Altertum überhaupt und in Israel insbesondere keine ungewöhnliche Erscheinung; das Deuteronomium betrachtet sogar die Vollstreckung des Bannes an den Kanaanäern als ein göttliches Gebot, und auch den älteren jahvistischen Quellen gilt die Vollstreckung des Bannes als eine Jahve wohlgefällige Handlung (Jud 1,17; Num 21,1—3). Das Wichtigste aber ist, daß auch Gen 49 in Wirklichkeit keinen weltlichen Stamm Levi kennt; denn um den Spruch über Levi zu verstehen, müssen wir nicht, wie es bisweilen geschieht* von der Motivierung, sondern vom Fluch selbst ausgehen. Dieser will erklären warum die beiden Stämme im Unterschied von den übrigen keinen festen Wohnsitz haben und über ganz Israel verstreut leben. Was hier erst in Aussicht gestellt wird, ist in Wirklichkeit längst eingetreten. Der vorliegende Spruch kennt demnach nicht mehr den weltlichen Stamm Levi, sondern nur seine angeblichen Reste. Zwar setzt er voraus, daß es einst einen solchen Stamm gegeben habe, aber ob diese Voraussetzung auf historischer Überlieferung oder späterer Konstruktion beruht, läßt sich auf Grund des Jakobsegens nicht entscheiden. Wenn man jedoch in Betracht zieht, daß uns sonst keine anderen Belege für die einstige Existenz eines weltlichen Stammes Levi vorliegen, so läßt sich die Frage nicht von der Hand weisen, ob nicht auch hier auf den geistlichen Stamm Levi, der wirklich (das haben GBESSMANN, Anfänge Israels, 2, S. 67, 176 und neuerdings HÖLSCHEE, Paulys RealEncyklopädie, 12, 2, S. 2155 ff. richtig erkannt) über ganz Israel verstreut war, angespielt wird? Von diesen geistlichen Leviten erzählt uns Ex 32, die Geschichte vom goldenen Kalb: Als Mose vom Horeb herabstieg und von dem Abfall der Israeliten erfuhr,- „da stellte sich Mose an das Tor des Lagers und rief: wer Jahve angehört, trete her zu mir; da versammelten sich bei ihm alle Söhne Levis. Er aber sprach zu ihnen: So spricht Jahve, der Gott Israels: Gürtet ein jeder sein Schwert an seine Seite 1*

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Priester und Leviten.

und geht im Lager hin und wieder von einem Tor zum andern und bringt alles um, Brüder, Freunde und Verwandte. Die Söhne Levis aber taten nach dem Geheiß Moses, und es fielen von dem Volke an dem Tage gegen dreitausend Mann", 32, 26—28. Die Leviten treten hier als die eifrigen Verfechter des reinen Jahvekultes auf, da sie sich Mose in seinem Kampfe gegen den Stierkultus bereitwillig zur Verfügung stellen. Nun zeigt es sich bei nähcrem Zusehen, daß der Segen Jakobs diese Geschichte im Auge hat: „Denn in ihrem Zorn haben sie Männer "gemordet, in ihrem Mutwillen den Stier verstümmelt". Damit ist wahrscheinlich die Tötung der Anhänger des Stierkultes und die Zermalmung des goldenen Kalbes gemeint, wovon uns Ex 32 e r z ä h l t D e r Segen Jakobs wird demnach von einem Gegner der Leviten herrühren, der Anhänger der Stierveröhrung war. Es ist sicherlich auch kein Zufall, daß die Verfluchung Levis Jakob in den Mund gelegt wird, der mit dem Stierkultus eng verknüpft gewesen zu sein sche'int, wie die Bezeichnungen „Stier Jakobs" oder „Stier Israels" zeigen. Gegen diese Deutung von Gen 49 spricht scheinbar der Umstand, daß dort nicht nur von Levi, sondern auch von Simeon die Rede ist. Aber in Wirklichkeit gab es ebensowenig einen Stamm Simeon wie einen Stamm Levi, was schon aus dem Segen Jakobs unzweideutig hervorgeht; denn dieser kennt nur die angeblich versprengten Reste der Simeoniten. Eingehend darüber wird erst unten gehandelt werden können. Der Segen Moses dagegen ist von einem Anhänger der Leviten verfaßt, worauf schon die Tatsache hinweist, daß er Mose zugeschrieben wird. Da heißt es über Levi: 8. (Gib Levi) 2 deine Tummim Und deine Urim deinem Getreuen, den du erprobt bei Massa, für den du gestritten am Wasser von Meriba, 9. der von seinem Vater [und seiner Mutter] 3 sagte: „Ich sah ihn nie... der seine Brüder nicht anblickte und seine Söhne nicht kannte, 1 Daß das goldene Kalb nur ein Spottname für den Stier ist und daß es sich Es 32 um den Abfall zum Stierkultus handelt, ist allgemein anerkannt. Das hat auch die alte israelitische Tradition gewußt wie Ps 106, 19. 20 zeigen: „Sie machten ein Kalb am Horeb / und beteten an das Gußbild / und vertauschten ihren Stolz / mit dem Bild eines Stiers, der da Gras ißt." 1 So mit LXX und den meisten Neueren. * Streiche ionSi wegen des Sing, in 9aß, außerdem ist V 9a auch rhythmisch tiberfüllt.

Priester und L e v i t e n .

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weil sie dein "Wort bewahrten und dein Gesetz hielten. 10. Möchten sie Jakob deine Rechtssätze lehren und deine Weisung Israel; möchten sie Opferrauch in deine Nase bringen und Ganzopfer auf deinen Altar! 11. Segne, Jahve, sein Vermögen und laß dir seiner Hände W e r k gefallen; zerschmettere die Hüften seiner Gegner und seiner Hasser, daß sie sich nicht erheben! Dieser Spruch schließt im Gegensatz zum Jakobsegen mit einem Fluch auf die Feinde der Leviten, damit sind wohl die Anhänger der Stierverehrung, zu denen auch der Verfasser des Jakobsegens gehörte gemeint. G R E S S M A K N und B U D D E haben richtig erkannt, daß 38, 9 auf Ex 32, 25 Bezug nimmt, wo sie von Mose beauftragt werden, ihre eigenen Brüder, Freunde und Verwandte zu töten. Gen 49 und Deut 33 gehören demnach insofern zusammen, als sie sich auf dieselbe Begebenheit beziehen; nur bringen sie diametral entgegengesetzte Beurteilungen der Leviten zum Ausdruck. Damit ist auch bewiesen, daß die Meinung von B Ä N T S C H und Ex 32, 25—29 sei späterer Zusatz, falsch ist; denn schon die ältesten Sprüche in den Liedern, die uns vorliegen, haben den Zusammenhang der Leviten mit der Geschichte vom goldenen Kalbe gekannt. Dies wird übrigens auch dadurch bestätigt, daß Aharon, der Ahnherr der Priester, als der Anstifter zum Abfall von Jahve, im Gegensatz zu den jahvetreuen Leviten, hingestellt wird. Die Sage vom goldenen Kalb will uns demnach nicht nur von den religiösen Verirrungen der Israeliten, sondern vor allem von der Entstehung der Leviten und von ihrer Einsetzung in das Priesteramt, da sie an die Stelle der aharonidischen Priester traten, erzählen. In der gegenwärtigen Fassung der Sage ist zwar von einer Bestrafung Aharons nichts erwähnt, man wird aber wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die ursprüngliche Fassung auch von der Bestrafung Aharons erzählt hat. Denn es wäre unbegreiflich, daß zwar die weniger schuldigen Israeliten hart bestraft würden, dagegen der Hauptschuldige Aharon mit einem blauen Auge davon käme. Die Bestrafung Aharons bestand wohl darin, daß er als der Anstifter yon den Leviten getötet und diese für ihre Treue zu Jahve mit dem Priestertum belohnt wurden. Von letzterem ist jedenfalls 32, 29 die Rede: „Mose aber sprach: füllet euch heute die Hände für Jahve, denn jeder war gegen seinen Sohn und G E E S SIL A N N ,

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Priester und Leviten.

gegen Beinen Bruder, und es gilt heute darum Segen auf euch zu legen." Die Leviten sollen also fortan als Priester an Stelle Aharons walten, denn T „die Hand füllen" ist, wie bekannt, Term. techn. für das Einsetzen in das Priesteramt. „Das Priestertum wird dem Aharon genommen und auf die Leviten übertragen" bemerkt richtig Guessmanx, Mose S. 213. Er hat auch erkannt, daß sich noch eine dunkle Kunde von diesem Vorgang Deut 10, 6 f. erhalten hat, wo die Leviten gleich nach dem Tode Aharons in ihr Amt eingesetzt werden. Auch Deut 33 wird die Verleihung der Urim und Tummim an die Leviten auf dieselbe "Weise motiviert. Es geht aber aus diesen beiden Stellen mit aller Deutlichkeit hervor, daß die Leviten keineswegs, wie bisher meist angenommen wird, einen erblichen Priesteradel darstellten; im Gegenteil, um Levit zu werden, mußte man Eltern und Kinder verleugnen, und nur wer dessen fällig war, konnte Jahvediener werden. Daß dies wörtlich und keineswegs etwa im übertragenen Sinne aufzufassen ist, werden die weiteren Ausführungen zeigen. Von Gegensätzen zwischen Aharon und Mose, oder, was dasselbe ist, zwischen Priestern und Leviten wird uns noch Num 12 erzählt. Da wird von Aharon und Mirjam gegen Mose der Vorwurf erhoben, unberechtigterweise das Monopol der Proplietie für sich zu beanspruchen, während in Wirklichkeit auch sie als Propheten zu gelten haben: „Hat Jahve denn nur mit Mose geredet, hat er nicht auch mit uns geredet'1 (12, 2). Auch hier ist auffallend, daß nur Mirjam bestraft wird, was doch sicherlich nicht ursprünglich sein kann. Den späteren priesterlich orientierten Redaktoren war es offenbar anstößig, auch den Ahnherr der Priester .bestrafen zu lassen, und sie haben daher die betreffenden Aussagen unterdrückt. Von Priesterhand stammt auch der Einschub Ex 32, 21—24, wo die Schuld am Abfall von Aharon auf das Volk abgewälzt wird. In diesem Sinne ist dann auch der Anfang der Erzählung umgearbeitet worden: 32,1. 4b. 5a, wo nicht Aharon, sondern das Volk als der Schuldige hingestellt wird. Eine Parallele zu Ex 32 ist uns noch Num 25 erhalten. Da ist von dem Abfall der Israeliten zum Baal-Peor erzählt, die von den moabitischen Weibern verführt werden. Die jahvistische Rezension ist lins hier nicht ganz erhalten, der Schluß ist zugunsten der P-Rezension weggebrochen: Ein israelitischer Mann bringt ein midianitisches Weib ins Lager. Als P i n e c h a s das sah, da erhob er sich aus der Gemeinde, und nahm einen Speer in seine Hand, ging hinter dem israelitischen Manne her bis in das innere Gemach und durchbohrte beide. Daraufhin verlieh Jahve dem P i n e c h a s als Belohnung für seine Heldentat und seinen Eifer das Priestertum. Nun hat aber gerade

Priester und Leviten.

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diese Sage im P keinen Platz, denn nach diesem war P i n e c h a s bereits kraft seiner Abstammung Priester. "Wir müssen daher annehmen, daß P hier eine ältere jahvistische Tradition überliefert hat. Diese hat ursprünglich erzählt, wie P i n e c h a s , der kein Priester war, für seinen Kampf gegen den Baal-Peor mit dem Priestertum belohnt ward. Dadurch ist aber ein weiterer Beweis geliefert, daß die Levitenepisode Ex 32, 25—29 kein späterer Einschub sein kann; denn die Geschichte vom Abfall zum Baal-Peor bildet doch deutlich eine Parallele zur Geschichte vom goldenen Kalb. Von großer Wichtigkeit ist ferner ein anderer Zug der Sage vom goldenen Kalb: nämlich, daß dieses aus den Ohrringen der Israeliten gefertigt wurde. Daß wir es hier nicht mit einer zufälligen Einzelheit zu tun haben, beweist 35, 5, wo Jahve den Israeliten befiehlt, ihren Schmuck abzulegen: „Da sprach Jahve zu Mose: Sprich zu den Söhnen Israels: Ihr seid ein halsstarriges Volk; wenn ich auch nur einen Augenblick in deiner Mitte hinaufzöge, so würde ich dich vertilgen. Nun aber leg deinen Schmuck von, dir ab; so will ich zusehen, was ich für dich tun kann.'1 Wir haben es hier mit einer Polemik gegen das Tragen von Schmucksachen und insbesondere von goldenen Ohrringen zu tun; wir begegnen hier zuerst dem levitischen Kampf gegen den Luxus, der uns auch bei den Propheten entgegentritt. Dieser puritanische Zug des Levitismus ist für das Verständnis der israelitischen Religion von außerordentlicher Bedeutung. Der Luxus wird verworfen, weil er, nach der Meinung der levitischen Kreise, zum Götzendienst verleite, wie die Geschichte vom goldenen Kalb zeigt. Es scheint, daß es den Leviten gelungen ist, ein Verbot gegen den Luxus durchzuführen, auf den hier angespielt wird. Eine Parallele zu Ex 33, 5 liegt uus noch Gen 35, l f . vor, wo Jakob seine Kinder auffordert, die fremden Götter, die sie bei sich haben und die Ohrringe, die sie tragen, abzutun, weil er nach Bethel ziehen will, um dort Jahve einen Altar zu errichten. Die Ohrringe werden hier den fremden Göttern gleichgesetzt. Es wird sich noch weiter unten zeigen, daß Gen 35 wie Ex 32, 33 auf dieselbe Begebenheit Bezug nehmen; nur wird dort auf Jakob übertragen, was ursprünglich von Mose und den Leviten erzählt wurde, denn der altern Tradition galt gerade Jakob als Anhänger der fremden Götter. Daraus geht hervor, daß die Leviten in eine Linie mit den Propheten, Rechabiten und Naziräern gehören; sie alle bekämpfen die Auswüchse der Kultur, die in dem übermäßigen Luxus der herrschenden Schicht ihren Ausdruck fand, wobei die Rechabiten die radikalste Spielart dieser levitisch-prophetischen Bewegung darstellen, denn sie verwerfen die ansässige Kultur schlechthin.

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Priester und Leviten.

Auf die enge Verwandtschaft der Leviten mit den Propheten weist noch folgender Umstand: Neben der Familienlosigkeit der Leviten, auf die wir schon aufmerksam gemacht haben, geht aus manchen Stellen hervor, daß auch die Besitzlosigkeit zum Charakteristikum der Leviten gehörte. So werden J u d 17, 7; 19, 1; Deut 18, 6 Leviten als G e r i m bezeichnet, auch Mose wird als Ger geschildert; er nennt daher seinen Sohn G e r s o m (Ex 2, 22), von dem sich das levitische Geschlecht der Daniten ableitet Rieht 18,30. Damit hängt die Bestimmung Deut 18,1 ff. aufs engste zusammen, wonach die Leviten keinen Anteil und Erbbesitz in Israel erhalten sollen. Zwar sind hier nicht nur die Leviten, sondern auch die Priester gemeint, aber wir können mit Sicherheit nachweisen, daß diese Forderung auf die Priester in der Zeit vor dem Dtn. keineswegs zutrifft. Der Priester Ebjathar hat nach I Kön 2, 26 eigenen Erbbesitz in Anathot. Dasselbe erzählt uns der Prophet Arnos von dem Priester Amazjahu in Bethel 7, 17, und so wird uns auch von dem Landbesitz Jeremias berichtet. Ebenso verlangt der Verfassungsentwurf Ezechiels für die Priester eigene Landteile 45, 4 f. Dies ist um so auffallender, als bei ihm die deuteronomische Forderung, daß die Priester keinen Erbbesitz haben sollen, wiederkehrt. Endlich ist Lev 27, 21—28 von geweihten Feldern die Rede, die dem Heiligtum d. h. den Priestern, wie dort ausdrücklich gesagt ist, gehören. Aus alledem geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß von einer Besitzlosigkeit der Priester im Ernste keine Rede sein kann. Das Deuteronomium hat hier also eine alte levitische Forderung auch auf die Priester ausgedehnt. Besonders deutlich tritt uns dieser Unterschied zwischen Besitzenden und besitzlosen Priestern, Jud. 17, entgegen. Zuerst bestellt Micha seinen eigenen Sohn zum Priester, später aber setzt er einen wandernden Leviten, der als Ger bezeichnet wird, an seine Stelle als Priester ein. Dieser Levit wird als dem Geschlecht Judas angehörend bezeichnet 17, 7 ; demnach kann auch ein Judäer Levit sein, ein weiterer Beweis für unsere These, daß es keinen weltlichen Stamm Levi gab. Auch die Propheten mußten sich von ihrer Familie und ihrem Besitz lossagen, wie aus I Kön 19, 19 hervorgeht. Da wird uns von der Berufung Elisas zum Propheten erzählt: „Als er (Elia) von da wegging, traf er Elisa, den Sohn Safats, wie er gerade im Pflügen begriffen waj; zwölf Joche hatte er vor sich, er selbst war beim zwölften. Elijahu ging zu ihm hinüber und warf ihm seinen M a n t e l 1 zu. Da 1 Der härene Mantel ist damals das Kennzeichen der Propheten gewesen, vgl. II Kön 1, 8 ; 2, 8 . 1 3 und besonders Sacharia 13, 4. Durch diese Handlung soll Elisa, zum Propheten geweiht werden.

Priester und Leviten.

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verließ er die Rinder und lief Elijahu nach und sagte: Ich will nur meinen Vater und meine Mutter noch küssen, dann will ich dir folgen. E r erwiderte ihm: Kehre immerhin zurück, denn was habe ich dir getan? Da kehrte er noch einmal um, nahm das Paar Rinder und schlachtete es, und mit dem Geschirr der Rinder kochte er sie und gab es den Leuten zu essen. Dann machte er sich auf den Weg, folgte Elijahu nach und trat in seinen Dienst." Das Schlachten der Rinder und Verbrennen des Geschirrs ist als eine symbolische Handlung zu betrachten, wodurch der Verzicht auf den bisherigen Besitz demonstriert wird. Dieselbe Bedeutung hat das Abschiednehmen von den Eltern. Mose wird daher gleichzeitig als Repräsentant und Ahnherr der Leviten (Ex 32. 3 3 ; J u d 18, 30) und Propheten (Deut 18, 18) betrachtet. W i r werden uns daher die Leviten als einen freien religiösen Verband, etwa den späteren christlichen Mönchsorden vergleichbar, zu denken haben. Worauf nicht nur ihre Heim- und Besitzlosigkeit, sondern auch andere Eigenschaften der Leviten hinweisen, wie dies die folgenden Ausführungen zeigen werden. Zu dieser levitisch-prophetischen Erzählungsschicht gehört auch die Jugendgeschichte Samuels ( I Sam 1—3). Samuel entstammt im Gegensatz zu den Söhnen Elis, die Priester von Geburt sind, einem Laiengeschlecht. E r kommt in den Tempel auf Grund eines freiwilligen Gelübdes seiner Mutter und wird dadurch Levit. Denn man konnte in den Levitenstand entweder durch eigenes Gelübde oder durch das Gelübde der Eltern eintreten. In jenem Fall mußte sich der Betreffende von seinen Eltern lossagen, in diesem hingegen verzichteten die Eltern auf ihr Kind zugunsten Jahves. So heißt es dort 1, 2 8 : „So habe denn auch ich ihn Jahve geliehen: Solange er lebt, sei er Jahve geliehen" 1 . Ebenso war es beim Naziräat, wie die Geschichte Simsons zeigt. Nun ist es interessant, daß, während den Söhnen Elis der Mißbrauch ihres Priesteramtes vorgeworfen wird und sie daher von Jahve verstoßen werden, Samuel als der Liebling Gottes und der Menschen dargestellt wird. E r wird auch von Jahve zum Propheten bestimmt; dabei hält es der Erzähler für nötig hervorzuheben, daß in jenen Tagen das Wort Jahves etwas Seltenes war (31). Die Spitze ist hier ganz deutlich gegen die Söhne Elis gerichtet, die unwürdig waren Jahves Wort zu empfangen. So beweist auch die Samuelgeschichte, daß Leviten und 1 Herr Prof. GBESSMANN macht mich noch auf den Teminus aufmerksam, das wohl geschenkt bedeutet; dazu stimmt ferner Num 8, 16, wo die Leviten als c j n : bezeichnet werden.

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P r i e s t e r und Leviten.

Propheten zusammengehören. Man kann weiter schließen, daß die Leviten von Anfang an nur die Nebenfunktionen im Tempel verrichtet haben; jedenfalls gehörte das Darbringen der Opfer in den großen Tempeln zum Monopol der Priester. Auch von Mose wird uns nirgends erzählt, daß er als Opferpriester fungierte. Indessen gehört die Samuelgeschichte allem Anschein nach einer relativ späten Zeit an, denn die älteren Propheten- und Levitensagen haben mit dem Tempeldienst überhaupt nichts zu tun. W i r kehren jetzt zum Mosesegen zurück. V 8 lautet: „Gib L e v i deine Tummim und deine Urim deinem Getreuen, den du erprobt bei Massa, für den du gestritten am Wasser von Meriba." Die Leviten werden hier als "|VDn f'X bezeichnet; als Grund dafür wird die Versuchung bei Massa angegeben. Nun lauten die Erzählungen über Massa, die uns im Pentateuch vorliegen, ganz anders. Erstens wird Jahve nicht als Subjekt, sondern als Objekt der Versuchung dargestellt, und zweitens spielen dort gerade die Leviten keine Rolle. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß Deut 33, 8 die ältere Gestalt der Sage bewahrt hat, wonach Jahve die Leviten in die Gegend von Massa geführt hat, wo weder Brot noch Wasser vorhanden waren. Dadurch hat er ihren Glauben auf die Probe gestellt, die sie auch bestanden haben. Diese ursprüngliche Fassung der Massasage ist uns auch noch Deut 8, 2 erhalten, wo die Wüstenwanderung als eine Versuchung der Israeliten betrachtet wird: „Und gedenke des ganzen Weges, den Jahve dein Gott, dich diese vierzig Jahre hindurch in der Wüste hat gehen lassen, um ¿ich demütig zu machen und dich auf die Probe zu stellen, damit er erkenne, wie es mit deiner Gesinnung steht, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht." Auch hier gilt also Jahve als der Versucher. Ebenso scheint noch dieser ursprüngliche Sachverhalt in dem nur fragmentarisch erhaltenen Stück E x 15, 25 b ganz deutlich hindurch: „Daselbst gab er ihm Satzung und Recht und daselbst stellte er es auf die Probe." Auch hier kann nur Jahve Subjekt sein. Die späteren haben dann die ursprünglich levitischen Sagen auf ganz Israel übertragen, wodurch sie auch bestimmt wurden, Jahve zum Objekt der Versuchung zu machen. Dieses Versuchungsmotiv ist uns auch anderwärts bekannt, so vor allem im NT, wo ebenfalls die Wüste eine Rolle spielt. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß diese Sagen der Wirklichkeit entnommen sind. Es war gewiß nicht leicht, als Missionär einer neuen, von allen Mächten der Gegenwart bekämpften Religion, tätig zu sein, und es mag wohl nicht selten vorgekommen sein, daß dieser oder jener an seinem Gott verzweifelt hat. W i r finden daher bei allen mönchs-

Priester und Leviten.

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artigen Organisationen das Institut des Noviziats, so schon bei den Essenern, wo ein neu eintretendes Mitglied zuerst eine Probezeit durchmachen mußte, ehe er in den Orden aufgenommen wurde; dasselbe kehrt dann in den christlichen Mönchsorden wieder. Auch bei den Leviten wird wohl etwas Ahnliches bestanden haben. Als eine Eignungsprobe galt, wie aus den Massasagen hervorgeht, eine Wüstenwanderung, die mit der Enthaltung vom Essen und Trinken verbunden war. Jedenfalls ist uns von einem vierzigtägigen Fasten des Mose auf dem Berge Horeb erzählt; dasselbe wird uns später auch von Elia erzählt. Gegen die obigen Behauptungen von dem Ursprung und "Wesen der Leviten scheint die Sichemsage zu sprechen, wo doch Levi als ein weltlicher Stamm auftritt, aber bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß es sich auch Gen 34 nur um den geistlichen Stamm Levi handeln kann. Man nimmt gewöhnlich an, daß hier ein historischer Vorgang erzählt wird, der sich nach den einen in der Richterzeit, nach den andern gar in der vormosaischen Zeit zugetragen habe, aber weder das eine noch das andere ist möglich. In der Richterzeit kann von einer Vernichtung der Sichemiten durch Simeon und Levi schon aus dem einfachen Grunde keine Rede sein, weil Sichern erst durch Abimelech, den Manassiten, erobert wurde. Diese Schwierigkeit hat E D . M E Y E R richtig erkannt, aber seine Erklärung, daß hier Sagenübertragung vorliege, kann doch nicht befriedigen; denn was konnte die Sagenerzähler bestimmen, die Abimelechgeschichte gerade auf Simeon und Levi, die mit Sichern nicht das Geringste zu tun haben, zu übertragen? Jedenfalls gibt auch E D . M E Y E R zu, daß von einem wirklichen Kampf Levis mit Sichern keine Rede sein kann. Noch weniger befriedigt die Annahme von K I T T E L und PBOCKSCH, daß es sich um eine Begebenheit aus der vormosaischen Zeit handele. Die Methode, die sich in letzter Zeit wiederum großer Beliebtheit erfreut, auf Grund der Genesissagen die Geschichte der vormosaischen Zeit zu rekonstruieren, kann nach meiner Meinung nicht zu wissenschaftlich haltbaren Ergebnissen führen. Wenn man bedenkt, daß sogar über die Eroberung Palästinas keine glaubwürdigen Traditionen vorliegen und daß nur einzelne Begebenheiten aus der späteren Richterzeit geschichtlich greifbar sind, so ist dieses grundlose Zutrauen zur Tradition ganz unbegreiflich. Bei näherem Zusehen zeigt sich fernerhin, daß auch die Sichemgeschichte nicht so sehr der Kampf der Söhne Jakobs gegen Sichern als der Gegensatz zwischen Jakob auf der einen und Simeon auf der anderen Seite interessiert. V 3 0 lautet: „Jakob aber sprach zu Simeon und Levi: Ihr habt mich ins Unglück gebracht, daß ihr mich unter

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den Bewohnern des Landes, Kanaanitern und Perizzitern in üblen Geruch gebracht habt, während ich nur wenig Leute zur Hand habe. Nun werden sie sich gegen mich versammeln und mich schlagen, und ich und mein Haus werden untergehen. Sie aber sprachen: Durfte er unsere Schwester wie eine Dirne behandeln?" Jakob war demnach bereit, seine Tochter dem Sichern zu überlassen und auf sein Angebot einzugehen; denn nur dann hat der Vorwurf V 30 einen Sinn. Simeon und Levi haben demnach gegen den ausdrücklichen Willen yon J a k o b gehandelt, als sie ihren Uberfall auf Sichern ausführten. Es scheint sogar, daß in der ursprünglichen Fassung nicht die Söhne Jakobs, sondern er selbst den Vergleich mit Sichern geschlossen hat; denn es ist unbegreiflich, warum Jakob bei den Verhandlungen so ganz in den Hintergrund tritt, während er doch als Vater D i n a s Hauptkontrahent sein müßte. V 6, wo nur von Jakob die Rede ist, wird daher wohl auf alter Tradition beruhen. Dieser Sachverhalt war noch dem Verfasser von V 6 bekannt, der augenscheinlich den Zweck hat, Jakob zu entlasten: „Nun hatte Jakob zwar gehört, daß er (Sichern) seine Tochter Dina geschändet habe, aber da seine Sohne mit dem Vieh auf dem Felde waren, hatte Jakob geschwiegen bis zu ihrer Heimkehr." Aus dem allem geht hervor, daß wir es in "Wirklichkeit mit einem Konflikt zwischen Jakob und seinen Söhnen Simeon und Levi zu tun haben. Dadurch aber erweist sich auch die Sichemgeschichte als eine Parellele zu den schon oben besprochenen prophetisch-levitischen Sagen. Simeon und Levi kämpfen hier gegen eine Verschwägerung der Israeliten mit den Kanaanäern, die vor allem wegen ihrer Unzucht verachtet werden. Auch in der Baal-Peorgeschichte spielt, wie wir ohen gesehen haben, die Unzucht eine wichtige Rolle, denn die Israeliten werden zum Abfall von Jahve durch die moabitischen Weiber verleitet. Bei P wird sogar der geschlechtliche Verkehr mit den Midjaniterinnen als die Hauptsünde betrachtet. Ebenso wird in E x 32 die Ausgelassenheit der Israeliten mehrfach betont, wie GRESSMANN richtig bemerkt hat. Erst in einer späteren Zeit ist daraus ein Kampf Israels mit den Sichemiten geworden, wohl in Anlehnung an die Abimelechgeschichte, wie ED. METER vermutet, worauf besonders der Name Chamor, der dort wiederkehrt, hinweist. Wie wäre man aber dazu gekommen, diesen Kampf Abimelechs mit dem Kampf der Leviten gegen den Baalkultus, die doch miteinander nicht das Geringste gemein haben, in Zusammenhang zu bringen? Josua 24 ist von einer Versammlung des ganzen Volkes in Sichern erzählt. Da fragt Josua das Volk, ob sie Jahve oder die Götter ihrer Vorfahren oder die der Amoriter verehren wollen, worauf das Volk

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antwortet, daß alle nur Jahve dienen wollen. Josua fordert es sodann auf, die fremden Götter zu beseitigen und nur Jahve als ihren Gott anzuerkennen. Um dieser Forderung Gesetzkraft zu verleihen, wird ein Bund geschlossen, wodurch das Volk zum Festhalten an Jahve und an seinen Gesetzen verpflichtet wird. STEUERNAGEL hat richtig erkannt, daß diese Geschichte eine Parallele zu Gen 35, wo dasselbe von Jakob erzählt wird, bildet. Nun haben wir schon oben gesehen, daß Gen 35 levitisch ist und erst später auf Jakob übertragen wurde; denn gerade Jakob erscheint Gen 34 wie 49 als Gegner der Leviten und daher auch als Anhänger des Baalkultes. Ist aber Gen 35 eine Parallele zu J o s 24, so wird man vermuten dürfen, daß auch sie ursprünglich in Sichern spielte; dafür spricht zudem der Umstand, daß die fremden Götter und die Ohrringe unter der Terebinthe bei Sichern vergraben wurden (35, 4). Es wird wohl kein blinder Zufall sein, daß diese Erzählung gleich hinter der Simeon-Levigeschichte folgt. Ich vermute, daß beide Erzählungen ursprünglich zusammenhingen. Simeon und Levi haben sich, nachdem sie Sichern erschlagen hatten, gegen die fremden Götter und den Luxus der Israeliten gewandt. Auch hier hat es sich demnach um einen Kampf gegen den Baalkultus gehandelt. Dieses Motiv, das uns in soviel verschiedenen Fassungen überliefert ist, wird man wohl auf ein geschichtliches Ereignis zurückführen dürfen, das sich, wie es scheint, in Sichern zugetragen hat; denn von einer Volksversammlung und Verpflichtung auf das Gesetz ist auch Deut 27 die Rede. Daß wir es auch hier -mit einer levitischen Tradition zu tun haben, beweist vor allem, wie oben angedeutet, die Beseitigung der fremden Götter, die Gen 35 und J o s 24 mit Sichern in Verbindung bringen, ein Vorgang der überdies durch ein authentisches Zeugnis wohl als historisch gesichert gelten muß. Gen 33, 20 ist uns nämlich von einem Altar vor Sichern erzählt, den Jakob errichtet hatte und den er „El 1 *, der Gott ,.Israels" nannte. Nun ist eine solche Bezeichnung insofern ein Unding als E l kein Eigenname ist, es drängt sich daher die Vermutung von selbst auf, daß wir es hier mit einer Korrektur des elohistischen Redaktors zu tun haben, der seiner Theorie gemäß hier E l statt Jahve einsetzte. Der Altar hieß demnach, falls unsere Vermutung zutrifft: „Jahve der Gott Israels," was einen klaren Sinn ergibt. Bestätigt wird diese Vermutung durch J o s 8, 3 0 : „Damals baute Josua einen Altar für Jahve, den Gott Israels, auf dem Berge Ebal." Eine solche Bezeichnung kann aber nur exklusiven Sinn haben und bedeutet ohne Zweifel, Jahve ist der einzige Gott Israels; dadurch ist die Beseitigung der fremden Götter als geschichtlich erwiesen. F ü r

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den levitischen Charakter der Sichemgeschichte spricht außer den bereits erwähnten Zügen entscheidend die Bestimmung über die Errichtung des Altars aus unbehauenen Steinen, Deut 27, 6; J o s 8, 31, die nur als eine Verwerfung des Luxus im Kultus gedeutet werden kann. Die Frage nach Ursprung und Entstehungszeit der Leviten ist von großer Bedeutung nicht nur für die Geschichte Israels, sondern für die Religionsgeschichte überhaupt. Der Levitismus ist kein speziell israelitisches Gewächs, auch anderswo begegnen wir ähnlichen Erscheinungen. I m Christentum wie im Buddhismus waren solche mönchsartigen Orden die Hauptträger der neuen religiösen Bewegung. Insbesondere ist es die Yersittlichung der Religion, die wir diesen Schichten zu verdanken haben: gemeinsam ist ihnen allen die Ablehnung der Kultur und der materiellen Güter. Man hat die Kulturgegnerschaft der Propheten, Rechabiten und Naziräer als ein Festhalten an alter nomadischer Sitte hinzustellen versucht. Aber machen sich denn wirklich Nomaden über Nützlichkeit oder Schädlichkeit der Kultur Gedanken? Die Verwerfung der Kultur ist in Wirklichkeit nur aus der Kultur heraus begreiflich. Es kommen in diesem Kampfe der Propheten nicht Gegensätze verschiedener Kulturepochen, sondern verschiedener Schichten innerhalb derselben Kulturepoche selbst zum Austrag. Die Schattenseiten der Kultur rühren daher, daß im Altertum noch weit mehr als heute die Kultur im wesentlichen der Besitz nur weniger war, dagegen waren Verarmung der Bauern, Verschuldung und Versklavung der freien Bevölkerung die Begleiterscheinungen oder richtiger die Voraussetzungen der Kultur. Die Reaktion gegen die Mißstände, die die gesteigerte Kultur, d. h. Geldverkehr und Geldwirtschaft, hervorruft, geht nicht von Schichten aus, die von ihr gar nicht oder wenig berührt werden, sondern umgekehrt. Es ist kein Zufall, daß uns die prophetische Bewegung zuerst nach Salomo entgegentritt, ebensowenig, daß sie nicht im halbnomadischen Süden, sondern im bäuerischen Nordisrael zuerst auftritt. Die prophetischlevitische Religionsbewegung ist lediglich der geistige Ausdruck des „Ständekampfes" Es sind aber nicht allein allgemeine Gründe, die uns zu dieser späten Ansetzung der levitischen Bewegung bestimmen; auch die Erzählungen selbst weisen mindestens auf die Zeit nach dem Eindringen in Kanaan hin. GEESSMANN hat richtig erkannt, daß ein Abfall zum 1 Herrn Prof. GHBSSMANN verdanke ich noch einen weiteren Beweis für meine These. E r weist nämlich darauf hin, daß die Entstehnngszeit der Rechabiter sich genau bestimmen läßt: der Gründer des Rechabiterordens Jonadab ist ein Zeitgenosse Elisas.

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Stierkultus erst nach dem Übergang zur ansässigen Kultur möglich war. Die Tatsache aber, daß nach einigen Varianten der Levitensage dieser Kampf in Sichern stattgefunden hat, beweist dies unwiderleglich. Dagegen gibt es keine Erzählung von den Leviten, die man auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit für die mosaische Zeit beanspruchen könnte. Am allerwichtigsten aber ist ein authentisches Zeugnis, das I I K ö n l 2 erhalten ist und uns über Zeit und Charakter der levitischen Bewegung genau Aufschluß gibt. Fast gleichzeitig erfolgten im neunten Jahrhundert in den drei Nachbarländern: Aram, Israel und Juda Revolutionen, über deren Verlauf und Ursachen wir nur mangelhaft unterrichtet sind. Immerhin geht aus allen Mitteilungen deutlich hervor, daß die prophetische Partei dabei eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat. Was die Revolution Jehus angeht, so liegen uns darüber verhältnismäßig ausführliche Nachrichten im Königsbuche vor, die sie auf die Initiative E l i s a s zurückführen. Ebenso wird die Revolution Chazaels in Damaskus mit den Propheten in Zusammenhang gebracht (I Kön 19, 15; I I Kön 8, 7). Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß die Revolution in Juda von denselben Kreisen ausgegangen ist, worauf schon die Zerstörung des Baaltempels (II Kön 11, 18) hinweist. Dagegen fehlt in unseren Quellen jede ausdrückliche Erwähnung der sozialen Triebkräfte, die zu dieser großen Umsturzbewegung geführt haben; denn daß wir es hier nicht lediglich mit einer Palastverschwörung zu tun haben, beweist die Tatsache, daß die Revolution nicht nur weite Kreise der Bevölkerung erfaßt hat, sondern auch, daß sie sich weit über die Grenzen des Landes ausgedehnt hat. Zum Glück ist uns noch I I Kön 19 ein Bericht überliefert, der uns auch die soziale Seite der Revolution erkennen läßt. Nach I I Kön 12, 5 wurde vom Könige Jehoas den Priestern des jerusalemischen Tempels befohlen, alles Geld, das in den Tempel gebracht würde, zur Ausbesserung des Tempels zu verwenden. „Aber im dreiundzwanzigsten Jahr des Königs Jehoas hatten die Priester die Schäden am Tempel noch nicht ausgebessert. Da ließ der König Jehoas den Priester Jehojada und die andern Priester kommen und sprach zu ihnen: Warum habt ihr die Schäden am Tempel nicht ausgebessert? Künftig sollt ihr kein Geld mehr von euren Bekannten in Empfang nehmen, sondern sollt es für die Herstellung der Schäden am Tempel abliefern. Die Priester willigten ein, kein Geld mehr von den Leuten zu empfangen, aber auch die Schäden am Tempel nicht auszubessern. Nun- nahm der Priester Jehojada eine Lade, bohrte ein Loch in ihren.

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Deckel und stellte sie neben der Massebe 1 rechts vom Eingang in dem Tempel Jahves auf: dahinein mußten die Priester, die an der Schwelle "Wache standen, alles Geld, das in den Tempel Jahves gebracht wurde, legen." Auffallend ist hier vor allem die Weigerung der Priester einem Befehl nachzukommen, der doch, wie man glauben möchte, ihrem eigenen Interesse entsprach, denn was konnte gerade den Priestern erwünschter erscheinen als eine Ausbesserung des Tempels? Dennoch ist dieser Widerstand so groß, daß der König sich genötigt sieht, den Priestern fernerhin die Annahme des Geldes zu verbieten. Noch auffallender sind aber die weiteren Bestimmungen über die Verwendung der Tempelgelder: „Dann übergab man das abgewogene Geld den Werkführern, die beim Tempel Jahves die Aufsicht führten: diese gaben es an die Zimmerleute und die sonstigen Bauleute, die am Tempel Jahves arbeiteten, sowie an die Maurer und Steinmetzen und für den Ankauf von Holz und Bruchsteinen, um die Schäden am Tempel Jahves auszubessern und überhaupt für alles, was beim Tempel für Ausbesserungen auszugeben war. D o c h l i e ß m a n i m T e m p e l Jahves keine silbernen Becken, Messer, Sprengschalen, T r o m p e t e n , keinerlei goldene oder silberne G e r ä t e von d e m G e l d e , das in den T e m p e l J a h v e s g e b r a c h t w u r d e , a n f e r t i g e n , s o n d e r n m a n g a b es d e n A r b e i t e r n d a f ü r d a s Tempelgebäude Jahves auszubessern. Dabei rechnete m a n m i t d e n M ä n n e r n , d e n e n m a n d a s G e l d ü b e r g a b , um es an d i e A r b e i t e r a u s z u z a h l e n , n i c h t a b , s o n d e r n s i e d u r f t e n a u f T r e u u n d G l a u b e n h a n d e l n . " Um die Bedeutung dieses Abschnittes voll würdigen zu können, ist es vor allem notwendig, sich über den Sinn der letzten Bemerkungen Klarheit zu verschaffen. Warum hat man keine goldenen und silbernen Geräte angeschafft? Weil etwa solche in hinreichender Menge vorhanden waren, wie S a n d a in seinem Kommentar ausführt? Aber dagegen spricht schon der polemische Ton, der besonders in dem zum Ausdruck kommt. Es wäre auch unverständlich, wie der im allgemeinen durchaus nicht redselige Erzähler, der auch wichtige politische Vorgänge stillschweigend übergeht, auf den Gedanken verfallen sein sollte gerade diese scheinbar gleichgültige Tatsache zu erwähnen. Vielmehr drängt sich die Vermutung auf, daß wir es hier in Wirklichkeit nicht mit der Peststellung einer gleichgültigen Tatsache, sondern mit der Erfüllung einer religiösen Forderung zu tun haben; das Tempelgeld durfte nicht mehr wie bisher zur Anschaffung von goldenen und silbernen Geräten verwandt werden. 1

So ist hier mit L X X und den Neueren zu lesen.

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Es handelt sich hier demnach um eine Fortführung des Kampfes der levitisch-prophetischen Partei, der durch die Revolution noch keineswegs zum Abschluß gelangt war. Dazu gehört vor allem das Verbot der Anschaffung von goldenen und silbernen Geräten, das den Luxus im Kultus bekämpft, denn nur das kann der Zweck dieser Bestimmung gewesen sein. Dazu gehört ferner, daß die Verfügung über das Tempelgeld der Zuständigkeit der Handwerker unterliegt. K I T T E L hat richtig erkannt, daß diese Bestimmung eine Spitze gegen die Priester hat, aber nicht darauf kam es dem Erzähler an zu zeigen, daß „die Laien mehr Achtung vor dem Heiligen als die Priester hatten" (Komm, zu Reg 255), sondern darauf, daß das Verfügungsrecht über die Tempelgelder den Priestern genommen und auf die Handwerker übertragen wurde. Nun erscheint die ganze Geschichte in einem andern Licht. Handwerker und Priester sind als zwei sich einander bekämpfende Parteien zu betrachten und man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die Renovierung des Tempels nicht nur zum Zwecke der Ausbesserung der Schäden vorgenommen wurde, sondern zugleich als eine soziale Maßnahme gedacht war, um den arbeitslosen Handwerkern Arbeit und Verdienst zu verschaffen. Nun ist auch die Weigerung der Priester, das Tempelgeld für diesen Zweck herzugeben, verständlich und ebenso die Forderung der Handwerker, keine goldenen und silbernen Geräte anzufertigen 1 . Eine sagenhafte Widerspiegelung dieser historischen Vorgänge liegt uns in Ex 32, der Erzählung von goldenem Kalbe vor. Dieser historische Hintergrund von Ex 32, 33 tritt besonders deutlich in der Ablehnung des Luxus und in der Rolle hervor, die A h a r o n als Repräsentant der Priester dort spielt; denn nicht der Abfall von Jahve, war doch auch das Stierbild tatsächlich als Sinnbild Jahves gedacht, sondern der luxuriöse Kultus und der Luxus schlechthin wird hier als die Hauptsünde betrachtet. Daher die Forderung, die goldenen Ohrringe, die als Material zur Anfertigung des goldenen Kalbes dienten, abzulegen. Dabei gilt hier der Vertreter der Priester, Aharon, der die Gaben der Israeliten zur Anfertigung eines goldenen Gottesbildes verwendet, als der eigentliche Anstifter zum Abfall. Diese Deutung des Berichtes in I I Kön 12 und der Sage vom goldenen Kalb erfährt durch eine Bestimmung, die sich im Bb (Ex 20, 23) findet, eine glänzende Bestätigung; „Verfertigt euch neben mir keine silbernen Götter; auch goldene Götter sollt ihr euch nicht verfertigen." Es handelt sich hier 1

Ein derartiger Vorgang steht im Altertum nicht einzig da, aus der Geschichte Griechenlands ist die Bautätigkeit Perikles, die ebenfalls ähnlichen Erwägungen entsprungen ist, als historische Parallele anzuführen. Beihefte z. ZA.W 50

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nicht um ein Verbot, fremde Götter zu verehren, wie meist angenommen wird, sondern um ein Verbot der Anfertigung Ton silbernen und goldenen Gottesbildern, wobei stillschweigend zagegeben wird, daß Gottesbilder aus anderem Material erlaubt sind. Wenn in der Sage vom goldenen Kalb die Leviten, in I I Kön 12 dagegen die Handwerker als die Gegner der Priester erscheinen, so ist dies kein Beweis gegen die obigen Ausführungen, sondern umgekehrt. W i r haben schon oben die Vermutung ausgesprochen, daß die große prophetisch-levitische Bewegung des neunten Jahrhunderts nicht nur eine religiöse, sondern auch eine soziale Reform anstrebte, und daß sich die Propheten in ihrem Kampfe gegen die bestehende Ordnung in erster Linie auf die sozial unterdrückten Schichten stützte; durch den" Bericht in I I Kön 12 ist diese Vermutung zur Gewißheit erhoben. Eine weitere Bestätigung wird die Analyse der Gesetzessammlungen des Pentateuchs liefern. Eine besondere Erörterung erheischt noch die Frage über das Verhältnis der Priester \md Leviten zur Rechtsprechung. Nach den nachexilischen Quellen zu urteilen, gehörte auch das Gerichtswesen zum Bereich der Priestertätigkeit, so besonders Ezech 44, 24 wie auch Deut 17, 9 ; 21, 5 u. a. (daß wir es hier nicht mit ursprünglichen B e standteilen zu tun haben, wird in dem weiter unten folgenden Abschnitt über das Deut gezeigt werden), ebenso I I Chr 19, 8. Dagegen geht aus den historischen Büchern unzweideutig hervor, daß der vorexilischen Zeit die richterliche Funktion der Priester völlig unbekannt war. In den meisten Fällen, wo von Rechtsstreitigkeiten u. dgl. die Rede ist, sind es die Altesten, die als Richter walten; in einigen ist es auch der König, der wohl als oberster Richter galt. So I I Sam 14, 15; I Kön 3, 16f.; I I Kön 15, 5. In dem Prozeß gegen Jeremia ( J e r 26) sind es die S a r i m und das Volk, die das Urteil fällen; dagegen spielen die Priester, die zugegen sind, keine Rolle als Richter. Dies ist um so beweiskräftiger, als gewissermaßen ein religiöses Vorgehen vorliegt. ED. METER hat richtig erkannt, daß im Gegensatz zu den Priestern die Leviten auch Gerichtsfunktionen ausgeübt haben; dies geht besonders aus der Tradition über Mose hervor, der im Unterschied von Aharon in mehreren Sagen, so vor allem E x 18, Num 11, als Richter geschildert wird. Ebenso werden die Gesetze von Mose hergeleitet. Mit- Recht betont ED. METEE weiter, daß Mose der Tradition nicht als Priester, sondern als Ahnherr der Leviten gilt. Dieser Sachverhalt ist sogar noch der nachexilischen Zeit bekannt, wie Neh 8, 9 lehrt, wo die Leviten als Thoralehrer auftreten. Ich glaube, daß man eher das Richtige trifft, wenn man die Leviten

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nicht als Richter, sondern als ,.Rechtsgelehrte" bezeichnet, obwohl die Tradition ihnen auch richterliche Funktionen zuschreibt, wie die Mosesagen und die Samuelerzählungen I Sam 12 In diesem Zusammenhange ist auch die Notiz I Chr 2, 55, wonach die Schriftgelehrten sich von den Rechabiten abgeleitet haben, von Wert; denn wie wir im Vorhergehenden nachgewiesen haben, waren Rechabiten und Leviten aufs engste verwandt. Es erübrigt sich noch zum Schluß eine kurze Bemerkung über Simeon anzufügen, der Gen 34 und 49 zusammen mit Levi erwähnt wird. Vor allem liegen keine Belege vor, die die Existenz eines Stammes Simeon auch nur wahrscheinlich machen. Gen 49 beweist, wie vorher angedeutet, eher das Gegenteil; ebensowenig kann Gen 34 als Beweis angeführt werden. Der Segen Moses kennt Simeon überhaupt nicht, vom Deboralied ganz zu schweigen. Die einzige Stelle, an der von Simeon die Rede ist, ist Jud 1; aber man soll sich hüten, diesen Bericht etwa als authentisch anzusehen. Er stellt sich vielmehr als eine im judäischen Sinne gearbeitete Konstruktion der Eroberung dar, wie V 2 lehrt; von den wirklichen Ereignissen hat der Verfasser keine Kunde mehr gehabt. Jedenfalls kennen die Erzählungen im S a m u e l b u c h e , die meist im Süden spielen, keinen Stamm Simeon; das beweist, daß es mindestens zur davidischen Zeit einen Stamm Simeon nicht mehr gab. Es liegt daher nahe, auch die Simeoniten, weil sie Gen 34 und 49 in Verbindung mit Levi auftreten, als eine den Leviten verwandte religiöse Gruppe zu betrachten, wobei es nicht ausgeschlossen ist, daß ein Teil derselben im Süden Judas hauste, worauf der Bericht Rieht I zurückzuführen sein wird. 1

Samuel wird von der Tradition, wie oben gezeigt, als Levit geschildert.

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Das Bnndesbuch. Die israelitische Tradition leitet alle Gesetze von Mose her. "Wieweit hier aber geschichtliche Tatsachen zugrunde hegen, darüber gehen die Meinungen der Gelehrten weit auseinander. "Während man früheT dem Mose alles absprechen zu müssen glaubte, macht sich in letzter Zeit eine rückläufige Bewegung bemerkbar, und so werden neuerdings nicht nur der Dekalog, sondern auch das Bb und sogar das Deuteronomium auf Mose zurückgeführt. Um über Zeit und Ursprung der Gesetzessammlungen richtig urteilen zu können, müssen wir einen ganz andern Weg als bisher einschlagen. "Weder literarkritische noch religionsgeschichtliche Kriterien können liier den Ausschlag geben; sozialpolitische und wirtschaftliche Momente sind es hingegen, die in erster Linie berücksichtigt werden müssen. Nicht von wem die Gesetze verfaßt sind und in welcher Zeit sie aufgezeichnet wurden, sondern von wem sie geschaffen wurden und unter welchen Umständen sie zustande gekommen sind, ist die Hauptsache, die uns vor allem angehen muß. Der materielle Inhalt und nicht die literarische Form ist hier das Wesentliche, was man bisher fast ganz übersehen hat. Die Gesetzessammlungen wollen durchaus nicht als Privatarbeiten betrachtet werden, sondern sie treten von Anfang an mit dem Anspruch auf, allgemein gültig und rechtskräftig zu sein. Die Frage, ob uns in den Gesetzessammlungen des Pentateuchs Staatsgesetze oder Privatarbeiten vorliegen, ist daher für ihre richtige Beurteilung von größter Bedeutung. Damit hängt aufs engste eine andere Frage zusammen, nämlich: wie hat Israel seine Gesetze geschaffen, d. h. welchen Staatsorganen lag die gesetzgeberische Tätigkeit ob. Daß die Priester dafür am wenigsten in Betracht kommen, ist klar. Wir haben schon oben gezeigt, daß von richterlichen Funktionen der Priester im vorexilischen Israel keine Bede sein kann. Man darf auch Richter und Gesetzgeber nicht miteinander verwechseln; denn nicht immer und nicht überall sind Bichter und Gesetzgeber gleich. Als Gesetzgeber aber sind die Priester erst recht ausgeschlossen; man denke sich nur die Priester von Bethel oder auch von Jerusalem, die

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nicht nur in Staatssachen, sondern auch in Tempel- und Kultussachen nicht das Mindeste zu sagen hatten und in allem von ihren Königen abhängig waren, als mit höchster Macht ausgestattete Gesetzgeber! Und wie soll man sich überhaupt ihre gesetzgeberische Tätigkeit vorstellen? Von einer einheitlichen Organisation kann bei ihnen in vorexilischer Zeit keine Rede sein, da jedes Heiligtum seine eigenen Priester hatte, die miteinander nicht in Verbindung standen. Als Staatsorgan kamen sie daher überhaupt nicht in Betracht, die Gesetzgebung ist aber Sache des Staates. Aus denselben Gründen ist auch an die Leviten als Gesetzgeber nicht zu denken. Daran kann auch die Mosetradition nichts ändern. Sie können als Rechtsgelehrte oder Schreiber zwar Verfasser, aber nicht Schöpfer der Gesetze sein. Es liegt daher nahe, an den König zu denken, und in der Tat ist in den Geschichtsbüchern von der richterlichen Tätigkeit der Könige nicht selten die Rede. Indessen ist die Tatsache, daß die überlieferten Gesetzessammlungen nicht von den Königen abgeleitet werden, nur dadurch zu erklären, daß sie in Wirklichkeit keine ernsthafte Rolle als Gesetzgeber gespielt haben, sonst hätten sie sicher, ebenso wie später die Priester auch Eingang in die Tradition gefunden. Dagegen weisen die Traditionen des Pentateuchs wie die Nachrichten der historischen Bücher übereinstimmend auf eine andere Institution hin, die zwar dem vorderen Orient sonst unbekannt war, um so mehr uns aber auf dem Gebiete des klassischen Altertums entgegentritt, nämlich die Volksversammlung. Man darf unterscheiden zwischen der eigentlichen Volksversammlung, an der das ganze Land teilnimmt, und der Gemeinde- oder Stammesversammlung. Das Ursprüngliche ist natürlich die letztere. Auf Grund der Angaben des AT ist der Schluß berechtigt, daß ihr vornehmlich die Gerichtsbarkeit oblag. So wird Num 35, 24 die Gemeinde als Richter in Mordsachen bestimmt: „So soll die Gemeinde nach obigen Satzungen schiedsrichterlich zwischen dem, der tödlich verletzt hat und dem Bluträcher entscheiden." Das Hiphil ^npn ist juristischer Term. tech.; es bedeutet eine Gerichtsversammlung einberufen (Hiob 11,10; Ezech 16, 40; 23, 46). Der Prozeß gegen Naboth wird vor dem versammelten Volke verhandelt, das auch das Urteil fällt, den Altesten und Adligen hingegen liegt es ob, das Volk zur Gerichtsversammlung einzuberufen, wie aus I Kön 21, 9—13 deutlich hervorgeht Welche Fälle der Zuständigkeit der Volksversammlung und welche der der Richter und Altesten unterstanden, läßt sich mit Sicherheit nicht ausmachen. Aus Micha 2, 6: „Darum werdet ihr keinen haben, der die Meßschnur zieht und das Los wirft in der Gemeinde

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Israels „mir i?np" ist zu schließen, daß auch die Landverteilung der Gemeindeversammlung oblag. Von weit größerem Reiz ist für uns die eigentliche Volksversammlung. Diese übte, wie schon oben angedeutet, das Recht der Gesetzgebung aus. So werden zwar in E x 19 die Gesetze Jahve zugeschrieben, aber um bindendes Recht zu werden, bedürfen sie der Zustimmung des Volkes. Daher wird das Volk von Mose befragt, ob es die Gesetze annehmen will oder nicht 19, 7—8, worauf das Volk mit ja antwortet. Man wird sich den Hergang dieses Aktes nach E x 24, 3 — 8 folgendermaßen zu denken haben: Zuerst werden die Gesetze dem Volke vorgetragen ; werden sie angenommen, erfolgt die schriftliche Aufzeichnung, darauf ein abermaliges Vorlesen unter feierlichem Bundesschluß. Auch die Volksversammlung und Bundesschließung zu Sichern wird in derselben Weise geschildert (Jos 24). Daß diese Traditionen die wirklichen Verhältnisse wiederspiegeln, zeigen mit aller Deutlichkeit die historischen Erzählungen, die uns in den Büchern Sam und Kön vorliegen. So erfolgt die Einsetzung Sauls zum König durch die Volksversammlung. Von noch größerer Bedeutung ist für uns die Erzählung I Kön 12 von der Volksversammlung zu Sichern. Das Volk tritt hier selbstherrlich auf; es allein hat zu entscheiden, und als Rehabeam sich weigert, die Forderungen des Volkes zu erfüllen, verliert er die Krone. Die Israeliten haben sich auf die Dauer eine Despotie wie die Salomos nicht gefallen lassen. I Kön 18 wird uns von einer Volksversammlung erzählt, die durch Ahab auf Verlangen Elias einberufen wurde. Es ist dabei zu beachten, daß, sobald das Volk versammelt ist, der König ganz in den Hintergrund tritt; denn die Volksversammlung gilt als das souveräne Staatsorgan. Elia wendet sich fortan nicht an den König, sondern an das Volk 18, 21, und dieses beschließt auch, Jahve als den Gott Israels anzuerkennen 18, 39 und die Baalpropheten zu erschlagen. Ahab hat hier augenscheinlich nichts zu sagen; er muß sich dem Beschluß der Volksversammlung unterwerfen. Auch Jehoas wird durch eine Volksversammlung zum König eingesetzt I I Kön 11, 17. Daß neue Gesetze dem Volke zur Annahme vorgelegt werden mußten, lehrt I I Kön 23, 2, der Bericht von der Einführung der deuteronomischen Reform: „Dann ging der König zum Jahvetempel herauf und alle Männer Judas und alle Bewohner Jerusalems mit ihm, sowie die Priester und Propheten und das ganze Volk klein und groß, und er las vor ihren Ohren den ganzen Inhalt des Bundesbuches, das im Jahvetempel gefunden war. Darauf trat der König an seinen Platz und schloß vor Jahves Angesicht den Bund, daß sie Jahve nachfolgen

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und seine Gesetze, seine Verordnungen und seine Satzungen von ganzem Herzen und ganzer Seele halten wollten, um so die Worte dieses Bundes, die in jenem Buche geschrieben standen, in Kraft treten zu lassen, und das ganze Volk trat dem Bunde bei." Aus der Zeit Jeremias ist uns von einer Volksversammlung, die zur Freilassung der hebräischen Sklaven einberufen wurde, erzählt (Jer 34). Was die nachexilische Zeit angeht, so lehren die Berichte in Esra und Nehemia, insbesondere der Bericht Neh 8, 1 f. über die Annahme des Esragesetzes, daß auch in dieser Zeit die Volksversammlung die Funktion der Gesetzgebung ausübte. Daß solche Versammlungen nur ganz selten zusammentreten konnten, ist klar; auch nur „ganz" Juda zu versammeln, war nicht ohne Schwierigkeiten möglich. Für gewöhnlich pflegten daher die Ältesten und der König zu entscheiden und nur in außerordentlichen Fällen, wo es sich um wichtige Reformen und Ähnliches handelte, sah man sich genötigt, eine Volksversammlung einzuberufen. Das Deut bestimmt, daß im je siebenten Jahre, im Erlaßjahre, am Laubhüttenfest eine Volksversammlung einzuberufen sei (31, 10—13). Es scheint, daß überhaupt die Volksversammlungen bei Gelegenheit der Feste stattzufinden pflegten. Die Israel eigentümliche Erscheinung der Prophetie war nur auf dem Boden dieser demokratischen Verfassung möglich, wie schon KITTEL U. a. richtig erkannt haben. Die Prophetie hängt auch insofern mit der Volksversammlung zusammen, als die Propheten zumeist in ihr als Redner geschildert werden. Mose lehnt den Auftrag Jahves mit der Begründung ab, daß er kein gewandter Redner sei •ojn DnTT nV; ebenso sagt Jeremia bei seiner Berufungsvision i m viyv N!?. Nun ist auch der Bundesgedanke, der in der israelitischen Literatur eine große Rolle spielt, aus dieser Situation begreiflich. Die Gesetze Jahves haben durch Bundesschluß ihren rechtskräftigen Charakter erlangt, daher heißen die Gesetzessammlungen „Bundesbücher". Aber auch Jahve selbst ist durch Bundesschluß zum alleinigen Gott Israels geworden, wie Jos 24; I Kön 18 und I I Kön 11,17 zeigen. Es ist falsch, den Ursprung dieses Gedankens in die mosaische Zeit zu setzen, wo angeblich Jahve zum erstenmal der Gott Israels wurde; er ist vielmehr aus der Zeit Elias verständlich. Die älteren Israeliten haben sich eben so wenig einen selbstherrlichen Gott wie einen selbstherrlichen König denken können. König wie Gott mußten erst durch Bundesbeschluß der Volksversammlung in ihre Rechte eingesetzt werden; das beweist, wie tief eingewurzelt der Gedanke der Demokratie in Israel war.

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Das liundesbuch.

W i r können jetzt an unsere eigentliche Aufgabe herangehen, an die Analyse der Gesetzessammlungen. Wir beginnen mit dem Bb, das mit Recht als älteste Rechtssammlung des Pentateuchs angesehen wird. E s fragt sich nun, in welche Zeit wir seine Abfassung zu setzen haben und wodurch seine Aufzeichnung veranlaßt wurde. Einige Gelehrte wie EERDMANS, S E L L I N und mit Vorbehalt auch K I T T E L haben versucht, die Tradition, wonach Mose der Verfasser des B b gewesen sei, als historisch hinzustellen. Mose habe, angeregt durch den KH, der damals im ganzen vordem Orient in Geltung war, nach seinem Vorbild auch ein Gesetzbuch für sein Volk geschaffen, in der Voraussicht, daß die Israeliten im Begriff seien, sich in ein Bauernvolk umzuwandeln. Abgesehen davon, daß Gesetze immer und überall der wirtschaftlichen Entwicklung nachfolgen und nicht umgekehrt, ist die Vorstellung von einem Gesetzgeber, der nicht etwa die Verhältnisse seiner Zeit, sondern diejenigen der Zukunft regeln will, ganz unmöglich. Das wichtigste ist aber, daß uns noch eine andere Tradition überliefert ist, die die Abfassung des B b nicht Mose, sondern Josua zuschreibt. In Josua 24 ist auch von Bestimmungen die Rede, auf Grund deren Josua mit dem versammelten Volke einen Bund schließt; es ist längst erkannt, daß es sich hier um eine Parallele zur Sinaisage handelt 1 . Von einer Gesetzgebung zu Sichern wissen ferner Deut 27, 1 ff.; J o s 8, 30 ff., wo es sich zwar nach dem gegenwärtigen Text um eine Wiederholung der mosaischen Gesetze handelt, was aber zweifellos auf die Rechnung des Bearbeiters zu setzen ist. Dabei macht die Bestimmung über die Errichtung des Altars aus unbehaunen Steinen 27, 6, die dem B b entnommen ist, zur Gewißheit, daß es sich hier um das B b handelt. Nun kann aber J o s ebensowenig als Verfasser des Bb in Betracht kommen wie Mose; denn Sichern ist erst durch Abimelech eine israelitische Stadt geworden. W i r haben im vorigen Abschnitt gesehen, daß J o s 24 mit Gen 3 4 , 3 5 und demgemäß auch mit E x 32 zusammenhängt. Die Einführung der Gesetze zu Sichern wird demnach auf die Tätigkeit der Leviten zurückzuführen sein; dafür spricht auch die Beseitigung der fremden Götter, und die Bekämpfung des Luxus Deut 27; Gen 35. Handelt es sich nun hier um das Bb, so kann dieses nur aus der Zeit Elias stammen; denn die Leviten gehören mit den Propheten und Rechabiten in das neunte Jahrhundert. Schon der Umstand, daß J o s 24 von einer Einführung des reinen Jahvekultes erzählt, macht eine ältere Datierung unmöglich. Dadurch erklärt sich aufs einfachste, wie man dazu kam, 1

Vgl. STBÜERKAGM, (Dtn Jos S. 298).

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die Gesetze von Mose abzuleiten; denn Mose galt, wie wir bereits gesehen haben, als Ahnherr der Leviten. Es kommt noch ein anderes Moment hinzu, wodurch diese Vermutung über die Abfassungszeit des Bb bestätigt wird. Letzteres setzt, wie aus 2 1 , 1 1 . 3 2 ; 2 2 , 6 . 2 4 und vor allem 21, 35 deutlich hervorgeht, die Geldwirtschaft voraus. Nun wissen wir aber, daß noch Salomo keine Steuern in Geld erhoben h a t 1 ; seine großen Bauten hat er noch durch Fronarbeiter ausführen lassen und sogar die sidonischen Arbeiter hat er mit Naturalien bezahlt 2 . Erst unter Salomos Regierung beginnen der Handel und als dessen Begleiterscheinung die Geldwirtschaft in Israel einzudringen. Dagegen weist der Bericht I I Kön 12 auf eine weiter fortgeschrittene "Wirtschaftskultur hin; die Arbeiter werden hier schon mit Geld bezahlt, und dies Geld wird aus den Einkünften des Tempels genommen; auch die Abgaben an den Tempel sind demnach in Geld geleistet worden. Das Bb kann daher nur in der nachsalomonischen Zeit abgefaßt sein und ist nur als Produkt der sozialen Krise, die durch das Aufkommen der Geldwirtschaft herbeigeführt wurde, begreiflich. Darauf weisen vor allem die griechisch-römischen Parallelen; auch da ist das Bedürfnis nach schriftlich fixierten Gesetzen erst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft, die die soziale Krise bewirkt hat, entstanden. Diese Gesetze bezwecken: erstens die sozialen Gegensätze zu mildern und zweitens, was noch wichtiger ist, der Willkür der Herrschenden und Besitzenden einen Riegel vorzuschieben. Daß auch das Bundesbuch nur als ein Reformwerk der sozialprophetischen Partei zu verstehen ist, wird die Analyse des Inhalts ergeben. Es beginnt mit einem Verbot der Anfertigung von silbernen und goldenen Gottesbildern: „Ihr sollt nicht neben mir verfertigen; silberne und goldene Götter sollt ihr euch nicht verfertigen" (20, 23). 23 a gibt keinen Sinn. B Ä N T S C H und HOLZINGEK ergänzen e l o h i m a c h e r i m , d. h. „Ihr sollt euch keine fremden Götter anfertigen"; aber das Verbum litryn „anfertigen" kann sich nur auf Gottesbilder beziehen, nicht auf Götter. Ich streiche daher 23 a mit Anderen ganz. Gemeint sind hier nicht fremde Götter, sondern Jahvebilder und das Verbot bezieht sich ursprünglich nur auf die luxuriösen Bilder; einfache Bilder aus Stein und Holz sind zulässig. Ein Späterer, dem dies anstößig war, hat 23 a nachgetragen und daraus ein Verbot der fremden Götter überhaupt gemacht Daß es sich hier ursprünglich um einen Kampf gegen den Luxus im Kultus handelt, zeigt die folgende Bestimmung über die Errichtung des Altars: „Einen Altar aus Erde sollst du mir errichten, 1

V g l . I Kön 4, 7 ; 5, 2 f .

« Ibid. 6, 25.

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um darauf deine Brand- und Heilsopfer, deine Schafe und Rinder zu opfern. An jeder Stätte, an der du meinen Namen anrufen wirst, werde ich zu dir kommen und dich segnen. Wenn du mir aber einen Altar aus Steinen errichten willst, so darfst du nicht mit behauenen Steinen bauen, denn wenn du mit deinem Eisen darüber gefahren bist, hast du sie entweiht" (V 24, 25). Es handelt sich hier um eine Ablehnung des Luxus im Kultus; ein einfacher Altar aus Erde oder aus unbehauenen Steinen wird gefordert, die Prunkaltäre der großen Heiligtümer hingegen werden verworfen. Auf eine Ablehnung der großen Heiligtümer deutet augenscheinlich 24b hin; der hebräische Text lautet: „An jeder Stätte, an der i c h meinen Namen anrufen werde, werde ich zu dir kommen und dich segnen." Den Namen Jahves kann nur ein Mensch, aber nicht Jahve selbst anrufen, man versteht auch nicht, was 24 b bedeuten soll \ und vor allem, warum der Satz der Bestimmung über die Errichtung des Altars angeschlossen ist. Ich lese daher mit Pes. M E E X und B R U S T O N T D T P statt T 3 T N . „An jeder Stätte, an der du meinen Namen anrufen wirst, werde ich zu dir kommen und dich segnen," d. h. du brauchst nicht zu den großen. Tempeln zu gehen, um mir zu opfern, sondern überall, wo du meinen Namen anrufst und mir einen einfachen Altar aus Erde errichtest, komme ich zu dir. Der Erdaltar schließt einen Tempel aus, denn er ist nur als Gelegenheitsaltar verständlich, den man bei Gelegenheit des Opfers errichtet. H O L Z I N Ü E K und B Ä N T S C I I haben auch richtig bemerkt, daß keine Priester für das Opfern gefordert werden. Dieses erste Gesetz trägt den Stempel levitischer Herkunft an der Stirn: Luxusaltäre werden verworfen, ebenso silberne und goldene Gottesbilder2, die großen Tempel werden abgelehnt, und die Priester werden absichtlich ausgeschaltet. JEs ist falsch, diese Bestimmungen lediglich als Ausfluß eines Festhaltens an alter nomadischer Sitte zu erklären; sie sind im Gegenteil nur aus den Verhältnissen einer fort1 Eine kausative Bedeutung des Hiphils von "nt, d. h. erwähnen lassen, sich jedenfalls sonst nicht nachweisen.

läßt

1 V 2 3 wegen seiner pluralischen Anrede mit WELLHAUSEN, BARTSCH U. a. als Zusatz eines Deuteronomisten auszuscheiden, geht nicht a n ; denn dieser hätte das Verbot nicht lediglich auf goldene und silberne Gottesbilder beschränkt. E s scheint mir, daß uns dieser Abschnitt einen Fingerzeig über Abfassung und Schicksal des Bb gibt. Dieses ist, wie die Verbindung mit Sichern zeigt, nordisraelitischen Ursprungs, ist aber später nach der Revolution Jehojadas von J u d a übernommen und mit Zusätzen versehen worden, als solchen judäischen Zusatz betrachte ich V 23, wie I I E o n 12, 14 nahelegt.

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geschrittenen Zeit heraus erklärlich, wie die ähnlichen Bestimmungen 1 S O L O N S beweisen . Daran schließt sich eine Reihe zivilrechtlicher Bestimmungen, denen eine besondere Uberschrift vorangeht (21, 1). Ob diese ursprünglich ist, wird man bezweifeln müssen; sie wird wohl vom Red. herrühren, der andeuten wollte, daß die folgenden Bestimmungen im Unterschied vom Dekalog nicht von Jahve selbst, sondern von Mose dem Volke vorgelesen wurden: „Und das sind die Rechtssatzungen, die du ihnen vorlegen sollst." Die zivilrechtlichen Gesetze beginnen mit einer Bestimmung über die Freilassung der hebräischen Sklaven 21, 2—11. Die Hauptforderung ist 21, 2 enthalten: Der hebräische Sklave soll nach sechsjähriger Dienstzeit ohne Entgelt freigelassen werden. Darauf folgen Einzelausführungen zur Hauptbestimmung: „Wenn er allein eingetreten ist, so soll er auch allein entlassen werden; war er verheiratet, so soll sein Weib mit ihm entlassen werden. Hat ihm aber sein Herr ein Weib gegeben und diese ihm Söhne oder Töchter geboren, so soll das Weib mit ihren Kindern seinem Herrn gehören, und er soll allein entlassen werden." Diese allgemeine Bestimmung erleidet eine Ausnahme: „Wenn jedoch der Sklave erklärt: Ich habe meinen Herrn, mein Weib und Kinder lieb und mag nicht freigelassen werden, so soll ihn sein Herr vor Gott bringen2 (und soll ihn an die Tür oder an den Türpfosten bringen), da soll ihm sein Herr das Ohr mit einem Pfriemen durchbohren, und er soll für immer sein Sklave sein." 21, 7—11 handelt von der hebräischen Sklavin, die von ihrem Vater verkauft wird. Der Fall, daß sich eine Frau selbst verkauft, wird gar nicht vorausgesetzt; denn sie gehört entweder ihrem Vater oder ihrem Manne. Dagegen geht aus diesen Bestimmungen hervor, daß dem Vater ein Verkaufsrecht auf seine Söhne nicht zustand, auch seine Tochter konnte er nur als Konkubine, aber nicht als Arbeitssklavin verkaufen. Die hebräische Sklavin wird daher nicht im siebenten Jahre freigelassen: „Mißfällt sie ihrem Herrn, nachdem er ihr beigewohnt hat 8 , so soll er sie loskaufen lassen, jedoch an eine fremde 1

Bestimmungen gegen den Luxus begegnen wir in Griechenland auch sonst, ebenso in dem römischen Zwölftafelgesetz. 2 Damit ist das Gericht gemeint, wie die jüdische Tradition annimmt. Eine derart wichtige Handlung mußte vor Gericht vollzogen werden. An die Penaten zu denken, liegt kein Grund vor; denn Y 6b* ist wohl deuteronomischer Zusatz wie das doppelte wum nahelegt; denn daß Deut 15, 17, wo die Haustür die Stelle des Heiligtums vertritt, mit Rücksicht auf die Kultusreform geschrieben ist, liegt anf der Hand. * Lies mit Budde njn» und streiche

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Familie 1 soll er nicht befugt sein, sie zu verkaufen, wenn er ihr sein Wort nicht halten kann. Weist er sie aber seinem Sohne zu, so hat er sie nach dem Recht der Töchter zu behandeln. Nimmt er sich noch eine andere, so darf er sie in Fleischnahrung, Kleidung und Wohnung nicht verkürzen. Will er ihr aber die drei Dinge nicht leisten, so soll sie umsonst ohne Entgelt frei werden." E s fällt schon auf, daß gerade das Sklavengesetz an die Spitze der zivilrechtlichen Bestimmungen gestellt ist, noch mehr fällt die Einseitigkeit dieses Sklavenrechts auf: Es sind zwar Bestimmungen vorhanden, die dem Schutz des Sklaven dienen, es finden sich aber keine, die vom Recht des Herrn handeln. Daher ist es falsch, das Sklavenrecht des B b lediglich als eine Fixierung des Gewohnheitsrechts zu betrachten. J e r 34 und Neh 5 beweisen, wie wenig man sich noch in späterer Zeit um diese Bestimmungen kümmerte. Wenn trotzdem eine Freilassung der hebräischen Sklaven erfolgte, so haben sich die besitzenden Schichten nur widerwillig der Not gebeugt. Sobald aber in der Zeit Zedekias eine Erleichterung der außenpolitischen Lage eintrat, haben sie es nicht versäumt, ihre Besitzrechte wieder geltend zu machen. Das Sklavenrecht des Bb ist als eine soziale Reform, die aus der Not der Zeit geboren war, zu verstehen; sie bezweckt der immer weiter fortschreitenden Versklavung der freien Bauernschaft ein Ziel zu setzen. Dieser Prozeß aber ist wiederum mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft aufs engste verbunden. In Rom wie in Griechenland begegnet uns dieselbe Erscheinung der Verschuldung und Versklavung des freien Bauerntums und der Kampf der Entrechteten gegen die Besitzenden. Vor allem soll hier auf die Gesetzgebung S O L O N S hingewiesen werden. Dadurch aber, daß diese Reformgesetze an die Spitze gestellt sind, erweist sich das B b als das Werk der sozialprophetischen Partei. 21, 12—17 folgen Bestimmungen über Mord und einige dem Mord gleichgeachtete Verbrechen. V 12 enthält die Hauptbestimmung: Der Mörder ist mit dem Tode zu bestrafen. V 13, 14 bringen weitere Ausführungen dazu: Falls er es aber nicht vorsätzlich getan, sondern Gott es seiner Hand hat widerfahren lassen, so will ich dir eine Stätte bestimmen, wohin er fliehen kann 2. Ist dagegen der Mord ein vorsätzlicher, so muß die Todesstrafe zur Ausführung gelangen. 1 So muß ey hier übersetzt werden, denn 8 a bezieht sich offenbar auf die eigene Familie des Sklaven (so auch HOLZ). ZU dieser Bedeutung von oy vgl. noch

I I Kön 4, 13. 8 E s scheint, daß nicht jedes beliebige Heiligtum als Asyl galt, sondern nur diejenigen, die speziell dafür bestimmt waren; sonst müßte es beißen: er fliehe zu meinem Altar. Dies ist nach 20, 24 durchaus begreiflich, denn Erdaltäre konnte man überall und zu jeder Zeit errichten.

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Die ältere Zeit kennt keine Pflicht des Staates auf die Verfolgung des Mörders; der Schutz des Lebens ist Sache der Sippe. Das geht auch aus dem Umstand hervor, daß noch bis in die nachexilische Zeit den Verwandten des Ermordeten das Recht der Blutrache zusteht. Die ältere Zeit kennt deshalb den Unterschied zwischen vorsätzlichem und unbeabsichtigtem Mord noch nicht, dagegen konnten sich die Verwandten des Ermordeten die Schuld abkaufen lassen. Erst die Entwicklung des Verkehrs, die einerseits die Macht des Staates steigert und z. T. auch eine Auflösung der Sippenverbände herbeiführt, anderseits das Bedürfnis nach größerer Sicherheit, die durch die ewigen Blutrachefehden aufs äußerste gefährdet ist, hat dazu geführt, die letzte Entscheidung in solchen Fällen auf den Staat zu übertragen. Die Geschichte in I I Sam 14 von der Frau, die zu David mit der Bitte kommt, für ihren Sohn gegen die Bluträcher einzutreten, ist dafür charakteristisch: Dieser Fall beweist, wie allmählich der Staat in den Zuständigkeitsbereich der Sippen einzugreifen beginnt; das Gericht spielt hier zwar noch keine Rolle, aber man kann sich schon in Ausnahmefällen an den König wenden. In Athen ist die Blutsgerichtsbarkeit zuerst von D R A K O N geregelt worden; von ihm stammt auch das Verbot der Annahme des Wergeides und die Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und unbeabsichtigtem Mord, den die homerische Zeit noch nicht kennt. Auch das Bb lehnt offenbar die Annahme von Wergeid ab, es kennt nur die Todesstrafe für den vorsätzlichen Mord \ In diesen Zusammenhang gehört aller Wahrscheinlichkeit nach 22, 1 f., eine Bestimmung über Notwehr, die dem unbeabsichtigten Mord gleichgestellt ist und deswegen in unseren Abschnitt ausgezeichnet paßt, dagegen jetzt an unpassender Stelle steht, denn 22, 3 schließt direkt an 2 1 , 3 7 an: „Wird der Dieb beim nächtlichen Einbruch betroffen und totgeschlagen, so gibt es seinetwegen keine Blutschuld; hat aber die Sonne schon dabei geschienen, so erwächst seinetwegen Blutschuld." Es ist lehrreich, daß uns das römische Zwölftafelgesetz eine fast wörtliche Parallele bietet. Es braucht nicht näher ausgeführt zu werden, daß diese Bestimmungen nur in die Königszeit hineinpassen. Dem Mord gleichgestellt und mit dem Tode bestraft wird, wer seine Eltern schlägt oder verflucht, und wer einen Menschen raubt, um ihn als Sklaven zu verkaufen. Der nächste Abschnitt handelt von allerlei Verletzungen und den 1 Dafür spricht der Umstand, daß im Falle der Tötung eines Menschen durch einen stößigen Stier die Annahme von Wergeid ausdrücklich zugelassen wird.

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darauf stehenden Strafen, im allgemeinen gilt das j u s t a l i o n i s wie im babylonischen und römischen Hecht. Wenn aber kein bleibender Schaden entsteht, so soll der Schuldige nur den Verdienstausfall und die Heilkosten ersetzen. Lehrreich sind hier nur die Bestimmungen über Verletzungen eines Sklaven durch seinen Herrn: „Wenn jemand seinen Sklaven oder seine Sklavin so mit dem Stocke 1 schlägt, daß sie ihm unter der Hand sterben, so soll er bestraft werden; bleibt er jedoch einen oder zwei Tage am Leben, so soll er nicht bestraft werden; denn es geht um sein Geld." Worin die Strafe bestehen soll, wird leider nicht angegeben ; nach talmudischer Uberlieferung soll es sich um die Todesstrafe handeln. Sicheres läßt sich jedoch unserem Texte nicht entnehmen' 2 : „Und wenn jemand seinem Sklaven pder seiner Sklavin ins Auge schlägt, so daß er es zerstört, so soll er ihn zur Entschädigung für sein Auge freilassen. Und wenn jemand seinem Sklaven oder seiner Sklavin einen Zahn ausschlägt, so soll er ihn zur Entschädigung für seinen Zahn freilassen." Da hier kein Unterschied gemacht wird zwischen israelitischen und nichtisraelitischen Sklaven, so bezieht sich das Gesetz demnach auch auf diese. Der Sklave wird hier nicht mehr als eine Sache, sondern als Person behandelt; er ist zwar dem Freien noch nicht völlig gleichgestellt, genießt aber immerhin sogar seinem Herrn gegenüber den Schutz des Gesetzes. Dem Herrn steht es zwar zu, seinen Sklaven zu züchtigen, aber wenn ein bleibender Schaden entsteht, so muß er ihn freilassen 3 . Noch härter wird er bestraft, wenn er unter seiner Hand stirbt Man kann den sozialen Fortschritt dieser Bestimmungen erst ermessen, wenn man bedenkt, daß in Rom der Herr seinen Sklaven sogar töten durfte. Sonst scheint der Sklave dem Freien völlig gleichgestellt zu sein. 21, 29—32 handeln von lebensgefährlichen Verletzungen, die durch Tiere veranlaßt werden, daran schließen sich Bestimmungen über den Schutz des Eigentums. 1 Die Erwähnung des Stockes geschieht hier wohl absichtlich. Nur dann geht der Herr frei ans, wenn der Sklave nicht auf der Stelle stirbt, weil der Stock allgemein als Züchtigungsinstrument galt. Vgl. V 18. * Indessen spricht das opj, das überall als Term. tech. für die Ausführung der Blntrache gebraucht wird, für die rabbinische Tradition. 5 Die jüdische Tradition wird wohl im Rechte sein, wenn sie Y 26, 27 nicht wörtlich nimmt und auch an andere Verletzungen, überall wo ein bleibender Schaden entsteht, denkt; denn man wird dem Verfasser des Bb kanm die Sinnlosigkeit zutrauen dürfen, den Verlust eines Zahnes höher zu werten als beispielweise den Verlust einer Hand oder eines Fußes.

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21, 37; 22, 3 handeln von Diebstahl, wobei nur der Diebstahl eines Tieres zur Sprache kommt. Wer einen Stier stiehlt und denselben schlachtet oder verkauft, muß den fünffachen Wert desselben ersetzen. Für ein Schaf wird der vierfache Betrag verlangt. Ist aber das gestohlene Tier noch im Besitz des Diebes, so zahlt er nur den doppelten Betrag. Ebenso zahlt, wer Wertsachen und Ahnliches stiehlt, nur den doppelten Betrag, wie aus 22, 6 hervorgeht. In diesen Bestimmungen fällt besonders die Tatsache auf, daß der Schutz des bäuerlichen Vermögens im Vordergründe steht, dagegen ist hier von Tempel oder Palastdiebstahl im Gegensatz zum K H nirgends die Hede. Auch die übrigen Bestimmungen handeln zumeist vom Schutz des bäuerlichen Eigentums wie 21, 28 ff. und 22, 4—5, das von Schädigung des Feldertrages handeln. Dadurch kennzeichnet sich das Bb auch als ein bäuerliches Gesetzbuch, daß vor allem die Rechte der Bauern im Auge hat. 22, 6—14 sprechen vom anvertrauten Gut. Ist es gestohlen und wird der Dieb nicht entdeckt, so muß der Eigentümer des Hauses vor Gericht 1 treten und einen Eid leisten, daß es wirklich gestohlen ist. Handelt es sich dagegen um einen Hirten, so ist er im Falle eines Diebstahls ersatzpflichtig. Stirbt aber das Tier oder bricht es ein Glied oder wird es geraubt, so soll der Hirt einen Eid leisten, daß er sich nicht an dem Eigentum des andern vergangen hat, und er geht frei aus. Ist das Tier jemandem zur Arbeit geborgt und bricht es ein Glied oder stirbt es, so ist der Entleiher ersatzpflichtig; ist jedoch der Eigentümer des Tieres zugegen, so geht er frei aus. Handelt es sich um ein gemietetes Tier 2 , so braucht der Mieter keinen Ersatz leisten; denn er zahlt ja Mietgeld. 22, 15—16 beziehen sich auf die Verführung einer Jungfrau. Der Verführer soll die betreffende Jungfrau heiraten und dem Vater die übliche Heiratssumme zahlen. Weigert sich jedoch der Vater seine Tochter ihm zur Frau zu geben, so soll er dem Vater den M o h ä r bezahlen. Es folgen noch eine Reihe weiterer Bestimmungen gemischten' Charakters, die sich von den vorhergehenden äußerlich stark abheben. Während die vorangehenden Bestimmungen durchweg in dritter Person 1 cn^N bedeutet hier und V 8 zweifellos das Gericht wie 21, 6 ; 18, 19 und Ps 60, 2 lehren. Um ein Priesterorakel kann es sich nicht handeln, wie V 10 zeigt, wonach in Zweifelsfällen nicht das Orakel, sondern der Eid zur Anwendung kommt. Vgl. auch Lev 5, 20—22 und KH 266. 2 -ra» bezieht sich hier auf das Tier, sonst bedeutet es Tagelöhner.

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abgefaßt sind, weisen diese Bestimmungen fast ohne Ausnahme die zweite Person auf. 22, 17: Eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen. 2 2 , 1 8 : W e r einem Tier beiwohnt, soll getötet werden. 22, 19: W e r andern Göttern opfert, verfällt dem Banne. Letztere Bestimmung ist religionsgeschichtlich von Bedeutung. Es fragt sich, wann zuerst ein derartiges Verbot entstehen konnte. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, daß wir nicht über die Zeit Elias hinausgehen können; denn von religiösen Kämpfen ist in den alten Texten der Richter- oder der frühen Königszeit keine Spur vorhanden. 22, 20: Einen Beisassen sollst du nicht übervorteilen und nicht bedrücken. Diesen Vers als deuteronomischen Zusatz auszuscheiden, liegt kein stichhaltiger Grund vor, nur 20 b ist wegen der pluralischen Anrede zu streichen. Ob dagegen V 21, 22 zum ursprünglichen Bestände des B b gehören, läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen; ihr Inhalt, Schutz der "Waisen und Witwen paßt zwar ausgezeichnet zum Geiste des Bb, aber der Plural ist immerhin verdächtig. 2 2 , 2 4 : „Wenn du jemanden aus meinem Volke, einem Armen neben dir, ein Gelddarlehen gibst, so sollst du nicht wie ein rücksichtsloser Gläubiger gegen ihn handeln (legt ihm keinen Zins auf)." 24 b verrät sich durch den Plural als Glosse. Es fragt sich nun, ob wirklich ursprünglich an ein Verbot des Zinsnehmens gedacht war. Die meisten Ausleger übersetzen ntrj mit Wucherer, aber diese Bedeutung hat es nicht. Uberall, wo wir es antreffen, bezeichnet es vielmehr den Gläubiger oder richtiger Mahner, der in schonungsloser Weise seine Schuld eintreibt. So I Sam 22, 2; I I Kön 4, 1; J e s 50, 1 u. a. Da handelt es 6ich überall um einen Gläubiger, der seine rückständigen Schuldner in die Sklaverei v e r k a u f t V 24 fordert daher wohl eine rücksichtvolle Behandlung des Schuldners. Dazu paßt sehr gut die folgende Bestimmung über das Pfandrecht: 22, 25. 26 „Wenn du den Mantel deines Nächsten als Pfand nimmst, sollst du ihn bis zuir Sonnenuntergang zurückgeben, denn er ist ja seine einzige Decke, die Umhüllung für seinen Leib, womit könnte er sich sonst schlafen legen ? Würde er zu mir schreien, so würde ich ihn hören, denn ich bin barmherzig." Diese Vorschriften stehen in derselben Linie wie die Bestimmungen über das Sklavenrecht; die Meinung von BÄNTSCH U. a . Ebenso bedeutet das Verbum nrj die Schulden rücksichtslos eintreiben, Neh 5, 7. 1

so

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daß die sogenannten „humanitären" Satzungen keinen ursprünglichen Bestandteil des B b bildeten, ist daher völlig grundlos. Nicht nur die griechisch-römischen Parallelen, sondern vor allem die andern Gesetzsammlungen des Pentateuchs; das Deuteronomium und Heiligkeitsgesetz, beweisen, wie eng Schuld- und Sklavenrecht miteinander verbunden sind. Und dies entspricht durchaus den wirklichen Verhältnissen; denn die Versklavung ist eine notwendige Folge der Verschuldung, wie aus den zahlreichen Angaben des A T wie I I Kön 4, 1 f.; Neh 5 u. a. deutlich hervorgellt. Daran schließt sich eine Reihe kultischer Gebote 22, 27—30. V 2 7 : Gott sollst du nicht lästern 1 und einen Fürsten in deinem Volke nicht verwünschen. Diese Bestimmung soll nach der Meinung mancher Forscher beweisen, daß das Bb aus Yorköniglicher Zeit stamme, weil der König noch nicht erwähnt wird. Nun wäre dieses Argument noch vielleicht stichhaltig, wenn es feststände, daß die Richterzeit den N'2>J kannte. Das ist aber keineswegs der Fall; dieser Titel findet sich vielmehr nur in der exilischen und nachexilischen Literatur. Zuerst bei Ezechiel, der die Könige von Juda wie auch den zukünftigen Herrscher Israels mit dem Titel N'iW bezeichnet. Nun gibt uns gerade Ezechiel einen Wink über die Bedeutung dieses Titels: Der Fürst ist bei ihm im Unterschied vom König — dem selbstherrlichen Monarchen — der verfassungsmäßige Regent. E s ist aber wenig wahrscheinlich, daß dieser Begriff erst von Ezechiel geprägt wurde; wir sind vielmehr berechtigt, anzunehmen, daß schon die Zeit der großen Umwälzungen diesen Begriff geschaffen hat. Es ist wahrscheinlich, daß der n a s i mit der Volksversammlung zusammenhängt, wie der Ausdruck "|Dya N'tyj nahelegt. Es wird dann etwa mit Präsident zu übersetzen sein. 22, 28 —29 handeln von den heiligen Abgaben. Schwierigkeiten bereitet hier die Bestimmung über die menschliche Erstgeburt; doch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß hier nicht die Opferung des Erstgeborenen befohlen wird. Solche Opfer sind uns aus alter Zeit ganz unbekannt. Der Erstgeborene gilt vielmehr als der Haupterbe. Der Kampf um die Erstgeburt, der einen so breiten Raum in den ältesten Erzählungen der Genesis einnimmt, wäre sinnlos, wenn eine regelmäßige Sitte dieser Art jemals bestanden hätte. Auch I I Kön 3, 27 heweist eher das Gegenteil; denn diese Opferung des Erstgeborenen, der als T h r o n e r b e b e s t i m m t w a r , wird als etwas Außergewöhnliches betrachtet und nur aus der damaligen Situation heraus begreiflich. Ebenso beweist die Sage von der Tötung der 1

Oder ist hier das Gericht gemeint?

Beihefte z. ZAW 50

Vgl. zu 22, 7.

3

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ägyptischen Erstgeburt gerade das Gegenteil; denn die Tötung wird hier als göttliche Strafe betrachtet. In Gen 22 wird die Opferung Isaaks als eine Versuchung dargestellt, was zweifellos ursprünglich ist; denn es handelt sich hier um ein levitisches Motiv, wie gezeigt werden soll. W i e könnten vollends so weit verbreitete Sagen von der unfruchtbaren Frau, der Gott ein Kind schenkt, entstehen (vgl. Sara, Hanna, Manoach u. a.), wenn der Erstgeborene geopfert werden müßte! Man wird daher an eine Opferung im übertragenen Sinne denken müssen, wie die Samuelgeschichte (I Sam 1) nahelegt. Vielleicht ist auch Auslösung der Erstgeburt gemeint. Daß es sich hier um eine ursprünglich levitische Institution handelt, geht nicht nur aus I Sam 1 hervor, das, wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, levitischer Herkunft ist, sondern wird auch durch die Tatsache bestätigt, daß nach Num 3, 40 die Erstgeborenen, die Jahve gehören sollten, durch die Leviten, die an ihre Stelle treten, ausgelöst werden. P hat hier sicherlich eine alte levitische Tradition bewahrt. Daß Gen 22 levitischer Herkunft ist, beweist schon der Term. tech. nDJ (vgl. Deut 33, 8 und den Abschnitt über die Leviten). Für unsere Auffassung spricht endlich der Umstand, daß E x 24, 5 die Darbringer der Opfer nicht als D'jrD sondern als ^job» n y j bezeichnet werden. 2 2 , 3 0 wird durch den Plural als Zusatz erwiesen, paßt zudem auch inhaltlich wenig in das Bb. Aus Ezech 44, 31; Lev 17, 15; 22, 8 geht deutlich hervor, daß noch in exilischer Zeit dieses Verbot sich nur auf die Priester beschränkte. 23, 1—3. 6—8 handeln von Gerechtigkeit in Prozeßsachen: „Du sollst kein falsches Gerücht aussprengen. Du sollst dem, der in Unrecht ist, nicht die Hand bieten, durch ein das Recht vergewaltigendes Zeugnis. Du sollst nicht der Mehrheit dich anschließen zu schlimmen Dingen. Und du sollst dich in einer Rechtsache bei deinen Aussagen nicht nach der Mehrheit richten und das Recht beugen! Den Armen sollst du in seinem Rechtsstreit nicht begünstigen". 23, 6—8 „Das Recht der Armen sollst du in seinem Rechtsstreit nicht beugen. W o Betrug im Spiel ist, halte dich fern, und den, der unschuldig und im Recht ist, sollst du nicht töten, und gib dem, der im Unrecht ist, nicht Recht 1 . Und Geschenke nimm nicht an; denn Geschenk macht die Augen Sehender blind und verdreht die gerechte Sache." Bestimmungen über falsche Zeugen, Bestechung und Ahnliches finden sich auch im K H und überall; auffallend ist hier aber die Bekämpfung der Klassenjustiz, und zwar in jeder Hinsicht. V 3 wendet 1

Lies mit den meisten px mpoa "pnpa 2B" -py. „Der Sinn der Stelle 23, 16f. ist aber ganz klar: der Sklave soll an jedem Ort, den er erwählt, in irgendeiner der Städte Israels nach Gutdünken wohnen d ü r f e n . . . Der Artikel steht in B a m m a q o m also in genereller Bedeutung und das Zahlwort „eins" in distributivem Sinn . . . Setzt man aber diese Bedeutungen von Artikel und Zahlwort für „eins" in Deut 12, 14 ein, so erhält man dort das Gegenteil von dem, was man bisher in dieser Stelle gefunden hat, nämlich: der Israelit soll nicht an jedem beliebigen Ort opfern dürfen, wohl aber „an jedem Ort, den Jahve erwählen wird in irgendeinem deiner Stämme". Das heißt: in jedem Stamm gibt es Stätten, die Jahve erwählt, und da soll sich der Kultus Israels abspielen; von irgendeinem Widerspruch zwischen dem Altargesetz von Ex 20, 24 und von Deut 12, 13 f. kann also keine Rede sein." Dagegen ist erstens einzuwenden, daß in Wirklichkeit auch 23, 17 der Artikel keineswegs generelle Bedeutung besitzt. Es ist durchaus falsch, mit OESTREICHER hier mpan mit „an jedem Ort" und das "jnVti' "inxs durch „in irgendeiner deiner Städte" wiederzugeben, vielmehr heißt es hier, worauf GRESSMANN und K Ö N I G 1 bereits hingewiesen haben: „an den Ort, den er sich erwählt, in einer deiner Städte". Der Sinn ist, daß der Sklave in seiner Wahl durchaus frei ist; er kann sich jede beliebige Stadt zum Wohnsitz wählen, diese aber kann nur eine sein. Daß nur dies der einzig mögliche Sinn dieser Stelle ist, braucht eigentlich gar nicht bewiesen zu werden; denn im Unterschied von der Gottheit kann ein Mensch nur an einer, aber nicht an mehreren Stellen gleichzeitig anwesend sein. Es ist daher verfehlt, wenn OESTBEICHER neuerdings seinen Gegnern vorwirft, „daß kein Ausleger die Folgerung aus Deut 12,14 auf Deut 23,16 gezogen hat: wie es nur einen Kultort für ganz Israel geben sollte, so auch nur eine einzige Stadt als Zuflucht für entflohene Sklaven". Dieser Vorwurf beweist im Gegenteil, daß OESTKEICHER weder 12, 14 noch 23, 16 richtig begriffen hat; denn Subjekt von 12, 14 ist nicht Israel sondern Jahve, 1

ZAW XLII s. 313 f. u. 337 f.

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dieser aber ist bei seiner "Wahl ebensowenig an eine bestimmte Stätte gebunden wie der Sklave in 23, 16. Bestimmt wird die Stätte erst hier durch die Wahl Jahves, dort durch die des Sklaven. Der Grundfehler OESTREICHEBS besteht darin, daß er hier Jahve und Israel verwechselt und die Stellung des Sklaven in 23,17 nicht mit der Jahves, sondern mit der Israels in 12, 14 vergleicht. Wären in 12,14 wirklich mehrere Orte gemeint, so wäre Dipnn wie Ex 20, 24 oder nach deuteronomischem Sprachgebrauch nimpan i m o notwendig (vgl. 19, 11). Dabei ist noch zu beachten, daß diese Wendung im Deut an zahlreichen Stellen wiederkehrt; wenn trotzdem überall der Sing, gebraucht wird, so ist daraus mit zwingender Notwendigkeit zu schließen, daß es sich nur um einen einzigen Kultort handeln kann. Die These O E S T UEICHEKS scheitert vollends an 12,5: „Sondern die Stätte, die Jahve, euer Gott, aus all euern Stämmen i>2D erwählen wird" Dies kann nur bedeuten, daß aus allen israelitischen Stämmen nur ein einziger von Jahve zum Kultusort erwählt wird. Diese Auffassung von 12,14 ist keineswegs erst neueren Datums. Im Gegenteil, wir können sie bis auf die Zeit des babylonischen Exils verfolgen, in der das Hebräische noch eine lebendige Sprache war. Denn der deuteronomische Redaktor des Königsbuches denkt bei seiner "Verurteilung der Höhen an Deut 12, 14, wie folgende Stellen I Reg 8,29; 9 , 3 ; 1121,7; 23,27 und insbesondere 111,36 -pyn D^BTVS •B> 'Dtr oiz£ Tnra "Itpx beweisen. Der angebliche Irrtum datiert also nicht, wie es OESTREICHER und STÄRK hinstellen, erst seit D E W E T T E , sondern er ist ebenso alt wie das Deut selbst. W i e steht es aber mit den sachlichen Argumenten von O E S T R E I C H E R und W E L C H ? Der Einwand, daß ganz Juda unmöglich die Feier der Feste im Tempel von J e r u s a l e m begehen konnte: „eine siebentägige Festfeier dieser Art, wo fast die ganze Bevölkerung von Stadt und Dorf auf den Beinen war, an dem Zentralheiligtum von Jerusalem, wäre sinnlos gewesen, weil es wirtschaftlich und sozial unausführbar war", scheitert an der historischen Tatsache, daß die nachexilische Zeit Jahrhunderte hindurch die Feier der Feste nur am Zentralheiligtum in Jerusalem begangen hat. Man müßte sich auch fragen, wenn wirklich die Höhen bis zum Exil bestanden hätten, warum man dann in nachexilischer Zeit nicht auf den Gedanken verfallen ist, sie wieder aufleben zu lassen? Ja, warum haben dann die Juden in Babylonien keine Jahvealtäre wie ihre ägyptischen Brüder in Elephantine STÄRK

1

Daß hier nur von einer einzigen Stätte die Rede sein kann gibt im Unter»

schied von OKSTBXICHBB und STÄBE auch WELCH ZU.

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errichtet ? Diese auffällige Erscheinung läßt sich nur dann ungezwungen erklären, wenn J e r u s a l e m bereits vor dem Exil als die einzige legitime Kultstätte galt. Ferner: Wäre die Zentralisation des Kultus erst eine Neuerung der nachexilischen Zeit, so müßte eine entsprechende Forderung irgendwo in der nachexilischen Gesetzesliteratur enthalten sein; durchforscht man aber die gesamte altisraelitische Gesetzesliteratur, so ist abgesehen vom Deut nirgends von einer einzigen zentralen Kultusstätte die Rede. Der Priesterkodex hat zwar überall den Tempel von Jerusalem vor Augen, aber ohne Deut 12 würde niemand auf den Gedanken kommen, P halte den Höhendienst für illegitim und verlange seine Beseitigung. Der Nachdruck, mit dem überall im Deut diese Forderung, Jahve nur an der legitimen Kultusstätte zu dienen und alle illegitimen Kultstätten zu vernichten, eingeschärft wird, beweist doch klar, daß es sich hier um eine Neuerung handelt. Es ist daher ein "Widersinn zu behaupten, das Deut fordere in Wirklichkeit nichts anderes als JBb. Daß es sich hier um eine Neuerung handelt, geht übrigens auch aus der Tatsache hervor, daß das Deut es für nötig hält, bei jeder Gelegenheit (auch in den Geschichtsbüchern!) an diese Forderung zu erinnern. Glaubt man überhaupt an eine Korrespondenz zwischen der auf uns gekommenen Literatur Israels und der historischen Entwicklung dieses Volkes, so wird man im Ernste nicht bezweifeln können, daß ein historisch so bedeutsamer Vorgang wie die Zentralisierung des Kultus, dessen geschichtliche Wirklichkeit auch von O K S T B K I C I J E E , S T Ä B E und W E L C I I nicht bestritten werden, in der gesetzlichen Literatur Israels seinen literarischen Ausdruck finden mußte. Nun entspricht dieser historischen Tatsache Deut 12 aufs beste, und darum ist es unmöglich, hier einen Zusammenhang zu leugnen. Entscheidend ist endlich Folgendes: An drei Stellen gilt im Deut die Erweiterung der Landesgrenzen als denkbar; auf die daraus sich ergebenden Schwierigkeiten wird hingewiesen, und Maßnahmen werden gegen sie getroffen. Während 19, 1 f. von der Aussonderung dreier Asylstätten und einer eventuellen Vermehrung auf sechs die Rede ist, wird 12, 20 f. und 14, 24 f. hingegen, wo es sich um Opfer und Zehnten handelt, eine Vielheit von Kultstätten und eine eventuelle Vermehrung nicht vorgesehen. Den daraus für die entfernt Wohnenden folgenden Schwierigkeiten soll vielmehr durch Freigabe der Profanschlachtung und Einlösung des Zehnten in Geld abgeholfen werden. Von dem Grundsatz der einheitlichen Kultusstätte wird dagegen auch hier nicht im geringsten abgewichen. Von ganz anderen Erwägungen bei seiner Kritik der herrschenden

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Meinung über Deuteronomium und Josiareform geht H Ö L S C H E B aus Er bestreitet zunächst, daß die Reform Josias mit der Kultuszentralisation zusammenhing. In dem ursprünglichen Bericht von I I Kön 23 sei von einer Beseitigung der Höhen in ganz Juda nichts erzählt; die Verse I I Kön 23, 8 a und 9, die ursprünglich zusammengehörten und gegenwärtig durch 8 b, die Notiz über die Beseitigung der Bockshöhen, unterbrochen werden, seien spätere Eintragung; denn 8 b schließe direkt an 7 an. Die Reform Josias habe sich demnach lediglich auf die Reinigung des Tempels von den fremdländischen Kultgeräten beschränkt. Als sprachliche Bestätigung für diese Ausscheidung führt H Ö L S C H E R das Vav-Perfektum in 23, 8 b an, das für den späteren Ergänzer charakteristisch sein soll. Mit Recht aber wendet dagegen H. S C H M I D T (ThLZ 1923 S. 290) ein. die Geschichtlichkeit von 8 a, 9 werde schon durch die Tatsache bewiesen, daß hier die Reform auf Juda (von Gaba bis Beerrseba) beschränkt wird. In den späteren Zusätzen hingegen wird die Reform Josias auf ganz Israel ausgedehnt. Die Schwierigkeit, die durch 8 b verursacht wird, läßt sich viel leichter durch die Annahme beseitigen, daß 8 b ein Einschub in 8 a 9 ist, die auch nach H Ö L S C H E R ursprünglich zusammengehören. Das Vav-Perfektum findet sich nicht in den von H Ö L S C H E R angefochtenen Versen 8 a 9, sondern in dem nach seiner Meinung echten 8 b. Man sucht aber vergebens bei H Ö L S C H E R nach einem Grund, weshalb Josia ganz Juda zur Bundschließung nach Jerusalem kommen ließ, wenn es sich lediglich um eine Reinigung des jerusalemischen Tempels handelte; brauchte man dazu die Zustimmung des ganzen Volkes? H Ö L S C H E R führt weiter als Beweis für seine Auffassung die Tatsache an, daß uns die Höhen, die Josia völlig beseitigt haben soll, kurz darauf wieder begegnen (so J e r 13,27). Aber mit Recht erwidert H. S C H M I D T darauf, daß auch in bezug auf die Reinigung des Tempels, die H Ö L S C H E R durchaus für historisch hält, nach einem Menschenalter alles wieder beim Alten war, wie Ez 8—11 zeigen. Ich habe schon oben darauf hingewiesen, daß sich in Wirklichkeit die Zentralisation des Kultus viel eher aus der vorexilischen als aus der exilischen Zeit begreifen läßt; vor allem läßt sich die Tatsache, daß die Juden Babyloniens im Gegensatz zu den ägyptischen Juden keinen Tempel besaßen, nur daraus erklären. H Ö L S C H E R versucht aber die Richtigkeit seiner These auch auf anderem Wege zu beweisen, nämlich durch eine Analyse des Deuteronomiums selbst, das nur als eine Schöpfung nachexilischer Priesterspekulationen, aber nicht als ein von Josia wirklich durchgeführtes 1

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Gesetz verständlich sei. Als Gründe gelten ihm vor allem der ideologische Charakter des Deuteronomiums und die völlige Undurchführbarkeit der meisten seiner Forderungen. Aber dieser Umstand ist kein Beweis für nachexilischen Ursprung; er läßt sich ebenso aus dem siebenten wie aus dem sechsten Jahrhundert verstehen, denn es gibt nicht nur, wie G E E S S M A N N richtig bemerkt, ideologische Gesetze, sondern auch ideologische Revolutionen. W a s aber die Undurchführbarkeit der einzelnen Gesetze angeht, so ist es unmöglich, solche Bestimmungen wie das Königsgesetz Deut 17 und die Schuld- und Sklavengesetze Deut 1 5 aus nachexilischer Zeit abzuleiten. H Ö L S C H E R deutet hier zweifellos einen wunden Punkt der bisherigen Auffassung von Ursprung und Ursachen der deuteronomischen Reform an. E r behauptet mit Recht, daß kein stichhaltiger Grund vorliege, das Königsgesetz und die sozialen Gesetze als spätere Erweiterungen zu streichen, wie es heute meist geschieht. Aber er begeht einen noch größeren Fehler, wenn er das ganze Deuteronomium als Phantasieerzeugung nachexilischer Priester betrachtet; gerade diese Bestimmungen beweisen unwiderleglich den vorexilischen Ursprung des Deuteronomiums. Allerdings folgt daraus mit ebenso zwingender Notwendigkeit, daß es verfehlt ist, das Deuteronomium nur als kultisches Reformprogramm zu bezeichnen und es' infolgedessen als ein Priesterprodukt zu betrachten. Die Identität von Deuteronomium und Josiabuch wird auch von bestritten (Die Kultusreform des J o s i a Z D M G 7 7 S. 2 2 0 f f . und: Die Anfänge des Propheten J e r e m i a Z A W 41, 94 ff.). E r geht von einer Analyse des Jeremiabuches aus, in dem er zwei Quellen A und B festzustellen versucht. D e r älteren A ist, obwohl auch sie erst aus der Zeit Haggais und Sacharjas stamme, das Deuteronomium noch völlig unbekannt und erst der Bearbeiter von B hat J e r e m i a in Beziehung zum Deut gesetzt. H O E S T findet in I I Reg 2 2 . 2 3 seine beiden jeremianischen Quellen A und B wieder; auch hier wisse die ältere Quelle A von einem Gesetzbuche, auf Grund dessen die Zentralisierung des Kultus durchgeführt wurde, nichts und erst die sekundäre und unhistorische Quelle B berichte von der Auffindung des Deut und der Beseitigung der Höhen. W i r können uns einer Kritik der Jeremiaanalyse H O E S T S ersparen, um so mehr als sie für unsere Frage belanglos ist, und werden nur seine These zu I I Reg 22. 23 einer Prüfung unterziehen. H O E S T beginnt seine Untersuchung beim Huldaorakel und kommt zu dem überraschenden Resultat, daß hier zwei Quellen vorliegen. E s genügt aber, die beiden Texte, den „verderbten" massorethischen und den „ursprünglichen" der Rezension H O E S T einander gegenüberzustellen, um die Haltlosigkeit der HossTschen These zu erkennen. HOEST

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Rekonstruierter Text Überlieferter Text. „15. Und sie (Hulda) sprach zu ihnen: So spricht Jahve, der Gott Israels: Sagt dem Manne, der euch zu mir gesandt hat: 16. So spricht Jahve: Siehe, ich bringe Unheil über dieses Land und seine Bewohner, alle Worte des Buches, das der König von J u d a gelesen hat. 17. Darum daß sie mich verlassen und fremden Göttern geopfert haben, um mich zu erzürnen mit all den Tun ihrer Hände. Und entbrannt ist mein Grimm unauslöschlich. 18. Und zum König von Juda, der euch gesandt hat, Jahve zu befragen, so sollt ihr zu ihm sprechen: So spricht Jahve, der Gott Israels: die "Worte die du gehört hast. 19. Dieweil dein Herz weich geworden ist und du dich vor Jahve gedemütigt hast, als du hörtest, was ich wider diesen Ort und seine Bewohner redete, daß sie zum Grauen und zum Fluch werden sollen, und hast deine Kleider zerrissen und vor mir geweint, so habe auch ich gehört, Spruch Jahves. 20. Darum, siehe, will ich dich zu deinen Vätern versammeln, und du sollst in deiner Grabstätte in Frieden versammelt werden, daß deine Augen nicht zu sehen brauchen all das Unheil, das ich über diesen Ort bringen will."

(nach

HORST).

A. B e r i c h t . 15 Und sie (Hulda) sprach zu ihnen: . . . Saget dem Manne, der euch zu mir gesandt hat: 16. So spricht J a h v e : Siehe, ich bringe Unheil über dieses Land und seine Bewohner, alle Worte des Buches, das der König von Juda gelesen hat, 17 b denn (eigentl. und) entbrannt ist mein Grimm wider dieses Land unauslöschlich 19 (und es wird geschehen), wenn du hörst auf das, was ich wider dieses Land und seine Bewohner geredet habe, daß sie zum Grauen und zum Fluch werden sollen, 20 a, ß so sollen deine Augen nicht sehen all das Unheil, das ich über dieses Land bringen will. B. B e r i c h t . (18a Und sie sprach zu ihnen:) So sollt ihr sprechen zum König von Juda, der euch entsandt hat. Jahve zu befragen 17 a: Darum daß sie mich verlassen und fremden Göttern geopfert haben, um mich durch das Tun ihrer Hände zu erzürnen, 18 b (siehe, so bringe ich über sie) die Worte, die du gehört hast. 19 Weil aber dein Herz weich geworden ist und du dich vor mir (eigentl. Jahve) gedemütigt h a s t . . d e i n e Kleider zerrissen und vor mir geweint hast, so habe auch ich gehört, Spruch Jahves 20 act Darum, siehe will ich dich zu deinen Vätern versammeln und du sollst in deiner Grabstätte in Frieden versammelt werden.

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Diese Analyse wird von H Ö H S T auf Grund „der sprachlichen Indizien der Jeremiaquellen" durchgeführt. Als sprachliche Indizien dienen beispielsweise Ausdrücke wie "¡p, "jnh, spx Niph u. a., Ausdrücke, die sich überall finden und mit denen sich alles beweisen läßt. Dagegen sucht man vergebens nach inneren Gründen, die ihn zu dieser Quellenscheidung zwingen. Geht man vom Bericht selbst aus, so spricht alles gegen die vorgetragene Quellenscheidung. So läßt sich V 17 von 16 nicht trennen; bei H O E S T dagegen vermißt man eine Motivierung des göttlichen Zorns, wie sie in V 17 vorliegt. V 19a,/S übersetzt H O E S T falsch: „Und es wird geschehen, wenn du hörst auf das, was ich wider dieses Land und seine Bewohner geredet habe" das müßte hebräisch, wie STÄRK richtig bemerkt hat, ^x -¡yntrn rvm oder ^x yotrn DX rrm lauten. Nach dem vorliegenden Text kann yotc nur bedeuten „hören" im Sinne von „vernehmen", nicht „gehorchen". Man kann aber auch nicht hören „auf das, w a s J a h v e w i d e r d i e s e s L a n d u n d s e i n e B e w o h n e r g e r e d e t h a t " ; denn hören im Sinne von gehorchen kann sich nur auf Gebote oder Forderungen beziehen. Ich sehe ferner keinen Grund, 19a, a von 19 a, ß und diesen wieder von 19 b zu trennen, ebensowenig 20 a, a von 20 a, ß; diese beiden Verse sind in Ordnung und ergeben einen klaren Sinn. Vollends unhebräisch ist es, die Partikel itPX nnn an die Spitze eines Vordersatzes zu setzen; sie dient überall, wo wir sie finden, zur Einführung eines begründenden Nachsatzes. V 17 kann also auch grammatisch nur die Fortsetzung von 16 sein und nicht ein ganz neues Orakel einführen. Falsch ist schließlich die Übersetzung von ly1 durch „weil aber", es kann nur „weil" bedeuten; folglich ergibt auch 19a in dem von H O E S T konstruierten Zusammenhang keinen Sinn. Da V 19 ganz abrupt beginnt, kann auch dieser Vers nur an 18 anschließen, wo das mildere Orakel an den König im Unterschied von dem an das Volk durch min 1 ^ o ^Xi eingeführt wird. Für die weitere Analyse von Kap 23 ist nach H O E S T „davon auszugehen, daß Bundschließung (V 1 ff.) und Passafeier (V 21 ff.) den feierlichen Höhepunkt darstellen sollen. Beide nebeneinander zu haben wäre zu viel"! Eine genauere Begründung hält er nicht für nötig. Das Interessanteste ist aber, was dabei herauskommt. H O E S T findet, wie schon erwähnt, in I I Reg 22. 23 zwei Quellen A und B. Die erste hat lediglich von der Auffindung einer Prophetenschrift mit Unheilsweissagungen erzählt; zu dieser Quelle gehört aber auch 23, 2 a, 3 a (bis •pmxo) und 3b, die Erzählung vom Bundesschluß. V 3 aber lautet: „Darauf trat der König an die Säule und schloß vor Jahves Angesicht den Bund, daß sie Jahve nachfolgen und seine Gebote (seine Verordnungen und seine Satzungen vom ganzen Herzen und von ganzer

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Seele) halten wollten, u m s o d i e "Worte d i e s e s B u n d e s , d i e i n j e n e m B u c h g e s c h r i e b e n s t a n d e n , in Kraft zu setzen, und das ganze Volk trat dem Bunde bei". Dieses Buch soll aber nach der Analyse von H O E S T kein Gesetzbuch gewesen sein. Ich will hier noch die Untersuchung von M. L O H R (Das Deuteronomium, Schriften der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft. 1. Jahr Heft 6) ganz kurz besprechen. Im Gegensatz zu der bisher fast allgemein anerkannten Auffassung verficht L Ö H S die mosaische Herkunft des Deut. Als Beweis hierfür führt er erstens an, daß in manchen Gesetzen „noch vorjahvistische Vorstellungen durch die heutige Formulierung hindurchschimmern" (S. 36), wie beispielsweise in 21, 1 ff. Ferner soll der enge Zusammenhang von Recht und Religion im Deut „ein ganz besonders starker Beweis für hohes Alter sein". Man könnte indessen mindestens mit demselben Recht behaupten, daß das talmudische Gesetz auf Mose zurückgehe, weil auch dort Recht und Religion sehr eng verknüpft sind und alte animistische Vorstellungen noch weit mehr als im Deut hindurchschimmern. (Übrigens gibt es denn überhaupt israelitische Gesetzessammlungen, wo dies nicht der Fall wäre?) Viel beweiskräftiger sind gegenüber den Gründen L O H R S die Stellen, wo auf spätere Verhältnisse deutlich Bezug genommen wird, wie das Königsgesetz 17, 14 und überhaupt die Vorschriften, die nicht nur das ansässige Leben, sondern schon einen entwickelten Geldverkehr voraussetzen wie 15, l f f . ; 14, 25; 17, 17; 22, 19 und, was besonders ins Gewicht fällt, 19, 14. Alle diese Stellen als sekundär zu streichen, liegt kein Grund vor. Auf die Einzelfragen, die L O H R berührt, kann ich hier nicht eingehen; sie werden in der folgenden Analyse des Deut an den betreffenden Stellen berücksichtigt werden. Es wäre aber die Aufgabe eines Gelehrten, der die mosaische Abfassung des Deut vertritt, sich mit dem Problem des Bb auseinanderzusetzen. Daß beide mosaisch sind, wird wohl auch L Ö H E nicht behaupten wollen, sondern vermutlich das Bb als nachmosaisch betrachten. Es fragt sich dann aber, wie demgegenüber die unbestreitbare Tatsache zu erklären ist, daß das Deut durchweg einen fortschrittlicheren Charakter aufweist als das Bb. Wird man auch die Lösungsversuche von O E S T R E I C H E R und H Ö L S C H E R im wesentlichen als mißlungen bezeichnen müssen, so wird man ihnen doch das Verdienst nicht absprechen können, auf Probleme und Schwierigkeiten hingewiesen zu haben, die man bisher kaum beachtet hat. Denn weder hat es die herrschende Schule vermocht, eine befriedigende Antwort auf die Frage zu geben, was wohl Josia und die Volksversammlung veranlaßt haben mochte, eine derartig umwälzende Reform von so weittragender Bedeutung wie die Konzentration des

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ganzen israelitischen Kultus in Jerusalem durchzuführen, noch warum in dem Bericht I I Reg 22 und 23 die sozialen Reformen, die das Deut fordert und die zweifellos zu seinem ursprünglichen Bestände gehören, auch nicht mit einem Worte erwähnt werden. Denn daß Bestimmungen wie Deut 15, 1 ff. für die Zeitgenossen Josias von nicht geringerer Bedeutung wie die Kultuszentralisation sein mußten, liegt auf der Hand. Die größte Schwierigkeit bereitet aber die Erzählung I I Reg 22, 3 ff., wonach die Reform unmittelbar durch die Auffindung des Gesetzbuches veranlaßt wurde. Daß dieser Bericht glaubwürdig ist und daß das gefundene Buch das Deut war, wird allgemein angenommen, nur über die Frage des Verfassers und der Entstehungszeit des Buches gehen die Meinungen weit auseinander. Einige Gelehrte glauben, daß es sich wirklich um ein altes verlorengegangenes Gesetzbuch handelt, das wieder aufgefunden wurde. Aber wie soll man sich das völlige Verschwinden eines Gesetzbuches vorstellen? Das ist um so unwahrscheinlicher, als das Deut nicht etwa nur für die Priester bestimmt war; im Gegenteil, es wendet sich überall direkt an das Volk und will von jedem Israeliten gelesen und gelernt werden. Demnach mußte es wohl in weiten Kreisen verbreitet gewesen sein. W o haben wir endlich den geringsten Beleg dafür, daß etwa in älterer Zeit die Bestimmungen des Deut befolgt wurden? Verschwinden konnte ein solches Buch nur in dem einen Fall, daß seine Bestimmungen wirklich veraltet und völlig außer Geltung gekommen wären. Aber wie soll man sich dann den Eifer Josias erklären, ein Buch, das längst veraltet und daher für seine Zeit so ungeeignet wie nur möglich sein mußte, zur Grundlage seiner Reform zu machen? Überdies erweckt das Deut keineswegs den Eindruck eines altertümlichen Gesetzbuches. Ein Vergleich mit dem Bb zeigt deutlich, daß wir mit seiner Abfassungszeit nicht zu hoch hinaufgehen können. Die meisten Gelehrten glauben daher, daß das Deut erst in der Zeit Josias oder jedenfalls nicht lange vor Josia abgefaßt wurde. Aber in Wirklichkeit stößt auch diese Annahme auf ebenso große Schwierigkeiten wie die vorhin erwähnte. Man könnte nämlich zwei Richtungen innerhalb der Anhänger dieser herrschenden Meinung unterscheiden. Die Einen wie KAUTZSCH, K I T T E L , STEUEKNAGEL U. a. vertreten die Meinung, daß Hilkia das Buch wirklich gefunden hat. Sein Verfasser, der wohl zur Zeit Manasses lebte, hat dies Buch, das er als ReformProgramm aufgestellt hat, im Tempel hinterlegt, weil er es unter der Regierung Manasses nicht wagen durfte, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Indessen ist B E E T H O L E T zweifellos im Recht, wenn er dagegen einwendet: „Daß aber der Verfasser die Bekanntmachung seines Werkes lediglich einem guten Gotteswillen sollte anheimgestellt haben,

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scheint mir bei der Energie, mit der er für die Verwirklichung seiner Wünsche eintritt, wenig wahrscheinlich"1. Unbegreiflich ist vollends, daß er ausgerechnet den königlichen Tempel in Jerusalem als den am meisten geeigneten Platz für die Aufbewahrung seiner Schrift ansah, gehörten doch sicherlich unter der Regierung Manasses die jerusalemischen Priester nicht zu den Anhängern derartiger Reformbewegungen. Stand denn der Verfasser des Deut wirklich ganz allein und hatte er weder Gesinnungsgenossen noch Schüler, daß er sich genötigt sah, zu einem so abenteuerlichen und unsicheren Mittel zu greifen, um seine Schrift der Nachwelt zu hinterlassen? Aber auch angenommen, daß sich dies wirklich so zugetragen haben könnte, wie ist es zu erklären, daß der König und die Altesten Judas lediglich auf Grund einer bisher völlig unbekannten Schrift, die noch dazu in schärfstem Widerspruch nicht nur mit den bisher allgemein geübten und als Jahve wohlgefällig betrachteten Bräuchen, wie aus den Vätersagen unzweideutig hervorgeht, sondern auch im Widerspruch mit dem als mosaisch geltenden Bb stand, bereit waren, eine Reform von so umwälzender Bedeutung durchzuführen ? Ist es denkbar, daß der König und die besitzenden Schichten ohne weiteres gewillt waren, ein Buch zum Staatsgesetz zu erheben, das nicht nur eine Reform des Kultus, sondern auch die Beschränkung der Königsrechte, Schuldenerlaß und Sklavenfreilassung forderte, also einen recht empfindlichen Eingriff in ihre rechtmäßig erworbenen Rechte darstellte? Zeigen doch Stellen wie Jer 34 Neh 5, daß die besitzenden Klassen sich sogar noch nach der Einführung des Deut gesträubt haben, dessen Forderungen zu erfüllen. Und dies alles sollte um einer im Tempel aufgefundenen Privatschrift willen geschehen sein? Aus denselben Gründen müssen wir aber auch die andere Ansicht ablehnen, die das Deut von Hilkia und seinen Gesinnungsgenossen selbst verfaßt sein läßt und die ganze Geschichte von seiner Auffindung als eine Erdichtung der jerusalemischen Priester erklärt, die dadurch dem Deut die Autorität eines alten mosaischen Gesetzbuches verleihen wollten. Denn die Annahme, daß die Reform die Folge einer „pia fraus" sei, ist mindestens ebenso künstlich, wie die, daß sie durch einen blinden Zufall veranlaßt wäre. Sie läßt sich aber auch nur schwer mit den sittlichen Forderungen des Deut, die einen Verfasser von hohem sittlichem Gefühl und prophetischem Geist voraussetzen, vereinigen. Noch wichtiger aber ist die Frage, was den Priester Hilkia und seine Genossen veranlassen konnte, in ihr Reformprogramm solche 1

Kommentar zum Deut s. XVIII.

Beihefte z. ZAW 50

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Forderungen aufzunehmen, die wie das Königsgesetz und die Vorschriften über die Kriegsführung geeignet waren, ihren ganzen Plan scheitern zu lassen, waren doch die Priester in Israel bei der Verwirklichung ihrer Wünsche ganz und gar auf die Unterstützung des Königs angewiesen. Und da soll man glauben, daß sie gerade solche Gesetze verlangt hätten, die den König vor den Kopf stoßen mußten? Welchen Sinn hatten endlich die Priester für Forderungen wie Schuldenerlaß, Sklavenfreilassung und Ahnliches? Entscheidend gegen die herrschende Meinung von der Entstehung des Deuteronomiums scheint mir der Einwand, den m. W. K L O S T E E MANN zuerst erhoben hat, daß sich das Deut nicht „als das am einsamen Schreibtisch ausgeheckte Produkt eines gelehrten Kopfes" begreifen läßt, sondern nur als das gewachsene Ergebnis der lebendigen Praxis des öffentlichen Gesetzesvortrages. Darauf weist vor allem der eigenartige Stil des Deut, die Abfassung der Gesetze und der historischen Einleitungen in der Redeform. Dieser Stil, der nicht nur für das Deut selbst, sondern auch für die deuteronomistischen Zusätze in den übrigen Büchern des AT charakteristisch ist, lehrt, daß wir es hier mit einer „Schule" zu tun haben, und läßt sich nur aus der lebendigen Praxis erklären. Dadurch wird aber auch die fast allgemein herrschende Meinung, daß das Deut ein Werk der Priester sei, hinfällig; denn es leitet sich nicht nur von Mose her, der nach der israelitischen Tradition der Ahnherr der Leviten war, sondern es betrachtet auch als die Nachfolger Moses nicht die Priester, sondern die Propheten (K 18). Ebenso verrät es sich durch seinen Stil (die Redeform) als prophetisches Erzeugnis; denn nur die Propheten galten als Volksredner. Damit sind wir schon in die Erörterung der Frage eingetreten, von wem die deuteronomische Reform ausgehen konnte und durch welche Ursachen sie veranlaßt wurde. Daß es nicht die Priester waren, liegt auf der Hand. Weder gibt sich das Deut, wie soeben gezeigt, als Werk der Priester aus, noch hatten diese überhaupt mit der Gesetzgebung etwas zu tun. Auch das Zentralisationsgesetz spricht keineswegs für priesterlichen Ursprung. Richtig bemerkt dagegen K A U T Z S C H (Abriß 167 S.-A. 57): „Die Stellung der Priester ist im Deut keineswegs der Art, daß sie einen besonderen Eifer derselben für die Abfassung und Einführung dieses Gesetzes begreiflich erscheinen ließe. Allerdings sicherte die Konzentration des Kultus den Priestern zu Jerusalem einen bedeutenden Zuwachs an Einfluß und Einkommen, mochten auch die Abgaben an die Priester an sich sehr mäßig sein. Aber alle etwaigen Vorteile werden durch die ausdrückliche Bestimmung 18, 6 ff. hinfällig gemacht, daß fortan auch den bisherigen Landpriestern

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ein Anrecht auf den Priesterdienst im Tempel und die Priestergefälle zustehen soll." Daß das Deut kein Priesterbuch ist, beweist ferner unwiderleglich ein Vergleich mit dem PK. Von priesterlichen Rechten und Vorrechten und von den Pflichten des Volkes ihnen gegenüber ist abgesehen von 18,1—8 nirgends die Rede; alle Stellen, an denen die Priester sonst erwähnt werden, sind nachweislich spätere Erweiterungen, wie gezeigt werden soll, so: 17,8ff.; 19,16; 20, 1 f.; 2 5 , 5 ; 26,3. (Diese Stellen sind auch von anderen Gelehrten beanstandet worden; vgl. S t e u e b n a g e l z. St.). Daß aber gerade 18, 1—8 nicht von den Priestern Jerusalems verfaßt sein kann, hat man längst erkannt und wird zudem durch II Reg 23, 8. 9 klar bewiesen. Ebensowenig kann der König als Urheber der Reformbewegung in Betracht kommen. Dem widersprechen vor allem die Königs- und Kriegsgesetze des Deut. Es fragt sich daher, ob wir nicht diejenigen Schichten, für die das Deut mit seinen sozialen Bestimmungen vornehmlich Sorge trägt, als die Urheber dieser Reformbewegung ansehen dürfen. Man wird vielleicht dagegen einwenden, daß der Bericht in I I Reg 22 und 23, der nur von einer Reform des Kultus berichtet und sie überdies auf die Auffindung des Gesetzbuches durch den Priester Hilkia zurückführt, die Priester als die Urheber und Träger der Bewegung betrachtet. Darin besteht eben das Problem, daß Deut und I I Reg 22 und 23 sich keineswegs voll entsprechen, wie man es bei ihrem Verhältnis zueinander als Reformbericht und Reformprogramm erwarten müßte, sondern in wesentlichen Punkten nicht unerheblich voneinander abweichen. Dahin gehören die Nichterwähnung der sozialen Reformen und vor allem der Widerspruch zwischen 23, 8. 9 und Deut 18, 1 ff. Daraus erklären sich auch die neuesten Versuche, jeden Zusammenhang zwischen Deut und II Reg 22 und 23 zu bestreiten. Es erhebt sich daher die Frage: Haben wir in I I Reg 22 und 23 einen glaubwürdigen Bericht und, was noch wichtiger ist, liegen uns vielleicht noch andere Nachrichten vor, die geeignet sind, das Dunkel der damaligen Vorgänge einigermaßen aufzuhellen? Will man den Zweck und die tieferen Ursachen dieser großen Reformbewegung klar erkennen, so ist es vor allem notwendig sich über die sozialpolitischen Verhältnisse der Zeit Josias Klarheit zu verschaffen. Diese selbstverständliche Pflicht jeder gesunden historischen Kritik ist leider bisher ausnahmslos von allen Forschern, die sich mit dem Problem beschäftigt haben, mißachtet worden. Dies läßt sich nicht etwa durch den Mangel an Material erklären: denn es gibt wenige Perioden in der israelitischen Geschichte, für die uns so viel historisch glaubwürdiges Material zu Gebote steht wie gerade für die 5*

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Zeit Josias. Es genügt, an die Schriften des Jeremia und Zephanja zu erinnern. Jene Tatsache läßt sich vielmehr nur erklären durch die einseitige Einstellung der alttestamentlichen Forschung. Man ging bei der Beurteilung des Deut von dem ebenso einseitigen wie tendenziösen Reformbericht in I I Reg 22 und 23 aus, weil auch die modernen Gelehrten noch nicht begreifen können, daß die alten Israeliten außer Tempel, Priester und Kultus noch andere Sorgen hatten, die sie ebenso tief bewegt haben. Uber die Vorgeschichte der Thronbesteigung Josias berichtet uns I I Reg 21, 23f.: „Und es verschworen sich die Diener Amons wider ihn und töteten den König in seinem Hause. Aber das gemeine Volk ( p x n oy) erschlug diejenigen, welche sich wider den König Amon verschworen hatten, und das "Volk setzte an seine Stelle als König seinen Sohn Josia ein." Uber Ursachen und Motive dieser Palastrevolution durch den Hofadel und dieser Gegenaktion durch das Volk schweigt der Bericht. Man wird aber wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß sie mit der während der Regierung Josias erfolgten deuteronomischen Reform zusammenhingen. Da Josia durch den am haarez zum Könige erhoben wurde, so wird man wohl diesen als den eigentlichen Urheber der deuteronomischen Reform ansprechen dürfen. Als bestätigendes Moment kommt hinzu, daß auch die Revolution des am haarez unter J e h o a s eine religiöse Reform und zwar die Abschaffung des Baalkultes zur Folge hatte. Auch hier tritt uns der am haarez als Träger der sozialen und religiös-prophetischen Bewegung entgegen. Wir haben ferner gezeigt, daß uns im Bb das Programm der J e h o a s - R e v o l u t i o n erhalten ist. Mit Recht hat daher GEESSMANN 1 darauf hingewiesen, daß die Geschichte Josias eine Art Parallele zur Jehoasgeschichte darstellt. Hier wie dort folgt auf die Revolution des am haarez die Beseitigung des Fremdkultes und die Bundesschließung mit dem "Volk; hier wie dort wird ein neues Gesetzbuch zum Staatsgesetz erhoben. Diese Parallelität erstreckt sich sogar auf weniger wesentliche Einzelheiten, so auf die Ausbesserungsarbeiten am Tempel, vielleicht auch auf die Namen und das fast gleiche Alter der beiden Könige bei ihrer Thronbesteigung. "Was das letztere anlangt, so mag die Parallelität auf Zufall beruhen; aber es mag auch Absicht gewesen sein, daß man einen siebenjährigen König auf den Thron gesetzt hat, um so einen dem Volke genehmen Herrscher zu gewinnen. Man wird vielleicht dagegen einwenden, daß zwischen der Veröffentlichung des Deut und der Revolution des 1

OLZ 1926 S. 779 ff.

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am haarcz ein Zeitraum von 18 Jahren liege, und daß es unbegreiflich sei, warum man so lange mit der Durchführung der Reform gewartet habe. Diese Erwägung hat auch manche Gelehrte dazu verleitet, in dem am haarez die Gegner und in dem Hofadel die Anhänger der Reform zu erblicken; so z. B. KITTEL1: „Sollten diese Vorgänge im Zusammenhang stehen mit Reformen, ähnlich den von Josia durchgeführten, zu denen man schon beim Tode Manasses die Gelegenheit des Thronwechsels glaubte benützen zu sollen ? A m o n hätte sich dann dem Drängen des Hofes nach Reformen, hinter denen die Priesterschaft des Tempels stand, widersetzt im Vertrauen auf die Beliebtheit des unter Manasse herrschend gewordenen Systems. Er hätte sein Widerstreben mit dem Tode bezahlt, aber die hinter ihm stehende Partei des Landvolkes samt den Landpriestern hätte für das Attentat auf ihre Interessen blutige Rache genommen." Daß diese Auffassung unhaltbar ist, liegt auf der Hand; dagegen spricht vor allem die Jehoasparallele. Es ist aber auch falsch, am haarez einfach mit Landvolk zu übersetzen, wie wir bereits oben gezeigt haben. Man denke sich vollends den Hofadel und die Priester als eifrige Verfechter der sozialen Reformen, den am haarez hingegen als deren erbittertsten Gegner! Zu dieser Annahme hätten wir nur dann Grund, wenn es sich erweisen ließe, daß zwischen der Revolution des am haarez und der Veröffentlichung des Deut ein politischer Umschwung erfolgt wäre; aber das Gegenteil ist der Fall. I I Reg 23, 29 erzählt: „Zu seiner (Josias) Zeit zog der Pharao Necho, der König von Ägypten, wider den König von Assur an den Euphratstrom. Da rückte der König Josia ihm entgegen, doch jener tötete ihn bei Megiddo, sobald er mit ihm zusammentraf. 30 Seine Würdenträger schafften ihn zu Wagen tot aus Megiddo weg, brachten ihn nach Jerusalem und begruben ihn in seiner Grabstätte. Dann nahm der am haarez Jehoahaz, den Sohn Josias; den salbten sie und setzten ihn an seines Vaters Statt zum Könige ein." Da Jehoahaz jünger als sein Bruder Jehojakim war, so war er nicht der erbberechtigte Kronprinz. Wenn trotzdem der jüngere Jehoahas vom am haarez auf den Thron gehoben ward, so waren dafür wohl politische Motive maßgebend. Über diese Motive gibt uns 23, 31 ff. deutlichen Aufschluß; da wird erzählt, daß Jehoahas nach dreimonatiger Regierung vom Pharao Necho abgesetzt und gefangen genommen und daß an seiner Stelle Jehojakim zum Könige eingesetzt wurde. Jehojakim war demnach Anhänger der ägyptischen Partei; dagegen war Jehoahas bestrebt, die Politik Josias weiter fortzuführen und den Ägyptern Widerstand zu leisten. Dieser 1

Geschichte des Volkes Israel II, 585.

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Zusammenhang ist von den meisten Gelehrten längst erkannt. F ü r uns aber ist von besonderer Bedeutung die Tatsache, daß uns gerade hier der am haarez als der Vertreter der nationalen Politik Josias entgegentritt. Dadurch ist aber bewiesen, daß der am haarez während der ganzen Regierungszeit Josias die eigentlich herrschende Partei war. E s kann demnach keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Einführung des Deuteronomiums, wenn überhaupt, so nur mit der Zustimmung des am haarez erfolgen konnte. E s kommt hinzu, daß das Königsgesetz Dtn 17, 14 ff. mit seiner demokratischen Auffassung vom Amt des Königtums und seiner deutlichen Spitze gegen Ägypten den Erzählungen des Königbuches über diese Zeit der Herrschaft des am haarez durchaus entspricht; denn damals wurde mit der Forderung des Deut über die Königswahl Ernst gemacht, was besonders deutlich bei der Einsetzung des Jehoahas zutage tritt. Die obigen Aufstellungen finden ihre Bestätigung in der Tatsache, daß mit der Regierung Jehojakims gleichzeitig eine religiöse wie soziale Reaktion einsetzt, von der uns I I Kön 23, 35 erzählt. Der König Necho hatte J u d a eine Kriegslast von 100 Talenten Silber und 10 Talenten G o l d 1 auferlegt. „Das Silber aber und das Gold lieferte Jehojakim dem Pharao. E r hatte jedoch das Volk einschätzen lassen, um das vom Pharao verlangte Geld zu liefern." Den Sinn dieses Verses, der durch eingeführt wird, wodurch diese Maßnahme wohl als eine Neuerung gekennzeichnet wird, hat SANDA (359) zweifellos richtig erkannt: „Das Landvolk hatte mit Jehoahaz gehalten, darum zwang es der neue, ursprünglich vor Jehoahaz erbberechtigte König, die vom Pharao auferlegte Kontribution aufzubringen. Die ägyptische Partei, zu der die Optimaten und besonders die Leute von Jerusalem gehörten, trug dazu nicht bei." Unrichtig ist bei ihm nur die "Wiedergabe des am haarez mit Landvolk. Sonst pflegten die Könige derartige Kriegslasten aus den Kassen des Tempels und des Palastes zu zahlen; vgl. I Reg 1 5 , 1 8 ; I I 16, 8 ; 18, 15. Der einzige Fall, wo von einer Umlage auf die Bevölkerung berichtet wird, ist der Tribut Menahems I I Reg 15, 20, aber da sind es nur die Grundbesitzer, die ^ n die den Tribut zu zahlen haben; bei Jehojakim hingegen sind es gerade die ärmeren Volksschichten, die das Geld aufbringen müssen. Von den Bedrückungen des Volkes unter Jehojakim erzählt uns auch Jeremía (22, 14—17): „Wehe dem, der da baut sein Haus mit Ungerechtigkeit und seine Gemächer mit Unrecht, der seinen Nächsten ohne Entgelt arbeiten läßt und seinen Lohn ihm nicht gibt. D e r da 1

Lies mit LXX nsa iwp:.

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spricht: „Ich will mir bauen ein geräumiges Haus mit luftigen Zimmern, mit weiten Fenstern, gedeckt mit Zedern, gestrichen mit Mennigrot." D u zeigst dich als König, wenn du es eifrig treibst mit Zedern! Dein Vater, hat er nicht gegessen und getrunken und sich wohl befunden? Der übte Recht und Gerechtigkeit, die Sorge für den Elenden und Armen. Ist das nicht die rechte Erkenntnis meiner, spricht Jahve. Aber deine Augen und dein Herz sind nur auf deinen Gewinn aus, auf das Blut Unschuldiger, es zu vergießen, und auf Bedrückung, sie zu üben." Jeremia sieht demnach den Hauptunterschied zwischen Jojakim und Josia in ihrer unterschiedlichen Behandlung der Armen und Elenden. Josia wird als der gerechte König dargestellt, Jojakim hingegen als der Bedrücker des Volkes. Es ist aber charakteristisch, daß Jeremia die kultischen Sünden des Jojakim nicht erwähnt; sie spielen für ihm offenbar keine entscheidende Rolle. Nun wird man wohl nicht bezweifeln, daß die soziale Tätigkeit Josias kaum anders als in sozialen Reformen, d. h. in einer sozialen Gesetzgebung ihren Ausdruck finden konnte. Daß sich aber Josia bei dieser Tätigkeit nur auf den am haarez und nicht auf die Optimaten stützen konnte, sollte man nicht bestreiten. Jojakim hat, wie bekannt, auch die Reaktion auf kultisch-religiösem Gebiet eingeleitet, wie die Erzählungen Jeremias und die Prophetenverfolgungen lehren. Immerhin zeigt aber Jeremia, daß uns im Königsbuch ein ganz einseitiger, priesterlich gefärbter Bericht von der Josiareform und von der Geschichte Josias und Jojakims überhaupt vorliegt. Und daß wir Jeremia, der doch Augenzeuge war, mehr Glauben schenken dürfen, ist ohne weiteres klar. Als weitere Quelle für die Zeit Josias kommt das Buch Zephanja in Betracht. In Kap 1 liegt uns eine Drohweissagung gegen Juda und Jerusalem vor, die später mit einer zweiten Weissagung über den Tag Jahves zusammengearbeitet wurde. Die Verse, die sich auf diesen beziehen, sind daher auszuscheiden (NOWACK, SELLIN U. a.). Es ist aber falsch, V 2. 3 als echt zu belassen; auch sie haben mit der eigentlichen Drohung gegen Juda nichts gemein. Diese beginnt vielmehr mit V 4. „Und ich recke meine Hand aus gegen Juda und gegen die Bewohner Jerusalems Und vertilgenden Namen B a a l 1 und den Namen seiner Pfaffen Und die sich niederwerfen auf den Dächern vor dem Heere des Himmels 1

Lies mit LXX otr statt IN».

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Das Deuteronomium. Und die, die Jahve anbeten und zugleich bei Milkom schwören . . . 1 Und ich suche heim die Pürsten und die Königssöhne Und alle, die sich kleiden in ausländisches Gewand. Und ich suche heim alle, die springen über die Schwelle, Die da anfüllen das Haus ihres Herrn mit Frevel und Trug. Da werde ich Jerusalem absuchen mit Leuchten und heimsuchen die Sorglosen, Die dick werden auf ihren Hefen, die in ihrem Herzen sprechen: „Nicht tut Jahve Gutes und nicht Böses.1' Und ihr Besitz wird geplündert und ihre Häuser veröden. Horch, Geschrei vom Fischtor her und Wehklagen von der Neustadt Und großes Gekrach von den Hügeln! Heulet, ihr Bewohner des Mörsers! J a , vernichtet wird das Krämervolk, ausgerottet werden alle Geldwäger."

Für das richtige Verständnis dieser Prophetie ist die Frage von Bedeutung, wie sich Zephanja das bevorstehende Strafgericht vorgestellt hat. Die meisten Ausleger nehmen an, daß er dabei an den Skytheneinfall gedacht hat. Dagegen spricht aber schon der Umstand, daß hier in erster Linie nicht, wie das bei einer kriegerischen Katastrophe wohl zu erwarten wäre, das platte Land, sondern die befestigte Hauptstadt betroffen wird. Es ist auch nicht einzusehen, was der Skytheneinfall mit der „Vertilgung des Namens des Baal 1 ' zu tun haben könnte. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, daß hier vornehmlich auf innere Gegensätze angespielt wird. E s sind ganz bestimmte Bevölkerungsschichten, gegen die sich die Prophetie wendet und die vom Strafgericht betroffen werden. Es sind die Fürsten, die königlichen Prinzen und alle die, die sich in ausländische Kleider kleiden; darauf werden diejenigen Stadtteile Jerusalems genannt, die als Sitz der 1 Lies mit LXX tmd den anderen Versionen milkom statt malkam und streiche B'yawjn als Dittographie.

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„Händler" und „Geldwäger" gelten dürfen. Es empfiehlt sich daher, an Vorgänge innerpolitischer Art zu denken. Zephanja droht demnach mit der Revolution, die sich gegen die sozialen und religiösen Mißstände richten werde und die er als ein von Jahve bestimmtes und demnach gerechtes Strafgericht hinstellt. Man hat längst erkannt, daß uns Zephanja hier die Verhältnisse und Zustände, die in Juda vor der Reform Josias geherrscht hatten, vor Augen führt. Darauf weist besonders die Tatsache hin, daß nur die Prinzen, aber nicht der König selbst erwähnt wird. Wir können jetzt mit Sicherheit behaupten, daß der Prophet die Stimmungen und Verhältnisse am Vorabend der Revolution des am kaarez und der Thronbesteigung Josias wiedergibt. Das Orakel klingt fast wie ein Aufruf zur Revolution gegen den Hofadel, der sich durch die Ermordung Amons der Staatsgewalt bemächtigt hatte. Diese authentischen Nachrichten beweisen mit aller Deutlichkeit, wie verkehrt die weit verbreitete Meinung von K I T T E L , SCHMIDT U. a. ist, daß die Revolution des am haarez sich gegen den Versuch einer Kultusreform, die von den Kreisen des Hofadels ausgegangen sei, gerichtet habe. Auf einen solchen Gedanken konnte man überhaupt nur verfallen, weil sich die meisten Gelehrten von dem Banne der ungeschichtlichen deuteronomistischen Geschichtskonstruktion nicht befreien können. Gerade die ältesten und zuverlässigsten Quellen heben die soziale Seite der josianischen Reform mit besonderem Nachdruck hervor. Daß der Inhalt des Deut dieses Ergebnis aufs glänzendste bestätigt, braucht nicht bewiesen zu werden. Wenn man trotzdem bisher anderer Meinung war und sogar versucht hat, die Echtheit der sozialen Bestimmungen im Deut zu bestreiten, so ist daran der Bericht in II Reg 22 und 23 schuld. Wir wenden uns nunmehr seiner Analyse zu. Zwei Fragen sind es vornehmlich, die bei einer Prüfung eines historischen Berichtes zu stellen sind, nämlich, nach seinem Abstand von den erzählten Ereignissen und nach seiner Richtung und Tendenz. Es ist also zu fragen, ob I I Reg 22 und 23 von einem Augenzeugen, wie es manche Gelehrte behaupten, oder vom deuteronomischen Red des Königsbuches verfaßt sind und ob sich eine gewisse Tendenz, die Dinge in einseitigem Lichte erscheinen zu lassen, erkennen läßt. Auffallend ist gleich am Anfang (V 3—7) die fast wörtliche Wiederholung von I I Reg 12, 5ff.; insbesondere stimmen 22, 4 mit 12, 10, V 5—7 mit 12, 12. 13. 16 zum größten Teil wörtlich überein. Nun haben wir gesehen, daß die Geschichte Josias in der Tat eine historische Parallele zur Jehoasgeschichte darstellt. Darin finde ich zwar nichts Auffallendes; zu bezweifeln ist aber, ob sich diese Parallelität bis auf solche Einzelheiten wie die Ausbesserungsarbeiten am Tempel und die

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ganz eigenartige Art ihrer Durchführung und Finanzierung erstreckt hat. Man kann sich beim Lesen von 22, 3—7 des Eindrucks nicht erwehren, daß wir es hier nicht mit einer historischen Parallele, sondern mit literarischer Abhängigkeit zu tun haben, denn sonst wären die wörtlichen "Wiederholungen unbegreiflich. Es ist aber verkehrt, deshalb mit den meisten Gelehrten Y 5—7 als spätere Erweiterung zu streichen denn stilistische Unebenheiten und Widersprüche, die auf Uneinheitlichkeit schließen ließen, sind nicht vorhanden. Näher liegt vielmehr die Annahme, daß schon der erste Verfasser seinen Bericht an Kap 12 anzugleichen suchte. Weil er die Josiareform als eine Wiederholung der Jehoasreform empfand und weil ihm der Tempel besonders am Herzen lag, schien ihm diese Tempelgeschichte wohl besonders geeignet, seinem Berichte voranzustehen. 22, 8 f. erzählt von der Auffindung des Gesetzbuches. Was sich gegen ihre Geschichtlichkeit einwenden läßt, haben wir oben ausgeführt; dort sind auch die vergeblichen Versuche der Gelehrten behandelt, diese Geschichte irgendwie plausibel zu machen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch II Reg 11, 17 von der Bundesschließung auf Grund eines Gesetzbuches erzählt war 1 , daß es aber später wegen Kap 22' beseitigt wurde. Das Deut wollte augenscheinlich an die Stelle des Bb treten und daher wird dieses vom Deut zweifellos mit Absicht ganz ignoriert; denn daß den Verfassern des Deut das Bb bekannt war, ist klar. Jedenfalls hat die Annahme viel für sich, daß uns 22, 8 ff. nicht historische Tatsachen geschildert werden, sondern ihre Spiegelungen in den Köpfen einer späteren Generation, die sich auf diese Weise das plötzliche Auftauchen eines bisher unbekannten mosaischen Gesetzbuches zu erklären suchte. Diese Zweifel an der Geschichtlichkeit des in 22, 3 ff. Erzählten werden noch durch 22, 11 ff. verstärkt. Als das Buch dem König vorgelesen wird, zerreißt dieser bestürzt seine Kleider und schickt eine Abordnung von fünf Männern zur Prophetin Hulda mit folgendem Auftrag: „Geht, befragt Jahve für mich, für das Volk und ganz Juda in betreff dieses aufgefundenen Buches. Denn groß ist der Zorn Jahves, der gegen uns entbrannt ist, weil unsere Väter nicht auf die Worte dieses Buches gehört, daß sie nach all dem gehandelt hätten, was darin geschrieben steht." Diese Bestürzung des Königs und seine Uberzeugung, daß „Jahves Zorn entbrannt sei", ist völlig unverständlich. Es wird gewöhnlich auf die Strafrede Deut 28 hingewiesen, die geeignet wäre, eine solche Wirkung hervorzurufen. Aber abgesehen davon, daß 1

Das II Reg 11 mit der Erzählung von 12 zusammenhängt haben wir bereits gesehen.

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der größte Teil dieser Strafrede, der die schärfsten Drohungen enthält, erst nachexilischen Ursprungs ist, haben diese Drohungen doch nur bedingten Charakter, ihr Eintreffen hängt ganz von dem Handeln des Volkes ab, insbesondere davon, ob es die in diesem Buche enthaltenen Forderungen befolgen werde. Von Ungehorsam des Volkes konnte aber keine Rede sein, solange das Deut unbekannt war. Unbegreiflich ist vollends, warum Josia die ganze Schuld auf die Väter abwälzt, haben doch auch er und sein Volk gegen das Gesetz gesündigt. Man sollte gerade das Gegenteil erwarten, enthält doch das Deut nicht nur Strafandrohungen im Falle des Ungehorsams, sondern auch Verheißungen im Falle des Gehorsams. Nun wäre es doch das Natürlichste gewesen, in der Auffindung des Gesetzbuches göttliche Fügung zu erblicken, um Josia und sein Volk des in Aussicht gestellten Glückes teilhaftig werden zu lassen. Vollends überflüssig ist die Frage Josias, die er an Jahve richtet; vom Lesen des Deut mußte er den Eindruck gewinnen, daß es völlig in seiner Hand liegt, Fluch oder Segen zu erlangen, je nachdem er auf Jahves Gebote hören oder nicht hören wird. Vielmehr wäre hier die Frage am Platze gewesen, ob das gefundene Buch echt sei und ob seine Gebote zu befolgen seien; denn was hier gefordert wird, stand doch zu dem bisher durch Sitte und Tradition Geheiligten und allgemein Geübten im schärfsten Widerspruch. Statt dessen fragt der König nicht nach dem, was zu tun sei, sondern ob die Katastrophe, die offenbar von Jahve schon beschlossen ist, noch zu vermeiden oder unabwendbar sei. Ist es auch nur möglich, daß ein Zeitgenosse Josias, der die große Reformbewegung miterlebt und vielleicht auch an ihrer Durchführung mitgewirkt hatte, uns nichts von der Begeisterung und dem Glauben, von dem die Urheber der Reform ergriffen waren, erzählt hätte — denn ohne diese ist noch keine Revolution gemacht worden — und statt dessen nur von Verzweiflung und Bestürzung zu erzählen wußte? Entscheidend für die Beurteilung des Berichtes aber ist das Huldaorakel; daß hier V 17, 19, 20 das Exil vorausgesagt wird und daß es demnach nachexilisch sein muß, wird eigentlich von niemandem bestritten. Nur glauben die meisten Forscher, daß diese Anspielungen auf das Exil nicht zum ursprünglichen Texte gehören. Daß dieser überarbeitet sei, beweise außerdem die doppelte Einleitung des Orakels V 15 und V 18. In Wirklichkeit aber ist das Huldaorakel völlig frei von späteren Überarbeitungen; die Antwort V 15ff. entspricht durchaus der Frage V 13; vgl. besonders 13 b mit 17 b, wo ebenfalls zwischen König und Volk unterschieden wird. Deshalb enthält auch das Orakel eine doppelte Antwort an den König und an das Volk. Jenem wird eine günstige Antwort zuteil. Ist daher das Huldaorakel nachexilisch,

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so kann V 11, 13 nicht vorexilisch sein. Damit dürfte wohl der Beweis für den nachexilischen Ursprung des Berichts II Kön 22 und 23 erbracht sein. Viel wichtiger ist aber, daß die ganze pessimistische Stimmung, von der das Orakel beherrscht ist, sich nur aus nachexilischer Zeit erklären läßt. Eine tiefe Kluft trennt das Huldaorakel und den Reformbericht überhaupt vom Deut. Dieses weiß nichts von einer bevorstehenden Katastrophe, sondern ist im Gegenteil von einer durchaus hoffnungsvollen und zuversichtlichen Stimmung beherrscht. Der Segen Jahves und was besonders wichtig ist, eine Erweiterung der Landesgrenzen stehen in Aussicht; nur in den sekundären nachweislich exilischen Zusätzen scheint Katastrophenstimmung hindurch. Daß der Eifer, mit dem die Reform durchgeführt wurde, ohne Optimismus undenkbar ist, sollte allgemein anerkannt sein. Als Verfasser dieses Berichtes kann nur der deuteronomistische Red des Königsbuches in Betracht kommen. Bei ihm finden wir zuerst — im Gegensatz also gegen das Deut selbst — die Anschauung, daß seit der Zeit Manasses der Untergang Judas besiegelt und das Ende unabwendbar ist. Besonders deutlich tritt uns dies in II Kön 23, 25 ff. entgegen, einem Abschnitt, der, wie allgemein anerkannt, dem Red gehört: „Ja, so wie ihn (Josia) gab es vor ihm keinen König, der sich zu Jahve mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft bekehrt hätte, genau nach dem Gesetze Moses, und auch nach ihm ist keiner wie er entstanden. Trotzdem ließ aber Jahve von seinem gewaltig entbrannten Zorne nicht ab. Denn sein Zorn war (nun einmal) über Juda ob all der Ärgernisse entbrannt, mit denen ihn Manasse geärgert hatte. Und Jahve hatte beschlossen: Auch Juda will ich von meinem Angesichte verstoßen, wie ich Israel verstoßen habe, und will diese Stadt Jerusalem Verwerfen, die ich erwählt, sowie den Tempel, von dem ich verheißen, daß mein Name darin weilen sollte"; vgl. dazu noch 24, 3 und 21, 12 ff. Unsere Untersuchung hat ergeben, daß I I Kön 22 und 23 nicht als authentische Quelle in Betracht kommen können. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß alle Nachrichten, die uns hier überliefert sind, wertlos sind; wir haben vielmehr allen Grund anzunehmen, daß dem Verfasser alte zuverlässige Nachrichten vorlagen, wie die Nennung mancher daran beteiligten Personen und die genaue Angabe gewisser Örtlichkeiten beweisen. Aber aus diesem Material hat er eine ziemlich enge Auswahl getroffen und es dann mit späteren ganz unhistorischen Nachrichten vermengt. Es ist daher verfehlt, auf Grund von II Kön 23 das sogenannte „Urdeuteronomium" zu rekonstruieren, wie dies von einigen Forschern versucht wurde. Ebenso falsch ist es, die Josiareform

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als Kultusreform zu bezeichnen; denn gerade die ältesten und besten Quellen rücken nicht die kultische, sondern die soziale Seite der Revolution in den Vordergrund. E s erübrigt sich noch kurz, auf das Datum 22, 3 einzugehen, wonach die Reform Josias im 18. Jahre seiner Regierung erfolgte; dies spricht scheinbar gegen unsere Annahme, daß die Reform des Kultus und die Entstehung des deuteronomischen Gesetzbuches mit der Revolution des am haarez, die im ersten Jahre Josias stattgefunden hat, zusammenhängt. Aber abgesehen davon, daß diese Nachricht sich in einem verhältnismäßig späten und nachweislich ungeschichtlichen Bericht findet, ist es durchaus wahrscheinlich, daß die Veröffentlichung des Deut bedeutend später erfolgte. Die Darstellung, wonach die Reform eine Folge der Auffindung des Buches sei, die noch auch heute von den meisten Gelehrten wiederholt wird, ist so unhistorisch wie nur möglich; wir müssen vielmehr annehmen, daß das Buch den Niederschlag dieser Reform darstellt. Es muß als eine Sammlung der Reformgesetze gelten, die wohl nicht auf einmal, sondern nach und nach durchgeführt wurden. Die Veröffentlichung des Deut stellt demnach den Schlußakt der Revolution dar. Fraglich ist nur, ob ein Abstand von 18 Jahren zwischen dem Ausbruch der Revolution und der öffentlichen Verkündung des Revolutionsgesetzes nicht zu groß ist; möglich ist immerhin, daß innere oder noch wahrscheinlicher äußere Ereignisse dazu beigetragen haben. Leider läßt sich darüber bei dem gänzlichen Mangel an Nachrichten keine sichere Entscheidung treffen.

Die Analyse der deuteronomischen Gesetze (12—26). Das Deut setzt sich bekanntlich aus dem Gesetz und dem paränetisch-historischen Rahmen zusammen. Daß wir bei unserer Untersuchung von jenem ausgehen müssen, ist klar; denn ganz gleich, ob der Rahmen vom Verfasser des Gesetzes selbst oder von späteren Bearbeitern des Deut herrührt, ist er als sekundäres Produkt zu betrachten, das nur dazu dient, das Gesetz zu erläutern und einzuführen. "Was das Gesetz selbst anlangt, so entsteht zuerst die Frage, ob alles, was sich jetzt im Deut findet, zu seinem ursprünglichen Bestände gehört oder vielleicht manches erst später hinzugekommen ist. Dabei erhebt sich die zweite ebenso wichtige Frage, was den Maßstab für die Scheidung zwischen echten deuteronomischen Vorschriften und späteren Erweiterungen gibt. Daß wir nicht, wie die meisten bisherigen Gelehrten, vom Berichte I I Eon 22 und 23 ausgehen können, haben wir gesehen. Immerhin wird man ohne Bedenken die Zentralisationsgeset ze und was damit zusammenhängt dem Urdeut zuerkennen dürfen. Als urdeuteronomisch sind weiterhin die sozialen Bestimmungen zu betrachten, wie unsere Analyse gezeigt hat. Als echt werden außerdem diejenigen Abschnitte zu gelten haben, die nachweislich vorexilisch sind und nach Inhalt und Stil deuteronomisch sein müssen. Umgekehrt wird man als nicht-deuteronomisch diejenigen Vorschriften zu streichen haben, die exilische Merkmale aufzeigen oder im Widerspruch zum Geiste des Deut stehen und sich auch im Stil von den ursprünglichen Abschnitten des Deut wesentlich unterscheiden. Auch in den ersten Gruppen sind Erweiterungen aus späterer Hand möglich und wirklich vorhanden. Was die Feststellung des Stils und Charakters des Deut anlangt, so sind dafür die beiden ersten Gruppen der sozialen und Zentralisationsgesetze maßgebend. Die Reform des Schuld- und Sklavenrechts gehört überall zu den am meisten charakteristischen Merkmalen der Reformgesetzgebungen des Altertums. Denn die verschuldeten und versklavten Bau'ernmassen sind es vornehmlich, auf die sich solche Reformbewegungen stützten. So war es in Griechenland und Rom, so aijch im alten Israel, wie die

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Analyse des Bb gezeigt hat. Nun unterscheiden sich die Verhältnisse der Zeit Josias wesentlich von denjenigen der ZeitvJehus und Jehoas, insofern als die Stadt- und Geldwirtschaft, die schon die große Revolution des neunten Jahrhunderts ausgelöst hatte, seitdem noch weiter fortgeschritten war und weitere Schichten erfaßt hatte. Das mußte naturgemäß zu einer Verschärfung der sozialen Gegensätze führen, wie auch die prophetische Literatur seit Arnos, die uns davon reichliche Kunde aufbewahrt hat, lehrt. Die immer mehr wachsende Verschuldung des Bauerntums, das Umsichgroifen des Latifundienwesens und das Aufkommen des besitzlosen Proletariats sind die charakteristischen Merkmale dieser Zeit. Diese Entwicklung wurde einerseits begünstigt durch die Klassenjustiz der besitzenden Klassen, andererseits durch die fortwährenden Kriege, die große Teile des nordisraelitischen Landes verwüstet und seine Bevölkerung zur Auswanderung nach Juda und hauptsächlich nach Jerusalem gezwungen haben. Es wäre sonderbar, wenn eine Revolution, die von den Propheten geführt wurde und die sich auf den am haarez stützte, nicht versucht hätte, darin "Wandel zu schaffen und diese schreienden Mißstände zu beseitigen. "Wir müßten solche Reformen voraussetzen, auch wenn sie dokumentarisch nicht belegt wären; jedenfalls haben wir kein Recht, auf Grund eines tendenziösen Berichtes ihre Geschichtlichkeit zu bestreiten. Die wichtigsten Bestimmungen über Schuld- und Sklavenrecht sind in 15,1—18 enthalten. 15,1—11 handelt vom Schulderlaß: „Nach Verlauf von sieben Jahren sollst du einen Erlaß vornehmen, und mit dem Erlaß hat es diese Bewandtnis: Erlassen soll jeder Darleiher sein Handdarlehen, das er seinem Nächsten darleiht. Er darf seinen Nächsten nicht drängen, denn man hat zu Ehren Jahves einen Erlaß ausgerufen." Die Meinungen der Ausleger gehen nun darüber auseinander, ob mit dieser Bestimmung nur Prolongation, d. h. daß die Schulden im siebenten Jahre nicht eingetrieben werden dürfen, gemeint ist, oder ob der Gesetzgeber wirklich an einen vollständigen Schulderlaß gedacht hat. Die erste Meinung wird vertreten von E H E L I C H , K Ö N I G U. a., die es für wenig wahrscheinlich halten, daß der Gesetzgeber eine Bestimmung getroffen hätte, die nicht nur unausführbar, sondern auch geeignet wäre gerade denjenigen Schichten, deren sich der Gesetzgeber am meisten annimmt, am meisten zu schaden; denn es würde doch niemand einem Armen ein Darlehn gewähren, wenn ihm die Eintreibung durch die Institution der Schemüta völlig unmöglich gemacht würde. Demgegenüber weisen STEÜEBNAGEL, B E E T H O L E T , MAKTI U. a. mit Recht auf den Umstand hin, daß das Deut diese Folgen vorausgesehen und sich dagegen gewendet hat; dies beweise, daß es sich hier nur um einen

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völligen Schulderlaß handeln kann. Diese Ansicht wird übrigens auch von der jüdischen Tradition gerechtfertigt; denn sonst wäre die spätere Einrichtung des Prosbols, die den Zweck hatte, die durch den Schulderlaß für den Handelsverkehr sich ergebenden Schwierigkeiten zu beseitigen völlig gegenstandslos. Eine Bestätigung findet diese Anschauung ferner in dem Wortlaut von 15, 1: „Nach Verlauf von sieben Jahren" (nspo), während es im anderen Falle etwa nü'ötf ne>yn n^na-'n njtfni heißen müßte: „während des siebenten Jahres" oder „im siebenten Jahre". Die Ursprünglichkeit von 15, 1 ff. wird von den meisten Porschern bestritten. Es erübrigt sich, ihre Gründe im einzelnen zu widerlegen; denn sie gehen zumeist von Voraussetzungen aus, die wir schon als falsch erkannt haben. Was aber den Einwand betrifft, daß diese Bestimmung praktisch undurchführbar war, so ist zu bedenken, daß sie nicht etwa am grünen Tisch entstanden ist, sondern zweifellos eine Forderung der verschuldeten Bauernmassen war, denen es in erster Linie darauf ankam, die auf -ihnen lastenden Schulden loszuwerden, ohne in diesem Moment die später etwa eintretenden Folgen zu erwägen. Es war eine Maßnahme, die nicht so sehr für die Zukunft wie für die Nöte der Gegenwart berechnet war, etwa der Seisachtheia Solons vergleichbar. Ein historischer Fall eines solchen Schulderlasses ist uns jedenfalls auch aus Israel bekannt, nämlich der Nehemias (Neh 5, 1 ff.). Es ist eben ein Revolutionsgesetz und kann nur als solches verstanden werden. Die moderne Geschichte liefert uns zahlreiche Analogien für diesen revolutionären Utopismus; denn der Revolutionär kann sich nicht mit der Änderung der äußerlichen Verhältnisse begnügen, er glaubt auch an eine Umwandlung der Herzen und Gedanken. Die Revolution bedeutet für ihn den Anfang eines neuen Zeitalters, in dem die Menschen nach neuen sittlichen Grundsätzen zu leben anfangen. Wenn wir daher im Deut Spuren eines solchen revolutionären Glaubens vorfinden, so ist es verkehrt, diese Abschnitte als sekundär zu betrachten; im Gegenteil, gerade sie gehören zum ursprünglichsten Kern des Deut. Bei näherem Zusehen zeigt es sich jedoch, daß auch die Schulderlaß-Satzungen in Wirklichkeit nicht so unausführbar waren, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Dazu bedarf es einer eingehenden Behandlung des israelitischen Schuldrechts. Die Gesetzessammlungen des Pentateuch geben uns kein klares Bild von dem israelitischen Schuldrecht. Sie enthalten zwar eine Reihe von Bestimmungen, die den Schutz des Schuldners zum Gegenstand haben, dagegen finden sich keine Bestimmungen, die von dem Recht des Gläubigers handeln. Immerhin läßt sich auf Grund mancher Erzählungen des Alten Testaments ei6 ungefähres Bild gewinnen von dem

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Rechte des Gläubigers, wenn der Schuldner mit dem Bezahlen seines Darlehens im Rückstände bleibt. In diesem Falle stand es dem Gläubiger zu, sich an dem Besitz des Schuldners, unter Umständen auch an seiner Person schadlos zu halten, indem er ihn selbst oder seine Kinder in die Sklaverei verkaufte. "Was die Person des Schuldners betrifft, so ist das Recht des Gläubigers insofern beschränkt, als schon das Bb seine Dienstzeit auf sechs Jahre festlegte. Dagegen was seinen Besitz anlangt, so finden sich wenigstens im Bb keine beschränkenden Bestimmungen. Mit einiger Sicherheit läßt sich nur soviel feststellen, daß der Grundbesitz des Schuldners insofern geschützt war, als dem Gläubiger nur ein Nutzpfandrecht darauf zustand; er durfte es nicht an einen Fremden verkaufen, und auf alle Fälle behielt die Sippe des Schuldners das Vorrecht, den Erbbesitz auszulösen. Deshalb wird in diesem Falle das Verbum my gebraucht Neh 5 (Übrigens kennt auch der K H nur das Nutzpfandrecht des Gläubigers vgl. 49 ff. 66). Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die Verfasser des Deut vornehmlich diese Verhältnisse im Auge haben. Durch das Schemiüa-Gesetz soll auch das Nutzpfandrecht des Gläubigers auf sechs Jahre beschränkt werden. Es handelt sich hier demnach in "Wirklichkeit nicht um einen vollständigen Schulderlaß ; denn der Gläubiger konnte, wenn auch nur in beschränktem Maße, bis zum Schemittajahre sich an dem Besitz oder der Person des Schuldners schadlos halten. Aber auch die Folgen einer solchen Bestimmung konnten nicht so katastrophal sein, wie gewöhnlich angenommen wird; nur mahnte diese Maßnahme zu größerem Maßhalten im Schuldenaufnehmen. Denn zur Sicherung seines Darlehens stand dem Gläubiger nur die Arbeit und der sechsjährige Ertrag vom Landbesitze des Schuldners zur Verfügung, und je näher das siebente Jahr heranrückte, um so mehr verringerten sich dessen Zablungsmöglichkeiten. Schwierigkeiten bereitete deshalb hauptsächlich nur das letzte Jahr vor dem Erlaßjahre. Dies ist auch dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben wie aus 15, 9 ff. deutlich hervorgeht. Es liegt nahe anzunehmen, daß auch die Bestimmung über die Freilassung der Sklaven im siebenten Jahre von einem einheitlich für das ganze Land bestimmten Jahre handelt, das wohl mit dem Schulderlaßjahr zusammenfällt. Diese Vermutung wird durch folgende Erwägung bestätigt. Im Heiligkeitsgesetz Lev 17—26 finden wir weder die Bestimmungen des Bb und des Deut über die Freilassung der Sklaven nach sechs Dienstjahren noch das Schulderlaßgesetz, dafür aber die Institution des Jobeljahres, das offenbar Schulderlaß und Sklavenfreilassung vereinigen will: „Und sollt dann das fünfzigste Jahr heiligen Beihefte z. ZAW 50

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und' einen Erlaß im Lande für alle seine Bewohner ausrufen lassen; ein Jobeljahr soll es für euch sein, und ein jeder soll darin wieder zu seinem Besitze gelangen und zu seinem Geschlecht zurückkommen." Es ist kaum anzunehmen, daß diese Jobelinstitution vom Verfasser des Hg frei erfunden wurde; viel wahrscheinlicher ist, daß er nur die Schemitta-Gtzsetze auf das Jobeljahr übertragen hat. Gleichzeitig liefert dies einen Beweis dafür, daß jedenfalls der Verfasser des Hg Schulderlaß und Rückgabe des verkauften Grundbesitzes identifizierte; sonst wäre es auffallend, weshalb er das Gesetz über den Schulderlaß ganz übergangen hat. Von einem Erlaß jähr, in dem jeder verkaufte oder verschenkte Erbbesitz an seinen ursprünglichen Besitzer zurückfallen muß, weiß auch Ezechiel 46, 17; ob er aber an das Schemitta- Jahr des Deut oder an das Jobeljahr des Hg gedacht hat, läßt sich nicht entscheiden. Jedenfalls lehrt auch diese Tatsache, daß das Erlaßjahr keine Erfindung des Hg ist. Eine weitere Bestätigung für unsere Annahme liefert uns Jer 34, 8 f. Da wird erzählt, daß der König Zedekia mit den Bürgern von Jerusalem einen Bund schloß, um ein i m (allgemeine Freilassung) auszurufen, „daß jeder seinen Knecht oder seine Magd, soweit sie Hebräer oder Hebräerinnen waren, frei entlassen solle". Daß es sich hier um eine allgemeine Freilassung des hebräischen Sklaven handelt ohne Unterschied, ob sie schon das siebente Dienstjahr erreicht haben oder nicht, liegt klar zutage. Trotzdem beruft sich Jeremia zur Verteidigung dieser Maßregel auf Deut 15, 12 f. (vgl. 34, 14). Auch er hat demnach Deut 15, 12 von einer allgemeinen Freilassung im D e r o r j a h r e verstanden. Im Zusammenhange damit scheint die Bestimmung Deut 31, 9 f. zu stehen, wonach im Schemitta-Jahre eine allgemeine Volksversammlung stattfinden soll. Bei dieser Gelegenheit soll dem Volke die Thora vorgelesen werden. Da, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben, die Volksversammlung in Israel gesetzgeberische Funktionen ausgeübt hat, so wird man annehmen dürfen, daß sich auch diese Volksversammlung mit der Gesetzgebung befaßte und daß zu diesem Zweck die Thora vorgelesen wurde. Das Erlaßjahr wurde wohl deshalb zum Versammlungstermin ausgewählt, weil allen Israeliten Gelegenheit gegeben werden sollte zu kommen; denn nur Freien stand das Recht zu, an solchen Volksversammlungen teilzunehmen. Es ist wohl möglich, daß gleichzeitig beabsichtigt war, dem Volke die Möglichkeit zu verschaffen, über der Durchführung der sozialen Schemitta-Qesetze zu wachen. Auf alle Fälle beweist 31, 9 ff., daß 15, l f f . zum ursprünglichen Bestände des Deut gehörte. Dagegen wird man V 3 als exilischen Zusatz streichen müssen;

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denn die Bestimmung, daß das Schemitta-Gesetz sich nicht auf Darlehen an Ausländer erstrecke, hatte erst Sinn in exilischer und nachexilischer Zeit. Zu streichen ist ferner die Verheißung V 6: „Und du wirst vielen Völkern leihen, du selbst aber wirst nicht zu entleihen brauchen, und du wirst über viele Völker herrschen, über dich aber wird keines herrschen." Daß sich die Juden in Palästina mit solchen internationalen Kreditgeschäften abgaben, wird wohl niemand glauben. Hingegen halte ich V 4 f. die Verheißung, daß es keine Armen in Israel geben wird, für ursprünglich (gegen S t e u e r n a g e l , B e b t h o l e t u. a.). Sie entspricht durchaus dem utopistischen Geist der Josiarevolution. Der Widerspruch mit V 11 löst sich, wenn man diesen Vers als späteren Nachtrag streicht. Hier gibt sich eine spätere nüchterne Zeit kund, die an die Phantasien der Revolutionszeit nicht mehr glaubte. Es ist eine Geschmacklosigkeit, diese spießbürgerliche "Weisheit, daß „die Armen nie aus dem Lande verschwinden werden", dem Verfasser des Deut zuzuschreiben. Weiterhin verbietet das Deut das Zinsnehmen: „Nimm deinen Bruder keinen Zins ab, Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendetwas, was man gegen Zins verleihen kann". Dieses Verbot findet sich auch im Bb, aber da ist nur von Gelddarlehen die Rede. Ob das Bb Nahrungsmitteldarlehen absichtlich nicht erwähnt hat, wird man bezweifeln dürfen; denn es ist kein Grund ersichtlich, warum es zwischen Zinsnehmen bei Gelddarlehen und Nahrungsmitteldarlehen unterscheiden sollte. Immerhin scheint die energische Forderung des Deut, keinen irgendwie gearteten Zins zu nehmen, daß es solche unsozialen Deutungen des alten Zinsverbotes bekämpft. Ebenso ist im Deut das Pfandrecht weit mehr ausgebildet als im Bb. Das Gebot, dem Armen seinen verpfändeten Mantel beim Sonnenuntergang zurückzugeben, „damit er sich in seinem Mantel niederlegen könne", kehrt hier wieder; außerdem wird das Pfandrecht insofern beschränkt, als die Auswahl des Pfandes dem Schuldner überlassen wird, der Gläubiger hingegen das Haus des Schuldners nicht betreten darf. Verboten ist ferner die Pfändung der Mühle und besonders des oberen Mühlsteines — „denn damit würde man das Leben zum Pfand nehmen" — und die Pfändung der Kleidung einer Witwe. Den Schuldgesetzen aufs engste verwandt sind die Sklavengesetze. Auch da übernimmt das Deut eine alte Bestimmung des Bb, wonach jeder hebräische Sklave nach sechs Dienstjahren freigelassen werden soll. Nur unterscheidet sich das Deut vom Bb darin, daß es keinen Unterschied zwischen Sklave und Sklavin macht. Außerdem fordert das Deut, man solle den Sklaven nicht mit leeren Händen entlassen: 6*

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„Statte ihn freigebig aus von deinem Kleinvieh, deiner Tenne und deiner Kelter; je nachdem dich Jahve, dein Gott, gesegnet hat, gib ihm". Dadurch soll wohl dem freigelassenen Sklaven die Möglichkeit gegeben werden, seine Wirtschaft wieder in Ordnung zu bringen; wenn er mit leeren Händen ausginge, wäre er genötigt, sich von neuem in die Sklaverei zu verkaufen. Die Schuld- wie die Sklavengesetze offenbaren das Bestreben, den freien Bauernstand in Israel zu stärken und womöglich sein Hinabstürzen in die Sklaverei oder in den Proletarierstand zu vermeiden. Man wird daher sich fragen müssen, ob 15, 16—17 ursprünglicher Bestandteil des Deut sind. S T E U E K N A G E L hat besonders darauf aufmerksam gemacht, daß 15, 18 direkt an V 15 anschließt. Man wird vielmehr diese Bestimmung als eine spätere Korrektur betrachten müssen, aber nicht etwa auf Grund des Bb, sondern weil die Wirklichkeit dies erforderte. Unter den damaligen Verhältnissen war das Los eines Tagelöhners nicht viel besser als das des Sklaven, und es mochte häufig vorgekommen sein, daß der Sklave, der keinen Eigenbesitz hatte und mit seinem Herrn zufrieden war, es lieber vorzog bei diesem zu bleiben, als das zweifelhafte Glück der Freiheit wieder zu erlangen. Yom Sklavenrecht handelt fernerhin 23,16 f.: „Liefere einen Sklaven nicht an seinen Herrn aus, der sich von seinem Herrn zu dir flüchtet. Er möge bei dir bleiben in deiner Mitte an der Stätte, die er sich wählt in einer deiner Ortschaften, an der, die für ihn am günstigsten liegt. Bedrücke ihn nicht." Diese Forderung ist fast mit der Aufhebung der Sklaverei überhaupt gleichbedeutend, denn ein Sklave, dem das Asylrecht zugesichert ist, wird sich nur dann zu Sklavenarbeit verstehen, wenn ihm sein Herr eine menschliche Behandlung zuteil werden läßt. Dieses aber steht im schärfsten Widerspruch zum Prinzip der Sklaverei, die sich gerade durch ihre Unfreiwilligkeit und Bedingungslosigkeit von der Lohnarbeit unterscheidet. Daß ein solches Gesetz nur im schärfsten Kampf gegen die besitzenden Schichten erlassen werden konnte, liegt auf der Hand. Es ist daher kein Wunder daß man neuerdings bemüht ist, den ganz eindeutigen Sinn von 23, 16 f. umzudeuten; so soll es sich nach S T E U E R N A G E L , K Ö N I G U. a. um einen solchen Sklaven handeln, der sich aus dem Ausland in israelitisches Gebiet flüchtet. Aber für diese Annahme ist kein Anhalt im Text zu finden; was gingen übrigens den deuteronomischen Gesetzgeber ausländische Sklaven an ? Es handelt sich hier vielmehr wie 15, 12 ff. um hebräische Sklaven, die dadurch vor Mißhandlungen seitens ihres Herrn geschützt werden sollen. 23, 16 f. erweist sich somit als eine Erweiterung und Weiterbildung von E x 21, 20. 26 f., wonach der Sklave, dem

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sein Herr einen bleibenden Schaden zugefügt hat, freigelassen werden soll. Ein solches Gesetz wie Deut 23, 16 kommt für diese revolutionäre Epoche keineswegs überraschend, liegen uns doch aus fast derselben Zeit noch weitergehende Forderungen in Jeremia 34,8 ff. und Lev 25,39 f. vor, die völlige Aufhebung der Sklaverei verlangen. Man darf dabei nicht außer acht lassen, daß sich in der Regel der Sklave wohl nicht leichten Herzens dazu entschloß, seinem Herrn zu entfliehen; denn erstens ging er dadurch seines Rechtes verlustig, zum Termin seiner Freilassung, im siebenten Jahre, mit den notwendigen Lebensmitteln ausgestattet zu werden; zweitens war, wie wir schon betont haben, das Leben des freien Tagelöhners überhaupt nicht viel beneidenswerter als das des Sklaven. Besonders charakteristisch für das Deut ist die Fürsorge für die sogenannten P e r s o n a e m i s e r a b i l e s , die Witwen, "Waisen und die Gerirn; es gibt fast kein Gesetz, ganz gleich ob sozialen oder kultischen Charakters, in dem nicht ihrer gedacht wird. "Was nun jathom und almana anlangt, so ist ihre Bedeutung klar, dagegen bedarf der Terminus ger einer näheren Erörterung. In nachexilischer Zeit bezeichnete ger bekanntlich den Proselyten. Daß dieser Gebrauch in der vorexilischen Zeit unbekannt war, geht aus zahlreichen Stellen des A T hervor: Hier bedeutet es zunächst den Stammfremden, der sich in fremdem Gebiet aufhält; dabei ist es ganz gleich, ob es sich um Israeliten oder Nicht-Israeliten handelt, so heißt es beispielsweise von einem Ephraimiten, der in Gibea wohnte: „Er hielt sich als ger in Gibea auf" Jud 19, 16. Eine weitere Eigenschaft der Gerim ist das Fehlen von jeglichem Grundbesitz, denn Grundbesitz und Stammeszugehörigkeit sind im ganzen Altertum aufs engste verknüpft. Wer seines Grundbesitzes durch Verkauf oder auf andere Weise verlustig geht, verliert gleichzeitig auch sein Bürgerrecht und scheidet somit aus dem Stammverbande aus; vgl. Lev 25, 24. 35. 39. 40. Wer hingegen durch Kauf oder Heirat Grundbesitz erwirbt, wird in den Stammverband als gleichberechtiges Mitglied aufgenommen; vgL 1 Chr 2, 34; Gen 23, 1 ff. Man wird daher richtiger ger nicht mit „Fremdling", sondern mit „Beisasse" zu übersetzen haben. Daher werden auch die Leviten fast überall als Gerim bezeichnet (Jud 17, 7; 19, 1; Deut 18, 6 f. u. a.) weil sie keinen Grundbesitz hatten und infolgedessen auch nicht als Vollbürger anerkannt wurden. Daß das Wort ger besonders im Deut ausschließlich zur Bezeichnung einer bestimmten sozialen Schicht gebraucht wird, deren israelitische Abkunft stillschweigend vorausgesetzt wird, beweist schon der Umstand, daß der ger vielfach zusammen mit dem landlosen Leviten genannt und gleich diesem

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der sozialen Fürsorge anempfohlen wird. Eine Ausnahme machen nur Deut 14, 20 und 28, 43. Der späte Ursprung der ersten Stelle geht schon daraus hervor, daß weder Ezechiel 44, 31 noch dem Verfasser von Lev 22, 8 dies allgemeine Verbot der n^ni bekannt war. 14, 20 steht übrigens auch insofern mit den übrigen Stellen des Deut im Widerspruch, als es den ger vom Kult ausschließt, während das Deut ihn sonst an den heiligen Gaben wie den Zehnten, den Opfern und Festmahlen teilnehmen läßt. Auch 28, 43 ist sekundär, weil hier der ger als Besitzender, ja sogar als Reicher gedacht wird — denn was hier dem Mose als Drohung in den Mund gelegt wird, wird zur Zeit des Verfassers längst eingetreten gewesen sein — während er sonst überall im Deut als Besitzloser und der Fürsorge Bedürfender auftritt. Überhaupt ist diese Vorstellung von dem ger als Emporkömmling, die uns hier und Lev 25, 47 begegnet, nur aus der nachexilischen Zeit verständlich. Nun ist es interessant, daß das Deut nicht allein für den Schutz der Gerim, W i t w e n und W a i s e n vor Bedrückung und Unrecht wie das Bb eintritt, sondern auch für ihren Unterhalt Sorge trägt. Wir treffen hier demnach auf den durchaus modernen Begriff einer Pflicht der Gesellschaft zur sozialen Fürsorge. Als Maßnahmen der sozialen Fürsorge sind zu betrachten: die Bestimmung über den sogenannten Armenzehnten 14, 29, über die Teilnahme an den Opfer- und Festmahlen 16, 11. 14c; 26, 11, über die Überlassung der Nachlese 24, 19 —22. Ebenso gehören hierher 2 3 , 2 5 . 2 6 : ,.Wenn du in den Weinberg deines Nächsten kommst, so darfst du Trauben essen, so viel dich gelüstet, aber in ein Gefäß darfst du keine tun. Wenn du an das Kornfeld deines Nächsten kommst, darfst du dir mit der Hand Ähren abreißen, aber eine Sichel darfst du nicht gegen die Halme deines Nächsten schwingen." Hier macht sich bereits das Bestreben bemerkbar, den Besitz vor großer und unbilliger Inanspruchnahme seitens der Besitzlosen zu schützen. Es ist sicherlich kein Zufall, daß diese Armen eine derart bedeutsame Stelle im Deut einnehmen und man wird wohl nicht fehlgehen mit der Vermutung, daß der Untergang des nordisraelitischen Reiches und die unglücklichen Kriege Judas das Proletariat 1 in erschreckendem Maße vermehrt haben. Hinzu kam noch die rücksichtslose Bedrückung der verarmten Bauern seitens der Besitzenden. Die Propheten Micha und Jesaja geben uns deutliche Zeugnisse von den 1 Unter Proletariern sind hier natürlich nicht moderne Fabrikarbeiter, die es im alten Israel nicht gab, sondern nur Besitzlose gemeint.

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Folgen dieser Verhältnisse: „Wehe denen, die Haus an Haus reihen, Feld an Feld rücken, bis kein Platz mehr bleibt und ihr allein die Besitzer im Lande geworden seid" Jes 5, 8. „Begehren sie Felder, so reißen sie sie an sich, und Häuser, so nehmen sie sie fort und vergewaltigen den Mann und seinen Besitz, den Besitzer und seinen Erbteil" Micha 2, 2. Diese „Proletarier" haben sich zumeist in den Städten, insbesondere in Jerusalem, konzentriert, wo sie in Ermangelung jeglicher nutzbringenden Arbeit wohl zum größten Teil der sozialen Fürsorge anheimgefallen sind. Das Deut enthält weiterhin eine Bestimmung zum Schutze des Lohnarbeiters 24, 14: Man soll ihm seinen Lohn am selben Tage auszahlen, „daß die Sonne darüber nicht untergeht; denn er ist elend und seine Seele sehnt sich nach ihr". Die soziale Gesetzgebung steht eigentlich in unlöslichem Widerspruch zum formalen Recht; denn während dieses den Eigentumsstandpunkt in den Vordergrund rückt, so stellt sich jene den Schutz der menschlichen Persönlichkeit zur Hauptaufgabe, auch wenn er dem formalen Becht widersprechen mag. Zweifellos wurden solche Reformen wie Schulderlaß, Sklavenbefreiung, Nachleserecht u. a. von den Gegnern der prophetischen Partei als gemeiner Baub, als Vernichtung des rechtlich erworbenen Eigentums verschrieen, und ebenso sicher ist es, daß sie im Namen Jahves gegen die gottlosen Revolutionäre zu Felde zogen, die im Begriffe waren, die sittliche Ordnung und die bürgerliche Gesellschaft in Trümmer zu schlagen. Wenn sich aber mancher moderne Gelehrte, der mit den gegenwärtigen Verhältnissen durchaus zufrieden ist, gegen die „orientalischen Könige", die unfähig waren, einen Rechtsstaat zu gründen, entrüstet, so vergißt er dabei, daß die Propheten gegen den modernen „Rechtsstaat" ebenso zu Felde ziehen würden wie gegen den altisraelitischen Staat. Die altisraelitischen Kapitalisten, die ihr Geld nicht ohne Zinsen darleihen wollten und rückständige Schuldner von Haus und Hof verjagten, waren nicht besser und nicht schlechter als ihre modernen Genossen; was ferner die ungerechten Richter anlangt, so kommen unsere Richter in der sozialistischen und kommunistischen Presse unserer Zeit nicht besser weg. Der Kampf der Propheten war kein Kampf des Rechtes gegen das Unrecht, sondern ein Kampf um den Begriff des Rechtes, ob der Mensch oder der Besitz zu seiner Grundlage werden soll. Die Begriffe von Recht und Gerechtigkeit waren eben damals wie heute durchaus relativ, und was dem einen als Recht galt, hat der andere als Diebstahl und Raub bezeichnet. Es ist daher verfehlt, in der Geschichte mit sittlichen Begriffen zu operieren.

Der Staat und seine Organe. Es ist wenig, soziale Reformen gesetzlich festzulegen. Zur wirklichen Durchführung bedarf es eines Regierungsapparates, der willens und imstande ist, die gesetzlichen Forderungen "Wirklichkeit werden zu lassen. Politische Macht und Wirtschaft gehören aufs engste zusammen, und die Ausnützung der Macht zu wirtschaftlichen Zwecken ist eine überall wiederkehrende Erscheinung. Daher erschallt bei jeder irgendwie gearteten sozialen Bewegung der Ruf nach Änderung der Staatsform und der Staatsorgane. Auch die vielen Revolutionen in Israel und Juda, die man gewöhnlich als Palast- oder höchstens als Militärrevolutionen bezeichnet, hatten sicherlich politische Ziele im Auge. Nur sind wir leider über die politischen Verhältnisse und Strömungen so mangelhaft wie nur möglich unterrichtet. Die exilischen und nachexilischen Redaktoren der historischen Bücher des Alten Testaments, die in einer unpolitischen Zeit aufgewachsen sind, hatten kein Interesse und offenbar auch kein Verständnis für Vorgänge politischer Natur. Sie haben daher die älteren Berichte, die sich mit politischen Vorgängen befaßten, entweder gar nicht oder so kurz und allgemein wiedergegeben, daß wir selten den sozialpolitischen Hintergrund der erzählten Ereignisse zu Erkennen vermögen. Über die Ereignisse der Zeit Josias, besonders die politischen Bestrebungen der prophetischen Partei, läßt sich immerhin auf Grund der Gesetze und Reden, die im Deut enthalten sind, ein einigermaßen klares Bild gewinnen. Zunächst kam für die Volkspartei die Stärkung und Vermehrung der Rechte der Volksversammlung in Frage. Diese Einrichtung ist zwar, wie wir bereits an anderer Stelle gezeigt haben, nicht erst damals geschaffen, doch waren ihre Wirkungsmöglichkeiten noch recht beschränkt. Die antike Demokratie konnte sich nur in einem Stadtstaat behaupten. In einem Staat hingegen, dessen Bevölkerung auf dem Lande zerstreut lebte, war ein Zusammenkommen des ganzen Volkes an einem Orte und in einer Zeit aus rein technischen Gründen sehr erschwert. In solchen Ländern war die Demokratie zum Absterben verurteilt, wie das Beispiel von Griechenland und Rom deutlich vor

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Augen führt. Daß die Volksversammlung in Israel ganz selten und nur, wo es sich um Entscheidungen von außerordentlicher Bedeutung handelte, zusammentreten konnte, ist klar. Für gewöhnlich galten der König und zuweilen wohl auch die Altesten als die höchsten Staatsorgane. Überdies hing es wohl auch völlig vom guten "Willen der Regierenden ab, die Volksversammlung zusammentreten zu lassen oder nicht. Es ist daher begreiflich, daß wir so selten von der Volksversammlung hören. Nur in besonders bewegten Zeiten erscheint sie wieder auf dem Plan, so nach dem Tode Salomos und während der Revolutionen zur Zeit des Jehoas und Josia. Demgegenüber fällt es auf, daß im Deut die Volksversammlung eine derart bedeutsame Stellung einnimmt; das ganze Deut ist in Form einer Rede Moses an das Volk abgefaßt. Dabei wird mehrfach mit besonderem Nachdruck die Tatsache hervorgehoben, daß wirklich das ganze Volk bei der Rede Moses zugegen war. Diesen Umstand, der für die richtige Beurteilung des Deut und des deuteronomischen Zeitalters von entscheidender Bedeutung ist, hat man bisher fast gar nicht beachtet. Diese Redeform ist charakteristisch nicht nur für das Deut selbst, sondern auch für die meisten deuteronomischen Abschnitte der übrigen Bücher des AT. Die Entwicklung der Rhetorik aber ist aufs innigste mit der Institution der Volksversammlung verbunden. Von noch größerer Wichtigkeit ist es, daß, wie dies aus den Gesetzen und den paränetisch-historischen Einleitungsreden des Deut deutlich hervorgeht, die Kompetenz der Volksversammlung in deuteronomischer Zeit bedeutend erweitert wurde. Schon beim Lesen der ersten Einleitungsrede drängt sich diese Beobachtung von dem demokratischen Charakter des deuteronomischen Zeitalters auch dem nichtaufmerksamen lieser von selbst auf. So sollen hier die Richter direkt durch das Volk gewählt werden 1, 13, ebenso 16, 18; Ex 18 hingegen ist es Mose, der, ohne das Volk zu befragen, die Richter einsetzt. Ebenso geht der Vorschlag über die Aussendung der Kundschafter vom Volke selbst aus; daß das Deut damit die Schuld auf das Volk abzuwälzen beabsichtigt habe, wie man vielfach annimmt, wird schon durch die Tatsache widerlegt, daß dieser Vorschlag von Mose ausdrücklich gebilligt wird. Aber nicht nur die Richter, sondern auch der König 17, 14 und die Heerführer 20, 9 sollen nach dem Deut vom Volke gewählt werden. Die Volksversammlungen wurden in der Regel an den Festen abgehalten. Das Deut bestimmt (31, 10 f.), daß an dem Hüttenfest des je siebenten (Schemitta)-Jahres eine allgemeine Volksversammlung stattfinden soll, an der nicht nur die Bürger, sondern auch die Frauen, Beisassen und die noch nicht selbständig gewordenen Kinder teilzu-

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nehmen haben. Bei dieser Gelegenheit soll dem Volke das deuteronomische Gesetz vorgelesen werden. Man wird aber wohl annehmen dürfen, daß auch aus anderen Anlässen häufig allgemeine Volksversammlungen stattzufinden pflegten. Die Volksversammlung galt zwar in Israel als höchstes Staatsorgan, und daher gehörte in erster Linie die Gesetzgebung zu ihrem Zuständigkeitsbereich, aber gleichzeitig damit hat man die Gesetze auf Jahve zurückgeführt. Um diese beiden voneinander abweichenden Auffassungen in Einklang zu bringen, entstand die Vorstellung von dem Propheten als Vermittler zwischen Jahve und dem Volke, dessen Aufgabe es war, den Willen Jahves dem Volke zu übermitteln. Da aber einerseits, solange die Prophetie noch lebendig war, Jahve immer von neuem seinen Willen kundtun konnte und auch seine früheren Beschlüsse nicht als unabänderlich galten, und da anderseits nicht das erbliche und beamtete Priestertum, sondern die freie Prophetie mit der Verkündung des Gotteswillens betraut war, so war kein Raum für das Aufkommen einer Bürokratie. Überdies gab es verschiedene einander bekämpfende Prophetenparteien, die jede für sich das Recht beanspruchten, als die wahren Jahvepropheten zu gelten; der Volksversammlung aber stand das Recht zu, als höchste Instanz auch im Streite der Prophetenparteien das Urteil zu fällen und die als falsch anerkannten Propheten zu töten (vgl. die Karmelgeschichte I Kön 18). Dadurch aber wurde die Macht der Propheten in der Wirklichkeit illusorisch; denn das Volk konnte immer Propheten finden, die ihren Wünschen entsprachen. Wenn trotzdem einzelne Propheten eine so gewaltige Wirkung ausgeübt hatten, so erklärt sich dies nur aus ihren persönlichen und sittlichen Eigenschaften, die ihnen die Achtung des Volkes erzwangen. Trotzdem wissen alle Quellen von den Schwierigkeiten zu erzählen, die die Israeliten sogar dem Mose bereitet haben. Die Propheten sind daher in g e w i s s e m S i n n e den politischen Führern der antiken und modernen Demokratien vergleichbar. Das deuteronomische Ideal ist daher die mosaische und wohl auch die Richterzeit, in der das Volk unter der Leitung der von Jahve beauftragten Propheten sich selbst regierte. Aber auch in der Zukunft wird Jahve dem Volke Propheten wie Mose erstehen lassen: „Einen Propheten aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, gleich mir wird Jahve, dein Gott, dir auftreten lassen. Auf den sollt ihr hören, ganz entsprechend dem Umstand, daß du von Jahve, deinem Gotte, am Horeb, am Tage der Versammlung, Folgendes erbeten hast: Ich mag nicht mehr.die Stimme Jahves, meines Gottes, hören und dies große Feuer nicht mehr sehen, daß ich nicht sterbe. Damals sprach Jahve zu

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mir: Sie haben gut geredet! Einen Propheten werde ich ihnen aus der Mitte ihrer Brüder gleich dir auftreten lassen und werde meine "Worte in seinen Mund legen und er wird zu ihnen alles reden, was ich ihm befehlen werde" Dtn 18, 14 ff. Charakteristisch ist hier die Hervorhebung des Umstandes, daß die Israeliten selbst es gewesen sind, die den Wunsch nach einem Vermittler zwischen sich und Jahve ausgesprochen haben. Diese Motivierung der Institution der Prophetie kehrt in Kap 5 wieder. Wahrscheinlich wird hier gegen Meinungen angekämpft, die die Prophetie als eine überflüssige Einrichtung betrachtet haben; immerhin kennzeichnet es den Charakter des Deut, daß es auch das Führeramt der Propheten letzten Endes auf einen Beschluß des Volkes zurückführt. Neben der Volksversammlung finden wir in Israel den Rat der Altesten. Wie sich diese beide zueinander verhalten, läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen; zuweilen scheinen sie friedlich nebeneinander zu stehen, indem die Gesetzvorschläge zuerst von der Altestenversammlung beraten wurden, um dann vor die Volksversammlung zu kommen (II Kön 23,1 ff.); zuweilen scheinen sie sich auch einander auszuschließen oder gar zu bekämpfen. So wird beispielsweise nach der einen Tradition der Sinaibund mit dem ganzen Volke geschlossen, nach einer anderen hingegen nur mit den Altesten, vgl. Ex 24, 7 f. mit 24, 9 f. Wir werden uns die Institution der Altesten als eine Art Senat zu denken haben, und die jüdische Tradition wird wohl im Rechte sein, wenn sie das Synhedrium der späteren Zeit mit den Altesten der Bibel in Zusammenhang bringt. Die Mitgliederzahl von siebzig Altesten scheint die Regel gewesen zu sein; so Ex 24, 9; Num 11, 16; Ezechiel 8, 11 u. a. Abgesehen von der sozusagen allgemeinen Reichsversammlung der Altesten hatte jede Stadt ihren eigenen Altestenrat. Auch hier treffen wir die Zahl siebzig als die normale: so in Sichern und Sukkoth (77?) Jud 8, 14 Von der Zusammensetzung des Altestenrates haben wir keine Kunde; doch wird man annehmen dürfen, daß seine Mitglieder in der Regel den adligen Geschlechtern entstammten. Dies geht erstens aus ihrem Gegensatz zur demokratischen Volksversammlung hervor und findet zweitens eine Bestätigung in dem Umstand, daß sie in der Richterzeit das Aufkommen des damals volkstümlichen Königtums zu verhindern suchten; vgl. Rieht 9, 2. 7ff.; 11, 2. 5. 7ff.; I I Sam 17, 4. Das Deut kennt die Altesten im Gegensatz zur älteren Zeit nur als lokale Behörden. Unklar ist ihr Verhältnis zu den Richtern, denen nach dem Deut die Rechtsprechung obliegt. Jedenfalls scheint das Pamilienrecht zum Zuständigkeitsbereich der Altesten gehört zu haben; vgl. 21, 19; 22, 15; 25, 7. Ob dagegen auch das Blutrecht ihnen oblag,

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läßt sich nicht feststellen; 19, 12 und 21, 3 sind kein Beweis dafür. Fraglich ist fernerhin, ob sie auch in deuteronomischer Zeit ihren wesentlich oligarchischen Charakter behalten haben. Man wird aber aus dem Umstand, daß im Gegensatz zu den Richtern im Deut nirgends von ihrer Einsetzung die Rede ist, berechtigt sein den Schluß zu ziehen, daß das Deut sie zwar nicht völlig beseitigen konnte, aber immerhin ihre Rechte zugunsten der Richter bedeutend geschmälert hat Im Unterschied von den Ältesten wird man die Richter als eine demokratische Institution betrachten müssen. Dies findet seinen Ausdruck besonders in dem Umstand, daß sie durch Volkswahl in ihr Amt, eingesetzt werden, wie Deut 1, 15 lehrt: „Bestimmt doch weise, verständige und erfahrene Männer aus euren Stämmen, damit ich sie als eure Hauptleute bestelle." Es kommt also in erster Linie auf die geistigen Fähigkeiten der zu Wählenden an; Abkunft und Besitz dagegen spielen offenbar keine Rolle. Interessant ist jedenfalls, daß in diesem Zusammenhang weder die Priester noch die Altesten als Helfer Moses in Betracht kommen; dieses geflissentliche Schweigen ist in der Tat vielsagend. Ebenso wird in 16, 18 f. nur die Einsetzung von Richtern und bchoterim verlangt. Auch hier fällt auf, daß der König bei ihrer Einsetzung gar keine Rolle spielt; dies erklärt sich nicht dadurch, wie HÖLSCHEB meint, daß das Deut aus nachexilischer Zeit stamme, sondern daß das Deut bewußt die Erweiterung der Volksrechte erstrebte. Es ist daher auch falsch, mit den meisten Gelehrten anzunehmen, daß die Bestimmungen über die Richter durch die Kultusreform veranlaßt wurden, weil bis dahin die Priester als Richter fungierten. Diese Anschauung von den richterlichen Funktionen der Priester in vorexilischer Zeit ist falsch, was auch durch das Deut selbst, wie dies noch weiter unten gezeigt werden soll, bestätigt wird. Es ist außerdem unbegreiflich, wie die Abschaffung der Höhen zur Wegnahme der richterlichen Funktionen aus den Händen der Priester führen konnte, blieben doch die Landpriester an ihren alten Wohnsitzen. In schwierigen Rechtsfällen soll man sich an die oberste richterliche Instanz in Jerusalem wenden 17, 8 ff. Unklar ist die Zusammensetzung dieses Obergerichts; V 9 erwähnt „die levitischen Priester" und den „derzeitigen Richter"; demnach scheint hier an ein aus Laien und Priestern zusammengesetztes Gericht gedacht zu sein. Aber dagegen spricht schon der Wortlaut von V 9; denn es kann hier schwerlich gemeint sein, „daß man sich an das Kollegium der priesterlichen und gleichzeitig an den Präsidenten der Laienabteilung wenden solle" (STEUEKNAGEL 116). Weiterhin lassen sich bei dieser Annahme, die Dubletten in 10—12 schwer begreifen. Man nimmt daher fast allgemein

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an, daß eine von den beiden Instanzen später eingetragen sei, nur gehen die Meinungen darüber auseinander, wer von diesen zu streichen sei: die Priester (so STEUERNAGEL, KÖNIG U. a.) oder die Richter (so B E R T H O L E T , P U Ü K K O , H E M P E L U. a.). Aus dem Text selbst läßt sich kein sicheres Argument weder für die eine noch für die andere Annahme entnehmen; man ist daher auf allgemeine Gründe angewiesen. E s ist mir jedenfalls nicht zweifelhaft, daß STEUERNAGEL und KÖNIG das Richtige getroffen haben; es läßt sich eher begreifen, daß man später die Priester als den Richter hinzugefügt hat. "Wir haben außerdem bereits mehrfach gezeigt, daß die Priester im vorexilischen Israel keine richterlichen Funktionen ausgeübt haben. "Was die deuteronomische Zeit insbesondere angeht, so liefert uns das Buch J e r den besten Beweis dafür Endlich aber zeigen eine Reihe anderer Stellen im Deut, daß die Priester hier überall erst später eingetragen wurden: so 19, 17, wo ebenfalls von den Priestern und Richtern die Rede ist. Daß „die Priester" hier späterer Einschub sind, lehrt V 18, wo nur die Richter erwähnt werden, die den Tatbestand genau zu untersuchen haben. Noch deutlicher tritt dieser Sachverhalt 21, 4 f. zutage. D a handelt es sich um die Sühnung eines von unbekannter Hand verübten Mordes: „Und die Altesten jener Stadt sollen die K u h hinabführen in ein Tal mit immerfließendem "Wasser, an dem (das Land) nicht bearbeitet und nicht gesät wird, und sollen der K u h dort im Tale das Genick brechen. E s sollen aber die Priester, die Söhne Levis, herzutreten; denn sie hat Jahve, dein Gott, erwählt, daß sie ihm dienen und im Namen Jahves segnen, und nach ihrer Anweisung wird bei jeder Streitsache und bei jeder Mißhandlung verfahren". D a ß hier die Priester post festum kommen, ist längst erkannt; denn die eigentliche Sühnezeremonie ist bereits V 4 von den Altesten vollzogen. Die Priester spielen auch im folgenden keine Rolle, da Y 6 wieder nur von den Altesten die Rede ist. Man weiß daher nicht recht, was die Priester hier zu tun haben; es kommt noch hinzu, daß es sich hier nicht um die Zentralkultstätte, sondern um einen Platz handelt, der der Mordstelle am nächsten liegt. Nun erklärt uns aber 5 b, was den späteren Ergänzer veranlaßt hat, hier und auch an den anderen Stellen die Priester nachzutragen: „Und nach ihrer Anweisung wird bei jeder Streitsache und bei jeder Mißhandlung verfahren." Diese Begründung wäre ganz überflüssig, wenn der priesterliche Anspruch bereits vorher allgemein anerkannt wäre; in Wirklichkeit kennt weder 18, l f f . noch 10, 8, wo alle Rechte der Priester aufgezählt sind, dieses Recht. Der Anspruch der Priester auf die Gerichtsbarkeit ist 1

Vgl. oben S. 18.

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erst exilischen Datums; wir treffen ihn zuerst bei Ezechiel 44, 23. Übrigens ist ihnen auch in nachexilischer Zeit nicht gelungen, diesen Anspruch durchzusetzen. Später nachgetragen sind ferner die Priester in 20, 2 b. 3, einer Dublette zu 20, 1, außerdem durch den Plural als Zusatz erwiesen und in 26, 3. 4, ebenfalls einer Dublette zu 26, 10. Einer Erörterung bedarf noch der Umstand, daß in 17, 9 von „dem derzeitigen Richter", also von einem einzelnen Richter die Rede ist. Man nimmt gewöhnlich an, daß der Verfasser hier den König im Sinne hatte, der als oberster Richter gedacht ist, aber erstens mangelt es für diese Annahme an jedem Beweis und zweitens ist dies bei der wesentlich ablehnenden Einstellung des Deut dem Königtum gegenüber völlig ausgeschlossen. Man wird daher an das selbständige Amt eines Oberrichters zu denken haben, dessen Zuständigkeit sich aber nicht auf Gerichtssachen allein beschränkt haben wird; denn nach der deuteronomischen Anschauung, die im Rahmen des Richterbuches ihren Ausdruck fand, werden die Volksführer der Vorkönigszeit als Richter bezeichnet. Wahrscheinlich ist die Vorstellung von den idealen Richtern, die Jahve zu erwecken pflegte, um sein Volk zur Umkehr zu rufen und ihm gegen seine Bedränger zu helfen, eine Vorstellung, die wir im deut. Rahmen des Richterbuches finden, den Verhältnissen der Josiazeit entnommen; denn zweifellos haben die Revolutionäre, die den siebenjährigen Josia auf den Thron setzten, gleichzeitig auch einen Regenten bestimmt, der die Regierungsgeschäfte zu führen hatte und demnach wohl der wirkliche Herrscher war. Dieser Regent war sicherlich der Führer der prophetisch-sozialen Partei, der die Juden, die von Jahve abgefallen waren, wieder zu Jahve bekehrte und sie von ihren Unterdrückern befreite. Diese Verhältnisse der Zeit Josias haben die Deuteronomisten dann auf die sogenannte Richterzeit übertragen. Die Bezeichnung „Richterzeit" und der Name Richter für die Helden der Vorkönigszeit werden wohl deuteronomischen Ursprungs sein, denn sie finden sich nur im Rahmen des Richterbuches und an einigen anderen deuteronomischen Stellen. Damit wird aber die Institution des Königtums gänzlich überflüssig, ja sogar schädlich, denn ScJiophet und König vertragen sich kaum miteinander. Das absolute Königtum ist überdies mit einer Vermehrung der Steuern und einer Beschränkung der persönlichen Freiheit verbunden. Es ist daher kein Wunder, daß die deuteronomischen Kreise das Königtum abgelehnt haben. Am deutlichsten tritt uns dieser Protest gegen das Königtum in I Sam 8, 10 ff. entgegen. Abgesehen von allen Mängeln, die dem Königtum anhaften, wird es noch obendrein als ein vom Auslande eingeführtes Produkt bezeichnet: „So setze

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denn einen König über uns, damit er uns regiere (utSEB^), wie es bei allen Völkern geschieht" 8, 5. Auch das deuteronomische Königsgesetz knüpft an I Sam 8, 1 f. an, wie 17, 14 zeigt: „"Wenn du in das Land kommst, das Jahve, dein Gott, dir geben wird, von ihm Besitz ergreifst und dich in ihm festsetzest, und wenn du dann denkst, ich möchte einen König über mich setzen g l e i c h a l l e n V ö l k e r , d i e r i n g s u m m i c h s i n d " . . . Das Deut betrachtet zwar auch das Königtum als eine ausländische und für Israel durchaus entbehrliche Institution, es unterscheidet sich aber von I Sam 8 darin, daß es dieses nicht rundweg ablehnt, sondern dem Volke freigibt, wenn es will, einen König zu •wählen. Da es die Schattenseiten des Königtums kennt, versucht es, diese so weit wie möglich zu mildern. „Der König soll nicht zu viel Rosse anschaffen, und er darf das Volk nicht wieder nach Ägypten bringen, um viel Rosse zu bekommen . . . Ferner darf er sich nicht zu viel Weiber nehmen, damit sich sein Herz nicht von Jahve abwende; auch Silber und Gold darf er sich nicht in übergroßer Menge sammeln,... damit sich sein Herz nicht über seine Brüder erhebe." Die Ursprünglichkeit des Königsgesetzes wird von den meisten Gelehrten wie W E L L H A U S E N , CORNILL, STEUEENAGEL, M A R T I , PUUKKO, H E H P E L U. a. bestritten. So sagt z. B. M A R T I : „Diese Verordnungen zeigen keine Spur von einem Verständnis für die politischen Aufgaben und für die Stellung eines Königs." Er fährt dann weiter fort: „Und das Verbot, einen ausländischen König zu wählen, ist vor dem Exil kaum denkbar." Was den ersten Einwand betrifft, so vergißt man, daß auch noch heute die Meinungen über Notwendigkeit und Aufgaben des Königtums weit auseinandergehen. Ich wenigstens sehe in dieser Beschränkung der Königsmacht einen wichtigen Beweis für die Echtheit dieses Abschnittes; denn er entspricht durchaus dem demokratischsozialen Geist des Deuteronomiums. Schwerer scheint der zweite Einwand zu wiegen; denn wie konnte man in vorexilischer Zeit überhaupt auf den Gedanken verfallen, einen Ausländer als König zu wählen, aber haben nicht B e z i n und P e k a h , die Könige von A r am und Nordisrael einen B e n - T a b J e l als König für Juda ausersehen (GRESSMANN, K I T T E L ) ? Will man das Königsgesetz verstehen, so muß man sich in die damalige Situation hineinzuversetzen suchen. Die Optimaten haben den Amon ermordet. Zweifellos haben sie damit gewisse Pläne verfolgt. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß sie diese im Einverständnis und wohl mit der Unterstützung einer fremden Macht durchzuführen hofften. Ob sie auch einen ausländischen Prinzen zum König über Juda einsetzen wollten, mag dahingestellt sein; durchaus verständlich ist aber, daß die national-prophetische Partei solche Beschuldigungen

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gegen sie erhoben hat. Diese Beschuldigung fiel um so mehr auf günstigen Boden, als die Optimaten auch sonst in den Ruf standen, mit den Ausländern zu paktieren, vgl. z. B . Zephanja 18 b : ,und ich suche heim die Fürsten und die Königssöhne, und a l l e d i e s i c h k l e i d e n i n a u s l ä n d i s c h e s G e w a n d " . Gerade diese Forderung des Deut beweist, daß das Königsgesetz nur aus der Zeit der Josiarevolution stammen kann. Daß man sich in nachexilischer Zeit mit der Abfassung von Königsgesetzen beschäftigt hat, ist undenkbar; ein Königsgesetz hatte doch nur Sinn, solange es noch Könige gab. Für die Echtheit des Königsgesetzes spricht auch der Umstand, daß wir dieselben Anschauungen bei den vorexilischen Propheten Jesaja und Micha wiederfinden: „Sein Land ward voll Geld, unzählbar sind seine Schätze; sein Land ward voll Rosse, unzählbar sind seine "Wagen" J e s 2, 7 ; vgl. noch 31, 1, wo in diesem Zusammenhange ebenfalls Ägypten erwähnt wird, und Micha 5, 9. Endlich ist die Forderung eines Wahlkönigtums nur aus der Josiazeit heraus verständlich, weil sie bei der Thronbesteigung Josias und Jehoahas' durchgeführt wurde. Somit erweist sich auch das Königsgesetz nicht nur als ursprünglicher Bestandteil des Deut, sondern es bildet auch einen der sichersten Beweise für die Richtigkeit unserer Auffassung über Entstehung und Tendenz des Deuteronomiums.

Die Zentralisation des Kultus. Das Deut enthält außerdem noch eine Reihe kultischer Bestimmungen, unter ihnen auch eine, die historisch von größter Wirkung •war und die gewöhnlich als das Hauptgesetz des Deut bezeichnet wird, nämlich die Zentralisation des Kultus. Man ist sogar so weit gegangen, das ganze Deut und die Josiareform als das Zentralisationsgesetz und die Kultusreform zu bezeichnen, wobei man alles, was damit nicht im Zusammenhange zu stehen schien, als spätere Erweiterungen strich. Nun haben wir gesehen, daß diese Meinung unhaltbar ist, und es erhebt sich daher die Frage, wie dies Nebeneinander von Sozial- und Kultusreform zu begreifen ist, und besonders, was die ,.Proletarier" und verschuldeten Bauern bewegen konnte, eine kultische Reform von solcher Bedeutung und Tragweite wie die Abschaffung der Landesheiligtümer und die Zentralisation des ganzen Kultus in Jerusalem, ins Werk zu setzen. Es ist durchaus verständlich, wenn man die Urheber dieser kultischen Reform vornehmlich in religiös interessierten Kreisen zu finden glaubt. Dabei denken die meisten Gelehrten an die Priester des jerusalemischen Tempels, die die hauptsächlichsten Nutznießer der Reform waren und demgemäß auch an ihrer Durchführung am meisten interessiert waren. Aber mir scheinen solche Überlegungen an dem Kern des Problems vorbeizugehen; es handelte sich doch nicht allein um einen Kampf der Priester des jerusalemischen Hauptheiligtums gegen die Priester der Lokalaltäre, der die breiten Schichten des Volkes nichts anging. "Wenn man bedenkt, welche Zumutungen diese Revolution an das Denken und Handeln des Volkes stellte, so wird man sich klar, daß sie nicht ohne Zustimmung und Mitwirkung weiter Schichten der Bevölkerung durchgeführt werden konnte. Man wird daher fragen müssen, was den israelitischen Bauern veranlaßt haben könnte, sich von den seit unvordenklichen Zeiten bestehenden und durch Tradition und Glaube geheiligten Kultusstätten zu trennen und fortan dreimal im Jahre nach Jerusalem zu wandern, um dort die bis dahin an die Scholle gebundenen Feste zu feiern und Gelübde und Opfer dem Jahve in Beihefte z. ZAW 50

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Jerusalem darzubringen? Die Nichtbeachtung dieser Frage erklärt sich leicht daraus, daß man das Werk Josias als eine Reform von oben zu betrachten gewohnt war; daß dies falsch ist, haben wir zur Genüge gezeigt. E s war ein Zusammentreffen von mehreren Ursachen politischer, sozialer und religiöser Art, das zu dieser einschneidenden Reform geführt hat; und zwar haben politische und soziale Motive eine weit größere Rolle dabei gespielt als rein religiöse Erwägungen. Um mit den politischen anzufangen, so ist der stark nationale, ja chauvinistische Einschlag des Deut schon längst den meisten Gelehrten aufgefallen. Man hat daher mit Recht den Kampf der Deuteronomisten gegen den Baal und die Götzendienerci als einen Kampf gegen das fremdländische "Wesen überhaupt aufgefaßt. Die sozial-prophetische Bewegung war gleichzeitig sozial und national. Dies findet seine Erklärung darin, daß die Besitzenden und Fürsten am ehesten geneigt waren, nicht nur die äußeren materiellen Formen der fremden Kultur anzunehmen, sondern auch auf dem Gebiete der Religion und der geistigen Kultur die nationalen Güter preiszugeben. So wirft der Prophet Zephanja den Fürsten und Prinzen vor, daß sie sich im ausländischen Gewand kleiden. Daß in unserer modernen Zeit das gerade Gegenteil richtig zu sein scheint, beruht auf oberflächlicher Beobachtung. In "Wirklichkeit gibt es kaum eine Klasse, die im Innersten so tief national denkt und fühlt wie gerade das Proletariat, und umgekehrt gibt es kaum eine Bevölkerungsschicht, die so wenig nationales Selbstgefühl besitzt wie die Kapitalisten, Junker und Fürsten. Diese waren immer eher bereit, auf ihr Vaterland als auf ihrenBesitz und ihre Privilegien zu verzichten, und haben sich nie gescheut, durch die Hand Fremder Reichtum und Vorrechte zu erwerben. Aber diese sozial-nationale Bewegung war nicht eng partikularistisch, wie es bisweilen der Fall ist, sondern verwarf im Gegenteil mit größter Entschiedenheit alles, was nur an Stammespartikularismus erinnerte. Die Wiederherstellung des alten davidischen Staates war ihr Ideal. Dies Ideal tritt uns zuerst in den älteren Erzählungen des Jahvisten entgegen, in denen nicht mehr die lokalen Stammeshelden, sondern die Väter des Volkes die Hauptrolle spielen. Ihren deutlichsten Ausdruck findet diese Bewegung in der Erzählung von den zwei Ostjordanstämmen Gad und Rüben, die auf Befehl Moses mit ihren Brüdern über den Jordan zogen, um das Land für die übrigen Stämme zu erobern, obgleich sie selbst ihren Anteil bereits im Ostjordanlande erhalten hatten. Endlich ist die ganze elohistisch-deuteronomistische Darstellung der israelitischen Geschichte von diesem Bestreben beherrscht. So wird bekanntlich Josua als der Führer des ganzen Volkes geschildert und

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auch die Richter, die ursprünglich nur Stammeshelden waren, sind zu Volkshelden umgestempelt worden. In der älteren Zeit hat diese Bewegung auf weite Bevölkerungskreise offenbar keine "Wirkimg auszuüben vermocht; sie beschränkte sich vornehmlich auf die Kreise der Propheten und Literaten. Dem die nationale Einheit war in älterer Zeit im wesentlichen nur kulturell aber nicht politisch. Eine "Wandlung ist erst eingetreten, als sich infolge des Unterganges des nordisraelitischen Reiches in Jerusalem und Juda ein Proletariat gebildet hat, daß sich aus Nordisrael rekrutierte und für den judäischen Partikularismus weder Interesse noch Verständnis hatte. Als dann die Macht der Assyrer zu sinken begann, da steigerten sich die Hoffnungen der nationalen Kreise auf die Wiederherstellung des alten davidischen Reiches und wurden alle diejenigen aufs stärkste bekämpft, die im Verdacht standen, mit ausländischen Mächten zu paktieren. Daher beginnt die Einleitungsrede Moses mit der Erinnerung an den Befehl Jahves, vom Sinai aufzubrechen und nach Kanaan zu ziehen um das ganze Land bis zum Euphrat in Besitz zu nehmen 1, 6ff.; deshalb wird auch an verschiedenen Stellen die Erweiterung der Landesgrenzen in Aussicht gestellt 12, 20; 19, 8 u. a. Überall wird mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, daß Mose zu ganz Israel geredet hat. Daß es den Deuteronomisten auch gelungen ist, weite Gebietsteile des vormaligen israelitischen Reiches zu befreien, beweist der Umstand, daß Josia seine Reform auch auf. Bethel ausgedehnt hat und daß er dann gegen das ägyptische Heer nach Megiddo zog. Aus dieser Situation heraus erklärt sich die sonderbare Erscheinung, daß von allen Gesetzessammlungen des Pentateuch nur das Deut Kriegsgesetze enthält und daß hier bestimmte "Wendungen wie: „das Land, das dir Jahve gibt" u. a. unzählige Male wiederholt werden. Der Einigung des Volkes standen aber die vielen lokalen Kultstätten mit ihren Priesterschaften im Wege; denn Religion und Politik waren im alten Israel eng verknüpft Es war daher durchaus natürlich, daß man in der Beseitigung der lokalen Heiligtümer die Voraussetzung für die Schaffung eines einheitlichen israelitischen Staates sah. Besonders scheint Bethel ein Herd des nordisraelitischen Separatismus gewesen zu sein; deshalb wird die Zerstörung seines Heiligtums besonders hervorgehoben I Kön 13, l f f . und I I Kön 2 3 , 1 5 ff. Es ist interessant, daß bereits der deuteronomische Red. der Königsbücher dies Motiv richtig erkannt hat; so erzählt er von Jerobeam: „Und Jerobeam erwog in seinem Herzen: Jetzt wird das Königtum dem Hause Davids wieder zufallen. Wenn dies Volk hinaufzieht, um im Tempel Jahves zu Jerusalem Opfer darzubringen, dann wird sich das Herz des Volkes 7*

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seinem Herrn Rehabeam. dem Könige von Juda, wieder zuwenden, mich aber töten. So ging er mit sich zu Rate, machte zwei goldene Kälber und sprach zum Volk: Ihr seid nun lange genug nach Jerusalem hinaufgegangen! Hier sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyptenland herausgeführt haben. Und er stellte das eine in Bethel auf, und das andere gab er nach Dan." Die Gedanken der Deuteronomisten werden hier dem Jerobeam in den Mund gelegt. Daß Jerobeam selbst solche Überlegungen gar nicht anzustellen brauchte, ist klar; die Kultusstätten in Bethel und Dan waren, wie bekannt, älter als der Tempel zu Jerusalem, und man wird wohl bezweifeln müssen, ob Jerobeam überhaupt mit der Aufstellung der Kälber in den beiden Städten etwas zu tun hat, aber den Deuteronomisten lag nichts näher als die Entstehung der beiden Heiligtümer mit der Spaltung des Reiches in Zusammenhang zu bringen. Die Beseitigung der Ortsaltäre war um so notwendiger, als das Deut den neuen Staat auf den Grundlagen der Demokratie aufgebaut wissen wollte. Eine demokratische Verfassung des Staates war aber ein Unding, solange das ganze Volk nicht direkt auf dem Wege der Volksversammlung an der Regierung teilnehmen konnte. "Was lag da näher, als das ganze Volk an den drei Hauptfesten nach Jerusalem wallfahren zu lassen, um auf diese "Weise das Zusammenkommen des ganzen Volkes zur Volksversammlung zu ermöglichen. Dabei ist noch zu beachten, daß die Demokratie im Gegensatz zur Oligarchie (vgl. Athen und Sparta) im ganzen Altertum durchaus zentralistisch eingestellt war. Fernerhin hat die Entwicklung, die inzwischen auf religiösem Gebiet vor sich gegangen war, die Durchführung der Reform nicht unwesentlich gefördert. Die ältere Zeit machte noch keinen Unterschied zwischen Religion und Kultus. Gott, Opfer und Kultusstätte waren nicht voneinander zu trennen. Nun haben wir schon oben gezeigt, wie infolge der sozial-wirtschaftlichen Entwicklung und der prophetischen Tätigkeit eine Versittlichung und Vergeistigung des Gottesbegriffs immer mehr Platz gegriffen hat. Jahve hat die Züge des despotischen launischen Herrschers abgestreift und ist zum gerechten- Richter geworden. Es ist daher natürlich, daß sich nun die Propheten gegen die Anschauungen wandten, daß man auf Jahve durch Opfer einwirken und ihn umstimmen kann; das hieße, daß Jahve eher dem Reichen als dem Armen, der doch nur selten imstande war ein Opfer zu bringen, seine Gunst zeigen werde, und das widersprach aufs schärfte der Vorstellung von dem strengen und gerechten Richter, der keine Person ansieht. Die Propheten haben daher überhaupt bestritten, daß Jahve

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das Darbringen von Opfer jemals geboten habe; in der idealen vorkanaanäischen Wüstenzeit haben die Israeliten nach Arnos und Jeremia und auch nach der älteren j ahvistischen Tradition überhaupt keine Opfer dargebracht. Daß diese Verkündung bei den Besitzlosen, Sklaven und verschuldeten Bauern einen lebhaften Wiederhall fand, ist begreiflich genug; mit den lokalen Kultusstätten waren die Sklaven und vor allem die gerim am wenigsten verwachsen. Vollends, selbst zu opfern waren sie sicherlich nur in ganz seltenen Fällen in der Lage; in der Regel konnten sie höchstens an den Opferschmausen der Reichen teilnehmen, bei denen sie zudem als unerwünschte Gäste angesehen wurden. Dabei hielten sich gerade die Besitzlosen und gerim für die treuesten Anhänger Jahves und haben die herrschenden Schichten immer des Abfalls von Jahve beschuldigt; was Wunder, daß Opfer und Kultus auch in diesen Kreisen immer mehr in Mißkredit geriet. Die Beseitigung der Ortsaltäre konnte demnach beim „gemeinen" Volk auf keinen Widerstand stoßen, man wird eher das Gegenteil annehmen dürfen. Daß man sich aber mit der Abschaffung der Höhen begnügte und nicht auch den Tempel in Jerusalem beseitigt hat, erklärt sich leicht daraus, daß man erstens mit der Opfertradition nicht ganz brechen konnte; man hat daher an Stelle der Privatopfer die Staatsopfer gesetzt, die für das ganze Volk dargebracht werden. Zweitens erblickte man darin eine wesentliche Stärkung der Zentralisationsidee. Daß die Verfasser des Deut diese Einschränkung der Opfer bewußt angestrebt haben, zeigt Kap 12, das Zentralisationsgesetz, das in drei Fassungen überliefert ist: V 5—7; 8 - 1 2 ; 13—19. 12,13—19 stellt die ursprüngliche Fassung dar; dies wird durch den Umstand bewiesen, daß hier im Gegensatz zu 5—12 gleich den übrigen Gesetzen des Deut die singularische Anrede erscheint. V 13 ff. lauten: „Hüte dich deine Brandopfer an jeder beliebigen Stätte darzubringen; vielmehr an der Stätte, die Jahve in einem deiner Stämme erwählen wird, dort sollst du alle deine Brandopfer darbringen und dort alles das verrichten, was ich dir befehle. D o c h d a r f s t du n a c h H e r z e n s l u s t in a l l e n d e i n e n O r t s c h a f t e n s c h l a c h t e n und F l e i s c h e s s e n , so v i e l d i r d u r c h den S e g e n J a h v e s , d e i n e s G o t t e s , g e g e b e n ist." V 17f. bestimmt dasselbe für den Zehnten, Erstlinge, Gelübde und freiwilligen Opfer. Auffallend ist aber, daß hier im Gegensatz zu 5—7 und 8—12 die Schlachtopfer (Zebachim) nicht erwähnt werden; die einzig mögliche Erklärung dafür ist, daß dem Verfasser von 13—19 die Schlachtopfer zusammen mit den Ortsaltären als abgeschaft gelten und daß an ihre Stelle von nun ab die profane Schlachtung tritt. Daß die Einschränkung der Opfer, die als Folge der Zentralisation

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des Kultus eintreten mußte, vom Gesetzgeber beabsichtigt war, beweist der Ausdruck: "jtPSJ nix d. h. „nach Herzenslust darfst du in allen deinen Ortschaften schlachten". Die Freigabe der Profanschlachtung wird also nicht als unvermeidliches Übel, sondern als gewollte Folge angesehen. Daß insbesondere die daran interessierte jerusalemische Priesterschaft mit dieser generellen Freigabe der Profanschlachtung nicht einverstanden war, zeigt 12, 20 f.; da wird die allgemeine Bestimmung von V 15 insofern eingeschränkt, als sie nur für diejenigen gilt, die fern von Jerusalem wohnen: „Wenn die Stätte, welche Jahve, dein Gott, erwählt, um seinen Namen dorthin zu legen zu w e i t v o n dir e n t f e r n t i s t , so schlachte von deinen Rindern und Schafen, die dir Jahve gegeben hat, und iß davon an deinem "Wohnorte nach Herzenslust". Daß nicht V 20 f., sondern 15 f. die ursprüngliche Fassung wiedergeben, beweist schon das ^tPSJ nix das 20—25 zweimal wiederholt wird und doch nur in V 15, wo es sich um die allgemeine Freigabe der Profanschlachtung handelt, einen verständlichen Sinn ergibt. V 20 ff. haben diesen Ausdruck gedankenlos übernommen. In Wirklichkeit enthält 20—28 eine vierte Rezension des Zentralisationsgesetzes. 20—25 laufen 15—16 und 26—27; 14, 17. 18 parallel; dabei verrät auch Y 26— 27 priesterliche Hand, worauf schon das Interesse für kultische Korrektheit und der Terminus D'ttHp, der sonst im Deut nicht wiederkehrt, hinweisen. Ob wir es hier lediglich mit einem literarischen Nachtrag aus verhältnismäßig später Zeit zu tun haben, oder ob es den jerusalemischen Priestern wirklich gelungen ist, auf gesetzlichem Wege ihren Willen durchzusetzen, läßt sich nicht feststellen. Diese Geringschätzung oder richtiger Ablehnung des äußeren Kultus kehrt noch an einigen anderen Stellen des Deut wieder; so 10, 12: „Und nun Israel, was fordert Jahve dein Gott, von dir, außer daß du Jahve, deinen Gott, fürchtest und demgemäß immerdar auf seinen Wegen wandelst, daß du ihn liebst und Jahve, deinen Gott, von ganzem Herzen und von ganzer Seele dienst." Ahnlich 30,11: „Denn dieses Gebot, das ich dir heute gebiete, übersteigt deine Kräfte nicht und ist nicht unerreichbar." Damit ist doch sicherlich gemeint: Jahve verlange keine Opfer, sondern Gerechtigkeit und Liebe; vgl. dazu Stellen wie I Sam 15, 22; Micha 6, l f f . Ebenso finden wir hier zuerst die echt prophetischen Wendungen wie „Beschneidet die Vorhaut eures Herzens" 10, 16; 30, 6 1 oder: „Liebe Jahve, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele und ganzen Kraft." 6, 5 u. 9. Damit ist doch wohl gemeint, daß nicht der äußere Kultus, 1

Vgl. Jeremia 4, 4; 9, 24.

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wie beispielsweise die Beschneidung, sondern die Gesinnung, die hier als „Beschneidung des Herzens" bezeichnet wird, die Hauptsache ist. Was die sozial-wirtschaftlichen Ursachen der Reform angeht, so empfiehlt es sich, hier vor allem die Frage der heiligen Abgaben etwas eingehender zu behandeln. Im Gegensatz zum Pk kennt das Deut nur sehr wenig Abgaben des Volkes an die Priester. Nach 18, 1 ff. gehören ihnen von den Schlachtopfern: die Vorderkeule, die beiden Kinnbacken und der Magen, ferner die Erstlinge vom Getreide, Most und Ol und die Erstlinge von der Schur des Kleinviehs. Dagegen gehören der Zehnte und die Erstlinge vom Vieh ihren Besitzern, die aber nur an heiliger Stätte, d. h. in Jerusalem, verzehrt werden dürfen. Der Pk hingegen zählt auch die Erstlinge des Viehs und den Zehnten zu den heiligen Gaben, die dem Stamme Levi gehören. Die herrschende Meinung ist heute, daß diese Bestimmungen des Pk erst nachexilischen Datums und eine Folge der uns auch sonst bekannten Erweiterung der priesterlichen Rechte und Ansprüche sind. Auf den ersten Blick scheint diese Auffassung durchaus begründet zu sein; denn wir wissen, wie weit sich der Priestereinfluß infolge des Untergangs des selbständigen politischen Staatswesens ausgedehnt hat und zweifellos wird auch die Zentralisation des Kultus selbst nicht wenig zur Vermehrung der Autorität und der Rechte der jerusalemischen Priester beigetragen haben. Immerhin zeigt sich bei näherem Zusehen, daß wir es hier nicht mit einer Neuerung der nachexilischen Zeit zu tun haben. Die Zehnten werden bekanntlich bereits Arnos 4, 4; Gen 28, 22 und wahrscheinlich auch Ex 22, 28 erwähnt. Von Bedeutung ist insbesondere Gen 28, 22: „Und Jakob tat ein Gelübde also: Wenn Gott mit mir ist und mich behütet auf diesem Wege, den ich hier gehe, und mir Brot zu essen gibt und Kleider anzuziehen: So soll mir aus diesem Stein, den ich als Malstein errichtet habe, ein Gotteshaus werden, und alles, was du mir schenkst, will ich dir gewißlich verzehnten." Es ist ganz undenkbar, das damit nur das Verzehren des Zehnten vor Jahve gemeint sein soll, vielmehr wird es sich hier um eine wirkliche Abgabe an den Tempel handeln. Ebenso war die Opferung der Erstlinge bereits dem Jahvisten bekannt und wird auch Ex 22, 28 zu den heiligen Abgaben an Jahve gezählt; hier ist es noch weniger wahrscheinlich, daß es sich lediglich um ein Schlachten an heiliger Stätte handelte. Denn die vordeuteronomische Zeit kennt die prophane Schlachtung überhaupt nicht. Man ist daher zu der Annahme gezwungen, daß Zehnten wie Erstgeburten als Abgabe an die Priester dargebracht wurden. Diese Anschauung findet übrigens im Deut selbst ihre Bestätigung, wo sich noch ein Rest dieses Priesterrechts erhalten hat; denn es verlangt aus-

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drücklich, auch die Leviten an den Zehnten teilnehmen zu lassen 14, 27. Wenn demgegenüber das Deut die Zehnten und Erstgeburten den Besitzern zum eigenen Verbrauch überläßt, so wird man darin eine Neuerung zu sehen haben. Der Pk hat demnach wohl das alte vordeuteronomische Priesterrecht wieder einzuführen versucht. Fragt man nach dem Zweck dieser Reform, so geben uns darauf 14, 22f.; 16, l f . und 26, 11 eine deutliche Antwort. Da wird verlangt, daß die Opfer- und Festmahle unter Teilnahme der Armen und der Leviten abgehalten werden sollen. Die Abgaben an die Priester sollen demnach in Abgaben an die Armen, gerim und Leviten verwandelt werden. Auch darin ist also die deuteronomische Bewegung der älteren Reformbewegung der Jehoahaszeit verwandt; denn auch hier werden, wohl dem alten Beispiele folgend, die Einkünfte des Tempels und der Priester zugunsten der Armen verwandt. Wir verstehen jetzt, weshalb die gerim an der Zentralisation des Kultus auch materiell interessiert waren, waren sie doch größtenteils in Jerusalem konzentriert, wo sie das großstädtische „Proletariat" bildeten und ist doch die Revolution wohl in erster Linie von den „proletarischen" Schichten Jerusalems ausgegangen. Besonders lehrreich sind die Bestimmungen über den Zehnten, die noch die inneren Gegensätze zwischen dem Land- und dem Stadt„proletariat" erkennen lassen; denn die Forderung 14, 29f., daß der Zehnte jedes dritten Jahres im Unterschied vom gewöhnlichen Zehnten an die Leviten und Armen der einzelnen Orte abzuliefern ist, ist nur als ein Zugeständnis an das „Proletariat" der Provinz begreiflich. Es zeigt sich hier deutlich, daß nicht religiöse Gedanken, sondern nur soziale Motive bei dieser Verteilung der Zehnten auf Hauptstadt und Provinz von entscheidender Bedeutung gewesen sind; sonst wäre es unverständlich, warum die Zehnten jedes dritten Jahres, die doch ebenso heilig waren wie die anderen Zehnten, in der Provinz verzehrt werden durften. Von weit größerer Wichtigkeit noch ist die Forderung des Deut 18, lf., daß die Priester keinen Landbesitz haben dürfen: „Die levitischen Priester sollen keinen Anteil und Erbbesitz mit dem übrigen Israel haben; die Feueropfer Jahves sollen ihr Anteil sein; (davon) sollen sie sich nähren." Es erhebt sich die Frage, ob das Deut einen längst bestehenden Zustand in die Form eines mosaischen Gebotes kleidet oder ob wir es auch hier mit einer deuteronomischen Neuerung zu tun haben, die den Priestern ihren Besitz wegnehmen will. Für letztere Annahme spricht schon der Umstand, daß das Deut sonst, soviel ersichtlich ist, vorwiegend Bestimmungen enthält, die Reformcharakter tragen und im Gegensatz zu dem bis dahin Geltenden standen.

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Deshalb fehlen hier ganz Vorschriften über den Schutz des Eigentums, wie sie beispielsweise das Bb enthält. Es kommt ferner hinzu, daß, wie wir dies bereits an anderer Stelle gesehen haben, weder die vordeuteronomische noch die exilische und nachexilische Zeit diese Besitzlosigkeit der Priester kennt. Was die nachexilische Zeit anlangt, so kennen Pk und Ezechiel dies Verbot des Deut, kümmern sich aber nicht darum. Besonders lehrreich ist in dieser Hinsicht Ezechiel. Er wiederholt zwar 44, 28 die Vorschrift des Deut, daß die Priester keinen Erbbesitz haben sollen, aber er weist ihnen ebenso wie den Leviten 4 5 , 1 ff.; 48, 9 f. einen durchaus'nicht unerheblichen Landteil zu. Nun könnte man vielleicht annehmen, daß das Deut ebenso gedankenlos eine alte, zu seiner Zeit längst außer "Wirkung gekommene Bestimmung wiederholt wie Pk und Ezechiel, aber Stellen wie 12, 12; 14, 27. 29 u. a. beweisen unwiderleglich, daß die Leviten zur Zeit des Deut wirklich keinen Landbesitz hatten. Man ist daher zu der Annahme genötigt, daß es sich auch 18, 1 um eine Neuerung handelt; der priesterliche Landbesitz, mit anderen Worten der Tempelbesitz (vgl. Ez 45, 1 f. und Lev 27, 21. 28), soll enteignet werden. Auch hier liegt die Annahme n^he, daß dies zugunsten der besitzlosen yerim geschah, und man wird dabei in erster Linie an diejenigen Bauern zu denken haben, die als Pächter oder Kolonen die Tempelländereien bestellt hatten. Das Deut hat hier an die alte levitisch-prophetische Forderung angeknüpft, wonach die Diener Jahves keinen Besitz haben dürfen. Auf diese Weise wurde auch das Landproletariat für die Zentralisationsreform gewonnen, da es von einer Beseitigung der Ortsheiligtümer, ohne die eine Säkularisation des priesterlichen Landbesitzes unmöglich war, nur gewinnen konnte. Wenn aber die jerusalemischen Priester durch diese Reform an Einfluß und Einkünften wuchsen und vielleicht diejenigen waren, die letzen Endes am meisten davon profitierten, so ist daraus keineswegs zu schließen, daß sie zu den Urhebern der Revolution gehörten, sondern wir sind hier Zeugen eines geschichtlichen Vorganges, der sich auch sonst beobachten läßt, daß politische Handlungen bestimmter sozialer Schichten sich letzten Endes zugunsten einer anderen, ihnen feindlichen Klasse auswirken. Beachtenswert ist jedenfalls, daß das Deut diese Möglichkeit vorausgesehen und soweit wie möglich dem vorzubeugen versucht hat; so bestimmt Deut 18, 6f.: „Und wenn ein Levit aus einem deiner Orte, aus ganz Israel, wo er als Fremdling weilt, kommen will, so mag er nach Herzenslust zu der Stätte kommen^ die Jahve erwählen wird, und im Namen Jahves, seines Gottes, Dienst tun gleich allen seinen Brüdern, den Leviten, die dort vor Jahve stehen. Einen Anteil gleich den ihrigen (soll er) zu essen bekommen abgesehen

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von" . . - 1 Dadurch sollte ein Kultusmonopol der jerusalemischen Priesterschaft vermieden werden. 18, 6 f. mit STEUEENAGEL dem Urdeut abzusprechen, sehe ich keinen Grund; denn die Tatsache, daß im Kampf zwischen den Landpriestern und den Priestern des jerusalemischen Tempel diese, im Gegensatz zur ausdrücklichen Forderung des Deut, die Oberhand behalten haben, beweist nichts. Daraus läßt sich nur der Schluß ziehen, daß die jerusalemische Priesterschaft mit den Kreisen, aus denen die demokratische Reform hervorgegangen ist, in keiner Hinsicht identisch war. Somit liefert gerade das Zentralisationsgesetz das stärkste Argument gegen die bisher herrschende Auffassung von Zweck und Entstehung des Deut; denn gerade hier ist der sozialpolitische Hintergrund der Reform mit Händen zu greifen. Die israelitische Entwicklung schreitet je länger je mehr auf dem "Wege einer Lösung der Religion vom, äußerem Kultus und ihrer Vergeistigung und Yersittlichung fort; dabei zeigt es sich, daß es vorwiegend die niederen Stände sind, die als die1 eigentlichen Förderer dieser Entwicklung in Betracht kommen. Die gebildeten Priester und die besitzenden Schichten hingegen haben, soweit es in ihrer Macht lag, diese Entwicklung nur gehemmt. Mit der Zentralisation steht die Festgesetzgebung in engster Verbindung. Die Feste wurden alle nach dem Zentralheiligtum verlegt; von nun an bildeten sie die einzige Gelegenheit — soweit die Bevölkerung der Provinz in Betracht kommt — den Opferkultus auszuüben. Daneben dienten sie auch noch anderen Zwecken. Auf ihre politische Bedeutung haben wir bereits hingewiesen. Ferner wurden sie in den Dienst der Nächstenliebe gestellt, ja dieses scheint sogar der Hauptzweck zu sein. So heißt es vom Wochenfest: „Und dann veranstalte das Wochenfest für Jahve, deinen Gott, mit freiwilligen Gaben deiner Hand, was du geben magst, je nachdem dich Jahve, dein Gott, gesegnet hat, und sei fröhlich vor Jahve, deinem Gott, du und dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd und der Levit, der in deinem Orte wohnt, und der ger, die Waise und die Witwe, die unter dir sind . . . Und denke daran, daß du selbst ein Sklave warst in Agyptenland; und so beobachte diese Satzungen." 16, 10—12. Besonders charakteristisch ist hier die Motivierung V 12, die den sozialen Charakter des Festes besonders hervorhebt und mit Unrecht von STEUERNAGEL u. a. gestrichen wird. Die humane Seite ist im Deut nicht Neben-, sondern Hauptzweck, wie die Wiederholung beim Hüttenfest V 14 und die deuteronomischen Formeln lehren, die bei dieser 1

Die Bedeutung von 8 b ist unklar.

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Gelegenheit gebraucht werden: „Und sei fröhlich an deinem Feste" oder „gemäß dem, wie dich Jahve dein Gott gesegnet hat" u. a. Denn insbesondere die letzte Formel wird überall da angewandt, wo es sich um soziale Forderungen oder um ihre Motivierung handelt (vgl. 14, 29; 15, 10. 14. 18; 16, 17; 23, 21; 24, 19; 26, 11 usw.) Die materiellen Güter sind nach Ansicht des Deut nicht das Produkt menschlichen Fleißes, sondern göttlichen Segens; daher darf ihr Besitzer sie nicht als sein ausschließliches Eigentum betrachten. Weiterhin fordert das Deut, daß alle Mitglieder der Familie: die Frauen und Kinder, aber auch die Sklaven und Mägde, an den Festfeiern teilnehmen sollen. Auch darin wird man eine deuteronomische Neuerung sehen dürfen, die wohl sozialen Erwägungen entsprungen ist, daher wird dies auch bei jeder Gelegenheit mit besonderem Nachdruck wiederholt; so 12, 7. 12. 18; 14. 26; 16, 11. 14; 26, 11. Eine bevorzugte Stellung scheint in deuteronomischer Zeit das Passafest eingenommen zu haben; so berichtet uns schon I I Reg 23, 21 ff. von der Feier des P a s s a im 18. Jahre des Königs Josia: „Es war nämlich ein Passa wie dieses nicht gefeiert worden von der Zeit der Richter an, die Israel gerichtet haben, und die ganze Zeit der Könige von Israel und der-Könige von Juda hindurch". Dieser Unterschied bestand wohl vornehmlich darin, daß von nun ab das Passafest seines alten Familiencharakters entkleidet und am Zentralheiligtum gefeiert wurde. Es ist aber sicherlich kein Zufall, wenn der Reformbericht die Feier des Passafestes zur Zeit Josias besonders hervorhebt. Die Deuteronomisten hatten wohl gerade für das Passafest eine besondere Vorliebe ; denn es war nach der Tradition mit der Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei aufs engste verknüpft, gleichzeitig eine soziale und nationale Befreiung. Bei dem historischen Sinn der deuteronomischen Kreise und bei ihrer sozial-politischen Einstellung ist es durchaus begreiflich, daß sie dem Passafest besondere Neigung entgegenbrachten und es zum Hauptfest stempelten. Daher erklärt sich, daß es am ausführlichsten behandelt wird. Falsch wäre es aber, mit GUTHE (BAüDissra-Festschrift

1918 S. 220)

und

ELHOBST, 1 6 , 9 f.

die

Bestimmungen über das Wochen- und Hüttenfest dem Urdeut abzusprechen ; im Gegenteil, gerade diese Bestimmungen erweisen sich durchaus nach Stil und Inhalt als urdeuteronomisch. Ebenso verfehlt ist es, die das Mazzothfest betreffenden Verse 16, 3 b. 4 a zu streichen (mit STEUEENAGEL, B E E T H O L E T , H E M P E L u. a.), weil sie den Zusammenhang der Passavorschriften unterbrechen und besonders weil V 7 im Gegensatz zu V 3 nur ein eintägiges Passafest kenne. Schon E H E L I C H (Randglossen) hat richtig erkannt, daß V 7 b: „und am folgenden Morgen

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Die Zentralisation des Koitus.

wende dich und gehe nach deinem Zelte" nicht das Zurückkehren nach Hause gemeint, sondern an das Sichbegeben in die Lagerquartiere von Jerusalem gedacht ist; denn die Passafeier fand im Tempel statt, wie I I Chr 35, 1 ff. lehrt (was G U T H E richtig erkannt hat. Theologische Studien und Kritiken 1926). E s ist daher falsch, aus V 6. 7 zu schließen, daß das Passafest ein eintägiges Fest war. 16, 6. 7 vertragen sich demnach durchaus mit 16, 3. Was das erste Argument angeht, so schließt sich zwar 4 b ganz gut an 3 a an, aber ebensogut 3 b an 3 a, ich kann daher die Mazzothvorschrift durchaus nicht als störend empfinden. Hingegen setzen 4 b yitrxm Di'3, das sich nur auf das Mazzothfost beziehen kann, und 16, wo das Frühjahrfest als Mazzothfest bezeichnet wird, deutlich 3 b ; 4 a voraus. S T E U E K N A G E L , H E M P E L U. a. streichen zwar auch diese beiden Stellen, aber ohne zwingenden Grund; denn wenn V 16 nur das Erscheinen der Männer vor Jahve fordert, so ist dies kein Widerspruch zu 11, 14, wonach auch die Frauen an den Festmahlen teilnehmen sollen, weil „das Erscheinen vor Jahve" nicht mit der Festmahlzeit identisch ist, wie gerade 16, 6. 7 zeigen, die im Gegensatz zu 11, 14 die Teilnahme der Hausgenossen nicht verlangen. Endlich hat Y l a : „Beachte den Ährenmonat" nur Sinn, wenn er sich auf das Mazzothfest bezieht, das ein Erntefest war. Dies wird dadurch bestätigt, daß dieselbe Wendung E x 23, 15 wörtlich wiederkehrt, wo nur vom Mazzothfest die Rede ist. Ebenso setzt 16, 9 das Mazzothfest voraus; denn es bestimmt den Zeitpunkt des Wochenfestes auf den fünfzigsten Tag nach dem Beginn der Ernte: „Sieben Wochen sollst du dir abzählen: vom Anfangen der Sichel im Getreidefeld". Überhaupt ist die Annahme, daß die Südstämme nur das Passa- die Nordstämme aber nur das Mazzothfest gekannt haben, nicht genügend begründet. Die Behauptung S T E U E R N A G E L S , daß die Vereinigung von J und E zu der Verbindung der beiden ungefähr gleichzeitigen Feste führte, ist so unhistorisch wie nur möglich. Hier wird die israelitische Geschichte förmlich auf den Kopf gestellt; das tägliche Leben läßt sich doch nicht als die Auswirkung eines literarischen Vorgangs erklären.

Die Kriegsgesetze. Auch die militärische Organisation eines Volkes hängt mit seiner politischen Verfassung aufs engste zusammen. W i r können es hier dahingestellt sein lassen, ob die politischen Zustände von den militärischen oder umgekehrt, oder ob sie beide von den sozialwirtschaftlichen abhängig sind; jedenfalls soviel ist klar, daß sich eine gewisse Parallelität zwischen ihnen überall feststellen läßt. Während für die Demokratie das Volksheer naturgemäß ist, so ist für die Oligarchie und Despotie das Berufsheer charakteristisch, und zwar genauer für die Oligarchie das Rittertum, für die Despotie das Söldnerheer. Dies wird ebenso durch die Geschichte der neueren Zeit wie durch die des Altertums bestätigt. Der Krieg der Griechen gegen die Perser war, wie H. DELDHÜCK richtig erkannt hat, ein Kampf des Volksheeres gegen das Berufsheer; die Erfindung der Feuerwaffe und der Aufschwung der Stadt- und Geldwirtschaft, die die Bildung großer Söldnerheere gefördert haben, führte zum Untergang des Rittertums und des feudalen Systems und ermöglichte so das Aufkommen des Absolutismus überhaupt. Die französische Revolution hat dann das Volksheer geschaffen und damit die Epoche der allgemeinen Wehrpflicht und der modernen Demokratie eingeleitet. < E s ist daher kein Wunder, daß derselbe Gegensatz zwischen Berufsund Volksheer auch in Israel wiederkehrt. Am deutlichsten tritt er uns in der Erzählung vom Kampfe zwischen David und Goliath entgegen ; im Gegensatz zu diesem, der als „Kriegsmann von Jugend auf" bezeichnet wird, kann David nicht einmal die Kriegskleidung Sauls anziehen I Sam 17, 38f., „denn er hatte es noch nie versucht". Die schwere Rüstung ist das charakteristische Kennzeichen des Ritters und daher ist der Sieg des unbewaffneten David über den schwerbewaffneten G o l i a t h zugleich ein Sieg des Volksheeres über das Berufsheer. Und dieser Sieg Davids über den Philister ist fernerhin zugleich ein Sieg des ersteren über Saul. Ein weiteres Charakteristikum des adligen Ritterheeres waren die Rosse, denn der gewöhnliche Bauer hatte weder die Mittel, sich Kriegsrosse anzuschaffen, noch die Zeit, sich im Kriegs-

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Die Kriegsgesetze.

handwerk zu üben; im Altertum wie im Mittelalter rekrutieren sich daher die Ritter aus den besitzenden Schichten. Andererseits scheint es auch in Israel eine königliche „Reitertruppe" gegeben zu haben, die wohl aus Söldnern bestanden haben wird; denn nach Angaben des Königsbuches besaßen die israelitischen Könige sogar Wagenstädte für die königliche „Reiterei". Daß sich die demokratischen Parteien die Abschaffung des „Reiterheeres" zum Ziele setzten, ist bei diesem Sachverhalt durchaus begreiflich; der Kampf der Prophetie gegen die Rosse und Streitwagen erklärt sich nicht aus religiösen, sondern aus sozialpolitischen Motiven, obgleich die Motivierung eine religiöse ist. Die Deuteronomisten verlangen daher, daß der König nicht zu viele Rosse halten soll 17, 16, weiterhin, daß das stehende Heer durch ein freiwilliges ersetzt werden soll; denn sonst wäre die Bestimmung des Deut, daß jeder, der sich fürchtet und ängstlich ist, nach Hause zurückkehren soll, „damit er nicht das Herz seiner Brüder ebenso verzagt mache wie sein eigenes Herz", unbegreiflich. Ebenso sollen die Offiziere vom Volke selbst, d. h. vom Heer gewählt werden 20, 9 1 (1, 15). Auch darin gleicht die Revolution Josias den Revolutionen der neueren Zeit; so haben sich auch die Heere der französischen und russischen Revolution zuerst aus Freiwilligen zusammengesetzt. Die deuteronomische Geschichtskonstruktion hat die Verhältnisse der deuteronomischen Zeit in die alte Zeit übertragen; so erzählen Jos 11, 9 und I I Sam 8, 4, daß Josua und David die Pferde, die sie gefangen nahmen, lähmten. Daß diese Angaben historisch sind, ist kaum anzunehmen, zu Zeiten Davids war in Israel die Verwendung des Pferdes nicht mehr ganz unbekannt, wie die Geschichte Absaloms und Adonijahs zeigt. Es wäre daher unbegreiflich, wenn David, statt seine wertvolle Beute nützlich zu verwenden, die erbeuteten Pferde gelähmt hätte. Ebenso ausgeschlossen ist es, daß sich aus der Zeit Josuas, von der wir doch schlechterdings nichts wissen, eine solche Kunde erhalten hätte. Diese Nachrichten sind hingegen durchaus begreiflich als deuteronomische Konstruktionen, die den Zweck hatten zu beweisen, daß schon Josua und David, die größten israelitschen Eroberer, Rosse und Reiterwagen verpönt haben. Vom Kriegsdienst werden nach Deut befreit: wer ein neues Haus gebaut und noch nicht eingeweiht hat; wer einen Weinberg gepflanzt und noch nicht in Benutzung genommen hat, und wer sich mit einem Weibe verlobt und es noch nicht heimgeführt hat. Es scheint, daß im 1

Darauf weist der Umstand hin, daß die Erwählung der rr.Msx ns> erst nach dem Weggang, aller zum Kriege Unfähigen oder anf Grand der Dispense Befreiten erfolgt.

Die Kriegsgesetze

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Gegensatz zur Zeit Manasses, die wohl im wesentlichen für J u d a eine friedliche Zeit gewesen war — denn die unbestrittene Herrschaft der Assyrer führte für die unterworfenen Völker ebenso eine Epoche des Friedens herauf wie später die persische oder römische Herrschaft — die Zeit Josias reich an kriegerischen Verwicklungen war. Der Niedergang der assyrischen Macht und die Auflösung des assyrischen Weltreiches hat jlie nationalen Parteien überall ans Ruder gebracht; der Kampf um die nationale Selbständigkeit entbrannte in Juda, in Ägypten und anderswo; die einzige Parole war überall die Wiederherstellung der alten historischen Grenzen. Juda betrachtete sich als den Erben des alten israelitischen Reiches, und daher stammte das großisraelitische Ideal, das sich die Wiederherstellung des davidischen Reiches zum Ziel setzte. Daß die Befreiung Nordisraels nicht ohne Kampf gegen die Nachbarvölker und insbesondere gegen die ausländischen Kolonisten durchgeführt werden konnte, die durch die assyrischen Könige dorthin verpflanzt wurden, ist klar. Ein dauernder Krieg, der zwar, wie e3 scheint, nicht ohne Erfolg war, aber vom Volke schwere Opfer an Blut und Gut forderte, war die Folge; die Sorge um die Erhaltung der Volkskraft und der ökonomischen Grundlage des Landes ist daher für die Kriegsgesetze des Deut charakteristisch. Den Verfassern des Deut lag es daher besonders am Herzen, diejenigen wirtschaftlichen Verrichtungen, die längere Zeit in Anspruch nehmen und daher in Kriegszeiten am meisten vernachlässigt werden, wie Hausbauten, Weinbergpflanzen u. dgl. zu fördern. Weiterhin bestimmt das Deut, daß bei der Belagerung einer feindlichen Stadt die Obstbäume geschont und nicht zu Belagerungszwecken verwendet werden sollen. Auch bei dieser Bestimmung spielen, wie schon S T E U E R N A G E L , B E R T H O L E T u. a. erkannt haben, wirtschaftliche Erwägungen, die Hauptrolle. Einige Gelehrte wie S C H W A L L Y , P U U K K O U. a. behaupten, daß die Kriegsgesetze des Deut, instesondere die Bestimmungen 20, 5—9, auf ältere abergläubische Vorstellungen zurückgehen, wonach die betreffenden Personen unter dem Einfluß von Dämonen ständen, die ihnen und dem ganzen Lager verderblich werden könnten. Dieser Dämonenspuk ist in Wirklichkeit weit unbedeutender als man meint. Das Deut gibt deutlich (20, 1 9 b , a ^oxn udö 'D) die Motive an, die es zu diesen Maßnahmen veranlaßt haben. Die Richtigkeit dieser Angaben zu bezweifeln, haben wir um so weniger Grund, als sie durchaus vernünftig sind und sogar die modernen Kriegsgesetze ähnliche Kriegsdispense kennen. Fernerhin werden sie durch den Umstand bestätigt, daß diese deuteronoinischen Vorschriften der älteren Zeit völlig unbekannt waren,

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Die Kriegsgesetze.

wie schon der Vergleich von I I E e g 3,19. 25 mit 20, 19 ergibt. Sie sind demnach deuteronomische Neuerungen und können daher nicht solchen Erwägungen entsprungen sein, die den Verfassern des Deut ganz fern lagen. E s kennzeichnet die Art mancher Forscher, daß sie auch da, wo natürliche und vernünftige Gründe für die Entstehung sozialer oder religiöserBestimmungen oder Einrichtungen angegeben werden wie hier und beim Sabbatgebot, diese Angaben bezweifeln und andere Momente, vornehmlich aus der Sphäre des Ubernatürlichen und Unvernünftigen, für die Entstehung dieser Institutionen verantwortlich machen, als ob das vernünftige Denken dem Altertum gänzlich fremd gewesen wäre. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall und auch da, wo die Motive mit dem Dämonen- und Geisterglauben zusammenzuhängen scheinen, müssen wir versuchen, die eigentliche Wurzel in der Wirklichkeit zu suchen. Von der humanen Kriegsführung handeln 20,10—18 und 21,10—14. Vor der Belagerung einer feindlichen Stadt soll diese zur friedlichen Übergabe aufgefordert werden. Unterwirft sie sich, so soll sie nur fronpflichtig werden. Worin diese Fronpflichtigkeit bestehen soll, ist nicht gesagt, aber sicherlich sind damit Zahlungen und wohl auch andere Leistungen der Stadt an den israelitischen Staat als solchen gemeint. Weigert sich die Stadt, dieser Forderung nachzukommen, so soll sie belagert werden, bis sie erobert ist. Von den erwachsenen Männern sollen dann alle getötet werden; die Frauen und Kinder hingegen fallen, ebenso wie das übrige Vermögen der Eroberten, den Eroberern als Beute zu. Eine Ausnahme bilden nur die kanaanäischen Städte. Ihnen soll kein Friede angeboten werden, sondern sie verfallen alle, Frauen und Kinder eingeschlossen, dem Banne. Diese Forderung, die kanaanäische Bevölkerung Palästinas gänzlich zu vertilgen, wird im Deut noch mehrfach wiederholt. Das ist um so auffällender, als in Wirklichkeit zur Zeit des Deut die alten Bewohner Kanaans längst verschwunden waren. E s drängt sich daher die Annahme von selbst auf, daß hier aktuelle Forderungen der deuteronomischen Zeit in historisches Gewand gekleidet sind. Die Kanaanäer, Pherizziter u. a. repräsentieren hier diejenigen Bewohner Nordisraels, die von den assyrischen Königen dorthin verpflanzt waren; denn die Bassenfrage spielte natürlich für die Deuteronomisten keine Rolle, hat doch sogar Esra die zu seiner Zeit lebende heidnische Bevölkerung Kanaans als Kanaanäer, Pherizziter und Hettiter bezeichnet 9, 1 f. Man wird ferner annehmen dürfen, daß beträchtliche Teile der nordisraelitischen Bevölkerung sich mit diesen heidnischen Kolonisten vermischt haben, denn sonst wäre der Kampf der Deuteronomisten gegen die Verschwägerung mit den „Kanaanäern", der besonders

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deutlichen Ausdruck in den Umstand findet, daß die deuteronomische Geschichtskonstruktion die ganze Sünde Israels und ihre katastrophalen Folgen auf diese Verschwägerung mit den „Kanaanäern" zurückführt (Deut 7, 1 ff.; Kichter 2, 2; 3, 6 u. a.), völlig gegenstandslos. Der Kampf der Israeliten um ihre Selbständigkeit und um die Wiederherstellung des großisraelitischen davidischen Reiches ist offenbar wie zur Zeit Esras und Nehemias auf den schärfsten "Widerstand dieser heidnischen und halbheidnischen Elemente der nordisraelitischen Bevölkerung gestoßen. Der Kampf zwischen Samaritanern und Judäern ist nicht erst nachexilischen Datums, sondern gehört schon der deuteronomischen Zeit an. Es ist wahrscheinlich, daß die Samaritaner in ihrem Schreiben an den persischen König, Esra 4, 11 ff., wo die Juden als ein aufrührerisches Volk geschildert werden, das sich auch schon früher gegen Könige erhoben hat, auch an diesen Aufstand Josias gegen die Assyrer gedacht haben. Von der Reinhaltung des Kriegslagers handeln 23, 10—16. Die von Pollution Betroffenen haben das Lager zu verlassen. Die natürlichen menschlichen Verrichtungen dürfen nur außerhalb des Lagers stattfinden, der Unrat aber soll mit Erde zugedeckt werden. Daher muß jeder Krieger im Besitze einer Schaufel sein, mit der er graben kann. Den humanen Geist des Deut kennzeichnet die Vorschrift 21, 10 —14 über die Kriegsgefangenen. Will jemand eine Kriegsgefangene zur Frau nehmen, so soll er sie einen Monat lang ihre Eltern beweinen lassen; erst dann darf er sie heiraten. Findet er kein Gefallen an ihr, so muß er sie freilassen; es ist ihm aber verboten sie für Geld einem anderen zu verkaufen. Diese Bestimmung berührt sich mit Ex 21, 8, aber sie bedeutet insofern einen Fortschritt gegenüber dem Bb, als dieses nur verbietet, die hebräische Konkubine, die ihrem Herrn mißfällt, an einem anderen zu verkaufen. Daß dem Deut die Bestimmung des Bb bekannt war und daß es bewußt an diese anknüpft, lehrt die fast wörtliche Wiederholung von Ex 21, 8.

Beitrage t. ZAW M

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Die religiös-kultischen Vorschriften. Bei der engen Verflechtung von Religion und sozialem Leben in Israel konnte es nicht ausbleiben, daß sich die sozial-politische Revolution auch auf Religion und Kultus umwälzend ausgewirkt hat. Da die prophetische Partei ihre sozial-politischen Forderungen als Jahvegebote formuliert und mit religiösen Motiven begründet hat, so gewinnt es den Anschein, als ob wir es hier lediglich mit einer religiös-kultischen Reform zu tun hätten. Es kommt noch hinzu, daß nur die religiöskultischen Reformen das Exil überdauert haben; von den sozialen Reformen scheiterten die einen schon am Anfang an dem Widerstand der Besitzenden, und die anderen waren mit dem Untergang des Staates im wesentlichen gegenstandslos geworden. An der Spitze dieser religiöskultischen Reformen stehen, abgesehen von der Kultuszentralisation, das strenge Verbot von Götterbildern jeder Art, sogar von Äscheren und Masseben, die noch dem Jahvisten als gottwohlgefällig erschienen. Dieser Kampf gegen die Verehrung Jahves im Bilde erklärt sich durch die Versittlichung und Vergeistigung der Religion, die durch die sozialreligiöse Verkündigung der Propheten und durch die Abschaffung der Ortsaltäre eingetreten ist. Aus denselben Gründen bekämpfen die Propheten und das Deut Menschenopfer, Zauberei und ähnliche Dinge, die es als kanaanäischen Greuel bezeichnet. Die Hauptforderung ist aber, Jahve allein zu dienen und die fremden Götter zu vernichten. Der Abfall zu fremden Göttern soll aufs strengste und mit größter Rücksichtslosigkeit bestraft werden 17, 2—7, ebenso die Verleitung dazu 13,2—19. Ein Prophet, der das Volk zur Verehrung fremder Götter auffordert, soll getötet werden, ebenso der Verwandte oder Freund, der heimlich zum Abfall von Jahve verleitet. Endlich soll eine Stadt, die Jahve untreu wird, dem Banne verfallen sein: „So schlage die Bewohner jener Stadt mit der Schärfe des Schwertes, banne sie und alles, was in ihr ist; alles in ihr Erbeutete aber trage zusammen auf ihrem Markt und verbrenne die Stadt und all ihre Beute vollständig für Jahve, deinen Gott, und sie werde zu einer ewigen Trümmerstätte; sie darf nicht wieder aufgebaut werden." Man hat mit Recht auf die außer-

Die religiös-kultischen Vorschriften.

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ordentliche Strenge dieser Satzungen hingewiesen, die gerade im Deut, das sonst doch von humanem Geist erfüllt ist, besonders auffällt. Es ist aber ebenso falsch mit PUUKKO daraus zu schließen, daß die sogenannten Humanitätsgesetze dem Urdeut abzusprechen seien, wie mit (LÖHS und) HEMPEL anzunehmen, daß der Kern von 13, 2—19 sehr alt sein müsse: „Von einer geordneten Rechtspflege findet sich noch keine Spur; den Verführer soll man auf der Stelle erwürgen, die abgöttische Stadt bannen" (S. 249). In Wirklichkeit ist hier nichts Auffallendes. 13,2—19 lassen sich sehr gut aus einer revolutionären Situation heraus begreifen; man könnte aus der Geschichte auch der neueren Revolutionen zahlreiche Beispiele anführen, die zeigen, wie leicht sich in solchen Zeiten weitherzige Milde und außerordentliche Strenge vereinigen. Diese Strenge ist überall ein Ergebnis der Kampf- und Angststimmung, die jede Revolution begleitet und die durch den Widerstand der Reaktion hervorgerufen wird. Abfall vom Jahvismus aber war damals gleichbedeutend mit Gegenrevolution. Wenn es überhaupt noch eines Beweises bedürfte, daß das Deuteronomium das Produkt der Revolution war und nicht umgekehrt, so liefert uns diesen Deut 13, 2 ff., denn eine Vorschrift wie 13, 7, wonach derjenige, der seinen Bruder oder Freund h e i m l i c h *iriD3 verleiten will, fremden Göttern zu dienen, getötet werden soll, ist doch nur aus einer Zeit verständlich, in der dies mit einer Gefahr verbunden war. Zur Zeit Manasses und früher war man keiner Gefahr ausgesetzt, wenn man jemanden zum Dienst fremder Götter zu bewegen versuchte. Es ist völlig undenkbar, daß Vorschriften wie 13, 2—19 im Kopfe eines Verfassers entstanden sind, der nicht einmal wußte, ob sein Reformprogramm überhaupt jemals Wirklichkeit werden würde. Daß er sich so lebendig die Widerstände, die sein Werk hervorrufen würde, den Abfall ganzer Städte von Jahve, die Verführung eines Bruders durch seinen Bruder, einer Frau durch ihren Mann usw. zum Götzendienst, ausgemalt und schon im Voraus 6eine Maßnahmen dagegen getroffen haben sollte, ist ganz ausgeschlossen. Weiterhin wird vor Nachahmung des Heidentums gewarnt, 12, 29 f.; 18, 9 ff. Die Hierodulie wird verboten 23,18—19, wahrscheinlich nicht nur weil sie als sittlich verwerflich, sondern auch weil sie als kanaanäisch galt. Aus demselben Grunde wird ferner der Kleidertausch zwischen Mann und Weib verboten 22,5. Wie hingegen die Vorschriften 22, 9—12 zu erklären und ob sie überhaupt ursprünglich sind, ist mir nicht klar; sicher sekundär sind 14, 1—21, die sich nach Stil und Inhalt vom übrigen Deut scharf abheben; es kommt noch hinzu, daß die beiden Verbote im V 1 noch von Jeremia 16, 6 als unbedenklich angesehen werden. Ebenso muß 14,21 nachexilisch sein und wider8*

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Die religiös-kultischen Vorschriften.

spricht außerdem den übrigen Bestimmungen des Deut selbst, wie an anderer Stelle gezeigt worden ist. Sekundär sind weiterhin 24, 8—9, die durchaus undeuteronomischen Charakter tragen; dafür spricht besonders die Erwähnung der levitischen Priester. Es liegt nahe anzunehmen, daß alle diese Bestimmungen von einer späteren priesterlichen Hand in das Deut hineingetragen wurden, wie schon der Umstand lehrt, daß sie alle im Hg und Lev 11 wiederkehren und durchaus priesterlichen Charakter tragen.

Straf-, Zivil- und Familienrecht. Einer der wesentlichsten Fortschritte der Kultur besteht darin, daß das formale Recht immer mehr mit dem Geiste der sozialen Gerechtigkeit erfüllt wird. Die älteren Rechtssammlungen der Babylonier, Israeliten, Griechen, Römer u. a. kennen im wesentlichen nur das Recht des Besitzes; auch die menschliche Person wird als eine Art Besitz betrachtet. So haftet beispielsweise der Schuldner für seine Schuld nicht nur mit seinem Besitz, sondern auch mit seiner Person. Ebenso wird nach dem K H und den vorsolonisclien Gesetzen Drakons auf Mord und Diebstahl dieselbe Strafe gesetzt, was unserem Empfinden heute als ungeheuerlich vorkommt. Auch der Sklave gilt nicht als Person, sondern als Sache, über die der Herr unbeschränkt gebieten darf. Dieselbe Anschauung kommt ferner in der Institution des Wergeides deutlich zum Ausdruck. Demgegenüber tritt uns in den Gesetzessammlungen des Pentateuchs eine soziale Gesetzgebung entgegen, die von dem Geiste der sozialen Gerechtigkeit durchdrungen ist und die man geradezu auch im Hinblick auf unsere Zeit als vorbildlich bezeichnen darf. Daß die sozial-ethische Gesinnung der deuteronomischen Gesetzgeber auch eine Umbildung des Straf- und Familienrechtes zur Folge haben mußte, bedarf keiner weiteren Ausführung. Das Deut enthält keine vollständige Aufzeichnung des damals geltenden Zivil-, Straf- oder Eherechtes; es finden sich hier keine Bestimmungen zum Schutze des Eigentums, wie sie noch das Bb bietet Ebenso wird das Straf- und Familienrecht nur gestreift. Aufgenommen sind vielmehr nur diejenigen Bestimmungen, die erst durch die Revolution Gesetzeskraft erlangt hatten oder mit ihr in engster Verbindung standen und daher nicht ausgelassen werden konnten. Die prophetisch-soziale Gesinnung des Deut kommt vor allem in der Milderung des Strafrechts zum Ausdruck. Die Todesstrafe wird zwar nicht abgeschafft, aber immerhin erheblich beschränkt, und zwar auf die schwersten Vergehen wie Mord, Unzucht, Götzendienst und Menschenraub. Der Mörder wird nur im Falle des vorsätzlichen Mordes mit dem Tode bestraft, und was den Götzendienst angeht, so wird

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Straf-, Zivil- und Familienrecht.

immer wieder eine genaue Untersuchung gefordert, damit kein unschuldig Blut DT vergossen werde. Dieser Ausdruck, der ursprünglich offenbar den politischen Justizmord bedeutete, kehrt im Deut überall da wieder, wo von Mord oder Todesstrafe die Rede ist ( 1 9 , 1 0 — 1 3 ; 2 1 , 8 — 9 ; 27, 25). Ferner bestimmt das Deut, daß die Todesstrafe auf die Person des Schuldigen beschränkt werden soll: „Väter sollen nicht wegen der Kinder getötet werden und Kinder nicht wegen der Väter; jeder für seine Sünde sollen sie getötet werden" 24, 16. Daß diese Bestimmung der alten israelitischen Praxis aufs schärfste widerspricht, beweist schon I I Sam 21, 1 ff. Andererseits wird bei der Behandlung derjenigen Vergehen, auf die Todesstrafe gesetzt ist, die Durchführung mit größtem Nachdruck gefordert; charakteristisch sind dabei die Ausdrücke ,.Und du sollst das Böse aus deiner Mitte austilgen" und „Habe kein Mitleid mit ihm". Der Umstand, daß das Deut vor Mitleid mit dem Verbrecher zu warnen sich genötigt sieht, wirft ein helles Licht auf den neuen Geist dieses Zeitalters. Von ebenso großer oder vielleicht noch größerer Bedeutung ist die Bestimmung 21, 22—23: „Wenn jemand ein Vergehen begeht, das den Tod verdient, und er hingerichtet wird und du ihn dann an einen Baum hängst, so darf sein Leichnam nicht an dem Baume bleiben, sondern du mußt ihn noch an demselben Tage beerdigen; denn eine Lästerung Gottes ist ein Gehenkter, und du darfst dein Land nicht unrein werden lassen, das Jahve, dein Gott, dir als Erbbesitz geben wird." Diese Vorschrift wird von den meisten neueren Auslegern mißverstanden. Man nimmt gewöhnlich an, daß hier alte animistische Vorstellungen nachwirken, als wolle man dadurch den Geist des Toten loswerden, „der in der Nacht als Gespenst umgehen würde, wenn er nicht vorher durch die Bestattung von der Erde verbannt wäre". So STEUEBNAGEL, BEETHOLET u. a. Aber diese Annahme wird schon durch den Umstand widerlegt, daß gerade der älteren Zeit, wo es doch am ehesten zu erwarten wäre, dieser Glaube völlig unbekannt ist, wie I I Sam 21, 1 ff. beweisen, wo noch die Leichen der Söhne Sauls längere Zeit unter der Sonne bleiben. In Wirklichkeit handelt es sich hier nicht um den Schutz der Lebendigen vor dem Geist des Toten, sondern umgekehrt um den Schutz des Toten selbst; denn das Nichtbestattetwerden galt im alten Israel als noch viel schlimmer denn der Tod selbst und wird als die furchtbarste Strafe angesehen. So lautet beispielsweise die Drohrede des Propheten Achijah gegen Jerobeam: „Wer von Jerobeam in der Stadt stirbt, den sollen die Hunde, wer auf dem Felde stirbt, den sollen die Vögel unter dem Himmel fressen, und nur ein einziges Kind wird von dem Hause Jerobeams bestattet werden"

Straf-, Zivil- und Familienrecht

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( I Kön 14,11). Dieselbe Drohung kehrt dann in I Kön 16, 4 ; 21, 24 in den Prophezeiungen über Achab und Basa wieder. Um ein solches Verhängnis von den Söhnen Sauls abzuwenden, wacht Rizpa, die Gattin Sauls, Tag und Nacht bei den Leichen ihrer Verwandten: „Und sie ließ nicht zu, daß sich die Vögel des Himmels bei Tage und die Tiere des Feldes bei Nacht auf ihnen niederließen." Hier ist außerdem zu vergleichen Gen 40, 19, wo dem Diener Pharaos im Hinblick auf die ihm bevorstehende Todesstrafe geweissagt ist: „die Vögel werden deinen Leib fressen"; dieses Bild war offenbar für die Todesstrafe charakteristisch. Nun verlangt das Deut im Gegensatz zu diesem älteren Brauch, daß man auch den Verbrecher einer Bestattung teilhaftig werden läßt. Dazu stimmt die Motivierung trefflich, denn wie schon die jüdische Tradition richtig erkannt hat, bedeutet n ^ p 23 b nicht Fluch, sondern Lästerung; das Hängenlassen des Getöteten ist einer Lästerung Gottes gleichbedeutend, denn der Mensch ist, wie die jüdische Tradition diesen Gedanken wiedergibt, ein Abbild Gottes. Weiterhin enthält das Deut beschränkende Bestimmungen über die Prügelstrafe. Erstens fordert es, daß der Richter beim Strafvollzug zugegen sein muß, wohl um einer Willkür der Büttel vorzubeugen. Außerdem aber soll die Zahl von vierzig Schlägen das Höchstmaß des Zulässigen bilden, „damit dein Bruder dadurch, daß man ihm darüber hinaus noch viele Schläge gibt, in deinen Augen nicht entehrt werde" 25, 3. Von anderen Körperstrafen findet sich im Deut noch die Strafe des Abhauens der Hand eines schamlosen Weibes, die im Falle eines Streites einen Mann bei seiner Scham ergreift. „Dies ist bekanntlich, abgesehen vom jus talionis der einzige Fall, wo das Gesetz Körperverstümmelung als Strafe festsetzt" (DILLMANN) und wird somit als Ausnahme gelten müssen, die in der scharfen Einstellung des Deut in sexuellen Dingen ihren Grund haben wird. Ob aber das Deut das j u s t a l i o n i s kennt, läßt sich nicht feststellen; die einzige Stelle, wo es erwähnt wird, ist 19, 21, deren Echtheit aber sehr zweifelhaft ist. Denn nach 19, 16 handelt es sich um ein Hauptvergehen (Götzendienst), wie übrigens durch 19, 19 bestätigt wird und deshalb kann nur von Todesstrafe die Rede sein. 25, 1 legt aber den Schluß nahe, daß das Deut das jus talionis durch die dort erwähnte Prügelstrafe ersetzt wissen will. Die ältere Zeit kennt den Unterschied zwischen vorsätzlichem und unvorsätzlichem Mord nicht; denn dieser wird lediglich als Sachschaden betrachtet, den man der Sippe des Erschlagenen zugefügt hat. E r wird daher als eine Privatsache des Verwandten (Bluträchers) angesehen, der sich die Schuld durch ein Wergeid abkaufen lassen kann. Erst

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eine fortgeschrittene Zeit betrachtet den Mord als ein sittlich-religiöses Vergehen, an dessen Sühnung in erster Linie der Staat ein Interesse hat. Der alte Brauch, wonach die Bestrafung des Mörders dem Bluträcher zusteht, wird zwar noch beibehalten, und die Richter haben den Mörder an diesen auszuliefern, aber eine Annahme von Wergeid zur Versöhnung mit dem Bluträcher ist nicht mehr zulässig. Außerdem wird auf den Unterschied zwischen vorsätzlichem und unvorsätzlichem Mord Gewicht gelegt In diesem Fall muß der Schuldige eine Asylstadt aufsuchen, wo er der Verfolgung durch den Bluträcher entgehen kann; außerhalb der Grenzen der Asylstadt aber hat der Bluträcher das Recht, den Mörder zu töten. Der Aufenthalt in der Asylstadt wird wohl als Verbannung gedacht sein. Das Deut bestimmt zu diesem Zwecke drei Asylstätte. Zweifelhaft ist nur, ob diese lediglich die abgeschafften Heiligtümer ersetzen sollten, die auch als Asyle galten, oder ob schon die vordeuteronomische Zeit diese Einrichtung gekannt hat, wie besonders Ex 21, 13 nahe legt; denn die Heiligtümer waren wohl für einen längeren Aufenthalt wenig geeignet. Eine eigentümliche Sühnungszeremonie soll nach Deut 21, 1—9 im Falle eines von unbekannter Hand verübten Mordes von den Altesten der der Mordstelle nächstliegenden Stadt vollzogen werden. Diese sollen eine junge Kuh, die noch nicht gearbeitet und ein Joch noch nicht getragen hat, nehmen „und sollen sie hinabführen in ein Tal mit immerfließendem Wasser, an dem das Land nicht bestellt und nicht besät wird, und sollen der Kuh dort im Tale das Genick durchhauen" . . . „Und alle Altesten jener Stadt, die dem Erschlagenen zunächst liegt, sollen ihre Hände über der Kuh waschen, der das Genick im Tale durchhauen ist, und sollen anheben und sprechen: Unsere Hände haben dieses Blut nicht vergossen, und unsere Augen haben es nicht mit angesehen. Rechne es deinem Volke Israel nicht an, das du erlöst hast, Jahve, und lege deinem Volke Israel (die Verantwortung für) das unschuldig vergossene Blut nicht auf." Der Gedanke, daß der Staat und die Gesellschaft verpflichtet sind, für die Sicherheit ihrer Bürger zu sorgen und daß sie sonst eine Blutschuld auf sich laden, die gesühnt werden muß, ist durchaus modern, und es ist daher irrig, wenn manche Neuere der Auffassung sind, daß diese Bestimmung aus alter Zeit stamme \ Sicherlich spielen bei dieser Zeremonie auch Motive mit, die dem Bereich des Dämonen- und Geisterglaubens angehören, und 1 Daß der alten Zeit solche Anschauungen fern lagen, geht allein aus der Tatsache hervor, daß sie den Mord eigentlich nur als Sachschaden betrachtete und daß es daher den Verwandten freistand, sich das Recht der Blutrache durch ein Wergeid abkaufen zu lassen.

Straf-, Zivil- und Familienrecht.

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zweifellos sind manche Riten alt; die Zeremonie als ganzes aber ist nur verständlich aus einer weit vorgeschrittenen Zeit, wo der Mord, „das unschuldig vergossene Blut" 'pj Dl, als das schwerste sittliche Verbrechen galt und wo man es als die Pflicht des Staates betrachtete, ihn so weit wie möglich zu verhindern. Auch vom Familienrechte enthält das Deut nur diejenigen B e stimmungen, die deuteronomische Neuerungen waren und daher einer Bekanntmachung bedurften: Der Hauptzweck dieser Bestimmungen ist, die sexuelle Reinheit zu wahren und die Rechte der Frau als des schwächeren Teiles zu schützen. 21, 10—14 handelt von einem im Kriege erbeuteten "Weibe, das ein Israelit zur Frau genommen hat. Den humanen deuteronomischen Geist dieses Gesetzes kennzeichnet schon die Tatsache, daß sie nicht etwa als Konkubine, sondern als vollberechtigte Frau anerkannt wird. Ihr Mann darf sie daher im Falle späterer Scheidung nicht an einen anderen verkaufen, sondern muß sie freilassen Ferner soll der Vater dem erstgeborenen Sohne sein Erstgeburtsrecht nicht zugunsten des Sohnes seiner geliebten Frau nehmen. Diese Forderung widerspricht bekanntlich der älteren Praxis, wie die Erzählungen der Gen und I Kön 1, die Erzählung von der Thronbesteigung Salomos, zeigen. 21, 18 f. handeln von dem widersetzlichen Sohne. Ist er, auch nachdem seine Eltern ihn gezüchtigt haben, widerspenstig „so sollen sein Vater und seine Mutter ihn ergreifen, ihn zu den Altesten seiner Stadt in das Tor seines Ortes hinausführen und zu den Ältesten seiner Stadt sprechen: Dieser unser Sohn ist mißraten und widerspenstig; er hört nicht auf unsere S t i m m e , . . . dann sollen alle Männer seiner Stadt ihn zu Tode steinigen". Wie sich diese Bestimmung zu der älteren Praxis verhält, ist unklar. Das B b kennt die Todesstrafe für den Sohn, der seine Eltern verflucht oder schlägt; es scheint, daß das Deut diese alten Bestimmungen verschärfen und erweitern will, um der Zersetzung der Familie, die eine Folge der sozialwirtschaftlichen Entwicklung war, entgegenzuwirken. 22, 13; 23, 1 ; 2 4 , 1 — 4 enthalten eine Reihe von Vorschriften zur "Wahrung der sexuellen Reinheit: Ehebruch und Unzucht mit einer Verlobten werden mit dem Tode bestraft. Im allgemeinen kennt auch die vordeuteronomische Zeit in diesem Falle die Todesstrafe, wie dies aus K H und Gen 38, 24 hervorgeht; während aber der K H und wohl auch die ältere israelitische Praxis, wie Gen 38, 24 b zeigt, ein Begnadigungsrecht des Mannes kennen, ist im Deut davon nirgends die 1

Siehe oben S. 27.

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Straf-, Zivil- und Familienrecht.

Rede. Aber auch die unverheiratete Jungfrau, die im Hause ihrer Eltern Unzucht treibt, wird mit dem Tode bestraft 22, 20. 21. Dies •wird man wohl als eine deuteronomische Neuerung ansehen müssen; denn das Bb kennt diese harte Forderung noch nicht. Daher ist Deut 22, 28 im Gegensatz zum Bb nicht von der Verführung, sondern von der Vergewaltigung einer Jungfrau die Rede. Bezeichnend für das Deut ist ferner, daß es die Möglichkeit, ein Vater könnte sich weigern, seine Tochter dem Verführer zum Weibe zu geben, gar nicht erwähnt. Dies hängt wohl mit der höheren "Wertschätzung der Keuschheit in' deuteronomischer Zeit zusammen; denn der Vater mußte froh sein, seine geschwächte Tochter überhaupt verheiraten zu können. Daher darf ihr Mann sie sein ganzes Leben hindurch nicht entlassen. Beschuldigt aber der Mann seine Frau, daß sie vor der Heirat Unzucht getrieben habe (es handelt sich um eine Neuvermählte), und erweist sich dies als unrichtig, so soll der Mann von den Altesten gezüchtigt werden und soll obendrein dem Vater des Mädchens 100 Seqel zahlen (den doppelten Betrag des Mohär); außerdem darf er sie sein ganzes Leben lang nicht entlassen. 23, 1 verbietet, die Frau des Vaters zum Weibe zu nehmen; die ältere Zeit scheint ein solches Verbot nicht gekannt zu haben; vgl. I Reg 2, 17ff.; Gen 35; II Sam 17. 24, 1—4 verbieten die Wiederverheiratung mit einer Geschiedenen, die inzwischen anderweit verheiratet gewesen war: „Ihr erster Mann, der sie entlassen hatte, darf sie nicht wieder zum Weibe nehmen, nachdem sie unrein geworden ist; denn ein Greuel wäre das vor Jahve, und ihr sollt das Land nicht verunreinigen, das Jahve, dein Gott, dir als Erbbesitz geben wird." Inwieweit sich diese Vorschrift von der bisherigen Praxis unterschied und welche Motive es waren, die den Erlaß dieses Verbotes veranlaßten, ist unklar. Von der Leviratsehe handeln 25, 5—10: „Wenn Brüder beisammen wohnen und einer von ihnen stirbt, ohne daß er einen Sohn hätte, so soll das Weib des Verstorbenen nicht einem auswärts wohnenden fremden Manne zuteil werden; ihr Schwager soll zu ihr eingehen, sie sich zum Weibe nehmen und die Schwagerehe mit ihr vollziehen". Die Schwagerehe wird demnach verlangt nur dann, wenn die Brüder beisammen wohnen, d. h. doch wohl auf väterlichem Erbbesitz, und der Zweck dieser Institution ist offenbar, den Grundbesitz der Familie nicht in fremde Hände übergehen zu lassen. Ob diese Beschränkung der Leviratsehe eine Neuerung des Deut darstellt, die den inzwischen eingetretenen wirtschaftlichen Wandlungen und der Entwicklung der Stadtwirtschaft Rechnung trägt oder schon vordeuteronomisch ist, läßt sich

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nicht ausmachen. Dagegen wird man wohl die weitere Bestimmung des Deut, wonach der Bruder berechtigt ist, die Erfüllung der Leviratspflicht zu verweigern — nur verliert er sein Erbrecht, wie aus der Zeremonie des Schuhausziehens hervorgeht (vgl. Ruth 4, 7 f.), — als eine Neuerung betrachten müssen, denn noch Gen 38 kennt die Schwagerehe als eine unbedingte Pflicht, deren Nichterfüllung als ein todeswürdiges Verbrechen angesehen wird. Unklar ist nur, ob nach dem Verzicht des Bruders die Witwe völlig frei in ihrem Entschlüsse ist, oder ob sie sich nun an den nächsten Verwandten zu wenden hat, wie dies der Zweck der Einrichtung und vor allem die nachexilische Praxis, vgl. Ruth 4, 1 f., nahe legen. Außerdem enthält das Deut noch einige Bestimmungen, die sich schwer unter einem Begriff zusammenfassen lassen. So 22, 1—4 Vorschriften über Nächstenliebe, die uns schon aus dem Bb bekannt sind und die hier mit einigen unwesentlichen Abweichungen wiederkehren, sodann die Bestimmungen 22, 6—7 und 25, 4, die vom Schutz der Tiere handeln, endlich 22, 8 das Gebot das Hausdach durch ein Geländer zu sichern, um Unglücksfälle zu vermeiden. Die Echtheit dieser Vorschriften läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit beweisen, aber es liegt kein Grund vor sie dem Deut abzusprechen. Sekundär hingegen sind die Bestimmungen 23, 2—9 über Zulassung und Ausschließung von der Gemeinde Jahves. Zwar ist die Tatsache, daß 23, 2 im Gegensatz zu Tritojesaja steht, kein Beweis, aber 23, 4—5 bilden einen unlöslichen Widerspruch zu 2, 9 ff. Auch die freundliche Beurteilung der Ägypter, die mit 17, 16 und der Politik Josias unvereinbar ist, spricht dafür. Wahrscheinlich gehört dieser Abschnitt in die Zeit Jehojakims, der eine ägypterfreundliche Politik trieb. Die deuteronomische Gesetzessammlung wird durch einen liturgischen Nachtrag 26, 1—15 abgeschlossen. Als späteren Nachtrag von priesterlicher Hand wird man hier 26, 3. 4, die den Zusammenhang zwischen 2 und 5 unterbrechen, ausscheiden müssen; sie sind überdies wegen 10 b ganz überflüssig. Die Meinung, daß das Deut hier nur älteres Gut aufbewahrt habe, ist unhaltbar, wie die vielfachen stilistischen Berührungen mit den übrigen Abschnitten des Deut deutlich zeigen. Dazu kommt das durchaus historisch-paränetische Gepräge dieses Abschnittes, das für das Deuteronomium so bezeichnend ist. Ein liturgisches Stück, das ebenfalls deuteronomischen Charakter trägt, liegt uns noch 21, 7 ff. vor. Die geringe Wertschätzung der Opfer führte offenbar zu einer gesteigerten Wertschätzung des Gebets. Die Ersetzung des Tempels durch die Synagoge datiert seit der deuteronomischen Zeit; das Exil hat diese Entwicklung zwar beschleunigt, aber nicht veranlaßt Wenn die Juden

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in Babylonien so l e i c h t e n H e r z e n s auf den Opferkultus verzichteten, so lag es nicht daran, weil sie sich scheuten, im fremden Lande Jahve durch Opfer zu verehren, waren doch solche Überlegungen den Juden in Ägypten völlig fremd, sondern weil der Opferkultus schon seit der Zeit Josias im wesentlichen im religiösen Leben des Alltags keine nennenswerte Rolle mehr spielte. Und ebenso wie das Opfer durch das Gebet wird der Priester durch den Prediger und Schriftgelehrten verdrängt. Der paränetische Predigtstil ist bekanntlich für die deuteronomische Literatur besonders charakteristisch. Wir können nun, nachdem die Einzelanalyse der deuteronomischen Gesetzessammlung abgeschlossen ist, einen Blick auf das Ganze werfen, um so den hier herrschenden Geist tiefer zu erfassen und seine geschichtliche Stellung und Bedeutung zu würdigen. Vor allem fällt es auf, daß das Sachenrecht und der Schutz des Eigentums vom Deut gar nicht berücksichtigt werden, während sich noch der größte Teil der Bestimmungen des Bb mit dem Schutze des Eigentums beschäftigt. Darin kommt in augenfälliger Weise der große Unterschied der Zeiten deutlich zum Ausdruck. Die Träger der deuteronomischen Reform gehörten zu denjenigen Schichten, die für den Schutz des Eigentums kein Interesse hatten, weil sie eben kein Eigentum besaßen. Das Bb ist in erster Linie auf bäuerliche Verhältnisse zugeschnitten, daher die Bestimmungen über Diebstahl, Schädigung des Feldertrages und des Viehstandes und ähnliches; das Deut hingegen ist im wesentlichen das Produkt des städtischen „Proletariats", das nichts besitzt und daher nichts zu schützen braucht. Eigentümlich sind dem Deut ferner die Kriegsgesetze, die sonst nirgends wiederkehren; auch dies findet seine Erklärung in den eigenartigen Zeitverhältnissen der deuteronomischen Zeit, in der sich die soziale Bewegung mit dem Kampf für die nationale Selbständigkeit verband. Der sozialen Partei war an einer Wiederaufrichtung des alten großisraelitischen Reiches um so mehr gelegen, als ihr dies die Möglichkeit bot, die land- und besitzlosen „Proletarier", d. h. im allgemeinen die enteigneten und verjagten Bauern, zu ihrem Besitz zurückzuführen. Damit hängt ferner die Tatsache zusammen, daß das Deut im Unterschied von Bb auch Bestimmungen familienrechtlichen Charakters enthält. Die fortschreitende „Proletarisierung" mußte auf Sippe und Familie in vielfacher Hinsicht zerrüttend wirken und man sah sich daher genötigt, das Familienrecht zu reformieren. Andererseits versuchte man auch, manche Bestimmungen zu verschärfen (der widerspenstige Sohn), um dieser Entwicklung entgegenzutreten. Daß das Bb den Verfassern des Deut nicht unbekannt war, geht aus der Tatsache hervor, daß manche Vorschriften des Bb nicht nur

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im Deut wiederkehren, sondern sich sogar im Wortlaut aufs engste berühren. Falsch wäre es aber, das Deut nur als eine erweiterte Ausgabe des Bb zu betrachten; denn ein großer Teil der deuteronomischen Gesetze findet sich im B b überhaupt nicht und auch die übrigen lassen sich nicht als eine Erweiterung des Bb verstehen. Ein bestimmtes Ordnungsprinzip läßt sich im Deut nicht erkennen. Eng zusammenhängende Gesetze werden an verschiedenen Stellen behandelt. Andererseits finden sich Bestimmungen, die miteinander nicht das geringste gemein haben, nebeneinander gestellt. Die Bearbeiter des Deut haben es offenbar nicht nach sachlichen Grundsätzen geordnet. Welche Gesichtspunkte es aber waren, die sie bei der Sammlung und Abfassung des Gesetzbuches geleitet haben, wissen wir nicht. Jedenfalls ist diese Unordnung nur bei einem Sammler verständlich, der nicht nach einem bestimmten Plan ein Gesetzbuch konzipiert, sondern der das bereits vorhandene Recht zusammenfaßt, der sich daher in erster Linie von äußerlichen Gründen leiten läßt.

Der Rahmen des Deuteronomiums. Der Kern des Deut, die Kapp 1 2 — 2 6 , ist gegenwärtig von einem historisch-paränetischen Rahmen umgeben, der den Zweck hat, den Leser oder den Hörer zur Befolgung des Gesetzes anzutreiben und vor den Abfall von Jahve zu warnen. Dieser Rahmen zerfällt in Einleitungs- (Kapp 1 — 1 1 ) und Schlußreden ( 2 7 — 3 0 ) . Kapp 1 — 3 enthalten eine historische Darstellung seit dem Aufbruch vom Sinai bis zur Veröffentlichung des Deut. Der unverhältnismäßig große Umfang des deuteronomischen Rahmens, der den gesetzlichen Kern beträchtlich übersteigt, die Breite seiner Ausführung und endlich innere Widersprüche und Unebenheiten haben schon längst Zweifel an der Ursprünglichkeit und Einheitlichkeit des Rahmens aufkommen lassen. Was die Einheitlichkeit betrifft, so beweisen schon die mehrfachen Überschriften, daß uns hier verschiedene voneinander unabhängige Reden vorliegen. Es herrscht darüber so gut wie Einmütigkeit, daß sie nicht aus einer Feder geflossen sein können. Was aber die Scheidung und Abgrenzung dieser Reden voneinander und ihr Verhältnis zum Urdeutund zueinander betrifft, so gehen darüber auch heute noch die Meinungen der Gelehrten weit auseinander. Eine reinliche Scheidung der verschiedenen Bestandteile wird besonders noch durch den Umstand erschwert, daß sie alle durch Stil und Inhalt einander aufs engste verwandt sind; sie gehören offenbar derselben Zeit und Geistesrichtung an. Nun haben STEÜEBNAGEL und STÄKK zuerst versucht, den Numeruswechsel in den Anredeformen als literarkritisches Kriterium auszunützen. Ihnen sind dann die meisten Neueren (PUUKKO, HEMPEI< U. a.) gefolgt. Ein näheres Zusehen beweist indessen, daß auch der Numeruswechsel nicht überall auf Quellenverschiedenheit beruhen kann. Man muß sich hüten, dies Prinzip allzu mechanisch anzuwenden, wie es von STEUEENAGEL, HEMPEI, U. a. geschieht. Daß dieses Verfahren sehr oft zur Zerreißung inhaltlich eng zusammenhängender Abschnitte führt, beweist z. B . die Analyse STEUEBNAGELS von Kapp 1 1 , lff. oder 7 , 1 1 ff. Wir sind daher zu einer Scheidung nur dann berechtigt, wenn zu dem

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Numeruswechsel noch andere Gründe hinzukommen. Es ist daher auch falsch, nur auf Grund des Numeruswechsels singularische und pluralische Reden zu konstruieren. Eine eingehende Analyse der Einleitungsreden beweist vielmehr, daß wir uns den Entstehungsprozeß des deuteronomischen Rahmens wesentlich anders vorzustellen haben, als dies bisher meist der Fall ist. Man nimmt gewöhnlich an, daß alle Reden, die im deuteronomischen Rahmen enthalten sind, von Anfang an als Einleitung und Schluß zum urdeuteronomischen Kern gedacht sind und immer auf ihn Bezug nehmen. Die Vielheit der Einleitungsreden hat man dadurch zu erklären versucht, daß man verschiedene Ausgaben des Deuteronomiums vermutete, die jede mit einem besonderen Rahmen versehen war. Aber auffallend mußte es schon sein, daß in verhältnismäßig so kurzer Zeit so viele Ausgaben des Deut mit besonderen Einleitungs- und Schlußreden erfolgt sind. Haben die verschiedenen Herausgeber nichts voneinander gewußt ? Oder haben sie trotzdem auf die Anfügung einer neuen Einleitungsrede nicht verzichten wollen, um so ihre eigene Meinung zum Ausdruck bringen zu können? Aber warum ist dann von dieser Mehrheit der Ausgaben in den gesetzlichen Kapp nichts zu merken.1 STEUERNAGEL hat zwar auch hier eine pluralische und eine singularische Rezension zu rekonstruieren versucht, aber er hat dann selbst diesen Versuch wieder aufgegeben. Es kommt noch hinzu, daß viele Abschnitte das Deut als ganzes nicht berücksichtigen und durchaus als selbständige Reden erscheinen, so 4, 9—24. 32—39; 6, 4—9. 10—15 usw. Ebensowenig nehmen die verschiedenen Abschnitte der Kapp 6—11 aufeinander Bezug. So beginnt 6, 10 mit einem neuen Anfang; 6, 20 setzt die erst zu veröffentlichenden Gesetze als bekannt voraus. 7, 1 hat nach 6, 10 keinen Raum, noch weniger 7, 17; denn das Land ist 6 , 1 0 bereits erobert. 7, 1 fängt außerdem mit denselben Worten an wie 6, 10, was gegen ihre Zusammengehörigkeit spricht. 8, 7—16 bildet eine Parallele zu 6, 10—15. In diesen Reden, die alle die singularische Redeform benutzen, läßt sich kein Fortschritt erkennen, und es liegt auch sonst kein Grund vor, sie als Teile einer einheitlichen Moserede zu betrachten. Im Gegenteil, 6, 10—15 und 8, 7—18 schließen einander aus, und 7 , 1 2 ff. fällt überhaupt aus dem Zusammenhang der Einleitungsrede heraus und ist nur als eine Schlußrede zu den bereits veröffentlichten Gesetzen zu verstehen. Das hat bereits KLOSTEEMANN erkannt. Alle diese Schwierigkeiten werden aber beseitigt bei der Annahme, daß der deuteronomische Rahmen dieselbe Entwicklung durchgemacht und denselben Ursprung 1

Was die verschiedenen Rezensionen des Zentralisationsgesetzes angeht vgl. oben S. 97 f.

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Der Rahmen des Deuteronomiums.

hat, wie das Deut selbst. Der Redaktor oder die Redaktoren des Deut haben hier nicht nur die mosaischen Gesetze, sondern auch alle Reden zusammengestellt, die sich von Mose herleiteten. Die deuteronomische Zeit ist überhaupt reich an rhetorischen Erzeugnissen, und fast alles, was uns von dieser Art in den historischen Büchern überliefert ist, trägt ausgesprochen deuteronomischen Charakter. Man verfaßte Reden nicht nur im Namen Moses, sondern ebenso im Namen Samuels, Salomos usw. Ein großer Teil dieser Reden führte wohl ursprünglich ein selbständiges Dasein und wurde erst später durch die deuteronomischen Redaktoren in einen historischen Rahmen hineingestellt. Es soll damit selbstverständlich keineswegs bestritten werden, daß ein großer Teil des deuteronomischen Rahmens von Anfang an als Einleitung zum deuteronomischen Gesetz konzipiert wurde und darauf Bezug nimmt; das gilt vor allem für Deut 1—3. Ebenso weisen die mehrfachen Überschriften wie 4, 44. 45; 5, 1; 6, 1 u. a. darauf hin, daß auch andere Abschnitte von Anfang an als Einleitungsreden gedacht sind. Man wird aber vermuten dürfen, daß sie ursprünglich nicht das ganze Deut, sondern einzelne Gesetze oder Gesetzesgruppen im Auge hatten. Viele aber, und das gilt besonders von den meisten Reden, die in den Kapp 6—11 enthalten sind, haben mit dem eigentlichen Urdeuteronomium nur insofern etwas gemein, als sie derselben Zeit und denselben Kreisen angehören und deuteronomische Gedanken zum Ausdruck bringen. Ihre Aufnahme ins Deut verdanken sie dem Umstand, daß sie Mose als ihren Verfasser bezeichneten. Für die Erkenntnis der Triebkräfte der deuteronomischen Bewegung aber sind sie ebenso wichtig wie die deuteronomischen Gesetze selbst. Die Analyse des Rahmens des Deuteronomiums habe ich an manchen Stellen nur summarisch durchgeführt. Bereits Gesagtes zu wiederholen, ist natürlich überflüssig. Ich habe daher, wo ich mich in Übereinstimmung mit anderen befinde, auf die betreffenden Kommentare oder Monographien verwiesen. Die erste Rede Moses 1, 6—3, 29, die sich durch ihren vornehmlich geschichtlichen Inhalt von den anderen meist erbaulichen Reden des Deut deutlich abhebt und sich dadurch als eigentliche Einleitungsrede zu erkennen gibt, beginnt in 1, 6 mit dem Befehl Jahves zum Aufbruch vom Horeb, um das den Vätern verheißene Land zu erobern. Mose erzählt sodann der neueren Generation, die im Begriffe steht, den Jordan zu überschreiten, die wichtigsten Begebenheiten seit dem Aufbruch vom Horeb, wie die Einsetzung der Richter, die Aussendung der Kundschafter und die Eroberung des Ostjordanlandes. Auffallend in dieser Rede ist aber ihr ganz abrupter Anfang; so werden nicht nur

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Deuteronomiums.

die Geschichte des Auszugs, sondern sogar die Ereignisse am Horeb völlig übergangen. Ferner ist zu beachten, daß auch von den Begebenheiten seit dem Aufbruch vom Horeb, von denen die jehovistische Schicht uns berichtet, manche nicht erwähnt werden, manche in abweichender Form dargestellt sind. Da der deuteronomische Bericht 1, 6—3, 29 im wesentlichen der elohistischen Darstellung folgt, so wird man in diesen Abweichungen und Auslassungen eine bewußte Absicht des deuteronomischen Schriftstellers sehen dürfen, der dadurch die neuen deuteronomischen Anschauungen um so schärfer zum Ausdruck bringen sollte. Daher beginnt Mose seine Rede mit dem Befehl zum Aufbruch vom Sinai und zur Eroberung des Landes, denn im Gegensatz zur älteren jehovistisch-prophetischen Geschichtsdarstellung bildet nach dem Deut nicht der Wüstenzug, sondern die Eroberung Palästinas das Hauptereignis der israelitischen Geschichte. Daher wird auch die Gesetzgebung vom Horeb nach dem Berge Moab verlegt. Während die ältere j ahvistische Schicht und die vorexilischen Propheten in der mosaischen Wüstenzeit ihr Ideal sahen, betrachtet die deuteronomische Schule diese Zeit lediglich als eine Ubergangszeit und sieht erst in der Eroberung Palästinas durch Josua die Verwirklichung des göttlichen Segens. Es ist sicherlich kein Zufall, wenn von der deuteronomischen Redaktion in den ersten vier Büchern des Pentateuchs fast nichts zu merken ist, während mit dem Buche Josua eine selbständige deuteronomische Quelle einsetzt und die Hand des deuteronomischen Redaktors auch in den übrigen historischen Büchern sich auf Schritt und Tritt zu erkennen gibt. J a , sogar die Thora Moses ist nur mit Rücksicht auf die Besitznahme Palästinas gegeben und die Gesetze treten erst nach der vollständigen Eroberung des Landes in Kraft. Diese Auffassung kommt in den immer und überall wiederkehrenden Wendungen „Wenn du in das Land kommst" oder „Wenn Jahve, dein Gott, dich in das Land bringt" deutlich zum Ausdruck. Diese deuteronomische Wertschätzung des Landes und seiner Erzeugnisse als das höchste Gut Israéls, die der älteren jahvistisch-prophetischen Anschauung schnurstracks widerspricht, erklärt sich zur Genüge aus den Zeitverhältnissen und Aufgaben der deuteronomischen Reformbewegung. Der Untergang des nordisraelitischen Reiches, der drohende Untergang Judas und der damit verbundene Kampf um die Wiedereroberung und Wiederauflichtung des großisraelitischen Reiches hat die Bedeutung des Landes in den religiösen und geschichtlichen Reflexionen in den Mittelpunkt treten lassen. Die deuteronomischen Kreise waren um so mehr für den Segen des Landes empfänglich, als sie sich hauptsächlich aus Besitzund Landlosen zusammensetzten, die durch die Durchführung des Beihefte z. ZAW 50

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deuteronomischen Programms zu Land und Besitz zu gelangen hofften. Daher nimmt das Problem der "Verteilung des Landes in der deuteronomischen (Josuabuch) und der mit ihr verwandten ezechielisch-priesterlichen Literatur einen so breiten Kaum ein. Völlig verfehlt ist es dagegen, mit S T E U E R N A G E L , DILLMANN, B E R T H O L E T U. a. den Anfang der ersten Rede Moses in Deut 9, 7—10, 11 zu suchen; denn es läßt sich kein Grund entdecken, weshalb ein späterer Redaktor diesen „natürlichen Anfang" an eine andere, unpassende Stelle versetzt hätte. Anschließend an den Befehl zum Aufbruch vom Horeb erzählt die erste Moserede von der Bestellung der Richter 9—17. Bemerkenswert an diesem Bericht ist die Tatsache, daß im Gegensatz zum elohistischen Bericht E x 18 das Volk selbst es ist, das sich seine Richter wählt (vgl. Y 13); Mose hingegen steht offenbar nur das Bestätigungsrecht zu. Das Interesse des Deut aber für diese Richtererzählung erklärt sich aus der Aktualität des Richterproblems in deuteronomischer Zeit, wie bereits oben ausgeführt wurde. Es folgt sodann die Geschichte von der Aussendung der Kundschafter. Diese Episode soll uns zeigen, wie Kleinglaube und Widerspenstigkeit gegen Jahve die Eroberung des verheißenen Landes verhindert und zur Vernichtung des Volkes geführt hat, Gottvertrauen hingegen zu seiner Besitzergreifung. Auch da spiegeln sich die Verhältnisse und Stimmungen der deuteronomischen Zeit wieder: man soll sich vor den großen und zahlreichen Völkern nicht fürchten, denn Jahve ist mit Israel, und er wird die Feinde vor ihm vernichten. Charakteristisch für diese Auffassung des Deuteronomiums sind Wendungen wie f'DNi pin, "piyx x h "¡ein nnn x h XTn u. a., die im Deut und Josua mehrfach wiederkehren. Die Schilderung des Durchzugs durch Edom und Moab in Deut 2 , 1 ff. weicht bekanntlich von der entsprechenden elohistisch-jahvistischen Erzählung stark ab, wonach die Edomiter den israelitischen Durchzugsvorschlag schroff zurückweisen und mit Waffengewalt verhindern (Num 20, 14 ff.). Ebensowenig ist in Num von einem friedlichen Durchzug der Israeliten durch Moab die Rede, im Gegenteil die Bileamgeschichte schließt dies schlechterdings aus. Übrigens steht Deut 2, 29 auch im Widerspruch zu Deut 2 3 , 4 — 5 . Diese bedeutsamen Abweichungen von der älteren jehovistischen Tradition erklären sich allein aus den politischen Verhältnissen der deuteronomischen Zeit; der Kampf gegen die assyrische Großmacht konnte nur dann erfolgversprechend sein, wenn Israel in ihm nicht isoliert dastand, sondern auf die Unterstützung der Nachbarvölker rechnen durfte. Man wird wohl annehmen dürfen, daß Israel mit den in Deut 2, 1 ff. aufgezählten Völkerschaften

Der Rahmen d e s Deuteronomiums.

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einen Bündnisvertrag schloß, in dem sich diese palästinischen Staaten gegenseitig die Unverletzlichkeit ihres Besitzes verbürgten, wie dies aus 2 , 5 — 9 deutlich hervorgeht, wonach Jahve den Edomitern und Moabitern ihr Land ebenso als ihr Erbteil zuerkannt hat wie Palästina den Israeliten. Von Bündnis Verhandlungen zwischen den syrisch-palästinischen Staaten zur Abschüttelung der babylonischen Herrschaft ist auch J e r e m i a 27, 3 f. die Rede. Völlig verfehlt ist es dagegen, 2, 9. 17—19. 3 7 lediglich aus formalen Gründen dem Verfasser der historischen Einleitungsrede abzusprechen; denn sie passen durchaus nach Stil und Inhalt in den Zusammenhang der ersten Einleitungsrede und, worauf ich besonderes Gewicht lege, in die Zeitverhältnisse der deuteronomischen Revolution. In 2, 24 ff. erzählt dann Mose von der Eroberung und Verteilung des Ostjordanlandes. Daran schließt sich ein Befehl Moses an die ostjordanischen Stämme: Rüben, Gad und Manasse, ihren Brüdern bei der Eroberung des Westjordanlandes zu helfen. Das Ganze schließt endlich ab mit der vergeblichen Bitte Moses, das Land jenseits des Jordans betreten zu dürfen; es wird ihm nur gewährt, dies von Ferne zu schauen, an seiner Stelle aber solle Josua das Volk über den Jordan führen und das Land erobern. F ü r diese deuteronomische Einleitungsrede, die in der Form einer Abschiedsrede Moses gedacht ist, ist es ungemein bezeichnend, daß sie das Volk nicht so sehr auf die nun folgende Verlesung der Gesetze als auf die bevorstehende Eroberung Kanaans vorbereiten will. Deshalb enthalten Kapp 1 — 3 abgesehen von dem Abschnitt über die Einsetzung der Richter nur diejenigen Episoden aus der Wüstengeschichte, die mit der Eroberung des Landes zusammenhängen; alles übrige ist bewußt weggelassen. Und man wird daher vorbehaltlos der These STEUEKNAGELS zustimmen können, daß die deuteronomische Schicht im Buche J o s von der Hand des Verfassers der ersten deuteronomischen Einleitungsrede herrühre. Als spätere Zusätze sind in dieser Moserede die antiquarischen Glossen 2, 10—12. 2 0 — 2 3 ; 3, 9. 10 b. 11, die aus dem Rahmen der Moserede herausfallen, auszuscheiden. Zu streichen sind ferner mit L X X in V 15 a D3t33t£> ^NT nx, das vor 15 b unpassend ist, und y m i n s 1 , 3 5 ; ebenso 39 a. Zusatz ist schließlich 4 6 ; die „vielen Tage" passen schlecht zu 2, 1 . 1 4 . Dagegen sehe ich keinen Grund, 1, 3 6 — 3 8 zu streichen; das Kaleb im vorhergehenden nicht erwähnt wird, ist bei der Kürze des Berichts nicht zu verwundern, erfahren wir doch auch über die Reden der Kundschafter erst aus dem Munde des Volkes (1, 28), und was die Bestrafung Moses angeht, so ist diese zwar nach unseren Begriffen schlecht motiviert* aber durch die Streichung wird diese 9*

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Schwierigkeit nicht aus der Welt geschafft. Es kommt hinzu, daß auch 3, 26 und 4, 21 keine persönliche Schuld Moses kennen. Endlich setzt 3, 23 f. den Beschluß Jahres, Mose den Jordan nicht überschreiten zu lassen, klar voraus. Ebensowenig sind 2, 9. 18. 19. 37 wegen des Singulars auszuscheiden; dieser erklärt sich vielmehr aus dem Umstand, daß hier der Befehl Jahves an Mose ergeht. Auszuscheiden sind hingegen 3 , 1 3 b. 17, als Dublette zu 12; 13 a und 3, 21. 22, die vor 3, 28 keinen Baum haben. Zu D a 1 sind noch 4, 1—8 zu rechnen; 4, 1—4 sind als Überleitung zur Gesetzesmitteilung anzusehen, 4, 5—8 hingegen können nicht direkte Fortsetzung des unmittelbar Vorhergehenden sein, denn das Perfekt m o i weist auf die bereits erfolgte Veröffentlichung der Gesetze zurück. Man wird daher diesen Abschnitt als die Schlußermahnung des Da zu betrachten haben. Von Bedeutung ist hier der Hinweis V 8, daß kein Volk „so gerechte Satzungen und Rechte besitze, wie sie Israel nun gegeben werden". Der Verfasser wird hier wohl nicht an die kultischen, sondern in erster Linie an die zivilrechtlichen Satzungen gedacht haben, wie dies die "Worte O'p'T^ D'tJE»» nahe legen. Als Zusatz auszuscheiden ist hier 2b, der sich an 2 a schlecht anschließt; sonst scheint mir der Text unversehrt erhalten zu sein. Als ein völlig selbständiges Stück wird hingegen 4, 9—24 gelten müssen; denn nach 4 , 1 erwartet man an dieser Stelle die sofortige Mitteilung der Gesetze. Statt dessen haben wir hier eine breite Mahnrede über die Bildlosigkeit Jahves, die besonders deutlich in seiner Erscheinung aim Sinai zutage getreten sei, wo die Israeliten nur seine Stimme hörten, aber keine sichtbare Gestalt wahrnahmen. Sie warnt daher vor der Anfertigung von Gottesbildern und der Verehrung fremder Götter. Als späteren Nachtrag wird man hier die Verse 13 f. zu streichen haben, die den Zusammenhang zwischen 12 und 15 unpassenderweise unterbrechen. Dagegen 19 f. mit S T E U E R N A G E L U. a. wegen des Sing, in 19 zu streichen, kann ich nicht für gerechtfertigt halten. V 20, der auch nach der Meinung von S T E U E R N A G E L direkte Fortsetzung von 19 ist und mit ihm zusammengehört, beweist zwingend, daß die Anredeform allein für die Quellenscheidung nicht entscheidend sein kann. Es trifft auch keineswegs zu, daß 19, 20 vom Hauptgedankengang abführen, weil hier im Gegensatz zum Vorhergehenden, wo nur vor Anfertigung von Gottesbildern gewarnt wird, von der Verehrung anderer Götter die 1 Ich habe für die Bezeichnung der Einleitungsreden 1, 6 — 4 , 1 — 8 und 6 die Sigla STBÜERNAQELS Da und Db übernommen, weshalb ich hingegen seinen De nicht als eine einheitliche Quelle anerkennen kann, wird der Leser aus folgenden Ausführungen leicht begreifen.

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Rede ist; denn Gott und Gottesbild gehören aufs engste zusammen. Endlich zeigt der Dek, der wohl dein Verfasser unseres Abschnittes vorschwebte, genau dieselbe Aufzählung: Himmelskörper, Land- und Wasserwesen. Als selbständige Mosereden wird man ferner 4, 25—31 und 32—39 ansehen dürfen; jene läßt Mose im Falle des Abfalls von Jahve mit dem Exil und der Zerstreuung drohen, sie wird daher als exilischen Ursprungs gelten müssen. Diese handelt von der Einzigartigkeit und Einzigkeit Jahves; die Israeliten seien das einzige Volk auf Erden, das die Stimme Gottes vernommen habe, außer Jahve gibt es daher überhaupt weder im Himmel noch unten auf Erden einen Gott. Anzeichen späterer Entstehungszeit lassen sich hier nicht nachweisen, diese Moserede kann daher gut vorexilisch sein. Der Abschnitt 4, 41—43, der von der Aussonderung dreier Asylstädte im Ostjordanlande durch Mose erzählt, verrät sich schon dadurch als später Nachtrag, daß er die Form der Moserede verläßt und auch inhaltlich an unpassender Stelle steht. 4, 44 — 49 enthält zwei Überschriften zum Gesetz und eine Zeitangabe. Diese Verse setzen offenbar 1, 1—4, 43 nicht voraus, andererseits können sie auch nicht aus einer Hand stammen. Ob wir es hier mit späteren Nachträgen oder mit versprengten Stücken verlorengegangener Einleitungsreden zu tun haben, läßt sich nicht feststellen. Indessen wird man für 4, 45 wohl vermuten dürfen, daß es ursprünglich nicht als Überschrift, sondern als Schluß dienen sollte und von dort erst durch später hinzugekommene Schlußreden verdrängt worden ist. In der zweiten Einleitungsrede 5, 1—30 erzählt Mose von der Bundesschließung am Horeb, die auf Grund des von Jahve dem Volk unmittelbar selbst mitgeteilten Dekalogs erfolgt ist. Das Volk aber, das beim Klang der Stimme Jahves in große Furcht gerät und sie nicht mehr hören will, bittet Mose, die Vermittlerrolle zwischen Jahve und dem Volk zu übernehmen. Dieser Wunsch wird von Jahve gebilligt, und so wird Mose zum Mittler bestimmt. Jahve verkündet fortan die Gesetze nur Mose, der sie dem Volke weitergibt. Auch die deuteronomischen Gesetze, die Mose nun im Begriffe ist dem Volke vorzulegen, sind ihm bereits am Horeb offenbart worden. Wenn er trotzdem vierzig Jahre damit gewartet hat, so erklärt sich dies einfach ans dem Umstand, daß die Befolgung der deuteronomischen Vorschriften die Eroberung des Landes voraussetzte, die Wüstenzeit hingegen ihrer gar nicht bedurfte. Der Bundesschluß am Horeb beschränkte sich daher auf die Gebote des Dek, deren Durchführung auch ohne den Besitz Kanaans denkbar ist. Daß der Dek nicht mit S T E U E R N A G E L und manchen anderen Forschern als späterer Nachtrag, sondern als

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Der Rahmen des Deuteronomiunis.

ursprünglicher Bestandteil von Kap 5 gelten muß, geht mit zwingender Notwendigkeit aus der Tatsache hervor, daß am Horeb von einem Bundesschluß die Rede ist, der ohne gesetzliche Grundlage undenkbar ist. Als solche kann aber nur der Dek in Betracht kommen. Der Zweck dieser Einleitungsrede ist, Mose und seine Nachfolger, die späteren Propheten, als Vermittler zwischen Jahve und Israel zu legitimieren, andererseits den Dek mit der deuteronomischen Gesetzgebung in Verbindung zu bringen. Als Redaktorenzusätze sind 5. 29—30 zu betrachten. Die Jahverede geht hier völlig unvermittelt in die Moserede über und, was noch wichtiger ist, man hat durchaus das Gefühl, daß in V 28 der Schluß des Kap vorliegt; die folgenden Verse sind an dieser Stelle überflüssig. Mit Kap 6 beginnt die sogenannte erbauliche Einleitungsrede Moses, die in der Hauptsache singularische Anredeform aufweist. Indessen wäre es verfehlt, sie als eine literarische Einheit zu betrachten; sie besteht vielmehr aus verschiedenen unzusammenhängenden und in sich völlig selbständigen Stücken, die nur äußerlich miteinander verbunden sind. Auf die bevorstehende Gesetzgebung wird nur in den redaktionellen Zusätzen Bezug genommen, die eigentlichen Reden hingegen sind, wie bereits erwähnt, durchaus selbständig und keineswegs als Einleitungsreden zum deuteronomischen Gesetz gedacht. Als solchen redaktionellen Zusatz wird man 6, 1—3 auszuscheiden haben, die aber wiederum selbst nicht einheitlich sind'. Mit dem bekannten Schma' in 6, 4 beginnt die eigentliche Rede Moses: Jahve ist der einzige Gott Israels, man soll ihn von ganzem Herzen und ganzer Seele lieben. Diese Worte soll man immer im Herzen tragen und den Kindern einschärfen. Ferner soll man sie als Gedenkzeichen an die Hand und an die Stirn binden und an die Pfosten der Häuser und der Tore schreiben. Diese Forderung, nur Jahve allein zu dienen, ist zwar alt, aber in dieser prägnanten und scharfen Formulierung tritt sie uns zuerst im Deut entgegen. Neu und echt deuteronomisch ist ferner die Forderung, Jahve zu lieben und seine Gebote den Kindern einzuprägen. Das Verbum 10^ begegnet uns besonders häufig in der deuteronomischen Literatur. Die religiöse Erziehung der Jugend scheint überhaupt eine deuteronomische Neuerung gewesen zu sein; da aber die damalige israelitische Kultur durchaus in ein religiöses Gewand gehüllt war, so wird man die Anfänge der Jugenderziehung in Israel auf die Deuteronomisten überhaupt zurückführen dürfen. Als geeigneter Unterrichtsstoff galten nicht nur die Gesetze, sondern auch die historischen Er1

Vgl. die Kommentare zur Stelle.

Der Rahmen des Deuteronomiums.

135

Zählungen der älteren jahvistisch-elohistischen „Schulen". Diese älteren Erzählungen wurden den neuen Anschauungen angepaßt und mit Bemerkungen, Erweiterungen und Zusätzen versehen. Man wird wohl nicht fehlgehen in der Annahme, daß den deuteronomischen Redaktoren der historischen Bücher des Alten Testaments von Anfang an die Schaffung geeigneten Lehrstoffs für den Jugendunterricht vor Augen schwebte. Darauf weisen Stellen wie Gen 18, 19; Ex 9, 14; Deut 6, 7. 20; 11, 19; J o s 4, 6. 21 u. a. m. Es liegt darin ein großer Fortschritt auf dem "Wege der Vergeistigung und Entmaterialisierung der Religion. Der Opferkultus wird je weiter je mehr durch die deuteronomisch-prophetischen Forderungen der Liebe und der Lehre in den Hintergrund gerückt und die Altarstätten werden durch Bet- und Lehrstätten verdrängt. Charakteristisch für die deuteronomische Zeit ist ferner das Tragen von jahvistischen Abzeichen an Hand und Stirn und das Schreiben von Gesetzesworten an die Pfosten der Häuser und Stadttore. Auch dies werden die Deuteronomisten wohl von den älteren Propheten übernommen haben (vgl. das Zeichen Kains und dazu noch I Reg 20, 41; Sach 13,6); zu nationalen Zeichen sind aber diese alten prophetischen Abzeichen erst durch das Deut geworden. Es ist bedeutsam, daß uns die Begründung dieser Forderung in der deuteronomischen Literatur in vier Rezensionen überliefert ist Ex 13, 9. 16; Deut 6, 8. 9; 11, 18. Es kann demnach auch kein Zweifel mehr bestehen, daß das Deut an die buchstäbliche Erfüllung dieser Forderung gedacht hat, sonst wäre die fast wörtliche Ubereinstimmung dieser vier Stellen unbegreiflich. Darin ist die deuteronomische Bewegung anderen revolutionären Bewegungen verwandt, die ihre geistige Gesinnung ebenfalls durch äußere Abzeichen zum Ausdruck zu bringen versuchen. V 9 bildet den Schluß dieser Moserede, wie schon der Inhalt lehrt und wie zum Überfluß durch die angeführten Parallelen bestätigt wird. V 10 hingegen beginnt eine völlig neue Rede Moses, die mit 6, 4—9 nicht das Geringste gemein hat. Sie warnt die Israeliten vor hochmütiger Überhebung und vor Abfall von Jahwe. Bezeichnend für den Geist des Deut ist, daß es in Besitz und Reichtum den unmittelbaren Anlaß zum Abfall von Jahve erblickt. Es wird daher mit besonderem Nachdruck betont, daß nicht die Israeliten selbst, sondern Jahve es war, der ihnen das ganze Gut verschafft hat. Der Redner erinnert ferner die Israeliten daran, daß sie einst Sklaven in Ägypten waren und daß Jahve sie aus diesem Lande herausgeführt hat. Eine Parallele zu 6, 10—15 liegt uns, wie STXBK und KLOSTEEMANN richtig erkannt haben, in 8, 2—18 vor. 8, 12 f. lauten: „Laß nicht,

136

Der R a h m e n des Deuteronomiumä.

•wenn du dich satt issest und dir schöne Häuser zur Wohnung bauest, wenn deine Rinder und Schafe sich mehren, Silber und Gold dir in Menge zu eigen wird und dein gesamter Besitz sich vergrößert, dein Herz hochmütig werden, und vergiß nicht Jahves, deines Gottes, der dich aus Ägypten, dem Lande, wo du Sklave warst, hinweggeführt hat . . . und denke nicht etwa: meine Kraft und die Stärke meiner Hand hat mir diesen Reichtum verschafft! Gedenke an Jahve, deinen Gott, daß er es ist, der dir Kraft verleiht, Reichtum zu erwerben." Diesen Abschnitt dem Verfasser von 6, 10 ff. zuzuweisen, wie es die meisten Kritiker tun, ist unzulässig. Beide gehören zwar einer Zeit und einer Geistesrichtung an, können aber unmöglich aus einer Feder geflossen sein. E s liegt demnach hier eine ähnliche Erscheinung vor wie 6, 4—9 und 20—25, die ebenfalls Parallelen aufweisen. Ob wir es aber hier mit verschiedenen Varianten einer älteren Urrezension oder mit selbständigen Reden zu tun haben, läßt sich nicht mehr feststellen. Bruchstücke deuteronomischer Reden sind uns in 6,16—19 erhalten; sie mit S T E U E R N A G E L , P U Ü K K O , H E M P E L u. a. als spätere Erweiterungen auszuscheiden, kann ich deshalb nicht für richtig halten, weil sie dann auf das Vorhergehende Bezug nehmen müßten. Nach 6, 20—25 soll die nachfolgende Generation durch den Hinweis auf die geschichtlichen Tatsachen des Auszugs aus Ägypten und der Eroberung des Landes über die Bedeutung des Gesetzes belehrt werden. Wir haben oben bereits gezeigt, daß uns E x 12, 26f.; 1 3 , 1 4 f . ; J o s 4, 6—21 Parallelen zu unserem Abschnitte bieten. Daß 6, 20—25 nicht als Fortsetzung zu 6, 4 f. angesehen werden kann, haben bereits S T E U E R N A G E L und H E M P E L erkannt. Falsch ist jedoch, diesen Abschnitt als Bearbeiterzusatz zu betrachten. E r ist nach Stil und Inhalt den echt deuteronomischen Reden durchaus ebenbürtig und gibt sich durch nichts als Zusatz zu erkennen. E r ist daher auch nur als ein völlig selbständiges Stück begreiflich. 7, 1—10 a fordern die Ausrottung der Kanaanäer und warnen vor Verschwägerung mit ihnen, damit sie nicht die Israeliten von Jahve abtrünnig machen. Dieser Abschnitt paßt eher zum gesetzlichen Kern als zum erbaulichen Rahmen; als Einleitung zu 12—26 ist er jedenfalls wenig am Platze. Daß er nicht Fortsetzung von 6, 10 f. sein kann, beweist übrigens auch der gleiche Anfang von 6, 10 und 7, 1. Als eine spätere Glosse zu (L'JS ^N) wird man wohl 10 b streichen müssen, V 11 hingegen ist Erweiterung des Redaktors. 7, 12—16 a : Die Verheißung des göttlichen Segens für die B e folgung der Gebote Jahves paßt ebenfalls wenig als Einleitung zum Gesetz, ist vielmehr, wie S T Ä B K und K L O S T E R M A N N richtig bemerkt

Der Rahmen des Deuteronominms.

137

laben, als Schluß eher verständlich. W o es ursprünglich stand, läßt sich nicht ausmachen; vielleicht war es ursprünglich als Schluß einer Heineren Gesetzessammlung gedacht, dann aber bei der Redaktion des Deuteronomiums von seiner ursprünglichen Stelle wegen Kap 28, mit dem es sich inhaltlich stieß, verdrängt worden. Auszuscheiden ist hier 16 b, weil es unvermittelt von der Verheißung zur Forderung übergeht. 7, 17—24: Die Israeliten sollen sich nicht vor den vielen kanaanäischen Völkern fürchten, vielmehr sollen sie an alles das denken, was Jahve dem Pharao und Ägypten getan habe, denn ebenso werde J a h v e mit diesen Völkern verfahren. Solchen Ermunterungen zum Kampf gegen die Kanaanäer begegnen wir auch sonst in der deuteronomischen Literatur, besonders im Buche Jos. wie wir bereits gezeigt haben. Auch diese Rede wird man kaum als Fortsetzung von 6, 10 f. und 7, 1 f. betrachten können; denn nach diesen Versen ist die Eroberung des Landes bereits erfolgt. 7, 17 f. ständen dann mindestens an unrichtiger Stelle. In Wirklichkeit liegt kein Grund vor, sie als Teil einer größeren Einleitungsrede zum Deut anzusehen, sie ist als eine selbständige Rede Moses wohl begreiflich. Die Deuteronomisten bezwecken vermutlich durch derartige Reden das Volk zum Kampfe gegen Assyrien und andere Feinde zu ermutigen. 7, 25. 26, wo die Verheißung in die Forderung übergeht, werden ebenso wie 16 b als spätere Erweiterung zu streichen sein. Der deuteronomischen Redaktion gehört ferner 8, 1 an, die Überschrift zu 8, 2—18, die aber nicht ursprünglich sein kann; sie besteht lediglich aus Formeln, die überall in den Erweiterungen der deuteronomischen Redaktion wiederkehren und stehen hier außerdem an unpassender Stelle. 8, 19. 20 sind mit STEUERNAGEL U. a. als Zusatz zu streichen: „Sie führen von dem Hauptgedanken, Warnung vor hochmütigen Vertrauen in die eigene Kraft, ab" (STEUERNAGEL 8, 1). 2—18 haben überdies in V 18 einen durchaus natürlichen Abschluß; die Fortsetzung 19, 20 kommt daher ganz unerwartet. 9, 1—6 warnen vor Selbstüberhebung angesichts der Vernichtung der Kanaanäer, da Jahve sie nicht wegen der Gerechtigkeit Israels, sondern wegen ihrer eigenen Bosheit und wegen der Verheißung an die Väter vernichtet hat; denn Israel ist ein halsstarriges Volk. Daran schließt 9, 7—10, 11, eine Erzählung von den Tafeln und der Versündigung des Volkes mit dem goldenen Kalbe, die ebenfalls in der Form einer Moserede abgefaßt ist. Was die Einheitlichkeit dieses Abschnittes angeht, so kann ich hier, um nicht bereits Gesagtes zu wiederholen, auf die Kommentare und Monographien, besonders auf STEUERNAGEL

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Der Rahmen des Deuteronomiums.

verweisen; nur kann ich diesem in seiner Verteilung auf die Quellen nicht folgen, da mir seine Quellenhypothese unhaltbar erscheint. Ungemein bezeichnend für den Geist des Deut ist 1 0 , 1 2 — 1 9 : Jahve verlange nur, daß man ihn fürchte und ganz in seinen Wegen wandle, daß man ihn liebe und ihn von ganzem Herzen und ganzer Seele diene. Jahve brauche nichts; denn der Himmel, die Erde und alles, was auf ihr ist, gehöre ihm. Der Kultus sei daher Nebensache, die Hauptsache sei die rechte Gesinnung; Jahve fordere nicht die Beschneidung des Leibes, sondern die Beschneidung des Herzens. Jahve, der höchste Gott und der größte Herr, sehe keine Person an und nehme keine Bestechung an, daher sollen auch die Israeliten den Fremdling lieben, da sie selbst Fremdlinge in Ägypten waren. 1 0 , 2 0 — 2 2 wird man wohl als Bruchstücke deuteronomischer Reden betrachten dürfen, da sie weder nach vorn noch nach hinten Anschluß haben. 10, 20 kehrt übrigens in 6. 13 wieder. 11, 1—9 war von Anfang an hingegen als Einleitung zum Deuteronomium abgefaßt, wie die Hinweise auf das Gesetz lehren, ] 1, 10—21 ist, wie wir bereits gesehen haben, eine Parallele zu 6 , 4 — 9 und 8 , 7 — 1 8 , V 1 6 mit S T E Ü E R N A G E L von 15 zu trennen, halte ich für unzulässig; denn 16 fordert notwendig V 1 5 vor sich, wie die Parallelen 6 , 1 1 - 1 2 ; 8 , 1 0 — 1 1 — 1 2 — 1 4 deutlich zeigen. Man kann daraus ersehen, wie wenig sich die Anredeform als Handhabe für die Quellenscheidung eignet. 1 1 , 2 2 — 2 8 wird man mit S T E Ü E R N A G E L als Überleitung der Db Einleitung zur Gesetzesmitteilung ansehen dürfen, 2 9 — 3 2 hingegen sind als spätere Erweiterungen auszuscheiden.

Die Schlußreden. 26, 16—19 Verpflichtungsformel auf das Gesetz. Ich glaube, daß wohl das Richtige mit seiner Vermutung getroffen hat, daß uns in diesen Versen die Verpflichtungsformel erhalten sei, unter der König Josia das Volk auf das Gesetz verpflichtete (II Reg 23, 3). Jahve und Israel geben einander feierliche Erklärungen ab. Israel: daß Jahve sein Gott sein werde, daß er auf seinen "Wegen wandeln und seine Gebote beachten werde; Jahve: daß er Israel zu seinem Eigentumsvolke erwähle und daß er es über alle Völker erhöhen werde. TDNn bedeutet hier nicht wie es die meisten Neueren übersetzen „sagen lassen", sondern „feierlich versprechen"; es wird wohl term. techn. der juristischen Sprache gewesen sein. Dadurch erledigen sich auf ungezwungene Weise die alle Schwierigkeiten, die den meisten Auslegern so viel Kopfzerbrechen bereitet haben, denn in 26, 17 kann Jahve unmöglich Subjekt BEBTHOLET

Der R a h m e n des Deuteronomiums.

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sein und ebensowenig in 26, 11—19 das Volk. Nur wird man 18 b, weil im Munde Jahves unpassend, streichen müssen. 27, 1—8 Befehl Moses an das Volk, nach Überschreitung des Jordans, zur Aufzeichnung des Gesetzes und zur Erbauung eines Altars auf dem Berge Ebal Steine aufzurichten. Die Analyse dieses äußerst schwierigen Abschnittes hat von der Tatsache auszugehen, daß während 27, 2. 3, die Aufrichtung der Steine unmittelbar nach der Überschreitung des Jordans zu geschehen hat, 4 b diese nach dem Ebal verlegt. W i r haben demnach zwei Traditionen die Jordan- und die Ebaloder richtiger die Sichemtradition. Es ist nun nicht schwer zu erraten, daß die Sichemrezension nicht deuteronomisch sein kann, denn die Erbauung eines Altars in Sichern widerstreitet zu sehr den deuteronomischen Forderungen.

DILLMANN, STEUEENAGEL, BERTÜOLET U. a. sind

daher sicherlich im Rechte, wenn sie den Abschnitt von der Erbauung des Altars E zuweisen, nur glaube ich, daß man auch V 8 dem Verfasser von 5—7 zusprechen muß, denn die Tradition von der Aufzeichnung des Gesetzes auf Steinen kann ebensowenig dcuteronomisch sein — das Deuteronomium wird überall als Buch minn 1DD bezeichnet — und wird sicherlich einer älteren Zeit angehören. W i r haben demnach in 27, 4 b—8 eine Parallele zu Ex 24, 4, wo ebenfalls die Aufzeichnung der Gesetze mit der Erbauung eines Altars verbunden ist. Diese Erbauung des Tempels am Berge Ebal hängt ferner mit der Bundesschlußzeremonie in Sichern 27, 11—13 und Jos 24, l f . zusammen, die auch als Parallele zu Ex 24, 3—8 angesehen werden muß. Dadurch ist übrigens ein weiterer Beweis für unsere These gewonnen, daß V 8 zum ursprünglichen Bestände der elohistischen Ebaltradition gehören muß, denn ein Bundesschluß mit Jahve setzt überall ein Gesetzbuch zur Grundlage voraus. Ein weiterer Beweis für den elohistischen Ursprung von 27, 8 ist die Dublette 3 a, denn beide können nicht gut einer Hand gehören, zwei deuteronomische Quellen aber aus diesem Grunde anzun e h m e n (so STEUEENAGEL, BERTHOLET) h a l t e i c h f ü r

unbegründet.

Dem Deuteronomium war beides zugleich, Sichern und Opferaltar anstößig, er hat daher die Aufrichtung der Steine — vielleicht auch in Anlehnung an eine alte Tradition (vgl. Jos 4) — nach dem Jordan verlegt und nur von der Aufzeichnung der Gesetze berichtet (1—3). Als dann der elohistische Bericht von seiner ursprünglichen Stelle (wohl Ex 20, 21 f. oder 24, 7), weil es von den letzten Taten Moses erzählte, an unsere Stelle versetzt wurde, hat der Red. um eine Verbindung zwischen 1—3 und 4 b—8 herzustellen 4 a eingeschoben. Der Gedanke des Bundesschlusses, der schon 26,16—19 zugrunde liegt, kommt auch 27,9. 10 zum Ausdruck, denn nur dieses kann

140

Der Rahmen des Deuteronomiums.

doch wohl 2 7 , 9 b : „Heute bist du zum Volk Jahves, deines Gottes geworden" gemeint sein. Zugleich dienen 9, 10 als Überleitung zu Kap 28; die Verheißungen und Drohungen, die darin enthalten sind, wird man sich als im Anschluß an die feierliche Zeremonie des Bunde sschlusses gesprochen zu denken haben, wobei das versammelte Volk mit Amen antwortete, wie aus 27, 15 ff. zu ersehen ist. Die Flüche und Segnungen in Kap 28 wird man nicht als Verheißungen und Drohungen Jahves, sondern als eine Verpflichtungsformel betrachten dürfen, wo das Volk selbst im Falle des Bundesbruchs die Flüche auf sich herbeiruft, denn nnx m x 28, 16 f. ist nicht mit „Verflucht wirst du sein", sondern mit „Verflucht sei-' zu wiedergeben. Deshalb wird auch die Strafrede 28 als n^x bezeichnet 29, 11. 19. Auf ältere Grundlage geht sicherlich 27, 11—13, die Anordnung, über Ausrufung von Segen- und Fluchsprüchen, zurück, worauf die Nennung von Ebal und Garizim hinweist. Man wird sich diese Ausrufung von Segen und Fluch als eine Bundesschlußzeremonie denken müssen; es ist daher wahrscheinlich, daß 11—13 in ihrer jetzigen Gestalt auf 28, 1 f. verweisen und es ist auch möglich, daß 28, 1 ursprünglich direkt an 27, 13 angeschlossen hat. Auf alle Fälle kann 27, 14 f. nicht Fortsetzung von V 13 sein, denn während 11—13 Levi ein Stamm neben anderen ist, werden 14 f. die Leviten als Liturgen dem ganzen Volke gegenübergestellt, zweitens ist 14 f. im Gegensatz zu 11—13 nur von Flüchen die Rede. Daß die Fluchsprüche 27, 15—26 sekundär sind, geht übrigens auch aus der Tatsache hervor, daß sie nicht nur auf die Gesetze des Deut, sondern auch auf solche des Bundesbuches und des Heiligkeitsgesetzes Bezug nehmen. 28, 1—68 Segen und Fluchrede. Der unverhältnismäßige Umfang des Fluchteiles im Vergleich zum Segen hat schon längst den Verdacht hervorgerufen, daß die Fluchrede in ihrer jetzigen Gestalt nicht ursprünglich sein kann und wirklich haben die mancherlei Anspielungen auf das Exil V 32. 36 f. 41 und die Dubletten, die uns da entgegentreten, diesen Verdacht bestätigt. Die Analyse hat hier von der Tatsache auszugehen, daß uns hier nicht eine Drohrede, sondern eine Schwurformel vorliegt und daher nur diejenigen Stücke als echt in Betracht kommen, die diesem Zwecke entsprechen. Es sind dies in erster Linie die sechs Paare der mit "¡ra und i n « beginnenden Sprüche, ferner wohl auch 7, 8 a. Ich rechne daher zum ursprünglichen Bestände der Segenund Fluchrede l a , 2a, 3—8a; 15—20a, 25a, wobei 8 a wohl vor 7 gehöre. Dafür spricht der Umstand, daß wie bereits VALETON und neuerdings auch STEUEBNAGEL richtig bemerkt haben, nur diese Spruchpaare parallel sind und sich genau entsprechen. 12,13 a und 43 f. kann ich

Der Rahmen des Denteronomiums.

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hingegen nicht für ursprünglich halten, weil die Vorstellung von Israel als Kreditgeber der heidnischen "Welt nicht vorexilisch sein kann. Durch die späteren exilischen Erweiterungen hat sich die ältere Schwurformel in einer Strafrede umgewandelt, was allerdings aus den Verhältnissen der exilischen Zeit durchaus begreiflich ist. Mit 28, 69 hat der ältere Redaktor des Deut sein "Werk abgeschlossen. Ich kann die Meinung der Neueren, daß dieser Vers nicht als Unterschrift zu Kap 28, sondern als Uberschrift zu 29, 1 f. zu stellen sei, nicht für richtig halten, denn unter nnnrt '"Dl n^N kann nicht allein die Schlußrede, sondern muß das ganze Gesetz, das die Grundlage des Bundesschlusses war, verstanden werden, 28, 69 kann sich daher nicht auf das Nachfolgende, sondern nur auf das Vorhergegangene beziehen. Der Einwand S T E U E E N A G E L S , daß im Vorhergehenden nirgends von einer Bundesschließung die Rede war, wird schon dadurch widerlegt, daß, wie wir dies bereits gezeigt haben, alle Schlußreden 26, 16—28, 20 den Bundesschluß voraussetzen, denn weder die Aufrichtung der Steine und die Aufzeichnung der Gesetze, noch die Verpflichtungsformeln 26,16 —19; 27, 9 . 1 0 ; 2 8 , 1 — 2 0 noch die Zeremonie auf den Bergen Ebal und Garizim sind ohne Bundesschluß verständlich. Ich kann daher mit der Massora in 28, 69 nur den Abschluß des Kap 28 und demnach auch des Deut überhaupt sehen. Dadurch ist aber auch bewiesen, daß Kap 29 f. der älteren Rezension des Deut nicht angehört haben können. W i r können daher an dieser Stelle auf die Analyse dieser Kapp um so mehr verzichten als sie zum weit größten Teil, wie die Anspielungen auf das Exil lehren, der exilischen Zeit angehören. An 28, 69 schloß sich der Bericht über die Aufzeichnung des Gesetzes durch Mose und der Befehl, daß man künftighin das Gesetz im jeden J a h r e der Schemitta am Laubhüttenfest vor dem versammelten Volke vorlesen soll 3 1 , 9 — 1 3 1 . Auszuscheiden ist hier V 9 b wegen der Priester. Darauf folgte die Bestellung Josuas zum Nachfolger Moses 31,1. 2. 7. 8 und der Bericht vom Tod Moses 34, 1 — 1 2 2 . 1 Daß dieser Abschnitt dem ursprünglichen Bestände des Deut angehört, habe ich oben bereits gezeigt. 4 In 3 4 , 1 — 1 2 sind auch £ und P beteiligt, was die Quellen analyse anlangt, so verweise ich auf STEUERNAGEL, dem ich mich in der Hauptsache anschließe.

Stellenregister. Seite

Gen

22 33, 20 34 35 1 - 5 40 5 - 7 Ex 15 2 5 19 7 - 8 20 1—17 20 23—26 21 1 21 2 — 1 1 21 12—17 21 20—21, 2 6 --27 21 37—22, 3 22 1—2 22 6 — 1 4 22 15—16 22 17—19 22 20. 21—22 22 24—26 22 2 7 — 3 0 23 1—3, 6 - 8 23 10—13 24 5 34 11—26 Lev 2 5 10 Nnm 12 2 5 1—9 Dtn 1 6 - 3 , 29 1 9—17 2 Iff. 4 1-8 4 9—24 4 25—31, 3 2 --29 4 41—43, 4 4 -- 4 9 5 1—30 5 6—18 6 12

34 13 11 f. 24. 42 7. 13. 24 2 f. 10 22 4 6 f. 17 f. 25 f. 57 27 27 f. 2 8 f. 30 31 29 31 31 32 32 32 f. 3 3 f. 34 f. 36 ff. 34 51 f. 81 f. 6 f. 6 f. 128 ff. 89. 92. 130 130 f. 132 132 133 133 133 46 f. 37

Dtn

6, 1 - 3 , 4 — 9 6, 10—15 6, 16—19, 2 0 — 2 5 7, 1 - 1 1 , 12—16 7, 17—24, 2 5 — 2 6 8, 1 8, 2 - 1 8 8, 19—20 9, 1 - 6 9, 7—10, 11 10, 12—19, 20—22 11, 1—0 11, 10—21 H, 2 2 - 3 2 l-> 1—28 12, 5 14 12, 2 0 - 3 1 13, 2 - 1 9 14, 1 - 2 1 H 22—29 15, 1—11 15, 12—18 16, 1 - 7 16, 10—12 16, 18 17, 2 - 7 17, 17, 17, 18, 18, 18, 18, 19, 20, 20, 20,

8 f. 9 14—20 1-8 6 9 f. 14 f. 17 1-9 2-3 10—18

Seite

134 135 136 136 137 137 135 f. 137 137 137 f. 138 138 135. 138 138 101 f. 57 56 f. 115 114 f. 86. H ö f . 104 7 9 fi. 81. 8 3 f. 107 f. 106 f. 89 114 f. 92 f. 94 9 5 f. 8. 67. 103 f. 105 f. 115 9 0 f. 93 110 f. 94 IIS

Stellenregister. Dtn 21 21 21 21 21 22 22 22 22 22 22 23 23 23 23 23 23 23 24 24 24 24 24 24 25 25 25 25 26 26 27 27

1-9 4—5 10—14 18-21 22—23 1—4 5 6-7 9—12 13-27 28—29 1 2-9 10-15 16—17 18—19 21—22 25—26 1—4 8-9 10—13 14 16 19—22 1-3 4 5-10 11 1-15 16-19 1—8 9-10

Scito 120 93 113. 121 121 118 123 115 123 115 121 f. 122 122 123 113 56 f. 84 f. 115 83 86 122 116 83 87 118 86 119 123 122 119 123 138 13. 24. 42. 139 139 f.

Dtn

27, 11—13, 1 4 - 2 6 28, 1—68 28, 43 28, 69 31, 9—13 8, 30 Jos 24 1, 3 Jud 17, 7 1-3 Sam I B e g 12, 26 19, 15 19, 19 f. II Beg 8, 7 11, 17 12 21, 23 f. 22, 3—7 22, 8 f. 22, 11 f. 22, 15—20 23, 2 23, 2—3 23, 8—9 23, 21 f. 23, 29 f. 23, 35 22, 14—17 Jer 34, 8 f. Zeph. 1, 2—11 2, 55 I Chr

143 Scito 140 140 f. 86 141 23. 89. 141 13 f. 24 12 f. 24. 42 3 8 9 f. 99 f. 15 8 15 22. 74 15 f. 68 f. 73. 77 74 74 f. 61. 75 f. 22 52 f. 59 107 69 f. 70 70 82 71 f. 19

L i p p e i t A Co. G . ui. li. H . , K a u i n l i u r t ; a. X

Die Mischria Text, Uebersetzurig und a u s f ü h r l i c h e

Erklärung

Mit eingehenden geschichtlichen und sprachlichen Einleitungen und textkritischen Anhängen unter Mitwirkung von Albrecht-Oldenburg / Bauer-Göttingen / Fiebig-Leipzig / Frankenberg-Marburg / y. Gali-Giefien / Kittel-Tübingen / Kramer-Leipzig / Marti-Bern (f) / Meinhold-Bonn Nowack-Leipzig (f) / Kapp-Pirmasens / Eengstorf-Ttibingen / Sachsse-Münster / Sander-Greilswald / Yolz-Tübingen / Weiser-Heidelberg / Wendel-Darmstadt / W in dfuhr- Hamburg herausgegeben von

G. Beer-Heidelberg, 0. Holtzmann-Gießen, S. Kranß-Wien Bis Juli 1928 sind folgende Traktate erschienen: Berakot (Gebete) v.O. Holtzmann M. 3.50 Bosch ha-schana (Neujahr) Pea(VomAckerwinkel)v. W.Bauer „ 2.50 v. Fiebig M. 4.10 Kil'ajim (Verbotene MischBaba qamma („Erste Pforte" des gattungen) v. K. Albrecht „ 2.85 Civilrechts) v. W. Windfuhr „ 2.85 Challa (Teighebe) v. K. Albrecht „ 1.60 Baba meßia („Mittlere Pforte" des Orla (Vorhaut) v. K. Albrecht „ 1.60 Civilrechts) v. W. Windfuhr „ 4.20 Bikkurim (Erstlinge) v.K. Albrecht „ 2.25 Baba batra („Letzte Pforte" des Schabbat (Sabbat) v. W. Nowack „ 9.— Civilrechts) v. W. Windfuhr „ 9.— Ernbin (Vermischgn.) v. Nowack „ 9.— Abot (Väter) v. Beer und Marti „ 18.— Pesachim (Passahfest) v. G. Beer „ 7.20 Horajot (Entscheid.) v.Windfuhr „ 1.30 Joma (Versöhnungstag) v. J. MeinMiddot (Tempelmaße) v. 0. Holtzhold „ 2.70 mann „ 3.75 In der Subskription ist der Bezugspreis 12—15% niedriger. Dieses Mischnawerk ist für Neu- und Alttestamentler, Juristen (Kechtsgeschichte), Folkloristen, klassische Philologen (das Griechisch und Lateinisch der Mischna) unentbehrlich. Es sollte auch von allen denen studiert werden, die das Judentum besser als bisher kennen und würdigen lernen wollen. Literarisches Zentralblatt. Zuletzt ist im Herbst 1927 erschienen: A b o t (Väter). Von K. M a r t i bearbeitet und nach seinem Tode im Mannskript vollendet und herausgegeben von G. B e e r . M. 18.— ; in der Subskr. M. 16.— Im Druck befinden sich: Tamid.

(Vom täglichen Gemeindeopfer.)

Jefoamot.

(Von der Schwagerehe.)

Bearbeitet v. 0. H o l t z m a n n .

Bearbeitet von K. H. Eengstorf.

Vorträge des Institutum Judaicum an der Universität Berlin

Entwicklungsstufen der jüdischen Religion Greßmann, Prof. D. Dr.: E i n f ü h r u n g . Elbogen, Prof. Dr.: E s r a und das n a c h e x i l i s c h e J u d e n t u m . Bergmann, Rabbiner, Dr.: Das J u d e n t u m in der h e l l e n i s t i s c h - r ö m i s c h e n Guttmann, Prof. Dr. (Breslau): Z u r E n t s t e h u n g des T a l m u d s . [Zeit. Guttmann, Prof. Dr. (Berlin): Die r e l i g i ö s e n M o t i v e in der P h i l o s o p h i e Baeck, Eabbiner, Dr.: Die M y s t i k im J u d e n t u m . [des M a i m o n i d e s . Großoktavformat — 1927 — Geh. 3.20 M., geb. 4.50 M.

Verlag von A l f r e d T ö p e l m a n n in G i e ß e n

Der Gottesdienst der Synagoge Sein Aufbau und sein Sinn Mit ausgewählten Gebeten von

Else Schubert-Christaller Oktavformat — 1927 — Geh. 2.70 M., geb. 4 M. A u s e i n e r B e s p r e c h u n g : Das Buch von Schubert-Christaller ist über jedes Lob erhaben. Es sollte als Lehrbuch im Eeligionsunterricht eingeführt werden.

Welches war die älteste Religion Israels? Von

1927

Prof. D. Dr. Georg Beer Heidelberg

1.50 M.

Materialien zum islamischen und jüdischen Eherecht mit einem Exkurs über jüdische Einflüsse auf die Hadithe von

Dr. Samuel Bialoblocki Gießen Großoktavformat — 1928 — Im Druck

Die Chronologie der Könige von Israel und Juda von

1927

Prof. Dr. Julius Lewy Gießen

a M.

Rabbinische Uebungstexte I Der Kommentar des David Qimchi zum Propheten Nahum Mit Erläuterungen und einem Wörterverzeichnis der nachbiblischen Ausdrücke von

1927

Pastor D. Walter Windfuhr Hamburg

1.30 M.

Verlag von A l f r e d T ö p e l m a n n in G i e ß e n Lippert Sc Co. G. m. b. H., Naumburg a. S.

Beihefte znr Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

W. F r a n k e n b e r g : Die Datierung der Psalmen Salomos. 1896 . . Mark 3.20 Ch. T o r r e y : Composition and Historical Value of Ezra-Nehemia. '96. . 2.40 A. T. G a l l : Altisraelitische Kultstätten. '98 5.— M. L o h r : Untersuchungen zum Buch Arnos. 1901 2.60 G. Diettrich: Eine jakobitische Einleitung in den Psalter. 'Ol . . . . 6.50 (J. Diettrich: Isö'dädh's Stellung i. d. Auslegnngsgesch. d. A. T., an s. Kommentaren zu Hosea, Joel, Jona, Sacharja usw. veranschaulicht. '02 . 7.B0 7. E. B a u m a n n : Der Aufbau der Amosreden. '03 2.40 8. G. D i e t t r i c h : Ein Apparatus criticus zur Pesitto z. Proph. Jesaja. '05. 10.— 9. E. B r e d e r e k : Konkordanz zum Targum Onkelos. '06 6.60 10. M. L o h r : Sozialismus und Individualismus im Alten Testament. '06 . . 1.— 11. J . S c h l i e b i t z : Isö'dädh's Kommentar z. Buche Hiob. Text u. Uebersetzg. '07 4.— 12. M. Peisker : Die Beziehungen der Nichtisraeliten zu Jahve. '07 . . . 2.60 13. J . M ü l l e r : Beiträge zur Erklärung und Kritik des Buches Tobit. R. Smend: Alter und Herkunft des Achikar-Romans u. sein Verhältnis zu Aesop. '08 4.40 14. F . L u n d g r e e n : Benutzung d. Pflanzenwelt in d. alttestamentl. Religion. '08 5.— 16. G. W e s t p h a l : Jahwes Wohnstätten nach den Anschauungen d. Hebräer. '08 11.— 16. A. K r o p a t : Die Syntax des Autors der Chronik, verglichen mit der seiner Quellen. Ein Beitrag zur historischen Syntax des Hebräischen. '09 . 4.— 17. A. Merx: Der Messias oder Ta'eb der Samaritaner. '09 5.— 18. W. Brandt: Die jüdischen Baptismen oder das religiöse Waschen u. Baden im Judentum mit Einschluß des Judenchristentums. '10 7.50 19. W. B r a n d t : Jüdische Reinheitslehre u. ihre Beschreibg. i. d. Evangelien. '10 2.70 20. J . H ä n e l : Die außermasoretischen Uebereinstimmungen zwischen der Septuaginta und der Peschittha in der Genesis '11 3.60 21. W. F r a n k e n b e r g : Das Verständnis der Oden Salomos. '11 5.— 22. J . Meinhold: 1. Mose 14. Eine historisch-kritische Untersuchung. '11. 1.50 23. 0 . H o l t z m a n n : Der Tosephtatraktat Berakot. Text, Uebers. u. Erklg. '12. 7.— 24. 0 . E i ß f e l d t : Der Maschal im Alten Testament. '13 3.— 25. W. Naumann: Untersuchungen über den apokryphen Jeremiasbrief. '13 2.20 26. W . F r a n k e n b e r g : Der Organismus der semitischen Wortbildung. '13 6.50 27. Studien zur semitischen Philologie und Religionsgeschichte. J u l i u s W e i l h a u s e n zum 70. Geburtstag gewidmet. Hrsgg. v. K. M a r t i . '14 22.— 28. 0 . Klein: Syrisch-griechisches Wörterbuch zu den vier kanon. E w . '16 . 6.60 29. W . Coßmann: Die Entwicklung des Gerichtsgedankens bei den alttestamentlichen Propheten '15 7.— 30. N. Messel: Die Einheitlichkeit der jüdischen Eschatologie. '15 . . . . 6.50 31. W. E i c h r o d t : Die Quellen der Genesis, von neuem untersucht. '16 . . 5.60 32. W. B a u m g a r t n e r : Die Klagegedichte des Jeremias. '17 5.— 33. Abhandlungen zur semitischen Religionsgeschichte und Sprachwissenschaft. Pestschrift B a u d i s s i n zum 70. Geburtstage. '18 . 33.— 34. Beiträge zur alttestamentlichen Wissenschaft. K a r l B u d d e zum 70. Geburtstag gewidmet. Hrsgg. v. K. M a r t i . '20 10.— 35. N. Messel: Der Menschensohn in den Bilderreden des Henoch. '22 . . 2.80 36. H. Jahnow: Das hebr. Leichenlied im Rahmen der Völkerdichtung. '23 . . 9.— 37. L. K ö h l e r : Deuterojesaja (Jesaja 40—65) stilkritisch untersucht. '23 . 3.60 38. M. L o h r : Hexateuchproblem: I. der Priesterkodex in der Genesis. '24 . —.80 39. G. H ö l s c h e r : Hesekiel, Der Dichter und das Buch. '24 10.— 40. E . L. Dietrich: Schub sch'but. Die endzeitliche Wiederherstellung bei den Propheten. '25 4.— 41. Vom Alten Testament. Festschrift K a r l M a r t i zum 70. Geburtstage. Hrsgg. von K. Budde. '25 16.— 42. J . F i s c h e r : Zur Septuaginta-Vorlage im Pentateuch. '26 2.30 43. G. K u h n : Erklärung des Buches Koheleth. '26 2.60 44. A. Allwohn: Die Ehe des Hosea in psychoanalytischer Beleuchtung. '26 4.— 45. M. L u r j e : Studien zur Geschichte der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im israelitisch-jüdischen Reiche. '27 3.40 46. N. Nicolsky: Spuren magischer Formeln in den Psalmen. '27 . . . . 6.50 47. N. Glueck: Das Wort hesed im alttestamentlichen Sprachgebrauche als menschliche und göttliche gemeinschaftsgemäße Verhaltungsweise. '27 4.— 48. K. Galling: Die Erwählungstraditionen Israels. '28 6.— 49. H. S c h m i d t : Das Gebet der Angeklagten im Alten Test. '28 . . . . 2.70 50. A. Menes: Die vorexilischen Gesetze Israels. '28 —.—

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