Die Dynastie Omri: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Israels im 9. Jahrhundert vor Christus 9783666532870, 3525532873, 9783525532874

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Die Dynastie Omri: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Israels im 9. Jahrhundert vor Christus
 9783666532870, 3525532873, 9783525532874

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Stefan Timm, Die Dynastie Omri

Im Gedenken an meinen Bruder Thomas Timm 1948-1979

STEFAN TIMM

Die Dynastie Omri Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Israels im 9. Jahrhundert vor Christus

G Ö T T I N G E N · V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T · 1982

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Ernst Würthwein 124. Heft der ganzen Reihe

CIP-KurztitelauJhahme

der Deutschen

Bibliothek

Timm, Stefan: Die Dynastie Omri : Quellen u. Unters, zur Geschichte Israels im 9. Jh. vor Christus / Stefan Timm. — Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1981. (Forschungen zur Heligion und Literatur des Alten und Neuen Testaments ; H. 124) ISBN 3-525-53287-3 NE: GT

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1982. — Printed in Germany. — Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen

VORWORT

Die vorliegende Publikation ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Dezember 1978 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen angenommen wurde. Von der Dissertation ist inzwischen das vierte Kapitel: Die territoriale Ausdehnung Israels zur Zeit der Omriden separat veröffentlicht (ZDPV, 96, 1980). Der Abschluß des Manuskripts war im Oktober 1977. Auf danach erschienene Literatur konnte leider nicht mehr näher eingegangen werden. Es ist auf sie aber teilweise in Noten hingewiesen worden. Die Arbeit ist entstanden durch die Anregung von Herrn Professor Dr. Dr. H. Donner. Ihm möchte ich an dieser Stelle für alle Hilfe von Herzen danken. Sein Anspruch und Zuspruch hat die Arbeit bis zum guten Abschluß begleitet und gefördert. Ein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. K.-H. Bernhardt. Er hat mein Interesse am Alten Testament geweckt. Die Herren Professoren D. Dr. E. Würthwein und Dr. W. Schräge nahmen die Dissertation in die Reihe Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments auf. Auch ihnen möchte ich hiermit Dank sagen. Der Druckkostenzuschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichte die Publikation in dieser Form. Ihr gilt ebenfalls mein Dank. Tübingen im November 1980

Stefan Timm

INHALT

Vorwort

5

Einleitung

9

Erster Teil: Die schematischen Angaben zu den Königen aus dem Hause Omri in den Königsbüchern 1. Kapitel: Das Formular zum Regierungsantritt 2. Kapitel: Die Beurteilung der Könige in den Königsbüchern 3. Kapitel: Die historische Notiz zu Omri Exkurs: Zum Namen „Samaria" 4. Kapitel: Die Formel vom „Übrigen an Taten" und die historische Notiz zu Ahab

Zweiter Teil: Die Erzählungen zu den Königen aus dem Hause Omri in den Königsbüchern 1. 2. 3. 4. 5.

Kapitel: Kapitel: Kapitel: Kapitel: Kapitel: Exkurs: Exkurs: 6. Kapitel: Haus 7. Kapitel: 8. Kapitel:

Die Erzählungen von lKön 17 Die Erzählungen von lKön 18 Der Karmel und sein Gott Die Erzählungen von lKön 19 Die Erzählung von lKön 21 Zur Lokalisation von Nabots Weinberg Rechtsvorstellungen der Erzählung Nachträge: Die Drohungen gegen Ahab, Isebel und Ahabs Die Erzählung über Jehus Revolution 2Kön 9/10 Samaria und Jesreel

Drittel Teil: Außerbiblische Nachrichten zum Reiche Israel unter der Dynastie Omri 1. Kapitel: Die Inschrift des Königs Mescha von Moab 2. Kapitel: Die Beziehung der Meschainschrift zum Feldzug der drei Könige 2Kön 3 3. Kapitel: Aussagen assyrischer Texte über Israel in der Zeit von Omri bis Jehu. Der Monolith Salmanassars III 4. Kapitell Die Angaben der annalistischen Texte Salmanassars III 5. Kapitel: Die tyrischen Überlieferungen Menanders bei Josephus . . . .

13 14 28 41 43 45

53 54 60 87 101 111 118 121 126 136 142

157 158 171 181 185 200

8

Inhalt

6. Kapitel: Menanders Nachrichten über Ithöbalos von Tyrus und Isebels Herkunft 7. Kapitel: Die einheimischen Texte zur Religion in Sidon und Tyrus aus klassisch-phönikischer Zeit 8. Kapitel: Die aramäischen Zeitgenossen Jorams Vierter Teil: D i e D y n a s t i e Omri in neueren Darstellungen der Geschichte Israels 1. 2. 3. 4.

224 231 241

246

Kapitel: Die Zeit der Omriden bei H. Ewald und F. Hitzig Kapitel: Die Darstellung bei J . Wellhausen Kapitel: A. San das Darstellung der omridischen Zeit Kapitel: Die Darstellung der Geschichte Israels in omridischer Zeit bei R. Kittel 5. Kapitel: Probleme der omridischen Geschichte bei A. Alt 6. Kapitel: Alte und neue Urteile über Isebel

246 252 258 262 270 288

Abkürzungen

305

Literaturverzeichnis

307

Register der Bibelstellen

337

Register der Orts- und Personennamen

351

EINLEITUNG

Ohne das Alte Testament ist eine Geschichte des Volkes Israel nicht zu schreiben. Doch sind in den letzten einhundertfünfzig Jahren neben das Alte Testament aus dem Raum des Alten Orients Forschungen und Funde getreten, die für fast jede Periode der israelitischen Geschichte neue, umwälzende Erkenntnisse gebracht haben. Durch die zunehmende Kenntnis der näheren und ferneren Umgebung des alten Israel und Juda waren auch Uberlieferungen griechischer und römischer Autoren neu zu interpretieren. Ein Spannungsverhältnis zwischen den alttestamentlichen Nachrichten und den schriftlichen und archäologischen Quellen aus dem Alten Orient bestimmt daher seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Darstellungen der Geschichte Israels. Für die Frühzeit haben sich aus Ägypten, Kanaan und Mesopotamien aber im ganzen bislang nur Parallelen zur Kultur und Lebensform der wandernden Sippen und Stämme der israelitischen Väter ergeben. Zeugnisse, die Einzelereignisse oder Einzelpersonen der vorstaatlichen Geschichte Israels nennen, sind — wenn überhaupt — nur höchst vereinzelt vorhanden und in ihrer Interpretation umstritten. David und Salomo werden außerhalb des Alten Testaments bislang in altorientalischen Quellen nicht genannt. Seit dem 9. Jahrhundert vor Christus allerdings ändert sich die Situation. Personen und Ereignisse, die das Alte Testament teils nur andeutungsweise, teils auch ausführlicher beschrieb, werden nun auch durch außerbiblische Dokumente bezeugt. Seit Mitte des 9. Jahrhunderts vor Christus regierte in Israel die Dynastie der Omriden. Die alttestamentlichen Texte sollen im Folgenden daraufhin befragt werden, was sie zu den Geschehnissen dieser Zeit zu sagen wissen. Dabei gilt den annalistischen Angaben eine besondere Aufmerksamkeit. Sind doch diese Königsnamen und chronologischen Angaben der eigentliche Kern der israelitischen und judäischen Geschichtsdarstellung, um den herum sich die lebendigeren Erzählungen gruppieren. Die erzählerischen Texte der Königsbücher zu den Königen Omri, Ahab, Ahasja und Joram sind demgegenüber vielfach anders ausgerichtet. Für eine Frage nach den historischen Ereignissen, die diese Erzählungen zur Vorgabe hatten,

10

Einleitung

können Untersuchungen zur sprachlichen und stilistischen Formung der Erzählungen weitgehend zurücktreten. Solche Untersuchungen gehören eher in den Bereich einer Geschichte der israelitischen und judäischen Erzählkunst. Neben die alttestamentlichen Nachrichten gehören die außerbiblischen Texte. Sie sollen so weit wie möglich selbst zu Worte kommen. Damit tritt ihre eigene Blickrichtung und Beurteilung der Ereignisse besonders heraus. Im Kontrast zu den alttestamentlichen Nachrichten heben sich deutlich ihre Differenzen ab. — Aus Nachrichten, die Josephus zur Geschichte der tyrischen Nachbarn Israels überliefert, werden noch bis in neuere Darstellungen hinein Schlußfolgerungen für die Geschichte Israels gezogen. Auch diese Uberlieferungen sollen daher noch einmal in ihrem eigenen Kontext dargestellt werden. Eine Darstellung der schriftlichen Uberlieferungen zur Geschichte Israels ist unvollständig, sofern die archäologischen Funde und Ergebnisse unberücksichtigt bleiben. Die Methoden der Archäologie haben sich in den letzten fünfzig Jahren so verfeinert, daß heutige Grabungen ganz andere Schlußfolgerungen zulassen als frühere. Die laufenden Ausgrabungen im alten Reichsheiligtum Dan lassen noch einiges an Funden erwarten. Von dieser Ausgrabimg her könnte noch mancher frühere Fund neu zu interpretieren sein. Ein detaillierter Vergleich der neuen Funde mit denen früherer Ausgrabungsstätten des Nordreiches kann hoffentlich von den Ausgräbern Dans vollzogen werden. Die wirtschaftliche und politische Kraft des Staates Israel unter den Königen aus dem Hause Omri hängt zusammen mit der Größe des Staatsgebietes. Die Sicherung der Landesgrenzen war eine der Hauptaufgaben der israelitischen und judäischen Könige. In einem eigenen Abschnitt ist solchen Auseinandersetzungen um die Landesgrenzen nachzugehen.1 Schließlich ist in einem letzten Teil aufzuzeigen, wie sich durch die Funde und Inschriften aus dem Alten Orient seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Bild der israelitischen Geschichte verändert hat. Auch spätere Jahrhunderte der israelitischen und judäischen Geschichte sind erst durch die altorientalischen Funde in ein helles Licht getre1 Das Kapitel über die territoriale Ausdehnung Israels zur Zeit der Omriden ist inzwischen separat publiziert in der ZDPV, 96 (1980), S. 2 0 - 4 0 .

Einleitung

11

ten. Aber für keinen anderen Abschnitt der israelitischen Geschichte gehen die Urteile der alttestamentlichen Autoren und der außerbiblischen Texte so weit auseinander wie für die Zeit unter Omri und seinen Nachfolgern. So war nach den biblischen und außerbiblischen Zeugnissen die Zeit, in der das Königshaus Omri über Israel herrschte, eine besondere Epoche.

ERSTER TEIL

DIE SCHEMATISCHEN ANGABEN ZU DEN KÖNIGEN AUS DEM HAUSE OMRI IN DEN KÖNIGSBÜCHERN

Die Geschichte der Reiche Israel und Juda, wie sie in den Büchern der Könige (lKön 11,41— 2Kön 25) beschrieben wird, ist und bleibt die Grundlage für jede moderne Darstellung der Geschichte beider Reiche. Soweit es sich überprüfen läßt, sind in der Darstellung der Königsbücher keine Könige, weder des Nordreiches noch des Südreiches, übergangen worden, selbst wenn sie nur sieben Tage regiert haben (lKön 16,9ff). Doch sind in die Geschichtsdarstellung der Königsbücher nicht alle damals zur Verfügung stehenden Angaben aufgenommen — andere wahrscheinlich unterdrückt worden. So werden z.B. von anderer Seite teilweise andere Königsnamen genannt: statt Ahas von Juda (2Kön 15,38; 16,Iff) findet sich in den Annalen von Tiglat-Pileser III. für diesen König der Name Jehoahas 1 . Mit König Schallum von Juda, dem Sohn von Joschija, zur Zeit Jeremias (Jer 22,1 l f ) , ist offenbar Joahas, der Sohn Joschijas (2Kön 23,30f), identisch. Durch die Form, die die Geschichtsdarstellung in den Königsbüchem hat, kommt in den Ablauf der Geschichte der beiden Reiche eine gewisse Monotonie und Stereotypie. Von jedem König findet sich — formelhaft — eine Aussage, wann er zur Regierung gekommen sei, wie lange und wo er regiert habe, daß er das, was nicht gut bzw. was gut in den Augen Jahwes ist, getan habe und daß weiteres über den König im „Buch der Annalen der Könige von Israel" bzw. „Juda" nachzulesen sei 2 . Dieser Hinweis des Verfassers des Rahmenwerkes der Königsbücher, des „Deuteronomisten" 3 , auf eigene Quellen be1 TGI2 S. 59f; ANET 3 S. 282af. 2 Vgl. etwa lKön 15; 2Kön 15. 3 Dies gilt auch bei der Annahme mehrerer „Deuteronomisten". Vgl. dazu: J. Debus, Die Sünde Jerobeams: Studien zur Darstellung Jerobeams und der Geschichte des Nordreiches in der deuteronomistischen Geschichtsschreibung,

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Die schematischen Angaben

rechtigt dazu, die Frage zu stellen, ob wirklich in seiner schematischen Darstellung der Regierungszeit eines jeden Königs amtliches Material verarbeitet ist und ob es sich eventuell noch herausarbeiten ließe 4 . Ließe sich diese Frage eindeutig positiv beantworten, so käme uns damit vordeuteronomistisches Material zur Hand, das als wichtigste Quelle zur israelitischen und judäischen Geschichte anzusehen wäre. Im Folgenden soll daher ein Versuch gemacht werden, aus den schematischen Angaben zu den Königen aus dem Hause Omri die vordeuteronomistischen Angaben zu erheben. Da die Berichte über die Regierungszeit der Könige im Norden und im Süden jeweils in drei Teile zerfallen: eine Angabe über den Antritt und die Dauer der Regierung (Antrittsformular), eine Beurteilung des Königs aus der Sicht des „Deuteronomisten" und eine formelhafte Wendung über den „Rest der Taten" soll hier in drei Schritten diesen Aussagen über die Könige Omri, Ahab, Ahasja und Joram nachgegangen werden.

1. Kapitel: Das Formular zum Regierungsantritt Noch vor die Frage nach dem authentischen Material, das sich möglicherweise im Antrittsformular der vier israelitischen Könige aus dem Hause Omri findet, gehört jedoch eine Frage nach dem Formular als solchem. Dabei zeigt sich, daß für die Könige von Juda : Joram ( 2Kön 8,16f), Ahasja (2Kön 8,25f), Amazja (2Kön 14,lf), Asaija (2Kön 15,lf), F R L A N T , 93 (Göttingen, 1967), S. 109ff; R. Smend, „Das Gesetz und die Völker — Ein Beitrag zur deuteronomistischen Redaktionsgeschichte", in: Probleme biblischer Theologie, Gerhard von Rad zum 70. Geburtstag, Hg. H. W. Wolff (München, 1971), S. 4 9 4 - 5 0 9 ; H. Weippert, „Die .deuteronomistischen' Beurteilungen der Könige von Israel und J u d a und das Problem der Redaktion der Königsbücher", Biblica, 53 (1972), S. 3 0 1 - 3 3 9 (S. 301ff); W. Dietrich, Prophetie und Geschichte; Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung zum deuteronomistischen Geschichtswerk, F R L A N T , 108 (Göttingen, 1972), S. 134ff u.a. 4 Das gilt um so mehr, da von der offiziellen israelitischen und judäischen Historiographie nichts bekannt ist. Nicht ein Feldzugsbericht, wie sie aus Mesopotamien und Ägypten in Fülle überliefert sind, ist in die Darstellung der Königsbücher eingegangen.

Das Formular zum Regierungsantritt

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J o t a m (2Kön 15,32f), Ahas (2Kön 1 6 , l f ) und Hiskija (2Kön 1 8 , l f ) ein einheitliches Antrittsformular verwendet worden ist, das sich etwa so abstrahieren ließe: . . . I*?» ^ m w .. . p . . .V . . . ruffa .. . ι » « owl D'avrà -j^a r w . . .1 laVaa .. .rrn m » . . . ja, min·· i ^ a .. . p . . . ρ .. .na.Innerhalb dieses Antrittsformulars sind noch eine Reihe von Angaben — besonders im Vergleich der L X X mit dem MT — variabel 5 . Betrachtet man die Bestandteile des Formulars, die kaum veränderbar sind, als ein Minimum, so bliebe folgendes „Minimalformular": laVaa rrn m w . . . p ( . . . p ) . . . Y?a ( . . . p ) . . . V . . . m w a D ^ P l T a l ^ a TW.. .1. Dieses „ M i n i m a l f o r m u l a r " i s t syntaktisch durch den zweimaligen Gebrauch des Wortes "[Va in der gleichen Verbalform charakterisiert 6 . Inhaltlich ist es gekennzeichnet durch die Datierung nach der Regierungszeit eines anderen Königs (Synchronismus), durch die häufige, aber nicht ständige, genealogische Angabe zum neuen Throninhaber, daß er „Sohn von N N " sei und durch die Angabe des Alters bei Regierungsantritt (laVaa) 7 . Nicht für jeden König Israels oder J u d a s wird nach diesem „Minimalschem a " ein Herrschaftsgebiet benannt 8 . Nur für den judäischen König ist die Genealogie „Sohn von N N " relativ fest im Formular verankert. Für den israelitischen König wird der Vatersname (im MT)

s Die Unterschiede innerhalb des Formulars — im MT und LXX! — sollen hier nicht in extenso vorgeführt werden. Es sei aber verwiesen auf das Fehlen der Filiation bei Ahasja (2Kön 8,25 LXX) und Jerobeam II. (2Kön 15,1), das Fehlen von V s i » ' V» bei Ahas (2Kön 16,lf), von t?8HP'' 1*78 bei Ahasja (2Kön 8,25 LXX), des Namens der Königsmutter bei Ahas (2Kön 16,2) und ihrer Herkunft bei Jotam (2Kön 15,33) und Hiskija (2Kön 18,2), den Zusatz *ΓΡΠ in der LXX bei Ahasja (2Kön 8,26) und Ahas (2Kön 16,2) und den Zusatz eines Namens im Formular zu Joram (2Kön 8,16f), Amazja (2Kön 14,lf), Asarja (2Kön 15,lf), Jotam (2Kön 15,33f) und Hiskija (2Kön 18,1) in LXX (Luc). 6 Einem erweiterten Minimalschema könnten die Antrittsformulare für die Könige Abija (lKön 15,lf) und Asa (lKön 15,9) zugeordnet werden. Doch treten bei beiden Königen noch neue Varianten auf. 7 Für den hiesigen Zusammenhang ist ohne Bedeutung, ob der Regierungsantritt nur als formelle Übernahme der Regierungsgeschäfte zu denken ist, oder ob eine offizielle Investitur erfolgte. Zu dieser Problematik vgl. Κ. T. Andersen, „Die Chronologie der Könige von Israel und Juda", Studia Theologica, 23 (1969), S. 5 9 - 1 1 5 (S. 76ff). 8 Tatsächlich fehlt VK'W "J*?a und ΓΠ1ΓΓ "jVa nur bei Ahasja (2Kön 8,25 LXX) und Ahas (2Kön 16,1).

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Die schematischen Angaben

nicht an allen Stellen genannt 9 . — Sprachlich ist in dem kurzen Formular der hebr. Verbalstamm "jVa dreimal gebraucht. In der deutschen Übersetzung läßt sich die Gleichheit der hebräischen Verbalformen in der ersten und zweiten Hälfte des Formulars nicht wiedergeben 10 . Der Sinn des ersten "J1?» kann nur sein, daß NN im . . . Jahr von NN zur Macht gelangte und Herrscher wurde. Der des zweiten •j^ö ist, daß NN die königliche Herrschaft für eine Dauer von . . . Jahren innehattel Diese Bedeutungsverschiebung desselben Verbums innerhalb des Formulars dürfte darin ihre Ursache haben, daß das Schema selbst schon eine Geschichte hat 1 1 . Die schematische Formulierung selbst ist also keine authentische Wiedergabe eines amtlichen Wortlautes. Für die jüdäischen Könige, deren Regierungszeit nach dem Untergang des Staates Israel liegt, muß im Antrittsformular notwendigerweise ein Verweis auf das Regierungsjahr des Nachbarkönigs fehlen. Das Antrittsformular für die jüdäischen Könige Manasse (2Kön 21,1), Amon (2Kön 21,19), Joschija (2Kön 22,l),Joahas (2Kön 23,31), Jojaki:n (2Kön 23,36), Jojachin (2Kön 24,8) und Zidkija (2Kön 24,18) ließe sich so abstrahieren 12 : ^Va awm/ìlìV .. .1 IsVaa . . . r w .. . p . . . ] » . . .ria... lax ûffl a^EVra.Dieses Formular ist eine Variation des obigen Minimalschemas 13 . Auch hier wird keine Angabe über den Herrschaftsbereich gemacht. Nur der Amtssitz ist genannt. Weder in dieses Schema noch in das obige der jüdäischen Könige von Joram bis Hiskija läßt sich die Antrittsformel für die ersten vier Könige von Juda: Rehabeam (2Kön 14,21), Abija ( l K ö n 15,If), Asa (lKön 15,9f) und Joschafat (lKön 22,41f) eingliedern 14 . Für die ersten Könige von Juda werden jeweils variierte (vgl. LXX!) Antrittsformulare gebraucht, die nicht auf ein einheitliches Formular zurückgeführt werden können. 9 Vgl. Jerobeam (2Kön 15,1); anders LXX zur Stelle! 10 Vgl. die Schwierigkeiten der LXX. 11 Zu Vorformen des Antrittsformulars in den Büchern Josua, Richter und Samuel vgl. Sh. R. Bin-Nun, „Formulas from the Royal Records of Israel and Judah", VT, 18 (1968), S. 4 1 4 - 4 3 2 . 12 Auch für dieses Antrittsformular kann das Material hier nicht in extenso ausgebreitet werden. Ein Verweis auf die Varianten der LXX zu Joahas (2Kön 23,31), Jojakim (2Kön 23,36), Jojachin (2Kön 24,8) und Zidkija (2Kön 24,18) und auf Manasses (2Kön 21,1) und Zidkijas (2Kön 24,18) Formel muß genügen. 13 Nur bei Ahas (2Kön 16,1) fehlte eine Angabe über seine Mutter. 14 Siehe auch oben S. 15 Anm. 6.

Das Formular zum Regierungsantritt

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Das Vorangegangene sollte deutlich gemacht haben, daß man nicht von einem einheitlichen Antrittsformular der judäischen Könige sprechen kann 1 5 . Mindestens zwei 16 Formen liegen vor, die zwar vielleicht nur Variationen desselben Verfassers sind, neben sich aber noch weitere abweichende Formulierungen für die ersten (vier bis sechs) Könige des Reiches Juda stehen haben. Ist schon die Form des Regierungsantrittsformulars von Rehabeam bis Ahasja noch variabel, so sind es die inhaltlichen Angaben zu diesen Königen in noch größerem Maße 17 . Die Untersuchung zur Chronologie von Κ. T. Andersen hat deutlich gemacht, daß eine Analyse der chronologischen Angaben zu den Königen von Israel und Juda zu einem besseren Ergebnis kommen kann als frühere Untersuchungen zur Sache, wenn man von einem chronologischen Fixpunkt in der Zeit von Joram von Juda ausgeht 18 . Wenn sich jener Arbeit, die rein chronologisch vorging, nun zur Seite stellen läßt, daß die Antrittsformulare der ersten sechs Könige Judas nicht streng schematisch gebaut sind, und ihnen somit kein amtlicher Wortlaut vorgegeben war, so ist das als Bestätigung des dortigen Ergebnisses zu werten. Nach diesem Blick auf das Antrittsformular der judäischen Könige ist nun zu fragen, ob auch für den Regierungsantritt der israelitischen Könige eine schematische Formulierung vorliegt, oder ob auch zu ihnen — wie bei den ersten sechs Königen von Juda — jeweils eine Formulierung ad hoc geprägt wurde, die aber nicht auf amtliche Formulierungen zurückgeht. Für neun israelitische Könige nach Jehu 1 9 : Joahas (2Kön 13,l),Joasch (2Kön 13,10), Jerobeam II. is Gegen Sh. R. Bin-Nun, „Formulas", S. 419f. 16 Zu einem weitgehend anderen Ergebnis über das Formular kam seinerzeit J. Begrich, Die Chronologie der Könige von Israel und Juda und die Quellen des Rahmens der Königsbücher, BhTh, 3, Tübingen, 1929. J. Begrich meinte, mehrere quellenhafte Formulierungen rekonstruieren zu können. Seine Ergebnisse halten einer kritischen Nachprüfung jedoch nicht stand. Vgl. auch zur Sache E. Cortese, „Lo Schema Deuteronomistico per i Re di Giuda e d'Israele", Biblica, 56 (1975), S. 3 7 - 5 2 . 17 Vgl. die besonderen Berechnungen der LXX: J. D. Shenkel, Chronology and Recensional Development in the Greek Text of Kings, Cambridge/Mass. 1968. ι» Vgl. Κ. T. Andersen, „Die Chronologie", S. 78f. 19 Für Jehu selbst fehlt im MT ein Antrittsformular wegen der Einschaltung der Erzählung von 2Kön 9—10. Anders aber die lukianische Rezension der LXX

18

Die schematischen Angaben

(2Kön 14,23), Sechaija (2Kön 15,8), Schallum (2Kön 15,13), Menahem (2Kön 15,17), Pekachja (2Kön 15,23), Pekach (2Kön 15,27) und Hoschea (2Kön 17,1) ließe sich tatsächlich ein Formular wie folgt schematisieren: V» . . . ρ . . . 1*?» ΓΠΊίΓ . . . V . . . nwa . . .a'a'' /tTBHn/fW... VíníV. Doch liegt nahezu jeder Bestandteil dieses Antritts „formulare" 20 in Variationen vor. Versucht man das gemeinsame Minimum herauszustellen, so ergibt sich: . . mira .tra-'/crmn / n a » . . . ] n a ® a . . . ρ . . . η1?» m i r r γ ? » . . . Eine solche Form des Antrittsformulars unterscheidet sich formal in einem wesentlichen Punkt von dem der judäischen Könige: Das Antrittsformular hat die Form eines Satzes. In ihm tritt nur einmal eine Verbalform von "jVa auf. Im Deutschen wäre der Satz wiederzugeben mit: „Im Jahr . . . von NN, dem König von Juda, kam NN, der Sohn von NN, in Samaria für . . . Jahre/Monate/Tage als König zur Macht." Dabei sind der tatsächliche Regierungsantritt und die Dauer der Regierung in einen Satz zusammengezogen. Einen quellenhaften Charakter hat eine solche Formulierung nicht. Inhaltlich sind die Unterschiede zum judäischen Formular noch größer. Bei keinem der israelitischen Könige wird eine Angabe darüber gemacht, wie alt der König bei seinem Regierungsantritt (iD^aa) war. Und bei keinem der israelitischen Könige gibt es eine Angabe über den Namen und die Herkunft der Königsmutter 21 . Für diesen Sachverhalt sind mehrere Erklärungen möglich. Eine wäre, daß die Form des israelitischen Antrittsformulars auf ältere, vorgezu 2Kön 10,36: èv 'έτει δευτέρω της Γοθολίας βασιλεύει Κύριος τον Ίου υ'ών Ναμεσσβί. 20 Vgl. z.B. den Anfang des Formulars bei Schallum (2Kön 15,13), das Fehlen der Filiation für den israelitischen König in den Formularen 2Kön 13,10; 15,8, 13,17,23,27; 17,1, das Fehlen von V m ® ' b s bei Joahas (2Kön 13,1 (LXX)), Joasch (2Kön 13,10 ( L X X ) ) und Schallum (2Kön 15,13), den Stellenwechsel der Angabe über den Regierungssitz innerhalb des Formular u.a.m. — Aus dem Fehlen oder Vorhandensein von Π1® nach der synchronistischen Angabe zum judäischen König hatte seinerzeit J . Begrich (Chronologie, S. 179f) auf jeweils eine andere Quelle für die Formulierung des Antrittsformulars geschlossen. Doch ist das verfehlt, weil die Setzung bzw. das Fehlen von Π11Ρ mit der Höhe der Zahlen zusammenhängt. In den Synchronismen erscheint ΠΙ® im MT nie bei Zahlen unter 10, bei Zahlen über 20 immer, bei Zahlen zwischen 10 und 20 ist der Gebrauch wechselnd. 21 Im Formular der judäischen Könige fehlt die Angabe nur bei Joram (2Kön 8,18).

Das Formular zum Regierungsantritt

19

gebene Quellen zurückgeht. Die formalen Veränderungen gegenüber dem Schema der judäischen Könige wären dann darin begründet, daß gewisse Aussagen zu den israelitischen Königen schon in den vorgegebenen Quellen gefehlt hätten 22 . Diese Erklärung befriedigt jedoch insofern nicht, weil sie die Frage nur dahin verschiebt, warum solche Angaben in den judäischen Quellen vorhanden waren, in den israelitischen jedoch nicht. Eine andere Erklärung wäre die, daß die inhaltlichen Angaben z.B. über die Königsmutter deswegen fehlen, weil die Sache, das Amt der Königsmutter, nicht so stark in der Struktur des Nordreiches verwurzelt gewesen ist wie im Staate Juda 23 . Das müßte dann aber auch vom „Regierungsantritt" (isVaa) gelten, denn von keinem israelitischen König wird ein solcher gemeldet. Doch läßt sich das Fehlen der Sache „Regierungsantritt" ("oVaa) für den Staat Israel nicht gerade wahrscheinlich machen, auch wenn die einschlägigen Nachrichten über die Investitur eines Königs sich hauptsächlich auf Saul, David (lSam 9; 10,17ff; 16; 2Sam 2) und Salomo (lKön 1 - 2 ) oder auf andere Könige von Juda (2Kön 11) beziehen. U.E. wurde ein Israelii aber nicht schon dadurch „König", wenn er funktional dessen Macht ausübte, sondern erst dann, wenn er durch eine offizielle Investitur dazu legitimiert worden war. D.h. auch im Nordreich, Israel, wäre mit der Sache „Regierungsantritt'^ isVaa) zu rechnen 24 . Ähnliches müßte dann auch vom Amt der Königsmutter angenommen werden. Mindestens in der Zeit der Könige Ahasja und Joram hat dieses Amt ja auch in Israel bestanden 25 . Das Fehlen von Angaben über das Alter des Königs bei Regierungsantritt (laVna) und über die Königsmutter im Antrittsformular für alle israelitischen Könige sollte daher nicht auf das Fehlen dieser beiden Institutionen im 22

So J. Begrich, Chronologie, passim; vgl. Sh. R. Bin-Nun, „Formulas", S. 420ff. 23 So H. Donner, „Art und Herkunft des Amtes der Königinmutter im Alten Testament", Festschrift J. Friedrich (Heidelberg, 1959), S. 1 0 5 - 1 4 5 (S. 107). 24 U.E. kann man unter diesem Aspekt die siebentägige Königsherrschaft Simris (lKön 16,11) durch eine Investitur legitimiert sehen, während der funktionalen Herrschaftsausübung des (Teil-) Königs Tibni (lKön 16,21ff) jegliche offizielle Legitimation fehlte. 25 Isebel wird 2Kön 10,13 eindeutig als Königsmutter ( n v a i ) bezeichnet — zwar im Mund von Judäern, aber die Erzählung selbst stammt sicher nicht aus Juda.

20

Die schematischen Angaben

Nordreich zurückgeführt werden. Es hat seine Ursache entweder in mangelhafter Kenntnis der israelitischen Quellen für den, der das Antrittsformular für die israelitischen Könige entworfen hat, oder — wahrscheinlicher — es liegt eine bewußte Auslassung solcher Angaben für die israelitischen Könige vor. Mit der Auslassung einer Angabe über den offiziellen Regierungsantritt für die israelitischen Könige wurde ihrem Königtum die Legitimation entzogen und gleichzeitig mit der Unterdrückung einer Angabe über die Königsmutter die Diskontinuität des nordisraelitischen Königtums betont. Auf diese Weise wird schon im deuteronomistischen Antrittsformular das israelitische Königtum diskreditiert. Blickt man von dem Antrittsformular der israelitischen Könige, die nach Jehu amtiert haben, auf das der Könige, die vor Jehu regierten, so fällt sogleich auf, daß für Jerobeam ben Nebat ein Antrittsformular überhaupt fehlt. Es hätte aber sehr gut nach lKön 12,20 eingeschaltet werden können, nachdem berichtet war, wie es zu den beiden Königtümern kam. Daß man jedoch gar keine Einführungsformel für Jerobeam gegeben hat, ist eine überaus starke Diskreditierung des ersten Nordreichskönigs. Das liegt ganz auf der Linie des „Deuteronomisten", der in seinen Beurteilungen immer wieder auf die Sünde(n) Jerobeams zurückweist. Ohne daß diesem König ein Antrittsformular zugebilligt wird, folgen ihm doch eine Reihe von Regenten nach. Wenn schon Jerobeam nicht formell eingeführt wird, ihm aber doch weitere Herrscher folgen, dann werden auch diese von dem Fehlen eines offiziellen Antrittsformulars mitbetroffen 2 6 .

Für die israelitischen Könige von Jerobeam bis Simri läßt sich kein einheitliches Antrittsformular feststellen. Für Jerobeam fehlt es ganz, für Nadab (lKön 15,25) weicht es von der sonstigen Form stark ab, für Bascha (lKön 15,33) ist es wieder dem sonstigen „Formular" ähnlich; für Eia und Simri bietet die LXX einen wesentlich anderen Text. Daß diese Verschiedenheit auf einen amtlichen Wortlaut zurückzuführen sei, ist ganz unwahrscheinlich. Nach diesem Durchgang durch das Formular der judäischen und israelitischen Könige zum Regierungsantritt sei als Zwischenergebnis 26

Die Wendung, daß die Könige von Israel auf dem Weg und in der Sünde (den Sünden) Jerobeams wandelten, hat zwar zuerst einen religiösen Sinn, womit sie auf den Kult des Nordreiches zielt, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß diese Formel auch die Nachfolge im illegitimen Königtum Jerobeams vermerken will.

Das Formular zum Regierungsantritt

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festgehalten: Für das Nordreich und das Südreich werden verschiedene Antrittsformulare gebraucht. Innerhalb des Formulars für die Könige des Nordreichs wird für die Könige nach Jehu relativ schematisch verfahren. Bei den Königen vor Jehu wird meist ad hoc ein besonderes Antritts „formular" gebildet. Dies ist wahrscheinlich schon bei Jerobeam (völliges Fehlen eines Antrittsformulars), sicher aber bei Simri durch die Ereignisse zur Zeit des jeweiligen Herrschers begründet, nicht aber durch quellenhafte Formulierungen vorgegeben gewesen. Die innerhalb des „Formulars" vom MT und der LXX für diese Könige einheitlich überlieferten Angaben sind: die Königsnamen, die Dauer der Regierung und der jeweilige Regierungssitz. Nur diese Aussagen des Formulars können daher als historisch gesichert gelten. Im Folgenden sollen nun die Antrittsformeln der vier Könige aus dem Hause Omri genauer untersucht werden. Die Antrittsformel für König Omri l K ö n 16,23 lautet: dV?B? DIPS 30 nw? mir» d - w "rrner n a » -f?» 2 9 m w η1?» κοκ1? 28mtp 2 7 ηπκι CIS? W -[Va n s i n a . Diese Antrittsformel ist — bis auf die letzten drei Wörter 3 1 — dem Antrittsformular der Könige nach J e h u 3 2 parallel gebaut. Das, was oben über die Herkunft jener Antrittsformel gesagt war, muß auch hier gelten: d.h. die Formulierung ist nicht amtlichen Unterlagen entnommen. Zum israelitischen König wird im Antrittsformular diesmal keine Angabe gemacht, wie der Vater des Königs hieß. So wissen wir über Omris Herkunft nichts. Der Name: n a » ist nach dem Hebräischen kaum zu deuten. Die Wurzel *i»y I „geschnittene Ähren sammeln" (Ps 129,7) kommt zur Namensbildung wohl nicht in Frage, da sie selbst erst eine sekundäre Bildung ist 3 3 . Die Wurzel II „sich gewalttätig benehmen" 27 LXX (M et alii) bieten 27; Josephus und andere MSS 20. 28 In LXX (B), (Luc) fehlt Π1Β?. Vgl. dazu Anm. 20. » LXX (B) KOK "I1?» ohne m i n · · statt -[V» KOK. 30 LXX (B), (Luc) u.a. bieten für Simri wie für Omri die gleiche Namensform: Σαμβρβί. Vgl. dazu etwa die LXX-Wiedergabe Σωφείρ anstelle von MT VDK. 3 « Dazu siehe unten S. 23f. 32 Siehe oben S. 17f. 33 L. Koehler / W. Baumgartner, Lexicon in Veteris Testamenti Libros, 2. Aufl. (Leiden, 1958), s.v. 1 S Ï II.

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Die schematischen Angaben

ist nur im Hitp. belegt und dürfte ebenfalls für die Namensetymologie ausscheiden. Auch im kanaanäischen Sprachraum der Zeit, genauer: im phönikisch-punischen, fehlt bislang eine sicher vergleichbare Namensform 3 4 . So hat man eine nicht-hebräische Herkunft des Namens Omri in Erwägung gezogen 3 5 und seinen Namen vom arabischen Onomastikon 3 6 her erklären wollen 3 7 . Angesichts der Schwierigkeiten mancher hebräischen Namensetymologie ist aber die Ableitung des Könignamens n a y — den gleichen Namen hatten nach IChr 7,8; 27,18 issacharitische Sippenoberste 3 8 und auch ein Judäer IChr 9,4 — aus dem (Früh-) Arabischen unwahrscheinlich. Auch die Herkunft Omris aus dem kanaanäischen Bevölkerungsteil Israels läßt sich vom Onomastikon her nicht erhärten 39 . Als Herrschaftsbereich Omris wird, — anders als etwa bei Simri, — „über Israel" angegeben. Diese Bezeichnung ist zwar im Antritts„formular" nahezu stereotyp, hat aber in diesem Fall wohl den Sinn, daß nach dem Bruderkrieg mit Tibni das gesamte Reichsgebiet Israels wieder einer einheitlichen Verwaltung unterstand. Für die Dauer der Regierungszeit Omris werden im MT und der L X X zwölf Jahre überliefert. Diese Gesamtregierungsdauer kann somit als historisch gelten. Fraglich war hingegen schon den Chronologen des MT und der LXX der Regierungsbeginn des Königs. Setzt man ihn — wie indirekt der MT — in das 28. Jahr Es finden sich die „punischen" Namensformen 'MR (El-Hofra 5), 'MRN (CIS 5945:1), 'MRRN (?) (CIS 2481:3f), 'MRT (CIS 6068:3). Sie sind nur bedingt vergleichbar, da einerseits über den phonetischen Wert des Zeichens V im Punischen Zweifel bestehen, andererseits mit starken nichtpunischen Einflüssen in diesen Inschriften zu rechnen ist. 3 5 Zuerst wohl R. Kittel, Geschichte des Volkes Israel, Bd. 2: Das Volk in Kanaan, 6. Aufl. (Gotha/Stuttgart, 1925), S. 233. 3 6 Vgl. die Wurzel jS- I „lange leben", j^S II „gedeihen, bewohnt sein": H. Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, 3. Aufl. (Leipzig, 1958), s.v. und die arabischen Namen 'Amr, 'Omar u.a. 3 7 M. Noth, „Gemeinsemitische Erscheinungen in der israelitischen Namensgebung", ZDMG, 81, NF. 6 (1927), S. 1 - 4 5 (S. 20 A 2); ders., Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung (1928; Nachdruck Hildesheim, 1966), S. 63; ders., Könige 1, I.Kön 1 - 1 6 , Biblischer Kommentar Altes Testament, IX, 1 (Neukirchen-Vluyn, 1968), S. 348f. 3 8 Siehe dazu auch unten S. 263f. 3 9 Gegen J . Gray, I and II Kings, A Commentary, The Old Testament Library, 2. Aufl. (London, 1970), z.St. 34

Das Formular zum Regierungsantritt

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Asas 40 , so hätte Omri nach dem Tode Tibnis nur acht Jahre allein regiert 41 . Ob diese Zeitspanne wirklich für die Konsolidierung des Staatswesens nach der Zerrüttung durch Simri und Tibni und für die Grundlegung einer neuen Politik genügt hat, ist kaum zu entscheiden 42 . Nach lSam 13,1 soll auch Sauls Königtum nur zwei Jahre betragen haben 4 3 und es hat sich doch unauslöschlich in das Bewußtsein des Volkes eingeprägt. S o m ö g e n auch nur acht Jahre für Omri als Alleinherrscher genügt haben, u m das Reich z u festigen und die Grundlagen einer n e u e n Staatspolitik z u legen. Ein Teil des Neuanfangs war die Gründung einer n e u e n Residenz: Samaria. S c h o n im Antrittsformular zu Omri wird indirekt darauf hingewiesen, daß Omri s o w o h l v o n Tirza als auch v o n Samaria aus den R e i c h regierte. Zwar sagt der T e x t tatsächlich nur, daß Omri in Tirza sechs Jahre als K ö n i g regierte (ΠΧΊΓΙ3 Qijtp ρ® ) — die Regierungszeit in Samaria ergibt sich aber nach dieser Angabe v o n selbst. Ähnlich wie bei Jerobeam ben Nebat, dem kein offizielles Antrittsformular zugebilligt wurde, fehlt auch für Omris Herrschaft von Samaria aus eine wörtliche Aussage. Wie Jerobeam durch das Fehlen der Antrittsformel diskreditiert wurde, so bekommt auch Omris Regierung von Samaria ein negatives Vorzeichen. Von seiner Regierung wird im Antrittsformular hervorgehoben, daß der bisherige Regierungsort verlassen wurde! A u s d e m Antrittsformular des israelitischen Königs Omri ist zuerst sein N a m e zu e n t n e h m e n . Als Gesamtdauer seiner Regierung w e r d e n weiterhin z w ö l f Jahre überliefert. D a v o n amtierte er die H ä l f t e in Tirza. D i e dürren Angaben des Antrittsformulars für Omri lassen in 40 Vgl. K. T. Andersen, „Die Chronologie" (Anm. 7), S. 81f. Vg1· J · Begrich, Chronologie, S. 81. 42 Die Frage hängt mit davon ab, wie man die Zeit der Rivalität zwischen Tibni und Omri beurteilt. Trotz der fragwürdigen Angabe des MT, daß Omri im 31. Jahr Asas „König wurde" ("[Vö) plädieren die meisten neueren Kommentatoren für eine vierjährige Teilherrschaft Tibnis, vgl. M. Noth, Könige, S. 351; J . Gray, I and II Kings, 2. Aufl. z.St.; J . A. Soggin „Tibni, King of Israel in the First Half of the 9th Century BC.", Old Testament and Oriental Studies, Biblica et Orientalia, 29 (Roma, 1975), S. 5 0 - 5 5 ; E. Würthwein, Das Erste Buch der Könige, Kapitel 1 - 1 6 , ATD, 11(1), (Göttingen, 1977), S. 198. Für ein kaum einjähriges Zwischenspiel setzt sich auf Grund chronologischer Erwägungen ein K. T. Andersen, „Die Chronologie", S. 81. Dabei hat er den LXX-Zusatz lKön 16,22b allerdings außer Betracht gelassen. « Vgl. dazu M. Noth, Geschichte Israels, 6. Aufl. (Göttingen, 1966), S. 163; H.-J. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, Kommentar zum Alten Testament, Bd. VIII, 1 (Gütersloh, 1973), S. 243, 246f.

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Die schematischen Angaben

keiner Weise vermuten, welche Bedeutung dieses Königshaus für den Staat Israel noch gewinnen sollte. Auch für die Nachfolger Omris auf dem Thron, seinen Sohn Ahab und seine Enkel, Ahasja und Joram, bietet das Antrittsformular nicht mehr an Aussagen. Das Antrittsformular für König Ahab lautet (lKön 16,29 MT): ^ni» ma»i aV?» mea Vmr· •?» 1*7» n a » μ annxi ατίΕη an»» jna»a Vmsr V» n a y ρ axnx 45']l?a,i mm·' -[Va xox1? ni». Der Text, den die LXX (B, Luc) 46 an dieser Stelle bietet, ließe sich wie folgt ins Hebräische zurücktransponieren: öB®in,l7 BT» ni»3 a n » » pia»a Vx-i»·- V» 48 i t ?a ,, i n a » μ axns -|Va ^(min·· ^Va) .ni» a n » i Das Formular des MT ist ungewöhnlich. Das vorangestellte ρ 3ΚΠΧ Vm»'' V» "[Va n a » ist dem vorangezogenen Satz im Formular Nadabs (lKön 16,25) vergleichbar, während das Verbleibende fast ganz 49 dem Formular der israelitischen Könige nach Jehu entspricht. Da im zweiten Teil der Formel die Filiation n a » ρ wiederholt ist, soll damit vielleicht angedeutet werden, daß mit diesem Köng eine Dynastiebildung eingesetzt hat. Das Antrittsformular der LXX bietet keinen Herrschaftsbereich des Königs von J u d a ( m i n 1 ' l ^ a ) nach dem der Synchronismus gebildet wird und macht damit den ganzen Synchronismus inhaltlich sinnlos. Zweimal findet sich im Text der LXX eine Verbalform von "¡Va. Doch gibt sie beim ersten Auftreten keinen Sinn, da kein Bereich genannt wird, über den Ahab ,»König wurde" und die beim zweiten Mal dem sonstigen Formular widerspricht. Das macht es unwahrscheinlich, daß der Wortlaut der LXX an dieser Stelle dem MT vorzuziehen ist oder gar, daß ihr Wortlaut aus einer vorgegebenen Quelle stammt.

Beide Textformen, der MT und die LXX, stimmen darin überein, daß sie den gleichen Namen des Köngis bieten und auch den Namen des Vaters wiederholen: n a » ρ 2ΝΠΧ. Der Name 503ΚΠΧ „Bruder 44 LXX (A) fehlt ni», vgl. dazu oben Anm. 20. 45 Zu *]I?B',1 vgl. Anm. 49. 46 Zum Verhältnis der LXX-Traditionen untereinander u n d zum MT vgl. J . D. Shenkel, Chronology, S. 43ff. 47 So nach LXX (N et alii). 48 So nach LXX (Luc) + και. 49 Normalerweise heißt es im Formular "]Va aber vgl. auch 2Kön 15,13. 50 Die keilschriftliche Wiedergabe des Namens (siehe unten S. 182) bezeugt die masoretische Vokalisation insoweit, daß auch sie keine Namensform mit -iin der zweiten Silbe kannte.

Das Formular zum Regierungsantritt

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des Vaters" hat von der Bildung als Ersatzname51 her Parallelen im akkadischen52, amoritischen53, aramäischen54 und arabischen55 Sprachraum. Da der Name im Alten Testament noch ein zweites Mal für einen Judäer genannt wird (Jer 29,21) und auch auf einem hebräischen Siegel gefunden wurde 56 , kann er als Hebräisch gelten. Jedenfalls ist die Herkunft des Namensträgers Ahab aus dem Volke Israel allein vom Namen her nicht gut zu bestreiten57. Die wenigen Angaben, die sich dem Antrittsformular Ahabs mit Sicherheit entnehmen lassen, sind schnell zusammengetragen: Als Sohn Omris bestieg Ahab unangefochten den väterlichen Thron58 und wurde König über Israel. Seine Regierungsdauer hat 22 Jahre betragen, Ahab regierte nach diesem Formular allein von Samaria aus. 51 J . J . Stamm, „Hebräische Ersatznamen", Festschrift B. Landsberger, Assyriological Studies, 16 (Chicago, 1965), S. 4 1 4 - 4 2 4 . 52 Vgl. J . J . Stamm, Die akkadische Namengebung, Mitteilungen der Vorderasiatisch-Ägyptischen Gesellschaft, Bd. 44 (1939; 2. unv. Aufl., Darmstadt, 1968), S. 301ff. 53 Vgl. H. B. Huffmon, Amorite Personal Names in the Mari Texts (Baltimore, 1965), S. 160. 54 M. Lidzbarski, Phönizische und aramäische Krugaufschriften aus Elephantine, Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Phil.-Hist. Klasse (Berlin, 1912), Nr. 34; A. Cowley, Aramaic Papyri of the Fifth Century B.C. (Oxford, 1923), Nr. 2:2, 18. 55 Th. Nöldeke, Beiträge zur semitischen Sprachwissenschaft (Straßburg, 1904), S. 95. 56 D. Düringer, Le Iscrizioni Antico-Ebraiche Palestinesi (Firenze, 1934), S. 214; F. Vattioni, „I Sigilli Ebraici", Biblica, 50 (1969), S. 3 5 7 - 3 8 8 , Nr. 57, 156. 57 Gegen M. Noth, Personennamen, S. 222 A 7, vgl. auch M. Noth, Könige, S. 349. 58 Die 22 Jahre sind fest in der Überlieferung verankert und von ihnen ist für die Chronologie dieser Epoche Israels auszugehen; vgl. K. T. Andersen, „Die Chronologie", S. 84ff - gegen J . Begrich, Chronologie, S. 106, 121; A. Jepsen/R. Hanhart, Untersuchungen zur israelitisch-jüdischen Chronologie, BZAW, 88 (Berlin, 1964), S. 40f. Fraglich bleibt, wie die Regierungsdauer präzis zu verstehen ist, ob z.B. das Todesjahr des Vorgängers als erstes Jahr des Nachfolgers gerechnet wurde oder das erste nachfolgende Jahr. In den Berechnungen des MT und der LXX ist einmal diese, einmal jene Zählweise angewandt worden. Der unterschiedliche Synchronismus im Antrittsformular des MT und der LXX macht deutlich, daß er nicht aus vorgegebenen Quellen ausgezogen wurde, sondern erst durch nachträgliche Berechnung gewonnen worden ist. Siehe K. T. Andersen, „Die Chronologie" (Anm. 7), S. 84ff.

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Die schematischen Angaben

Das Antrittsformular für König Ahasja lautet (lKön 22,52 (MT)): I 1 ?»

mwy

n w a j n a & a Vin®·' *?» ^Va 3 x n x ρ

imnxi

nviw banw V» 59 -^aO m i n \ Das Formular der LXX (B, Luc) 60 ließe sich wie folgt ins Hebräische zurücktransponieren: 573ΊΝ MP361 p i a v a Vx-jw .D'I«»

62

3«ΠΚ ρ i r r m x 6 2 i ^ a " m i r r "[Va ΒΒΠΓΡ1? m ® »

Noch weiter als bei Ahab ist bei Ahasja der erste Teil des Antrittsformulars ausgeweitet. Hier, bei Ahasja, steht auch noch der Regierungssitz voran. Anders als im Formular Ahabs wird aber der Vatersname im zweiten Teil nicht wiederholt. Die unnötige Wiederholung des regierten Landes V k ' W V ï im zweiten Teil der Formel weist darauf hin, daß dieser Wortlaut aus einer schematischen Formulierung genommen ist. Die vorgegebene Formulierung ist aber keine amtliche Quelle gewesen, sondern der Wortlaut des sonstigen Antrittsformulars. Die Textform, die die LXX als Antrittsformular gibt, entspricht dem sonstigen Formular. Sie dürfte an dieser Stelle vom MT unabhängig sein.

Aus dem Antrittsformular des MT und der LXX läßt sich mithin zuerst der Name des Königs: 1ΓΓΪΠΝ entnehmen. Dieser Name mit der Bedeutung , Jahwe hat (schützend) ergriffen"63 hat etliche Parallelen im hebräischen Onomastikon64 und weist den Namensgeòer als Jahweanhänger aus. Aus dem Antrittsformular Ahasjas läßt sich weiterhin entnehmen, daß das Königtum im Hause Omri verblieb. Samaria war die Residenz. Die Regierungszeit des Königs wird mit zwei Jahren angesetzt. Der Zeitgenosse Ahasjas auf dem Jerusalemer Thron soll König Joschafat gewesen sein, doch hat die Uberlieferung darüber keine gesicherte Kenntnis mehr. Das Antrittsformular von König Joram lautet: 2Kön 3,1—3 (MT): eBnir*? m®» nia® nwa 67 rna®a Vx-ir· 66Vs? 65 iVa axnx ρ a m

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Vgl. dazu das Formular Schallums 2Kön 15,13. Zum Verhältnis der LXX-Traditionen untereinander und zum MT vgl. J . D. Shenkel, Chronology, S. 64ff. «ι LXX (B) fehlt dieser Satz. 62 LXX (Luc) inversum. 63 L. Koehler/W. Baumgartner, Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament, 3. Aufl. (Leiden, 1967), s.v. M Vgl. die Namen ΤΠΧ, ΓΓΪΠΧ, ΤΠΚ(1)Π\ ΒΤΠΧ. es In LXX (A) fehlt der Satz bis -|*??3··ν «β LXX (B) hat èv = 3 ! 67 Fehlt in LXX (B). 60

Das Formular zum Regierungsantritt

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¡Uff n u r » DT® 68 l l ?»' , l m i r r i V a . Die LXX (Luc) 69 bietet ein anderes „Formular" zu 2 (4) Kön 1,18a. Es wäre wie folgt ins Hebräische zu übersetzen: D W pia®3 ^ t n i r bs? ^Vn 38ΠΚ p DIVI min·· -|Va 71 Bann·· μ DIVV d t p mira ni» 70 m » » . Wie bei Ahab und Ahasja steht auch bei Joram im MT dem Synchronismus ein Satz voran. Darin wird der Name des Königs mit seinem Vatersnamen, das Herrschaftsgebiet und der Regierungssitz vorweggenommen. Im nachfolgenden „Restformular" wird dementsprechend keine Angabe über das Herrschaftsgebiet mehr gemacht 7 2 . So hat der Satz, der der eigentlichen Antrittsformel vorgeschaltet wurde, immer mehr Aussagen an sich gezogen: bei Ahab den Königsnamen, den Vatersnamen und das Herrschaftsgebiet, bei Ahasja und bei Joram den Königsnamen, den Vatersnamen, das Herrschaftsgebiet und den Regierungssitz! D.h. die Formulierung des MT ist keinem amtlichen Wortlaut entnommen. Die Formel der LXX (Luc) hat keinen Anhalt am sonstigen Antrittsformular. Ihr Wortlaut scheint vielmehr durch die Formulierung des MT zu 2Kön 3 beeinflußt zu sein. Denn auch hier steht der Königsname, der Vatersname, das Herrschaftsgebiet und der Regierungsort voran. Zusätzlich ist in ihrem Satz noch die Regierungsdauer aufgenommen worden. Da nach dem Synchronismus der LXX der König Israels und der König Judas den gleichen Namen haben, wird dem judäischen König noch der Name seines Vaters beigegeben. Auch dieser differenzierende Zusatz macht deutlich, daß der Wortlaut der LXX nicht einer amtlichen Quelle entnommen ist.

Inhaltlich bieten die „Formulare" von MT und LXX den gleichen Königsnamen: Dil''. Die formale Bildung des Namens — vgl. auch 73 r p m — ist im ganzen nordwestsemitischen Raum zu belegen. Die Bedeutung des Namens , J a h w e ist erhaben" weist den Namens^eòer als Jahweanhänger aus.

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Vgl. das Formular Schallums 2Kön 15,13. Zum Verhältnis der LXX-Traditionen untereinander und zum MT vgl. J. D. Shenkel, Chronology, S. 68ff, 82ff. 70 LXX (A) = zwei! 71 LXX (B, W) = 18 Joschafat, LXX (N) = 21 Joschafat, LXX (Luc) = 2 Joram, Sohn Joschafats. 72 Vgl. aber anders oben bei Ahasja. 73 Zum Unterschied zwischen OTP und ΓΡΏΊ vgl. L. Koehler, „Syntactica I", VT, 2 (1952), S. 3 7 4 - 3 7 7 . 69

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Die schematischen Angaben

Der Regierungssitz war auch zu Zeiten Jorams die Stadt Samaria. Das Antrittsformular läßt jedenfalls nicht durchblicken, daß neben Samaria noch irgendeine andere Stadt als zeitweiliger oder vorübergehender Regierungssitz bestanden hätte. Die Regierungsdauer von König Joram wird mit zwölf Jahren überliefert. Nach dem MT sollen seine Zeitgenossen auf dem Jerusalemer Thron die Könige Joschafat, Joram und Ahasja gewesen sein, doch weiß die LXX anderes zu berichten. Aus dem Formular von König Joram läßt sich weiterhin entnehmen, daß Joram seinem Bruder (oder Halbruder) Ahasja auf dem Thron folgte. Unter welchen juristischen Voraussetzungen dies geschah, sagt der Text nicht. Die übliche Thronfolge war auch im Nordreich die vom Vater auf den Sohn 74 . Insgesamt bieten die Antrittsformulare zu den vier Königen aus dem Hause Omri nicht gerade viele Details. Auch wenn den jeweiligen Formulierungen sehr wahrscheinlich kein amtlich geprägter Wortlaut vorgegeben war, so läßt sich einiges aus diesen „Formularen" doch als historisch entnehmen. Die Namen der vier Könige aus dem Hause Omri scheinen uns sicher überliefert worden zu sein. Das von ihnen regierte Herrschaftsgebiet hat als Staatsbezeichnung den Namen „Israel" gehabt. Die Residenz und Hauptstadt war seit der zweiten Hälfte der Regierungszeit Omris Samaria.

2. Kapitel: Die Beurteilungen der Könige in den Königsbüchern Die häufig sogleich an die Antrittsformel und den Synchronismus anschließenden Beurteilungen der Könige des Nord- und Südreichs hat neuerdings Frau H. Weippert eingehend untersucht 1 . Dabei zeigte sich, daß die Beurteilungen im einzelnen doch differenziert werden können. So ist ein „Schema" der Beurteilung für die Könige des Nordreiches, Israel, im Gebrauch, das als konstitutive Elemente ent74

Vgl. Jerobeam-Nadab, Bascha-Ela, Omri-Ahab. „Die .deuteronomistischen' Beurteilungen der Könige von Israel und Juda und das Problem der Redaktion der Königsbücher", Biblica, 53 (1972), S. 301-339. 1

Die Beurteilung der Könige

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hält: HPK »33 ]3 0 S 3 T ' Π(1)Κ0Π . . . | 8 1 6 Κ1? ΠΊ?Γ T S 3 » m »S'I . . . ίΓΒΠΠ.Daneben gibt es ein „Schema" für die Könige des Südreiches, das u.a. aus den konstitutiven Teilen m¡V Tí?3 "IPTI trSTl niaaa nnup" tonata osn Tis.-no «V niaan p-i... besteht 2 . Beide Schemata sind durch verschiedene Variationen von Präpositionen, Singular und Plural einzelner Wörter bis hin zu Einschüben kürzerer oder längerer Art auf die jeweiligen Könige zugeschnitten 3 . Kritische Fragen erheben sich jedoch gegen den Ansatz eines zweiten Schemas für die Beurteilung der Könige des Nordreiches. Aus dem Wortlaut der Beurteilungen der Könige Nadab (lKön 15,26), Bascha (lKön 15,34), Simri (lKön 16,19), Omri lKön 16,25f) und Ahasja (lKön 22,53) hat H. Weippert versucht, ein zweites Schema herauszukristallisieren: das Schema II (N). Für dieses Schema seien drei Element konstitutiv: 0S3 in nominaler oder verbaler Form, die figura etymologica aus ΝΒΠ und ΠΊΧΒΠ und eine Wendung aus "[Vn und -j-na 4 . Doch wird zugestanden, daß „die Grundstruktur des Schemas II Ν . . . sich nur schwer erfassen (läßt). Keines ihrer Bestandteile für sich allein kann als typisch für das Schema II Ν gelten. Erst aus der Kombination einzelner Glieder läßt sich seine Eigenart erschließen" 5 . D.h. es läßt sich kein einziger Fall nachweisen, in dem auch nur eine phraseologische Redewendung jedes Mal Anwendung findet, wenn von dem Schema II Ν Gebrauch gemacht wird. Von den 17 Belegen für Schema II Ν enthalten nur 9 eines der Elemente: 0373 in nominaler oder verbaler Form, nur 8 die figura etymologica aus ΧϋΠ und ΓΙΚ0Π und gar nur 7 — das ist weniger als die Hälfte aller Belege — eine Wendung aus "[^Π und " p 7 3 . Dazu gibt es sogar einen Beleg, in dem keines dieser typischen Merkmale auftritt: 2Kön 21,2 und der dennoch zu diesem Schema gerechnet wird! 6

Darf , man aber wirklich von einem Schema sprechen, wenn kaum mehr als die Hälfte aller Belege nur ein typisches Element des „Schemas" aufweist, die beiden anderen Elemente aber noch seltener auftreten? Wenn sogar eine Stelle (2Kön 21,2) dem „Schema" zugeordnet wird, obgleich hier alle Anzeichen des „Schemas" fehlen?! Da „Schema II (N)" keine festen konstitutiven Bestandteile enthält, die 2 3 * s 6

H. Weippert, Vgl. Schema H. Weippert, H. Weippert, H. Weippert,

„Die . . . Beurteilungen", S. 308f. I S 2 bei H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 309. „Die . . . Beurteilungen", S. 327. „Die . . . Beurteilungen", S. 327. „Die . . . Beurteilungen", S. 328.

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Die schematischen Angaben

in jedem Fall auftreten, sofern das „Schema" Anwendung findet, und infolgedessen der schematische Charakter der Formel überhaupt verloren geht, ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß mit „Schema II (N)" nur variierende Zusätze vorliegen, die von demselben Verfasser stammen, der nach Schema I (S) und (N) gearbeitet hat 7 . Der Nachweis, daß die Merkmale, die für „Schema II (N)" typisch sein sollen, nicht auch von dem Verfasser, der Schema I (N und S) in Variationen anwandte, sein können, ist noch nicht erbracht. D.h. positiv gewandt, es besteht weiterhin die Möglichkeit, daß es nur ein Schema für die Beurteilungen der Könige von Israel 8 in Variationen gibt. Im Folgenden wird daher die Formel der Beurteilung der Könige des Nordreiches so behandelt, als läge ihr nur ein variiertes Schema zu Grunde. Die Beurteilung des Königs Omri lautet (lKön 16,25): „und Omri tat das, was böse ist in den Augen Jahwes; und er tat böseres als alle vor ihm 9 . Und er wandelte auf jeglichem Weg Jerobeams, dem Sohn Nebats, und in seinen Sünden 10 , mit denen er Israel zur Sünde verleitete, um Jahwe, den Gott Israels 11 , zu reizen mit ihren Nichtsen". — Über das Grundschema der Beurteilung von Königen des Nordreiches hinaus enthält Omris Beurteilung die Redewendungen Bai p Din-r i * n Vaa i ^ i ins1? (vn) hpx ho» » t i und r x cryanV a n d a n a Vx-ltr·· ,nVx m?r. Dabei lassen sich für jede Wendung, in dieser oder einer sehr ähnlichen Form, Parallelbeispiele aus Beurteilungen anderer Könige des Nordreiches beibringen. Zu Π ΊΓΡ n x CSDH 1 ? a n d a n a . . . liegen drei (vier) weitere Beispiele vor 12 , wobei auf Om7

Von einer anderen Argumentation ausgehend, k o m m t E. Cortese, „ L o Schem a " (S. oben S. 17 Anm. 16), S. 44f, zum gleichen Ergebnis. 8 Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, daß die Beurteilung der letzten Könige von Juda·. Joahas bis Zidkija in anderer Weise ausgeführt wird. Vgl. dazu H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 333 Schema III (S) u n d E. Cortese, „ L o Schema", S. 48f. « Die LXX hat nach UTK noch *VÍ1 gelesen vgl. l K ö n 14,9; 16,33; 2Kön 18,5. 10 Lies Plural mit MT Ketib, LXX u n d Targum J : A. Sperber, The Bible in Aramaic, Vol. II: The Former Prophets According to Targum J o n a t h a n (Leiden, 1959), z.St. Gegen M. Noth, Könige, S. 325. Vgl. auch H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 307 A 1. 11 . J a h w e , den Gott Israels" fehlt LXX (B, Luc). 12 ( l K ö n 15,30); l K ö n 16,13; 16,33; 22,54. Vgl. H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 326.

Die Beurteilung der Könige

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ris Nachkommen: Ahab (lKön 16,33) und Ahasja (lKön 22,54) je eines kommt. — Für ηττ (*?D) a 1 3 η1?-1! in Verbindung mit Jerobeam ben Nebat sind als Parallelen lKön 15,26,34; (16,2); 16,19 und die Beurteilungen der Nachkommen Omris: Ahab (lKön 16,31) und Ahasja (lKön 22,53) zu nennen. — Für ^vjbV (ΤΠ) HPK »Tl läßt sich nur noch ein weiteres Beispiel beibringen: das in der Beurteilung Ahabs (lKön 16,30) 1S . Der Ausdruck a n d a n a (.. .ΠΙΓΡ ΠΝ CSanV) in der Beurteilung Omris

war noch nicht erwähnt. Es gibt auch hierfür ein Parallelbeispiel: lKön 16,13 16 , das sich auf Bascha und seinen Sohn Eia bezieht. Dabei gibt es keinen Anhaltspunkt, warum man zusätzlich zum Riickbezug auf Jerobeam ben Nebat (lKön 15,30) für Bascha und seinen Sohn Eia die Erwähnung von „Nichtsen" für nötig hielt. Wenn mit „ihre Nichtse" lKön 16,13 die „Stiere" in Dan und Bet-El, die Jerobeam aufstellen ließ, gemeint sein sollen, ist die Ausdrucksweise mißverständlich. Das pluralische Suffix ihre Nichtse kann sich nur auf Bascha und seinen Sohn beziehen. Der Wortlaut lKön 16,13 klingt so, als hätten Bascha und Eia über das Festhalten an der Sünde Jerobeams hinaus noch zusätzlich religiöse Maßnahmen ergriffen, die vom „Deuteronomisten" als D i r í a n charakterisiert wurden.

Der unkonkrete Vorwurf des „Deuteronomisten" gegen Bascha und seinen Sohn wird in keiner Weise deutlicher, wenn er bei Omri wiederholt wird. In dem Satz „und er ging hin . . . um Jahwe zu reizen . . . mit ihren Nichtsen . . h a t das Personalsuffix von „ihren Nichtsen" keinen Bezug. Es wird ein Vorwurf erhoben, der syntaktisch nicht auf Omri bezogen werden kann. Omri wird mit einem Übel verknüpft, das er nicht verursacht hat. — Hier ist ein Denken am Werk, das Omri aufs stärkste belasten will, das aber nur in erstarrten Formeln schaffen kann. Ist die gesamte Beurteilung Omris auch in schematischen Redewendungen gehalten, so wird in ihr doch ein Ausdruck gebraucht, der im Folgenden nur noch einmal, bei Ahab, wieder aufgenommen wird: „Und er tat böseres als alle, (die) vor ihm (waren)". So werden von 13 Auf die Ausdrucksweise η TT î?5a •j'ri ist keine Betonung zu legen. Derartige Abweichungen vom Grundschema sind sehr beliebt und als stilistische Varianten anzusehen. m Zum Text in lKön 16,30f siehe S. 32f. is Vgl. aber auch lKön 14,22; 15,3; 2Kön 21,2Öf. H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 327. 16 Vgl. aber auch lKön 15,30 und 16,2 (LXX).

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Die schematischen Angaben

allen Königen des Nordreiches nur Omri und Ahab 17 besonders negativ herausgehoben. Die Beurteilung Ahabs (lKön 1 6 , 3 0 - 3 3 ) lautet: „Und Ahab, der Sohn Omris 18 , tat das, was böse ist in den Augen Jahwes 1 9 mehr als alle vor ihm 2 0 . Und es geschah, — als wäre es nicht genug gewesen 21 , daß er in den Sünden Jerobeams, dem Sohn von Nebat, wandelte! — daß er Isebel, die Tochter Etbaals, des Königs der Sidonier, zur Frau nahm und dem Baal diente und ihn verehrte. Er baute auch einen Altar für den Baal im Hause Baals, das er in Samaria gebaut hatte. Und Ahab machte die ASera. Und Ahab fuhr fort zu tun 2 2 , zu reizen 23 Jahwe, den Gott Israels, mehr als alle Könige Israels, die vor ihm gewesen waren." V í a n r r a gibt die L X X wieder mit èv οίκω προσοχθωμάτων. Das Wort προσόχόισμα „Abscheu, Ekel" steht in der L X X an Stellen, wo sich im MT die Wurzel f p t f findet (vgl. Dtn 7,26; Ez 5,11; 37,23). In lKön 11,5,7,33 (ter) und 2Kön 23,12,13 (bis) ist von den Göttern der Phönizier, Moabiter und Ammoniter die Rede. Das entsprechende hebräische Wort: OTlVx ist im MT teilweise durch den schwer abwertenden Ausdruck Ο ' Χ ψ ΰ ersetzt worden. In gleicher Weise hat die L X X an diesen Stellen pejorative Wörter für das Wort Götter benutzt: βδέλνγμα, έί&ωλον und eben auch προσόχϋιομα. Als originären Text hat man aber an all diesen Stellen 2 3 3 ein hebräisches QTIVN anzusetzen (vgl. BHK 3 , BHS App. z. St.). Vielleicht ist dementsprechend auch hier lKön 16,32 προσόχάισμα (Pl.!) Ersatz eines der L X X vorgegebenen OTlVx.Der MT hätte dann dies auch ihm vorgegebene DTÒN ähnlich wie l K ö n 11,5,7,33 und Vgl. aber auch die Wiederaufnahme von . . . Π1ΓΡ ΠΧ D , SDn bei Ahab lKön 16,30 und Ahasja lKön 22,53f. 1 8 Die Filiation fehlt L X X (B, Luc, u.a.); Äth; Lat b.v. und dürfte ein späterer Zusatz sein. Vgl. BHK 3 , BHS z.St. 1 9 L X X (A); Äth; Lat bieten zusätzlich (και) έπονηρεύσατο. 20 L X X (Luc) bieten auch hier ( V l t b ) ΤΠ vgl. oben Anm. 9. 21 Ob die L X X mit ihrer Wiedergabe wirklich den gleichen Text wie MT vorliegen hatte (so M. Noth, Könige, S. 325) oder nicht (so H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 326 A 5) ist kaum zu entscheiden. Die vergleichbare Stelle Ez 8,17 spricht für die Beibehaltung des MT. 2 2 V. 33: Der MT mit den zwei aufeinanderfolgenden Infinitiven nWSîV und C S a n V kann nicht richtig sein. L X X (B, Luc, u.a.); Äth bieten nach nWS?*7 zusätzlich παρορΎίσματα = *Q"OS?3. Das ist vielleicht in den MT einzusetzen. Vgl. BHK 3 , BHS z.St. 2 3 Welche Vorlage dem Text von L X X (B, u.a.); Äth: τοϋ παροργι'σαι την ψυχή ν αύτού (T0Û) έξολοθρθίθήναί vorgegeben war, ist undurchsichtig und kann nicht mehr rekonstruiert werden. Anders B H K 3 , BHS z.St. 2 3 a Vgl. noch 2Kön 23,24 (und 2Kön 1,2 Aquila und Theodotion)! 17

Die Beurteilung der Könige

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2Kön 23,12,13 hier durch das abwertende ersetzt. Als Vorlage der L X X und des MT ergäbe sich damit für l K ö n 16,32 DTI*?** Γι''Π (3). Diesem Text könnte eine sehr hohe innere Wahrscheinlichkeit zukommen. Denn die Wiedergabe des MT b y a n JV3 (Sing.) ist offensichtlich durch das zweimal vorangehende beeinflußt. Der Sinn des ursprünglichen Textes wäre dann, daß Ahab im „Gotteshaus" (DTI^R n ' a ) einen Altar für Baal errichtete.

Im Vergleich zu anderen Beurteilungen ist die für Ahab schon von der Länge her außergewöhnlich. Dabei fallen V. 31b—33a . . . npvl) (iTWK sachlich und sprachlich aus dem Rahmen der sonstigen Beurteilungen. Sachlich zeigen sie sich den Aussagen verwandt, die etwa bei Omri an den Synchronismus angehängt sind 2 4 . Es werden Angaben geboten, die nicht aus den sonstigen Erzählungen über Ahab gewonnen sein können. Das gilt für die Angabe, daß Isebels Vater den Namen Vsanx trug 2 5 und D'HS war 2 6 . 2Kön 9,34 wird Isebel zwar Königstochter ("|Vö na) genannt, ihren Vatersnamen und ihre Herkunft erfährt man aber nur aus der hiesigen Stelle. l K ö n 18,18b (vgl. l K ö n 21,26) behauptet, daß Ahab D ^ s a n n n « (Plural) ging 2 7 . Auch nach zweideutigen Aussagen Jehus (2Kön 9,34) hat Ahab *7S?an gedient, wenn auch angeblich — im Vergleich zu dem wie J e h u ihm dienen will — „nur wenig" (ö»a). So gibt es ähnliche Aussagen wie l K ö n 16,31b auch in anderen Uberlieferungen über Ahab. Gehört 16,31b somit in einen anderen Überlieferungszusammenhang? Die Frage muß sich an Τ35ΓΊ entscheiden. Was bedeutet dieser Wortlaut genau? Strictu sensu muß T a V l "jb 1 ! übersetzt werden mit „und er ging hin und diente (dem Baal)". Dabei taucht sogleich die Frage auf, wohin Ahab ging. Man könnte vom Kontext her die Auffassung begründen, daß Ahab zum Sitz des OTTS "[Vq ging und dort Baal seine Verehrung erwies 2 8 . Doch bleibt dann seltsam, warum der Text den Ort eben nicht erwähnt. Aber ist überhaupt vorstellbar, daß in 2 4 A. âanda, Elias und die religiösen Verhältnisse seiner Zeit, Biblische Zeitfragen, 7, 1/2 (Münster, 1914), S. 49. 2 5 Zu phönizischen Belegen zum Namen V r a n S vgl. E. Lipinski, „Recherches Ugaritiques", Syria, 44 (1967), S. 2 5 3 - 2 8 7 (S. 271ff); F. E. Benz, Personal Names in the Phoenician and Punic Inscriptions, Studia Pohl, 8 (Roma, 1972), S. 265, 304. 26 Zum Ausdruck D ' H S *f?D siehe unten S. 229f. 2' Zur Stelle l K ö n 18,18b siehe unten S. 61. 2 8 A. âanda, Elias und die religiösen Verhältnisse seiner Zeit, Biblische Zeitfragen, 7, 1/2 (Münster, 1914), S. 49.

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Die schematischen Angaben

amtlichem Material darüber Aussagen gemacht wurden, daß Ahab den Baal (Artikel!) verehrte? Das scheint äußerst unwahrscheinlich. So erschwert die Annahme, daß es sich bei dem Satz lKön 16,31b iV ΊΠΓΙΒη . . . um ursprünglich amtliches Material handelt, sein Verständnis und führt nur zu weiteren unbeantwortbaren Fragen. Der Text . . . Τ2 V I muß auch nicht strictu sensu verstanden werden. Ähnlich wie ηΟ1 kann mit einem anderen Verb zusammen zu dessen Unterstreichung dienen oder zur Andauer einer Tätigkeit, wobei "J^H seine eigentliche Bedeutung verliert29. Der Text *7»1Π ΠΧ T3SP1 "|1?,1, müßte dann übersetzt werden mit „darüber hinaus verehrte Ahab . . ." oder „und allezeit verehrte Ahab . . . " . Damit ist vom Wortlaut her deutlich, daß hier ein Urteil über eine Handlung Ahabs vorliegt, das nicht Wiedergabe amtlichen Materials sein kann. Der Satz 3 1 b . . . Τ35ΡΊ

der als Wiedergabe amtlichen Materials

kaum erklärlich i s t 3 0 , ist daher als Einschub eines Beurteilers anzusehen, der alle Tätigkeiten Ahabs schon kannte und sie miteinander verknüpfend in einem Urteil zusammenfaßte. Die Angaben von 3 2 / 3 3 a a aber beruhen aller Wahrscheinlichkeit nach wieder auf amtlichen Unterlagen. Das ist einerseits aus d e m Wortlaut zu folgern: V o n ,,dem B a a l " war soeben die R e d e gewesen, der B a u eines Altars für ihn h ä t t e mit S u f f i x p r o n o m e n an den Wortlaut von V. 3 1 b angeschlossen werden können. Der vielleicht ursprüngliche T e x t gibt darüber hinaus eine Angabe, die aus keinem anderen Material zu erschließen ist. D a n a c h h ä t t e A h a b in Samaria im „Gottesh a u s " (D , n , 7K r r a ) 3 1 einen Baalsaltar erbaut. D o c h ist das n o c h nicht alles, was Ahab an Kultobjekten in Samaria errichten l i e ß 3 2 . V . 3 3 a sagt explizit, daß Ahab eine ASera errichtete. A u f eine solche Asera „in S a m a r i a " 3 3 spielt 2 K ö n 1 3 , 6 an. Daß Ahab sie errichtete, erfährt m a n nur aus dem hiesigen Wortlaut.

2 9 W. Gesenius, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, 17. Aufl. (1915; Unv. Nachdruck Berlin/Göttingen/Heidelberg, 1962), s.v. I*??! 4), 5); L. Koehler/W. Baumgartner, Lexikon^, s.v. -[Vìi 4), 5). 30 Vgl. auch M. Noth, Könige, S. 354. 31 Siehe oben S. 32f. 32 Vgl. noch 2Kön 3,2 (siehe unten, S. 38f), 2Kön 13,6; 21,3. 33 Wo genau Ahab diese ASera errichten ließ, sagt der Text nicht. Vielfach wird angenommen, sie habe in dem Tempel gestanden, den Ahab in der Hauptstadt bauen ließ, vgl. so zuletzt E. Wiirthwein, Das Erste Buch, S. 203. Doch reichen unsere Kenntnisse für eine solche Präzisierung nicht. Vgl. noch Anm. 59 und unten S. 298 Anm. 41 zu 2Kön 10,26.

Die Beurteilung der Könige

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V. 33a . . . asnx setzt erneut mit dem Subjekt, Ahab, ein. Durch den Wortlaut ordnet sich das Folgende klar dem Stil der sonstigen Beurteilungen zu. Aus amtlichem Material folgen keine Angaben mehr. Die historischen Angaben, die jetzt innerhalb der Beurteilung Ahabs stehen, sind wohl nicht gänzlich vom Verfasser der Beurteilung selbst formuliert. Wäre das der Fall, so könnte man erwarten, daß die Widersprüche zwischen lKön 16,32 und 2Kön 3,2, auch 2Kön 10,26f und zwischen lKön 16,32 und 2Kön 13,6 ausgeglichen wären. Sachlich beinhalten die Mitteilungen — abgesehen erst einmal von der Heirat mit Isebel — nur Maßnahmen, die sich auf den religiösen Bereich beziehen. Ein Gotteshaus wird gebaut, darin ein Altar für Baal errichtet, und eine ASera erstellt. Wenn der ursprüngliche Wortlaut des Textes DTlbX ΓΡ3 war 3 4 , so kommt dem Satz Vsa»? H3ÎS Dp 1 ! eine besondere Schärfe zu. Es ist merkwürdig, daß in der Diskussion um die religiösen Maßnahmen Ahabs nur sehr selten 3S bemerkt worden ist, daß die Aussage des MT: „Und er errichtete einen Altar für den Baal im Haus Baals, das er in Samaria gebaut hatte", eigentlich eine Tautologie darstellt. Zu einem Tempel gehört doch immer ein Altar für den Gott, dem der Tempel geweiht ist! Zu einem Jahwetempel ein Jahwealtar und zu einem Baalstempel ein Baalsaltar. Warum wäre das zu erwähnen? Nur in dem Fall, wo in einem Tempel, der einem bestimmten Gott geweiht ist, zusätzlich ein Altar oder ein Kultobjekt für einen anderen Gott errichtet wird, ist das ausdrücklich hervorzuheben. Vgl. die Kritik an Ahas 2Kön 16,1 Off und Manasse 2Kön 21,3ff wegen solcher Unternehmungen.

Vorangestellt ist den kultischen Maßnahmen die Notiz, daß Ahab Isebel, „die Tochter Etbaals, des Königs der Sidonier" heiratete. Die Voranstellung der Aussage über die Heirat vor die kultischen Tätigkeiten Ahabs (V. 32) ist in der Wichtigkeit begründet, die der „Deuteronomist" diesem Faktum beimaß. Für ihn ist offenbar ähnlich wie bei Salomo (lKön 11,Iff) mit der Heirat der Grund zu den anderen Übeln gelegt worden 36 . Er sagt mit aller Deutlichkeit „und

* Siehe oben S. 32f. 35 Vgl. aber J . Gray, I and II Kings, A Commentary, The Old Testament Library, 2. Aufl. (London, 1970), S. 369; E. Würthwein, Das Erste Buch, S. 202f. 36 Vgl. M. Noth, Uberlieferungsgeschichtliche Studien; Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse, 18, 3. Aufl. (1943; Tübingen, 1967), S. 82 A 4.

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Die schematischen Angaben

es geschah — als wäre es nicht genug gewesen, daß er in den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wandelte — daß er Isebel, die Tochter Etbaals, des Königs der Sidonier, zur Frau nahm . . . " . Die Ursache der spannungsgeladenen Situationen, die im Folgenden ( l K ö n 17,1—19,21) aus der Zeit Ahabs berichtet werden, war nach Meinung des „Deuteronomisten" im Grunde immer Isebel. Dementsprechend sind seine Akzentsetzungen im überlieferten Stoff. Sein Verdikt über die Heirat ausländischer Frauen hatte der „Deuteronomist" schon zu Salomo geäußert: l K ö n 1 1 , I f f . Die dortige Berufung auf das gegebene Gebot ist zwar im Deuteronomium wörtlich nicht nachweisbar (vgl. aber Dtn 7,3f), hat aber zu Jos 2 3 , 1 2 Bezug 37 , das seine deuteronomische Herkunft nicht verleugnen kann 38 . Im Unterschied zu Salomo aber, der angeblich erst im Alter auf die ausländischen Frauen hörte ( l K ö n 11,4) 3 9 , ist die Situation bei Ahab von Anfang an verfehlt. Dementsprechend gab es für den „Deuteronomisten" keine Möglichkeit, für Ahab nur die übliche Beurteilung der Nordreichskönige zu bieten. D.h. der „Deuteronomist" hat auf Grund seiner historischen Nachrichten und wegen seines religiösen Verdikts über die Ehe mit Ausländerinnen zu Ahab eine Beurteilung formuliert, die von seinem sonstigen Schema abweichen mußte. Oben S. 3 l f ist schon darauf hingewiesen, daß eine formelhafte Wendung allein bei Omri und Ahab auftritt: „und er tat böseres als alle, die vor ihm waren". Wie weit für den „Deuteronomisten" eine Kontinuität zwischen Omri und Ahab bestand, die zu solcher Aussage allein für diese beiden Könige geführt hat, läßt sich nicht mehr sicher ausmachen. Man darf aber vermuten, daß die Heirat Ahabs mit Isebel auf das politische Kalkül Omris ging. Vielleicht soll der Wortlaut „und er tat böseres als alle, die vor ihm waren . . . " ein Hinweis darauf sein, daß Omri wegen der Verheiratung seines Sohnes unter das gleiche Verdikt wie sein Sohn fällt.

Durch den Zusatz „Mehr als alle Könige Israels, die vor ihm waren", wird die Beurteilung Ahabs von der aller anderen Könige des Nordreiches unterschieden. Die Worte sind zwar schlecht in den Zusammenhang eingepaßt und könnten daher als sekundär angesehen werden. Doch sind sie von der Beurteilung her — die V. 31bß,32 als Vgl. auch Ex 3 4 , 1 5 f . Vgl. M. Noth, Das Buch Josua, Handbuch zum Alten Testament, I, 7, 2. Aufl. (Tübingen, 1953), S. 1 3 3 f . 3 9 Zu den Motiven des „Deuteronomisten" für diese Darstellung der Regierungszeit Salomos vgl. E. Würthwein, Das Erste Buch, S. 130, 1 3 2 f . 37 38

Die Beurteilung der Könige

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Mitteilung amtlichen Materials betrachtet 4 0 — die einzigen Worte, die Ahab von den anderen Königen abheben. Wenn Ahabs Heirat mit der ausländischen Frau eine so singulare Erscheinung war, wie der „Deuteronomist" meinte, dann war der Passus „Mehr als alle Könige . . . " aus seiner Sicht notwendig, um Ahab als den schlimmsten aller Herrscher des Nordreiches zu kennzeichnen. Die Beurteilung Ahasjas (lKön 22,53f) lautet: „Und er 4 1 tat das, was böse ist in den Augen Jahwes und ging auf dem Weg seines Vaters 4 2 und auf dem Weg 43 seiner Mutter 4 4 und auf dem Weg 45 Jerobeams, dem Sohn von Nebat, der Israel zur Sünde verleitete. Und er diente dem Baal 46 und verehrte ihn 4 6 und reizte Jahwe, den Gott Israels 47 , genau wie sein Vater getan hatte 4 8 ". Die Uberlieferungsvarianten zwischen MT und LXX (und innerhalb der LXX) machen deutlich, daß kaum noch eine ursprüngliche Form der Beurteilung rekonstruiert werden kann. Für die Ursprünglichkeit des MT in V. 53 spricht die Parallele lKön 15,26, die ebenfalls einen Verweis auf den Vater des Königs enthält, ohne ihn namentlich zu nennen. Gegen die Ursprünglichkeit des MT in V. 53 und 54 spricht aber der Wortlaut der LXX mit *ΜΧΒΠ und *a , 1 7»3.

Wenn auch bei Ahab in die Beurteilung selbst amtliches Material eingeschoben wurde 49 , so ist doch in der Beurteilung Ahasjas die Herkunft eines Satzes wie „und er diente dem Baal (LXX: Plural!) und verehrte ihn" aus amtlicher Quelle ganz unwahrscheinlich. Er ist ja eine gänzlich negative Beurteilung aus streng jahwistischer Sicht, die so nicht in amtlichen Unterlagen gestanden haben kann. Da der Halb40 Siehe oben S. 32f. 41 LXX (Luc) bietet statt dessen den Namen Όχοζίας. 42 „Seines Vaters" fehlt LXX (Luc); LXX (B) und LXX (A) bieten jeweils in verschiedener Stellung zusätzlich den Namen Ahab. 43 „Auf dem Weg" fehlt LXX (Luc). 44 LXX, Vrss. bieten zusätzlich den Namen der Mutter „Isebel". 45 LXX (B) bietet „in den Sündes des Hauses (Jerobeam)." 4« Die LXX und Vrss. bieten einhellig Plural. Der MT könnte angeglichen sein an die nachfolgende Erzählung von der Orakeleinholung bei Baal-Zebul in E krön. 47 .Jahwe den Gott Israels" fehlt LXX (Luc). 48 LXX (A, B) bieten „genau wie alle, die vor ihm waren"; LXX (Luc) „mehr als alle, die vor ihm waren". 49 Siehe oben S. 32f.

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Die schematischen Angaben

vers V. 53a gut in den Zusammenhang eingepaßt ist, wird man ihn dem Verfasser, der die Beurteilung für Ahasjas formuliert hat, zuordnen müssen. Der doppelte Hinweis auf den Wandel des Vaters und der Mutter (V. 52a) und der auf Jerobeam ben Nebat stellt Ahasja in besonders negativer Weise heraus. Worin aber die Schuld des Königs konkret bestand, ist vom Wortlaut her nicht festzustellen. Nach dem MT ist Ahasjas Verschuldung dieselbe wie Ahabs ( l K ö n 16,31b): „Und er ging hin und diente dem Baal und verehrte ihn". Doch hätte nach der L X X Ahasja „die Baale (Plural)" verehrt. Das, was zur Zeit seines Vaters einsetzte, ist bei ihm noch gesteigert! Die Beurteilung Jorams (2Kön 3,2f) lautet 5 0 : „Und er tat das, was böse ist in den Augen Jahwes. Doch nicht wie sein Vater 5 1 oder seine Mutter 5 2 . Und er entfernte die Massebe(n) 5 3 Baals, die sein Vater gemacht hatte (und zerbrach sie) 54 . Doch den Sünden 5 5 Jerobeams 5 6 , dem Sohn von Nebat, der Israel zur Sünde verführt hatte, hing (auch) er an. Nicht wich er von ihnen 5 7 ". Die Form der Beurteilung Jorams hat nur scheinbar enge Parallelen unter den übrigen Beurteilungen der Nordreichskönige 58 . Grundsätz5 0 Für einen Textvergleich ist sowohl die Textform der L X X zu 2Kön 1,18b—c als auch zu 2Kön 3,3 heranzuziehen. Vgl. J . D. Shenkel, Chronology, S. 70ff. si Die L X X bieten zu 2Kön 1,18b ώς oi άδελιpoi αύτού. Das unpunktierte "ΡΠΧ ihrer Vorlage war als Singular oder Plural zu deuten ΤΠΚ kann auch eine Verschreibung aus V3X sein. 52 Fehlt L X X (A) 2Kön 3,2. 53 Der Plural, den die L X X zu 2Kön 1,18c und 3,2 bietet, ist wohl dem MT vorzuziehen. Der MT dürfte Angleichung an lKön 16,3lf sein. Vgl. I. Benzinger, Die Bücher der Könige, Kurzer Hand-Commentar zum Alten Testament, IX (Freiburg/Leipzig/Tübingen, 1899), S. 129; BHK 3 , Β HS z.St. 5 4 Den Zusatz bietet nur die L X X zu 2Kön 1,18c; doch hat die Aussage die innere Wahrscheinlichkeit für sich. Vgl. 2Kön 18,4; 23,14. ss Die L X X bietet 2Kön 1,18c Plural, 2Kön 3,3 (außer Luc) Singular. Vgl. auch Anra. 57. s« Die L X X bietet sowohl 2Kön 1,18c als auch 3,3 „des Hauses Jerobeam" — ohne die Filiation zu Jerobeam. Mit dieser Variante scheint der Singular oder Plural des Wortes Τ11Κ0Π verbunden zu sein; siehe lKön 22,52 (oben Anm. 45). Vgl. H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 307 A 1 Ende. 57 Mit 2Kön 3,3, MT Ketib, L X X (A, Luc), L X X 2Kön 1,18c ist der Plural zu lesen oder nach Anm. 55 „Sünden" in den Singular zu ändern. 58 Dazu siehe H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 309 Schema I N.

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lieh ist seine Beurteilung für einen Nordreichskönig erstaunlich positiv. Durch zweierlei Einschränkung (... pl . . . pi) wird das prinzipielle Urteil „und er tat, was böse ist . . . " stark relativiert. Offensichtlich ist dieses eingeschränkte negative Urteil begründet in den Kultmaßnahmen Jorams, die der „Deuteronomist" so beschreibt: „Er entfernte die Massebe(n) Baals, die sein Vater angefertigt hatte (und zerbrach sie)". Woher der „Deuteronomist" das wußte, bleibt unklar. Man ist geneigt, die Aussage auf Quellenmaterial zurückzuführen. Doch bedeutet das, daß dann von solchen Kultmaßnahmen etwas in amtlichen Quellen gestanden haben muß. Das ist zwar nicht ausgeschlossen, aber auch in keiner Weise beweisbar. Jedenfalls hat die Nachricht dazu geführt, daß der „Deuteronomist" das Urteil über Joram ganz anders als über dessen Vater, Ahab, und Bruder, Ahasja, formuliert hat. Ja, ihn geradezu in einen Gegensatz zu diesen Königen stellte. „Doch nicht wie sein Vater / Bruder (LXX)". Das einzige, was man an Joram tadeln konnte, war sein Anhangen (pm) am schlechten Beispiel (des Hauses) Jerobeam. Von Wichtigkeit ist, daß hier von einer Massebe (LXX: Plural) gesprochen wird, die Ahab „gemacht" (rws?) hatte. Bei den deuteronomistischen Nachrichten über Ahab stand davon nichts. Die Angabe wird dem Verfasser aber auch schon bei Ahabs Beschreibung zur Verfügung gestanden haben. Insofern wird an dieser Stelle faßbar, daß der „Deuteronomist" nicht alles ihm zur Verfügung stehende Quellenmaterial überliefert hat. Seine Quelle muß u.a. einen Auszug über Ahabs Masseben-Errichtung geboten haben. Die vom „Deuteronomisten" weitergegebenen vordeuteronomistischen Auszüge zu Ahab und Joram lassen somit erkennen, daß Ahab einen Tempel errichtet hat, dort einen Baalsaltar aufstellte, eine Massebe (LXX: PI.) machen ließ und eine Asera erstellte. Diese Kultgegenstände sind bei der Revolution Jehus (2Kön 9/10) wohl weitgehend zerstört worden. Allerdings finden wir in 2Kön 13,6 die Notiz, daß sich noch zur Zeit von Joahas, Jehus Sohn, „in Samaria"59 eine Asera befand. Da wir nichts davon erfahren, daß etwa in der Zeit der Dynastie Jehu derartige Kultobjekte neu errichtet worden wären, ist die Annahme wahrscheinlich, daß die Asera noch aus der Zeit der Dynastie Omris stammte und die Revolution Jehus über59

Man wüßte gern, wo sich „in Samaria" — dem Ort? der Landschaft? — die Aïera befand. Leider gibt der Text darüber keine Auskunft.

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Die schematischen Angaben

dauert hat. Sie müßte als Kultobjekt also auch nach der Zeit Jehus gewisse Resonanz im Volk gefunden haben. Die schematischen Beurteilungen der Könige Israels lassen bei genauerem Hinsehen gewisse Unterschiede deutlich werden. Neben Jerobeam ben Nebat werden die Könige Omri, Ahab und Ahasja mit einem besonders negativen Urteil versehen. Sie sind die Könige von Israel, die nicht nur — wie die anderen Könige auch — in der „Sünde Jerobeams" verblieben, sondern die darüber hinaus noch besondere Frevel auf sich geladen haben sollen. Zum Begründer des Königshauses, Omri, wußte man zu sagen, daß er schlimmer gehandelt habe, als alle seine Vorgänger (lKön 16,25f). Mit Omri hat — auch nach Meinung des „Deuteronomisten" — in Israel ein Neues eingesetzt. Die Einzelheiten, die bei den omridischen Königen neu waren, werden erst bei Ahab und Ahasja deutlicher ausgeführt, lassen aber eine genaue Kenntnis der Verhältnisse nicht zu. Die Zeit dieser Könige Israels war in den Augen des „Deuteronomisten" so schlimm, daß er meinte, auf ihr schlechtes Beispiel bei der Darstellung der Geschichte einiger Könige Judas verweisen zu müssen (vgl. zu Joram von Juda 2Kön 8,18, Ahasja 2Kön 8,27, Ahas 2Kön 16,3 und Manasse 2Kön 21,3f) 60 . Doch die Rückverweise bieten keine bessere Möglichkeit, um sich ein Bild über die Zeit der Könige Omri, Ahab, Ahasja und Joram zu machen. Ihre Kultpolitik, die der „Deuteronomist" offenbar besonders geißeln wollte, bleibt uns trotz der deuteronomistischen Urteile unklar. Das ist umso bedauerlicher, da nach David und Salomo diese Epoche wohl die blühendste der israelitischen Geschichte gewesen ist. Immerhin bietet der „Deuteronomist" für die Zeit der Könige von Ahab bis Jehu noch mehr an Notizen und Erzählungen als etwa zu Jerobeam II.61

60

Vgl. auch H. Weippert, „Die . . . Beurteilungen", S. 309 Schema I S 2 und S. 312f. 61 Zur Dynastie Jehu im Rahmen des Königsbuches und seiner wirtschaftlichen Situation, wie sie sich in den ausgegrabenen Städten zeigt, vgl. J. B. Knott, The Jehu Dynasty, An Assessment Based upon Ancient Near Eastern Literature and Archeology, Diss. Phil. Emory University, 1971.

Die historische Notiz zu Omri

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3. Kapitel: Die historische Notiz zu Omri Bei den Königen Ahab, Ahasja und Joram ist in die deuteronomistische Beurteilung ein Auszug aus vordeuteronomistischen Quellen eingearbeitet. Derartiges Quellenmaterial kann an verschiedenen Stellen behandelt werden: zwischen Antrittsformular und Beurteilung (Omri), eingeschoben in die Beurteilung selbst (Ahab)1 oder zwischen die Beurteilung und das Abschlußformular2. Welche Gründe dazu geführt haben, die vordeuteronomistischen Angaben jeweils an verschiedenen Stellen einzubringen, ist nicht deutlich3. Der Text zu Omri lautet: lKön 16,24: „Und er 4 kaufte den Berg Samaria von Schemer5 für zwei Talente Silber und (be-)baute6 den Berg. Und er 7 nannte den Namen der Stadt8, die er 9 (darauf) erbaute, nach dem Namen Schemers10, dem Herrn des Berges, Samana.

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ι Siehe oben S. 32f. 2 Siehe oben S. 38f. 3 Allein schon die Stellung des Verses erweckt nach E. Würthwein den Eindruck, daß der ganze Vers 24 später eingeschoben sei (Das Erste Buch, S. 198). Doch ist die Stellung des Verses allein kaum ein Argument gegen seine Ursprünglichkeit. Vgl. oben S. 32f und S. 34f und S. 38f. 4 Die LXX und Vrss. bieten auch hier den Namen „Omri". s Die LXX und Vrss. bieten zusätzlich 1ΠΠ "ΉΝ vgl. MT 24b. 6 LXX (Luc) bietet Plural: ώκοδόμησαν. 7 Die LXX-Tradition bietet einerseits die 3.P.P1. jeweils in Aktiv und Passiv, andrerseits die 3.P.Sing. ebenfalls in Aktiv und Passiv. Als Vorlage wäre (1)K1p,1 zu postulieren, jeweils als Kai oder Nif'al verstanden. Die anderen Vrss. folgen MT. 8 LXX bieten „des Berges". Verschreibung ")ΠΠ/·ν»Π? ' LXX (B) Plural: ώκοδόμησαν. 10 Der Name "lütt? hat im griechischen Text viele Varianten. Die Ubersetzer der LXX waren vor die Aufgabe gestellt, ein Wortspiel des hebräischen Textes zwischen dem Ortsnamen |ΠΒΒ und dem Namen des ehemaligen Besitzers ins Griechische zu transponieren und dabei gleichzeitig den griechischen Namen für Stadt und Landschaft Samaria: Σαμάρεια unterzubringen. Wie die vielfältigen Varianten zeigen, haben sie das erste Problem: ein Wortspiel zwischen hebr. plöB? mit "IÏ3D noch irgendwie gelöst, doch das zweite: eine Verknüpfung dieses Wortspiels mit dem griechischen Σαμάρεια mißlang völlig. Die hebräische „Etymologie" erklärt den hebr. Namen |nöE>. Die ins Griechische transponierte müßte den griechischen Namen Σαμάρεια erklären. Sie führt aber einen gekünstelten Begriff Σαεμηρών ein. Hier ist die Grenze der Ubersetzungsfähigkeit der LXX erreicht.

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Die schematischen Angaben

V. 24 besteht inhaltlich aus zwei Teilen: einer Kaufbeschreibung und einer Namensätiologie. In der Kaufbeschreibung des MT 1 1 werden das Kaufobjekt, der Name des Besitzers 12 und der Kaufpreis aufgeführt. Dieser Teil macht nach seiner sprachlichen Form und vom Inhalt her den Eindruck, daß er amtlichem Material entnommen wurde. Der zweite Teil ist eine Namensätiologie zwischen piötP und Itti?, die sich neben andere alttestamentliche Worterklärungen stellt 13 . Sie für einen Teil amtlichen Materials zu halten, fällt daher schwer. Um die Herkunft auch dieses Verses aus letztlich amtlichem Material zu halten, eliminierte M. Noth 1 4 die Person Schemer aus der Etymologie. Seine Behandlung des Textes erscheint aber willkürlich, da dabei das Wortspiel aufgelöst wird.

Methodisch ist das ganze Wortspiel von der vorangehenden Kaufbeschreibung zu trennen, wozu man auf den Wechsel des Subjekts zwischen beiden Sätzen in LXX-Handschriften verweisen kann 1 5 . Die Textüberlieferung der LXX läßt also ein Verständnis zu, nach dem nicht Omri die Namensgebung vorgenommen hat 1 6 . Dann ist auch genau die sachliche Schwierigkeit beseitigt, an der schon B. Stade 1 7 Anstoß nahm, nämlich „daß ein König eine von ihm gegründete Stadt oder Königsburg nach dem Namen desjenigen benennen werde, welchem einst das Terrain gehörte, auf welchem sie errichtet wird". Zur Unterstützung der literarischen Abtrennung der Namensätiologie von der Kaufbeschreibung 18 sei darauf verwiesen, 11

In der LXX wird zusätzlich der Name des Käufers: Omri geboten. Der Zusatz παρά Σέμηρ του κυρίου τού δρους der LXX läßt dort keinen Zweifel daran, daß Verkäufer und Eigentümer identisch waren. 13 Vgl. dazu J. Fichtner, „Die etymologische Ätiologie in den Namensgebungen der geschichtlichen Bücher des Alten Testaments", VT, 6 (1956), S. 372— 386 (S. 375). i« Könige, S. 353. 15 Siehe Anm. 6. 16 Auch der MT kann unter Annahme eines Subjektwechsels übersetzt werden mit „und man nannte . . . " . " B. Stade, „Der Name der Stadt Samaria und seine Herkunft", ZAW, 5 (1885) (1885), S. 1 6 5 - 1 7 3 (S. 165). 18 E. Würthwein hat — gegenüber M. Noth — gewiß recht, wenn er den Namen Schemer nicht aus der Ätiologie V. 24 tilgt. U.E. braucht man nun aber noch nicht gleich den ganzen V. 24 mit Kaufbeschreibung und Ätiologie für „nachträglich . . . eingeschoben" (E. Würthwein, Das Erste Buch, S. 198) zu halten. 12

Zum Namen „Samaria"

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daß auch die beiden anderen Namensätiologien in den Königsbüchern lKön 9,13 und 2Kön 14,7 wahrscheinlich nicht ursprünglich zum Kontext gehören 19 . In keinem der genannten Fälle läßt sich aus der Namensätiologie ein historisches Wissen entnehmen.

Exkurs:

Zum Namen

„Samaria "

Die Fülle der orthographischen Varianten der LXX 2 0 zum Namen Samaria an der Stelle lKön 16,24 läßt größte Zurückhaltung geboten erscheinen, von ihnen aus zu einer hebräischen Aussprachetradition zu gelangen 21 . Wäre vielleicht ein Weiterkommen für diese Fragen von der hebräischen Namensätiologie pnaB/löB möglich? J . Fichtner hat darauf aufmerksam gemacht 22 , daß der Gebrauch von Namensätiologien von der Frühzeit des Volkes Israel zur Spätzeit hin abnimmt. In beiden Königsbüchern sind nur drei Namensätiologien enthalten: lKön 9,13 über Kabul, lKön 16,24 über Samaria (unserer Stelle) und 2Kön 14,7 über Sela Jokteel. Alle drei Ätiologien bilden den Schluß eines historischen Abschnittes, hinter dem jeweils etwas Neues einsetzt. Literarisch können die Namensätiologien im jetzigen Kontext als sekundäre Elemente erkannt werden 23 . Generell läßt sich zu den hebräischen Namensätiologien sagen, daß es sich bei ihnen „um ein feines und sehr freies etymologisches SpieEs genügt, die Ätiologie abzutrennen. Die Erfindung eines Kaufvertrages zwischen Omri und dem Vorbesitzer des Berges ist in nachträglich eingeschobenem Material kaum vorstellbar. 19 J. A. Montgomery/H. S. Gehman, A Critical and Exegetical Commentary on the Books of Kings, The International Critical Commentary (Edingburgh, 1951), S. 439; M. Noth, Könige, S. 207, 211; E. Wiirthwein, Das Erste Buch, S. 107. 20 Σαμηρων, Σαεμηρων, Σαεμμηρων, Σεμερων, Σεμηρον, Σεμηρων, ρων, Σεμορρων, Σομηρον, Σομορον, Σομορων, Σομορρον, Σομορρων 21

Σεμμη...

Gegen Β. Stade, „Der Name", S. 168f, 171; R. Kittel, Die Bücher der Könige, Handkommentar zum Alten Testament, 1/5 (Göttingen, 1900), S. 156; A. §anda, Die Bücher der Könige, Bd. 1: Das erste Buch der Könige (Münster/W., 1 9 1 1 - 1 9 1 2 ) , S. 404. 22 „Die etymologische Ätiologie", (Anm. 13) S. 375f. » Vgl. Anm. 19.

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Die schematischen Angaben

len handelt, mit dem der Erzähler brilliert" 24 . Aus derartigem Spiel sollte man in keinem Fall versuchen, auf ältere Aussprachetraditionen zu schließen. Der Name des Berges und der auf ihm gebauten Stadt Samaria lautet im MT pi!?®'.Das Wort ist eine Ableitung vom Stamm "IDE? „bewachen". Ortsnamen der Endung p / ] . . . sind in Fülle beizubringen. Darunter sind Namen von Bergen, Flüssen, Städten und Dörfern: II1?-« (Jos 19,42), p r » ma (Jos 15,15 LXX), p » a j (Jos 18,25), piBt (Num 34,9), p i a n (Gen 13,18), p a n r (lSam 23,19), pVeo (Jos 15,10), pia"? (Dtn 1,17), p i a » (Jos 21,30), pais (Num 33,42), p n p (2Sam 15,23), p - w (Dtn 3,9), p i a » (Jos 11,1; 12,20; 19,15) u.a. Eine Regel für den Vokalismus der ersten Silben läßt sich nicht finden. Die Wiedergabe des Namens piai? (MT) lautet in assyrischen Texten der Zeit von Adad-Neräri 111.(810-783) bis Assurbanipal (668-627): Sa-me-ri-na-a-a2S, Sa-mi3-ri-na, Sa-mir-i-na, Sa-mir-na, áá-ma-ra-'i-in 26 . Sie ist die früheste vokalisierte Wiedergabe des Namens. Von ihr ist für den Ansatz der frühesten hebräischen Aussprache auszugehen. — Wegen der Lautung des letzten Vokals muß der Name den Assyrern über eine Namensform pTüP/piötP vermittelt worden sein 27 . Sie ist die früheste Wiedergabe der aus späterer Zeit überlieferten aramäischen Namensform (Esr 4,10,17). Könnte diese aramäische Wortform in einer Vorform die Vermittlerrolle zu den Assyrern gespielt haben 2 8 ? Woher stammt diese Form? Ist sie eine Transponierung der hebräischen Form pia® ins Aramäische oder liegt ihr eine » G. von Rad, Das erste Buch Mose, Genesis, Kap. 1 , 1 - 2 9 , ATD, Bd. 2, 3. Aufl. (Göttingen, 1967), S. 256. 25 Dies ist der erste Beleg für einen „Samarier". St. Page, „A Stela of Adadnirari III and Nergal-ereï from Tell al-Rimah", Iraq, 30 (1968), S. 1 3 9 - 1 5 3 Zeile 8. 26 Die Belege nach S. Parpóla, Neo-Assyrian Toponyms, Alter Orient und Altes Testament, Bd. 6 (Neukirchen, 1970), S. 302f. 27 Der erste Vokal der assyrischen Form kann lang oder kurz sein, vgl. W. von Soden, Grundriß der akkadischen Grammatik, Analecta Orientalia, 33, 2. unv. Aufl. (Roma, 1969), § 7e, S. 10. Die spätere aramäische Form p i a ® bietet langes ä, das dem hebräischen -o- von piBtf entspricht. — Die Wiedergabe zweiten Vokals von plBtf im Assyrischen durch i oder -a-'i- ist nicht mit dem zweiten Laut der hebräischen Form in Deckung zu bringen. m So M. Noth, Könige, S. 353.

Die Formel vom „Übrigen an Taten"

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hebräische Form zu Grunde, die sie annähernd richtig wiedergibt? Gab es eine hebräische Nebenform p ö t t ? / p » P ? Eine alte Lokalendung 2 9 p . ./].l... ist auch im Hebräischen noch nachzuweisen. Vielfach wurde sie — vielleicht wegen ihres aramäischen Aussehens — von den Masoreten unterdrückt. Vgl. aber die noch vorliegenden Formen K ^ n (IChr 6,43, vgl. B H K 3 , Β HS z.St.) mit t(l)V(1)n (Jos 15,51), p e » (2Chr 13,19 Qerëh) mit p s » (2Chr 13,19 Ketib), * ρ τ (Gen 37,17) mit | m (2Kön 6,13). Das Nebeneinander von Wortformen ] m / p * T , p D V / p B 5 7 und l i V m / ^ T I weist entweder auf nebeneinander bestehende Dialektunterschiede in der hebräischen Aussprache hin 3 0 oder ist ein Zeichen für eine innerhebräische Sprachentwicklung 31 , in der die eine Form auf die andere gefolgt ist. In jedem Fall kann das Auftreten beider Endungen für dieselben Ortsnamen im hebräischen Sprachgebiet als gesichert gelten. So spricht nichts dagegen, auch eine hebräische Nebenform p a w des Namens p ö t f zu postulieren 3 2 . Diese Form wäre dann den Aramäern (und Assyrern) zugekommen und hätte sich nur bei ihnen erhalten, während sie in Israel und J u d a durch p a s ? verdrängt wurde.

4. Kapitel: Die Formel vom „übrigen an Taten . . . " und die historische Notiz zu Ahab Den Abschluß der Darstellung der Regierungszeit eines Nord- oder Südreichkönigs bildet gewöhnlich die Formel „und das übrige an an Taten NN's und alles was er getan hat — sind sie nicht (auf-) ge29

R. Meyer, Hebräische Grammatik, Bd. II: Formenlehre, Flexionstabellen, 3. neubearb. Aufl. (Berlin, 1969), § 4 1 : 2 , S. 37f; Ch. Fontinoy, „Les Noms des Lieux en -ayim dans la Bible", Ugaritforschungen, 3 (Neukirchen, 1971), S. 33—40, wo jedoch der Wechsel von Ortsnamen DÍ/B3. . / |-/F·. . mit denen auf ji / }. . . nicht berücksichtigt wird. 30 So H. Bauer/P. Leander, Historische Grammatik der hebräischen Sprache des Alten Testaments (1922; Neudruck Hildesheim, 1965), S. 28f. 31 Vgl. auch das Nebeneinander von Wortformen im Onomastikon auf D l / Q.I. . mit l ] \ . : *D ,l 7 , K (Ex 15,27) mit J l V s (Jos 19,43) B , r » (Gen 38,21) mit • o r » tJos 15,34). 32 So schon B. Stade, „Der Name", S. 169.

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Die schematischen Angaben

schrieben im Buch der Annalen der Könige Israels/Judas?" Diese Formel reicht — ohne die sogleich zu behandelnden Ausnahmen — von Salomo bis Jojakim und unterscheidet nicht zwischen den Königen Israels und Judas Selbst bei Usurpatoren, die nur für kürzeste Zeit regierten: Simri (für sieben Tage!) (lKön 16:20) und Schallum (2Kön 15:15) fehlt ein Verweis auf die „Annalen" nicht. Die Formel fehlt indessen bei den judäischen Königen Joahas, Jojachin und Zidkija sowie bei dem israelitischen Hoschea, die alle als Gefangene deportiert wurden2. Aus literarischen Gründen ist sie bei Ahasja von Juda und Joram von Israel ausgelassen. Die Einschaltung der Jehu-Erzählung erlaubte für diese Könige den Passus nicht mehr. Die Abschlußformel selbst hat den scheinbar kürzesten Wortlaut bei den Königen Amazja von J u d a (2Kön 14,18) u n d Secharja von Israel (2Kön 15,11):

•oV»1? D-'ö-'n n m -iso V» o m r o orrori/Din nnst/rrs»« n a n -im 1

? N " W / r m r P . In beiden Stellen dürfte aber nach den Königsnamen ein ¡HPV zu ergänzen sein 3 . Die Formel in diesem Wortlaut findet sich bei den Königen Rehabeam ( l K ö n 14,29), Abija l K ö n 15,7), J o r a m (2Kön 8,23), Joasch (2Kön 12,20), Asarja (2Kön 15,6), J o t a m (2Kön 15,36)«, Ahas (2Kön 16,19), Amon (2Kön 21,25)5, Joschija (2Kön 23,28) und Jojakim (Eljakim) (2Kön 24,5) von J u d a u n d bei Nadab ( l K ö n 15,31), Eia ( l K ö n 16,14), Ahasja (2Kön 1,18)6, Menahem (2Kön 15,21), Pekachja (2Kön 15,26) u n d Pekach (2Kön 15,31) von Israel.

In diesen Wortlaut oder zwischen ihn und die Beschreibung des Todes und der Bestattung ist verschiedentlich historisches Material eingeschoben. Der längste Einschub liegt bei Joschafat von Juda vor:

1

Bei den israelitischen Königen erscheint natürlich der Verweis auf die Annalen der Könige Israels, bei den Königen des Südreiches auf die der Könige von J u da. — Bei Salomo wird verwiesen auf das Buch der „Annalen Salomos" l K ö n 11,41 (LXX (Luc); Vulg.). 2 Bei diesen Königen fehlt auch ein Hinweis auf T o d u n d Begräbnis — als wenn sie nicht auch im Ausland bestattet werden konnten. Aber genau das wollte man anscheinend nicht berichten. 3 LXX 2Kön 14,18 einheitlich: και πάντα ό'σα έποίησεν. 2Kön 15,11 LXX (Luc); Syr m 8: και πάντα όσα έποίησεν = ntPV HPK Vsi. 4 Setze mit LXX; Vrss. in den MT. Vgl. BHK 3 , BHS z.St. S Setze mit LXX (Luc); Syr Vd in den MT. Vgl. BHK 3 , BHS z.St. 6 Lies mit LXX (Luc); Syr; Äth VDV Vgl. BHK 3 , BHS z.St. Die Setzung oder das Fehlen von VD kann eine stilistische Variation sein, wie sie ähnlich im Schema der Beurteilungen der Könige auftritt.

Die Formel vom „Übrigen an Taten"

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l K ö n 2 2 : 4 7 — 5 0 7 . Häufig ist als Einschub der Hinweis auf die ΠΤΙ318 eines Königs: bei Bascha ( l K ö n 1 6 , 5 ) , Omri ( l K ö n 1 6 , 2 7 ) , J o a h a s (2Kön 13,8), Joasch (2Kön 13,12) undjerobeam (2Kön 14,28) von Israel und bei J o s c h a f a t ( l K ö n 2 2 , 4 6 ) von J u d a . Variiert durch den Zusatz ΓΠΊ31 Î7D9 erscheint der Hinweis bei Asa (lKön 15,23), Jehu (2Kön 10,34) und Hiskija (2Kön 20,20), ohne daß ein Grund für die Variation zu erkennen ist. Ob die variierte Ausdrucksweise 10 verschiedene historische Sachverhalte ausdrücken sollte, oder ob sie nur als Stilmittel zu betrachten ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Ein Hinweis auf die m m

m u ß als Anspielung auf militärische Akti-

vitäten verstanden werden, von denen in den Königsbüchern in anderem Zusammenhang mit diesen Königen schon jeweils die R e d e gewesen ist. Man vergleiche für Bascha und A s a l K ö n 1 5 , 1 6 f f , für Omri l K ö n 1 6 , 2 1 f f (für J o s c h a f a t l K ö n 2 2 , I f f ) 1 1 , für J e h u 2 K ö n 8 , 2 8 f f ; 9 , I f f , für J o a h a s und J o a s c h 2 K ö n 1 3 , 7 , 2 2 f f ; 1 4 , 8 f f , für J e r o b e a m ben J o a s c h 2 K ö n 1 4 , 2 5 und für Hiskija 2 K ö n 1 8 , 7 f , 2 0 f f . Bei anderen Königen, von denen wir aus biblischen Angaben doch wissen, daß sie in militärische Auseinandersetzungen verwickelt waren, fehlt allerdings ein solcher Hinweis auf die m i 2 J , z.B. bei Rehabeam (lKön 14,25ff; 14,30; 2Chr 1 1 , 5 - 1 1 ; 1 2 , 1 - 1 2 ) , Abija (lKön 15,6) und Nadab (lKön 15,27). Warum bei Rehabeam usw. der Hinweis auf die ΓΠΉ1 fehlt, ist ebensowenig auszumachen, wie der Sinn der Variation von ΓΠΊ3Ϊ mit m i 3 J und 0Π1?] "IIPX mit on 1 ?] n£>x r m a j . V o n besonderem Interesse sind die Hinweise auf weitere Aktivitäten in den Abschlußformeln der Könige A h a b ( l K ö n 2 2 , 3 9 ) , J e r o b e a m ben J o a s c h ( 2 K ö n 1 4 , 2 8 ) und Hiskija ( 2 K ö n 2 0 , 2 0 ) . Dabei soll hier nur der Satz über Ahab näher untersucht werden. ι Fehlt hier L X X (B) vgl. aber L X X (B) zu lKön 16,28f! 8 Die L X X liest häufig Plural: Swaareiai. Ähnlich auch im Schema der Beurteilungen statt MT ΠΚΒΠ (siehe oben S. 38 Anm. 55). 9 Siehe Anm. 6. 10 Vgl. noch Joasch (2Kön 13,2 = 14,15) undjerobeam ben Nebat (lKön 14,19). i' Wenn bei König Joschafat von Juda in lKön 22,46 (vor 2Kön 31) die Rede von seiner ΓΠΊ3Ϊ ist, erwartet man nach lKön 22 diesen Hinweis auch für Ahab. Ein solcher Hinweis fehlt jedoch. Das Fehlen von ΠΤ135 im Formular von Ahab kann als Hinweis darauf gedeutet werden, daß die Erzählungen lKön 20/22 erst in den Text eingefügt sind, nachdem die Abschlußformel für Ahab schon fixiert war. Wahrscheinlich ist das Formular für Joschafat durch den Einfluß von 2Kön 3,3ff und 2Chr 17; 18; 20 erweitert worden.

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Die schematischen Angaben

Aber noch eine andere Notiz zu Ahab wird meist aus amtlichem Material hergeleitet. Es handelt sich um l K ö n 16,34, wo es heißt, zu Ahabs Zeit „erbaute Hiel aus Bet-El Jericho. U m 1 2 Abiram, seinen Erstgeborenen, gründete er die Stadt und u m Segub 1 3 , seinen Jüngsten, errichtete er ihre Tore . . . " Diese Nachricht ist inhaltlich in verschiedener Hinsicht dunkel. Zum einen wird nicht erläutert, wer Hiel war, in welcher Funktion und in wessen Auftrag er handelte u n d was er in Jericho baute. Auch aus anderer Quelle ist über Hiel nichts zu erfahren. Zum anderen ist das scheinbar so einfache „ u m " inhaltlich unklar, da bei dem breiten Bedeutungsspielraum der Präposition (3) allerlei Bedeutungsverschiebungen möglich sind. Die ältere Auffassung, daß es sich bei dem Tod der beiden Söhne Hiels um ein Bauopfer handele 1 4 , wird heute weitgehend abgelehnt zu Gunsten der Annahme, daß beim Bau der Stadt die beiden Söhne durch einen Unglücksfall umgekommen seien l s . Doch ist abgesehen von diesen Schwierigkeiten die überlieferungsgeschichtliche Einordnung der Nachricht in die Zeit Ahabs problematisch. Nach M. N o t h 1 6 wäre die Uberlieferungsgeschichte der Notiz so zu denken, daß hier, in l K ö n 16,34, ein Exzerpt aus den israelitischen Königsannalen vorliege und der „Deuteronomist" auf Grund dieser Nachricht im Buche Josua 6,26 einen Fluch Josuas über Jericho formuliert hätte, auf den wiederum durch l K ö n 16,34bß rückverwiesen wurde. Möglich ist eine solche Annahme, aber u.E. nicht wahrscheinlich. Zwar kann der inhaltliche singulare Vers l K ö n 16,34(a, ßa) aus einer amtlichen Quelle stammen, aber daß es eine Quelle der Zeit Ahabs gewesen ist, läßt sich kaum erweisen. Die Argumente dafür 1 7 , die Einordnung in den Kontext der Zeit Ahabs u n d 12

Zu 3 pretii vgl. L. Koehler/W. Baumgartner, Lexikon 3 , sub 3, No. 17. Lies so mit MT Qerëh; Vrss, BHK 3 , Β HS z.St. 14 Besonders seit H. Vincent, Canaan d'après l'exploration récente (Paris, 1907), S. 188ff. und I. Benzinger, Hebräische Archäologie, 3. Aufl. (Leipzig, 1927), S. 102f., 360ff. !5 Vgl. M. Noth, Könige, S. 356; O. Kaiser „Den Erstgeborenen deiner Söhne sollst du mir geben, Erwägungen zum Kinderopfer im Alten Testament", in: Denkender Glaube, Festschrift Carl Heinz Ratschow zur Vollendung seines 65. Lebensjahres am 22. Juli 1976 gewidmet von Kollegen, Schülern u n d Freunden, Hg. O. Kaiser (Berlin/New York, 1976), S. 2 4 - 4 8 (S. 29 Anm. 13, 14); E. Würthwein, Das Erste Buch, S. 204. " „Bethel u n d Ai", PJB, 31 (1935), S. 7 - 2 9 = M. Noth, Aufsätze zur biblischen Landes- u n d Altertumskunde, 1 (Neukirchen-Vluyn, 1971), S. 210—228 (S. 226f), vgl. ders. Uberlieferungsgeschichtliche Studien, Die sammelnden u n d bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, 2. Aufl. (Tübingen, 1957), S. 75, ders., Könige, S. 356. — Ähnlich schon früher I. Benzinger, Die Bücher der Könige, Kurzer Hand-Commentar zum Alten Testament, IX (Freiburg/ Leipzig/Tübingen, 1899), S. 105. Vgl. jetzt ausführlicher dazu W. Dietrich, Prophétie und Geschichte, eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung zum deuteronomistischen Geschichtswerk, FRLANT, 108 (Göttingen, 1972), S. l l l f und ihm folgend E. Würthwein, Das Erste Buch, S. 204. π M. Noth, „Bethel und Ai", S. 27 = Aufsätze, 1, S. 227. 13

Die Formel vom „Übrigen an Taten"

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die Einleitung des Wortes durch V Ö ^ 1 8 sind nicht zwingend, da anderswo in den Königsbüchern mit sekundären Zusätzen gerechnet werden muß (vgl. lKön 8; 12,32-13,33; 2Kön 17) und die Einleitung ν»·>3 in der LXX (B) fehlt 19 . Weiterhin: Formal ist lKön 16,34 im Buch der Könige der einzige explizite Riickverweis auf eine „Weissagung" Josuas. Kein Hörer (oder Leser) des Zusammenhanges von lKön 16 erwartet jedoch einen solchen Riickverweis oder wäre durch irgendeine Andeutung im Text auf diesen Riickverweis vorbereitet. Genau diese Erfüllung der „Weissagung" findet sich jedoch unmittelbar anschließend an den von Josua ausgesprochenen Fluch in Jos 6,26 einhellig in der LXX überliefert! U.E. ist daher der Passus in Jos 6,26 LXX ursprünglich. Innerhalb des Josuabuches stellt sich die Notiz Jos 6,25,26 LXX neben ähnliche Auskünfte; man vgl. nur Jos 10,12f. Durch die Anknüpfung von Jos. 6,26 LXX an lKön 16,33 20 ist Ahab nun als König auch für Hiels Taten verantwortlich. So konnte man Ahab als jemanden darstellen, vor dem auch ein Fluch Josuas nichts galt! Der heutige Text von lKön 16,34 gehört daher u.E. primär zum Buche Josua und nicht in die Zeit Ahabs. Damit erübrigen sich auch alle Überlegungen, diesen Text zu den Ausgrabungsergebnissen der eisenzeitlichen Stadt Jericho in Bezug zu setzen. Daß Jericho in der Eisenzeit, d.h. auch in der Zeit der Omriden, entgegen der bisherigen Meinung 21 kontinuierlich besiedelt war, hat die Überprüfung der archäologischen Grabungsberichte durch H. und M. Weippert 22 erwiesen. Ihr Untersuchungsergebnis ordnet sich dem historischen Kontext der Zeit vorzüglich ein. Der sonst unbekannte Hiel ist aber wohl kein Zeitgenosse des Königs Ahab gewesen.

Die Annalennotiz zu Ahab, aufgenommen in die übliche Formel, lautet (lKön 22,39): „und das übrige an Taten Ahabs und alles, was er getan hat, und das Elfenbeinhaus, das er gebaut hat, und alle Städte, die er gebaut hat — sind sie nicht (auf-) geschrieben im Buch der Annalen der Könige Israels?" Sachlich steht dieser Text am Abschluß der Erzählung über den Kampf um Ramot-Gilead (lKön 22), ist aber formell die auch sonst übliche Abschlußformel. Der Vers ist dementsprechend vom Vorangegangenen zu trennen23. Der in der Abschlußformel (lKön 22,39f) 18

Vgl. noch mit dieser Einleitung versehene Notizen in 2Kön 8,20; 23,29; 24,1. Ein mechanisches Versehen ist allemal möglich, aber alle anderen Auszüge mit dieser Einleitung werden von der LXX richtig wiedergegeben. » Er fehlt noch in LXX (Luc)! 21 Besonders pointiert vertreten von K. Kenyon: Digging up Jericho (London, 1957), S. 263ff, dies. „Jericho", in: Archaelogy and Old Testament Study, Hg. D. W. Thomas (Oxford, 1967), S. 274. 22 „Jericho in der Eisenzeit", ZDPV, 92 (1976), S. 105-148. 23 G. Hölscher, „Das Buch der Könige, seine Quellen und seine Redaktion" (Festschrift H. Gunkel), Eucharisterion, Bd. I: Zur Religion und Geschichte 19

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Die schematischen Angaben

berichtete (natürliche) Tod Ahabs hat somit weder literarisch noch sachlich etwas mit dem Krieg um Ramot zu tun. Der Bau eines Gotteshauses durch Ahab war in lKön 16,32 erwähnt 24 . Wenn nun hier vom Bau eines Elfenbeinhauses gesprochen wird, dürfte damit ein profanes Haus gemeint sein, wahrscheinlich der Palast des Königs25. Noch zu Amos' Zeit gelten Elfenbeinhäuser als unerhörter Luxus in Samaria (Am 3,12—15). Die bei der Ausgrabung in Samaria gefundenen Elfenbeinstücke, die zur Vertäfelung und Verzierung der Gebäude und Möbel gedient haben 26 , illustrieren auf ihre Weise die Worte lKön 22,39 und Am 3,13f 2 7 auch wenn ihre Zuordnung in die Zeit Ahabs nicht gesichert ist. Die stilistischen Formen u n d Motive der Elfenbeinarbeiten, aber noch mehr die Kleinfunde, Amulette, Armreifen, Skarabäen und Siegelringe 28 zeigen die enge wirtschaftliche und kulturelle Verflochtenheit Israels mit seinen näheren und ferneren Nachbarn. Stupend sind die ägyptischen Motive einiger Stücke. Es finden sich Darstellungen des Horuskindes, Abbildungen der Götter Bes und áu, Isis und Nephthys, aber auch Spinxen u.a. Neben dem beliebten „protojonischen" Dattelpalmen-Motiv weisen aber die auf einigen Elfenbeinstücken vorhandenen Einbauzeichen (?) im kanaanäisch-aramäischen A l p h a b e t 2 9 darauf des Alten Testaments, FRLANT, 36/1 (Göttingen, 1923), S. 1 5 8 - 2 1 1 (S. 184); A. Jepsen, „Israel u n d Damaskus", AfO, 14 ( 1 9 4 1 - 1 9 4 4 ) , S. 1 5 3 - 1 7 2 (S. 155f); C. F. Whitley, „The Deuteronomic Presentation of the House of Omri", VT, 2 (1952), S. 1 3 6 - 1 5 2 (S. 147f) u.a. » Zum Text siehe oben S. 32f. 25 Explizit gesagt wird das nicht! Der Palast hätte als *?3TI benannt werden können. Assyrische Könige benannten ihre Paläste gern nach den in ihnen verwendeten Holzarten. In Analogie dazu kann man diese Gewohnheit auch für Israel annehmen. Vgl. W. Schramm, Einleitung in die assyrischen Königsinschriften, Zweiter Teil, 9 3 4 - 7 2 2 v.Chr., HdO, I. Abteilung, Ergänzungsband, V, 1. Abschnitt (Leiden, 1973), S. 37. 26 Vgl. J . W. Crowfoot/G. M. Crowfoot, Early Ivories from Samaria (London, 1938) = Samaria-Sebaste II; Ν. Avigad, „The Ivory House which Ahab Built", Eretz Shomron: The Thirtieth Archaeological Convention, September 1972 (Jerusalem, 1973), S. 7 5 - 8 5 (Ivrit). 27 Vgl. dazu S. Mittmann, „Amos 3 , 1 2 - 1 5 und das Bett der Samarier", ZDPV, 92 (1976), S. 1 4 9 - 1 6 7 . 28 G. A. Reisner/C. S. Fisher/D. G. Lyon, Harvard Excavations at Samaria, I, II (Cambridge/Mass., 1924), I, 333f, 376ff u n d J . W. Crowfoot/G. M. Crowf o o t / K . M. Kenyon, The Objects from Samaria (London, 1957) = SamariaSebaste III, passim. 29 Vgl. dazu W. Röllig, „Alte u n d Neue Elfenbeininschriften", in: W. Röllig/ R. Degen/W. W. Müller, Neue Ephemeris für Semitische Epigraphik, Bd. 2 (Wiesbaden, 1974), S. 3 7 - 6 4 .

Die Formel vom „Übrigen an Taten"

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hin, daß die Elfenbeinarbeiten nicht als ägyptischer Import gedeutet werden dürfen, sondern in Syro-Palästina ihre Herkunft hatten. Aus diesem Raum, aus Megiddo 30 und Arslan Tas 31, stammen ja auch die wichtigsten nächsten Vergleichsstücke sofern man einmal von den ins Zweistromland verschleppten Elfenbeinarbeiten 32 absieht. Doch sind auch direkte Importe aus Ägypten in Samaria gefunden worden. Das berühmteste Stück ist ein Gefäß mit der Kartusche Osorkons II. 33 . Aber auch manche Kleinfunde müssen als ägyptische Importe gedeutet werden H In den Königsbüchern, ja im Alten Testament überhaupt, fehlt jeglicher Hinweis auf die engen Beziehungen, die Israel in omridischer Zeit zu Ägypten hatte.

Aus diesen beiläufigen Äußerungen im Abschlußformular Ahabs läßt sich — im Zusammenhang mit den archäologischen Funden — ein großer wirtschaftlicher Reichtum Israels in der Mitte des 9. Jahrhunderts erschließen. Worauf dieser Reichtum basierte, wie Ahab ihn bewahren und mehren konnte, durch welche inneren und äußeren Maßnahmen der König die Prosperität förderte — all das wird vom Text nicht gesagt und war den Schreibern offensichtlich nicht von Interesse. Zusätzlich zu der Angabe über den Bau des Elfenbeinhauses begegnet bei Ahab ein Hinweis auf den Bau von Städten 35 . Beim Städtebauprogramm des Königs Rehabeam wird deutlich gesagt, daß es sich dabei um militärische Anlagen, um Festungsbauten, gehandelt habe: 2Chr 11,5: msaV an». Bei Ahab ist das nicht so. Der Bau von Festungsanlagen36 oder Garnisonsstädten durch Ahab ist daher 30 Vgl. dazu G. Loud, The Megiddo Ivories, Oriental Institute Publications, 52, Chicago, 1939. 31 F. Thureau-Dangin u.a., Arslan Tash, Bibliothèque Archéologique et Historique 16 (Paris, 1931), S. 8 9 - 1 3 8 ; J . Thimme, Phönizische Elfenbeine, Möbelverzierungen des 9. Jahrhunderts v.Chr., Bildhefte des Badischen Landesmuseums Karlsruhe 1973; ders. Phönizische Elfenbeine in Karlsruhe, Antike Welt, 4 (1973), S. 2 1 - 2 7 u.a. 32 Aus Nimrud, Ninive und Sippar. — Einzelne Elfenbeinstücke sind auch an anderen Orten Palästinas bei Ausgrabungen gefunden worden, vgl. die Angaben bei H. Weippert, Art. Elfenbein, in: K. Galling (Hg.), Biblisches Reallexikon, 2. Aufl. (Tübingen, 1977), S. 6 7 - 7 2 . 33 G. A. Reisner u.a., Harvard Excavations, I, S. 333f. 3* G. Α. Reisner u.a., a.a.O., S. 376f; J . W. Crowfoot u.a., a.a.O., Pl. XV. 35 Der gleiche Wortlaut in einem sekundären Zusatz bei König Asa lKön 15, 23. 36 Die erste großangelegte eisenzeitliche Siedlung auf dem Hügel von Samaria hatte keine massiven Festungsmauern! J . W. Crowfoot/K. M. Kenyon/E. L. Sukenik, The Buldings at Samaria (London, 1942) = Samaria-Sebaste I, S. 9f.

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Die schematischen Angaben

nur eine unter mehreren Deutungsmöglichkeiten des Wortlautes 37 . Bedauerlicherweise nennt der Text ja die Namen der Städte nicht. Außerbiblische Nachrichten lassen hingegen deutlich werden, in welchen Gegenden Ahab Krieg führte. So ist in der Tat damit zu rechnen, daß mindestens im Grenzgebiet zu den Moabitern militärische Bauarbeiten ausgeführt wurden 38. Ausgrabungen z.B. in Bet-Schean, Hazor und Megiddo haben in diesen Städten ein bedeutendes Bauvolumen der omridischen Zeit aufgedeckt 39 . Da aber die Baureste bislang nicht durch Inschriften zu verstehen gegeben haben, ob sie von Orari oder von Ahab oder sogar erst von Jehu erbaut wurden, sondern nur durch eine relative Chronologie eingeordnet werden können, bleibt weiterhin mancher Freiraum für die Zuordnung der literarischen Nachrichten zu den Ausgrabungsbefunden.

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Vgl. die vorsichtigen Formulierungen bei J. Fichtner, Das erste Buch von den Königen, Nach dem Tode herausgegeben von K. D. Fricke, Die Botschaft des Alten Testaments, Bd. 12/1 (Stuttgart, 1964), S. 341. 38 Siehe unten S. 166. 39 Eine knappe Übersicht über Ausgrabungsfunde der omridischen Zeit in den Städten Sichern, Bet-El, Teil el-Melàt, Tirza, Samaria, Tell Qasile, Hazor und Megiddo findet sich bei J. M. Miller, The Omride Dynasty in the Light of Recent Literary and Archaeological Research, Diss. Phil. Emory University 1964, S. 1 4 0 - 1 5 0 .

ZWEITER TEIL

ERZÄHLUNGEN ZU DEN KÖNIGEN AUS DEM HAUSE OMR! IN DEN KÖNIGSBUCHERN

Von ganz anderer Art als die schematischen Angaben zu den einzelnen Königen der Dynastie Omri, die der „Deuteronomist" in den Königsbüchern bietet, sind die Erzählungen, die er in den zeitlichen Rahmen dieser Könige gestellt hat. Sprachlich sind sie — gegenüber den formelhaften Schemata — teilweise kleine Meisterstücke. Mit vielfach eingesetzten erzähltechnischen Mitteln werden in ihnen Personen der Vergangenheit so lebendig gemacht, daß viele der Erzählungen bis in unsere Zeit faszinierend geblieben sind. Dennoch soll es hier nicht Aufgabe sein, im Einzelnen den Erzähltechniken, der sprachlichen Gestaltung und den literarischen Stileigentümlichkeiten der Erzählungen nachzugehen. Nur insofern, wie die Form der Erzählungen ihren Inhalt mitgeprägt hat, muß notwendigerweise auf die erzählerische und sprachliche Seite der Einzelerzählungen eingegangen werden. Die Erzählungen von lKön 17—19 und 21 waren dem „Deuteronomisten" offenbar als Erzähleinheiten vorgegeben und sind von ihm als Erzähleihheiten übernommen worden 1 . Seine Eingriffe in die Textgestalt der vorgegebenen Erzählungen scheinen auf wenige Passagen beschränkt 2 . Doch sind auch die vordeuteronomistischen Ein1

Zu den Motiven, die den „Deuteronomisten" bei der Übernahme geleitet haben können, vgl. die Überlegungen bei J. Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten als Glieder der Geschichtsdarstellung der Richter und Königsbücher (Ev. theol. Diss., Bonn, 1967), S. 41ff, A. Jepsen, „Elia und das Gottesurteil", Near Eastern Studies in Honour of W. F. Albright (Baltimore, 1971), S. 2 9 1 - 3 0 6 (S. 292), R. Smend, „Das Wort Jahwes an Elia, Erwägungen zur Komposition von IReg. XVII-XIX", VT, 25 (1975), S. 5 2 5 - 5 4 3 und G. Hentschel, Die Elija-Erzählungen, Erfurter Theologische Studien, Bd. 33 (Leipzig, 1977), S. 237-242. 2 Noch für M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, 2. Aufl. (Tübingen,

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Die Erzählungen

heiten erst aus Einzelepisoden und -geschichten zusammengewachsen, wie noch kaum verdeckte Widersprüche und Unstimmigkeiten in ihnen zeigen 3 . Für eine historisch orientierte Fragestellung gilt es der frühesten Überlieferungseinheit, d.h. den Einzelstücken nachzuspüren.

1. Kapitel: Die Erzählungen von lKön 17 Der heutige „deuteronomistische" Kontext von lKön 17 in Kap. 16,19ff erübrigt es, in 17,1 Ahab noch einmal vorzustellen. So setzt 17,1 ein mit der Vorstellung Elijas: „Und es sprach Elija 4 der Tischbiter, aus Tischbe 5 (in) Gilead . . . S a ". Unter Berufung auf Jahwe sagt der Tischbiter Elija in einem Schwur für „diese Jahre" das Ausbleiben von Tau und Regen (lööl Vo) an. Zwar wird Ahab von ihm angeredet, aber das Unheil gilt nicht Ahab allein. Das ganze Land, dessen Führer und Repräsentant der König ist, ja nach dem jetzigen Kontext auch das Gebiet am Kerit und das Sareptas, wird vom Ausbleiben von Tau und Regen ("lööl VD) betroffen sein 6 . Eine Reaktion Ahabs, des Hofes oder der Landesbevölkerung auf die Ansage Elijas wird nicht erzählt. Eine Begründung für das von Elija angesagte Ausbleiben von Tau und Regen (lööl *7tj) fehlt ebenfalls 7 . Kein Ort der 1957), S. 82, waren die Erzählungen vom „Deuteronomisten" „in ihrem überlieferten Wortlaut" übernommen. Vgl. demgegenüber jedoch die deuteronomistischen Wendungen, die z.B. schon G. Fohrer herausgestellt hat! Elia, Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments, Bd. 53, 2. Aufl. (Zürich, 1968), S. 53. 3 Zum Ganzen vgl. G. Fohrer, Elia2 passim; Ο. H. Steck, Überlieferung und Zeitgeschichte in den Eliaerzählungen, WMANT, Bd. 26 (Neukirchen, 1968), passim; G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, passim. 4 Die LXX bieten zusätzlich ò προφήτης. s Lies so nach LXX und Vrss. statt MT „von den Beisassen" vgl. BHK3, BHS z.St. und G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 122 Anm. 365. sa Zur Unterscheidung von einem anderen Tischbe in Naftali (Tobia 1,2) wird der Herkunftsort Elijas als Tischbe (in) Gilead definiert. Die genaue Lage des Ortes ist immer noch unbekannt. Vgl. K. Elliger, „Thisbe", BHH, III, Sp. 1973-1974. 6 Vgl. G. Fohrer, Elia2, S. 8. ι Nach G. Fohrer, Elia 2 , S. 53 (vgl. Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 9) gehört zu den „deuteronomischen (sie) Eingriffen" in den Text das Auslassen einer

Die Erzählung von 1. Kön 17

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Handlung, keine Angabe über den Beruf Elijas8 oder über sein Alter wird vom Text geboten. Als Einleitung zu den nachfolgenden Erzählungen ist das ein sehr harter erzählerischer Einsatz9. Der MT hat das Kapitel durch verschiedene Mittel gegliedert und damit den Einzelszenen ein Eigengewicht gegeben. Kap. 17 ist durch Pethucha und Sethuma gegliedert in die Verse 1,2—7,8—13,14—16, 17-24. V. 2 - 7 1 0 berichten Elijas Aufenthalt am Kent, V. 8 - 1 6 seinen Aufenthalt in Sarepta. Dabei unterstreicht die erste Episode stärker die Wundermacht Gottes, der seinen Propheten durch Raben11 versorgt; die zweite schildert das Ineinandergreifen der Wundermacht Gottes und der des Propheten. Beide Stücke sind eng miteinander verwandt. Für die erste Episode (V. 2—7) vergleiche V. 2 I » « 1 ? V^X ΠΙΠ"1 "ΠΤ TPI mit der zweiten (V. 8 - 1 6 ) V. 8: Begründung. Doch setzt das die Annahme einer „Dürreerzählung" voraus, deren ehemalige Existenz nur eine mögliche aber kaum wahrscheinliche Hypothese bleibt. Siehe unten S. 65f. « Vgl. aber LXX, Anm. 4. 9 Der unmittelbare Rückbezug des Verses ist l K ö n 16,29—33, nicht aber lKön 16,34. So schon G. Hölscher, „Das Buch der Könige, seine Quellen und seine Redaktion", in: Έύχαριστήριον, Studien zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Hermann Gunkel zum 60. Geburtstage . . . dargebracht, Hg. H. Schmidt, FRLANT, Bd. 36/1 (Göttingen, 1923), S. 1 5 8 - 2 1 3 (S. 184f). Damit ergibt sich ein weiterer Hinweis auf den Nachtragscharakter von l K ö n 16,34. W. Dietrich, Prophetie und Geschichte, Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung zum deuteronomistischen Geschichtswerk, FRLANT, Bd. 108 (Göttingen, 1972), S. 136. 10 Diese Abgrenzung bietet der MT. Eine Abgrenzung nach V. 6 findet sich z.B. bei I. Benzinger, Die Bücher der Könige, Kurzer Hand-Commentar zum Alten Testament, IX (Freiburg i.B./Leipzig/Tübingen, 1899), S. 107; R. Kittel, Die Bücher der Könige, Handkommentar zum Alten Testament, I, 5 (Göttingen, 1900), S. 139; H. Gunkel, Elias, Jahve und Baal, Religionsgeschichtliche Volksbücher für die deutsche christliche Gegenwart, 2. Reihe, Heft 23/26 (Tübingen, 1906), S. 10; S. Landersdorfer, Die Bücher der Könige, Die Heilige Schrift des Alten Testaments (Bonn, 1927), S. 109; R. de Vaux, Les Livres des Rois, La Sainte Bible traduit en français sous la direction de l'École Biblique de Jerusalem, 2. Éd. (Paris, 1958), S. 101; J . Fichtner, Das erste Buch von den Königen, S. 252; W. Dietrich, Prophetie, S. 122 u.a. 11 Das Wunderhafte der Erzählung wird verkannt, wenn die Raben durch Textkorrektur zu „Arabern" — so neuerdings noch wieder J . Gray, I and II Kings, The Old Testament Library, 2. Aufl. (London, 1970), S. 375 — oder durch andere Spekulationen: M. S. Seale, „The Black Arabs of the Jordan Valley", Expository Times, 68 (1956/7), S. 29 = Bezeichnung eines besonderen arabischen Stammes — rationalisiert werden.

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Die Erzählungen

"las'? V*7K ΠΊΓΓ -IST "TTI, weiterhin V. 4: a® Β^Β^Ο 1 ? - m s mit V. 9: •J^SVS 1 ? a® Τ Ϊ Ί Χ , auch V. 5 (MT) 3ΒΠ mit V. 9 (MT): Γϊ3ίΠ u n d V. 7: p N 3 Dtfi mit V. 14: Π»ΤΧΠ 'J Β DIM.

Beide Erzählungen sind auch insofern einander gleich, daß keine ausdrückliche Begründung für den Aufenthalt am Kerit 12 bzw. in Sarepta geboten wird. Die erste Szene spricht zwar von einem Verbergen Elijas (V. 3 τ η η ΐ ) , sagt aber nicht ausdrücklich vor Ahab oder Isebel 13 . Die zweite Szene gibt einen Zusatz zum Ort Sarepta, „der zu Sidon gehört", aus ihm kann aber ebenfalls nicht herausgelesen werden 1 4 , warum Elija gerade hierhin gehen soll. Als Begründung für den Aufenthalt Elijas an den jeweiligen Orten sind beide Bemerkungen jedenfalls nicht anzusehen. Beides ist im Kontext vielmehr eine Aussage über den Machtbereich Jahwes, der über das Staatsgebiet Israels hinausreicht; eine Aussage darüber, daß Jahwe seinen Propheten auch außerhalb des Landes Israel z.B. in Sarepta mit Hilfe und Schutz zur Seite steht. — Sind so beide Episoden V. 2—7 15 und V. 8—16 16 untereinander ähnlich, so weisen sie beide einen erheblichen 12

Die Identifizierung des Kerit mit einem der bekannten östlichen Jordanzuläufe ist bislang nicht gelungen. Das seltsame |TTTI "ΊΒ V» (V. 3) läßt es auch nicht sicher erscheinen, daß wirklich ein J o r d a n z u f l u ß gemeint ist. Auf Grund der aramäischen Namensform JTHD plädierte A. San da für einen Wasserlauf im Gebiet von Damaskus! Die Bücher der Könige, 1. Halbband: Das erste Buch der Könige, Exegetisches Handbuch zum Alten Testament, 9 (Münster i.W., 1911), S. 419. 13 Vgl. aber l K ö n 1 9 , l - 3 a ! 14 Der aus dem Zusatz „der zu Sidon gehört" gern gezogene Schluß, daß Elija sich aus dem Machtbereich Ahabs entfernen soll, läßt sich im Kontext der Elijaerzählungen nicht begründen. Vgl. etwa l K ö n 18,10, wo Ahab alle Königreiche durch eidliche Versicherung zwingen kann, Elija auszuliefern, sofern er sich in ihnen aufhält! 15 V. 7 macht stark den Eindruck, nur Uberleitung zu V. 8—16 zu sein. Ein Abschluß ist schon mit V. 6 erreicht. V. 7 ist vielleicht erst bei der Nebeneinanderstellung der beiden Episoden entstanden. Vgl. J . Schüpphaus, Richteru n d Prophetengeschichten, S. 4 2 A 147, S. 48. 16 Abgesehen von V. 14 deutet nichts darauf hin, daß der Hintergrund dieser Verse eine Hungersnot infolge einer Dürre ist. Der Handlungsverlauf ist durch V. 14 unterbrochen. V. 15 setzt V. 13 fort. V. 14 ist sukzessiv gewachsen, wie die LXX noch deutlich zeigt. Die Vermutung, daß er ganz aus V. 15 entstanden ist, liegt nahe; vgl. W. Reiser, „Eschatologische Gottessprüche in den Elisa-Legenden", ThZ, 9 (1953), S. 3 2 1 - 3 3 8 (S. 323), R. Smend, „Das Wort J a h w e s " (Anm. 1), S. 528f, 533. - In V. 16b ist W 1 ? « T 3 1 3 T m TT wahrscheinlich ein „deuteronomistischer" Einschub.

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Widerspruch zu V. 17,1 auf. Beide Szenen sind im jetzigen Wortlaut (V. 7 und V. 14) durch den Hinweis auf den ausgebliebenen Dffj -Regen verbunden. Angesagt war aber ein Ausbleiben von Tau (Vö) und LOA -Regen. Das Ausbleiben von DIPI oder Ί Β » hat zwar für ein Land und Volk dieselbe Folge, nämlich Dürre und Hungersnot, für die erzählerische Tradition von 17,1 (und 18,1) ist aber das Wort 1DD konstitutiv, für 17,2-6(7), 8 - 1 3 ( 1 4 ) 1 5 - 1 6 und 18,4ff hingegen das Wort am. Weder die Erzählungsstücke 17,2—6(7) und 8—13(14), 15—16 sind somit die ursprüngliche Fortsetzung zu dem einleitenden Vers 17,1, sondern beide sind ursprünglich eine eigene Tradition17. Sie berichten von der Fürsorge Jahwes für seinen Propheten, der seinen Worten gehorcht. Inhaltlich findet sich in lKön 17,2—6(7) und 8—13(14)15—16 kein zwingender Hinweis darauf, daß sich die Episoden in der Zeit Ahabs abgespielt haben müssen. Vom eigenen Aufbau und Inhalt her sind beide Kurzerzählungen zeitlos. Daß die beiden Episoden 17,2-6(7) und 8 - 1 3 ( 1 4 ) 1 5 - 1 6 heute sachlich nach Elijas Auftritt vor Ahab (17,1) folgen, ist sicher auf einen redaktionellen Vorgang zurückzuführen. " Vgl. ähnlich schon H. Gunkel, Elias, S. 9f; G. Fohrer, Elia 2 , S. 8f, S. 35. Bei J . Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 42 und O. H. Steck, Überlieferung, S. 9f wird der innere Zusammenhang von V. 2—6(7) mit V. 8— 13(14)15—16 nicht gesehen. V. 2—6(7) wird von ihnen zu einer hypothetischen „Dürreerzählung" gerechnet. Vgl. dazu unten S. 65f. — Selbständig ist die Analyse von W. Dietrich. Er hält die jetzigen Einzelerzählungen V. 2—6, 7—16 und 17—24 für thematisch und kompositorisch zusammenhängend, doch sei die jetzige wohldurchdachte Komposition gewiß in vor-d(eu)t(e)ronomistischer Zeit entstanden, Weil die Nahtstellen (V. 7,17a) keine d(eu)t(e)ronomistische Terminologie aufweisen (Prophetie, S. 122). Er ordnet dann die Verse 17: 2—4, 5a, 8 - 9 , und 14aa einem Redaktor (DtrP) zu (Prophetie, S. 1 2 3 - 1 2 5 ) . Den Restbestand: 17: 5b—7, 10—13, 14aß—16 kann man jedoch nur noch mit Mühen als eigenständige Erzählungen auffassen. Der Sachzusammenhang zwischen dem jeweiligen Wort Jahwes (ΠΊΓΡ 1 3 1 ) an Elija und Elijas Handlungen dürfte ein integraler Bestandteil der Kurzerzählungen V. 2—6(7), 8—13(14), 15—16 sein, vgl. R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 528f, 533. Muß dementsprechend — da die „Wortereignisformel" ( ΠΊΓΡ T3T Τ Π ) erst seit Jeremía gehäuft auftritt (vgl. W. Dietrich, Prophetie, S. 71f) — auch die Entstehungszeit der Kurzerzählungen in nachjeremianischer Zeit angesetzt werden? Vgl. dazu R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 533f. — Nach Abschluß des Manuskripts erschien: G. Hentschel, Die Elija-erzählungen (vgl. Anm. 1). G. Hentschel geht in der Analyse von l K ö n 17,2—7, 8—16 weitgehend mit W. Dietrich parallel, sondert aber auch noch V. 17,16 als redaktionell aus (S. 89f). Zur Entstehungszeit vgl. G. Hentschel, aaO. S. 5 Of.

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Die Erzählungen

Inhaltlich lassen sich dementsprechend den beiden Episoden für die Zeit Ahabs keine Einzelheiten abgewinnen. Immerhin ist in der Zeit der Entstehung der ersten Episode offenbar noch ein genaues Wissen um die Lage des Kerit vorhanden gewesen, so daß die Anspielung , , ρ Τ Γ Ι "'JB V ï " V. 3,5 zur Vorstellung der Lokalität genügte. In der Zeit der Entstehung der zweiten Episode wußte man um die politische Zugehörigkeit Sareptas zu Sidon (V. 9). Bemerkenswert ist weiterhin das Bild, das von Elija besonders in der zweiten Episode entworfen ist. Ohne daß ein Attribut wie DTlVsn WN oder ÍT3] auf Elija angewandt würde, rückt die hier geschilderte Gestalt doch stark in die Nähe dessen, wie 2Kön 4ff Elischa geschildert wird. Die zwei einzelnen Episoden haben jetzt die Funktion, den Zeitraum „dieser J a h r e " zu füllen, in denen Tau und Regen (nom Vö) ausblieb. Eine genaue zeitliche Fixierung für die Entstehung der beiden Einzelerzählungen ist kaum zu finden 1 8 . Doch ist der Eindruck, daß Elija in diesen Episoden schon auf Grund der Wirksamkeit Elischas geschildert wird, nicht abzuweisen. Zwischen einem Zeitpunkt nach der Wirksamkeit Elischas und der Übernahme durch den Deuteronomisten bleibt mancher Spielraum für die Entstehung 1 9 . Als eine selbständige Erzähleinheit ist auch die Wundererzählung l K ö n 17,17—24 2 0 anzusehen. Eine besondere Einleitung ( 1 7 , 1 7 a a ) Auch Überlegungen zur Formel VVh ΠΊΓΡ 13T ΤΡΊ die in der ersten und zweiten Episode benutzt wird, führen nicht zu einem greifbaren Ergebnis. Diese Formel (mit Variationen) findet sich erstmals Gen. 15,1 („E"?, „J"?), dann im Buch Samuel (lSam 15,10; 2Sam 7,4; 24,11), weiterhin im Königsbuch (lKön 6,11; 13,20; 16,1,7), einige Male in den redaktionellen Überschriften zu den Propheten Hosea, Joel und Zephanja und schließlich häufig in den Büchern Jeremía und Ezechiel vgl. auch W. Dietrich, Prophetie, S. 71f, R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 532f. Dementsprechend wird man diese Formel nicht der frühesten Schriftprophetie zuordnen können, zumal sich in ihr eine durchreflektierte Wort-Gottes-Theologie ausspricht. Vgl. zur Sache O. Grether, Name und Wort Gottes im Alten Testament, BZAW, 64 (Berlin, 1934), S. 67ff und W. Zimmerli, Ezechiel 1, Biblischer Kommentar Altes Testament, Bd. XIII, 1 (Neukirchen-Vluyn, 1969), S. 80ff. 1 9 G. Fohrer, Elia 2 , S. 36. Vgl. auch die Erwägungen bei O. H. Steck, Überlieferung, S. 19 A 2 Ende, R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 532ff, G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 91f. 2 0 Vgl. schon O. Thenius, Die Bücher der Könige, Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum Alten Testament, 9, 2. Aufl. (Leipzig, 1873), S. 220. 18

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η*?κπ n n a i n ΊΠΧ , n , l (vgl. lKön 21,1 MT) bildet die Verknüpfung zum Vorangegangenen und weist gleichzeitig darauf hin, daß zeitlich „diese Jahre" des Ausbleibens von Tau und Regen (mal *?ö) ablaufen. Die Bezeichnung Elijas als „Gottesmann" (ητι^ΚΠ )21 unterscheidet die Erzählung von 17,1,2-6(7) und 8 - 1 3 ( 1 4 ) 1 5 - 1 6 . Dort wird Elija bei der ersten Vorstellung als „Tischbiter" tituliert, sonst aber nur mit seinem Namen: Elija genannt. Die inhaltlichen Anklänge von 1 7 , 1 7 - 2 4 " an 2Kön 4 , 8 - 3 7 und gleichzeitig die Widersprüche zu 17,1—16 23 zeigen deutlich, daß in der Totenauferweckungsgeschichte eine eigene Erzähleinheit vorliegt.24 Ihre Nähe zu den Elischaerzählungen ist nicht zu übersehen. Wahrscheinlich ist diese Totenerweckungserzählung erst sekundär auf Elija übertragen, so daß in 17,17—24 überhaupt keine ursprüngliche Elijaerzählung vorliegt25. Ein näheres Datum der Entstehung für die Einzelerzählung V. 17—24 ist nicht zu geben 26 .

21 Sonst nur noch 2Kön l,9f. 22 V. 24b ist vielleicht kein integraler Bestandteil der Erzählung sondern geht auf eine Hand zurück, die durch V. 17aα und diesen Vers (24b) die Erzählung 17aß— 24a mit der Einleitung 17,1 und den beiden Einzelerzählungen 2ff, 8ff verband, vgl. R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 530f. » Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 10, 19 A 2. 24 Vgl. dazu jetzt ausführlicher G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 79—84 (nach Abschluß des Manuskripts erschienen). 25 Vgl. G. Fohrer, Elia 2 , S. 36, H.-Ch. Schmitt, Elisa: Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur vorklassischen nord-israelitischen Prophetie (Gütersloh, 1972), S. 153ff. Anders: R. Kilian, „Die Totenerweckungen Elias und Elisas - eine Motivwanderung?", BZ, 10 (1966), S. 4 4 - 5 6 (S. 49ff). κ Wird die Entstehung von lKön 17,17-24 in Nachfolge von 2Kön 4 , 8 - 3 7 angenommen, könnte sich damit für die Gesamtkomposition von lKön 17,Iff ein relativ später Termin ergeben, sofern 17,17ff als ein integraler Bestandteil von Kap. 17 angesehen wird (so z.B. W. Dietrich, Prophetie, S. 122—125). Doch könnte auch mit späteren Einfügungen in einen größeren Zusammenhang gerechnet werden. Vgl. Ο. H. Steck, Uberlieferung, S. 19 A 2.

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2. Kapitel: Die Erzählung von lKön 18 Während noch für H. Gunkel 1 das ganze Kapitel eine literarische Einheit in szenischer Gestalt bildete (V. 7 - 1 5 , 1 6 - 2 0 , 2 1 - 3 0 , 41—46), haben neuere Untersuchungen herausgestellt, daß die jetzige Geschlossenheit nicht als ursprüngliche Einheit, sondern als Ergebnis allmählichen Zusammenwachsens angesehen werden muß 2 . Doch sind gegen diese Sicht auch Einwände erhoben worden 3 . Die Überlieferung des MT teilt das Kapitel in drei verschiedene Abschnitte: V. 1—14, mit einem Neueinsatz zu V. 7, V. 15—19, wobei das Elijawort V. 15 besonders herausgehoben wird, und V. 20—46, wobei jeweils zu V. 30, 39 und V. 41 Neuansätze gemacht werden. Mindestens eine „szenische" Aufgliederung wird damit vom MT angedeutet.

Den Eingang des Kapitels bilden die V. 18,1—24. Sie sind eine inhaltliche Wiederaufnahme von Kap. 17,1 Π!3ΤΧΠ 'IB *?S? 1DD und die erzählerische Exposition zu einer Elija-Ahab-Szene. Von solcher Einleitung her (V. 18,1b—2a) erwartet man eine Erzählung über eine Begegnung zwischen Elija und Ahab und über das Wiederkommen von Tau (bö) und l ü » -Regen. Die Einleitung 18,1—2a läßt Fragen offen: Wo hält sich Elija auf, als das Gotteswort an ihn ergeht? Warum wird hier ein Ausbleiben von „Tau und Regen" 1

Elias, Jahve und Baal, Religionsgeschichtliche Volksbücher für die deutsche christliche Gegenwart, 2. Reihe, Heft 23/26 (Tübingen, 1906), S. 13f. 2 A. Alt, „Das Gottesurteil auf dem Karmel", Festschrift G. Beer (Stuttgart, 1935), S. 1 - 8 = A. Alt, KS, II, S. 135-149 (S. 135); R. de Vaux, „Le Cycle d'Élie dans les Livres des Rois", in: Élie le Prophète, I: Selon les Écritures et les Traditions Chrétiennes, Les Études Carmelitaines, 36 (Bruge, 1956), S. 53—86; G. Fohrer, Elia 2 , S. 43; E. Würthwein, „Die Erzählung vom Gottesurteil auf dem Karmel", ZThK, 59 (1962), S. 1 3 1 - 1 4 4 (S. 131f); Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 13f; A. Jepsen, „Elia", S. 298ff; N. J . Tromp, „Water and Fire on Mount Carmel", Biblica, 56 (1975), S. 4 8 0 - 5 0 2 . 3 Vgl. O. Eißfeldt, „Der Gott Karmel", Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst, Jahrgang 1953, Nr. 1, S. 2 5 - 4 2 (S. 37ff); D. R. Ap-Thomas, „Elijah on Mount Carmel", PEQ, 92 (1960), S. 146-155; R. A. Carlson, „Élie à l'Horeb", VT, 19 (1969), S. 4 1 6 - 4 3 9 (S. 429ff) und H. Seebaß, „Elia und Ahab auf dem Karmel", ZThK, 70 (1973), S. 121-136. 4 Die LXX (vgl. Vrss.) lesen 18:1: Kai èjévero μεθ' f)μέρας πολλάς. Danach ist der MT nach einigen MSS inQ'ST D , a , a T T ! zu korrigieren; vgl. BHK 3 , BHS z.St. Anders jetzt noch wieder G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 82 Anm. 255.

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von 3 Jahren vorausgesetzt 5 , während im Vorangegangenen von einer solchen Zeitspanne nichts gesagt wurde? Warum wird keine Begründung gegeben, daß Jahwe jetzt wieder TauC?ö)und "IDÖ-Regen geben will? Wie ist es zu verstehen, daß Elija sich Ahab zeigen soll, nachfolgend aber zuerst von einer Begegnung mit Obadja die Rede ist?

Wenn die Einleitung 18,1—2a auf der einen Seite eine Verbindung zum angesagten Ausbleiben von Tau und Regen bildet (V. 18,1a), auf der anderen Seite aber eine Begegnung Elija-Ahab ankündigt (V. 18,1b—2a), so scheint es geboten, die Verse als ursprüngliche Fortsetzung der Einleitung anzusehen, die eine Ahab-Elija-Szene bilden 6 . Als solche Verse werden 18,17ff (und 18,41ff) angesehen7. Den Kern der Verse 18,17ff bildet Ahabs Wort von Elija als „Behexer" Israels (bin®1 iss?) 8 und Elijas Entgegnung. Ahabs Vorwurf V. 17b und Elijas Antwort V. 18a sind sprachlich und inhaltlich so ungewöhnlich, daß sie kaum als spätere Bildung angesehen werden sollten 9 . Ob auch die Begründung, V. 18b, zum ursprünglichen Wort Elijas gehört, ist allerdings zweifelhaft 10 . Der Wortlaut11 und die vergleichbare Stelle lKön 21,20a, ba,ß in der ebenfalls von späterer Hand eine Begründung zu einer Ansage Elijas an Ahab hinzugefügt wurde (V. 20bß), 12 sprechen gegen seine Ursprünglichkeit13. s

In BHK 3 App. wurde diese Angabe unnötig problematisiert. Nicht mehr BHS z.St. 6 Neuerdings hat H. Seebaß wieder versucht, Kap. 18 als eine einheitliche Komposition zu erweisen („Elia", S. 121—136). Dieser Versuch hätte wegen der Wiederaufnahme von 17,1 in 18,lf auf Kap. 17 insgesamt ausgedehnt werden müssen. Das Würde aber z.B. bei 17,17—24 zu Schwierigkeiten führen. Auch müßte die enge kompositionelle Verbindung zwischen V. 18,Iff und 18,17f aufgezeigt werden. Auch H. Seebaß muß jedoch zugestehen, daß 18,Iff die Hintergründe des Vorwurfs 18,18 nicht erläutert („Elia", S. 124 A 6). Sein Versuch, Kap. 18 als ursprüngliche, einheitliche Komposition zu erweisen, ist u.E. nicht gelungen. 7 Vgl. G. Fohrer, Elia?, S. 36f, Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 13 A 4. Differenzierter jetzt G. Hentschel, Die Elija-erzählungen S. 123f. 8 Der genaue Wortsinn von "I3S7 ist an dieser Stelle umstritten. Die Übersetzung G. Fohrers (Elia2, S. 13) im Sinn von „Behexer" streicht die ungewöhnlichkeit des Ausdrucks gut heraus. Vgl. jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 123f, S. 124 Anm. 124, S. 131ff. » Anders G. Fohrer, Elia 2 , S. 37 „Sammler". 10 Vgl. A. Alt, „Gottesurteil", S. 136 Anm. 2. 11 Vgl. O. Steck, Überlieferung, S. 14 A 10. 12 Siehe unten S. 125f.

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Oben S. 55f ist der innere Zusammenhang von 17,2—6(7) mit 17,8ff herausgestellt und dieses Stück dementsprechend nicht zu einer „Dürreerzählung" 1 4 gerechnet worden 1S . Auch ein ursprünglicher literariZusammenhang zwischen 17,1 und 1 8 , l f einerseits und 18,17f andrerseits ist kaum möglich. Denn 18,17f zeigt im Wortlaut vom „Behexer Israels" (VxiW1 Ί3»), der ja an Ahab zurückgegeben wird, keinen expliziten Bezug zur Dürresituation 16 . Jedenfalls kann das nicht aus dem Wort 1 3 » herausgelesen werden 17 . Erst die Begründung des Elijawortes: 18,18b stellt einen Bezug zur vorausgesetzten Notsituation in Israel her, wie sie auch der jetzige Zusammenhang (16,29ff) 17,2ff, 18,2ff voraussetzt 18 . Die vom Kontext her inhaltlich gegebene Aussage von einem Treffen zwischen Elija und Ahab bedeutet aber nicht notwendig auch einen ursprünglichen literarischen Zusammenhang von 18,17f mit jener Überlieferung. V. 17b und 18a werden daher hier auf Grund ihres singulären Inhalts als selbständiges Wort betrachtet, das durch eine sekundäre Begründung (V. 18b) und eine redaktionelle Klammer (V. 16,17a) 1 9 in den erzählerischen Ablauf von lKön 18,3ff, 19ff eingepaßt wurde. An diesem Wort vom „Behexer Israels" ist auffallend, daß die Rede vom König Ahab ausgeht 20 und nicht von Elija (vgl. aber lKön 17,1!).

1 3 Vgl. Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 15f „Sammler"; jetzt ausführlicher G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 46f, 131f. — Anders — jedoch ohne auf die Argumente von Ο. H. Steck einzugehen — H. Seebaß, „Elia", S. 122: „in V. 18 liegt nicht eine kausale, sondern eine finale Schuldbetrachtung vor, d.h. der Text behauptet nicht, daß Ahabs Handeln die Intention verfolgte, Jahwe zu verlassen und den Baalen zu folgen, sondern nur, daß Ahabs Handeln ein Verlassen Jahwes zur Folge hatte, wenn auch möglicherweise gegen die oder abseits der Intentionen des Königs". — Doch läßt sich dies aus der Konjunktion Ό allein nicht ableiten! 1 4 G. Fohrer, Elia 2 , S. 34 spricht von einer „Erzählung von Dürre und Regenspenden"; Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 9 f „Erzählung von der Dürre". is Gegen Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 9 f. •β Vgl. H.-Ch. Schmitt, Elisa, S. 186 A 32. 1 7 Nach L. Köhler/W. Baumgartner, Lexicon in Veteris Testamenti Libros, 2. Aufl. (Leiden, 1958), S. 703, heißt "DJ? „zum Tabu machen"! 1 8 Insofern könnte vielleicht V. 18b auf die gleiche Hand wie 17,1, 18,1,2a zurückgehen. Vgl. dazu jetzt G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 46f. S. 131 f. i ' Zu V. 16 siehe auch unten S. 70. V. 17a fehlt L X X (A), wodurch sich der Vorwurf Ahabs noch unmittelbarer von Kontext abhebt. 2 0 Er wird in V. 17b neu eingeführt — was vom Kontext her überflüssig ist.

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Gewöhnlich läuft die Stilisierung von Prophetenauftritten darauf hinaus, daß zuerst die Propheten das Wort ergreifen21. Hier ist es umgekehrt. Aber Elija wird hier auch (noch) nicht Prophet (irai) genannt. Das dürfte beides für die Altertümlichkeit des Wortes sprechen. Falls sonst nicht von Begegnungen Elijas mit Ahab gesprochen würde, aus diesem Wort: 18,17b—18a müßte eine solche Begegnung erschlossen werden. Die über das ganze Alte Testament verstreuten Belege zu ID» erlauben es nicht mehr, den konkreten Sinn des ursprünglichen Wortes lKön 18,17b—18a zu erfassen. Der heutige Kontext (V. 17a, 18b) dürfte insgesamt erst eine spätere Schöpfung sein, wie sich die spätere literarische Rahmung eines Prophetenwortes auch anderswo belegen läßt 22 . Jedenfalls ist keine Sicherheit gegeben, als ursprünglichen Ort eine Szene anzunehmen, in der Elija während einer Dürreperiode unverhofft vor dem König auftrat. Vom Wort „Behexer Israels" her ist zu schließen, daß eine Handlung Elijas vorausgegangen sein muß, die das Volk Israel als solches zum Ziel hatte, nicht aber eine, die sich mit Naturerscheinungen wie Tau und Regen (ioni Vu) abgab. Bemerkenswert an dem Wort ist schließlich, daß es einen Zusammenhang zwischen Ahab und seinem „Vaterhaus" (*],3N ΓΡ3) — nicht nur seinem „Haus" (DO) — herstellt. Auch in den oben behandelten „deuteronomistischen" Beurteilungen waren Omri und Ahab teilweise in einer Linie gesehen worden 23 , j n literarisch noch späterem Zusammenhang erscheinen Omri und Ahab zusammen in Mich 6,16. Die hiesige Stelle dürfte von den dreien literarisch die älteste sein 24 . Als Grund für die Zusammenschau von Omri und Ahab nennt der sekundäre V. 18b das Verlassen der Gebote Jahwes 2 5 und das Gehen hinter den Baalen. Daß derartige „deuteronomistische" Vorwürfe ursprünglich mit dem schweren Tadel VtntP'' TDS? belegt worden sein sollen, ist unwahrscheinlich. Aber welche 21

Vgl. C. Westermann, Grundformen prophetischer Rede, Beiträge zur evangelischen Theologie, Bd. 31, 3. Aufl. (München, 1968), S. 102. 22 Vgl. O. Plöger, Die Prophetengeschichten der Samuel- und Königsbücher (Ev. theol. Diss., Greifswald, 1937), S. 47f; W. Reiser, „Eschatologische Gottessprüche in den Elisa-Legenden", ThZ, 9 (1953), S. 3 2 1 - 3 3 8 (S. 329ff); C. Westermann, Grundformen, S. 102. 23 Siehe oben S. 31 f. 24 Vgl. dazu jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 47 :vordeuteronomistische Erweiterung. 25 Erweiterung (vgl. LXX) in dem sekundären V. 18b. Vgl. dazu jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 47 Anm. 143.

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Anklage sich ursprünglich für Elija, dann aber auch für Ahab, mit diesem Wort vom „Behexer Israels" verband, wird nicht mehr zu klären sein.

Als literarischer Abschluß einer (rekonstruierten) „Dürreerzählung" werden gern die V. 18,41—46 angesehen 26 . Die mannigfachen Unstimmigkeiten zwischen 18,(20)21-39(40) und V. 4 1 - 4 6 lassen einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen diesen beiden Stücken in der Tat nicht zu 2 7 . Aber auch für eine Zuordnung von V. 41—46 zu einer hypothetischen „Dürreerzählung" ergeben sich große Schwierigkeiten. In den V. 17,lf; 18,lf, erwartet und begegnet man jeweils einer Szene Elija-Ahab. In 18,4Iff aber haben wir eine Szene zwischen Elija, einem TS3 und Ahab. Ein Τ 5? 3 tritt in anderen Stücken, die zu einer „Dürreerzählung" gehören sollen, nicht in Erscheinung 28 . Die Aufforderung an Ahab, hinaufzugehen, zu essen und zu trinken (V. 41) (ππ»Ί nVs?) ist weder im Zusammenhang einer zu rekonstruierenden „Dürreerzählung" noch auch der „Karmelszene" 29 begründet. Wenn die „Dürreerzählung" schließlich am Anfang von der Regenlosigkeit, am Ende vom Kommen des Regens gehandelt haben soll 30 , warum wird dann in V. 41—46 der Anfang nicht wieder aufgenommen? In V. 17,1 wurde das Ausbleiben von löö-Regen (und Tau) angesagt, in 18,1(2) wieder itsa verheißen, in 18,41—46 aber wird das Kommen von a®ï-Regen berichtet. Der Abschnitt 18,41—46 ist dementsprechend als eine eigenständige Erzählungstradition, nicht

2« G. Fohrer, Elia*, S. 34, 37; Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 9ff; H.-Ch. Schmitt, Elisa, S. 184ff. *> Vgl. Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 13 A 4. Zu den V. 4 1 - 4 6 vgl. jetzt ausführlicher G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 137ff, 178ff. Anders — jedoch ohne auf das schwierige Π®?57 von V. 41 einzugehen — H. Seebaß, „Elia", S. 126f. 28 In die Szene 18:41ff kann er auch nicht durch die vorausgegangene Karmelszene eingedrungen sein, da dort von einem "1573 keine Rede war. Ein TS?] wird hingegen häufig mit dem Propheten Elischa zusammengebracht: vgl. 2Kön 4,8ff; 4,42ff; 5,Iff; 6,8ff(15); 8 , l f f ( 4 ) . Für Elija vgl. noch lKön 19,5. 29

Vgl. J. Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 44f; Ο. H. Steck, Überlieferung" S. 13 A 4: „Wohin sollen Ahab und dann der Diener hinaufgehen? Auch die nach 18,1 zu erwartende Regenankündigung fehlt. Ebenso bleibt hier die Aufforderung zu essen und zu trinken unvorbereitet." Vgl. auch H.-Ch. Schmitt, Elisa, S. 184ff. 30 So H. Gunkel, Elisa, S. 8; vgl. G. Fohrer, Elia2, S. 37 „Erzählung von der Dürre und vom Regenspenden"; H.-Ch. Schmitt, Elisa, S. 186.

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aber als Teil einer Dürreerzählung aufzufassen 31 . Die hypothetische Dürreerzählung dürfte sich überhaupt schwer durch den Text von lKön 17—18 begründen lassen. Weil in lKön 17,1 das Ausbleiben eines Regens angesagt wird, in 18,lf darauf nochmals hingewiesen und in 18,4Iff vom Kommen eines Regens berichtet wird, hat — wohl zuerst — H. Ewald 32 die Existenz einer der heutigen Tradition vorausliegenden Dürreerzählung angenommen. Die Dürreerzählung habe auch die Hintergründe für das Auftreten Elijas zu 17,Iff geboten, die später von einem Bearbeiter fortgelassen seien. Ähnlich argumentierte später auch H. Gunkel 33 . Die Zuordnung einzelner Verse des heutigen Textes zur rekonstruierten Dürreerzählung ist auch unter den Neueren stark kontrovers. Für G. Fohrer 34 gehören dazu 17,1, 18,laß-2a, 18,41-46. Für Ο. H. Steck 35 1 7 , 1 - 6 , 1 8 , l - 2 a , 17, 18a . . . 4 1 - 4 6 . Davon ist oben S. 55f für die Verse 17,2—6(7) der enge Zusammenhang mit 17,8ff herausgestellt worden. Diese Verse können dementsprechend nicht für eine Dürreerzählung in Anspruch genommen werden. Für 18,41—46 ist eine ursprünglich eigene Tradition zu vermuten, da nicht zu klären ist, welche Funktion einzelne Elemente von 18,41—46 in einer Dürreerzählung hätten haben sollen 36 .

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Vgl. J . Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 43; N. J . Tromp, „Water and Fire", S. 490f, R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 535f. Innerhalb von V. 41—46 weist jetzt G. Hentschel, Die Elija-erzählungen S. 178ff noch verschiedene Schichten auf. 32 Geschichte des Volkes Israel, Bd. 1 - 7 (1843), 3. Aufl. (Göttingen, 1866), Bd. 3, S. 577f (siehe unten S. 248). Ihm folgte J . Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 3. Aufl. (Berlin, 1899), 4. Aufl. (= unv. Nachdruck, Berlin 1963), S. 278. 33 Elias, S. 8f. 34 Elia 2 , S. 44. 35 Überlieferung, S. 29. 36 Für H.-Ch. Schmitt, Elisa, S. 185f, ist der Inhalt der Dürreerzählung allein aus 18,41—46 deduzierbar, da 17,1, 18,1—2, 17—20 aus inhaltlichen Gründen nicht zur Dürreerzählung gerechnet werden können. Diesem Schluß ist für 17,1, 18,1—2a zuzustimmen. Aber auch das Stück 18,4Iff hat DBtt-losigkeit nur zur Voraussetzung und ist daran nicht weiter interessiert. Aus dieser Erzählungsvor-. aussetzung eine ganze Dürreerzählung rekonstruieren zu wollen, ist mehr als der Text hergibt. — An einer einheitlichen „Dürreeinheit", die 17,1, 18,2b—46* umfassen soll, hält G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 78ff, 112ff, fest. In diesem Punkt unterscheidet sich unsere vorliegende Untersuchung von G. Hentschel stark. Auf eine Erörterung muß hier leider verzichtet werden.

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Die hypothetische Dürreerzählung reduziert sich somit auf die V. 17,1, 18,1—2a,17(18a). Das ist aber — auch für einen „verdrängten Bestand" 37 — für eine Oürreerzählung zu wenig. Sind somit V. 17,1 und 18,1—2a38 kaum der Restbestand einer Dürreerzählung, so kann ihre Entstehung als bewußte Gestaltung eines Bearbeiters 39 erklärt werden, der die Einzelgeschichten zusammen in diesen Rahmen gestellt hat. Er ist es dann, der 4 0 „durch das Motiv des zu Anfang versagten und erst am Ende wieder gewährten Regens so viel Zusammenhang und innere Spannung zu geben (vermocht hat), daß die hier eingegliederten Einzelgeschichten nur noch als Szenen im Ablauf eines größeren Dramas erscheinen oder wenigstens nach der Absicht des Bearbeiters erscheinen sollen". Liegt schon literarisch die Entstehung der Einzelstücke vor der ganzen Komposition, so bestätigen die reflektierteren Aussagen der V. 17,1, 18,l-2a,15(16) 4 1 , 18b 42 ihr jüngeres Alter z.B. gegenüber V. 18, 41—46. In diese Tradition gehört die Benennung Elijas als Tischbiter (""apn), während ihn die vorgegebenen Einzeltraditionen als „Prophet" (irai) oder auch „Gottesmann" (Dinl7K[n]i?,x) bezeichnen. — Auch die theologische Aussage (16,29ff, 18,18a, 18b) einer ursächlichen Verbindung zwischen religiöser Verfehlung und Ausbleiben der Naturerscheinung Regen (und Tau) erweist sich somit als Erkenntnis eines Bearbeiters. An historischen Hinweisen darf dem kurzen Erzählstück lKön 18, 41—46 zuerst entnommen werden, daß Ahab und Elija Zeitgenossen waren und sich begegnet sind. Da in dieser Kurzerzählung Elija dem König Ahab nicht feindlich gegenüber steht, darf man wohl schlußfolgern, daß nicht für alle Tradenten von Elijaerzählungen eine stän37

So Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 13 A 4. Oben S. 62 sind V. 17b—18a als ein ursprüngliches Wort angesehen und von einer hypothetischen „Dürreerzählung" gelöst worden. Zu einer späteren Bearbeitung scheint hingegen V. 18,15,16 und 18,18b gehört zu haben. Zu V. 18,15,16 siehe unten S. 69f. Zu 18,18b vgl. oben S. 61. 39 Den Anteil dieses „Bearbeiters" an der heutigen Komposition von lKön 17— 19 streicht zu Recht auch R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 536f, 540f heraus und weist darauf hin,, daß dieser Mann „mehr als nur Bearbeiter oder Sammler zu heißen verdient" (aaO, S. 540). 40 Vgl. schon H. Gunkel, Elias, S. 8; Zitat von A. Alt, „Gottesurteil", KS, II, S. 135. 41 Zu V. 15(16) siehe unten S. 69f. 42 Zu V. 18b siehe oben S. 61. 38

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dige Konfrontation zwischen dem König und dem Propheten zur festen Erzählungstradition gehörte. Gemessen etwa an lKön 18,3ff ist das Bild, das 18,41ff von der Situation zwischen Elija und dem König zeichnet, beträchtlich modifiziert! — Elijas Aufenthaltsort war nach 18,41ff der Karmel. Die Zugehörigkeit des Karmel zu Israel scheint als selbstverständlich angenommen worden zu sein. Sie brauchte jedenfalls nicht besonders erwähnt zu werden. Vom Karmel begibt sich Ahab mit Elija als „Vorläufer" 4 3 nach Jesreel — nicht Samaria! — das offenbar als Ahabs Residenz gedacht ist. „En passant" wird erwähnt, daß Ahab den Streitwagen anspannen sollte 44 und dementsprechend über eine Streitwagenmacht verfügt haben muß. Ebenfalls in die Zeit Ahabs und Elijas setzte man nach lKön 18,41ff ein Ausbleiben von Regen (otPl), dessen ersehntes Kommen, nicht aber sein Ausbleiben, mit Praktiken Elijas 45 in Verbindung gebracht wurde. Viel mehr wird man dem kurzen Stück an Einzelheiten für die Zeit Ahabs nicht abgewinnen können 46 . Und schon für die obigen Annahmen kann nicht ausgeschlossen werden, daß nicht die Gestalt Elischas und die Verhältnisse seiner Zeit auf die Gestaltung der Tradition von 18,4Iff eingewirkt haben. Innerhalb der Komposition von lKön 17—18 ist auch die Erzählung über Elija und Obadja ein Sonderstück. Thematisch wird sie unter eine eigene „Überschrift" gestellt: „Und die Hungersnot war groß in Samaria" (lKön 18,2b). Dabei fällt auf, daß es nicht heißt, daß 43

Vgl. dazu lSam 8,11; 2Sam 15,1; lKön 1,5(?). Ob die Rolle des „Trabanten", bzw. des „Eskorteurs" für Elija hier negativ gedacht ist (so C. F. Keil, Die Bücher der Könige, Biblischer Commentar über das Alte Testament, Bd. 11/3, 2. Aufl. (Leipzig, 1876), S. 208 u.a.) oder eher positiv (so J. Fichtner, Das erste Buch von den Königen, S. 277 u.a.), ist undurchsichtig. Steht hier schon das Wort über Elija von 2Kön 2,12: „Wagen Israels und sein Gespann" im Hintergrund, das dann 2Kön 13,14 von Elischa ausgesagt wird? Zum Wort 2Kön 2,12; 13,14 vgl. K. Galling, „Der Ehrenname Elisas und die Entrückung Elias", ZThK, 53 (1956), S. 1 2 9 - 1 4 8 . 44 LXX 18,44 το άρμα vgl. MT 18,45 DD T l . 45 Sie haben noch keine anerkannte Deutung erfahren. Vgl. A. Jirku, „Das Haupt auf die Knie legen", ZDMG, 103 (1953), S. 372 und dagegen H.-Ch. Schmitt, Elisa, S. 185 Anm. 31a. Vgl. jetzt dazu G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 138 Anm. 411. 46 Für das Bild vom Propheten in diesem Stück vgl. jetzt G. Hentschel, Die Elija-Erzählungen, S. 137ff, 178ff.

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die Dürre (msn) 4 7 in Samaria48 schwer war, sondern die Folge davon, die Hungersnot (avi) 49 . Der Wortlaut setzt damit für das Folgende eine eigene Situation voraus50. Die V. 3—6 sind die Hinführung und der Vorspann zur Szene Elija-Obadja. Dieser Vorspann ist erst allmählich zur jetzigen Gestalt gelangt. So sind die V. 3b—4 aus V. 13 gebildet 51 , um Obadja, der einen so sprechenden Namen hat, 52 von vornherein ins rechte Licht zu setzen 53 .

Aussage und Gewicht bekommen die Verse erst bei der Begegnung Obadjas mit dem Propheten: V. 7ff. Ihr dramatischer Höhepunkt ist das unvermittelte Zusammentreffen des Majordomus mit dem langgesuchten Elija. Die Szene ist kompositorisch stark durchgebildet54 und trägt einen Sondercharakter55. Zu fragen wäre, ob V. 9 erst später in diese Szene aufgenommen ist. Der Bezug zu lKön 17,17—24 fällt auf. So wie dort durch die Gegenwart eines Gottesmannes die Sünden aufgedeckt und geahndet werden, so ist hier die Frage Obadjas „Was habe ich gesündigt, daß du deinen Knecht in die Hand Ahabs überantwortest, damit er mich töte" kaum aus dem Zusammenhang begründet. Obadjas Argumentation wird ohne Bruch in V. 10 fortgesetzt. Auch V. 13 hat im Gesprächsgang keine notwendige Funktion, sondern illustriert

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Die Behauptung von J . Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 42, daß der Bericht „durch und durch von der Dürrethematik bestimmt" sei, ist daher unrichtig. Der Hintergrund der Szene ist eine Hungersnot, nicht eine Dürre. 48 Der Zusammenhang erfordert es zwingend, „Samaria" hier als Landschaftsnamen zu verstehen, nicht nur als Namen der Stadt. 49 Hungersnot ist vielfach auch der Hintergrund der Elischaerzählungen. Vgl. 2Kön 4,38; 6,24ff; 7,3ff; 8,Iff. Mit ihnen ist die Erzählung nicht nur aus diesem Grund vergleichbar. so Gegen H. Seebaß, „Elia", S. 134. 51 E. Klostermann, Die Bücher Samuelis und der Könige, Kurzgefaßter Kommentar zu den Heiligen Schriften Alten und Neuen Testaments, Bd. 3 (Nördlingen, 1887), S. 365; G. Fohrer, Elia 2 , S. 11 A 10; S. Herrmann, Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament, BWANT, 5 (85) (Stuttgart, 1965), S. 48f. 52 M. Noth, Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung, BWANT 3,10 (1928), (unv. Nachdruck, Hildesheim, 1966), S. 137f. Siehe auch Anm. 70. 53 O. H. Steck, Überlieferung, S. 11 A 4. 54 S. Herrmann, Heilserwartungen, S. 48f. Vgl. auch G. Fohrer, Elia 2 , S. 36f; O. H. Steck, Überlieferung, S. 12. 55 Vgl. jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 128ff.

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lediglich V. 12b noch einmal an einem Einzelbeispiel 56 . Allerdings kann dieser Vers vom Inhalt her nicht aus den sonstigen Elijageschichten gebildet sein. Ein Hinweis auf eine spätere Entstehung ist vielleicht das Wort VsVs das auf Kap. 17,4,8 zurückweist.

Der ursprüngliche Abschluß der Szene Elija-Obadja ist strittig. H. GunkelS7 ließ die Szene mit V. 15 enden, A. Alt 5 8 mit V. 16. S. Herrmann setzt den Schlußpunkt mit V. 14 s 9 , während Ο. H. Steck wiederum V. 15 zum Vorangehenden rechnet, das selbst aber keine eigene Einheit sei 60 . Deutlich ist, daß V. 15 V. 18,1b wieder aufnimmt: vVx ΠΝΊΧ // 18,1b 3ΝΠΚ ΠΝΊΠ. Darüber hinaus ist V. 15 aber eine fast wörtliche Wiederholung von V. 17,1. Vgl. V. 15 nsas mrr // ΠΧ3Χ ni?r ( 1 7 , 1 L X X ) , V . 15 V1B1? ΤΠΙ3»

// VJB1? T I S S I P X 1 7 , 1 wäh-

rend Wiederaufnahmen aus V. 18,2bff fehlen 61 . Somit ist der Schlußpunkt der Szene in V. 14 zu sehen, während V. 15 zur literarischen Komposition gehört, die durch 17,1, 18,1,2a (18b?) die Einzeltraditionen miteinander verbindet62. Die ursprüngliche Szene Elija-Obadja hat in V. 14 geendet. Eine Parallele zu einer so dissonant abbrechenden Szene findet sich noch in der Naboterzählung lKön 21,20ba 63 . Allerdings ist zuzugestehen, daß in beiden Fällen der Schluß schon die antiken Hörer nicht mehr befriedigte. Wie in lKön 21,20ba, so sind auch hier (V. 15f) noch Nachträge für nötig gehalten worden. 56 Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 12. Doch liegt bei Ο. H. Steck die Tendenz vor, die Verse, die Isebel nennen, einer eigenen Traditionsschicht zuzuordnen. V. 13 nennt als einziger ursprünglicher Vers Isebel (zu V. 3 siehe oben S. 68). 57 Elia, S. 13.'Vgl. H. Greßmann, Die älteste Geschichtsschreibung und Prophétie Israels (von Samuel bis Amos und Hosea), SAT, II (1), 2. Aufl. (Göttingen, 1921), S. 259; O. Eißfeldt, „Der Gott Karmel", S. 28. 58 „Gottesurteil", S. 136; vgl. G. Fohrer, Elia 2 , S. 36; J . Fichtner, Das erste Buch von den Königen, S. 264. 59 Heilserwartungen, S. 48. 60 Überlieferung, S. 12f; vgl. A. Jepsen, „Elia", S. 298; ähnlich jetzt G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 128ff. 61 Die Behauptung Ο. H. Stecks, Überlieferung, S. 12, daß die Befürchtung Obadjas, der Geist könnte Elija entführen (V. 12), Korrelat sei zur Versicherung des Propheten, heute noch vor Ahab zu erscheinen (V. 15), trifft nicht zu. Auch nach Meinung Obadjas ist Elija nicht Herr über den Geist ( m i ) , so daß Elijas Versicherung, vor Ahab zu erscheinen (V. 15), am Einspruch Obadjas vorbeigeht. 62 Anders jetzt noch wieder G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 1 2 8 - 1 3 1 . « Siehe unten S. 131 f.

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Die Erzählungen

V. 15 ist nicht nur im Sprachgebrauch an V. 17,1, 18,1,2a angelehnt; inhaltlich ist zu beachten, wie verschieden das Auftreten des Propheten Elija in V. 15 und V. 16 dargestellt wird. Während auf der einen Seite (V. 17,1, 18,1,2a, 18,15) Elija dem König Gottes Wort anzusagen hat, ob es dem König genehm ist oder nicht, so ist auf der anderen Seite (V. 16) das Bild Elijas so gezeichnet, daß man zu ihm wegen eines Gotteswortes zu kommen hat. Nicht der Prophet kommt zum König, sondern der König kommt zu ihm! Dies dazu in der Haltung, die die Achtung vor einem Propheten gebietet 6 4 .

So ist damit zu rechnen, daß die Elija-Obadjaszene durch lKön 17,1, 18,1,2a, 18,15 in den jetzigen Zusammenhang eingepaßt wurde. Darüber hinaus dient noch der „ungewöhnlich blasse, schematisch Vers 16" 65 zur Verklammerung der Einheiten 18,7ff und 18,17f. Für eine historische Fragestellung bietet die Erzählung über Elija und Obadja nicht viel. Sofern V. 3—6 als sekundär anzusehen sind 66 , werden in V. 12(13) Ahab, Elija, Isebel und Obadja als Zeitgenossen behandelt. Isebel wird — unausgesprochen — als Frau Ahabs vorgestellt, deren Macht bis zur Prophetenverfolgung und -tötung gereicht haben soll. Eine elijafeindliche Haltung Ahabs ist Hintergrund der ganzen Szene. Sie kommt aber — sofern man den Schluß der Erzählung in V. 14 sieht 67 — nicht zum Austrag. Die Begegnung zwischen dem frommen Jahwediener Obadja und dem Propheten Gottes ist das Zentrum der Erzählung. Weiterhin setzt V. (9 und) 12 eine Selbstherrlichkeit des Königs voraus, die es Ahab anscheinend ohne weiteres erlaubte, über Leben und Tod höchster Beamter des Staates zu verfügen. Die Macht Ahabs wird für so groß gehalten, daß er alle Königreiche und Völker eidlich zur Flüchtlingsauslieferung nötigen konnte (V. 10) 68 . — Ob der Beamtentitel ΓΡ3Π Vs? HPK schon der frühesten Erzählung zugerechnet werden darf, muß offenbleiben 69 . Immerhin hat man in dieser Erzählung eine 64

LXX Και έξέδραμεν Άχαάβ κ od έπορβύ^η. Vgl. zu dieser Charakterisierung die Darstellung 2Kön l , 2 f f ! 65 S. Herrmann, Heilserwartungen, S. 48f. 66 Siehe oben S. 68. 67 Siehe oben S. 69; auch ein angenommener Schluß der Erzählung mit V. 15 oder 16 würde daran nichts ändern. 68 Vgl. dazu auch G. Buccellati, „1 Re 18,20", Bibbia e Oriente, 5 (1963), S. 1 0 - 1 3 . 69 Zu V. 3 - 6 siehe oben S. 68.

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Person namhaft gemacht, die sich in der Zeit Ahabs um verfolgte Jahweanhänger bemühen konnte. Der Name der Person70 kann geradezu als Programm der Zeit Ahabs gedeutet werden! Da die Erzählung über Elija und Obadja grundsätzlich eine andere Intention verfolgt als historische Reminiszenzen zu aktualisieren, kann eine historische Fragestellung ihrem eigentlichen Anliegen nicht gerecht werden. Die Erzählung über Elijas Auseinandersetzung mit dem Volk und den Baalspropheten ist die bedeutendste Einzelerzählung innerhalb der Komposition von lKön 17,1—18,46. Doch bietet die Erzählung mancherlei Probleme. Das erste, das kaum scharf genug gesehen ist, ist schon das Textproblem. Die Überlieferung der LXX ist nicht unwesentlich anders als die des MT. Eine Textanalyse kann also nicht allein vom MT ausgehen. Ein weiteres ist die Benennung und Klassifizierung der Erzählung als „Gottesurteil auf dem Karmel", die sich seit R. Kittel und H. Gunkel 71 mindestens in der deutschsprachigen Literatur weitgehend durchgesetzt hat 72 . Damit stellt sich die Frage nach der „Gattung" der Erzählung. Schließlich bleibt nach dem historischen Geschehen zu fragen, das der heutigen Erzählung vorgegeben gewesen zu sein scheint. Zur Benennung als „Gottesurteil" sei so viel gesagt: Im allgemeinen setzt ein Gottesurteil einen unlösbaren Rechts- oder Schuldfall zweier menschlicher Parteien voraus, dessen Entscheidung durch ein Ritual unter Einwirkung höherer Mächte herbeigeführt werden soll 13 . Vom Ergebnis des Vorgehens her, dem eigentlichen Gottes urteil, hat das gesamte Ritual seinen Namen bekommen. — Das Alte Testament kennt zur Klärung solcher unlösba-

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Die LXX scheinen allerdings mit Άβδείού eine Namensform ΊΠΉ357 supponiert zu haben. Ihre Überlieferung spricht gegen die Auffassung von (1)ΠΉ3Ϊ als Verbalsatznamen mit dem Subjekt Jahwe: = .Jahwe hat gearbeitet". Gegen A. J. Braver, „The Name Obadja — Its Punctuation and Explanation", Beth Mikra, 54 (1973), S. 4 1 8 - 4 1 9 (Ivrit). 71 R. Kittel, Könige, S. 141 und H. Gunkel, Elias S. 13. Vgl. schon früher I. Benzinger, Könige, S. 108: „Gottesgericht am Karmel". Anders z.B. R. de Vaux, Les Livres des Rois, S. 106 „La Sacrifice du Carmel". 72 Vgl. aber die zurückhaltende Einordnung der Erzählung unter den Begriff „Gottesurteil" bei H. Nottarp/E. Kutsch, „Gottesurteil", RGG3, II, Sp. 1 8 0 7 1809. 73 H. Nottarp/E. Kutsch, „Gottesurteil", Sp. 1807ff.

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Die Erzählungen

ren Rechtsfálle u.a. die Rituale des Losordals (vgl. J o s 7,14ff) und des Trankordals (vgl. Num 5,12ff) 7 4 .

Nach einem festen Ritus wird hier die Schuld bzw. Unschuld einer beschuldigten Partei geklärt. Zu solchem rituellen Vorgehen paßt aber in keiner Weise, was lKön 18,21ff zu berichten weiß. Wer wären hier die Parteien? Jahwe und Baal? Elija und die Baalspropheten? Oder Elija und das Volk? Elija klagt das Volk an (V. 21) — läßt aber die Baalspropheten umbringen (V. 40). Elija tritt als Ankläger auf (V. 21), handelt aber selbst wie ein Angeklagter (V. 3Of). Das Volk ist Angeklagter (V. 21f), aber auch Zeuge (V. 25f, 30f). Die Baalspropheten werden nicht angeklagt (V. 21) — müssen sich aber einem Legitimationsverfahren unterziehen (V. 25f). Auf diesen Sachverhalt ist die Terminologie „Gottesurteil" also besser nicht anzuwenden.

Die Dramatik der Erzählung liegt darin, daß sie als geschichtliches Ereignis berichten will, wie Jahwe sich auf die Ebene der kanaanäischen Götter herab begeben hat und sie dabei als unfähig zu handeln, ja, als nicht existent erwies. Durch die vorausgesetzte einmalige Situation hindurch, die der Erzähler auch wiedergeben will, wird deutdeutlich, daß dies seiner Meinung nach immer so ist. J . Wellhausen75 nannte die Erzählung „eine Art religiösen Zweikampfes zwischen Baal und Jahve" und ist damit wohl doch näher an der Textaussage geblieben, als R. Kittel und H. Gunkel mit der Beschreibung des Geschehens als „Gottesurteil". Die Erzählung ist inhaltlich am ehesten als eine Art Götterwettstreit 76 zu beschreiben. Die „Götter", in diesem Fall Baal, werden von Jahwe dabei jedoch als Nichtgötter, als Nichtse, wie Deuterojesaja später formuliert, entlarvt. Insoweit ist sogar die Bezeichnung „Götterwettstreit" unangemessen, da die „Götter" bzw. Baal eben keine Götter sind. Es ist ein Kampf zwischen Gott und Götzen. Die Erzählung setzt ein mit „und nun . . . " (18,19). Dieser Vers 7 7 kann jedoch nicht die natürliche Fortsetzung des harten Wortwech-

» R. Press, „Das Ordal im Alten Testament", ZAW, 51 (1933), S. 1 2 1 - 1 4 0 , 227—255, dessen Terminologie und Abgrenzung aber präzisiert werden müßte. 7 5 Composition S. 269. 76 In Kenntnis der Problematik spricht R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 5 3 6 u.ö. nun von „Opferprobe". 7 7 Vgl. auch V. 18b (siehe oben S. 62). — Die Aufteilung dieses Einleitungsverses auf einen Sammler (V. 19a) und einen Redaktor (V. 19b), auf Grund

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sels zwischen Elija und Ahab 18,17—18(a) gewesen sein, sondern muß als Teil einer Überleitung zur Karmelerzählung angesehen werden, in der jetzt nicht mehr Elija und Ahab, sondern Elija, die Baalspropheten und das Volk Israel einander gegenüberstehen (V. 2Iff) 7 8 . Inhaltlich ist die Aufforderung von V. 19, daß „ganz Israel" Vs) auf dem Karmel zusammenkommen soll, natürlich unhistorisch, zeigt aber deutlich die religiöse Absicht des Verfassers. Nach dem MT beginnt die eigentliche Karmelerzählung mit V. 20 (Sethuma) 79 . Doch kann diese Einteilung nicht richtig sein, da dann das Zusammenrufen aller Propheten — der Text (V. 20) sagt nicht Baalspropheten — geradezu mißverstanden werden müßte. So gehört V. 20 literarisch noch mit V. 19 zusammen zur Einleitung der Szene, die im Eigentlichen erst mit V. 21 einsetzt 80 .

Wenn literarisch die Karmelerzählung im Eigentlichen erst in V. 2 1 beginnt, dann müssen auch alle Aussagen der einleitenden V. 19, 20 für eine historische Einordnung der Erzählung zurückstehen81. Das betrifft dann die Aussage über die zeitliche Verknüpfung des Geschehens mit Ahab und Isebel (V. 18b, 19), über die örtliche mit dem Karmel (V. 19a) und über die Anzahl der Baals- und Aäerapropheten 82 und ihre Verbindung zu Isebel (V. 19b). Literarisch fällt es schwer, die einleitenden Verse 19 und 20 (und den Schluß V. 40) 8 3 einer umfassenderen Traditionsschicht zuzuordnen. Zu viele Angaben des Hinweises auf Isebel, bei Ο. H. Steck, Uberlieferung, S. 16ff, ist unnötig. Vgl. dazu jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 131 ff. So E. Würthwein, „Die Erzählung", S. 132ff. Jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 133f, der allerdings an eine frühe Dürre tradì ti on in diesen Versen denkt. 79 So noch neuerdings R. de Vaux, Les Livres des Rois, S. 106 und Ν. J . Tromp, „Water and Fire", S. 497. 80 So schon H. Gunkel, Elias, S. 13; mit besonderem Nachdruck hat E. Würthwein darauf hingewiesen: „Die Erzählung", S. 132; anders z.B. G. Fohrer, Elia2, S. 20, 45, 76. A. Alt rechnete auch schon V. 17ff zur Karmelszene („Gottesurteil", S. 135), worin er nur wenig Gefolgschaft gefunden hat, vgl. aber J . Fichtner, Das erste Buch von den Königen, S. 264. 81 So in Konsequenz der literarischen Analyse richtig A. Jepsen, „Elia", S. 304ff. 82 Gegen J . Wellhausen, Composition, S. 279 A 1, mit vielen Nachfolgern — auch noch BHS z.St. - stützt textlich die LXX-Tradition den Wortlaut des MT. Die Streichung der Aïerapropheten kann textgeschichtlich nicht gerechtfertigt werden. Uberlieferungsgeschichtlich bleiben allerdings hier Fragen offen (vgl. LXX zu V. 22!). 83 Siehe dazu unten S. 83.:.

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Die Erzählungen

erscheinen nur hier, so daß keine „Tendenz" dieser Traditionsschicht zu entdecken ist. So wird damit zu rechnen sein, daß die Karmelerzählung schon früh mit der Einleitung V. 19 und 20 (und dem Schluß V. 40) versehen wurde 8 4 .

Die Erzählung setzt ein mit der Aktion Elijas. Von Anfang an übernimmt er die Führung. Elija „nähert sich" (pu) dem Volk 85 . Er 86 spricht es an: „Wie lange wollt ihr auf beiden Seiten hinken? 87 Ist Jahwe Gott — folgt ihm nach! Ist Baal Gott — folgt ihm nach!" Das Wort gehört zum Kern der Erzählung88. Die Alternative Jahwe oder Baal ist mit ihm gestellt. Nach Elijas Wort ist in aller Öffentlichkeit Baal 89 in Konkurrenz zu Jahwe getreten. Nun ist die Stunde gekommen, in der sich beweisen muß, ob Baal seinem Anspruch auf Israel gerecht werden kann. Diejenige Partei soll und wird für sich und ihren Gott den Sieg erringen, deren Gebet und Opfer von ihrem Gott durch Feuer angenommen wird.

Soweit die Exposition der Erzählung. Der Erzähler hat mit ihr die Erwartung der Zuhörer über den weiteren Verlauf der Ereignisse aufs äußerste gespannt. Gleichzeitig sie jedoch in ihrer Situation angesprochen. Die Aussagen erschöpfen sich nicht im Bericht über das geschichtliche Ereignis, sie sind transparent für den jeweiligen Hörer. Nahezu typisch wird dargestellt, wie Elija, ein Prophet, ans Volk „herantritt" (ϋϊϊ) und es vor Alternativen stellt. Das Volk schweigt dazu. Wie o f t mag es zu 84

Zu einem ähnlichen Urteil kommt G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 138f, wenngleich er V. 19a,20* und V. 40 einer älteren Dürreerzählung zuweist. 85 LXX (Β) προς πάντας. 86 In der LXX ist das Wort direkt als Elijarede eingeführt: Kai eine ν αύτοίς Ηλείου. 87 Trotz mancherlei Bemühungen ist der genaue Sinn des Wortes noch nicht klar. Die beiden Bedeutungen des Nomens rp5?D = „Felskluft" (Ri 15,8 u.a.) und „Zweig" (Jes 17,6 u.a.) sind kaum sinnvoll mit dem Verb flOD Kai „vorübergehen"? (Ex 12,13 u.a.), Nif. „lahm sein"? (lSam 4,4) zu verbinden, zumal das Verb einzig an dieser Stelle im Piel vorkommt. Die alten Vorschläge zur Deutung des Wortes (Vrss!) sind immer noch ebensogut möglich wie die neuen: O. Keel, „Erwägungen zum Sitz im Leben des Pascha", ZAW, 84 (1972), S. 4 1 4 - 4 3 4 (S. 428ff); G. Gerleman, „Was heißt Π0Β?", ZAW, 88 (1976), S. 409—413. Man wird sich damit bescheiden müssen: „Die Redensart muß etwas umschreiben wie: auf zwei Bällen tanzen oder ähnlich"; A. Jepsen, „Elia", S. 299. Anders noch wieder G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 159 Anm. 468. 88 Die Wurzel ΠΟδ wird in V. 26 wieder aufgenommen. 89 In LXX (B) fehlt der Artikel vor Baal.

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den Fragen der Propheten geschwiegen haben! Selbstverständlich auch die Voranstellungjahwes vor Baal. Und schließlich wird die Reaktion des Volkes schematisiert. Wenn der Prophet seinen Vorschlag zur Beseitigung des Unrechts gemacht hat (V. 22—24) ist ihm zu folgen. V. 24b „und es antwortete das ganze Volk (dem Propheten Elija) und sagte: das ist gut!"

V. 22 spricht Elija von sich als allein übriggebliebenem Propheten Jahwes (mn ,l 7 XOJ). Es ist das einzige Mal innerhalb der Elijaerzählungen, daß Elija sich selbst so benennt. So ist man versucht, diesen Ausdruck vorerst auszuklammern und als spätere Interpolation anzusehen. Doch ist die Selbstbezeichnung Elijas so eng mit der Nennung der anderen Partei, den Propheten Baals90, verbunden, daß nur der ganze Vers ausgeklammert werden könnte 91 . Dann hängt jedoch auch V. 23 92 und alles Folgende in der Luft. So ist davon auszugehen, daß in der Erzählung eine Tradition vorliegt, die Elija versucht, als eine Näbl'-gestalt zu begreifen. Von A. Jepsen 9 3 stammt der Versuch, Traditionsschichten nach der Benennung Elijas zu differenzieren. So rekonstruiert er eine Traditionsschicht, die Elija unter dem Begriff „ N ä b f " versucht zu verstehen, und eine, die ihn unter dem neutraleren „Tischbiter" begriff, und bestimmt für diese beiden Schichten eine relative Chronologie. Doch warnt die Setzung von ô deoßei'.της (= * , DtPnn) in LXX z.B. zu 18,27,29 bei gleichzeitigem Fehlen des Ausdrucks im MT vor Folgerungen aus nur einer Texttradition (MT) und vor einer vorschnellen Einreihung für solche rekonstruierten Traditionsschichten in eine Chronologie. Wenn eine relative Chronologie solcher Traditionsschichten versucht wird, so muß sie berücksichtigen, daß vor der Komposition lKön 17—19 die Einzelstücke liegen. Diese aber reden von Elija teils ohne nähere Kennzeichnung (17,2ff, 7ff; 18,2bff), teils versuchen sie, seine Gestalt im Begriff „Gottesmann" (17,17—24) oder im Begriff ,,Näbi'" zu fassen (18,21ff). Erst in den kompositionellen Abschnitten 17,1 (18,lf) wird Elija als „Tischbiter" benannt. In diese Entwicklung gehört dann auch das Auftauchen der Benennung Elijas als in der LXX 18,27, 29. Die Benennung Elijas als Tischbiter gehört daher nicht in eine frühe Uberlieferungsstufe. Sie mag als Ursache schon eine Diskreditierung des Begriffs 90

Die LXX bieten auch hier die ASerapropheten (vgl. V. 19). In der jetzigen Erzählung ist Elijas Auftritt gegen Baalspropheten aber auch gegen ASerapropheten gerichtet (vgl. V. 19,20). Dementsprechend ist die Erweiterung des Textes auf die Aïerapropheten (LXX) sachgemäß. 91 Ο. H. Steck, Uberlieferung, S. 18, „Als Zusatz gibt sich die Aussage nicht zu erkennen." 92 In V. 23 sind Ο'ΪΒΠ V» und D'SV V» ΤΙΠΠ als späte Präzisierungen der Opferanweisung Elijas (vgl. Lev 1,1 ff) zu streichen. Vgl. LXX und BHK3 z.St. Teilweise anders BHS z.St. *> „Elia", S. 297ff.

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Die Erzählungen

Näbl' gehabt haben (vgl. Am 7,14!). Damit ist die Entscheidung auch über die Aussage „Ich bin allein Übriggeblieben" gefallen. Diese Aussage muß zur frühen Erzählungstradition gehören. Die in diesem Wort vorausgesetzte Verfolgung ist mit der Aussage über Elija als Näbl' aufs engste verknüpft. Die Vorstellung des Näbl' Elija scheint grundsätzlich eine Verfolgungssituation — von wem auch immer ausgehend — für den Näbl' zu implizieren.

Auch macht der Aufbau der Erzählung schon deutlich, daß die Propheten Baals und mit ihnen ihr Baal Elija und seinem Gott Jahwe unterlegen sein werden. Nur entsprechend Elijas Anweisungen kommen die Baalspropheten überhaupt zum Zuge. Das Auswählen, Zurichten des Opfertieres und Anrufen ihrer Gottheit sollen sie auf Anweisung Elijas tun (V. 25). Was sie darüber hinaus vollziehen (V. 26): Anrufen vom Morgen bis zum Mittag und Kulttanz um den Altar, den sie sich gemacht hatten 94 , ist lächerlich und abstoßend. Mit Nachdruck sei darauf verwiesen, daß an der Stelle des Geschehens offenbar kein intakter Altar vorhanden war. Wie der Text (V. 26) sagt, tanzten die Baalspropheten um den Altar, „den sie (sich) gemacht hatten" 9 5 ; das heißt aber, — nach dem üblichen Wortgebrauch, — zu diesem Anlaß neu gebaut hatten. Der Ort, an dem der „Wettstreit" stattfand, war also weder für Jahwe (vgL V. 30bff) noch für Baal prädestiniert. Weder für Baal noch für Jahwe war ein intakter Altar vorhanden.

Die Szene der Aktion der Propheten Baals ist in zwei Teile auseinandergezogen. „Zuerst ,hinken' sie um den Altar und schreien von Morgen bis zum Mittag: Baal erhöre uns! Von Mittag zum Abend aber geraten sie in wilden Taumel . . . Die zweite Szene steigert also . . . Beide Szenen sind eindrucksvoll getrennt durch Elias Worte, die den Baal höhnen" 96 . Nach der mit Spott ergangenen Aufforderung Elijas an die Baalspropheten, ihre Gottheit noch mehr anzurufen, steigert sich ihre Aktivität zur Raserei (V. 29 INaim). Doch noch weniger Antwort als auf die Aktivität bis zum Mittag gibt es darauf97. Wiederum greift Elija 94

Die Reihenfolge: Empfang des Opfertieres, Zurichtung, Anrufen des Gottes und kultischer Tanz um den Altar, den sie (sich) gemacht hatten, war schon für H. Gunkel (Elias, S. 17 A 17) ärgerlich. Das erlaubt jedoch nicht, den Halbvers umzustellen. 95 Zur Rekonstruktion des Textes vgl. BHK 3 , BHS z.St. Für eine historische Fragestellung besagt es nicht viel, ob die 3. P. Sing. m. (MT) oder die 3. P. PI. (LXX) geschrieben stand. * H. Gunkel, Elias, S. 17. ν Nach dem Text der LXX wird die Szene nicht durch ]"ΊΟ ΠΙ» V)p> ]"·« atPj? abgeschlossen. Elija beendet die Raserei der Baalspropheten!

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ein. Er läßt ihre Raserei zu Ende k o m m e n , nicht ihr Baal! So, w i e Elija die Baalspropheten z u m Wettstreit aufgefordert hat, so schickt * OR er sie nun w e g . Die sich anschließende Opferhandlung Elijas liegt sowohl nach dem MT als auch nach der LXX um die Zeit der Darbringung des Abendopfers 99 . Diese Zeitangabe ist als Interpolation eines jerusalemisch/judäischen Redaktors oder Interpolators angesehen worden 10°. Doch ist das kaum zutreffend. Denn mit dieser Zeitangabe gehören die beiden anderen zusammen, nach denen die Baalspropheten von Morgen bis Mittag Baal anrufen (V. 26) und (von Mittag) bis Abend in Raserei geraten (V. 29). Es geht nicht an, die dritte Zeitbestimmung als Korrektur eines Interpolators zu streichen, die anderen beiden aber stehen zu lassen. Die Baalspropheten haben — nach der Darstellung des Erzählers — zur Anrufung ihres Gottes fast einen ganzen Tag Zeit gehabt. Ihr Tun ist ergebnislos geblieben. Im verbleibenden Rest des Tages will nun Elija seine Anrufung und sein Opfer vollbringen. Daß dieser Opferzeitpunkt zusammenfällt mit dem, zu dem man auch sonst in Israel das Abendopfer vollzog, ist sicher Absicht des Erzählers 101 . Er hat auch an anderen Stellen, z.B. in der Schilderung des Volkes, seine eigenen Vorstellungen eingebracht. Das Abendopfer, das Elija damals vollzog und das in so bemerkenswerter Form von Jahwe angenommen wurde, sollte so wohl auch von seinen Hörern vollzogen werden. In Parallelität zu den Handlungen der Baalspropheten wird in der nächsten Szene Elija seinen Gott anrufen und das Opfer darbringen. Wiederum ist bezeichnend für den Erzähler, daß der Prophet dieses nicht ohne das V o l k tut: „Und Elija sprach zum V o l k (V. 3 0 ) 1 0 2 : ,Tretet her zu mir!' und das ganze Volk trat zu ihm." Der Aufforderung durch den Jahwepropheten k o m m t das Volk sofort nach. Der Prophet hat gesprochen — das V o l k muß folgen! Die Stilisierung durch den Erzähler ist deutlich 1 0 3 !

98 Vgl. den Wortlaut von LXX (B, Luc). 99 Vgl. Ex 29,39,41; Num 28,4,8. Diese Tradition ist letztlich aus Jerusalem und Juda überliefert. Doch spricht nichts dagegen, die Praxis auch für das Reich Israel anzunehmen. 100 E. Klostermann, Die Bücher . . . der Könige, S. 368 u.a. 101 Vgl. auch den MT V. 36aa, wo diese Tendenz noch deutlicher wird; anders LXX V. 36! So LXX! MT = „zum ganzen Volk". 103 Vgl. auch V. 24!

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Die Erzählungen

Die Textiiberlieferung zu V. 30bff ist unsicher 104 . V. 30b berichtet vom „Heilen" (SDÌ) eines zerstörten Altars durch Elija 1 0 s . V. 31 redet demgegenüber von einem Altarneubau. Die Wörter in V. 31 sind zwar andere als beim Unternehmen der Baalspropheten (V. 26b), doch ist die vorausgesetzte Situation ähnlich. Elija baut einen Altar für seinen Gott10®, richtet ihm ein Opfer zu und bittet ihn um dessen gnädige Annahme, wie die Baalspropheten für ihren Gott es früher getan hatten. — Die Textaussage von V. 31, daß Elija 12 Steine zum Altarbau genommen hat — entsprechend der Anzahl der Nachkommen Jakobs — ist unter Hinweis auf Gen 35,10 als spätere Interpolation angesehen worden 1 0 7 . Dabei sind zwei Argumente miteinander verknüpft: Das eine ist die Umbenennung Jakobs in Israel, wobei auf Gen 35,10 verwiesen wird, das der Priesterschrift (P) zuzuweisen ist 108 . Wenn die Karmelszene jedoch eine Entstehungs-

Für die Frage nach der historischen Einordnung der Ereignisse ist die Entscheidung nicht unwichtig, ob es sich um eine Wiedererrichtung eines Jahwealtars (V. 30b) oder um eine Neuerrichtung gehandelt hat. Textgeschichtlich sind die V. 31,32a die von einem Neubau durch Elija sprechen sicherer überliefert als V. 30b, der in der LXX verstellt ist. Die Aussage des (MT) V. 30b, daß es sich bei der „Heilung" des Altars um einen Jahwealtar handelte, wird von der LXX (außer LXX Luc) nicht gestützt. 10s Nach „deuteronomistischer" Meinung war allein die Opferstätte in Jerusalem legitim. Vielfach wird angenommen, aufgrund dieses „dtr." Theologumenons sei die Textaussage von V. 30b (MT) nicht gebilligt, sondern zu einer Abschwächung im Sinn des „Dtr" (vgl. V. 38) verändert worden durch den Einschub V. 31,32a (I. Benzinger, R. Kittel, H. Gunkel, H. Greßmann, O. Eißfeldt, A. Alt, G. Fohrer, R. Smend u.a.). Doch reicht dieses „dtr" Kriterium nicht aus, den originären Text herauszufinden. E. Würthwein („Die Erzählung", S. 133) hat gezeigt, daß man mit den gleichen Gründen das fur einen Einschub halten kann (V. 30b), was andere für originär hielten, und das für originär (V. 31,32a), was andere für einen Einschub hielten. U.E. spricht die Textüberlieferung zu V. 30b (Umstellung in LXX!) für seinen Zusatzcharakter. D.h. im ursprünglichen Text war von einem Neubau die Rede. — Anders noch wieder R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 527f. 106 Die Behauptung von J . A. Montgomery/H. S. Gehmann, Kings, S. 304: „a striking point of the story is that Elijah chose Baal's own ground to defy him", ist dem Wortlaut von V. 26b und 31,32a nicht angemessen. «» Z.B.: I. Benzinger, Könige, S. 110; R. Kittel, Könige, S. 148; H. Gunkel, Elias, S. 18; H. Greßmann, Die älteste Geschichtsschreibung, S. 259f; O. Eißfeldt, „Die Bücher der Könige", in: Die Heilige Schrift des Alten Testaments, Hrsg. E. Bertholet, I, 4. Aufl. (1922; Nachdruck Darmstadt, 1971), S. 4 9 2 - 5 8 5 (S. 533); G. Fohrer, Elia 2 , S. 17 A 25; R. Smend, Biblische Zeugnisse: Literatur des alten Israel, Fischer Bücherei, Nr. 817 (Frankfurt/M., 1967), S. 175; J . Gray, Kings2, S. 399 u.a. Vgl. dazu jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 163 Anm. 482. 10 « O. Eißfeldt, Hexateuchsynopse (1922; Nachdruck Darmstadt, 1973), S.

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zeit vor der Priesterschrift hat, so würde eine Anspielung auf die Priesterschrift in V. 31,32a diese Verse als Interpolation erweisen. Dann wäre die Aussage über einen Altaxneubau (V. 31,32a) interpoliert und V. 30b als ursprünglicher Text anzusehen 109 . — Dieses Argument wäre überzeugend, wenn bewiesen werden könnte, daß in V. 31 (32a) eine Anspielung auf die Priesterschrift und nur auf sie vorliegt. Das ist aber nicht möglich! Die Aussage über die Umbenennung Jakobs in Israel kann ebensogut auf Gen 32,29f zielen, das dem Jahwisten zuzuweisen ist 110 . Ist lKön 18,31 (32a) aber eine Anspielung auf die Überlieferung des Jahwisten, so braucht V. 31 (32a) keine Interpolation zu sein! Das andere Argument für den Interpolationscharakter von V. 31 (32a) ist der Hinweis auf die Zwölfzahl der Nachkommen Jakobs 1 1 1 . Aber diese Zwölfzahl ist schon in frühen Überlieferungen des AT fest verankert, vgl. etwa Gen 37ff,49 u.a. und sollte nicht als Argument benutzt werden, um lKön 18,31 (32a) als Interpolation auszuscheiden. Ein relativ starkes Argument fur die Annahme einer Interpolation in V. 31 (32a), nicht aber fur die V. 31—32a als solcher, ist die deuteronomistische Redewendung 1 ^ IDSV m r r - m r r n (Ί»Χ). Genau diese Redewendung fehlt aber noch in der LXX! In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß man spätestens seit dem Mittelalter jüdischen und christlichen Pilgern bei el-Muhraqa die Steine des Altars zu zeigen wußte 113 . Die großen Steine scheinen tatsächlich existiert zu haben und dürften auf eine megalithische Steinsetzung zurückgehen, deren es bei el-Muhraqa mehrere gegeben hat 114 . Der Hinweis der Erzählung auf die zwölf Steine könnte dementsprechend ätiologisch gemeint sein. V. 32b gehört zu den umstrittenen Versen der Erzählung. Die Vermutung von Rashi 115 ging wohl in die richtige Richtung, wenn er annahm, daß mit der Maßangabe von zwei Sea 116 ein Temenos ausgegrenzt werden sollte, wie es auch

72; M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch (1948; Nachdruck (= 3. Aufl.), Stuttgart, o.J. [1966]), S. 18. 109 So I. Benzinger, R. Kittel, H. Gunkel, H. Greßmann, O. Eißfeldt, A. Alt, G. Fohrer, R. Smend, J . Gray, Kings 2 u.a. 110 O. Eißfeldt, Hexateuchsynopse, S. 67 „L". M. Noth, Üb erlief erungsgeschichte, S. 31, Anm. 98 „ J " . 111 Vgl. A. áanda, Könige, S. 438; J . Montgomery/H. S. Gehmann, Kings, S. 304; E. Würthwein, „Die Erzählung", S. 133. 112 Vgl. lKön 6,11; 13,20; 16,1,7; 21,17,28; 2Kön 9,36; 15,26 u.a. 113 E. Friedman, „The Antiquities of El-Muhraqa and I Kings 18,31", Ephemerides Carmeliticae, 22 (1971), S. 9 5 - 1 0 4 . 114 E. Friedman, „The Antiquities", S. 101. 115 Nach J . A. Montgomery/H. S. Gehman, Kings, S. 304. Vgl. jetzt aber auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 164 Anm. 483. 116 Eine Fläche, die mit zwei Sea besät werden kann, entspräche etwa 985 m 2 : A. Strobel, „Maße und Gewichte", BHH, II, Sp. 1159-1169 (Sp. 1162).

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Ex 27,9ff; 38,9ff; Lev 9,22ff für einen Brandopferaltar (in Jerusalem) fordern"''.

Die Vorbereitungen zum Opfer Elijas werden in V. 33—35 118 fortgesetzt. Sein Tun richtet sich in V. 33 sogar strenger nach den Anweisungen, die für beide Parteien in V. 23 ausgegeben wurden, als das vorher von den Baalspropheten berichtet war. Das ist sicher Absicht des Erzählers. V. 34 und 35 führen über den Rahmen der in V. 23 gegebenen „Wettkampfregeln" hinaus. Erzählerisch bilden sie ein retardierendes Moment, wie es gern vor der Szene geboten wird, die die Spannung löst. Inhaltlich steigern die Verse die Handlung ins Mirakelhafte. Betrachtet man V. 34—35 deswegen als eine sekundäre Erweiterung eines Grundbestandes 119 , so ist doch darauf hinzuweisen, wie gut die Verse in den übrigen Text eingebaut sind 120 . Man beachte den Zusammenhang mit dem Vorangegangenen im Wort 71*7» - vgl. V. 29 (LXX) - im Wort D ^ ï (vgl. V. 33), in Π3Ϊ» (vgl. V. 30b/32a) und mit dem Folgenden von V. 38 mit nVS7, D ' S Ï , nVïDund D'iaX. Es bliebe auch zu fragen, welche Absicht dahinter hätte stehen sollen, in einen klaren Text Aussagen über 3 X 4 „Eimer" Wasser und eine nVsri zu interpolieren 121 .

V. 36 wird die Handlung wieder aufgenommen. Hier beginnt die letzte Szene. Sie besteht aus dem Gebet Elijas und Jahwes Antwort: V. 3 6 - 3 8 . V. 39 bildet den Abschluß der ganzen Erzählung122. Der Eingang der letzten Szene ist unsicher überliefert. Auch der Wortlaut des Gebetes (V. 36/37) hat die überliefernde Tradition viel beschäftigt. So hat der Text mancherlei Eintragungen hinneh-

m Der Vorhof des Brandopferaltars berechnet sich bei 100 X 50 Ellen (= 0,444 m) auf etwa 985 m 2 ! 118 Mit LXX ist vielleicht einzusetzen; * p WSTl. Vgl. aber noch die Abweichungen, die LXX (Luc) bietet: δύο υδρίας ύδατος und ènì το θυσιαστήριον. 119 Z.B. Η. Gunkel, Elias, S. 17f; H. Greßmann, Die älteste Geschichtsschreibung, S. 259f; J . Fichtner, Das erste Buch von den Königen, S. 72f; N. J . Tromp, „Water and Fire", S. 497. 12 J . Fichtner: „Vielleicht bilden diese Verse (d.h. V. 30,33,36f) die älteste Traditionsschicht, die aber schon im Stadium des mündlichen Uberlieferns um die V. 31f und 34f vermehrt worden ist", Das erste Buch von den Königen, S. 273. 121 Zum Sinn dieser Handlung vgl. die Möglichkeiten bei G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 135ff. 122 E. Würthwein, „Die Erzählung", S. 134.

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men müssen, in denen sich Anliegen und Vorstellungen der Tradenten niederschlugen 123 . Ein Vergleich des MT mit der LXX 1 2 4 führt auf einen Wortlaut: „und Elija rief gen Himmel und sprach: Jahwe, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, erhöre mich, Jahwe, erhöre mich! Daß dieses Volk erkenne, daß (nur) du, Jahwe, Gott bist! Und daß du das Herz des Volkes zurückgewandt hast. Die Gottesanrede: Jahwe, Gott Abrahams, Isaaks und Israels ist auffällig. Eine gleiche Gottesanrede liegt nur noch IChr 29,18, 2Chr 30,6 vor 125 . Ist der Text dementsprechend als literarisch spät anzusetzen? Die Anknüpfung an frühgeschichtliche Traditionen des Volkes Israel in der Gottesanrede des Propheten Elija stellt sich in die Reihe — oder vielmehr an den Anfang! — der prophetischen Aussagen, die, stark bei Hosea greifbar 1 2 6 , Rückverweise auf die Geschichte der Väter mit J a h w e benutzen, u m zur jeweils gegenwärtigen Situation des Hörers etwas auszusagen. Der Rückverweis auf Abraham, Isaak und Israel braucht dementsprechend keine literarisch späte Schöpfung zu sein. Die singulare Gottesanrede beleuchtet zugleich den Hinweis auf Jakob/Israel in V. 31. Innerhalb der Elijaerzählungen sind dieses die einzigen Hinweise auf heilsgeschichtliche Traditionen mit den Vätern des Volkes. Sie stützen sich gegenseitig. So sind wohl beide im Text beizubehalten — wofür auch später solche Vorstellungen bei Hosea sprechen.

Die Erhörungsbitte Elijas V. 37a: „erhöre mich, Jahwe, erhöre mich" steht in enger Parallele zur Erhörungsbitte der Baalspropheten V. 26. Wahrscheinlich gehört dieser Wortlaut zur frühesten Traditionsstufe

123 Traditionsgeschichtlich argumentierend kommt R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 526ff zu dem Schluß, daß im MT V. 37 ursprünglich ist, V. 36 eine sekundäre Variation sei. Die Textgeschichte der LXX ist dabei u.E. zu leicht genommen. - Allein V. 3 6 a 0 2 - b (MT) klammert jetzt G. Hentschel, Die Elijaerzählungen, S. 45f als Eintrag eines Redaktors aus, der jedoch nicht sicher „deuteronomistischer" Herkunft war. Vgl. aber auch ders. aaO, S. 167ff. 124

Vgl. LXX (B) Kai efoev Kúpie ó θεός 'Αβραάμ καί Ισαάκ καί Ισραήλ έπάκουσόν μου Kúpie έπάκουσόν μου ... καί ·γνώτω ó λαός ούτος ϋτι σύ Κύριος ò θεός και σύ 'έστρεψας την καρδίαν του λαού ... όπι'σω. Anders: Ex 3,6 MT: 3ρ»·> VlViO p n i T T ^ X ΟΠΊΐΚ TiVk. Vgl. etwa Hos 12,4ff, 13f; H. W. Wolff, „Hoseas geistige Heimat", ThLZ, 81 (1956), Sp. 8 3 - 9 4 = H. W. Wolff, Gesammelte Studien zum Alten Testament, Theologische Bücherei, Bd. 22 (München, 1964), S. 2 3 2 - 2 5 0 und R. Rendtorff, „Erwägungen zur Frühgeschichte des Prophetentums in Israel", ZThK, 59 (1962), S. 1 4 5 - 1 6 7 .

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der Erzählung, da sie die Handlung in genaue Parallele zu V. 26 stellt 127 . Der Gebetsinhalt (V. 37af) richtet sich auf zwei Dinge: Daß das Volk erkenne, daß nur Jahwe Gott ist und daß das Volk erkenne, daß Jahwe es abgewandt hatte. Davon macht der erste Teil noch einmal 128 deutlich, daß das Volk nicht Akteur, sondern Zielobjekt der Handlung Elijas (und der Erzählung!) war. Das Volk war durch Elijas Alternativfrage zur Entscheidung gerufen, jetzt soll die Entscheidung fallen. So muß der Bezug zum Volk wieder aufgenommen werden, der durch den zwischenliegenden Bericht schon fast verlorengegangen war. Die zweite Bitte lautet: aV ΠΝ Π30Π Π Γι XI ΓΡΙΊΠΝ D57Î1. Ihre Bedeutung ist nicht leicht auszumachen 129 . ΠΧ . . . 30Π findet sich noch Esr 6,22 im Sinn von „jemand günstig stimmen 13°. Doch ist die Stelle zu fernliegend, um zum hiesigen Wortlaut Entscheidendes beitragen zu können. ΓΡΠΠΚ bedeutet sonst im Alten Testament 131 „rückwärts", „rücklings".

Nach dem Kontext bezieht sich das „Rückwärtswenden" darauf, daß das israelitische Volk von seinem Jahweglauben zu dem Altar Baals „zurückgewendet" wurde. Das heißt in einem weiteren Sinn, daß es von der Ausgangssituation des Sowohl-Jahwe-als-auch-Baal wieder zu den heidnischen Anfängen zurückgewandt wurde. Jahwe aber war dieser „Zurückwender" — wie das Volk nun durch Elija anerkennen möge!" In beiden Gebetsteilen liegt der stärkste Nachdruck auf dem Handeln Gottes. Zweimal ist Jahwe in persönlicher Du-Anrede herausgehoben: Π1ΓΡ ΠΠΚ Ό und n a o n ΠΠΚ. Damit wird die Bitte zum Schlüssel dafür, warum die Erzählung überhaupt tradiert wurde. Nicht in erster Linie sollte von Elija berichtet werden, sondern von dem, in dessen Vollmacht und Auftrag er alles in Bewegung gesetzt hatte. Nicht Elija, Jahwe hatte das Herz des Volkes gewandt!

Davon, von Jahwes Handeln, nicht von Elija, war zu reden! Sachlich ist die Gestaltung des Gebets wichtig für die Vorstellung des Er-

127

Vgl. R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 527.

128 vgl. γ . 21, 24, 30. 129 Zur Diskussion vgl. J. A. Montgomery/H. S. Gehmann, Kings, S. 305 und jetzt G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 167 Anm. 491. »so 3*7 30Π. 131 Gen 9,23; lSam 4,18; 2Kön 20,10// Jes 38,8.

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Zählers von einem Prophetengebet. Das erste und dringlichste Anliegen Elijas gilt nicht ihm selbst, so bedrohlich für den Propheten die Situation auch gewesen sein mag (vgl. V. 22), es gilt explizit dem Volk Volk Israel, diesem Volk". Nach Meinung des Erzählers scheint das die Aufgabe des Propheten (irai) gewesen zu sein: für das Volk zu bitten, daß Jahwes Selbsterweis offenbar werden möge! „Die Elijaerzählungen sind eben im Grunde doch viel mehr Jahweerzählungen. Er, Jahwe, ist es doch, der die ganzen Geschehnisse gewirkt hat « 1321

Ist in dieser Weise die Brücke vom vergangenen Handeln Jahwes mit und durch Elija zur Situation der Zuhörer schon geschlagen, so wird nunmehr, unmittelbar an das Gebet des Propheten anschließend, die Erhörung berichtet. Auf das Gebet von Elija folgte die Antwort Jahwes unmittelbar, sowie — und so darf man wohl die stillschweigende Voraussetzung des Erzählers ausdehnen — stets auf das Gebet eines Näbl' die Erhörung folgt. Von der Antwort Jahwes, seinem Selbsterweis, bleibt dementsprechend noch zu reden, um die Erzählung zum Abschluß zu bringen: V. 38f: „Und ein Jahwefeuer 1 3 3 fiel herab, verzehrte das Opfer und die Hölzer 1 3 4 , auch das Wasser, das im Graben war, leckte es auf. Da fiel 1 3 5 alles Volk auf sein Angesicht und sprach 1 3 6 : Jahwe ist Gott, er (allein) ist G o t t " 1 3 7 . So bekommt die am Anfang der Erzählung gestellte Alternativfrage (V. 21) ihre Antwort. Damals hat sich nur Jahwe als Gott erwiesen, nicht Baal. Das Volk hat damals dem Selbsterweis Jahwes zugestimmt. Die Ermunterung an das zuhörende Volk, ebenso zu handeln, braucht nicht weiter hervorgehoben zu werden; sie geschieht durch die Erzählung selbst. Der Spannungsbogen der Erzählung, vom Einsatz mit der Frage Elijas (V. 21) über den Aufweis der Unis 2 G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, Bd. II: Die Theologie der prophetischen Uberlieferungen Israels, 4. Aufl. (München, 1965), S. 33. 133 Die Überlieferung des MT und der L X X variiert zwischen ΒΌΙΡΠ ]Ö «PK// ΠΊΓΡ P ' S . Zu den Belegen für beide Ausdrücke vgl. G. Fohrer, Elia 2 , S. 29 A 29. Zur Sache jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 169ff. 1 3 4 L X X (B, Luc) stellen ΊΒΪΠ ΠΚ1, C l l K H ΠΚ1 um. Wohl späterer Zuwachs; vgl. BHS z.St. 135 So L X X (B, Luc (et alii)). 13« L X X , Syr: + άληθώς; liturgischer Zusatz. 137 So L X X (B, Luc): Κύριος ó θεός αυτός (έση) ò θεός. Gegenüber dem MT wohl lectio difficilior.

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Wirksamkeit Baals, wird im Selbsterweis Jahwes und seiner anbetenden Huldigung durch das Volk (V. 38f) zur Vollendung gebracht.

Beim Durchgang durch die Erzählung ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß der Erzähler im Verlauf der Handlung das Volk in bestimmter Weise charakterisiert hat. Das Volk wurde vom Propheten vor eine Alternative gestellt (V. 21), zur Handlung genötigt (V. 30) und im Gebet des Propheten eingeschlossen (V. 36f). In V. 39 ist erreicht, was zu erreichen war: das Volk insgesamt (a»n VD) huldigt wieder Jahwe. In die sprachliche Gestaltung der Erzählung gehören jedoch ebenso die spezifischen Aussagen über den Näbl' Elija. Er ist es, der das Volk anspricht (V. 21), aber auch selbst als Näbl' Verfolgungen ausgesetzt ist (V. 22); er tritt den Baalspropheten entgegen (V. 23f), vollzieht als Näbi' ein Opfer, wobei sogar der Altarbau, die Zurüstung des Opfertieres und das Opfer von ihm selbst vollzogen werden (V. 30f) 1 3 8 . Das Gebet des Näbi' Elija zielte auf das Volk und wird von Jahwe in übermächtiger Weise sogleich erhört. Die Aussagen über das Volk und den Näbl' Elija sind aus der Erzählung nicht zu lösen, ohne ihre innere Struktur zu zerstören139. Für Fragen nach der historischen Situation ist solche literarische Ausgestaltung zu berücksichtigen. In der frühesten Überlieferung der Erzählung spielen Aussagen über einen Ort der Handlung keine Rolle. Sie treten erst in der jetzigen Einleitung und im Schlußvers hinzu und geben damit eine örtliche und zeitliche Fixierung. In diesen Versen kann eine jüngere Traditionsstufe erkannt werden 140 . In ihr hat sich auch die Terminologie über die Zielgruppe Elijas verschoben141. In V. 19—20 wird ViO»1 aufgeboten, innerhalb der Erzählung ist nur von dem Volk (DS) die Rede. — Ob die Einsetzung der Erzählung in diesen Rahmen sach138

Dieselbe priesterliche Handlungsweise wird auch von den Propheten Baals berichtet (V. 26f). 139 Diese Erzählungsstruktur ist von H. Seebaß, „Elia", S. 133, nicht erkannt worden. 140 J. Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 44; Ο. H. Steck, Uberlieferung, S. 15; A. Jepsen, „Elia", S. 298; E. Würthwein, „Die Erzählung", S. 132; jetzt auch G. Hentschel, die Elija-erzählungen, S. 133f anders: H. Seebaß, „Elia", S. 134. Mi Vgl. Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 16f.

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gemäß ist, ist kaum noch zu entscheiden. Nur wenn zwingende Gründe angeführt werden, daß die Angaben der jüngeren Tradition unrichtig sein müssen, ist ein anderer örtlicher und zeitlicher Rahmen für die Erzählung zu suchen. Bislang sind solche Gründe aber noch nicht beigebracht worden. Wenn A. Jepsen 1 4 2 den zeitlichen Rahmen beibehält, den örtlichen jedoch aufgibt, so kann dafür sein Hinweis auf das Heiligtum vom §eh 3a'le 1 4 3 nicht genügen. Nach der Eroberung Palästinas durch die Araber haben sich jüdischchristliche Elijatraditionen und islamische Überlieferungen um al-Hadr 144 in einer Weise verknüpft, daß vorislamische von genuin islamischer Überlieferung kaum noch zu trennen ist Die Überlieferung zum Heiligtum des a'le bietet eine typisch islamische Tradition! 45 , verbindet den Ort aber nicht mit Erinnerungen an die Überlieferungen von lKön 18,19ff sondern von 2Kön l,2ff.

Die Zeitspanne für die Entstehung der Erzählung V. 21—39 läßt sich vorerst nur durch die stillschweigenden Voraussetzungen der Erzählung selbst einengen. Zu diesen Voraussetzungen gehört die mit bemerkenswerter Ausführlichkeit geschilderte priesterliche Tätigkeit des Nâbï' Elija (V. 30f). Für den Erzähler schlossen sich priesterliche und prophetische Handlungen bei einem Näbl' nicht aus, sondern ein. Das Ende der Erzählung, das ein einhelliges Bekenntnis des ganzen Volkes zu Jahwe berichtet, scheint auch für den Erzähler noch nichts von seiner Aktualität eingebüßt zu haben. Auch in seiner Zeit war offenbar die Situation in Israel immer noch nicht eindeutig zu Gunsten Jahwes entschieden. Man kann vielleicht sogar annehmen, daß die erst von einer jüngeren Traditionsstufe berichtete i « „Elia", S. 302. i « A. Alt, „Ein vergessenes Heiligtum des Propheten Elias", ZDPV, 48 (1925), S. 3 9 3 - 3 9 7 . Zur Lage vgl. Karte Israel, Blatt 5, Natanya, 1699/1849. Zur islamischen Ilyästradition vgl. unten Anm. 144, 145. 144 al-Hadr und Elija nennt Mohammed im Koran Sure 6,85; 18,59ff; 37,123ff. 145 Man vergleiche folgenden Auszug (at-Ta'labl, Qisas al-Anbiyä' (Kairo, 1290 (H.)), S. 22 Iff) . . . (Elija =) Ilyäs hatte sich sieben Jahre in Felsklüften verborgen. Als Lagäb's am meisten geliebter Sohn erkrankte, schickte er 400 Baalspropheten aus, um Ilyäs, der die Krankheitsursache sein sollte, zu töten. Ilyäs flößte ihnen aber solchen Respekt ein, daß sie voller Furcht zurückkehrten. Darauf schickte Lagäb fünfzig Krieger, die Ilyäs zuriefen, daß sie sich bekehrt hätten. Ilyäs bat zu Gott, falls sie lögen, sie zu verbrennen. So geschah es und einer weiteren Sendung von Soldaten ging es ebenso. Schließlich schickte Lagäb seinen gläubigen Kanzler . . . Nach A. J . Wensinck „Ilyas", Enzyklopädie des Islam, II, S. 501—502. Zu Elija und Alexander im Islam vgl. noch J . Friedländer, Die Chadhirlegende und der Alexanderroman,Berlin 1913. J . Friedländer bietet S. 183f praktisch den Text, den man später A. Alt bei Ssh §a'le erzählte.

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Ermordung der Baalspropheten (V. 40) für den Erzähler von seiner Position her noch nicht vorstellbar war.

Doch grenzen solche Erwägungen die Entstehungszeit der Erzählung V. 21—39 kaum ein. Das liegt an unserem Mangel an Quellen aus der Zeitspanne zwischen Elija und Hosea; speziell am Mangel an Auskünften über die Funktionen der Propheten (D,N,3l) gegenüber den Priestern (d^íis). Überlegungen, die für die Karmelerzählung ein höheres Alter in Vorschlag bringen, als für eine andere der Elijaerzählungen, führen nur neue Variablen in die Debatte ein, ohne wirklich zu einer Fixierung beitragen zu können.

So ist es bei dem Eingeständnis zu belassen, daß eine genauere zeitliche Fixierung der Erzählung als in den Relationen: vor der Traditionsschicht (V. 19—20(40), vor der Rahmenkomposition lKön 17,1, 18,1,2a . . . und vor dem „Deuteronomisten" nicht möglich ist 146 . Zur „Gattung" der Erzählung ist nur noch wenig zu sagen. Die Stilisierung Elijas als Näbl' und die Rolle, in der das Volk agiert, sind voll von paradigmatischen Zügen, während weder Ort noch Zeit der Handlung angegeben werden. Doch sind die paradigmatischen Züge der Erzählung auch wieder nicht so stark, daß die Erzählung gänzlich den Charakter einer Geschichtserzählung verloren hätte. So mag man diese Erzählung als „paradigmatische Geschichtserzählung" ansprechen — wenn denn das eine Erzählungsgattung ist 147 . Gegenüber A. A l t 1 4 8 und G. Fohrer 1 4 9 muß herausgestellt werden, daß erst die jüngere Einleitung V. 19,20 und der Beschluß V. 4 0 Ort und Zeit der Erzählung festlegen. In der Erzählung selbst sind so viele stilistische Elemente enthalten, daß sie nicht einfach als sachgemäßer Bericht über eine „Haupt- und

Natürlich ist auch eine Einsetzung einer jüngeren Erzählung in den älteren Rahmen 17,1—18,46 denkbar. Doch deuten keine Anzeichen darauf hin, daß das hier der Fall sein könnte. 1 4 7 Von einer allgemein anerkannten Typologie der Prophetenerzählungen ist man noch weit entfernt. Selbst wenn mit literarischen — nicht inhaltlichen — Argumenten verschiedene Gattungen voneinander abgegrenzt werden könnten, wird sich für solche Gattungen nur schwerlich ein anerkannter „Sitz im L e b e n " finden lassen. Vgl. zur Problematik auch A. Rofé, „The Classification of the Prophetical Stories", J B L , 89 ( 1 9 7 0 ) , S. 4 2 7 - 4 4 0 (S. 4 3 9 f ) . In verschiedene Traditionsschichten löst G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 156—178 die Erzählung auf. Seine These bleibt noch genau zu prüfen. » « „Gottesurteil", S. 135f, 147. 1 « G. Fohrer, Elia*, S. 7 7 ff. 14i

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Staatsaktion" 150 verstanden werden kann. Ähnliches gilt auch für E. Wiirthweins Zuordnung der Erzählung zur Gattung der „Kultlegenden" l s l . Der Ort wird in der frühesten Erzählung nicht genannt. Nur die jüngere Tradition V. 19, 20,40 lokalisiert das Geschehen auf dem KarmeL Die Erzählung kommt auch keineswegs darin zum Ziel „von dem zu erzählen, was diesen Ort zu einer Stätte der Jahweverehrung machte" l s 2 , sondern im einhelligen Bekenntnis des ganzen Volkes (DS?n *?D). daß Jahwe Gott ist Das war — und das ist das Bezeichnende für die Erzählung! — nicht nur am Ort und zur Zeit von Elija damals so, sondern überall und immerdar!

Abgesehen von dem sprachlichen und szenischen Aufbau der Erzählung, bleibt nach dem historischen Ereignis zu fragen, das hinter der Erzählung steht, d.h., die Frage nach dem Gegner Jahwes, nach dem Baal vom Karmel zu stellen.

3. Kapitel: Der Karmel und sein Gott Für das Verständnis der Erzählung über Elijas Auseinandersetzung mit den Baalspropheten auf dem Karmel entzündete sich am Aufsatz A. Alts 1 eine lebhafte Diskussion. In Anknüpfung an frühere literarische Analysen ist er darin dem Werden der Erzählung ein Stück nachgegangen2. Sodann suchte A. Alt für das erzählerische Einzelstück von lKön 18,17—40, in dem uns ein sagenhafter Niederschlag eines historischen Ereignisses vorliege, den historischen Ort zu bestimmen. Wenn auch die heutige Gestalt der Erzählung die Entscheidung auf dem Karmel generalisiere, obwohl ihr nur ein zeitlich und örtlich begrenztes Geschehen vorgelegen habe, so müsse doch dem historischen Ereignis ein Charakter innegewohnt haben, der es erlaubte, an ihm den Sieg Jahwes exemplarisch aufzuzeigen3. Den Zusammenhang zwischen einem historischen Faktum und dessen literarischer Gestaltung hat bei diesem Beispiel A. Alt offenbar so gesehen, daß die Weise, in der das Geschehen literarische Gestalt gewann, weitgehend von dieiso A. Alt, „Gottesurteil", S. 147; vgl. G. Fohrer, Elia 2 , S. 78. isi „Die Erzählung", S. 134; vgl. H.-Ch. Schmitt, Elisa, S. 184. is 2 E. Würthwein, „Die Erzählung", S. 135. ι „Das Gottesurteil auf dem Karmel", Festschrift G. Beer (Stuttgart, 1935), S. 1 - 1 8 = A. Alt, KS, II, S. 135-149. 2 „Gottesurteil", S. 135f. 3 „Gottesurteil", S. 137f.

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sem Faktum, nicht aber ebenso von dem Gestalter abhängig sei. Von der literarischen Gestalt her wird auf einen bestimmten Charakter des Faktums geschlossen, da es nur solche literarische Gestalt hätte hervorrufen können, wenn die Darstellung seinem Wesen angemessen war. Doch sind die Bezüge zwischen historischen und fiktiven Ereignissen und ihren literarischen Niederschlägen so komplex, daß diese Sicht zu einfach erscheint. In dem Fall, wo wir von einem Faktum nur durch eine Quelle Nachricht haben, wird unser Verständnis ganz notwendig vom Urteil und der Tendenz dieser einen Quelle abhängig sein, selbst wenn man sich bemüht, beides soweit wie möglich auszuklammern. Wenn der Erzähler dem Ereignis von lKön 18,21ff eine beispielhafte und generalisierende Darstellung gegeben hat, so ist dies auf jeden Fall die Darstellung der siegreichen israelitischen Partei. Daß sie ihre Mittel eingesetzt hat, um ihren Sieg herauszustellen und damit dem Faktum seinen einmaligen und singulären Charakter zu nehmen und es zu einem allgemeineren Fall zu stilisieren, ist natürlich und legitim. Von der Gegenseite wäre dem gleichen Ereignis sicher jede überlokale und allgemeinere Bedeutung abgesprochen, ihm bestenfalls die Bedeutung eines sekundären Provinzereignisses zugebilligt worden. Doch haben wir eine solche Darstellung nicht, falls es sie jemals gab.

Entsprechend seiner literarischen Abgrenzung: lKön 18,17—40 nahm A. Alt als historischen Schauplatz des Geschehens den Karmel an 4 . Für den Karmel aber hatte C. Kopp 5 Belege aus griechisch-römischer Zeit zusammengetragen, die etwas über die Heiligkeit des Berges 6 4

„Gottesurteil", S. 137f. Elias und Christentum auf dem Karmel, Collectanea Hierosolymitana, Bd. 3 (Paderborn, 1929), S. 4 0 - 4 4 . 6 Pseudoskylax: Periplus 104: (Κάρμηλος) 6ρος iepòv Διός (vgl. dazu Κ. Galling, „Die syrisch-palästinische Küste nach der Beschreibung bei Pseudo-Skylax", ZDPV, 61 (1938), S. 6 6 - 9 6 = K. Galling, Studien zur Geschichte Israels im persischen Zeitalter (Tübingen, 1964), S. 185-210 (S. 196f)). Tacitus: Hist. 2:78: Est Judaeam inter Syriamque Carmelus: ita vocant montem deumque, nec simulacrum Deo autem templum (sie tradidere maiores): ara tantum et reverentia. Illic sacrificanti Vespasiano, cum spes occultas versaret animo, Basilides sacerdos inspectis identidem extis „Quidquid est", inquit, „Vespasiane, quod paras, seu domum extruere seu prolatare agros sive ampliare servida, datur tibi magna sedes, ingentes termini, multum hominum . . . " P. Cornei» Taciti libri qui supersunt, Tom. II, Fase. 1: Historiarum libri. Ed. E. Koestermann, Bibliotheca scriptorum graecorum et romanorum teubneriana (Leipzig, 1969), S. 96. Sueton: Vita Vespasiani 5,6: Apud Judaeam Carmeli Dei oraculum consulentem ita confimare sortes, ut quidquid cogitaret volveretque animo quamlibet magnum, id esse proventurum polliceretur. C. Suetoni Tranquilli Opera, Vol. I: De Vita Caesarum, Ed. M. Ihm (Stuttgardiae, 1907), S. 31 l f . Jamblichus: De Pythagorica Vita III: 14f: Vom Aufenthalt Pythagoras' auf 5

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und seine politische Zugehörigkeit bis in die römische Zeit aussagen. Für C. K o p p war es noch möglich, die A n g a b e n über die Heiligkeit des Karmel in griechisch-römischer Zeit als einen späten R e f l e x von Elijas Kampf anzusehen 7 . Für A . A l t verhielt es sich damit anders. A u s den Aussagen der griechisch-römischen Autoren, aus einer an der Karmelspitze gefundenen phönikischen Inschrift 8 und aus l K ö n 18 Schloß er auf einen Gott namens „Baal K a r m e l " ( · ? » Ί 3 *?»3), der — in Analogie zu Baal Libanon, Baal Hermon usw. — schon zu Zeiten Elijas der eigentliche Herr des Berges gewesen sei 9 . So w u r d e aus dem Nebeneinander

von Jahwe und Baal (-Karmel), wie es C.

K o p p für Elijas Zeit angenommen hatte, für A . A l t ein zeitliches Vorher des Baalkultes: „ D e r Baal ist o f f e n b a r der alte Inhaber, der jetzt sein angestammtes Besitzrecht zu verteidigen hat; Jahwe tritt als Angreifer auf . . . " 1 0 . Sodann stellte A . A l t heraus 11 , daß der Karmel nicht immer zum eigentlichen Siedlungsgebiet der Israeliten gehört habe 1 2 . Er vermutete, daß das Heiligtum des Karmelgottes um die Wende von 2. zum 1. Jahrtausend bei den „Kanaanäern erhöhtes Ansehen . . . gewann, je mehr sich im Hinterland das israelitische Wesen verfestigte" 13. Auch in der Zeit Davids sei an diesem kanaanäischen Kult des Baal Karmel nichts geändert worden, da David es nicht auf eine Demütigung der Kanaanäer abgesehen hatte. Möglicherweise aber sei erstmals zu Davids Zeit neben dem ursprünglich kanaanäischen Baalsheiligtum auf dem Karmel ein Jahwealtar errichtet worden, den dem Karmel wird gesagt: Μνθα ένόμαξβ τα πολλά ô IΊυθαγόρας κατά iepòv ... βύθύς αυτούς ώψθη (Πυθαγόρας) κατιών άπ' άκρου Καρμήλσυ λόφου ... ίερώτατον δέ των άλλων όρών ήπισταντο αύτό και (τους) πολλούς αβατον. Jamblichi de vita pythagorica liber ad fidem codics fiorentini recensuit . . . A . Noack (St. Petersburg, 1884, unv. Nachdruck Amsterdam, 1965), S. 15. 7 „Möglich ist dagegen durchaus, daß die Erinnerung an Elia und seinen Kampf für Gott auf dem Karmel auch in der Heidenwelt nachzitterte", Elias, S. 45. « RÉS 586: Zeile 1: Zeile 2: (1 Ί0Χ)Ί32 ρ Zeile 3: WIR J3 d V r Ϊ 3 [ » ] |3 Zeile 4: « j y a i -|β[ΟΠ] Zeile 5: « „Gottesurteil", S. 138f. 10 „Gottesurteil", S. 139. 11 „Gottesurteil", S. 139. 12 Vgl. dazu schon ausführlich C. Kopp, Elias, S. 40—44. » „Gottesurteil", S. 140f.

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Elija dann umgestürzt vorfand 14 . Da noch zu Davids Zeit und unter Salomo der Einfluß der kanaanäisch geprägten umliegenden Städte auf den Karmel und sein Heiligtum stärker gewesen sei als der der israelitischen Bevölkerung, sei es „kein Wunder, daß auch der Altar Jahwes im Heiligtum auf dem Karmel über kurz oder lang keinen Kultus mehr empfing und schließlich in Trümmer fiel, da niemand nach ihm sah . . . " 1 S . Doch rechnete A. Alt trotz dieser Erwägungen eher damit, daß Salomo das Gebiet des Karmel einschließlich Küstenstreifen mit Akko und Kabul (vgl. lKön 9,11—14) den Phönikern habe überlassen müssen, zumal das Gebiet nicht im Gauverzeichnis lKön 4 erscheine. „Unter der Voraussetzung dieses Uberganges des Karmels aus der israelitischen in die tyrische Botmäßigkeit versteht sich das baldige Aufhören der Verehrung Jahwes in dem Heiligtum auf ihm nach David natürlich noch viel besser, als wenn wir darin, wie oben ausgeführt, lediglich die Folge eines Erstarkens des Kanaanäertums im Innern des Reiches zu sehen hätten" 1 6 .

Durch den Wechsel der politischen Zugehörigkeit des Karmel, der in der Zeit nach Salomo zu Phönizien gehört haben soll, habe das kanaanäische Heiligtum des Berggottes einen neuen Aufschwung erhalten, sei es, daß „dem Baal von Tyrus als dem Reichsgott wie seinerzeit Jahwe ein eigener Altar errichtet und ein besonderer Kultus gewidmet wurde, oder sei es, daß man den Β aid vom Karmel einfach mit ihm gleichsetzte" 17 . In der Zeit Ahabs schließlich, die vom Freundschaftsverhältnis zu den Phönikern geprägt war, sei der Karmel an Israel zurückgegeben worden, da er in den Händen der befreundeten Israeliten keine gefährliche Machtzunahme mehr bedeutet habe 18 . Die politische Rückkehr des Karmelgebietes zum Staat Israel zur Zeit Omris oder Ahabs sei überhaupt die Voraussetzung der Reinstitutionalisierung des Jahwekultes durch Elija gewesen. Insofern übertreibe die Erzählung auch nicht, wenn sie Elijas Handlungsweise den Charakter einer „Haupt- und Staatsaktion" gebe. „Wir müßten eine solche Aktion postulieren, wenn sie uns nicht überliefert wäre" 19 . Die Entscheidung der von Elija veranstalteten Machtprobe sei insofern grundsätzlicher Natur gewesen, als sie die Beibehaltung des status quo, d.h. der bisherigen Baalsverehrung auf dem Karmel ausschloß und die Rückkehr zum Zustand einer früheren Zeit, in der Baal neben Jahwe verehrt wurde (zur Zeit von Da14

„Gottesurteil", „Gottesurteil", 16 „Gottesurteil", 17 „Gottesurteil", 18 „Gottesurteil", » „Gottesurteil", 15

S. S. S. S. S. S.

142. 143. 145. 145. 146. 147.

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vid), unmöglich machte 20 . Erst nach dem Untergang des Nordreiches habe sich der lokale Baal noch einmal erheben und unter dem Schutz der ausgreifenden Phöniker bis in griechisch-römische Zeit überleben können, aus welcher Zeit dann eben die Hinweise auf den Gott Karmel stammen21. Abgesehen von der literarischen Zuordnung der Verse lKön 18,17— 20,40 2 2 zur ursprünglichen Karmelerzählung beruht A. Alts Auffassung weitgehend auf der Annahme, daß der Karmel in der Zeit von David bis Ahab zweimal seine staatliche Zugehörigkeit gewechselt hat. Der Wechsel des Karmels unter Salomo an die Phöniker und unter Omri oder Ahab wieder an Israel ist aber trotz A. Alts Überlegungen keine Tatsache, auf der sich weitere Schlüsse aufbauen ließen. Wenn die Gauliste Salomos über den Karmel schweigt 23 , so kann ihr Schweigen in verschiedener Weise gedeutet werden. Es ist jedenfalls kein eindeutiger Beleg für die Zurgehörigkeit des Karmel zum phönikischen Staatsgebiet 24 . Auch wenn seit Salomo das Gebiet von (Akko und) Kabul nicht mehr zu Israel gehörte (lKön 9,11—14), so sagt das noch nichts über die staatliche Zugehörigkeit des Karmels aus. Z.B. ließe sich der Ausbau der Festungsstadt Megiddo durch Salomo auch so verstehen, daß damit der Zugang zum israelitischen Karmel gerade verhindert werden sollte. Erst recht gibt es keinen Beleg dafür, daß der Karmel in Omris oder Ahabs Zeit von den Phönikern freiwillig wieder an Israel zurückgegeben worden ist.

Über das Wesen des Baal Karmel hat sich A. Alt nur insoweit geäußert, daß er auf die Analogie zu anderen Berggöttern wie Baal Libanon, Baal Hermon u.ä. verwies. Durch die Übernahme des Karmel in die phönikische Oberhoheit sei der Lokalgott aber in die Nähe des tyrischen Reichsgottes gerückt25. Der Reichsgott von Ty20 „Gottesurteil", S. 147f. 21 „Gottesurteil", S. 148f. 22 Siehe oben S. 72f, 83. 23 Nach Josephus, Antiquitates, VIII, 37 gehörte der Berg Karmel auch z.Zt. Salomos zum israelitischen Staat. Josephus nennt einen gewissen SaphatSs als Vogt des Karmel. Da anderswo Josephus' Aussagen aber nicht zutreffend sind, ist diese Angabe wohl besser aus der Diskussion auszuklammern. Sie scheint aus lKön 4,17 entstanden. 24 Vgl. Y. Aharoni, The Land of the Bible, 2. Ed. (London, 1968), S. 277. 25 „Immerhin wird man die Verschmelzung der beiden Baale in Anbetracht ihrer Zugehörigkeit zu dem gleichen Göttertypus für überwiegend wahrscheinlich halten", „Gottesurteil", S. 145.

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rus ist bekanntlich Milqart (nip1?») gewesen. Doch „für den Kreis der Anwohner und Verehrer blieb natürlich der göttliche Inhaber des Karmelheiligtums trotzdem der alte" 26 . Weitere Aussagen über das Wesen des von Elija bekämpften Gottes wollte A. Alt der Erzählung wohl nicht entnehmen. Die von C. Kopp gesammelten und auch von A. Alt genutzten Angaben der griechisch-römischen Autoren unterzog O. Eißfeldt 27 einer erneuten Sichtung. Im Versuch einer genaueren Wesensbestimmung des Baal Samern meinte er, auch in lKön 18 Hinweise auf Baal ν _ Samern wiederfinden zu können. Nach O. Eißfeldt war der von Elija bekämpfte Gott in erster Linie der Gott Isebels und Ataljas28. Der Gott sei jedoch nicht als Garant und Ausdruck des politischen Verhältnisses zwischen Israel und Tyrus zur Zeit von Elija anzusehen. Denn als Gott der beiden Königinnen käme keine Größe in Betracht, die Repräsentant einer politischen Gemeinschaft war, sondern nur ein Gott „des Universums und zugleich des Individuums" 29. Dementsprechend sei der Gott, den Elija bekämpfte, eine lokale Ausprägung des Baal Samern gewesen 30 . Die wesentlichsten Argumente O. Eißfeldts waren: In der ZKR-Inschrift 31 träten Propheten im Kult des Baal Samern auf; da sie für „Baal" lKön 18 eine bedeutende Rolle spielen, sei auch hier an Baal §amëm zu denken 3 2 . Baal Samëm werde bildlich in Verbindung mit Sonne, Mond und Sternen dargestellt 33 . Sofern im Alten Testament ein Baal in Verbindung mit dem Heer des Himmels (D'QVn N3X) auftrete, sei an Baal âamëm gedacht. Der Kult Baal Samerns, der durch Isebel in Israel Eingang fand, habe somit nicht nur die Revolution Jehus überstanden, sondern noch bis in joschianische Zeit fortgelebt 34 . Nach der Publikation des Votivfußes für Zeus Hëliopoleitës Karmëlos durch M. AviYonah 3 5 hat O. Eißfeldt seine früheren Argumente durch die Überlegung zu » 2' S. m 29 so

„Gottesurteil", S. 145f. „Ba'alïamëm und Jahwe", ZAW, 57 (1939), S. 1 - 3 1 = O. Eißfeldt, KS, II, 171-198 (S. 187ff). „Ba'alïamëm", KS, II, S. 187. „Ba'alïamëm", KS, II, S. 187. „Ba'alïamëm", KS, II, S. 188 A 4. 31 KAI, Nr. 202. 32 „Ba'alïamëm", KS, II, S. 188. 33 Auf einer Darstellung aus dem Hauran, archiviert im Museum Suwëda: M. Dunand, Mission archéologique au Djebel Druze. Le Musée de Soueida (Paris, 1934), S. 28, Nr. 30. 34 „Ba'alïamëm, KS, II, S. 188f. 3s „Mount Carmel and the God of Baalbek", I I J , 2 (1952), S. 118-124.

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bekräftigen versucht, daß eine Identifikation des (Baal-) Karmëlos mit Zeus Hëliopoleitës nur dann hätte vorgenommen werden können, wenn das Wesen beider Größen einander vergleichbar, j a ähnlich gewesen sei. Da im Wesen des Zeus Hëliopoleitës ein semitischer Wetter-, Himmels- und Fruchtbarkeitsgott und ein Sonnengott zusammengekommen seien 3 6 , müsse in der Gestalt des Zeus Hëliopoleitës der besonders in Tyrus verehrte Baal Samern aufgegangen sein 3 7 . Baal Karmel sei in der Zeit der Inschrift M. Avi-Yonah's als Hypostase des Hëliopoleitës und in früherer Zeit als Hypostase des Baal Samern anzusehen 3 8 .

Die Erwägungen O. Eißfeldts sind jedoch nicht beweiskräftig. Das Wesen der „Propheten" Baal Samerns in der ZKR-Inschrift, der |ΤΠ und JT7S7, ist zu wenig bestimmbar, als daß sich daraus Schlüsse auf das Wesen des Gottes Baal âamëms ziehen lassen. Tritt doch z.B. auch für die Gottheiten von Byblos/Gebal ein Ekstatiker auf, ohne daß damit etwas über das Wesen der byblischen Götter gesagt wäre 3 9 . Für Aïera wird in der kanaanäischen Zeit ebenfalls eine prophetische (?) Gestalt erwähnt 4 0 . Und aus dem Zweistromland liegt seit einigen Jahren eine Fülle von Beispielen vor, wie dort im Kult ganz anderer Gottheiten als Baal Samëm „Propheten" auftraten. — Die bildliche Darstellung Baal Samerns zusammen mit anderen Himmelsgrößen erlaubt nicht den Schluß, daß in den alttestamentlichen Aussagen, in denen das „Heer des Himmels" genannt wird, Baal âamëm mitgemeint sein muß. Im Jeremiabuch werden z.B. zusammen mit dem „Heer des Himmels" mehrere „andere Götter" (Plural!) genannt (Jer 7,18 MT; 19,13). Überlegungen zum Wesen des Hëliopoleitës 4 1 schließlich können primär nur für die Zeit des synkretistischen Hellenismus Gültigkeit haben 4 2 und vermögen den zeitlichen Abstand zum 9. Jahrhundert nicht zu überbrücken.

Da in den Überlieferungen für die Zeit Elijas an keiner Stelle der Gott Baal Samern wirklich genannt ist, bleibt ein Kult des Baal Samern in Israel in der Zeit des Propheten Elija gänzlich ungesichert 4 3 . Daß der von Elija bekämpfte Baal eine Hypostase des Baal „Der Gott Karmel", Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst, J g . 1 9 5 3 , Nr. 1, S. 2 5 - 4 2 . 37 „Der Gott Karmel", S. 22f. 3 8 „Der Gott Karmel", S. 23. 3 9 Wenamun-Bericht, T G I 2 , S. 43. Nach M. Görg, „Der Ekstatiker von Byblos", Göttinger Miszellen, 23 ( 1 9 7 7 ) , S. 3 1 - 3 3 wäre 'dd '3 sogar sprachlich mit sem. ΠΤΠ gleich, da ein ägypt. ' für sem. Π und dd als Gruppenschreibung für sem. t angesehen werden kann. Ist damit das Rätsel um den byblischen Ekstatiker gelöst? « Siehe unten S. 2 9 8 Anm. 4 4 . « Vgl. dazu auch W. Röllig, „Ba'al Biq'äh", WdM, S. 2 7 0 . 4 2 Das mußte auch O. Eißfeldt zugestehen, „Der Gott Karmel", S. 22. 4 3 Das gilt auch für B. Mazar, „The Philistines and the Rise of Power of Israel 36

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Y

Samern gewesen ist, läßt sich weder aus lKön 18 noch durch O. Eißfeldts Überlegungen wahrscheinlich machen. Überzeugender scheint hingegen der Versuch R. de Vaux's 44 , aus der Karmelerzählung selbst das Wesen des Baal zu bestimmen. Im Gegensatz zu A. Alt, der mit einem zweimaligen Wechsel der politischen Zugehörigkeit des Kannelgebietes von David bis Ahab rechnete, hielt es R. de Vaux für wahrscheinlicher, daß der Karmel seit David ständig bei Israel verblieb 45 . Er rechnete dementsprechend mit einem örtlichen und zeitlichen Miteinander eines Baal- und Jahwekultes auf dem Karmel, einem Baalheiligtum an der Spitze des Karmel 46 und einem Jahweheiligtum etwa an der Stelle des heutigen el-Muhraqa 47 . Auch wenn R. de Vaux nicht explizit zur Deutung der Erzählung lKön 18,21 durch A. Alt Stellung nahm 4 8 , so ist von solcher Ausgangsposition eine Interpretation des Geschehens als „Haupt- und Staatsaktion", nicht möglich. „II ne s'agit pas seulement de décider si la montagne saint appartient à Yahvé ou à Baal . . . mais absolument lequel est Dieu . . ," 4 9 .

Nach der Veröffentlichung der Milqartstele BRHDD's 50 , die die Verbreitung des Milqartkultes weit außerhalb des phönikischen and Tyre", Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities, I, 7 (1964), S. 1 - 2 2 (S. 19ff). 44 „Les Prophètes de Baal sur le Mont Carmel", Bulletin du Musée de Beyrouth, V (1941), S. 7 - 2 0 . 45 „Le prophètes", S. 7f allerdings „partagée entre les deux cultes". 46 Die ägyptischen Belege des RS QDáu, die R. de Vaux auf den Karmel bezog, sind nicht sicher zu deuten: M. Noth, „Die Wege der Pharaonenheere in Palästina und Syrien: Untersuchungen zu den hieroglyphischen Listen palästinischer und syrischer Städte, V: Ramses II. in Syrien", ZDPV, 64 (1941), S. 3 9 - 7 4 = M. Noth, Aufsätze, Bd. 2, S. 9 3 - 1 1 8 (S. 110); W. Helck, Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr., Ägyptologische Abhandlungen, Bd. 5, 2. Aufl. (Wiesbaden, 1971), S. 126f. Das gilt auch für die Gleichsetzung RS QD§U = Ba'lira'si bei E. Lipiñski: „Note de topographie historique: Ba'lira'ïi et Ra'Su Qudïu", RB, 78 (1971), S. 8 4 - 9 2 , s. u. S. 195f. 47 „Les prophètes", S. 7f. 48 Für die Annahme von zwei lokal getrennten Heiligtümern, einem an der Spitze des Karmel und einem beim heutigen el-Muhraqa, schrieb er immerhin „je me sépare ici d'Alt . . . " („Les Prophètes", S. 7 A 4). Aber es ist nicht nur dieser Punkt, der R. de Vaux's Interpretation von A. Alts unterscheidet. 49 „Les prophètes", S. 7f. Vgl. R. de Vaux, Les Livres des Rois, La Sainte Bible traduit en français sous la direction de l'École Biblique de Jérusalem, 2. Éd. (Paris, 1958), S. 106, Anm. C: „II ne s'agit pas seulement de décider lequel, de Yahvé ou de Baal, est la maître de la montagne ou est plus puissant mais absolument lequel est Dieu . . . " . 50 M. Dunand, „Stèle araméenne dédiée à Melqart", Bulletin du Musée de Bey-

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Staatsgebietes beurkundet, war R. de Vaux's Ausgangspunkt die Frage, ob der von Elija bekämpfte Gott der tyrische Milqart gewesen sein könne. Seine Argumente schienen ihm diese Frage eindeutig positiv zu beantworten. Da R. de Vaux die Herkunft Isebels aus Tyrus als gesichert galt 51 und die Propheten Basils in Abhängigkeit von Isebel geschildert werden (lKön 18,19), stellte er für jede der drei Aussagen Elijas über Baal (lKön 18,27) eine Fülle von Materialien zusammen, die begründen sollten, daß die mit Spott vorgetragenen Sätze auf realer Kenntnis des tyrischen Milqart und seines Kultes beruhen52. Für die Aussage, daß Baal ΓΓΒ? und habe 5 3 , wurden Zitate des Chronicon 54 ss Paschale , des Johannes Malalas , G. Cedrenus 56 und Johannes Antiochenus 5 7 beigebracht, nach denen Herakles von Tyrus (= Milqart) den Titel „Philosoph" gehabt habe. Der Titel habe auf Herakles' (= Milqarts) praktische Erfindungsgabe abgezielt. So spät zwar derartige Traditionen seien, so wären sie vielleicht doch ,,l'écho de traditions fort anciennes" s8 . Für Elijas Aussage, daß Baal „unterwegs (?) sei" (l1? " p l ) , zitierte R. de Vaux antike Autoren, die von Herakles' Reisen berichten s9 . Den wichtigsten Punkt seiner Argumentation bildeten aber „Parallelen" zu Elijas Aussage, daß der Gott seiner Gegner schlafe und aufgeweckt werden müsse ftP''). Unter Hinweis darauf, daß aus Ägypten 6 0 eine rituelle Erweckung der Gottheit am

routh, III (1939), S. 6 5 - 7 6 ; vgl. W. F. Albright, „A Votiv Stele Erected by Ben-Hadad I of Damascus to the God Melcarth", BASOR, 87 (1942), S. 2 3 - 2 9 (= KAI, Nr. 201). 51 „Les prophètes", S. 8. 52 Daß sie spottend gemeint waren, war auch R. de Vaux nicht zweifelhaft: „L'intention satyrique est apparente dans le récit biblique . . . " , „Les prophètes", S. 11. 53 Die zwei Ausdrücke des MT werden in der LXX mit nur einem wiedergegeben: χρηματίζει!). R. de Vaux interpretierte sie als „(il) a des soucis ou des affaires" „Les prophètes", S. 13. s" PG XCII, S. 161. ss PG XCVII, S. 99f. 56 P g CXXI, S. 61. 57 C. Mullerus, Fragmenta Historicorum Graecorum collegit, disposuit, notis et prolegomenis illustravit, Bd. IV (Parisiis, 1851), S. 544b,16. 58 „Les prophètes", S. 14. 59 „Les prophètes", S. 15f; vgl. Eudoxos von Knidos: F. Lasserre, Die Fragmente des Eudoxos von Knidos, Texte und Kommentare, Bd. 4 (Berlin, 1966), Fragm. 284 a (7), S. 99; M. Devarii, Eustathii Archiepiscopi Thessalonicensis Commentarli ad Homeri Iliadem (et) Odysseam ad fidem exempli romani edidit ( 1 8 2 5 - 3 0 ; Nachdruck Hildesheim, 1960), S. 440; 1702: 50f. 60 Nach A. Moret, Le Rituel du culte divin journalier en Egypte, S. 121f und A. Ermann, Die Literatur der Ägypter (Leipzig, 1923), S. 37.

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Morgen überliefert sei und sich auch im Alten Testament Spuren einer vergleichbaren Praxis fänden 6 1 , berief sich R. de Vaux auf ein Zitat von Menander-Josephus, daß König Hiram als erster Herakles' (= Milqarts) „Erweckung" (έ'γερσις) im Monat Peritios gemacht habe 6 2 . Die „Erweckung" Milqarts sei auch durch einheimische phönikische Quellen bekannt, die u.a. im Zusammenhang mit 'JMWS ΓΠΠ8 von n p ö 6 3 = „excitateur du dieu" sprächen. Der Ausdruck ."ΊΊΙΙΙΡΪ ΓΠΠΟ sei dabei auf Milqart zu beziehen 6 4 . D u r c h diese Z i t a t e w a r für R . de V a u x e i n e große Wahrscheinlichkeit g e g e b e n , d a ß in Elijas A u s s a g e n n i c h t nur S p o t t , s o n d e r n gen a u e K e n n t n i s über Milqart u n d s e i n e n Kult vorläge. Elijas Gegner sei m i t h i n Milqart g e w e s e n . R . d e V a u x ' s Zitate der g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e n A u t o r e n k ö n n e n n i c h t darüber h i n w e g t ä u s c h e n , d a ß sich in i h n e n ein hellenistischer Herakles-Kult a u s s p r i c h t 6 5 , der j e d o c h in dieser F o r m in klassisch-phönikischer Zeit n i c h t in G e l t u n g g e w e s e n ist. Auch halten die Beispiele nicht der Kritik stand. Der Ausdruck des hebräischen Textes: VITT Π "'S? ist eine alte crux 6 6 . Er findet sich nur noch Sir 13,26. Die LXX bietet für l K ö n 18,27 Ι1? η - Π . . . V? rWl ΓΡ® nur zwei Ausdrücke: άδολεσχία αύτω και Άμα μήποτε χρημάτιζε ι αύτός. Parallelen zu: χρηματίζει61 können nur die Aussage der LXX, nicht aber den hebräischen Text, erläutern. Im Zitat über Herakles' „Auferweckung" durch Hiram ist für Menander-Josephus εγβρσις ein hapax legomenon, so daß wir nicht wissen, was damit wirklich gemeint war 6 8 . Der phönikische Ausdruck 0*78 ist noch nicht genau erfaßt. Seine Bezüge zu έπιμελητής χιηά curator fani 6 9 sind aber enger als eine Übersetzung « Vgl. Ps 7,7; 59,5; 78,65; 94,5. « Dazu siehe unten S. 207f. 63 Vgl. für diesen Ausdruck jetzt die Belege in DISO s.v. Dip Nr. 5. 64 „Les prophètes", S. 18. 65 Zusätzliche Belege lassen sich schon bei F. C. Movers, Die Phönizier, Bd. I (Bonn, 1841), S. 3 8 5 - 4 9 8 , finden. Auch wenn F. C. Movers Interpretationen unakzeptabel sind, bleibt die umfangreiche Materialsammlung! 66 Vgl. dazu jetzt G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 160ff, der prinzipiell R. de Vaux folgt. 67 Zu diesem Ausdruck verglich R. de Vaux die Aussagen über Herakles als Philosoph, „Les prophètes", S. 13. 68 Siehe unten S. 207f. Vom „Ritual der sterbenden und auferstehenden Gottheit" herkommend plädiert H. Jagersma: „|®*7 in 1. Könige XVIII,27", VT,25 (1975), S. 6 7 4 - 6 7 6 hier für die Übersetzung „Todesschlaf". Aber die Verknüpfung des Baal (vom Karmel) mit solcherart „Ritualen" bleibt erst noch zu erweisen. 69 Α. M. Honeyman, „Larnax tes Lapëthou; A Third Phoenician Inscription", Le Muséon, 51 (1938), S. 2 8 5 - 2 9 5 (S. 288).

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„excitateur du dieu" W. Auch eine Interpretation „fabricant d'idoles" scheint nicht unmöglich 71 . Was immer D*7X Dpö bedeutet hat, den Ritus der „Erweckung" kann der Ausdruck für den Milqartkult des 9. Jahrhunderts nicht belegen.

Alle Beispiele, die R. de Vaux zum Vergleich beigebracht hat, setzen im übrigen voraus, daß Isebel aus Tyrus kam und daß sie den Kult ihrer Heimatstadt, den Milqartkult, in Israel einzuführen versuchte. Diese Voraussetzung ist jedoch unhaltbar 72 . Dementsprechend sind alle auf ihr basierenden Argumente hinfällig oder bedürfen einer Neuinterpretation. Eine neue Wendung nahm die Diskussion um den Baal Karmel mit der Publikation eines Votivfußes aus dem Karmelkloster durch M. Avi-Yonah 73 . Die Inschrift des Fußes lautet: ΔΙΙ ΗΛΙΟΠΟΛΕΙΤΗ ΚΑΡΜΗΛΩ Γ· IOTA· ETTTXAC KOA KAICAPETC. Sie ist nach dem epigraphischen Befund in die Mitte des 3. Jahrhunderts nach Christus zu datieren 74 . Für die Deutung der Inschrift referierte M. Avi-Yonah die Angaben der antiken Autoren über den Karmel und sein Heiligtum 75 und über Zeus Hëliopoleitës 76 . Die Aussagen über Zeus Hëliopoleitës deutete M. Avi-Yonah — nach einer Nachricht bei Macrobius 77 — in dem Sinn, daß sich hinter dem griechischen Ζεύς Ήλιοπολβιτης der semitische Wettergott Hadad verberge 78 . Hadad sei u.a. auch Gott „of the mountain tops" gewesen und im kanaanäischphönikischcn Bereich als „Baal par excellence" verehrt worden. Er habe auch 70

So R. de Vaux in Nachfolge von Ch. Clermont-Ganneau, „L'Egersis d'Héraclès", Récueil d'Archéologie Orientale, Tom. 8 (Paris, 1924), S. 149-167 (S. 164). 71 Mayer-Lambert, Journal Asiatique IX/X, S. 488 nach DISO, S. 256. 72 Siehe dazu ausführlicher unten S. 224ff. 73 Vgl. Anm. 35. 74 M. Avi-Yonah, „Mount Carmel", S. 119 A 3. Siehe auch unten S. 99f. 75 Vgl. oben S. 88f die Angaben von C. Kopp. 76 H. Winnefeld, „Geschichte Baalbeks bis zum Einbruch der Araber", in: Baalbek, Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1898— 1905, Bd. II, Hg. D. Krenker/Th. von Lüpke/H. Winnefeld (Berlin, 1923), S. 145, P. S. Ronzevalle, „Jupiter héliopolitain: Nova et Vetera", Mélanges de l'Université St. Joseph de Beyrouth, 21 (1937-1938), S. 3 - 1 8 1 . 77 Saturnalia I: 23, 10 „Deo enim quem summum maximumque venerantur, Adad nomen dederunt", J . Willis, Ambrosii Theodosii Macrobii Saturnalia, Apparatur critico instruxit . . ., Bibliotheca . . . teubneriana (Leipzig, 1963), S. 123; 78 So schon A. Vincent, La Réligion des Judéo-Araméens d'Éléphantine (Paris, 1937), S. 126f.

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den Titel „Herr des Himmels" (DÖ© *75?3) getragen. Als der große Baal, der Berggott, sei Hadad seit frühester Zeit identifiziert worden, „with the local gods who appeared on the mountains along the coast of the Eastern Mediterranean", z.B. mit Baal Zaphon, Baal Libanon und auch mit Baal Karmel 79 . Da der „Herr des Himmels" schon in seinen frühesten Bezeugungen überlokale Bedeutung habe 80 , aber auch an einzelnen Orten verehrt worden sei 81 und Hadad schon in kanaanäischer Zeit „Herr des Himmels" genannt werde 82 , ein Titel, der sich bis in römische Zeit durchgehalten habe 83 , sei Baal Samern = Zeus HSliopoleitës 84 . Wenn der Text der Erzählung lKön 18 das Ereignis auf einem Berge lokalisiere, von Stieropfern spreche, den Gegnern Elijas die Bitte um Regen zugestehe und schließlich der Gott mit Artikel angerufen werde, sprächen auch diese Punkte dafür, daß es sich nicht um Milqart 85 gehandelt haben könne, sondern nur um Hadad: „The God of the Carmel was identical with Hadad" M.

M. Avi-Yonahs Interpretation des Fußes als Rest einer Kolossalstatue 87 und seine Erstinterpretation der Inschrift konnten nicht in jeder Weise befriedigen. Auch die Gleichsetzung Hadads mit Baal Samern und mit (Zeus-) Karmëlos überzeugt nicht. Baal Samern ist sicher nicht nur Name Hadads gewesen, sondern eine eigene Größe neben ihm 88 . Unter Hinweis auf eine Fülle vergleichbaren Materials89 korrigierte K. Galling90 M. Avi-Yonahs Interpretation. Somit handelt es sich w „Mount Carmel", S. 122. Vertrag Asarhaddons mit Baal von Tyros. Siehe unten S. 237f. 81 Inschrift von Cagliari, vgl. KAI, Nr. 64. 82 Unter Berufung auf die el-Armana-Tafeln Nr. 149,13; 150,7. 83 G. A. Cooke, A Text-Book of North-Semitic Inscriptions (Oxford, 1903), S. 296, Anm. 1. « „Mount Carmel", S. 124. 8S Die Gleichung des von Elija bekämpften Gottes mit Milqart lehnte M. AviYonah ab, da Milqart anderswo mit Herakles geglichen werde. Wenn in der Inschrift des Votivfußes eine Gleichung mit Zeus vorliege, könne die dahinter stehende Größe demnach nicht Milqart gewesen sein: „Mount Carmel", S. 123. „Mount Carmel", S. 124. « „Mount Carmel", S. 129. 88 Vgl. W. Röllig, „Baal Samern", WdM, S. 273. 89 Gesammelt bei M. Garducci, „Le Impronte del ,Quo vadis' e monumenti affini figurati ed efigrafici", Atti della Pontificia Accademia Romana di Archeologica, Serie III, Rendiconti, Vol. XIX (1942/43 [1944]), S. 3 0 5 - 3 4 4 . 90 „Der Gott Karmel und die Ächtung der fremden Götter" (Festschrift A. Alt) Geschichte und Altes Testament, Beiträge zur historischen Theologie, 80

Der Karmel und sein Gott

99

um einen „(rechten) Götterfuß", mit dem der Stifter seinen Dank an die Gottheit zum Ausdruck bringen wollte 91 . K. Galling wies auch auf eine zur Zeit des Kaisers Gallienus (260—268) geprägte Münze aus Akko/Ptolemais hin, deren Rückseite einen sehr ähnlichen Votivfuß zeigt 92 . Von der Zugehörigkeit des Karmel zum Gebiet von Akko/Ptolemais in der Zeit um 200 n.Chr. ausgehend 93 , deutete er den Kult des Zeus HëliopoleitësKarmëlos als einen „Filialkult des in Ptolemais verehrten Gottes" 9 4 . Da besonders Septimius Severus (193—211) die Förderung des Kultes vom Gott Baalbek zu verdanken sei 95 , könne die Verehrung des Hëliopoleitës in Akko erst nach der severianischen Zeit angesetzt werden. Der Votivfuß vom Karmel mit der Weihung an den „Hëliopoleitës" sei daher zeitlich nach Septimius Severus anzusetzen.

Für die Deutung der Inschrift des Votivfußes verwies K. Galling darauf, daß in „Karmëlos" keine adjektivische Endung vorliegt, sondern die normale griechische Nominalform des Namens Karmel: Κάρμηλος. Hingegen ist 'Ηλιοπολβιτης adjektivisch. Die Inschrift muß daher übersetzt werden: „Dem heliopolitanischenZeus Karmel"96. Dieser Zeus Karmel repräsentiere den von A. Alt erschlossenen Baal Karmel (VaiD Van). Für die Wesensbestimmung der Gottheit übernahm K. Galling mit Vorbehalt die von M. Avi-Yonah vorgeschlagene Gleichung: Zeus Hëliopoleitës = (Zeus-) Karmëlos = Hadad 97 ; relativierte sie aber durch seinen Hinweis auf die politische Geschichte von Akko/Ptolemais. Da sich Akko/Ptolemais spätestens um 260 n.Chr. dem Kult des Zeus Hëliopoleitës zugewandt hatte und der Karmel in dieser Zeit zum Gebiet der Stadt geBd. 16 (Tübingen, 1953), S. 105-125 (S. 119). Vgl. auch O. Eißfeldt, „Der Gott Karmel", S. 19. « „Der Gott Karmel", S. 118. 92 Nach G. F. Hill, Catalogue of the Greek Coins of Phoenicia, Catalogue of the Greek Coins in the British Museum, 26 (London, 1910), Tafel 17,5. 93 Vgl. E. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, 4. Aufl. (Leipzig, 1907), Bd. II, S. 11 Iff. 94 „Der Gott Karmel", S. 120. 95 Nach H. Winnefeld, „Geschichte Baalbeks" (Anm. 76), S. 127; O. Eißfeldt, „Tempel und Kulte syrischer Städte in hellenistisch-römischer Zeit", Der Alte Orient, Bd. 40 (1941), S. 39. 96 „Der Gott Karmel", S. 119. 97 Ihm schloß sich u.a. an H. Gese, „Die Religionen Altsyriens", in: H. Gese/M. Höfner/K. Rudolph, Die Religionen Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer, Die Religionen der Menschheit, Bd. 10, 2 (Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz, 1970), 5. 202 „es scheint sich also um eine hadadähnliche Gottheit gehandelt zu haben . . . " .

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Die Erzählungen

hörte, brauche die Gleichsetzung der beiden Gottheiten nicht durch religiöse Motive, sondern könne durch die politische Zugehörigkeit des Karmel zu Akko/ Ptolemais bestimmt worden sein. „Wenn es richtig ist, daß das politisch der freien Stadt Ptolemais zugehörige Karmelgebiet in einer primär politisch bestimmten Konzeption mit seinem Kult des Gottes Karmel dem Heliopolitanus von Ptolemais unterstellt wurde, dann gab Ptolemais den entscheidenden Ausschlag" 98.

Aus der Gleichsetzung von Hëliopoleitës und Karmëlos ist daher noch nicht auf gleiche Wesenszüge beider Gottheiten zu schließen. Damit ist gegenüber jeglichem Versuch, von (Zeus-)Hëliopoleitës auf (Zeus?-)Karmëlos zu schließen, ein prinzipieller Vorbehalt erhoben". D.h. eine Näherbestimmung für das Wesen des (ZeusP-)Karmelos ist durch seine wahrscheinlich politisch motivierte Gleichsetzung mit Zeus Hëliopoleitës nicht zu gewinnen. Fragt man nun doch nach dem Eigenen dieses Baal Karmel100, so bieten weder die Inschrift des Votivfußes noch die griechisch-römischen Aussagen konkrete Anhaltspunkte. Das Entscheidende muß immer noch die Analogie zu anderen Berggöttern wie Baal Hermon, Baal Libanon, Baal Zaphon u.a. leisten, die aber je für sich ihre Besonderheiten gehabt haben101. Als Berggötter, die diese Numina ursprünglich wohl alle waren, wird man ihnen auch allerlei an meteorologischen Erscheinungen, wie sie sich an und auf Bergen zeigen, zugeordnet haben. Von daher haben Gewittererscheinungen, Blitz und Feuer wohl mindestens Teilbereiche ihrer Funktionen gebildet. Insofern entspricht das, was lKön 18,21ff für Baal voraussetzt, dem, was man von Berggöttern erwarten kann. Die Aussagen von lKön 18,21ff könnten sich allerdings ebensogut auf einen „großen" Wettergott beziehen102, wie denn auch die früheste Erzählungsstufe vom 98 „Der Gott Karmel", S. 121. 9 9 Das gilt sowohl für den Versuch M. Avi-Yonahs als auch für den O. Eißfeldts und jeden anderen in gleicher Weise. 100 Der Name als solcher: *7ÖTD ist immer noch nicht belegt! ιοί Vgl, die spätere Sonderstellung des Baal Hermon als Schwurgottheit (H. Gese, „Die Religionen", S. 2 0 3 ) und des Baal Zaphon als Seefahrergottheit (M. H. Pope, „Baal-Hadad", WdM, S. 2 5 3 - 2 6 4 (S. 257f)). 102 Für die nach K. Gallings Artikel publizierten Arbeiten spielt die Frage, ob der von Elija bekämpfte Gott Milqart, Baal Samern, Baal Karmel oder noch eine andere Größe gewesen ist, eine untergeordnete Rolle; vgl. D. R. Ap-Thomas, „Elija on Mount Carmel", PEQ, 92 ( 1 9 6 0 ) , S. 1 4 6 - 1 5 5 (S. 150); H. H. Rowley, „Elijah on Mount Carmel", Bulletin of the J o h n Rylands Library,

Die Erzählungen von 1. Kön 19

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Karmel als Ort der Handlung offenbar nichts weiß 103 . Da die früheste Erzählung ebenfalls keine Verbindung zur phönikischen Isebel kennt, ist für die Deutung des Baal Karmel von Hinweisen auf tyrische Gottheiten ganz abzusehen. Wenn im Kult des Baal (-Karmel?) Ekstatiker auftraten (lKön 18,29), so ist ähnliches von anderswo bekannt. Für einen Berggott wie z.B. Baal Hermon oder Baal Libanon sind derartige Phänomene aus der klassisch-phönikischen Zeit bislang zwar nicht belegbar, aber von ihren Kulten sind ja überhaupt nur wenige Nachrichten auf uns gekommen. Insoweit wie die Erzählung auch dem Baal zugesteht, im Feuer ein Opfer anzunehmen, könnte sich darin ein Wesenszug des Baal(-Karmel) erhalten haben. Wenn das der Baal nicht vollbringen konnte, ist das nach Auffassung des Erzählers aber nicht darin begründet, daß etwa Baal eine Aufgabe abverlangt wurde, für die er nicht zuständig war, sondern darin, daß (auch) dieser Baal überhaupt zu irgendeiner Handlung völlig unfähig war. Ob der Gott der Gegner Elijas Baal Karmel geheißen hat oder ein anderer Baal gewesen ist — nach Aussage des Erzählers war sein Wesen gemessen an Jahwes Machterweis schlechthin nichtig.

4. Kapitel: Die Erzählungen von lKön 19 lKön 19 ist keine ursprüngliche Erzählungseinheit. Nach dem MT gliedert es sich in drei Abschnitte: V. 1—14, 15—18 und 19—21. Dabei haben die Verse 1—18 Elijas Weg zum Horeb zum Inhalt, wobei sie durch eine Einleitung (V. 1—3a) mit dem in den Kapiteln 17 und 18 Vorangegangenen verbunden werden 1 . Die einleitenden drei Verse gehören nicht zu einer selbständigen Erzählungseinheit, sondern sind eine redaktionelle Überleitung zwischen Kap. 17—18 und 19. Sie setzen aber im Rückblick auf die angesprochenen Ereignisse noch neue Akzente: die Propheten, die durch Elija umgebracht wurden, heißen hier nur Propheten 2 , nicht — wie zu erwarten — Baalspropheten. Ihre Ermordung soll Manchester, 43 ( 1 9 6 0 - 1 9 6 1 ) , S. 1 9 0 - 2 1 9 ; N. J . Tromp, „Water and Fire on Mount Carmel", Biblica, 5 6 ( 1 9 7 5 ) , S. 4 8 0 - 5 0 2 . ιοί Siehe oben S. 73. 1 Vgl. die Verweise, die O. H. Steck, Uberlieferung, S. 2 0 f f , zusammengestellt hat. J e t z t auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 6 5 f f . 2 Eine spätere Interpretation (oder nur ein Schreibfehler?) läßt durch Elija alle

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Die Erzählungen

mittels eines Schwertes geschehen sein (31Π3). Die Darstellung in Kap. 18 ließ zwar keinen Zweifel daran, daß die Ermordung der Baalspropheten als blutiges Schauspiel vorgestellt werden soll, dennoch war von einer Abschlachtung der Propheten durchs Schwert nicht die Rede. Eine Abschlachtung von Baalspropheten mittels eines Schwertes erscheint in anderem Zusammenhang bei der Ermordung der Baalspriester und -Verehrer durch Jehu: 2Kön 10,25 (31Π 'S®?). So wird hier ein Zusammenhang zwischen Elija und Jehu angedeutet 3 . Stilistisch sind die Verse der Uberleitung von eigenwilliger Diktion, besonders LXX V. 2 4 . Ihre Ausdrucksweise erlaubt es jedoch nicht, die Uberleitung dem deuteronomistischen Stil zuzuweisen 5 . Anklänge an Vorstellungen, wie sie später im dtn. Geschichtswerk ausgebildet wurden, liegen aber vor: (V. 1) I n n D'iraiil (*7D) rix 6 . O. H. Steck rechnet Vers 1 - 3 einem „redaktionellen, erst nach dem Sammler das Wort nehmenden Erzähler" 7 zu. Dabei muß offenbleibenl wieweit ein solcher „redaktioneller Erzähler" auch anderswo innerhalb der beiden Königsbücher nachzuweisen wäre, und wie sein Verhältnis zu dem/n „Deuteronomisten" zu denken ist. Historische Kenntnisse, die nicht auch aus lKön 17,18 und 21 gezogen werden können, lassen sich aus lKön 19,1—3 nicht gewinnen. Sieht man v o n d e m überleitenden Charakter der V. 1—3a ab, so ergibt sich aus V. 4 als Motiv für Elijas Weg in die Wüste seine Lebensüberdrüssigkeit. Er geht in die Wüste, u m dort zu sterben, unter Hinweis darauf, daß er nicht besser sei als „seine Väter". A u f wunderbare Weise findet sich j e d o c h an seinem Wüstenort Nahrung und er erhält d e n Befehl, davon zu essen. Damit ist eigentlich der Kreis geschlossen: Elija war lebensmüde und w i c h aus der menschlichen Gemeinschaft, aber G o t t ließ seinen Propheten nicht u m k o m m e n (V. 3b, 4—6a).

(*73) (Baals-)Propheten am Karmel ermordet worden sein. Diese Anschauung geht weit über den Horizont von Kap. 18 hinaus, der nur von den Propheten sprach, die „von Isebels Tisch" aßen (V. 19). Andere Baalspropheten hat es nach dem Interpolator des *7D nicht gegeben. 3 Vgl. 19,15ff! * O. Eißfeldt, „Bist du Elia, so bin ich Isebel (lKön XIX, 2)" (Festschrift W. Baumgartner) Hebräische Wortforschung, Vetus Testamentum Supplement, Bd. XVI (Leiden, 1967), S. 6 5 - 7 0 . s Vgl. J . Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 56. 6 Dem Topos der Tötung der Propheten (tTNOin ΠΚ 1ΠΠ) ist Ο. H. Steck nachgegangen: Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten, WMANT, Bd. 23 (Neukirchen, 1967), allerdings ohne auf diese Stelle zu verweisen. 7 Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 21.

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Die Fortsetzung geht in andere Richtung. Elija schläft wieder ein, wird ein zweites Mal, diesmal von einem Engel Gottes (mfr "[xVn)8 geweckt und bekommt den ausdrücklichen Hinweis auf den weiten noch bevorstehenden Weg als Mahnung, nochmals zu essen. Nun erst bricht er auf und marschiert in 40 Tages- und Nachtmärschen zum Horeb. In den Versen 3b—8 sind somit zwei Motive miteinander verwoben 9 . Einerseits flieht Elija aus der menschlichen Gemeinschaft (V. 3b) und dem verzweifelten Propheten wird unter einem Wüstenstrauch eine wunderbare Speisung zuteil (V. 4—6a). Andrerseits deutet die Aufforderung des Engels und der Hinweis auf den langen Weg an, daß Elija diesen Weg zum Horeb nicht von sich aus unternommen hat (V. 7). Das Wesentliche der ersten Szene ist die wunderbare Speisung, das der zweiten die Aufforderung, zum Horeb zu gehen. Die erste Szene ist daher inhaltlich als „wunderbare Speisung des Propheten", die zweite als „Beauftragung des Propheten" anzusprechen 10 . Eine wunderbare Speisung begegnete als Erzählstück schon Kap. 17,2—6. So wie dort die Szene märchenhaft ausgemalt ist, so ist hier die Speisung außergewöhnlich und wunderbar. So wie 17,2—6 wohl eine selbständige Einheit gewesen ist, so ist 19,3b, 4—6a ein Einzelstück. Beide Stücke sind aber wohl nie ohne die Gestalt des Propheten Elija überliefert worden. Sie sind eine poetische Ausgestaltung der Gewißheit, daß Jahwe einen Propheten und Diener — so wie Elija damals — auch in Zeiten äußerster Not am Leben erhält. Für die Erzählung von Elijas Wanderung zum Horeb ist die Speisungsszene nicht erforderlich. Der Vergleich zwischen der langen Einleitung 3b, 4—6a (6b—8) und der Beschreibung der Theophanie auf dem Horeb zeigt, daß beide Stücke inhaltlich inkongruent sind. „Nach V. 4b, 5—6 bittet Elia Gott sein Leben zu nehmen, weil sein Wirken gescheitert ist, nach der Horebszene aber beklagt er sich bei Gott, daß Israel ihm nach dem Leben steht" 1 1 . Vielleicht ist die Textform der LXX (Luc), in der V. 6b—8a fehlt, ein Hinweis darauf, daß die Uberlieferung hier erst spät hinzugewachsen ist. Ihre Textform

8 Vgl. LXX, anders MT. 9 Vgl. Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 24f. Anders G. Fohrer, Elia*, S. 38f. K> Anders Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 24f. Vgl. jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 140—145. » Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 25.

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bietet nicht die Doppelung der Speisung, nicht die Inkongruenz des MT zwischen einem ^K 1 ?» 12 V. 5 und einem ΓΝΓΓ ^K1?» V. 7 und nicht die fast wörtliche Wiederholung des V. 5 in V. 7a(3ba. Noch unvermittelter als MT treffen Speisungsszenen und Horebszene aufeinander.

Die literarische Gestaltung der Stärkungsszene Elijas in der Wüste trägt ähnlich wie lKön 17,2ff wunderhaften Charakter. Doch bietet sie zwei Angaben, die aufschlußreich sind für das Elija-Bild, das der Erzähler hatte. Zum einen: Elija geht nach Beerscheba, „das zu Juda gehört" ( m i r r 1 ? IB?«) 13 . Zum anderen: Elija geht in Begleitung eines "IS71. Der ausdrückliche Zusatz zum Ortsnamen Beerscheba macht deutlich, daß Elijas Handlungsraum nicht auf den Staat (Nord-) Israel begrenzt gesehen wurde. Ähnlich wie lKön 17,2ff und lKön 17,8ff 1 4 sieht auch der Erzähler der hiesigen Episode Elijas Wirksamkeit über den nördlichen Teilstaat hinausgehend. Diese mehrfache Überlieferung einer Wirksamkeit Elijas außerhalb des Nordstaates dürfte wohl auch in tatsächlichen Auftritten des Propheten außerhalb Israels ihren historischen Ausgangspunkt genommen haben. Wenn Elija in dieser Erzählung wieder in Begleitung eines Na'ar ( Ι ϊ ί ) geschildert wird, so stellt sich das neben lKön 18,4Iff. Auch dort war die Tätigkeit Elijas offenbar nicht anders vorstellbar als in Begleitung eines Na'ar. Die häufige Erwähnung eines solchen Na'ar als Begleitperson Elischas 15 bietet so im äußeren Erscheinungsbild für beide Propheten eine gewisse Gleichartigkeit. Ob man einen *1S?] aber auch für Elija historisch als Begleitperson anzunehmen hat, oder ob solche Schilderung erst die Reprojizierung eines späteren Erzählers ist, dürfte sich heute kaum noch entscheiden lassen.

Durch den Wortlaut von V. (6b—8a) 8b—9 wird zwischen der Speisung Elijas in der Wüste und seinem Aufenthalt am Horeb eine Verbindung geschaffen. Zur literarischen Verknüpfung der beiden Einzelüberlieferungen gehört auch die Angabe über die Dauer des Weges: 40 Tage und Nächte. Auch wenn der Schreiber damit eine Andeutung an eine mehrwöchige Wallfahrt zum Horeb eingeschlossen haben könnte 1 6 , so ist die Zahl 40 eher als Anspielung auf den 4013 Anders LXX. Etwas anders LXX z.St. ι« Siehe oben S. 55f. ls Auch Abraham wird Gen 22 in Begleitung zweier Π "HS? 3 geschildert, obwohl sie für die Erzählung ohne Funktion bleiben. War das Auftreten einer gewichtigen Person in Israel nicht anders vorstellbar als in solcher Begleitung? 16 M. Noth, „Der Wallfahrtsweg zum Sinai (Num 33)", PJB, 36 (1940), S. 5 - 2 8 = M. Noth, Aufsätze, Bd. I, S. 5 5 - 7 4 .

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jährigen Aufenthalt des Volkes Israel in der Wüste (Num 14,32f) und der 40 Tage dauernden Erscheinung Gottes gegenüber Mose (Ex 24,18ff) zu sehen, denn als genaue Zeitangabe über die Dauer von Elijas Weg17. 40 bleibt bis in neutestamentliche Zeit hinein eine bedeutungsvolle Zahl (vgl. Mt 4,2 parr; Apg 1,3; 7,23,30,36). Nach der Ankunft Elijas in der (Artikel!) Höhle ( m s » ) des Horeb wird ihm ein Gotteswort eröffnet (V. 9b): „Und es geschah das Wort Jahwes zu ihm". Dies so gewichtig angekündigte Gotteswort 18 lautet dann: „Was willst du hier, Elija!" Es folgt die Klage Elijas und die Ankündigung einer Theophanie. Nun ist die Doppelheit der Aussagen in V. 9b—llaa und V. 13b—14 seit langem angefochten 19. Streicht man V. 9b—llaa 2 0 , dann folgt auf die Ankündigung des Gotteswortes nicht das Wort selbst, sondern ein Bericht über eine Gotteserscheinung (V. 1 lb) (1257 m n 1 m m ) . An dieser Stelle läge dann ein starker stilistischer Bruch vor. Ο. H. Steck 2 1 hat unter Streichung von V. 9 b - 1 0 , l l a a die Worte Τ Π 0 » XX von V. 11 aß mit V. 9 a verbunden. Aber auch dann sind die folgenden Worte — im Vergleich zu Gen 15,4 — nicht gewichtig genug, durch eine Einführung wie V. 9b V*?N Π1ΓΡ "137 ΓΠΠΊ eingeleitet zu werden. Man erwartet, daß eine Gotteserscheinung angekündigt wird und nach ihrer Ankündigung ihr Ablauf geschildert wird 22 . E. Würthwein hat die Theophanie V. 11—14 als nicht zum ursprünglichen Text gehörig ausgeklammert 23 . Gegen seine Lösung spricht das schon angeführte 17 Das Urteil über die Historizität der Wegstrecke hängt mit ab von der vorgestellten Lage des Horeb. Ältere Kommentare (vgl. O. Thenius, Könige 2 , S. 232), die den Horeb mit dem Sinai auf der Sinaihalbinsel gleichsetzten, versuchten sich in Berechnungen der Distanz von Beerscheba dorthin. 18 Auf die ungewöhnliche Einleitung des Gotteswortes hat besonders Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 21 A 7, hingewiesen. Eine gleiche Einleitung findet sich nur noch Gen 15,4. 19 Vgl. J . Wellhausen, Composition, S. 280 A 1. 20 So J . Wellhausen, Composition, S. 280 A 1, mit vielen Nachfolgern, zuletzt R. Smend, „Das Wort Jahwes", S. 526. Anders noch wieder K. Seybold, „Elia am Gottesberg", Evangelische Theologie, 33 (1973), S. 3 - 1 7 (S. 6f). Vgl. jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 73ff. 21 Überlieferung, S. 22. 22 Vgl. O. Thenius, Könige 2 , S. 233: „Aber welche sonderbare, sonst nirgends vorkommende Erscheinung, daß gerade die Hauptsache nur angekündigt sein und das Eintreten derselben hinzugedacht werden soll". 23 E. Würthwein, „Elijah at Horeb: Reflections on I Kings 19: 9 - 1 8 " (Festschrift G. H. Davies) Proclamation and Presence (Richmond/Virg., 1970), S. 152-166 (S. 159).

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Argument, daß auf das so gewichtig eingeführte Gotteswort dann nur die Frage folgt „Was willst du hier Elija" (V. 9b). Auch wird dann von J a h w e auf die Klage Elijas (V. 10) überhaupt nicht eingegangen u n d Elija mit drei Aufträgen betraut, die zu seinen Klageaussagen keinen Bezug haben. Der wichtigste Einwand gegen die Lösung E. Würthweins ist aber, daß sie keinen zureichenden Grund für die Interpolation einer Theophanie für Elija — in dieser Form! — zu geben vermag 2 4 .

Die Lösung kann nur in einer Richtung gesucht werden, die erklären vermag, warum nach dem jetzigen Wortlaut des MT keine Theophanie vor Elija stattfindet. Elija ist nicht, auch nicht als Zuschauer, an der Theophanie beteiligt. Erst nach der Theophanie V. IIb—12 führt er die Aufforderung aus, herauszutreten (V. 13). Das kann die eigentliche Meinung des Textes kaum gewesen sein. Man berichtet nicht von einer Theophanie 25 , die Elija nicht erlebt hat. Der MT bietet eine gewichtige Einleitung zu einem Gotteswort (V. 9b) ΠΙΠΙ v V k ΠΙΓΡ *13*T aber nicht dessen Ausführung; einen Bericht über eine Theophanie, ohne einen menschlichen Teilnehmer daran (V. I I a und 13). Der Text der LXX bietet in V. 9af die Ankündigung eines Gotteswortes (VVX Π1ΓΠ " i m n a m * ) , eine breite Ausmalung des in Z u k u n f t 2 6 geschehenden Gotteswortes (ΠΊΓΡ "ΠΤ) 2 7 , eine Reaktion Elijas auf das Angekündigte (V. 13), keinen Bericht über die Ausführung der Ankündigung, eine Anrede an Elija (V. 13b) und eine Klage Elijas gegenüber dem Anredenden (V. 14). Auch in ihrer Version ist Elija nicht Teilnehmer einer Theophanie, denn der Bericht über ihre Ausführung fehlt 2 8 .

In den Textformen des MT und der LXX hat sich die Tendenz durchgesetzt, Gottes Erscheinung vor Elija, deren Schilderung die Absicht des ursprünglichen Textes gewesen sein muß, zu unterdrükken. Die Vorstellung, daß kein Mensch Gottes Erscheinung ertragen

24

K. Seybold, „Elia am Gottesberg", S. 6f. Vgl. jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 75f. 25 Zum Inhaltlichen vgl. J . Jeremias, Theophanie; Die Geschichte einer alttestamendichen Gattung, WMANT, Bd. 10 (Neukirchen, 1965), S. 112ff und J . J . Stamm, „Elia am Horeb" (Festschrift Th. Chr. Vriezen) Studia Biblica et Semitica . . . (Wageningen, 1966), S. 327—334. — Gegen die traditionelle Deutung von inpT HÖÖT wendet sich J . Lust, , A Gentle Breeze or a Roaring Thunderous Sound?" VT, 25 (1975), S. 1 1 0 - 1 1 5 . Die Belege - besonders in der Qumranliteratur — bedürfen neuerer Prüfung. 26

Vgl. LXX: παρβλβύσξται.

27

Vgl. den Zusatz: αύρων.

28

Selbst ein Satz wie * p T T ! fehlt.

Die Erzählung v o n 1. K ö n 19

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kann, wird im Text selbst schon angedeutet: V. 13 m*TK3 VJB Β 1 ? , Ί. Man kann die Textformen des MT und der LXX, die die Gotteserscheinung vor Elija nicht explizit aussagen, in diesem Sinn als Ausführung einer im ursprünglichen Text angelegten Meinung verstehen. Dies hat einerseits dazu geführt, daß der MT Elijas Teilnahme an der Offenbarung dadurch verdunkelt, daß er ihn erst nach dem Offenbarungsbericht (V. IIb—12) in Aktion treten läßt; andrerseits dazu, daß die LXX die angekündigte Theophanie als zukünftig breit ausmalt, einen Bericht über die geschehene Theophanie aber ebenfalls nicht bietet. Eine weitere Frage ist, ob Elijas Klage Antwort auf die Theophanie oder die Theophanie Antwort auf die Klage sein soll. Der jetzige Wortlaut des MT, läßt die Theophanie einerseits Antwort auf Elijas Klage sein (V. I I b ) , andrerseits Elijas Klage Antwort auf die Theophanie (V. 14). Für diese Frage ist der Aufbau der Bitt- und Klagelieder 29 vielleicht ein Lösungshinweis. In ihnen wird Gott immer wieder zum Einschreiten aufgefordert. Sein Eingreifen und seine Erscheinung sind Antwort auf die Klage. Von dieser Vorstellung aus wäre die Interpolation von 9b—10, 1 l a d 3 0 erklärbar. Die Gotteserscheinung vor Elija (V. l l a f f ) wurde durch V. 9 b — l l a a als Antwort auf Elijas Klage angesehen. Früher als die Interpolation von V. 9b— 10, l l a a wäre demnach die Schilderung, in der Elijas Klage die Antwort auf Jahwes Theophanie gewesen ist. Der Wortlaut der Klage Elijas (V. 1 4 = V. 10) ist eine schwerfällige Ό - S a t z k o n struktion 3 1 . Sie n i m m t sachlich Bezug auf Kap. 18: vgl. ΊΠΠ "ρΓΙΠ3ΐ0 ΠΚ mit 1 8 , 3 0 und Ή 3 1 ? "ΊΚ 1ΠΊΜ mit 1 8 , 2 2 3 2 und setzt es voraus. Die Ausdrucksweise 3 1 Π 3 ΊΠΠ - ρ Ν Ό Ι ΠΧ1 zeigt sich — besonders im Zusammenhang mit » Dazu H. Gunkel/J. Beglich, Einleitung in die Psalmen (Göttingen, 1 9 3 3 ) , S. 1 3 6 f f ; H.-J. Krauss, Psalmen I, II, Biblischer H a n d k o m m e n t a r Altes Testam e n t , Bd. X V , 5. Aufl. (Neukirchen, 1 9 7 8 ) , S. 4 9 f f ; C. Westermann, „Struktur und Geschichte der Klage im Alten Testament", ZAW, 6 6 ( 1 9 5 4 ) , S. 4 4 8 0 = C. Westermann, Forschung am Alten Testament, Theologische Bücherei, Bd. 2 4 (München, 1 9 6 4 ) , S. 2 6 6 - 3 0 5 . So jetzt auch G. Hentschel, Die Elijaerzählungen, S. 1 0 I f f , der allerdings unter Einschluß v o n V . 3aß—9a eine .Gattung' „prophetische Klageerzählung" postuliert. 30 Diese Abgrenzung nach Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 2 2 und R . Smend, „Das Wort Jahwes", S. 5 2 6 . Auch V. 9a trennt jetzt ab G. Hentschel, Die Elijaerzählungen, S. 77. Vgl. Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 1 2 0 A 3. 32 Vgl. Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 2 2 f .

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Die Erzählungen

19,1 — als festgeprägter Topos. Er ist in besonderer Weise im dtn. Geschichtswerk zu Hause 33 . Die schwerfällige Satzkonstruktion und die Wiederaufnahme des Inhalts von V. 1 machen es wahrscheinlich34, daß die Begründung nach TINJj? NJj? erst später formuliert und mit der Ausdrucks- und Denkweise des/r „Deuteronomisten" zusammen zu sehen ist 3S .

Nach V. 14 ist im MT ein Einschnitt (Sethuma). Nach der Theophanie setzt mit den Salbungsaufträgen an Elija ein Neues ein. Die Frage ist, ob literarisch die Theophanie (V. 9a, llaa—14a) mit V. 15—18 zusammengehört 36 . Stilistisch ist der Wechsel von einer „Stimme" (*?1p), die im Theophaniebericht mit Elija sprach (V. 13) 3 7 zur Jahwerede .(Π1ΓΡ TÔS'I) zu konstatieren (V. 15) 38 . Die Salbungsaufträge für die drei Personen in V. 15—16 werden in parallelen Wendungen aufgegeben, wie auch die Unmöglichkeit der Rettung vor diesen drei Personen in gleichem Wortlaut angedroht wird. V. 18 ist in der Redeweise vom „Restlassen" ( , /ΓΠΧ©Π) 39 mit dem Sprachgebrauch des „Deuteronomisten" gleich40.

Noch G. von Rad hatte V. 18 für den Schlüssel der ganzen Geschichte lKön 19 gehalten 41 . Nun ist Kap. 19 in sich nicht einheitlich: V. 1—3(a) sind Uberleitung, V. 3b—6a(—8?) sind eine eigene Szene mit einem Speisungswunder. V. 15—18 nehmen keinen Punkt aus der Theophanieschilderung auf. Hingegen ist die Aufforderung an Elija, auf seinen Weg zurückzukehren ("pTT1? 3W "fV) WiederaufVgl. Ο. H. Steck, Israel und das gewaltsame Geschick, passim. In Uberlieferung, S. 101 A 1 lehnt Ο. H. Steck für lKön 19,10//14 jedoch ein Verständnis von . . . m n nx als deuteronomistischem Topos ab, ohne dafür Gründe anzugeben. 3 4 Eine metrische Struktur des Wortes sucht R. M. Frank, „A Note on 3 Kings 19,10,14", CBQ, 25 (1963), S. 4 1 0 - 4 1 4 , zu rekonstruieren. Dabei werden "pnnatö Γι Ν bis a í n a als Glosse ausgeklammert. Für das Verbleibende kann die Anzahl der Silbenhebungen nicht definitiv angegeben werden! 3 5 Vgl. G. Fohrer, Elia 2 , S. 39 : „Bemerkenswert ist, daß die beklagten Vergehen rein kultischer Art sind". Weitere Differenzen zum Vorausgegangenen weist O. H. Steck, Uberlieferung, S. 24, auf. 36 So noch wieder J . J . Stamm, „Elia", S. 329, 333f und A. Jepsen, „Elia", S. 296 A 7. 37 Vgl. auch V. 12 Tipi HÖBT Vip. 3 8 Vgl. dazu besonders R. Smend, „Das Wort Jahwes" S. 526. 39 Vgl. MT//LXX. to Zu -Piwn vgl. Dtn 3,3; 28,55; lKön 15,29; 16,11; 22,47; 2Kön 3,25; 7,13; 13,7; 17,18; 19,30; 21,14; 24,14; 25,11,12,22 und M. Weinfeld, Deuteronomy and the Deuteronomic School (Oxford, 1972), Appendix s.v. « Theologie, Bd. II, S. 30f. 33

Die Erzählungen von 1. Kön 19

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nähme der überleitenden Verse l - 3 ( a ) . Die Unmöglichkeit einer Rettung vor dem Schwert der drei Personen Hasael, Jehu und Elischa ist Anknüpfung an (V. 14c) 42 , an die Rede von der Ermordung der (Jahwe-) Propheten durchs Schwert. Der Rest der sieben Tausend, der in Israel verbleiben soll, ist in Parallele zu Elija zu sehen, der allein übriggeblieben ist (V. 14b: Ή31? "irrito . . . ut») 4 3 . Sprachlich besteht dazu zwischen der Theophanie und den Salbungsaufträgen der Stilwechsel von Vip zur Jahwerede. Nur in diesem späten, reflektierenden Text wird Elischas Heimatort angegeben: Abel-Mehola 44 . Es ist nicht zu sehen, daß diese Angabe auf einer apologetischen oder polemischen Absicht beruht. Man wird sie daher für historisch halten dürfen 4 5 . Da zwar in lKön 19,15f für Elija ein Auftrag vorliegt, Elischa zu salben, das lKön 19,19ff Berichtete aber nicht die Ausführung dieses Auftrages ist, kann Abel-Mehola nicht für einen Handlungsort Elijas gehalten werden.

Ein inhaltlicher Zusammenhang der V. 15—18 zur vorangegangenen Speisungs- und Theophanieszene ergibt sich somit nur zu solchen Passagen, die nicht zu den ursprünglichen Einheiten Speisungsszene und Theophanieschilderung gehören46. Somit sind Theophanie und Salbungsaufträge als einzelne Überlieferungseinheiten zu behandeln47. Die Zuordnung der Erzählung über die Erscheinung auf dem Horeb zu einer bestimmten literarischen „Gattung" ist schwierig. Die Elemente, die O. H. Steck für die Schilderung aus dem Rechtswesen beigebracht hat 4 8 , reichen nicht zu, die ganze Schilderung in diesem Bereich anzusiedeln. Denn das Entscheidende für das Rechtsverfahren, das Urteil, fehlt 4 9 . K. Seybold sieht „als Leitidee und Gestaltungsprinzip dieses Textes die Audienzvorstellung" s0 . Aus den von ihm beigebrachten Stellen (2Sam 14,5ff; lKön 1,1 lf) wird das deutlich, daß auf das Anliegen dessen, der um Audienz nachge« Zu V. 14bc siehe oben S. 107. « O. H. Steck, Überlieferung, S. 23 A 1. 44 Zur Lokalisation vgl. H. J . Zobel, „Abel-Mehola", ZDPV, 82 (1966), S. 8 3 108. « Vgl. H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 188. 46

Vgl. J . Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 53. Vgl. jetzt zu V. 1 5 - 1 8 ausführlicher G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 5 6 - 6 0 , 9 9 - 1 0 4 , 140-145. 47 Das spricht gegen die Deutung der Theophanieschilderung durch J . J . Stamm, „Elia", S. 333f. 48 Überlieferung, S. 120 A 3. 4 « Vgl. K. Seybold, „Elia", S. 8. s0 „Elia", S. 8.

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Die Erzählungen

sucht hat, auch tatsächlich eingegangen wird. Das ist jedoch im hiesigen Zusammenhang nicht der Fall. Wenn dazu die Klage Elijas ursprünglich als Antwort auf die Theophanie gemeint war 51 , so ist mit der Audienzvorstellung nicht viel weiter zu kommen.

Von sich aus sagt der Text (V. 9), daß es sich im Folgenden um ein nächtliches Gotteswort an Elija handelt. Man ist von hier aus berechtigt, die Darstellung als Visions- oder Auditionsschilderung zu deuten 52 . So rückt auch K. Seybold den Bericht wieder in die Nähe der prophetischen Visions- und Auditionserlebnisse, im besonderen zur Berufungsvision Jesajas 53 . Ein grundsätzlicher Unterschied zu den Berufungsvisionen der späteren Propheten besteht aber darin, daß Elija die Theophanie nicht eigentlich erlebt. So ist der geistige Hintergrund des Textes die Erkenntnis, daß kein Mensch Jahwes Offenbarung lebend ertragen kann. In dieser Weise bieten die inhaltlichen Aussagen der Theophanie-Schilderung mehr Hinweise auf die Anschauung des Erzählers als auf den historischen Elija. Die Anknüpfung der Salbungsaufträge an die Theophanie will neben der rückblickenden Bestätigung Elijas eine Kontinuität seines Wirkens in Hasael, Jehu und Elischa gewahrt sehen. Auch hierin liegt die Anschauung einer späteren Zeit vor, denn schon die frühe Erzählung 2Kön 9 weiß nichts von einer Salbung oder Beauftragung Jehus durch Elija und drückt die Vollmacht, die Jehu bekommen haben soll, immer noch indirekt genug durch einen Prophetenboten aus. Die Erzählung 2Kön 8,7ff weiß nichts von einem Auftrag Elijas an Hasael und lKön 19,19ff ist nicht Elischas Salbung, die lKön 19,15f Elija aufgetragen war.

Daß mit 19,19—21 ein neuer Abschnitt einsetzt, der literarisch und inhaltlich nicht zum Vorangegangenen gehört, ist weitgehend anerkannt 54 . Die Andeutung des MT, der V. 1—18 und V. 19f durch eine Pethucha voneinander trennt, kann als Hinweis darauf gesehen werden, daß die Andersartigkeit der beiden Teile noch lange empfunden wurde. 51

Siehe oben S. 107f. So schon J . Wellhausen, Composition, S. 280 A 1. 53 „Elia", S. 8. 54 Vgl. schon O. Thenius, Könige 2 , S. 227; J . Wellhausen, Die Composition, S. 279f; Α. Alt, „Die literarische Herkunft von I Reg 19,19-21", ZAW, 32 (1912), S. 123-125. - Anders: C. A. Carlson, „Élie à l'Horeb", VT, 19 (1969), S. 4 1 6 439 (S. 428ff) und G. Fohrer, Elia 2 , S. 68f. Zur Auffassung von G. Fohrer, Elia 2 , S. 68f, vgl. H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 75ff. Jetzt auch G. Hentschel, Die Elija-erzählungen, S. 53—56. 52

Die Erzählung von 1. Kön 21

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Die Ausführung der Salbung Hasaels und Jehus durch Elija sollte mindestens angedeutet werden, bevor die Berufung 55 — nicht die beauftrage Salbung — berichtet wird (V. 19ff). Weiter stimmt nicht zu V. 19,15ff die andere Lokalität von V. 19ff. Dazu ist plötzlich das Volk (Π37Π) am Schauplatz des Geschehens, während sich die „Theophanie" in der Einsamkeit zwischen Elija und Jahwe vollzog.

V. 19—21 gehört zu den Elischa-Erzählungen. Nur aus kompositionellen Gründen sind sie in den Zusammenhang des MT gestellt worden 56 . Die Kontinuität zwischen Elija und Elischa, die mit dieser Berufungserzählung ausgesagt wird, hat ihre Parallele in 2Kön 2,Iff. Ob sich zwischen beiden Gestalten: Elija und Elischa historisch aber wirklich eine Kontinuität nachweisen ließe und welcher Art sie gewesen wäre 57 , müßte ein Vergleich der Elischa- mit den Elija-Traditionen herausstellen. Bei aller Verschiedenheit der literarischen Überlieferungen über Elija und Elischa und trotz der großen Unterschiede, die sich aus diesen Überlieferungen ergeben, bleibt doch bemerkenswert, daß die Tradition so nachdrücklich von der gegenseitigen Kenntnis beider Propheten und einer Kontinuität ihres Wirkens zu berichten weiß.

5. Kapitel: Die Erzählung von lKön 21 1 Die Schwierigkeiten, das Werden von lKön 21 zu verstehen, beginnen mit der Reihenfolge der Kapitel 20 und 21 in MT und LXX. 55

O. Eißfeldt, „Das erste Buch der Könige", S. 534. Vgl. J . Schüpphaus, Richter- und Prophetengeschichten, S. 5 7. 57 Für die Wunder, die Elija gewirkt hat, finden sich bekanntlich in den Elischatraditionen Parallelen. Das ist erst einmal jedoch nur eine literarische Gleichförmigkeit, die nicht mit einer historischen identisch ist. Gegen eine historische Kontinuität explizit H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 189 und auch R. Smend, „Der biblische und der historische Elia", in: Congress Volume Edinburgh 1974, Supplement to VT, 28 (Leiden, 1975), S. 1 6 7 - 1 8 4 (S. 182). - Nach Abschuß des MS erschien E. von Nordheim, „Ein Prophet kündigt sein Amt auf (Elia am Horeb)", Biblica, 59 (1978), S. 153—173. Sein überaus konservatives Textverständnis und sein Verständnis des Prophetenamíeí ζ.Zt. des Elija ist nicht überzeugend. 1 Nach Abschluß des vorliegenden Manuskripts erschienen zur Sache: G. Hentschel, Die Elija-erzählungen; Zum Verhältnis von historischem Geschehen und 56

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Die Erzählungen

Nach der L X X folgt Kap. 21 auf 19, so daß die sprachlich und inhaltlich ähnlichen Kapitel 20 (MT) und 22 nebeneinander stehen. Für diesen Sachverhalt bietet sich als mögliche Erklärung an: Erstens: Die Reihenfolge des MT ist ursprünglich und die L X X (bzw. deren Vorlage) hat die Kapitel aus inhaltlichen Gründen umgestellt 2 . Zweitens die gegenteilige Ansicht: Die Reihenfolge der L X X (bzw. deren Vorlage) ist ursprünglich und die Kapitel sind im MT (bzw. seiner Vorform) umgestellt 3 . U.E. hat die Reihenfolge der L X X die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Denn in ihr fehlt V. 21,1a (MT). Der Vers hätte auch in der L X X ebenso wie im MT zur Verknüpfung dienen können. Die Textform des MT ist an dieser Stelle nicht ursprünglich. — In V. 5 M T / L X X spricht Isebel ihren Mann auf seine Π"10 ΠΠ an. Davon war im vorangegangenen MT noch nicht die Rede: MT V. 4a η » ΐ 1 "10 ΊΓΓ3 3ΚΠΝ In der (rekonstruierbaren Vorlage der) L X X (B, Luc; Lat.) lautet V. 4 aber: ΠΊΟ 3ΝΠΝ Π11 ΤΙΓΪΙ. Das ist genau die sachliche Voraussetzung zu V. 5! Der Ausdruck des MT (V. 4a) p|5?T1 1 0 tritt auch in l K ö n 20,43 auf und hat nur hier seinen richtigen Kontext.

Die Übernahme des Ausdrucks 10 in den MT aus l K ö n 20 (MT) setzt daher schon die Umordnung der Kapitel voraus, während die L X X von l K ö n 20 (MT) noch unbeeinflußt ist. Damit ist auch ihre Abfolge der Kapitel als ursprünglich erwiesen. Gleichzeitig ergibt sich damit, daß die literarisch und inhaltlich zusammengehörigen Kapitel 20 (MT) und 22 in einem früheren Stadium der Überlieferung nebeneinander gestanden haben und zu einem noch früheren Zeitpunkt gemeinsam in das Königsbuch eingepaßt worden sind 4 . Abgesehen von den V. 1 und 4, in denen die Überlieferung der L X X deutlich den Vorzug vor dem MT verdient, sind im Kapitel viele

geschichtlicher Erfahrung, Erfurter Theologische Studien, Bd. 33, Leipzig 1977, hier besonders S. 1 4 - 4 3 , 1 0 7 - 1 1 2 , 1 4 8 - 1 5 6 , E. Würthwein, „Naboth-Novelle und Elia-Wort", ZThK, 75 (1978), S. 3 7 5 - 3 9 7 und die umfassende Studie von R. Bohlen, Der Fall Nabot, Formen, Hintergrund und Werdegang einer alttestamentlichen Erzählung ( l K ö n 21), Trierer Theologische Studien, Bd. 35, Trier, 1978. Eine Diskussion kann hier leider nicht mehr stattfinden. 2 J . Wellhausen, Composition, S. 281 u.a. 3 Vgl. schon O. Thenius, Könige 2 , S. XXVIII; I. Benzinger, Die Bücher der Könige, S. 114 u.a. 4 Zu den Einzelüberlieferungen dieser beiden Erzählungen, ihren Parallelen in 2Kön 3,4ff und 6,24ff vgl. H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 41ff, 5 I f f und zu ihrer Einführung ins Königsbuch ebenda, S. 13 3 ff.

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Varianten feststellbars. An vielen Stellen, wo der MT mehr Wörter als die LXX bietet, sind diese als Glossen, als Dittographie oder durch aberratio in den Text geraten; vgl. V. l,8,19ba,29ba. Schwieriger zu beurteilen sind die Verse, in denen die LXX einen zusätzlichen Wortlaut bietet: V. 16: „und es geschah, als Ahab hörte, daß Nabot, der Jesreeliter, tot war, da zerriß er seine Kleider und gürtete sich mit einem Sack. Und es geschah danach . . . " 6 und V. 27 „und wegen des Wortes, als Ahab sich vor Jahwe gedemütigt hatte, da ging er 7 weinend einher und zerriß sein Gewand und legte sich einen Sack auf seinen Leib und fastete. Und er gürtete sich mit einem Sack an dem Tag, an dem .. , 8 Nabot, den Jesreeliter (und seinen Sohn) 9 erschlagen hatte. Und er ging einher"10. Dabei sind die Worte, die die LXX V. 16 bietet, wohl von denen in V. 27 abhängig 11 . Eine Ursprünglichkeit kann ihnen daher in V. 16 nicht zuerkannt werden 1 2 . Der Text der LXX zu V. 27 hat sehr wahrscheinlich eine hebräische Vorlage gehabt. Er gehört literarisch aber zum Kontext der Verse 17—29, die — in sich nicht einheitlichen — erst allmählich zur heutigen Form gelangt sind 13 .

Zu beachten ist, wo innerhalb des Kapitels die Zusätze stehen. Einmal in V. 16, wobei nach V. 16 im MT durch eine Sethuma ein Abschnitt angedeutet wird und einmal statt V. 27, der im MT durch eine Sethuma vom Vorangegangenen und Folgenden getrennt wird. Mit anderen Worten: an den Stellen der Erzählung, die noch durch die jetzige Textaufteilung des MT als Sinnabschnitte kenntlich sind, wurden interpretatorische Zusätze gemacht. Das bedeutet, daß V. 5

Vgl. die Kömmentare und G. Fohrer, Elia 2 , S. 24ff Anmerkungen. Zum Verhältnis der LXX-Uberlieferung zum MT vgl. D. W. Gooding, „Ahab according to the Septuagint", ZAW, 70 (1964), S. 2 6 9 - 2 7 9 . 6 Kai éyévero ώς ήκουσεν Άχαάβ ò'n τέθνηκεν Ναβουθαί ò Ίσραηλβίτης, και δι έρρηξεν τά Ιμάτια έαντού και περιεβάλετο αάκκον και èjévero μετά ταύτα... 7

Ist Elija oder Ahab Subjekt der Aussage? Die Entscheidung, welches Subjekt έπάταξεν umgreift, kann vom Text der LXX (B) nicht mehr gelöst werden. LXX (Luc) hat 'IefaßeX! 9 So LXX (Luc). 8

Kai ùirèp του λ&γου ώς κατβνΰγη Άχαάβ άπό προσώπου του Κυρίου, και έπορεύβτο κλαίων και διέρρηξεν τον χιτώνα αύτου και έζώσατο αάκκον ètri TO σώμα αύτού και ένήστευσβν. και nepießäXero αάκκον έν rfj ήμέρφ τ) έπάταξεν Ναβουθαί τον Ίσραηλβίτην, και έπορεύθη ... 10

11

Vgl. D. W. Gooding, „Ahab", S. 274. Vgl. schon O. Thenius, Könige 2 , S. 249. 13 Siehe unten S. 126ff. 12

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Die Erzählungen

1—16 im MT als Sinneinheit angesehen wurde. Ist aber lKön 21, 1—16 eine eigene Sinneinheit, wie der MT es andeutet 1 4 und ist mit V. 16 ein gewisser Abschluß erreicht? Die Entscheidung hierüber ist nicht einfach. Sie ist nur dann in positivem Sinn zu fällen, wenn es auf der einen Seite möglich ist, lKön 21,1—16 für sich einen Sinn abzugewinnen und auf der anderen Seite aufgezeigt werden kann, daß zwischen dem Folgenden V. 17ff,27,28f und dem Vorangegangenen so viele sprachliche und sachliche Unterschiede liegen, daß von diesen Versen keine als ursprüngliche Fortsetzung von V. 1—16 angenommen werden können.

Die Erzählung setzt ein mit der Vorstellung einer Sache, einem Weinberg, um die es im Folgenden gehen wird. V. 1: „Ein Weinberg 1 5 gehörte dem Jesreeliter Nabot". Das Folgende ist somit eine Geschichte über eine Sache, eine Weinberggeschichte. Die Person, der dieser Weinberg gehörte, wird erst in zweiter Linie genannt: der Jesreeliter Nabot 1 6 . Welchen Stand oder Beruf diese Person hatte, wird nicht angegeben — ist somit für den Erzähler nicht von Bedeutung gewesen. Von Bedeutung ist nur, daß ihr der Weinberg gehörte. Eine zweite Sache wird im nächsten Halb vers vorgestellt: der Weinberg lag neben dem Palast 17 des Königs von Samaria (|lia® Y?»). Auch hier wird die Sache vor der Person genannt. In der Einleitung der Erzählung steht somit ein Weinberg gegen den Palast des Königs. Nach der einleitenden Vorstellung der Sachen und Personen (V. 1) initiiert der König die Handlung. Er bittet Nabot, ihm den Weinberg zu „geben" (]Π3), der nochmals als nahe neben dem „Haus" Ahabs 1 8 gelegen bezeichnet wird. Auf die Relation des Besitzes des Vgl. O. Plöger, Die Prophetengeschichten, S. 21; O. H. Steck, Überlieferung, S. 40ff. Anders P. Welten, „Naboths Weinberg (lKön 2 1 ) " , Evangelische Theologie, 33 (1973), S. 1 8 - 3 2 (S. 21,24ff). 1 5 Die L X X überliefert, daß es nur ein einziger gewesen sei. 1 6 In der L X X lautet sein Name Ναβουβαι. Lag hier eine andere Namensform vor? Vgl. A. Sanda, Könige, Bd. I, S. 461. 1 7 L X X (B) liest παρά τ φ άλω. "Αλων, 'άλως ist in der L X X sehr häufig Wiedergabe von Hebr. p i - „Tenne". Vgl. E. Hatch/H. A. Redpath, A Concordance to the Septuagint and other Greek Versions of the Old Testament (1897; Nachdruck Graz, 1954), S. 60. Doch gibt „Tenne des Königs" nur zweifelhaften Sinn. So wird für L X X (B) ein Textfehler angenommen: ΑΛΩ statt ΝΑΩ: O. Thenius, Könige*, S. X X V I ; BHK 3 App; vgl. aber auch L X X (Luc): οίκος\ Hier steht „Haus" (ΠΌ) nicht „Palast", wie V. 1. Damit wird die Angabe von V. 1 variiert. Falls p l . ursprünglicher Text ist, müßte ΓΡ3 an dieser Stelle 14

Die Erzählung von 1. Kön 21

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Bürgers Nabot zum Eigentum des Königs wird damit ein zweites Mal hingewiesen. — Von Seiten des Königs wird Nabot ein Tauschangebot gemacht (vgl. LXX), so daß der Handel nach dem ersten Angebot auf einen Realtausch von Weinberg gegen Weinberg hinausliefe 19 . Dazu wird sogleich als Alternative angeboten (V. 2b) — wenn ein Tausch nicht gefällig sei — den Weinberg gegen „Geld" zu kaufen (vgl. LXX! ). Dieser Vorschlag wird von Nabot aufs schärfste zurückgewiesen 20 . Seine Begründung ist, es handle sich bei dem Weinberg um „nVm der Väter". War bislang vom Tausch- bzw. Kaufobjekt nur hinsichtlich seiner landwirtschaftlichen Nutzung gesprochen worden, so bringt diese Definition Nabots einen neuen Aspekt ein. 21 Was die Aussage Nabots bedeutete, scheint Ahab klar gewesen zu sein. Er steht jedenfalls von weiteren Versuchen des Erwerbs ab — wenn auch äußerst verärgert (V. 4). Mit dem Ärger des Königs endet die erste Szene 22 . Im Folgenden wird die Frau des Königs, Isebel, mit kurzen Worten eingeführt und Ahab wiederholt ihr gegenüber seine Verhandlung mit Nabot. Scheinbar wiederholt Ahab vor Isebel wörtlich Nabots Rede (V. 6), und doch läßt diese Rede das Entscheidende, worauf Nabot verwies, aus 23 , nämlich daß es sich um „Erbland seiner Väter" handele. Wenn Ahab gegenüber Isebel das entscheidende Argument Nabots unterdrückt und Isebel somit in Unkenntnis der Rechtslage gelassen wird, so wird Ahab in dieser Szene als Mitakteur deutlich gezeichnet 24 und sein Vorgehen bloßgestellt. — Die Abgrenzung der zweiten Szene, in der auf die Aussagen Ahabs hin Isebel die Handlung weiterführt, bleibt undeutlich 25 . Der MT gibt keinen Anhaltsmit „Besitz" wiedergegeben werden. Allein aus diesen Versen auf einen Palast Ahabs in Jesreel zu schließen, bleibt unsicher. 19 Vgl. P. Welten, „Naboths Weinberg", S. 22. 2 ° ZuV-Vflvgl. lSam 26,11; 2Sam 23,17; IChr 11,19. 21 Für ein ganz anderes Verständnis plädiert G. Gerleman, „Nutzrecht und Wohnrecht", ZAW, 89 (1977), S. 3 1 3 - 3 2 5 : Nahalä = Wohnsitz unter Einschluß der Grabstätte. 22 Vgl. die Pethucha im MT! 23 Im MT! Anders LXX: ού δώσω σοι κληρονομίαν -πατέρων μου. 24 Vgl. Ρ. Welten, „Naboths Weinberg", S. 25f gegen Ο. H. Steck, Überlieferung, S. 43. 25 Nach P. Welten, „Naboths Weinberg", S. 23, gehören zu dieser Szene V. 5 - 9 ,

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Die Erzählungen

punkt, zwischen dem Vorschlag Isebels an die Mitbewohner Nabots und der Ausführung ihres Vorschlages zu trennen. Das Unheil, das durch Isebel in Gang gesetzt wurde, nimmt über die Rechtsgemeinde von Nabots Heimatort an ihm selbst seinen Lauf. Der Hinweis, daß Isebel ihren inkriminierenden Brief im Namen ihres Mannes (3ΚΠΚ DŒ3) schrieb und mit königlichem Siegel versah, unterstreicht ein weiteres Mal, daß Ahab am Vorgehen seiner Frau als mitschuldig gezeichnet werden soll 2 6 . So wie schließlich sein Versuch, den Weinberg Nabots in Besitz zu nehmen (V. 16), seine Zustimmung zum Tun Isebels unter Beweis stellt.

Ein nächster Akt der Erzählung hat das Vorgehen der Rechtsgemeinde gegen ihren Bürger Nabot auf Grund falscher Zeugen zum Inhalt, das zu Nabots Tod führte: V. 11-14. Zwar sind V. 1 Iff nicht deutlich von V. 5ff zu trennen 27 , doch ist zwischen V. 14 und 15 ein gewisser Einschnitt: TPI 28 . Die Handlung wendet sich zurück zu Ahab, dessen glücklose Auseinandersetzung mit Nabot das Eingreifen Isebels erst nötig gemacht hat. Wiederum ist hier (V. 15) vom Weinberg (oid) die Rede, ohne daß auf das Rechtsverhältnis (nbm) hingewiesen würde. Auch vom Tauschangebot wird nicht mehr gesprochen, so daß die Maßnahmen, die Isebel in Gang setzt, in genauste Parallele zu den Aussagen gestellt sind, die Ahab ihr gegenüber gemacht hatte (V. 6). Mit der Inbesitznahme (»T') 2 9 des Weinbergs durch Ahab, den Nabot zu tauschen oder zu verkaufen verweigerte, kommt die am Anfang der Erzählung aufgezeigte Situation zu einer Lösung. Die Weigerung Nabots ist annulliert; der Triumph des Unrechts über das Recht manifest. die dritte Szene bestehe aus V. 11—16. Wohin gehört V. 10? Vgl. auch die verschiedene Aufteilung in Szenen bei H. Greßmann, Die älteste Geschichtsschreibung, S. 272; J . A. Montgomery/H. S. Gehmann, Kings, S. 331f; G. Fohrer, Elia 2 , S. 25f und J . Fichtner, Das erste Buch von den Königen, S. 316f! 2 6 E. Klostermann, Die Bücher . . . der Könige, S. 385; P. Welten, „Naboths Weinberg", S. 25. 2 7 Die Verzahnung der Verse mit dem Vorangegangenen wird durch verschiedene Wiederaufnahmen: in V. I I a von V. 8b, in V. 12a von V. 9b, in V. 13a von V. lOaa und in V. 14b von V. 10b durchgeführt. 2 8 H. Greßmann, Die älteste Geschichtsschreibung, S. 271. 2 9 F. Horst, „Das Eigentum nach dem Alten Testament", Kirche im Volk, Heft 2 (1949), S. 8 7 - 1 0 2 = F. Horst, Gottes Recht,Theologische Bücherei Bd. 12 (München, 1961), S. 2 0 3 - 2 2 1 (S. 210).

Die Erzählung von 1. Kön 21

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Kann eine solche Erzählung für sich bestanden haben, oder verlangt sie nicht eine Fortsetzung, in der Nabots Recht wiederhergestellt wird und die, die ihm Unrecht taten, Ahab und Isebel, bestraft werden? — Um mit dem zweiten zu beginnen: Keiner der nachfolgenden Verse (V. 17ff) berichtet, daß Nabots Recht wieder in Kraft gesetzt wurde. Auch eine Ahndung des Unrechts an Ahab oder Isebel wird nicht berichtet 30 . Eine solche Ahndung wird Ahab (V. 19) und Isebel (V. 23) nur angedroht, aber nicht durchgeführt. Elijas Wort an Ahab V. 20aba (TINSD) setzt Nabots bzw. seiner Familie Recht nicht wieder in Kraft. Sind aber V. 1—16 als Einheit, ohne daß ein Schluß in V. 17ff gesucht werden müßte, verständlich? — Die Darstellung der Personen innerhalb der Erzählung V. 1—16 ist typisiert 31 . Der Ort der Handlung wird nicht explizit genannt. Auch jegliche Zeitangabe fehlt. Am Anfang gibt der Erzähler hingegen zu erkennen, daß ihm die Lage des Grundstücks neben dem Besitz des Königs wichtig ist. Diese Angabe erinnert an andere Aussagen des Alten Testamentes: „Wehe denen, die Haus an Haus reihen, Feld an Feld rücken bis kein Platz mehr bleibt und ihr allein Besitzer im Land geworden seid" (Jes 5,8). Mit solchen Anklagen wird von den Propheten das Bauernlegen aufs schärfste gerügt 32 . Sieht man die Erzählung auf dem Hintergrund der prophetischen Anklagen gegen das Bauernlegen 33 , so ist in diesem Zusammenhang auch auf die Anklagen gegen ungerechte und bestechliche Gerichtsbarkeit zu verweisen: vgL Am 3,1 Of; Jes 5,22f; 29,21f u.a. Die breite Darstellung des (Un-) Rechtsverfahrens, das durch ungerechte Anschuldigungen zu Nabots Tod führte (lKön 21,8—14), darf geradezu als erzählerische Ausgestaltung solcher prophetischen Anklagen verstanden werden.

Damit ist es nicht mehr erlaubt, als die zentrale Figur der Erzählung Isebel anzusehen 34 , da ihre Aktivität nur im Zusammenhang mit den Aussagen und Zugeständnissen Ahabs möglich war. So gewinnt die Erzählung einen anderen Aussagegehalt, da sie für die jeweiligen Zuhörer an Hand des „Falles Nabot" die jeweils gegenwärtige

30 Ganz abgesehen davon, daß sprachlich V. 19b, 20ba, 2 1 - 2 2 , 2 5 - 2 6 und 28 nicht auf die gleiche Ebene wie V. 1—16 gehören. 31 P. Welten, „Naboths Weinberg", S. 31 f. 32 Vgl. H. Donner, „Die soziale Botschaft der Propheten im Lichte der Gesellschaftsordnung in Israel", Oriens Antiquus, II (1963), S. 2 2 9 - 2 4 5 (S. 239f). 33 Aus dem Nordreich liegen sonst keine expliziten Belege für diese Praxis vor. * Gegen O. H. Steck, Überlieferung, S. 4 0 - 4 3 .

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Die Erzählungen

Praxis der Oberschicht gegen rechtschaffene Bürger schonungslos offenlegt und damit anprangert. Betrachtet man hingegen die Erzählung als einen historischen Bericht, so muß die entscheidende Frage lauten: Woher hatte der Erzähler sein Wissen? Nicht nur über die falschen Zeugen oder den Brief Isebels, sondern auch über den Wortlaut der Gespräche zwischen Ahab und seiner Frau und wie er sich auf sein Bett gelegt und kein Brot mehr gegessen hatl

Ein König, der in seinen Aussagen gegenüber Dritten entscheidende Rechtsverhältnisse außer acht läßt, der finstere Machenschaften in seinem Namen und unter seinem Siegel 35 zuläßt, die Intrigen seiner Frau und das ungesetzliche Vorgehen einer Rechtsgemeinde gegen einen schuldlosen Israeliten sind schon damit verurteilt, daß sie ohne Beschönigung dargestellt werden. Eine historische Erzählung oder eine Elijaerzählung aber ist lKön 21,1—16 nicht 36 . Eine Frage nach den historischen und rechtlichen Vorstellungen und Voraussetzungen, die zu dem in der Erzählung geschilderten Fall geführt haben, muß in Betracht ziehen, daß möglicherweise zwischen den Rechtsvorstellungen des Erzählers und den Rechtsverhältnissen, über die er berichtet, sachliche Unterschiede bestehen können. Jedenfalls kann nicht ohne weiteres von den in der Erzählung durchweg unausgesprochenen Rechtsvorstellungen auf die Zeit Ahabs geschlossen werden 37.

Zur Lokalisation von Nabots

Weinberg

Befragt man den Text von lKön 21,1—16 nach dem Platz, wo sich der Weinberg Nabots befand, so ergeben sich für eine Lokalisierung in Jesreel folgende Hinweise: 35 N. Avigad, „The Seal of Jezebel", IEJ, 14 ( 1 9 6 4 ) , S. 1 7 4 - 1 7 6 , hat ein Siegel mit ägyptischen Motiven und der Legende V a f veröffentlicht, das er zwar nicht für ein Siegel der Königsfrau Isebel selbst, aber d o c h einer Königin würdig hält und in Isebels Zeit datiert. Für die Erzählung l K ö n 21,1—16 ist jedoch gerade wesentlich, daß Isebel ein Königssiegel Ahabs mißbrauchte und nicht ihr Siegel gebrauchen durfte. Zum Siegel vgl. auch F. Vattioni, „I sigilli ebraici", Biblica, 5 0 ( 1 9 6 9 ) , S. 3 5 7 - 3 8 8 (Nr. 2 1 5 ) . 36 So schon O. Plöger, Die Prophetengeschichten, S. 21. 37 Sachlich tut das z.B. K. Baltzer, „Naboths Weinberg; Der Konflikt zwischen israelitischem und kanaanäischem Bodenrecht", Wort und Dienst, Jahrbuch der

Zur Lokalisation von Nabots Weinberg

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1. Nabot wird explizit der „Jesreeliter" ( , VNSJ"irn) genannt, war also ein Bürger der Stadt Jesreel. — Da der ganze Streitfall um das „Erbe seiner Väter" ging, ist dieses ebenfalls in Jesreel zu suchen 38 . 2. Der Ausdruck V. 1 : Vxsnra IPX der wahrscheinlich auf den Weinberg Nabots zu beziehen ist 39 , lokalisiert den Weinberg in Jesreel. 3. Isebel schickt brieflich Nachrichten an die Notabein eines offenbar entfernten Ortes 40 und fordert darin die Ortsgemeinde auf, an ihrem Mitbürger Nabot ein Todesurteil zu vollstrecken. Nach dessen Vollstreckung werden ihr wiederum Nachrichten zugesandt (V. 14 wVbh). Da Ahab in V. 1 „König von Samaria" heißt und offenbar an diesem Ort sein und Isebels Wohnsitz gedacht wurde, ist daher der Ort, an dem Nabot zu Tode gebracht wurde, von der Residenz zu unterscheiden: d.h. in Jesreel. 4. Ahab geht nach V. 16 von seinem Aufenthaltsort „hinab"(TV), um Nabots Weinberg in Besitz zu nehmen. Damit könnte ausgedrückt sein, daß er von Samaria im Bergland nach Jesreel in der Ebene „hinab" ging. Für die Annahme, daß Nabots Weinberg in der Stadt Samaria lag, lassen sich aber ebenfalls Gründe beibringen. a) Wenn Nabot als Bürger Jesreels in dieser Stadt einen Weinberg besaß, warum wird er so betont der ,Jesreeliter" genannt? Eine solche Benennung ist doch nur für eine Person sinnvoll, die sich an einem anderen Ort als Jesreel aufhält, also z.B. in Samaria 41 . Aus Jer 32 ist bekannt, daß Jeremía, der lange Zeit in Jerusalem lebte, noch in Anatot Besitzverpflichtungen hatte. Könnte nicht auch Nabot in oder bei Samaria ein Landstück gehabt haben, das ihm vielleicht über seine Frau zugekommen war? Vgl. zur Landvergabe an Frauen: Num 27,Iff; Jos 16,15ff; Ri l,12ff; lKön 9,16; Ijob 42,15. Kirchlichen Hochschule Bethel, 98 (1965), S. 7 3 - 8 8 ; F. I. Andersen, „The Sociojuridical Background of the Naboth Incident", JBL, 85 (1966), S. 4 6 57 und H. Seebaß, „Der Fall Naboth in IReg XXI", VT, 24 (1974), S. 4 7 4 488. 38 G. Fohrer, Elia 2 , S. 70: „Selbstverständlich kann ein Jesreelit nur in Jesreel Erbbesitz haben". 39 Ein Bezug auf 2ΚΠΚ VdTI ist grammatisch weniger wahrscheinlich. « In der LXX fehlt TVSn "IÜN. 41 So I. Benzinger, Könige, S. 115.

120

Die Erzählungen

b) In V. 1 ist VNSnra "ion ein Zusatz, der in der LXX noch fehlt. Sofern der Ausdruck auf , Jesreelit" zu beziehen ist, wird erst durch ihn Nabots Aufenthalt nach Jesreel verlegt 42 . Ein Text ohne den Zusatz läßt auch Samaria als Aufenthaltsort Nabots zu und damit als den Ort, wo sein Weinberg lag. c) Die Zusendung einer schriftlichen Aufforderung an die Ortsgemeinde Nabots ist nicht notwendig auf einen anderen Ort zu beziehen als auf den, an dem sich auch Isebel aufhielt. Nur auf versteckte Weise konnte sie hoffen, an ihr Ziel zu gelangen, ohne als Akteurin der Handlung erkannt zu werden. Die briefliche Aufforderung an die Notabein könnte schließlich rechtliche Gründe gehabt haben, weil vielleicht nur so eine königliche Aufforderung zum Fasten ausgerufen werden konnte. Eine briefliche Benachrichtigung Isebels durch die Ortsgemeinde über Nabots Tod ist durch V. 14 nicht zu belegen. Der Ausdruck wVsH kann ebensogut die Absendung eines Boten bedeuten. d) Der Ausdruck t v darf nicht gepreßt werden. "TT kann auch bedeuten, daß Ahab in Samaria von der höhergelegenen Akropolis, seinem „Schloß", zu den tiefergelegenen Gartenanlagen der Stadt hinabstieg. Daraus ergibt sich, daß der Text mehrere Interpretationen zuläßt über den Ort, wo sich der Weinberg befand. Seine Lage wird erst durch die späteren Zusätze des MT V. 1 und V. 8 4 3 definitiv nach Jesreel verlegt. Ein Text ohne diese Zusätze ist noch nicht unbedingt auf Jesreel festgelegt. — Nun berichtet allerdings 2Kön 9—10 wie Jehu Joram bei Jesreel tötete, womit die Erzählung auf das Gotteswort lKön 21,19 anspielt. Diese Erzählung hätte demnach Jesreel als Ort des Weinbergs gekannt. Doch genau das ist für die Erzählung 2Kön 9—10 nicht gesichert. 2Kön 9,21,25f ist vom Feldstück Nabots ( r U J Π^ρΠ / DU3 m i r nVpn) die Rede, nicht aber vom Weinberg. Wenn 2Kön 9 dasselbe Landstück Nabots meinte, warum sagte man es nicht? Auch traf Jehu J o r a m nicht in Jesreel, sondern der König war aus der Stadt hinausgefahren (2Kön 9,21 NS"1) und man traf sich außerhalb der Stadt, auf der Stadtflur. Diese Aussage aber widerspricht pointiert der Erzählung l K ö n 21, die zweimal nachdrücklich behauptet, daß Nabots Weinberg unmittelbar neben (VSS) dem Palast 4 4 des Königs lag. Nicht « «

Und durch den Zusatz im MT zu V. 8 IT'S?3 UTK. 4 4 Siehe dazu Anm. 17 und 18. Siehe Anm. 40.

Rechtsvorstellungen der Erzählung 1. Kön 21

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nur aus diesen Gründen werden die Erfüllungshinweise in 2Kön 9 als sekundär angesehen 45 . Die Angaben von 2Kön 9 müssen daher für die Lokalisation ausscheiden.

Daß es noch in späterer Zeit eine Tradition gab, die die Stadt Samaria als den Ort kannte, wo der Weinberg lag und wo Nabot zu Tode kam, läßt sich aus der Kriegserzählung l K ö n 22 entnehmen. Hier heißt es, daß Ahab im Kampf um Ramot Gilead tödlich verwundet wurde und sein Blut in den „Bauch des Wagens" flöß ( l K ö n 2 2 , 3 5 ) . Den toten König überführte man nach Samaria, wo die Hunde sein Blut leckten ( l K ö n 2 2 , 3 6 f ) . Damit hatte sich das Wort erfüllt, daß die Hunde genau an dem Ort (n&K Dpaa), wo sie Nabots Blut geleckt hatten, auch Ahabs Blut lecken würden ( l K ö n 2 1 , 1 9 ) . Wäre dem Erzähler von l K ö n 22 eine Tradition bekannt gewesen, nach der Nabot in Jesreel zu Tode kam, er hätte gewiß erzählt, daß der blutige Streitwagen Ahabs von Ramot nach Jesreel gebracht wurde und hier die Hunde des Königs Blut leckten. Gerade die gequälte Harmonistik der Erzählung lKön 22, die nur so die Erfüllung des Gotteswortes berichten kann, daß sie zwar Ahab im Kampf um Ramot sterben, den blutigen Streitwagen aber zum Todesort Nabots bringen läßt, ist ein unübersehbares Zeichen dafür, daß für sie Samaria als Todesort Nabots vorgegeben war.

Obgleich die Kriegserzählung l K ö n 22 im Eigentlichen keine Ahaberzählung ist 4 6 , ist noch nicht einmal in dieser Tradition Jesreel 4 7 als Todesort Nabots bekannt. Wenn der Erzähler von l K ö n 21,1—16 den Ort, wo sich der Weinberg und Nabots Todesort befand, in Unklarheit läßt, dann war seine Erzählung leichter einer paradigmatischen Deutung zugänglich. Das Unrecht, das jenem Jesreeliter zugefügt worden war, konnte so mancher Israelii leichter auf sich beziehen.

Rechtsvorstellungen

der

Erzählung

Die in der Erzählung eher vorausgesetzten als ausgesprochenen Rechtsverhältnisse sind kaum durch anderes Material aus dem Staads Siehe unten S. 140f. «

Vgl. dazu H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 42ff.

Bei der Freiheit, mit der man in Israel mit Wortspielen und Etymologien umging — vgl. oben S. 4 I f f Schemer und Schomron — wäre zu erwägen, ob nicht gar mit der Herkunftsbezeichnung „Jesreeliter" ("'VkSIÎ 1 ) ein Anklang 47

122

Die Erzählungen

te Israel selbst zu belegen. So haben wir keine weiteren Zeugnisse, daß amtliche Schreiben des Hofes, unter Namen und Siegel des Königs, in einer israelitischen Gemeinde ein Fasten anberaumen lassen konnten, das dann von der freien Rechtsgemeinde durchgeführt wurde. Die Anlässe, zu denen in Israel (und Juda) ein Fasten ausgerufen wurde, waren verschieden: z.B. fastete man nach verlorener Schlacht (Ri 20,26), aus Trauer nach dem Tode des Heerführers (2Sam 1,12) oder vor großen Entscheidungen (2Chr 20,3; Esr 8.21) 48 Der Erzähler von lKön 2 1 , 1 - 1 6 gibt den Anlaß, weswegen im „Fall Nabot" gefastet wurde, nicht an. Historisierende Erwägungen über den tatsächlichen Anlaß erübrigen sich daher. Bemerkenswert ist vielmehr, daß für den Erzähler — und seine Zuhörer — die Ansetzung eines Fasttages für eine freie israelitische Ortsgemeinde durch den König eine gängige Vorstellung gewesen zu sein scheint. Weitere Belege für eine solche Praxis, womit ja der israelitische König priesterliche Funktionen an sich gezogen hatte, fehlen. Es wäre aber leicht verständlich, wenn — wegen des dem König obliegenden Sorgerechts für Volk und Land — das Königtum solche Funktionen an sich gezogen hatte 4 9 und zur Zeit Ahabs (oder des Erzählers?) schon ständig ausgeübt hat.

Die Formulierungen von lKön 21,12 lassen noch durchblicken, daß ursprünglich ein Fasttag von den Notabein der Ortsgemeinde ausgerufen wurde. Die frühere Selbständigkeit der Ortsgemeinde in solchen Fragen ist hinter dem jetzt geschilderten Verfahren noch deutlich sichtbar. Für den Zusammenfall einer Individualanklage und -Strafvollstreckung mit einem Fasttag hat A. Baumann ein Beispiel aus Josephus* Zeit beigebracht 50 . Demnach konnte noch in späterer Zeit ein Untersuchungs- oder Gerichtsverfahren Bestandteil eines Fasttages sein. Eine solche Gelegenheit bot die Handhabe, durch die Beseitigung des Grundes, der das Fasten nötig gemacht hatte, sich im Schnellverfahren mißliebiger Personen zu entledigen 51 . Nabots Sitz „vor dem Volk" (DVD ΦΧΊ3) mußte ihn bei einem Fasttag in eine prekäre Situation bringen. „Er ist nun in besonderer Weise dem Risiko ausgesetzt, daß man ihn für die Kalamität verantwortlich macht, die den Fasttag veranlaßt an „Israeliter" beabsichtigt war. Mit dem IT-Laut haben bekanntlich die Efraimiter ihre Schwierigkeiten gehabt (Ri 12,5ff). 48 Vgl. W. C. Robinson, „Fasten", BHH, Bd. I (1962), Sp. 4 6 5 - 4 6 6 . 49 Vgl. K. Baltzer, „Naboths Weinberg", S. 85; P. Welten, „Naboths Weinberg", S. 23 A 26. 50 „Naboths Fasttag und Josephus", Theokratia, Jahrbuch des Institutum Judaicum Delitzschianum, II, 1970-1972, Festgabe für Κ. H. Rengstorf zum 70. Geburtstag (Leiden, 1973), S. 2 6 - 4 4 . 51 A. Baumann, „Naboths Fasttag", S. 40f.

Rechtsvorstellungen der Erzählung 1. Kön 21

123

hatte" S2 . So ist durch das Beispiel aus Josephus' Zeit die Perfidie des Vorganges von lKön 21,1—16 noch deutlicher geworden.

Nach der Erzählung von lKön 21,1—16 wurde Nabot zweier Verbrechen bezichtigt: der Gotteslästerung 53 und der Majestätsbeleidigung. Gotteslästerung (dtiVs Wp) wird Lev 24,15f und davon noch differenziert Lev 24,1 Iff,16 (ΠΊΓΓ 0tP3 3j?l) unter die Todesstrafe gestellt 54 . Ex 22,27 stellt apodiktisch neben die Gotteslästerung ( W p DTlVx) das Verbot der Verfluchung ( n x ) des tCB>: im Volke Israel. Wörtlich ist das zwar nicht die Verfluchung des Königs ("[Vö). Doch darf aus der Verbindung beider Stellen herausgelesen werden, daß in Israel (und Juda) Gotteslästerer (dtiVn TiK/Wp) und Majestätsbeleidiger 55 mit dem Tode bestraft wurden 56 . Bemerkenswert am Verfahren gegen Nabot ist auch, daß die vorgebrachten Anklagen nicht vom Hof 5 7 oder vom König S8 , sondern von der Ortsgemeinde entschieden wurden. Mindestens bis in die Mitte des 9. Jahrhunderts, wenn nicht bis in die Zeit des Erzählers, haben sich damit eigentlich vorstaatliche Formen der Gerichtsbarkeit von Kapitalverbrechen in Israel halten können. Die rechtliche Grundlage, unter der ein israelitischer König das Erbe eines freien Israeliten antreten konnte, wird vom Text nicht erläutert. Meist wird in Nachfolge spätjüdischer Exegese angenommen, daß in Israel (und Juda) das Hab und Gut hingerichteter Gotteslästerer oder Majestätsverbrecher an die Krone fiel 59 . Allerdings gibt 52

A. Baumann, „Naboths Fasttag", S. 42. Die Ersetzung von "nX/V?p? durch "|T3 in lKön 21,10,13 ist ein Euphemismus. Vgl. auch Ijob 1,5; 2,9. 54 Vgl. dazu K. Elliger, Leviticus, Handbuch zum Alten Testament, 1. Reihe, 4 (Tübingen, 1966), S. 329ff. ss Vgl. die Verfluchung Davids durch Schimi 2Sam 16,5ff; 19,Iff; lKön 2,36ff. 56 Zwar bleibt zu fragen, wieweit diese oder andere Gesetzesforderungen jeweils in der Praxis angewandt wurden. Doch ist die Voraussetzung der Erzählung die tatsächliche Anwendung der Todesstrafe bei solchen Vergehen. 57 Soll die Aussage, daß Isebel vorschlug, zwei Zeugen aufzustellen, andeuten, daß bei Majestätsbeleidigung der Strafverfolgungsantrag von Seiten des Hofes gestellt werden mußte? 58 Vgl. auch Chr. Macholz, „Die Stellung des Königs in der israelitischen Gerichtsverfassung", ZAW, 84 (1972), S. 1 5 7 - 1 8 2 (S. 175f). 59 O. Thenius, Könige*, S. 249; A. áanda, Könige, S. 464; A. Alt, „Der Anteil des Königtums an der sozialen Entwicklung in den Reichen Israel und Juda", 1955 = KS, III, S. 3 4 8 - 3 7 2 (S. 364f). 53

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Die Erzählungen

es für diese Annahme innerhalb der Gesetzeskorpora des Pentateuch keinen Anhaltspunkt, wie denn auch K. Baltzer 6 0 mit der Möglichkeit rechnet, daß das Erbe Hingerichteter an die Sippe, nicht aber an die Krone fiel. Der Unterschied zwischen der Erzählung l K ö n 21,1—16, die nur Nabot getötet sein läßt, und der Aussage 2Kön 9,26 (vgl. l K ö n 21,27 LXX), wonach auch Nabots Söhne (Sohn) ums Leben gekommen sein sollen, macht darauf aufmerksam, daß an diesem Punkt rechtliche Unklarheiten bestanden. Man könnte von daher postulieren, daß in einem einfachen Erbfall das Erbe grundsätzlich in der Familie verblieb — sofern erbberechtigte Personen da waren — auch wenn der Erblasser hingerichtet wurde. In dem Fall hingegen, wo keine erbberechtigten Personen da waren oder sich das Urteil auf eine Familie 61 erstreckte, nicht die Sippe, sondern die Krone ins Erbe eintrat 6 2 . Voraussetzung für Ahabs Erbantritt nach l K ö n 21,1—16 wäre dann Nabots Kinderlosigkeit, ja quasi Familienlosigkeit, gewesen. Nach 2Kön 9,26 (vgl. l K ö n 21,27 LXX) hätte es keine Rechtsnachfolge der Krone bei Vorhandensein von Kindern gegeben. Beide Voraussetzungen werden aber nur durch argumenta e silentio gestützt. Insofern ist letztlich durch die Erzählung l K ö n 21,1—16 die Rechtsgrundlage, unter der Ahab Nabots Erbe antrat, nicht mehr zu erheben. Doch für den Erzähler war das nicht wesentlich. Er wollte nicht die Rechtsgrundlage aufzeigen, unter der ein israelitischer Herrscher Erbe eines freien Israeliten werden konnte, sondern wie Ahab sich Nabots Erbe erschlichen hat! Auch wenn — wie oben — angenommen wird, daß die Krone unter besonderen Umständen das Erbe eines freien Israeliten antreten konnte, so hatte es mit diesem „Erbe" (n*?ni) eine eigene Bewandtnis. Nach den Rechtsvorstellungen Lev 25,23f; Num 36,Iff u.a. war in Israel nVm-land normalerweise unveräußerlich 63 . Ähnliche Rechts60 „Naboths Weinberg", S. 85. 61 Dtn 13,13ff ordnet gar für eine ganze Ortsgemeinde die Ausrottung an, falls sie sich vom Jahwekult abwendet. 62 lKön 15,29; 16,11; 2Kön 10,17, berichten von der Ausrottung verschiedener Königsfamilien, wobei in jedem Fall der Usurpator ihr Erbe antrat. 63 G. von Rad, „Verheißenes Land und Jahwes Land im Hexateuch", ZDPV, 66 (1943), S. 1 9 1 - 2 0 4 = G. von Rad, Gesammelte Studien zum Alten Testament, Theologische Bücherei,Bd.8 (München, 1958), S. 8 7 - 1 0 0 (S. 92f); F. Horst, „Zwei Begriffe für Eigentum (Besitz): ilVm und ΠΤΠΝ" (Festschrift W. Rudolph), Verbannung und Heimkehr (Tübingen, 1961), S. 1 3 5 - 1 5 6 (S. 145f).

Rechtsvorstellungen der Erzählung 1. Kön 21

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Ordnungen für nVm-land liegen aus der Umwelt Israels vor 64 . Israel war mit dieser Ordnung also eingebettet in Normen, die auch anderswo im Alten Orient galten. Trotz der generellen Unverkäuflichkeit der nVni gibt es aus dem Alten Orient genügend Beispiele, daß n'rnJ65 gekauft und verkauft wurde. Allerdings bedurfte es dazu meist der juristischen Hilfskonstruktion einer (Schein-) Adoption 66 zwischen den Vertragspartnern, doch gibt es auch andere Beispiele67. Aus der später in Juda so hart bekämpften Praxis des Bauernlegens ist zu erkennen, daß sich auch in (Israel und) Juda schließlich Formen der Aneignung über die Verfügungsgewalt des Bodens herausgebildet haben, die den Rechtsordnungen von Lev 25,23f und Num 36,Iff kraß entgegenstanden. Zwar wissen wir noch nicht einmal von den Rechtsordnungen Lev 25,23f; Num 36,Iff, ob sie jemals mit aller Grundsätzlichkeit durchgeführt wurden, und es wird niemand annehmen wollen, daß alle späteren Inbesitznahmen nur über eine Adoption möglich gewesen seien.

Insofern scheint der „Fall Nabot" den Ubergangspunkt von einer strengen Einhaltung der Unverkäuflichkeit der nVni zu einer „liberaleren" Praxis zu bilden. Da durch die neueren Belege aber nVm auch außerhalb Israels und Judas nachgewiesen ist und ihre Verkäuflichkeit und Käuflichkeit aus den gleichen Urkunden hervorgeht, wird man nur noch mit Bedenken den Konfliktsfall um Nabots Weinberg weiterhin auf die Alternative: hier israelitisches Bodenrecht dort kanaanäische Käuflichkeit bringen. Man wird damit rechnen müssen, daß die Israeliten, je länger sie im Land siedelten, desto stärker von den strengeren Maßstäben der nomadischen und halbnomadischen Zeit abwichen. Die früheren Lebensordnungen mußten sich den neuen anpassen und wurden dabei mehr und mehr verändert. Wenn sich Nabot weigerte, das „Erbe seiner Väter" an Ahab zu tauschen oder zu verkaufen, hielt er sich an Prinzipien, wie sie in Lev 25,23ff und Num 36,Iff formuliert sind. Wenn aber Ahab versuchte, landwirtschaftliche Nutzfläche zu kaufen, so muß seine Ü synonym zu ΠΊΓΡ I S T . Der Ubergang zu diesem Wortsinn von NPÖ deutet sich in Habakuk 1,1 an. Einen Beleg, daß die frühen Propheten Worte gegen Einzelpersonen N87Ö genannt hätten, gibt es nicht. ÜÖ8 dürfte hier - ebenso wie Gen 19,34; 31,28,42 — als „gestern abend", „letzte Nacht" zu verstehen sein und nicht nur in dem blassen Sinn „gestern", der von lKön 2 1 , I f f geboten erscheint. Vgl. noch unten Anm. 37. 28 Die Wortverbindung des MT (LXX, Luc) *]*? dVp versteht das Wort als eine Drohung gegen den Mörder Nabots. Der Wortlaut der L X X (B) mit iV D^tP spricht hingegen von einer restitutio Nabots, nicht von einer Drohung gegen seinen Mörder. Siehe Anm. 28. 3 0 Hos 2,15,18,23; 11,11. An letzterer Stelle sicher redaktionell. 3 1 H. W. Wolff, Dodekapropheton, 2 : Joel, Amos, Biblischer Kommentar Altes Testament, XIV, 2 (Neukirchen-Vluyn, 1969), S. 171, zieht sogar in Erwägung, daß die Formel erst „auf Amos oder den Traditionskreis, dem er entstammt, zurückgeht". 3 2 Zu tWÖ vgl. H. S. Gehman, „The .Burden' of the Prophets", The Jewish Quarterly Review, 31 (1940), S. 1 0 7 - 1 2 1 ; P. A. H. de Boer, „An Inquiry into the Meaning of the Term K P » " , Oudtestamentische Studien, 5 (1948), S. 1 9 7 214. 27

Die Erzählung über Jehus Revolution

141

V. 9,26 (Ende) setzt das Wort iwa in V. 25 gleich mit mm " m . Die gleiche Synonymität wird erst in redaktionellen Teilen der späteren Propheten vertreten. Daß auch bei Jehu oder beim Erzähler der Erzählung 2Kön 9—10 diese Synonymität schon voraussetzbar ist, erscheint angesichts der übrigen Belege ausgeschlossen. Dementsprechend wäre mindestens V. 9,25 Ende ( . . . m m ) und 9,26 Ende (mm 1313) ein späterer Zusatz. Da aber V. 9,25ba ohne den nachfolgenden Teil . . . m m unverständlich ist, muß V. 9,25b—26 überhaupt als Zusatz angesehen werden. Hingegen V. 25a 33 mit der Nennung Bidkars, des dritten Mannes auf dem Streitwagen, wird man nicht gern einer späteren Redaktion zuordnen wollen. Durch die Verbindung von »wö mit mm Ί31 in V. 26 ergibt sich somit, daß in V. 25b—26 keine uordeuteronomistische Überarbeitung zur Apologie Jehus vorliegt 34 . Die Einfügung des (ehemals selbständigen?) 35 Wortes an dieser Stelle zum Erweis der Erfüllung eines Gotteswortes wird man in Nachfolge der deuteronomistischen Wort-Gottes-Theologie 36 sehen dürfen 37 . Das heißt dann aber auch, daß keiner der von H.-Chr. Schmitt für die apologetische Bearbeitung angesetzten Verse ihr wirklich zuzuordnen ist. Damit fällt die vordeuteronomistische Bearbeitung dahin. Außer der deuteronomistischen Bearbeitung (und einigen relativ späten Glossen) ist die Jehuerzählung keiner weiteren umfassenden Bearbeitung unterworfen worden 3 8 . Ihre Angaben sind da33 In V. 21 (vgl. dazu H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 27) und V. 25a dürfte 11133 nVpH aus V. 25f eingedrungen sein. ΓΠ5? wird man als Objekt zu beibehalten und weder textkritisch (gegen BHS App. z.St.) noch überlieferungsgeschichtlich (gegen H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 26f) ausscheiden. 34 Gegen H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 26f. 35 Vgl. O. Eißfeldt, „Die Komposition von I Reg 16,29-11 Reg 13,25", in: Das ferne und das nahe Wort, Festschrift L. Rost zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, Hg. F. Maass, BZAW, 105 (Berlin, 1967), S. 4 9 - 5 8 (S. 56). 36 Vgl. dazu G. von Rad, Die deuteronomistische Geschichtstheologie (siehe oben S. 133 Anm. 42) S. 192. 31 Allein aus dem Wortlaut von „gestern abend" hatte J. M. Miller, „The Fall of the House of Ahab", VT, 17 (1967), S. 3 0 7 - 3 2 4 (S. 308 Anm. 3) gefolgert, daß der Fall Nabot am Tag vor Jorams Tod stattgefunden habe und nicht in Ahabs Zeit gehöre. Die obige Zuordnung der V. 25b—26 zu einer späteren Bearbeitung fuhrt zu einem völlig anderen Ergebnis. Es sei denn, man postuliert, daß dieser spätere Zusatz entschieden bessere Kenntnisse bewahrt habe als die Erzählung lKön 21,1—16. 38 Gegen verschiedene Versuche, die Erzählung auf einzelne Quellen aufzu-

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Die Erzählungen

her auch weiterhin als frühe Zeugnisse für verschiedenste historische Sachverhalte heranzuziehen, auch wenn bislang eine genaue Entstehungszeit der kunstvollen Erzählung noch nicht möglich ist 39 .

8. Kapitel: Samaria und Jesreel Vor mehr als hundert Jahren hatte schon F. Hitzig1 festgestellt, daß Jesreel zur Zeit Ahabs und seiner Söhne zur „zweiten Hauptstadt Israels" geworden war. In späteren Darstellungen der Geschichte Israels wurde auf Jesreels Funktion während Ahabs oder Jorams Regierungszeit jedoch kaum ein besonderes Augenmerk gerichtet2. Erst in neuerer Zeit hat bekanntlich A. Alt 3 unter neuen Gesichtspunkten Jesreels Bedeutung neben Samaria stark herausgearbeitet. A. Alts Ausgangspunkt bildete die Frage, warum — nach dem bis dahin häufigen Residenzwechsel — in der Zeit der Dynastie Omri zwei königliche Residenzen: in Jesreel und Samaria in Gebrauch kamen, von denen nur Samaria bis zum Untergang des Staates Königssitz blieb 4 . Für die nähere Umgebung Samarías rechnete A. Alt auch noch für die Zeit Omris mit dem Andauern der ursprünglichen kanaanäischen Bevölkerung und Kultur. Jesreel hingegen habe in originär israelitischem Gebiet gelegen, wo auch die ursprüngliche israelitische Lebensund Rechtsordnung bis in Omris Zeit ungebrochen in Kraft geblieben sei 5 . teilen oder einzelne Teile als später aus ihr auszubrechen vgl. ebenfalls H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 27ff. 39 Vgl. dazu Erwägungen bei O. H. Steck, Uberlieferung, S. 32 A 2 und H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 29ff. 1 Geschichte des Volkes Israel von Anbeginn bis zur Eroberung Masada's im Jahre 72 nach Christus, Erster Theil (Leipzig, 1869), S. 178. 2 Vgl. etwa J . Wellhausen, Israelitische und Jüdische Geschichte, 9. Aufl. (Berlin, 1958), S. 76f. 3 „Das Königtum in den Reichen Israel und Juda", VT, 1 (1951), S. 1 2 - 2 2 = KS, II, S. 116-134; drs.: „Der Stadtstaat Samaria", Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-Hist. Klasse, Bd. 101, Heft 5 (Berlin, 1954), S. 5 - 6 4 = KS, III, S. 2 5 8 - 3 0 2 . 4 „Der Stadtstaat", KS, III, S. 258ff. A. Alt rechnete mit der Residenz Jesreel schon für die Zeit Omris, der diese Stadt, aus der möglicherweise Bascha stammte,nach dem Recht des Eroberers von jenem übernommen habe („Der Stadtstaat", KS, III, S. 260). Belege für diese Annahme gibt es nicht. 5 Gefolgert aus der gegensätzlichen Situation über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit von Landkauf in Samaria lKön 16,24 und Jesreel lKön 21.

Samaria und Jesreel

143

Spannungen zwischen Israeliten und Kanaanäem, die noch zur Zeit Ahabs das Grundproblem des Staates Israel bildeten, seien durch eine Verdopplung der Residenz aufgefangen worden. Für den genuin israelitischen Bevölkerungsanteil des Staates sei in Jesreel eine Residenz geschaffen worden, für den nicht-jahwistischen Bevölkerungsteil um Samaria, „in dem vorzugsweise oder sogar ausschließlich nur Kanaanäer" siedelten, mit Samaria selbst eine zweite 6 . So sei Ahab in seinem Reich den Israeliten gegenüber als Israelii und den Kanaanäem gegenüber als Kanaanäer aufgetreten. Erst vom kanaanäisch geprägten Sondergebiet Samaria aus habe sich nun auch in Israel der Gedanke eines dynastischen Königtums durchsetzen können, so daß Omris Nachfolger ohne Wechsel über zwei Generationen auf dem Thron blieben. Bei Jehus Umsturz sei nicht nur der Baalskult in Samaria, sondern auch die staatsrechtliche Sonderstellung der Stadt und damit der innere Dualismus aufgehoben worden 7 . Die beiden wesentlichen Argumente, auf die sich A. Alt stützte, waren: der Kauf des Berges Samaria durch Omri (lKön 16,24), der nur nach kanaanäischem Recht möglich gewesen sei und: Angaben der Jehuerzählung, wonach die Bewohner Samarías die Möglichkeit gehabt hätten, neben und gegen Jehu einen König einzusetzen (2Kön

10,1-11).

Die Voraussetzung der These war aber, daß die Kraft und Wirkungsmöglichkeit eines kanaanäischen Bevölkerungselementes noch zur Zeit der Dynastie Omri so weit reichte, daß auf sie in staats- und verwaltungsrechtlicher Hinsicht Rücksicht genommen werden mußte. Belege für die Existenz einer maßgeblichen kanaanäischen Bevölkerung noch zur Zeit Ahabs sind jedoch schwerlich zu erbringen 8.

„Der Stadtstaat", K S , III, S. 267ff. — Die frühere Deutung des Ausgrabungsbefundes, wonach die omridische Stadt auf jungfräulichem Boden gebaut war, ist zu korrigieren. Es hat auf dem Platz, den Omri und Ahab so groß ausbauten, eine vorangehende Siedlung gegeben. Vgl. W. F. Albright, „Recent Progress in Palestine Archeology: Samaria-Sebaste III and Hazor II", BASOR, 150 (1958), S. 175—184; G. E. Wright, „Israelite Samaria and Iron Age Chronology", BASOR, 144 (1959), S. 1 3 - 2 8 . Dieses Faktum ließe sich ebenso auf eine israelitische wie auf eine „kanaanäische" Vorsiedlung beziehen. 6

7 „Der Stadtstaat", K S , III, S. 289ff. 8 Darauf ist schon in den Rezensionen hingewiesen worden: S. Mowinckel, ThLZ, 80 (1955), Sp. 2 0 1 - 2 0 6 ; A. Pohl, Orientalia, NS, 25 (1956), S. 166 und R. de Vaux, RB, 63 (1956), S. 1 0 0 - 1 0 6 .

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Die Erzählungen

Das erste Argument, das A. Alt für die Anwesenheit einer starken Kanaanäerschicht zur Zeit Omris beibrachte: der Kauf des Berges Samaria durch Omri, ist von ihm selbst noch relativiert worden: „Man wird allerdings mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß sich auch auf israelitischem Boden von frühen Zeiten an ein privater Grundbesitz ohne die sonst geltenden Einschränkungen der Verfügungsfreiheit des Inhabers entwickelte, wo durch die Initiative einzelner Familien Felder und besonders Wein- und Baumgärten abseits der Ackerflur der Ortsgemeinde, also zumeist wohl auf isolierten Kuppen (vgl. Jes 5,Iff) geschaffen wurden"8®. Leider kennen wir den Modus der Abwicklung des Kaufgeschäftes zwischen Omri und Schemer nicht. Eine ethnische Angabe über Schemer fehlt ebenfalls9. Über den Status des Kaufobjekts bleibt alles im Unklaren. Ein Terminus der Rechtssprache, wie ΠΤΠΧ oder nVm, wird nicht erwähnt. Da selbst nach A. Alt mit der Möglichkeit gerechnet werden muß, daß sich auch in Israel „von frühen Zeiten an" neben der nVm anderer Landbesitz mit freier Verfügbarkeit herausgebildet haben kann, wird man bis zum Erweis des Gegenteils daran festhalten dürfen, daß der Verkäufer, Schemer, Israelii gewesen ist. Bei seinem Landstück könnte es sich immerhin um eine „isolierte Kuppe" gehalten haben, die frei verfügbarer Besitz gewesen ist. Eines widerspricht allerdings nachdrücklich den staatsrechtlichen Konsequenzen, die A. Alt aus dem Verkauf gezogen hat: Aus dem rein privatrechtlichen Landverkauf zwischen Omri und Schemer müßte ein neues Staatsrecht entstanden sein. Das Gebiet des Stadtberges Samaria war vor dem Kauf Omris integraler Bestandteil des israelitischen Staates. Jedenfalls sind nichtisraelitische Exklaven in nachsalomonischer Zeit nicht bezeugt und auch nicht wahrscheinlich10, und doch müßte sich durch die privatrechtliche Aktion zwischen Schemer und Omri das Gebiet Samaria staatsrechtlich praktisch aus dem Staat Israel ausgegliedert haben 11 . Da das nicht gut vorstellbar ist, kann der privatrechtliche Kauf Sa8a „Der Stadtstaat", KS, III, S. 265 A 1. 9 Anders im Fall Abrahams Gen 23, der die Höhle Machpela vom „Hetiter" Efron ben Zohar kaufte und im Fall Davids, der die Tenne vom , Jebusiter" Arauna kaufte: 2Sam 24,15ff. 10 Die israelitisch-kanaanäische Gemengelage im Stammesgebiet Manasse hat staatsrechtlich in nachsalomonischer Zeit keine Bedeutung mehr. 11 Vgl. G. Buccellati, Cities and Nations of Ancient Syria, Studi Semitici, 26 (Roma, 1967), S. 186f.

Samaria und Jesreel

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marias nicht gut der Anfang eines „Stadtstaates Samaria" gewesen sein. Grundsätzlich setzt A. Alts Ansicht voraus, daß l K ö n 16,24 als authentische Nachricht gelten kann. Genau das bestreitet z.B. neuerdings E. Würthwein, da der Kaufbericht untrennbar mit der Ätiologie verbunden sei 1 2 . Falls mit E. Würthwein l K ö n 16,24a und 24b als später Zusatz anzusehen ist 1 3 , erübrigen sich alle Erwägungen über ein kanaanäisches Bodenrecht zu Omris Zeit. Das andere Argument für den politischen Sonderstatus der Stadt Samaria nahm A. Alt aus Angaben der Jehugeschichte. So berichtet 2Kön 10,Iff mit Ausführlichkeit von einem Briefwechsel zwischen Jehu und den Notabein Samarías. Wenn die Möglichkeit, daß es sich bei dem berichteten Briefwechsel nur um einen literarischen Kunstgriff handelt, grundsätzlich nicht völlig ausgeräumt werden kann 1 4 , sind Schlüsse fragwürdig, die sich auf die Gestaltung des Berichteten gründen. Von der Adresse des Briefes her, an die Beamten der Stadt 1 5 , die Ältesten und die Erzieher der Ahabsöhne, ist noch nicht auf einen Sonderstatus der Stadt zu schließen. Mit seinem Brief an die Beamten konnte Jehu hoffen, Zwietracht unter die Staatsführung zu sähen. Das gelang j a auch über Erwarten gut, denn „sie fürchteten sich über alle Maßen" (2Kön 10,4). Mit einer zerstrittenen Beamtenschaft aber konnte das führerlose Königshaus nicht hoffen, irgendetwas gegen Jehu auszurichten. Ein „Stadtobmann" (Τ57Π 1 » ) wird noch in Ri 9,30, l K ö n 22,26, 2Kön 23,8 genannt. Ob die Funktion dieses Amtes in Israel und J u d a völlig gleich gewesen ist, wissen wir nicht. Aus den beiden Nennungen für Israel ist noch nicht einmal mit Sicherheit auf ihre genaue Funktion im Nordreich zu schließen. l K ö n 22,26 sieht einen "WH in engstem Zusammenspiel mit einem "[VüH p als obersten Beamten der Polizei. Der Plural des Amtes in 2Kön 10,1 (anders V. 5) 1 6 scheint jedoch anzudeuten, daß für diesen Dienstadel noch andere Aufgaben möglich waren.

Das Erste Buch, S. 198f. Vgl. aber oben S. 42f. 1 4 Mit diesem Argument hat z.B. G. Buccellati, Cities and Nations, S. 190, Α. Alts These erschüttert. is Lies mit L X X , B H K 3 , BHS, App. z.St. „der S t a d t " statt MT: ,Jesreel". 1 6 L X X bietet auch hier Plural: oi έπί της πόλεως. Gab es jemals im Staat Israel zugleich mehrere "Van "IIS? 12 13

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Die Erzählungen

Die Stellung des „Hausobmanns" (ΤΓ3Π Vi? HPK) 17 soll nach lKön 18,2bff in Ahabs Zeit Obadja innegehabt haben. Auch wenn der historische Wert jener Erzählung wohl nicht übermäßig hoch zu veranschlagen ist, spricht sie nicht für einen Sonderstatus, den Samaria für eine kanaanäische Bevölkerungsgruppe gehabt hätte. Die „Erzieher" (D'IDK) werden im Alten Testament nicht mehr genannt. Ihre ethnische Herkunft und ihre exakte Funktion für den Hof lassen sich nicht erheben. Am ehesten könnten die „Ältesten" (O'ipT) als Kanaanäer angesehen werden. Doch reicht das noch nicht, einen Sonderstatus Samarías innerhalb des Reichsgefüges zu postulieren.

Einen Verrat der Beamtenschaft gegenüber dem Königshaus in Samaria hatte Jehu nicht nur erhofft, sondern durch seine Briefe initiiert. Von der Beamtenschaft, nicht von Jehu, wurden die wichtigsten Repräsentanten des Königshauses umgebracht und körbeweise zu Jehu geschickt. Jehu hielt nach seinem Einzug nur noch eine (gründliche) Nachlese. Daß die Adresse an die wankelmütige Beamtenschaft primär staatsrechtliche Gründe hatte, erscheint nicht wahrscheinlich. Wenn es zu Beginn der Herrschaft Omris mehrere rivalisierende „Könige" gab, ohne daß daraus auf staatsrechtliche Unterschiede geschlossen werden kann, so sollte das auch nicht aus dem spöttischen Wort Jehus, daß sich die Bewohner Samarías einen Ahabnachkommen 18 auf den Thron setzen könnten, gefolgert werden. So wie es bei Omris Regierungsantritt mehrere Rivalen gegeben hat, die Omri erst niederkämpfen mußte, so gibt Jehu zu verstehen, daß er auch vor einem — legitimen! — Gegenkönig keinen Respekt haben werde. Seine Drohimg bewirkt das Eingehen auf seinen Vorschlag: Samaria wird kampflos übergeben. Mit der Inbesitznahme der Stadt Samaria und der Zerstörung des dortigen Baalstempels kommt der Bericht über Jehus Aufstieg zum Ende. Sofern man den Bericht als authentisch ansieht, hatte Jehu seinen Putsch auf dieses Ziel hin angelegt. Erst die Einnahme Samarías brachte ihm die tatsächliche und vollgültige Anerkennung als König. Nach A. Alts Auffassung hätte Jehu aber eigentlich schon mit LXX bietet auch hier Plural: oi έπί τού οίκου. Vgl. Anm. 16. ι» Die Nennung der Ahabnachkommen — im Munde Jehus! — macht klar, daß auch von ihm der Normalfall der dynastischen Thronfolge anerkannt wurde. Erst mit der Beseitigung aller Ahabnachkommen, in Jesreel und Samaria, erlosch offensichtlich der erbrechtliche Anspruch auf den Thron. 17

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der Inbesitznahme Jesreels als König Israels anerkannt sein müssen. Samaria war doch (nur) die Stadt der kanaanäischen Reichsbevölkerung. Wollte Jehu auch König der „Kanaanäer" werden? Wenn Samaria noch zu Zeiten Jorams eine vorwiegend kanaanäische Stadt gewesen wäre, könnte man auch erwarten, daß Jehu nach der Zerstörung des dortigen Baalstempels die Residenz des Reiches in eine stärker israelitisch geprägte Stadt verlegte. Doch blieb Samaria — nicht Jesreel! — Jehus Residenz und blieb auch Residenz nach dem Untergang seiner Dynastie! Doch bleibt die Frage nach der Bedeutung Jesreels. lKön 18,41ff berichtet, daß Ahab, nachdem Elija auf dem Karmel Regen gebracht hatte, direkten Weges nach Jesreel gefahren ist. Hier scheint demnach der Erzähler seine Residenz angesetzt zu haben 19 . Nach lKön 21,Iff soll der Jesreelit Nabot unmittelbar neben dem königlichen Palast seinen Weinberg gehabt haben 20 . In Jesreel kurierte Joram seine Wunden, die ihm die Aramäer im Kampf um Ramot beigebracht hatten: 2Kön 8,29; 9,14f. In Jesreel waren die „Großen" 21 , Verwandten und Priester des Ahabhauses, die Jehu ausrottete (2Kön 10,13). In Jesreel konnten auch die Söhne der Königsmutter angetroffen werden (2Kön 10,13). In Jesreel hielt sich Isebel auf, als sie vom Mord an Joram erfuhr. Hier schmückte sie sich und „blickte durchs Fenster" (|V?nn 1573 ηρρηΐ) 22 . Daß alle Mitglieder des Hofstaates sich nur zum Anlaß der Genesung Jorams in Jesreel aufhielten, ist kaum anzunehmen. Die Aussage über Ahab lKön 18,4Iff spricht dafür, daß Jesreel mehr war als nur ein Genesungsort. Mindestens Teilfunktionen einer Residenz muß Jesreel seit Ahabs Zeit an sich gezogen haben. Aber den Schluß, daß Jesreel Hauptstadt des « siehe oben S. 67. 20 Siehe oben S. 114. 21 LXX VVXJ! 22 Aufgrund der Belege aus Ägypten wird neuerdings vielfach angenommen, daß es sich beim Auftritt Isebels um einen offiziellen Auftritt am „Erscheinungsfenster" gehandelt hat (Ο. H. Steck, Uberlieferung, S. 57 A 3). Andere Belege dieses höfischen Zeremoniells fehlen jedoch für Israel. Im Übrigen bleibt es eine offene Frage, welche juristischen Implikationen damit verbunden waren, wenn die Königsmutter im Erscheinungsfenster auftrat. In Ägypten wurden jedenfalls vom Erscheinungsfenster vorwiegend nur Ehrungen der Offiziere und Beamten vollzogen. Von Auftritten am Erscheinungsfenster beim Thronwechsel wird nichts berichtet. Siehe auch unten S. 296f.

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Die Erzählungen

jahwistischen Reichtsteils geworden sei, erlauben die Quellen nicht. Immerhin sind am Ort Priester (n^na) des Ahabhauses ermordet worden (2Kön 10,II) 2 3 . In Jesreel hat es demnach Kulteinrichtungen des Königshauses gegeben 24 , die neben den jahwistischen Heiligtümern Bet-El und Dan bestehen konnten. Wenn Jesreel aber nicht die Hauptstadt nur für einen jahwistischen Bevölkerungsteil gewesen ist, bleibt zur Deutung seiner Funktion neben Samaria immer noch die alte Annahme 25 , daß es sich bei den beiden Städten um eine Sommer- und Winterresidenz gehandelt hat. Das Nebeneinander solcher Saisonalresidenzen ist nicht nur aus den Großreichen Ägypten und Mesopotamien, sondern ausdrücklich auch im syro-palästinensischen Raum bezeugt 26 . Zwar fehlen für die omridische Zeit eindeutige Hinweise auf einen Jahwetempel in der Stadt Samaria, doch scheint auch Samaria in späterer Zeit ein kultisches Zentrum geworden zu sein27. Bis Jehu hatte die Stadt 28 ja mindestens einen Baalstempel gehabt. Über den rechtlichen Status des Baalstempels ist nichts bekannt. In Analogie zu den Tempeln, die Salomo seinen Frauen in und um Jerusalem errichtet hat, mag 23

Deuteronomistisch? Vgl. oben S. 137f. » Gegen A. Alt, „Der Stadtstaat", KS, III, S. 285 A 1. 25 Siehe oben S. 142. M Vgl. Sam'al: KAI, Nr. 216,18ff und aus späterer Zeit Edessa: L. Hallier, Untersuchungen über die edessenische Chronik, TU, Bd. XI (Leipzig, 1893), S. 85 ff. 27 Die Ausgrabungen haben keinen eisenzeitlichen Tempel innerhalb des ummauerten Stadtberges ausfindig machen können. Wenn es ein bedeutendes Tempelgebäude in der Stadt gegeben hat, müßte es sich auf dem Areal erhoben haben, das später vom Augustustempel besetzt wurde. Die Planierungsaibeiten, die vorgenommen wurden, um die Fundamente des herodianischen Tempels zu sichern, haben die früheren Siedlungsschichten so gründlich gestört, daß heute kaum noch Rekonstruktionen an dieser Stelle möglich sind, vgl. J . W. Crowfoot/K. M. Kenyon/E. L. Sukenik, The Buildings at Samaria (London, 1942), S. 123-127. 28 Der Text sagt nicht exakt, wo der Tempel stand. Bei den Grabungen ist außerhalb des Stadthügels, nicht weit von der Straße nach Näqüra ein etwas rätselhaftes Bauwerk entdeckt worden. Anfangs entschieden sich die Ausgräber dafür, es als Grabanlage zu deuten, meinten dann jedoch, daß es „an Israelite shrine" sein könne (J. W. Crowfoot/K. M. Kenyon/E. L. Sukenik, The Buildings (Samaria-Sebaste I), S. 23f, Pl. I, Nr. 27). Die naheliegende Gleichsetzung mit dem durch Jehu zerstörten Baalstempel haben sie nicht vollzogen. Erlaubte die in großen Mengen angefallene Keramik keine genauere Fixierung?

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es sich auch bei diesem Baalstempel um einen für die Königsfrau gehandelt haben. Das israelitische Volk scheint seiner Zerstörung jedenfalls nicht nachgetrauert zu haben. Im übrigen stand dieser Tempel in einer Stadt, die in Jehus Zeit gerade eine Generation existierte und über die nur das Königshaus Gewalt hatte.

Für die Existenz eines Jahwetempels in der Hauptstadt des Nordreiches fehlen die eindeutigen Belege. Doch kann dies durch die Uberlieferung begründet sein, da Hinweise auf einen Jahwetempel in der Stadt Samaria stets als Konkurrenz für den Tempel in Jerusalem gelten mußten. Auch die beiden jahwistischen Heiligtümer in Dan und Bet-El sind durch die judäische Uberlieferung genug in Mißkredit gebracht worden. Immerhin haben aber einige Stellen im AT doch Anlaß gegeben, auf einen solchen Jahwetempel in Samaria schließen zu lassen. Zuerst sei noch einmal auf die Stelle lKön 16,32 hingewiesen, die vielleicht einmal davon sprach29, daß Ahab in Samaria, im qtiVn ÍT3 einen Baalsaltar errichtete. Zwar sind Schlüsse auf einen „Urtext" über die LXX immer mit einem Vorbehalt zu versehen, aber im Hinblick auf die andere Hauptstadt, Jerusalem, liegt doch die Annahme nahe, daß auch Samaria mit einem Tempel des Reichsgottes ausgestattet war. Aus späterer Zeit stammt die Aussage Hos. 8,5, wo die Rede ist vom „Kalb Samarías" (jn»» "jVl»)30. Unter diesem Ausdruck muß — im Hinblick auf die Heiligtümer in Dan und Bet-El — auf jeden Fall ein jahwistisches Kultbild verstanden werden. Folgt man A. Alt 3 1 in der Auffassung, daß „Samaria" als Landschaftsname erst seit 722 v.Chr., als die Assyrer die Provinz Samaria errichteten, auch in Israel in Gebrauch kam, müßten alle Stellen des Hoseabuches, wo „Samaria" auftritt, allein auf die Hauptstadt des Nordreiches bezogen werden. Das hätte zur Folge, daß auch Hos. 8,5 mit seiner Rede vom „Kalb Samarías" auf einen Jahwetempel in dieser Stadt gedeutet werden müßte 32 . Geht man dieser Konsequenz dadurch aus » Siehe oben S. 32f. 30 Zur Begründung der Abgrenzung Hos 8,4—6 vgl. H. Donner, Israel unter den Völkern, Supplements to Vêtus Testamentum, XI (Leiden, 1964), S. 55f. 31 „Die Rolle Samarías bei der Entstehung des Judentums", Festschrift O. Procksch (Leipzig, 1934), S. 5 - 2 8 = A. Alt, KS, II, S. 3 1 6 - 3 3 7 (S. 319f). 32 A. Alt ist diesem Schluß dadurch ausgewichen, daß er in B. Duhms Nachfolge den Ausdruck |1*1ÖÜ *7ÏS für eine „sekundäre literarische Nachbildung" ansah: „Der Stadtstaat Samaria", KS, III, S. 295 A 2. Von neueren Kommentatoren ist ihm darin niemand gefolgt.

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Die Erzählungen

dem Weg, daß für den Ausdruck Vi» das Heiligtum in Bet-El in Anspruch genommen wird, so müßte in diesem Ausdruck „Samaria" als überlokaler Begriff angesehen werden 33 . Das hieße dann auch, daß ein Regionalbegriff „Samaria" schon vor 722 v.Chr. in Israel in Gebrauch gewesen sein muß. Mit anderen Worten: entweder hat es in der Hauptstadt vor 722 v.Chr. ein Jahwekultbild (mit einem Jahwetempel?) gegeben, oder „Samaria" war schon vor 722 v.Chr. ein Regionalbegriff. Hos. 7,1—2s4 redet vom Offenbarwerden (nViJ) der Verschuldung des Volkes. Dabei wechselt der Text von „Israel" zu „Efraim" und zu „Samaria". Die drei 35 Ausdrücke könnten jeweils die gleiche Sache unter verschiedenem Gesichtspunkt meinen, indem die Adressaten einmal unter heilsgeschichtlichem, einmal unter ethnischem und einmal unter politischem Aspekt angesprochen werden. Die Ausdrücke könnten jedoch auch so verstanden werden, daß in ihnen eine Zuspitzung der Anrede vorliegt, die vom umfassendsten Begriff „Israel" zum engeren „Efraim" und schließlich zur Hauptstadt Samaria selbst hinführt. Wird die letztere Auffassung bevorzugt, so ergäbe sich daraus ein Hinweis auf ein Kultzentrum in Samaria als Stadt 36 . Hos. 10,5—8 37 spricht vom Untergang der mVis?38 Bet-Awens. Die Bewohnerschaft „Samarías" soll um deren Untergang bangen39. Für H. W. Wolff ist es sicher, daß Samaria auch hier allein die Haupt33 Daß das Stierbild in Bet-El als Reichsheiligtum auch mit dem Ausdruck „Kalb Samarías" benannt werden konnte, wobei „Samaria" innerhalb dieser Zusammensetzung allein die Stadt meine, ist unwahrscheinlich. Gegen H. W. Wolff, Dodekapropheton 1: Hosea, Biblischer Kommentar Altes Testament, XIV, 1,2. Aufl. (Neukirchen-Vluyn, 1965), S. 180. 34 Zum möglichen Zusatzcharakter von Hos 7,1a vgl. W. Rudolph, Hosea, Kommentar zum Alten Testament, XIII, 1 (Gütersloh, 1966), S. 114f; I. WilliPlein, Vorformen der Schriftexegese innerhalb des Alten Testaments, BZAW, 123 (Berlin/New York, 1971), S. 155f. Anders H. W. Wolff, Dodekapropheton 1, S. 136ff. 35 Falls Hos. 7,1a als späterer Zusatz akzeptiert wird, nur die beiden Ausdrücke „Efraim" und „Samaria". 36 Zum Verhältnis „Israel" und „Efraim" im Hoseabuch vgl. I. Willi-Plein, Vorformen, S. 2 3 6 - 2 4 1 . 37 Zur Textabgrenzung vgl. W. Rudolph, Hosea, S. 195 f. 38 Die Versionen bieten den Singular. „Der Fehler scheint nur durch aberratio oculi auf r r a erklärbar", I. Willi-Plein, Vorformen, S. 185. 3» Zur Bedeutung des Wortes US vgl. W. Rudolph, Hosea, S. 195f.

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Stadt meint 4 0 . Doch ist der Spruch besser verständlich, wenn der Ausdruck „Bewohnerschaft Samarías" auch die Einwohner BetAwens und des zwischen Bet-Awen und der Stadt Samaría gelegenen Gebietes meint. Diesem Verständnis fügt sich besser ein, daß Hos 10,7f vom Weggetriebenwerden (?) des Königs 41 und der Zerstörung der Kultstätten (Plural!), d.h. vom Untergang des Staates 42 , spricht. Eine auf die Hauptstadt eingeschränkte Bedeutung des Ausdrucks „Samaria" befriedigt hier nicht. Hos 14,1 droht den Einwohnern „Samarías" an, daß sie durchs Schwert fallen und ihre Kinder und Schwangeren im Krieg umkommen sollen. „Samaria" könnte in diesem Zusammenhang ebensogut die Einwohner der Stadt wie auch die einer Region meinen. Die Stellen, an denen „Samaria" bei Hosea vorkommt, geben keine Sicherheit, ob der Ausdruck allein auf die Hauptstadt oder schon auf einen Regionalbegriff zu beziehen ist. Letzteres legt sich allerdings in Hos 10,5—8 sehr nahe. Da neuerdings durch eine Inschrift des assyrischen Königs Adad-Neräri III. 43 die Herkunftsbezeichnung „Samarier" 44 für den König Joasch von Israel schon fünfzig Jahre vor dem Untergang des Nordstaates bezeugt ist, bedarf A. Alts Auffassung, daß Samaria erst seit 722 v.Chr. als Landschaftsname gebräuchlich wurde, doch wohl der Modifikation. Auf den Spruch Am 8,14 „Die da schwören bei der Aämat Somrön (p"l»1P nnew) und sprechen: es lebe dein Gott Dan ( p -pnVN Tl) und es lebe der Weg Beerschebas (S73B? "isa "|Π τι), sie sollen fallen und 40

Dodekapropheton 1, S. 288. W. Rudolphs Bezug von "[VQ auf Baal (Hosea, S. 197f) ist unwahrscheinlich. Mit J. Wellhausen ist die Zäsur hinter |HÖB zu setzen (vgl. BHS App.z.St.), so daß der Text vom menschlichen König der Stadt spricht. 42 Zu dieser Auffassung vgl. I. Willi-Plein, Vorformen, S. 185. 43 S. Page, „A Stela of Adad-nirari III and Nergal-ereS from Tell al-Rimah", Iraq, 30 (1968), S. 1 3 9 - 1 5 3 . 44 Wie der Regent Män' von Aram(?) der Regent des Staates Tyrus ( K U R Sur-a-a) und der Regent des Staates Sidon ( KUR Si-du-na-a-a) wird auch Joasch hier als Regent des Staates Samaria (K1^RSa-me-ri-na-a-a) bezeichnet. Man erwartet eher die Bezeichnung der Stadt (URU)! Doch werden in dieser Zeit die Zeichen KUR und URU von den assyrischen Schreibern nicht mehr säuberlich geschieden, sondern häufig promiscue gebraucht, vgl. S. Parpóla, Neo-Assyrien Toponyms, passim. So wie der Text steht, ist er eine Herkunftsbezeichnung, die bedeutet „aus dem Staat//Land Samaria"! 41

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Die Erzählungen

nicht m e h r a u f s t e h e n " , ist schon viel Mühe verwandt w o r d e n . V o n einem einhelligen Textverständnis kann keine R e d e sein. Für Th. H. Robinson 4s war der Spruch eine Aussage über /aAwebilder in Samaria, Dan und Beerscheba. Für A. Weiser 46 hingegen eine Aussage über kanaanäische Lokalkulte. A. Alt erwog beide Möglichkeiten, daß der Spruch einerseits auf traditionelle kanaanäische Kulte anspiele, andererseits aber wohl eher eine Schwurformel aus Jahweheiligtümern dieser Orte sei 47 . H.W. Wolff ordnet den Spruch der Amosschule zu, wobei das Verständnis bei/a/iiueheiligtümern bleibt 48 . W. Rudolph sieht in ihm frühdeuteronomistische Polemik gegen den falschen Jahwekult des Nordreiches, der sich nicht am Heiligtum Jerusalems ausrichtete 49 . Für I. WilliPlein ist der Wortlaut (nach einer geringfügigen Textänderung) eine Polemik gegen das Schwören bei nichtjahwistischen Gottheiten, die erst nach Amos einsetze 50 . Angesichts solcher Diskrepanzen wird m a n vorsichtig. Richtig scheint soviel zu sein, daß das Schwören bei j n ö t f

p

-pn 1 ?« und

3?3®—1X3 - p T die Begründung für das angesagte Fallen-und-nichtmehr-aufstehen ist. Der Hinweis darauf, daß Polemik gegen das Schwören bei fremden Göttern erst in der Zeit nach Amos aufkam und der Spruch Am 8,14 dementsprechend nicht vom Propheten sein kann 51 , kann nur dann als Argument gelten, wenn sicher wäre, daß es sich hier wirklich um Fremdgötter handelt. Das ist aber z.B. für ]*T "pn^N nicht zu belegen. Bislang sind bekanntlich auch keine Parallelen dafür beigebracht worden, daß J a h w e mit den E p i t h e t a n»ffX 5 2 und (»3ff ΊΝ3) " p i 5 3 be-

Th. H. Robinson/F. Horst, Die Zwölf Kleinen Propheten: Hosea bis Micha, Handbuch zum Alten Testament, Erste Reihe, 14, 3. Aufl. (Tübingen, 1964), S. 32f. 4 6 Das Buch der Zwölf Kleinen Propheten, Das Alte Testament Deutsch, 24/1, 4. Aufl. (Göttingen, 1963), S. 199. ν „Der Stadtstaat", KS, III, S. 294ff. 4 8 Dodekapropheton," 2, S. 393ff. Dan war schon vor 722 vom Staat Israel abgetrennt (2Kön 15,29,30; ANET 3 , S. 283f). Wäre bei einer frühdeuteronomistischen Entstehung des Spruches eine Polemik gegen diesen Ort noch nötig gewesen? 4 9 Joel-Amos-Obadja-Jona, Kommentar zum Alten Testament, XIII/2 (Gütersloh, 1971), S. 269f. so Vorformen, S. 5 lf. si Vorformen, S. 51f. 52 Hat die L X X mit ihrem ¿λασ/ιός wirklich dieselbe Vorlage wie der MT gehabt? 5 3 Die beliebte Konjektur von * ] Π zu *|Π nach der Mescha-Inschrift Z. 12 45

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nannt worden wäre. Das liegt jedoch an unserer mangelhaften Überlieferung aus dem Nordreich. Jedenfalls ist für Dan nur ein jahwistisches Heiligtum bekannt. Und auch für Beerscheba sprechen Gen 21,23f; 26,23ff und 46,Iff nur von einer Kultgründung durch die hebräischen Patriarchen. In solchem Zusammenhang möchte man daher auch die pia® DD®« am ehesten auf ein Jahweheiligtum in der Stadt Samaria deuten. Angesichts der dunklen Ausdrücke bleibt hier aber alles unsicher. Micha l , 6 f 5 4 kündigt der Stadt Samaria die totale Zerstörung an. Bei ihrem Untergang sollen auch ihre a^'OB, Dmnx und a^as» zerstört werden. Von diesen Ausdrücken her ist leider nicht zu entscheiden, ob jahwistische oder nichtjahwistische Kultgegenstände in Samaria gemeint sind. D,1?'OS werden im Michabuch nur noch 5,12f genannt. Dort stehen sie in Parallele zu Masseben, dem Machwerk der Hände und zu ASeren (ÍHPS7D, ΓΠ32ί0 ΒΉΦΝ, D , T') also eindeutig nichtjahwistischen Kultsymbolen. Doch ist für 5,12f die Verfasserschaft Michas nicht unbestritten s s , so daß von dieser Stelle auf Mi l,6f kein Licht fällt. Anderswo können D ^ O B sowohl Gegenstände des Jahwekultes (vgl. Ri 17,4; 18,18 u.ö.), aber auch Gegenstände des nichtjahwistischen Kultes bezeichnen (vgl. Dtn 12,4; 2Kön 21,7 u.ö.). Die D'lJnN werden einerseits seit J . Wellhausen gern zu ΓΠΦΝ konjiziert S6 , andererseits als Zusatz ganz aus dem Text e n t f e r n t S o helfen sie nicht klären, was (Mi 1,7) die zuletzt genannten meinen. Zumal auch diese D'aXS? als Zusatz gestrichen werden s8 .

stammt von H. Winkler, Alt orientalische Forschungen, II, 3/1: Die Zeitangaben Mesas (Leipzig, 1900), S. 401—407. Doch ist das Verständnis der MeschaInschrift an dieser Stelle (siehe unten S. 167) schon fraglich. Die Konjektur bessert somit nichts. M Zum kontroversen Textverständnis vgl. H. Donner, Israel unter den Völkern, S. 92—105, G. Fohrer, „Micha 1", Das ferne und das nahe Wort (Festschrift L. Rost), Hg. F. Maass, BZAW, 105 (Berlin, 1967), S. 6 5 - 8 0 ; V. Fritz, „Das Wort gegen Samaria Mi 1 , 2 - 7 " , ZAW, 86 (1974), S. 3 1 6 - 3 3 1 ; W. Rudolph, Micha-Nahum-Habakuk-Zephanja, Kommentar zum Alten Testament XIII/3 (Gütersloh, 1975), S. 37ff. ss Vgl. I. Willi-Plein, Vorformen, S. 95f. Anders W. Rudolph, Micha, S. 33ff. s« Vgl. I. Willi-Plein, Vorformen, S. 71. 57 Vgl. G. Fohrer, „Micha 1", s. 70; V. Fritz, „Das Wort", S. 320; W. Rudolph, Micha, S. 33; BHK 3 , BHS App. zur Stelle. 58 Vgl. H. Donner, Israel, S. 94; I. Willi-Plein, Vorformen, S. 71. Anders G. Fohrer, „Micha 1", S. 70; W. Rudolph, Micha, S. 33.

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Die Erzählungen

Ob man DMirm oder o n x » in Mi l,6f beläßt oder nicht, deutlich wird in diesem Text von Kultgegenständen in Samaria gesprochen, die ebenso wie die Stadt selbst verwüstet werden sollen. Die zeitliche Einordnung des Textes Mi l,6f ist kontrovers. Wird für Mi l,2ff über V. 7 hinaus eine literarische Verbindung mit dem Folgenden (V. 8ff) angenommen, so ist der Text dem Propheten selbst zuzuordnen und zeitlich vor der Zerstörung Samarías anzusetzen s9. Wird der Text Mi 1,2—7 literarisch vom Folgenden getrennt, so ist Michas Autorschaft zweifelhaft und der Text kann in späterer Zeit entstanden sein 60 . Die inhaltliche und sachliche Verbindung zwischen Mi 1,2—7 und 8—9 ist jedoch so eng, daß eine Abtrennung des Textes 1,2—7 vom Folgenden nicht zu rechtfertigen ist. Daher kann an der Autorschaft Michas festgehalten und der Text zeitlich vor 722 v.Chr. angesetzt werden 61 .

Wie sehr Micha mit seiner Unheilsandrohung Recht bekommen sollte, ist nicht allein aus 2Kön 17 ablesbar, sondern wird detaillierter noch durch Aussagen der assyrischen Könige Salmanassar V. und Sargon II. deutlich. So rühmt sich Sargon II.62 die Götter der Samarier erobert und nach Assur geschleppt zu haben: „Die [Sajmarier, die mit einem mir [feindlichen?] König übereingekommen waren, keine Untertänigkeitsbezeugung [und keinen] Tribut [und keine Abgabe?] mehr zu [leis]ten . . . führten Krieg. [Dur]ch die Kraft der großen Götter, meiner Herren, kämpfte ich [mi]t ihnen [und bewirkte ihre Niederlage (?)]. [2]7 280 Leute samt [ihren] Streitwagen und den Göttern ihres Vertrauens zählte ich als Beu[te]. 200 Streitwagen musterte ich für [meine] königliche] Leibgarde unter ihnen. Und ihren Rest ließ ich inmitten des Landes Assur Wohnung nehmen. Die Stadt Samaria stellte ich wieder her und machte sie größer als zuvor. Leute von Ländern, die meine Hände erobert hatten, ließ ich (in sie) einziehen. Meinen „Kommissar" setzte ich s9

Vgl. H. Donner, Israel, S. 92ff; G. Fohrer, „Micha 1", S. 69ff; W. Rudolph, Micha, S. 32 ff. So V. Fritz, „Das Wort", S. 327ff. 61 V. Fritz' eigentliches Argument gegen Michas Verfasserschaft ist, daß dieser Text als einziger gegen Samaria gerichtet sei („Das Wort", S. 327ff). Doch reicht dieses Argument nicht aus, den Text dem Propheten abzusprechen. Warum sollte nicht auch der Judäer Micha gegen Samaria ein Wort gerichtet haben!? 62 C. J . Gadd, „Inscribed Prisms of Sargon II from Nimrud", Iraq, 16 (1954), S. 173-201, Col. IV: 2 5 - 4 1 . Vgl. die Übersetzung in TGI 2 , S. 60 und in: Von Sinuhe bis Nebukadnezar, Dokumente aus der Umwelt des Alten Testaments, Hg. A. Jepsen (Berlin, 1975), S. 171.

Samaria und Jesreel

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als Gouverneur über sie und zählte sie zu den Leuten des Landes Assur . . . " Auf welches historische Ereignis sich die obige Aussage Sargons II. bezieht, ist unsicher. Der Text läuft weitgehend parallel mit Aussagen, die sich bei Sargon sonst zum Akzessionsjahr finden63. Daß muß aber nicht bedeuten, daß sich diese Aussage tatsächlich auf eine Eroberung Samarías in Sargons 1. Palû oder Uberhaupt auf eine Eroberung Samarías durch Sargon II. bezieht. Denn nach Aussagen der babylonischen Chronik hat schon Salmanassar V. Samaria erobert 64 . Wahrscheinlich hat sich also Sargon II. der Leistung gerühmt, die tatsächlich sein Vorgänger, Salmanassar V., ausgeführt hatte 6 S . Möglich ist allerdings auch die Annahme, daß nach Salmanassars V. Eroberung in Samaria Aufstände ausbrachen, die Sargon II. dann niederschlagen mußte 6 6 . Dann kann es sich bei den angeblich von Sargon II. eroberten Götterstatuen auch schon mit um Kultbilder der Leute gehandelt haben, die nach der Eroberung der Stadt durch Salmanassar V. von ihr Besitz ergriffen 67 .

Der Text Sargons II. berichtet vorerst als einziger von der Eroberung und Verschleppung samarischer Götter (Plural!). Daß dieses eine irrtümliche Angabe und hier nur als Formel in den Text eingedrungen sei 68 , ist bei aller Problematik des Textes nicht zu erweisen. So kann man wohl doch damit rechnen, daß bei einer Eroberung Samarías aus der Stadt Götterstatuen und ähnliches Kultgerät weggeschleppt worden sind. So problematisch die Aussagen zu einem Jahweheiligtum in Samaria im Einzelnen auch sind, sie schließen ein jahwistisches Heiligtum in der Nordreichshauptstadt mindestens kurz vor dem Ende des Staates nicht endgültig aus. Für die Zeit der Dynastie Omri fehlen entsprechende Aussagen. Daß jedoch Samaria seit Omri für mehrere israelitische Dynastien gänzlich ohne jahwistisches Heiligtum gewesen sein 63

Vgl. C. J . Gadd, „Inscribed Prisms", S. 181; AN ET 3 , S. 284a-287a. Zum Text der babylonischen Chronik, die dies explizit aussagt, vgl. TGI 2 , S. 60. 65 So zuletzt S. Herrmann, Geschichte Israels in alttestamentlicher Zeit (München, 1973), S. 311. 66 So C. J . Gadd, „Inscribed Prisms", S. 181 ; Von Sinuhe bis Nebukadnezar, S. 171. Vgl. aber auch die differenzierte Stellungnahme bei M. Cogan, Imperialism and Religion: Assyria, Judah and Israel in the Eighth and Seventh Centuries Β. C. E. Society of Biblical Literature Monograph Series, Vol. 19 (Missoula, 1974), S. 99f, 103ff. 67 So glaubte z.B. C. Gadd, „Inscribed Prisms", S. 181 den Text verstehen zu müssen. ββ So TGI 2 , S. 60 A 1. 64

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Die Erzählungen

soll, ist noch immer schwer zu glauben. Eine antike Residenz, wie es Samaria für einige Dynastien und etliche Generationen war, ist kaum ohne Heiligtum des Nationalgottes vorstellbar. Hingegen sank Jesreel bald nach dem Blutbad, das Jehu hier angerichtet hatte, wieder auf seine unbedeutende Rolle herab. Der Ort hat noch nicht einmal in späterer Zeit die Rolle eines Verwaltungsvorortes gespielt. Gegenüber der Pracht Samarías (vgl. J e s 28) wurde Jesreel nur einmal in seiner Geschichte mit einem Palast ausgezeichnet — und berüchtigt genau durch die Ereignisse, die sich hier abspielten (Hos 1,4).

DRITTER TEIL

AUSSERBIBLISCHE NACHRICHTEN ZUM REICHE ISRAEL UNTER DER DYNASTIE OMRI

Die biblischen Erzählungen, in denen Könige aus dem Haus Omri als handelnde Personen vorkommen, haben über sie kaum je etwas Positives zu sagen. Das Anliegen der Erzählungen, die es überwiegend mit Propheten und ihrem Wort zu tun haben, geht in eine andere Richtung als die, historische Sachverhalte zu schildern. Die verschiedenen schematischen Aussagen über Könige aus dem Haus Omri, die das Rahmenwerk des Königsbuchs bietet, werden in ihrer Eigenart erst beim genauen Vergleich mit den übrigen Angaben deutlich. Dann zeigt sich jedoch, daß in ihnen teilweise Details mitgeteilt werden — wie Kauf Samarías, Isebels Vatersname und Herkunft, Ahabs Städtebauten usw. — die schon durch die Erzählungen nicht gedeckt werden. Darüber hinaus geben die Beurteilungen, besonders der Könige Omri und Ahab, zu verstehen, daß ihre Regierungszeit als besondere Epoche der israelitischen Geschichte angesehen werden sollte. Insofern ist man dankbar für jeden Hinweis aus Israel selbst oder aus den umliegenden Ländern, der Aussagen für diese besondere Periode zuläßt. Die Ausgrabungsfunde in Israel und im Orient geben unerwartete Einblicke in den Stand der israelitischen Architektur, Baukunst, in sein Handwerk usw., bieten aber einer Interpretation gerade wegen ihrer „Sprachlosigkeit" einiges an Spielraum 1 . Literarische Zeugnisse nennen demgegenüber Namen, 1

Vgl. die Diskussion um die „Pferdeställe Salomos" in Megiddo, die mit Salomes Zeit nichts zu tun haben: J.W. Crowfoot, „Megiddo — A Review", PEQ, 72 (1940), S. 1 3 2 - 1 4 7 ; K.M. Kenyon, „The Evidence of the Samaria Pottery and its Bearings on Finds at other Sites", in: J.W. Crowfoot/G.M. Crowfoot/K.M. Kenyon, The Objects from Samaria (London, 1957), (SamariaSebaste III), S. 1 9 9 - 2 0 4 ; W.F. Albright, „Recent Progress in Palestine Archaeology: Samaria - Sebaste III and Hazor I", BASOR, 150 (1958), S. 2 1 - 2 5 ; G.W. Wright, „Israelite Samaria and Iron Age Chronology", BASOR, 155

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Außerbiblische Nachrichten

Zahlen und Fakten. Je näher ein Land an Israel gelegen war, um so zahlreicher sind die Angaben in seinen Urkunden auch für Israel. So bietet allein eine moabitische Inschrift, die Meschastele, eine Fülle von Ortsnamen aus dem israelitisch-moabitischen Grenzgebiet, woraus sogar auf die Siedlungsverteilung zwischen Israel und Moab geschlossen werden kann. Die Nachrichten der ferner liegenden Assyrer sind an Israel nur als politischem und militärischem Gegner interessiert. Die sich darin niederschlagenden Zahlenverhältnisse lassen aber auch Schlüsse auf die wirtschaftlichen und politischen Relationen Israels zu seinen Nachbarn zu und stellen Israel damit in den Rahmen all der politischen Bezüge, die die alttestamentlichen Nachrichten mehr verschweigen als aussagen.

1. Kapitel: Die Inschrift des Königs Mescha von Moab Die Inschrift Meschas, die vor mehr als hundert Jahren (1868) bei Dibän gefunden wurde, hat seit ihrer ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung (1886) immer neu zur Diskussion verschiedenster Probleme angeregt. Nach der ausgedehnten Diskussion sprachlicher Fragen der Inschrift durch S. Segert2 und der Kommentierung historischer Fragen durch W. Röllig in KAI 2 , Nr. 181, soll im Folgenden nur auf Punkte eingegangen werden, wo von den neueren Übersetzungen abgewichen wird. Der Text 3 lautet:

(1959), S. 1 3 - 2 9 ; Y. Yadin, „New Light on Solomon's Megiddo", BA, 23 (1960), S. 6 2 - 6 8 ; J.B. Pritchard, „The Megiddo Stables: A Reassessment", in: Near Eastern Archaeology in the Twentieth Century, Essays in Honor of Nelson Glueck, Hg. J . A. Sanders, (Garden City, 1970), S. 2 6 8 - 2 7 6 u.a. 2 „Die Sprache der moabitischen Königsinschrift", Archiv Orientálnf, 29 (1961), S. 1 9 7 - 2 6 7 . Vgl. auch F.J. Andersen, „Moabite Syntax", Orientalia (NS), 35 (1966), S. 8 1 - 1 2 0 . 3 Der moabitische Text in KAI, I, Nr. 1 8 1 . Neuere Ubersetzungen oder Kommentare in J.C.L. Gibson, Textbook of Syrian Semitic Inscriptions, I: Hebrew and Moabite Inscriptions (Oxford, 1 9 7 1 ) , S. 71—84; Religionsgeschichtliches Textbuch zum Alten Testament, Hg. W. Beyerlin, Grundrisse zum Alten Testament, Bd. 1 (Göttingen, 1975), S. 2 5 3 - 2 5 7 , partiell auch in: Von Sinuhe bis Nebukadnezar, Dokumente aus der Umwelt des Alten Testaments, Hg. A. Jepsen (Berlin, 1975), S. 1 4 8 - 1 5 2 .

Die Meschainschrift

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ν

(1) Ich bin Mescha, der Sohn des KMSQTJ, des Königs von Moab, des Di(2)boniters. Mein Vater regierte als König über Moab dreißig Jahre, dann wurde ich nach meinem Vater Kö(3)nig. Und ich errichtete dieses Höhenheiligtum für Kemosch in (dem Ort) QRHW als Da[nkeszeichen? für die] Ret(4)tung, weil er mich vor allen An[greif]ern(?) gerettet hat und weil er mich über alle meine Feinde (einen Triumph) hat sehen lassen. Als Om(5)ri König Israels war, da hat er Moab viele Jahre gedemütigt, denn (damals) zürnte Kemosch seinem La(6)nd. Dann folgte ihm sein Sohn. Auch der sprach: „Ich will Moab demütigen!" In meinen (Regierungs-)tagen sprach er [so]. (7) Aber ich sah (meinen Triumph) an ihm und an seinem Haus. Ja, Israel ist für immer zu Grunde gegangen! Omri hatte auch das ga[nze La](8)nd MHDB' besetzt und (ein israelitischer Stamm) siedelte darin zu seinen (Regierungs-)tagen und die Hälfte der (Regierungs-)tage seines Sohnes/seiner Söhne: (insgesamt) vierzig Jahre. Aber Kemosch li(9)eß es in meinen Tagen (zum Staat Moab) zurückkehren. So bau[te] ich (den Ort) B'LM'N (wieder auf) und errichtete in ihm die Zisterne. Auch (den Ort) KRJTN bau(10)te ich (wieder auf). Die Leute von (dem Stamm) Gad aber wohnten im Land 'TRT seit jeher. Ja, der König von I(ll)srael hatte sich (den Ort) 'TRT (aus-) gebaut! Ich aber griff den Ort an und nahm ihn ein und tötete all [sein?] Volk. (12) Der Ort war eine Opfergabe (?) für Kemosch und Moab. Ich führte auch von dort den Altar (?) seines DWD zurück und [sch]lep(13Jpte ihn vor Kemosch in KRJT. Dann siedelte ich in ihm Leute von SRN und Leu[te] von (14)MHRT an. Da sprach Kemosch zu mir: „Geh, nimm (auch den Ort) NB' (im Kampf) gegen Israel". Da ging (15) ich bei Nacht los und kämpfte mit ihm von Anbruch der Morgendämmerung bis zum Mittag. Da hatte ich (16) ihn erobert und tötete alle[s]: siebentausend] (17) Mä[nn]er, Be[isass]en (?), Frauen, Be[isassi(17)n]nen (?) und Sklavinnen (?), denn ich hatte sie im Bann '§TR-KM§ geweiht. Ich nahm auch von dort die G[er( 18)ät]e Jahwes und schleppte sie vor Kemosch. Der König von Israel hatte auch (den Ort) (19) JHS (aus-) gebaut und er wohnte darin als er mit mir kämpfte. Aber Kemosch vertrieb ihn vor mir dadurch, daß (20) ich von Moab zweihundert

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Außerbiblische Nachrichten

Leute holte, die Gesamtheit seines Offizierscorps (?) und es gegen (den Ort) J H S einsetzte und ihn (so) einnahm (21), um ihn DJBN einzugliedern. Ich habe (den Ort) QRHW mit Mauern für die Parks und Mauern für (22) die Akropolis (be-)baut. Ich habe (auch) seine (Stadt-)tore gebaut und seine Türme gebaut! Ich ha(23)be auch den Königspalast (er-)baut und habe das Doppelbeckten (?) für die Quel]le mitt[en] in dem (24) Ort gebaut. Und da es keine Zisterne innerhalb des Ortes, in QRHW, gab, sprach ich zum ganzen Volk: „Errichtet je(25)der für euch eine Zisterne in seinem Grundstück!". Ich habe auch die Gruben (?) für QRHW hauen lassen (?) durch Gefange(26)ne (?) aus Israel. Ich habe (den Ort) ' R ' R gebaut. Auch die Straße am Arnon habe ich errichtet. (27) Ich habe (den Ort) BT BMT (wieder a u s g e b a u t , denn er war ein Trümmer (-häufen). Ich habe (den Ort) BSR (wieder auf-)gebaut — denn (28) [er war] ein Ruinenhaufen — [mit Leutjen von DJBN (insgesamt mit) fünfzig, denn ganz DJBN ist dienstpflichtig· So regie(29)rt[e] ich als König [über] . . . hundert in den Orten, die ich zum Lande(-sterritorium) hinzugefügt habe. Ich habe aber (auch den Ort) [MHD]B' (aus-)gebau(30)t und (den Ort) BT DBLTN und (den Ort) BT B'LM'N. Und ich habe dort . (31) . . des Kleinviehs des Landes erhoben (?). Aber (den Ort) HWRNN — es wohnte darin . . . (32) . . . sprach zu mir Kemosch: „Geh hinab, kämpfe gegen HWRNN". So stieg ich hinab . . . (33) . . . wohnt darin Kemosch in meinen (Regierungs-)tagen und . . . von dort . . . (34) . . . und ich . . . Die Inschrift beginnt wie viele Königsinschriften mit der Selbstvorstellung des Königs. Während das Formular sonst lautet: Ich (bin) NN, König von NN, Sohn des NN, des Königs von NN . . . 4 und dementsprechend hätte lauten müssen: „Ich (bin) Mescha 5 , der

4

Vgl. z.B. KAI, Nr. 5, 6, 7, (10), (11), 13, 15 u.a. Zum Namen vgl. F.M. Cross/D.N. Freedman, Early Hebrew Orthography, American Oriental Series, 36 (New Haven, 1952), S. 36; S. Segert, „Die Sprache", S. 246; E. Lipinski, „Etymological and Exegetical Notes on the Mesi Inscription", Orientalia (NS), 40 (1971), S. 3 2 5 - 3 4 0 (S. 325f). s

Die Meschainschrift

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König von Moab, Sohn des KMSQT]6, des Königs von Moab . . ." ist es hier abgewandelt. Der Titel „König von Moab" wird sich auf den Vater des Sprechers7 kaum auf ihn selbst beziehen. Die moabitische Vokalisation des Ortsnamens DJBN = heute Dibän8 ist unsicher. Im Bereich „dieses Höhenheiligtums" ist offensichtlich die Stele von Mescha aufgestellt9 und schließlich 1868 wieder entdeckt worden. QRHW ist dann ein Ortsteil DJBNs gewesen10. Die Zeitspanne der Bedrängnis Moabs durch Omri (V. 4 ff) wird in vager Terminologie mit „viele Tage" angegeben. Doch hat offensichtlich vor Omri eine solche Bedrängnis nicht stattgehabt11. Der Thronwechsel von Omri auf seinen namentlich nicht genannten Sohn (Ahab?) wird in anderer Weise als der von Meschas Vater auf Mescha selbst (Z. 2/3) beschrieben 1 2 . Nach dem hiesigen Text trat Omris Sohn (Ahab?) bewußt in die Fußstapfen seines Vaters u n d verfolgte gegenüber Moab die gleiche Politik wie sein Vater. Die Ausdrucksweise "IÖN macht diesen Sohn Omris (Ahab?) — anders als Omri selbst! — nicht nur zum Zeitgenossen Meschas, sondern zum Gegenspieler auf dem israelitischen Thron. Daß Mescha den Namen seines israelitischen Gegners nicht nannte, lag sicher nicht an seiner Unkenntnis 1 3 , sondern ist mit Absicht geschehen, um so einen Feind herabzusetzen. Vgl. J e s 7,5 „Sohn Remaljas"! 6 W.L. Reed/F.V. Winnett, „A Fragment of an Early Moabite Inscription from Kerak", BASOR, 172 (1963), S. 1 - 9 . Zur Deutung vgl. M. Weippert, „Archäologischerjahresbericht", ZDPV, 82 (1966), S. 2 7 4 - 3 3 0 (S. 329f.). 7 Vgl. KAI, Nr. 10! 8 Zur Ortslage vgl. A.H. van Zyl, The Moabites, Pretoria Oriental Series, 3 (Leiden, 1960), S. 77, und F.V. Winnett/W.L. Reed, The Excavations at Dibon (DhTbän) in Moab: Dhlbän Excavation Reports, 1/2, AASOR, 3 6 - 3 7 , New Haven, 1964. 9 Vgl. F.V. Winnett, „Excavations at Dibon in Moab 1 9 5 0 - 5 1 " , BASOR, 125 (1952), S. 7 - 2 0 (S. 8); A.H. van Zyl, The Moabites, S. 77f.; K. Galling, T G I 2 , S. 52 A3; E. Lipinski, „Exegetical Notes", S. 328. 10 M. Lidzbarski, Kanaanäische Inschriften (Gießen, 1907), S. 6; A.H. van Zyl, The Moabites, S. 77ff.; W. Röllig, K A I 2 , II, S. 172; anders K.-H. Bernhardt, „Der Feldzug der drei Könige" (Festschrift A. Jepsen), Schalom-Studien zu Glaube und Geschichte Israels, Hg. K.-H. Bernhardt, Arbeiten zur Theologie, 1. Reihe, Heft 46 (Stuttgart, 1971), S. 1 1 - 2 2 (S. 20). 11 So M. Noth, „Israelitische Stämme zwischen A m m o n und Moab", ZAW, 60 (1944), S. 1 1 - 5 7 = M. Noth, Aufsätze 1, S. 3 9 1 - 4 3 3 , S. 4 2 1 f . ( 4 4 f . ) ; J . Liver, „The Wars o f M e s h a , King of Moab", PEQ, 99 (1967), S. 1 4 - 3 1 (S. 19). 12 Zur Bedeutung von vgl. S. Segert, „Die Sprache", S. 244. 13 So M. Noth, „Israelitische Stämme", S. 421 f. (44f.).

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Außerbiblische Nachrichten

Der Text (Z. 7) läßt keinen Zweifel daran, daß die Absichten des Omrisohnes (Ahab?) mißlangen. Nicht nur über dessen Königshaus und Familie konnte Mescha „triumphieren" 14 , sondern sich auch am völligen Niedergang des Staates Israel weiden. Die Inschrift muß demnach von Mescha zu einem Zeitpunkt errichtet worden sein, als der „Sohn Omris" eines unrühmlichen Todes gestorben war und sich der Staat Israel innen- und außenpolitisch in zerrüttetem Zustand befand 15 . Die Zahlenangaben der Zeile 8 bilden eine alte crux 16 . Geht man den alttestamentlichen Nachrichten über den Abfall Moabs genauer nach, ergeben sich schon hier Widersprüchlichkeiten. Nach der Notiz 2Kön 1,1 hat Moab das Vasallitätsverhältnis zum Staat Israel nach Ahabs Tod gelöst: „Und Moab fiel von Israel ab 17 nach dem Tod Ahabs". In 2Kön 3,5 heißt es: „Und es geschah (,Π,1), als Ahab starb, fiel der König von Moab vom König Israels ab". Beide Aussagen drücken denselben Sachverhalt aus, jeweils in eigener Form. Dabei ist der Worüaut 2Kön 1,1 kürzer als 2Kön 3,5, der durch ΤΓ1 einen erzählerischen Zug bekommen hat. — Nach der Anlage der Königsbücher gehört die Tatsache als solche noch mittelbar zur Zeit Ahabs. Sie wäre dementsprechend nach l K ö n 22,39—40 zu erwarten gewesen. Jedenfalls hätte ein Redaktor diese Notiz um so eher zu Ahabs Zeit stellen müssen, wenn ursprünglich die Stellung des Satzes in 2Kön 3,5 ge14

Nach Z.4 ist 3 ΠΚΊ im Sinn von „mit Genugtuung (den Untergang) sehen", „sich weiden an", „triumphieren über" zu verstehen. Vgl. H. Greßmann, A O T 2 , S. 440; W.F. Albright, A N E T 3 , S. 320; W. Röllig, K A I 2 , II, S. 173. Anders S. Herrmann, Geschichte Israels in alttestamentlicher Zeit (München, 1973), S. 271. 15 Vgl. M. Lidzbarski, Ephemeris für semitische Epigraphik, Bd. I (Gießen, 1 9 0 0 - 1 9 0 2 ) , S. 144. Meschas Ausdruck „auf ewig" (0*75?) ist eine Übertreibung, die seinem Wunschdenken nach langer Unterdrückung entsprochen hat. 16 M. Lidzbarski, Ephemeris, Bd. I, S. 143f.; R. Kittel, Geschichte des Volkes Israel, Bd. 2: Das Volk in Kanaan, 6. Aufl. (Gotha/Stuttgart, 1925), S. 238 A8; F.M. Cross/D.N. Freedman, Orthography, S. 39 A l 3 ; G. Wallis, „Die vierzig Jahre der achten Zeile der Mesa-Inschrift", ZDPV, 81 (1965), S. 1 8 0 - 1 8 6 ; J . Liver, „The Wars", S. 19f.; E. Lipinski, „Exegetical Notes", S. 330ff; H. Schweizer, Elischa in den Kriegen, Literaturwissenschaftliche Untersuchung von 2 Kön 3; 6, 8 - 2 3 ; 6, 2 4 - 7 , 2 0 , Studien zum Alten und Neuen Testament, Hg. W. Richter/R. Schnackenburg, Bd. 37 (München, 1974), S. 96A 154. 17 Zu SWB als Bezeichnung für diè Auflösung des Vasallitätsverhältnisses vgl. 2Kön 8,20, 22 Edom-Juda. Vgl. auch l K ö n 12,19 Israel-Davids Haus.

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wesen ist und sie von ihm nach 2Kön 1,1 versetzt wurde 1 8 . Doch ist nicht die Wahrscheinlichkeit viel größer, daß der Wortlaut 2Kön 3,5 aus der Notiz 2Kön 1,1 entstanden ist? In 2Kön 3 wird die Erzählung vom Feldzug der drei Könige (2Kön 3,6—27) durch 'ΓΡΙ mit dieser Notiz verbunden, so daß nunmehr der Feldzug als Antwort auf den Abfall Moabs verstanden werden muß.

Die Notiz vom Abfall Moabs wird im Königsbuch jedoch nicht zu dem König (Ahab) gebracht, zu dem sie sachlich gehört. So scheint für den Redaktor der Sachverhalt nicht so zwingend als Folge von Ahabs Tod angesehen worden zu sein, wie es der Wortlaut nahegelegt 19 . Wenn in 2Kön 3,6ff der Feldzug der drei Könige als unmittelbare Antwort auf den Abfall Moabs gegenüber Joram (!) geschildert wird (2Kön 3,7 3 SWS 3X1» "jV»), so ist damit noch ein weiterer Zeitpunkt für den Abfall Moabs angegeben. Nach den alttestamentlichen Angaben könnte man somit mindestens zwei 20 verschiedene Zeitpunkte für den Abfall Moabs angeben, wobei keiner explizit den Namen Mescha erwähnt. Die Meinung, daß der Abfall Moabs eine unmittelbare Folge von Ahabs Tod gewesen ist, simplifiziert die alttestamentlichen Aussagen! Versucht man von den Angaben der Meschainschrift her den Zeitpunkt des Abfalls näher zu deuten, so bieten sich sehr verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. Bei singularischem Verständnis 2 1 von ΓΠ3 als „sein leiblicher Sohn", bedeutet der Text, daß Medeba nach vierzigjähriger Okkupation durch Omri und seinen Sohn (d.h. Ahab) nach Moab zurückkehrte. Mit 40 Jahren wäre dann eine Zeitspanne bezeichnet, die die Regierungszeit Omris und die Hälfte der Regierungszeit 2 2 seines Sohnes Ahab umfaßt. Nach den alttestamentlichen Angaben hat 18

So M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, S. 83 A5; H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 63A 160. 19 Eine Vorverlegung von Moabs Abfall noch in die Lebzeiten Ahabs (so J . Liver, „The Wars", S. 20) ist durch den Wortlaut ausgeschlossen. 20 In der Aussage 2Kön 1,1 (2Kön 3,5) könnte man das „nach dem Tod Ahabs" zeitlich so dehnen, daß der „Abfall" dann in die Zeit Ahasjas fiele, in die er auch gestellt ist. 21 G.A. Cooke, A Text-Book of North-Semitic Inscriptions (Oxford, 1903), S. 9 f ; W.F. Albright, A N E T 3 , S. 320. Weitere Meinungen bei G. Wallis, „Die vierzig J a h r e " , S. 180, E. Lipmski, „Exegetical Notes", S. 330f, Religionsgeschichtliches Textbuch, S. 256 und H. Schweizer, Elischa, S. 96 A 154. 22 E. Lipinski, „Exegetical Notes", S. 330f und ders. Religionsgeschichtliches Textbuch, S. 256 A 53, meint, die Zeitspanne der „Hälfte der Tage" beziehe sich nicht auf die Regierungszeit von Omris Nachfolger, sondern auf die Hälfte

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Außerbiblische Nachrichten

Omri aber nur 12 Jahre regiert, Ahab 22. Als Summe ergäbe sich 12 + 22/2 = ca. 23 Jahre gegen die 40, die Mescha angibt. Bei einem pluralischen Verständnis 2 3 vonrU3,als „seine Söhne" — was bekanntlich ebenfalls möglich ist 2 4 — errechnet sich die Dauer auf höchstens 29—30 22+2+12 J a h r e = 12 H , d.h. nicht auf die genannten 40. Auch muß dann im Sinn von „männlicher N a c h k o m m e " verstanden werden, da nur Ahab wirklich Omris leiblicher Sohn war, Ahasja und J o r a m aber seine Enkel 2 5 . Der früher von H. Winckler 26 unternommene Versuch, die Zahlendifferenz durch eine Interpretation = „Gesamtheit", „ S u m m e " (statt wie in Hebräisch: „Hälfte") aufzulösen, ist schon von M. Lidzbarski zurückgewiesen worden 2 7 . Auch eine Interpretation "'S Π = „Anteil", „Abschnitt 2 8 " läßt sich nicht wirklich untermauern. Zwar i s t , S n in der Inschrift hapax legomenon, doch führen die nächstverwandten semitischen Sprachen auf „Hälfte" oder „Mitte" 2 9 .

Die Interpretationen der Zeile 8 sind somit alle unsicher. Sie sind das deswegen, weil man meint, die Aussage über die Rückkehr Medebas zu Moab gleichsetzen zu müssen mit Meschas Abfall von Israel. Vom Kontext der Inschrift ist dies jedoch nicht erforderlich! Danach hat Omri Moab „gedemütigt" und auch sein Nachfolger an dieser Politik gegen Moab festgehalten. Nach dessen Tod habe Israel eine Periode der Schwäche gehabt (Z. 6f). Israel habe außerdem30 der normalen Lebenszeit eines Menschen (vgl. Ps 90,10), mithin auf 35 Jahre. Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Vgl. auch Z.2, wo die Regierungszeit — nicht die Lebenszeit — für Meschas Vater mit „30 J a h r e n " angegeben wird! 23 H. Greßmann, A O T 2 , S. 441; W. Röllig, K A I 2 , II, S. 168; K. Galling, TGI 2 , S. 52; G. Wallis, „Die vierzig J a h r e " , S. 180. 24 Vgl. Z.8 n a ^ Plural + Suffix 3.P.Sing. 25 F.M. Cross / D.N. Freedman, Orthography, S. 39 A 13. 26 H. Winckler, Altorientalische Forschungen, II, 3: Die Zeitangaben Mesas (Leipzig, 1900), S.. 4 0 1 - 4 0 7 . Vgl. neuerdings noch M. Weippert, Edom; Studien und Materialien zur Geschichte der Edomiter auf Grund schriftlicher und archäologischer Quellen, Ev.theol.Diss. (Tübingen, 1971), S. 319. 27 Ephemeris, I, S. 143 f. 28 G. Wallis, „Die vierzig J a h r e " , S.. 183f; H.-Chr. Schmitt, Elisa, S. 65 A 172. 29 Den Sinn „ein Anteil, Abschnitt" für das Nomen 'ΧΠ von einer hypothetischen Bedeutung der Wurzel (f )2£ΓΙ zu postulieren, ist sehr problematisch. Im Zusammenhang des Textes ist "'SΠ Substativ im status constructus, das durch die nachfolgenden Substantive determiniert wird. Beim Verständnis des Nomens als ein „Abschnitt", „Anteil" wäre ein undeterminierteres Substantiv zu erwarten, was eine andere grammatische Konstruktion erfordert! 30 Der Neueinsatz (Z.7/8) kann entweder additiv verstanden werden: „Omri hatte Moab b e d r ä n g t . . . und Medeba besetzt" oder explikativ: „Omri hatte

Die Meschainschrift

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z.Z. von Omris Regentschaft Medeba besetzt gehalten. Ein Zustand, der z.Z. von Omris Sohn — oder: Söhnen — andauerte und insgesamt 40 Jahre währte. Erst zu Meschas Zeit ist dieser Zustand beendet worden (Z. 9). Die Zeitspanne der 40 Jahre bezieht sich damit allein auf die israelitische Okkupation Medebas. Über einen Zeitpunkt zu dem von Mescha das Vasallitätsverhältnis gegenüber Israel aufgelöst wurde, sagt die Angabe der 40 Jahre jedoch nichts! Die Auflösung des Vasallitätsverhältnisses, das indirekt mit dem Ausdruck „Omri demütigt Moab" und „Kemosch zürnte seinem Land" zugestanden wird, fiel nach der Inschrift vielmehr schon in frühere Zeit und mit dem „Triumph" Meschas über den ungenannten Nachfolger Omris zusammen31. Zwischen der „Befreiung" Moabs, d.h. der Kündigung der Vasallität gegenüber Israel (Z. 7) und der Rückkehr des Landes Medeba zu Moab (Z. 9), kann eine beträchtliche Zeitspanne gelegen haben32! Die „vierzig Jahre"33 sind eine Aussage über die israelitische Besetzung Medebas, nicht aber eine Aussage über den Zeitpunkt, zu dem Mescha von Israel „abfiel". Während im übrigen Text das „wohnen" oder „siedeln" an einem Ort oder in einem Land durch 3 3®"· ausgedrückt wird (Z. 8, 10, 13, 19, 31), lautet der Text 34 Z. 8f: m s n . Da es in der Inschrift keinen nachweislichen Textfehler gibt, ist hier, ebenso wie Zeile 12, die Wurzel 31® anzusetzen35. D.h. „Kemosch brachte das Land zu-

Moab bedrängt. . . indem er Medeba besetzt hatte" . . . Der additive Stil der Inschrift spricht eher für die erste Möglichkeit. Gegen E. Lipinski, Religionsgeschichtliches Textbuch, S. 256. 31 Das entspräche der Angabe von 2Kön 1,1 und 2Kön 3,5! 32 Zwischen die Aussage vom „Triumph" Meschas (Z.7) und die Rückkehr Medebas nach 40jähriger Okkupation (Z.8) ist noch ein Riickverweis auf die früheren Zeiten eingeschoben, so daß der übliche Schluß, die Rückkehr Medebas zu Moab sei identisch mit dem Abfall Meschas, keineswegs zwingend nahegelegt wird! 33 Im Zusammenhang mit den übrigen Zahlenangaben des Textes (Z.2: 30 Jahre, Z.5: viele Tage, Z.16: 7000 Personen, Z.20: 200 Mann) spricht alles für eine nur ungefähre Zahlenangabe. 34 Der Anfang des Wortes ist unsicher. Für das hiesige Problem bedeutet das nichts. 35 M. Lidzbarski, Kanaanäische Inschriften (Gießen, 1907), S. 7; F J . Andersen, „Moabite Syntax", S. 97, 99; P.D. Miller, „A Note on the MeSa'-Inscrip-

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Außerbiblische Nachrichten

rück" — nicht: „siedelte darin"36. Diese Auffassung wird von der obigen gestützt, nach der schon vor der israelitischen Okkupation des Landes Medeba von moabitischer Seite aus Ansprüche auf dieses Gebiet geltend gemacht worden sind, nun aber, z.Z. Meschas, das Land dem moabitischen Staat wieder angegliedert werden konnte. Da bei der Rückgliederung des Gebietes nicht von einem Kriegszug Meschas berichtet wird 3 7 , sondern die Rückgliederung allein durch Kemosch bewirkt wurde, ist es nicht ratsam, eine kriegerische Auseinandersetzung um Medeba anzunehmen. Der Landstrich kann auf Grund vertraglicher Abmachungen zwischen einem israelitischen König und Mescha seine Staatszugehörigkeit gewechselt haben. Vgl. Kabul l K ö n 9,12f!

Im Unterschied zur Rückgliederung des „Landes Medeba" wurde der genuin israelitische Ort Atarot von Mescha mit militärischer Gewalt erobert und seine Bevölkerung ausgerottet. Die Ausdrucksweise der Inschrift: der König von Israel hatte sich 'TRT (aus-)gebaut (Π1? p , 1), 38 macht deutlich, daß der Ort Atarot zum israelitischen König in einem besonderen Verhältnis gestanden hat. Der König Israels, der sich Atarot (aus-)gebaut hatte, wird namentlich nicht genannt. Da auch Z. 6 der Name Ahab unterdrückt wurde 39 , ist es möglich, auch hier an ihn zu denken. Eine Sicherheit ist aber nicht gegeben. — lKön 22,39 berichtet davon, daß Ahab Städte gebaut hat. Schon oben (S. 51f) ist vermutet worden, daß es sich bei diesen Städten ähnlich wie bei Rehabeam vielleicht um Festungsbauten handelte. Wenn die hiesige Aussage auf Ahab zielt, hätten wir hiermit einen Beweis für jene Aussage von gegnerischer Seite40. tion", Orientalia, NS, 38 (1969), S. 4 6 1 - 4 6 4 . Vgl. auch S. Segert, „Die Sprache", S. 210 mit 210 A 64. 36 Gegen E. Lipinski, Religionsgeschichtliches Textbuch, S. 256. 37 Vgl. aber Atarot, Z . l l f . , Nebo Z.14f, Jahaz Z.18f und Horonajim Z.31ff! Beim Zug Meschas gegen Jahaz vertrieb der Gott Kemosch die Israeliten nur (wenig) unterstützt von einer moabitischen Elite(?)-einheit. Von solcher militärischen menschlichen Unterstützung des göttlichen Tuns ist in Bezug auf Medeba keine Rede. 38 Der Ausdruck Π1? p * ! kann als „er baute sich", „er baute i h m " (d.h. dem Stamm Gad) und „er baute für es" (d.h. dem Land Atarot) übersetzt werden. Vgl. F.J. Andersen, „Moabite Syntax", S. 99 A 2. Vom Inhalt her ergibt sich am nächsten der Bezug auf den israelitischen König. 39 Siehe oben S. 161. 40 Vgl. G. Wallis, „Die vierzig J a h r e " , S. 184f.

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Der Gegenstand, den Mescha aus Atarot fortschleppte, wird mit 1Π VNIN bezeichnet. Dieser Gegenstand konnte bislang noch nicht bestimmt werden 41 . Die Analogie zu Z. 17 berechtigt dazu, auch hier an einen israelitischen Kultgegenstand zu denken. In Atarot hat es demnach neben der Anlage, die der israelitische König „für sich" (flV p , 1) baute, eine israelitische Kultstätte gegeben. Die Aufforderung zum Kampf durch einen Gott: V. 14 „da sprach Kemosch zu mir" gehört zur Praxis und Ideologie des antiken Krieges42. Wir wüßten gern, in welcher Weise Kemosch dem König seinen Befehl hat zukommen lassen. Doch wird davon leider nichts berichtet. Im Ort Nebo hat es — wie auch in Atarot — nach Z. 18 ein Heiligtum (?) Jahwes gegeben, von wo Mescha die Π1Π1 "'Vf. . .]« 43 fortschleppen konnte. Aus der staatlichen Zeit Israels ist dies immer noch der früheste außeralttestamentliche Beleg für den Namen des israelitischen Gottes: Π1ΓΡ, der hier mit den gleichen Konsonanten wie noch in den spätesten Texten des Alten Testaments geschrieben wird. An welchen Ort man die [. . .] Jahwes schleppte, wird nicht angegeben 44 . Mit dem Satz über den Abtransport der [. . .] Jahwes endet der Siegesbericht über den Feldzug gegen Nebo. In Z. 18 (b) greift der Text mit "¡Vö^l auf frühere Zeiten zurück. Diese frühere Zeit bildet die Begründung für den jetzt zu berichtenden Teil45. Der König Israels, der den Ort Jahaz ausgebaut hat, wird auch hier nicht genannt. Man ist versucht, wieder an Ahab zu denken (vgl. Z. 6!)4